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Höhere Mathematik

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540 Differentialrechnung auf Mannigfaltigkeiten<br />

Da sich jede Mannigfaltigkeit lokal parametrisieren<br />

läßt, können wir zumindest im Prinzip jede Optimierungsaufgabe<br />

auf einer Mannigfaltigkeit M so lösen wie die Aufgaben<br />

in den beiden vorangegangenen Beispielen. (Existiert<br />

keine globale Parametrisierung von M, somüssen<br />

wir mehrere verschiedene lokale Parametrisierungen betrachten,<br />

und zwar so, daß die zugehörigen Kartenbereiche<br />

ganz M überdecken; das ist aber kein prinzipielles<br />

Problem.) Ist allerdings eine Mannigfaltigkeit M durch<br />

ein reguläres Gleichungssystem g1(x) =··· = gm(x) =0<br />

gegeben, so ist es oft mühsam oder aufwendig, eine Parametrisierung<br />

von M zu finden und dann mit dieser zu<br />

arbeiten. Es stellt sich daher die Frage, ob man ein Optimierungsproblem<br />

auf M nicht direkt unter Benutzung der<br />

Funktionen gi lösen kann. Der folgende Satz zeigt, daß<br />

dies tatsächlich möglich ist.<br />

(98.3) Satz von Lagrange. Es seien M ⊆ R n eine<br />

Mannigfaltigkeit und f : M → R eine C 1 -Funktion.<br />

Nimmt f an der Stelle p ∈ M ein lokales Minimum oder<br />

Maximum an und hat M in einer Umgebung von p eine<br />

reguläre Darstellung g1(x) = ··· = gm(x) = 0, so<br />

gibt es Zahlen λ1,...,λm ∈ R (sogenannte Lagrange-<br />

Multiplikatoren) mit<br />

(⋆) (∇f)(p) = λ1 · (∇g1)(p)+···+ λm · (∇gm)(p) .<br />

Beweis. Für jede in M verlaufende Kurve t ↦→ α(t)<br />

mit α(0) = p hat die Funktion t ↦→ f � α(t) � ein Minimum<br />

bzw. Maximum an der Stelle t = 0; also gilt<br />

0 = d<br />

�<br />

�<br />

�<br />

dt�<br />

f<br />

t=0<br />

� α(t) � = 〈(∇f)(p), ˙α(0)〉 .<br />

Da α beliebig war, liegt also (∇f)(p) in(TpM) ⊥ .Nach<br />

(97.17) wird aber (TpM) ⊥ aufgespannt von den Vektoren<br />

(∇gi)(p) mit1≤ i ≤ m.<br />

(98.4) Bemerkung. Wir wollen für den Spezialfall<br />

einer Funktion f : R 2 → R und einer einzelnen Nebenbedingung<br />

g(x, y) = 0 eine geometrische Deutung der Lagrangeschen<br />

Methode geben. Da aufgrund der vorausgesetzten<br />

Regularität ∇g �= 0 gilt, beschreibt die Gleichung<br />

g(x, y) = 0 eine Kurve in R 2 . Wenn diese in irgendeinem<br />

Punkt p transversal zu der Höhenlinie von f durch<br />

p verläuft (diese also kreuzt), kann f entlang dieser Kurve<br />

kein Minimum oder Maximum annehmen; wir müssen<br />

ja von p aus nur ein kleines Stückchen in der einen oder<br />

andern Richtung der Kurve laufen, um Höhenlinien von<br />

f zu kleineren bzw. größeren Werten zu erreichen. Nimmt<br />

also umgekehrt f in p ein Maximum oder Minimum unter<br />

der Nebenbedingung g =0an,soistdiesnurmöglich,<br />

wenn die Höhenlinien von f and g an der Stelle p tangential<br />

zueinander verlaufen. Das bedeutet aber, daß die<br />

Gradienten von f und g an dieser Stelle linear abhängig<br />

sind (also in die gleiche oder in die exakt gegengesetzte<br />

Richtung zeigen).<br />

Verlag Harri Deutsch – Karlheinz Spindler: <strong>Höhere</strong> <strong>Mathematik</strong> – Ein Begleiter durch das Studium – (978-3-8171-1872-4)<br />

g=0<br />

f=c4<br />

f=c1<br />

f=c2<br />

f=c3<br />

Abb. 98.2: Geometrische Deutung der Methode.<br />

Wir sehen auch, daß aus der Existenz einer Zahl λ mit<br />

(∇f)(p) =λ ·∇g(p) noch nicht folgt, daß f auf der Menge<br />

g = 0 tatsächlich ein Extremum annimmt; die Existenz<br />

Lagrangescher Multiplikatoren ist also notwendig,<br />

aber nicht hinreichend für das Vorliegen eines Extremums.<br />

g=0<br />

f=c4<br />

f=c1<br />

f=c2<br />

f=c3<br />

Abb. 98.3: Existenz Lagrangescher Multiplikatoren nicht<br />

hinreichend für das Vorliegen eines Extremums.<br />

Auf die Voraussetzung der Regularität der Darstellung<br />

g1(x) =···= gm(x) = 0 kann nicht verzichtet werden.<br />

g=0<br />

f=c4<br />

f=c1<br />

f=c2<br />

f=c3<br />

Abb. 98.4: Nichtexistenz Lagrangescher Multiplikatoren<br />

trotz vorliegenden Extremums bei fehlender Regularität<br />

(im Extrempunkt p gilt (∇g)(p) =0).

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