Themen Tagungen Termine - Akademie für Politische Bildung Tutzing
Themen Tagungen Termine - Akademie für Politische Bildung Tutzing
Themen Tagungen Termine - Akademie für Politische Bildung Tutzing
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AKADEMIE<br />
-REPORT<br />
AKADEMIE FÜR POLITISCHE BILDUNG TUTZING<br />
2 / 2005<br />
B u c h e n s e e 1 8 2 3 2 3 T u t z i n g T e l e f o n 0 8 1 5 8 / 2 5 6 - 0 F a x 0 8 1 5 8 / 2 5 6 - 1 4 + 5 1<br />
I n t e r n e t : h t t p : / / w w w . a p b - t u t z i n g . d e E - m a i l : C h e f s e k r e t a r i a t @ a p b - t u t z i n g . d e<br />
15 Jahre Deutsche Einheit:<br />
Gefühlte Vorzüge im<br />
Abwärtstrend<br />
Joachim Gauck erinnerte an die oft<br />
an den Rand der Entwicklung gedrängten<br />
und vergessenen Bürgerrechtler<br />
in der früheren DDR.<br />
Fotos: Schröder/Delhaes<br />
Vor 16 Jahren kamen die versteinerten<br />
Verhältnisse in der DDR in Bewegung,<br />
Wenige Monate nach der Öffnung<br />
der Mauer konnten die Menschen<br />
im Osten Deutschlands erstmals seit Jahrzehnten<br />
in freien Wahlen ihre Abgeordneten<br />
<strong>für</strong> die Volkskammer bestimmen;<br />
mit der Einführung der D-Mark Anfang<br />
Juli 1990 war das Ende der sozialistischen<br />
Planwirtschaft unumkehrbar. Am<br />
3. Oktober 1990 war Deutschland wiedervereinigt.<br />
Nicht nur ökonomische Probleme standen<br />
im Mittelpunkt der Tagung, die den<br />
vielfältigen Fragen im Zusammenhang<br />
mit dem längst noch nicht abgeschlossenen<br />
Prozess der inneren Einheit nachspürte.<br />
Seite 3-5<br />
60 Jahre Kriegsende:<br />
Stalinisierung und<br />
Zwangsvereinigung<br />
Ein Beitrag der ganz besonderen Qualität<br />
zu den vielen Zeitzeugenberichten<br />
rund um das Ende des Zweiten<br />
Weltkrieges vor 60 Jahren lieferte<br />
Wolfgang Leonhard. Er kam im April<br />
1945 als Mitglied der berühmten<br />
„Gruppe Ulbricht“ in das von der sowjetischen<br />
Armee besetzte Berlin.<br />
Die Gruppe deutscher Kommunisten<br />
Zeitgeschichte aus erster Hand –<br />
packend und anschaulich erzählt von<br />
Wolfgang Leonhard.<br />
aus dem Moskauer Exil hatte die Aufgabe,<br />
im Sinne der Sowjetregierung<br />
unter Stalin eine scheinbar demokratische<br />
Verwaltung und ein Parteiensystem<br />
zu etablieren. Als Leonhard die<br />
fortschreitende Stalinisierung erkannte,<br />
flüchtete er im März 1949 unter<br />
Lebensgefahr in das blockfreie Jugoslawien<br />
und von dort Ende 1950 in die<br />
Bundesrepublik. Später lehrte er unter<br />
anderem in Oxford und Yale. Der<br />
84-Jährige gilt als Kapazität der internationalenKommunismusforschung.<br />
Seite 24<br />
Die neue EU der 25:<br />
Mit Problemen beladen<br />
Haben sich die Erwartungen bzw. Be<strong>für</strong>chtungen<br />
bezüglich der Osterweiterung<br />
der EU bestätigt? Diese und<br />
daran anknüpfende Fragen standen im<br />
Zentrum einer international ausgerichteten<br />
Fachtagung, die die <strong>Akademie</strong><br />
gemeinsam mit einer ganzen Reihe<br />
von Kooperationspartnern durchführen<br />
konnte. Schnell wurde deutlich,<br />
dass die letzte Erweiterungsrunde<br />
nicht allein aufgrund ihrer Dimension<br />
(10 Länder mit ca.75 Millionen<br />
Einwohnern), sondern auch wegen der<br />
großen Einkommensdifferenzen mit<br />
vielen Problemen beladen ist.<br />
Seite 6-10<br />
Der bayerische Finanzminister Kurt<br />
Faltlhauser sprach über die Unternehmensbesteuerung<br />
als wesentliches<br />
Element des sich verschärfenden<br />
Standortwettbewerbs in Europa.
Inhaltsverzeichnis<br />
2<br />
Seite<br />
15 Jahre Deutsche Einheit:<br />
Gefühlte Vorzüge im Abwärtstrend 3<br />
Das neue Europa ist mit vielen<br />
Problemen beladen 6<br />
Steuerdumping in der erweiterten EU 9<br />
Migration und Schule:<br />
Ein Blick über die Grenzen 11<br />
Entwicklungsland mit Atomprogramm 13<br />
US-Außen- und Sicherheitspolitik:<br />
Globale Rolle unter dem Primat<br />
des Unilateralismus 15<br />
Vom Überleben in einer Nischengesellschaft 17<br />
<strong>Akademie</strong>gespräch im Landtag:<br />
Flucht und Vertreibung –<br />
Erinnerung und Gegenwart 19<br />
„Erlöst und vernichtet in einem“ 21<br />
60 Jahre Kriegsende:<br />
Stalinisierung und Zwangsvereinigng 24<br />
Zeitungsecho – Medienstimmen – Pressesplitter 25<br />
<strong>Themen</strong> – <strong>Tagungen</strong> – <strong>Termine</strong> 26<br />
Förderkreis 31<br />
Namen und Nachrichten / Anmeldeformular 32<br />
Direktor der <strong>Akademie</strong>:<br />
Prof. Dr. Dr. h.c. Heinrich Oberreuter<br />
Vorsitzender des Kuratoriums:<br />
Prof. Dr. Dr. h.c. (mult.) Hans Maier<br />
Vorsitzender des Beirats:<br />
Siegfried Kett<br />
Kollegium:<br />
Saskia Hieber, M.A.<br />
Internationale Politik<br />
PD Dr. Michael Piazolo, Dozent<br />
Europapolitik, Staats- und Verfassungsrecht,<br />
Rechtspolitik<br />
Dr. Michael Schröder, Dozent<br />
Medien, Kommunikationspolitik,<br />
Öffentlichkeitsarbeit<br />
Dr. Manfred Schwarzmeier<br />
Pers. Referent des Direktors<br />
Parlamentarismus- und Parteienforschung<br />
Dr. Jürgen Weber, Dozent<br />
Politikwissenschaft, Zeitgeschichte<br />
Karl-Heinz Willenborg<br />
Gesellschaft und Umwelt,<br />
Sozialpolitik und -arbeit<br />
Miriam Wolf, M.A.<br />
Ethik und Politik<br />
<strong>Akademie</strong>-Report<br />
Herausgeber:<br />
<strong>Akademie</strong> <strong>für</strong> <strong>Politische</strong> <strong>Bildung</strong><br />
Buchensee 1 82327 <strong>Tutzing</strong><br />
Tel. 08158/256-0 Fax 08158/256-14<br />
Internet: http://www.apb-tutzing.de<br />
E-Mail: K.Sittkus@apb-tutzing.de<br />
Redaktion:<br />
Prof. Dr. Dr. hc. Heinrich Oberreuter<br />
(verantw.)<br />
Dr. Michael Schröder<br />
(Redaktion und Gestaltung)<br />
Mitarbeit / Layout: Karin Sittkus<br />
Druck:<br />
Dinauer Medienbetrieb GmbH<br />
Lindberghstraße 4 82178 Puchheim<br />
Logo: KR-Team Karin Rappenglück, Pöcking<br />
Der <strong>Akademie</strong>-Report wird kostenlos abgegeben<br />
<strong>Akademie</strong>-Report 2/2005
15 Jahre Deutsche Einheit:<br />
Gefühlte Vorzüge im Abwärtstrend<br />
Fachtagung spürt den Illusionen, Realitäten und Erfolgen nach<br />
Vor 15 Jahren geschah, womit nur die Wenigsten gerechnet hatten:<br />
die versteinerten Verhältnisse in der DDR kamen in Bewegung, und<br />
unter dem Druck ihrer Bürger auf den Straßen sowie der Bürgerrechtsbewegungen<br />
in Mittel- und Osteuropa musste sich die kommunistische<br />
Staatsmacht in Ost-Berlin geschlagen geben. Wenige<br />
Monate nach der Öffnung der Mauer konnten die Menschen im Osten<br />
Deutschland erstmals seit Jahrzehnten in freien Wahlen ihre<br />
Abgeordneten <strong>für</strong> die Volkskammer bestimmen; mit der Einführung<br />
der D-Mark Anfang Juli 1990 war das Ende der sozialistischen Planwirtschaft<br />
unumkehrbar, und am 3. Oktober hatten die Deutschen<br />
erreicht, was sie in ihrer überwältigenden Mehrheit wollten: Das<br />
SED Regime war beseitigt, die DDR bereits Geschichte und Deutschland<br />
wiedervereinigt.<br />
In der anfänglichen Euphorie über<br />
die unerwartete Einheit Deutschlands<br />
unterschätzten Bürger und<br />
Politiker die Schwierigkeiten, die es in<br />
wirtschaftlicher, sozialer und mentaler<br />
Hinsicht zu bewältigen galt. Vor allem<br />
täuschte man sich im Zeithorizont des<br />
angestrebten Aufbauprozesses Ost, der<br />
seit Mitte der 1990er Jahre ins Stocken<br />
kam. Aus heutiger Sicht kann man Fehler<br />
und Versäumnisse benennen, die<br />
damals geschahen, doch wer vom Rathaus<br />
kommt, ist immer klüger. Die errungene<br />
Freiheit ist inzwischen eine<br />
Selbstverständlichkeit geworden, die<br />
Massenarbeitslosigkeit in den neuen<br />
Ländern jedoch eine tägliche Provokation.<br />
Aber ist es wirklich so, wie in<br />
den Medien immer häufiger zu hören<br />
und zu lesen ist – statt Landschaften<br />
blühe die DDR-Nostalgie, schrumpfende<br />
Städte bestimmten das Bild statt<br />
einer Aufbruchstimmung, ein gefährlicher<br />
Substanzverlust der Republik sei<br />
durch die gewaltigen Transferleistungen<br />
zu be<strong>für</strong>chten?<br />
Stagnation der<br />
Integration<br />
Thomas Gensicke präsentierte eine<br />
Reihe von aktuellen empirischen Erhebungen<br />
zur Wiedervereinigung. Die<br />
Integration hat sich danach auf verschiedenen<br />
Ebenen in ganz unter-<br />
<strong>Akademie</strong>-Report 2/2005<br />
schiedlicher Qualität entwickelt. Während<br />
das Zusammenwachsen der Bevölkerung<br />
in Ost und West bei der<br />
Bewältigung alltäglicher Probleme<br />
schon wesentlich weiter fortgeschrit-<br />
Joachim Gauck kritisierte die verfälschende<br />
Rückbesinnung auf eine DDR,<br />
die es nie gab.<br />
ten ist als weithin angenommen,<br />
scheint die staatsbürgerliche und mentale<br />
Integration eher zu stagnieren.<br />
Hier mischen sich (n)ostalgische Tendenzen<br />
mit ökonomischer Frustration,<br />
so Gensicke. Im Befragungszeitraum<br />
von 1990 bis 2004 hat sich bei den<br />
Ostdeutschen die Einschätzung der<br />
DDR als ein angeblich sozial hoch<br />
entwickeltes Land massiv verstärkt,<br />
während die „gefühlten Vorzüge“ im<br />
heutigen Deutschland im Abwärtstrend<br />
sind. Für Ost wie West gilt außerdem:<br />
Die Stereotypen von einst sind auch<br />
nach 15 Jahren keineswegs aus den<br />
Köpfen verschwunden – der Ossi sei<br />
unzufrieden, misstrauisch und faul;<br />
der Wessi arrogant, aufs Geld aus und<br />
oberflächlich. Trotz der bislang erreichten<br />
Fortschritte kann man keineswegs<br />
von einer Identifikation der<br />
Ostdeutschen mit der Bundesrepublik<br />
Deutschland sprechen. Die Ostdeutschen<br />
fühlen sich einer Allensbach-<br />
Studie aus dem Jahre 2004 zufolge den<br />
Westdeutschen in etwa so nahe wie<br />
die Deutschen insgesamt den Österreichern.<br />
Joachim Gauck knüpfte an diese<br />
Erkenntnisse an und steuerte<br />
seine Erklärungen <strong>für</strong> die bei<br />
weitem noch nicht abgeschlossene<br />
Integration von Ost und<br />
West bei. So bemängelte er das<br />
Fehlen einer kritischen Auseinandersetzung<br />
mit dem Wesen<br />
der DDR als einer Diktatur. Die<br />
Folge sei eine Verklärung und<br />
eine nachholende Identifizierung<br />
mit der DDR. „Kein DDR-<br />
Bürger hätte sich den Schwachsinn<br />
der Nostalgieshows zu<br />
DDR-Zeiten angetan!“ Diese<br />
verfälschende Rückbesinnung<br />
auf eine DDR, die es nie gab,<br />
erklärte er damit, dass sich die<br />
ostdeutsche Bevölkerung in einem<br />
Entwicklungsstadium des<br />
Übergangs befinde.<br />
Verklärung<br />
Mit Blick auf den Systemwechsel von<br />
1945 im Westen sieht Gauck Parallelen,<br />
die zum Verständnis dieser Entwicklung<br />
hilfreich sind. Attribute, die<br />
in verklärender Weise früher dem Dritten<br />
Reich zugedacht waren, fänden<br />
sich in ähnlicher Form bei der Verklä-<br />
�<br />
3
ung der DDR wieder: die öffentliche<br />
Sicherheit, die Vollbeschäftigung und<br />
anstatt der Autobahnen seien es heute<br />
die Kindergärten: „Es war ja auch nicht<br />
alles schlecht“. Die Menschen, so<br />
Gauck, suchen sich in einer Zeit des<br />
Umbruchs an überkommenen Gewissheiten<br />
zu orientieren, auch wenn diese<br />
objektiv falsch sind. Das war nach dem<br />
2. Weltkrieg ähnlich wie nach 1990.<br />
Allerdings konnte sich die Neuorientierung<br />
der Westdeutschen nach der<br />
Nazi-Diktatur auf einen massiven ökonomischen<br />
Aufschwung stützen, während<br />
in den neuen Ländern heute von<br />
wirtschaftlicher Aufbruchstimmung<br />
nur wenig zu spüren sei. „Das Land<br />
erlebte in den 1950er Jahren etwas, das<br />
später unter dem Begriff Wirtschaftswunder<br />
bekannt wurde, d.h. in jener<br />
gebrochenen Nachkriegsgesellschaft<br />
mit all ihren Problemen des Übergangs<br />
gab es <strong>für</strong> jedermann und jede Frau<br />
eine Erfolgsgeschichte!“ Diese fehle in<br />
den neuen Bundesländern häufig. Zusätzlich<br />
gab Gauck zu bedenken, dass<br />
das DDR-Regime seine Bürger 40 Jahre<br />
beherrschte; zählt man die 12 Jahre<br />
Nationalsozialismus und die sowjetische<br />
Besatzungszeit von 1945 bis 1949<br />
hinzu, dann haben die Ostdeutschen<br />
insgesamt 56 Jahre Diktatur erlebt.<br />
Ihre schleppende Integration in das<br />
wiedervereinigte Deutschland sei –<br />
so Gauck – kein genuin<br />
ostdeutsches Problem.<br />
Die Anpassung an ein<br />
freiheitliches, auf persönlicher<br />
Verantwortung<br />
basierendes System<br />
brauche seine Zeit.<br />
Alte Eliten als<br />
Gewinner<br />
Als weiteres Integrationshemmnisidentifizierte<br />
der Bundestagsabgeordnete<br />
und ehemalige<br />
Bürgerrechtler und sächsische<br />
Staatsminister Arnold<br />
Vaatz in seinem<br />
Vortrag die Kontinuität<br />
der Führungseliten in<br />
Ostdeutschland. „Die eigentlichen<br />
Gewinner dieser<br />
Revolution sind die<br />
Führungseliten der DDR<br />
gewesen“, konstatierte<br />
4<br />
Vaatz. Die ehemaligen SED-Kader haben<br />
ihre Netzwerke und Führungserfahrung<br />
in das vereinte Deutschland<br />
mitgenommen. Auf diese Weise sind<br />
zahlreiche Personen in verantwortungsvolle<br />
Positionen gelangt, die dem<br />
westlichen demokratischen System<br />
nicht unbedingt wohl gesonnen sind.<br />
Arnold Vaatz: Kontinuität der Führungseliten<br />
in Ostdeutschland<br />
hemmt die Integration.<br />
Fotos: sch/APB-Archiv-schr<br />
Schließlich habe der Zusammenbruch<br />
der DDR ihre eigenen Biographien und<br />
Ziele nicht unmaßgeblich entwertet.<br />
Das Thema Diktatur und Unterdrü-<br />
ckung werde in diesen Kreisen tabuisiert,<br />
was sich denkbar negativ auf die<br />
Aufarbeitung und damit letztlich auf<br />
den Prozess des Zusammenwachsens<br />
beider Teile Deutschlands auswirke.<br />
Vaatz kritisierte vehement, dass viele<br />
ehemalige Genossen die Wiedervereinigung<br />
auf geistiger Ebene torpedierten.<br />
Beispielsweise habe „keine einzige<br />
der ehemaligen SED-Zeitungen<br />
einen inneren Wandel durchgemacht“.<br />
Von früheren Kadern geführt, verbreiteten<br />
sie Phrasen, die die notwendige<br />
Integration „in den Köpfen der Menschen<br />
zerstört“.<br />
Keine Siegerjustiz<br />
Nach außen hin allerdings lassen ehemalige<br />
hohe SED-Funktionäre die Vergangenheit<br />
bereitwillig hinter sich.<br />
Eindrucksvoll schilderte Oberstaatsanwalt<br />
Bernhard Jahntz, wie im Verlauf<br />
der Politbüro- und Mauerschützenprozesse<br />
die Einsichtsfähigkeit der Angeklagten,<br />
insbesondere im gehobenen<br />
Führungsbereich, gegen Null tendierte:<br />
„Wir wussten von nichts, wir waren<br />
im Recht, wir sind Opfer der Siegerjustiz.“<br />
Die verantwortlichen Politbüromitglieder<br />
seien noch regierungsfähig<br />
gewesen, aber um ihre Prozessfähigkeit<br />
stand es häufig nicht so gut,<br />
merkte Jahntz ironisch an.<br />
Zeichnung: Mester<br />
�<br />
<strong>Akademie</strong>-Report 2/2005
Von Siegerjustiz, so Jahntz, könne<br />
nicht die Rede sein. Stets wurde sowohl<br />
das Recht der DDR als auch das<br />
der BRD zur Urteilsfindung herangezogen.<br />
Die mildere Variante entschied;<br />
und die Todesschüsse an der innerdeutschen<br />
Grenze waren auch durch DDR-<br />
Recht nicht gedeckt. Nach den Schilderungen<br />
des Berliner Oberstaatsanwalts<br />
waren die Bedingungen <strong>für</strong> die<br />
Angeklagten sehr gut. Die Strafen fielen,<br />
gemessen an der Schwere der Taten,<br />
recht milde aus, und die Strafvollzugbedingungen<br />
waren von zahlreichen<br />
Hafterleichterungen geprägt.<br />
Fatales Signal<br />
Der Historiker und Theologe Ehrhart<br />
Neubert von der Birthler-Behörde in<br />
Berlin kritisierte die Haltung der bundesdeutschen<br />
Öffentlichkeit gegenüber<br />
den Tätern und den Opfern des SED<br />
Regimes. Den Opfern gegenüber sei<br />
man gleichgültig. Häufig werde ihnen<br />
Schwäche, Feigheit und Untüchtigkeit<br />
unterstellt. Die Täter kämen dagegen<br />
eher gut weg, weil sie sich selbstbewusst<br />
gäben. Viele von ihnen seien voll<br />
angepasste Mitläufer der Diktatur gewesen,<br />
die auch heute keine Probleme<br />
mit den neuen Verhältnissen haben.<br />
Neubert gab zu bedenken, dass die<br />
Mitläufer und Kleinfunktionäre der<br />
Diktatur sich zumindest ökonomisch<br />
besser integriert hätten als diejenigen,<br />
die vor der Wende ein freiheitliches<br />
System herbeigesehnt und da<strong>für</strong> auch<br />
ein hohes persönliches Risiko auf sich<br />
genommen hatten. Wenn die Politik die<br />
Forderung nach angemessener Wiedergutmachung<br />
<strong>für</strong> die Opfer der Diktatur<br />
unbeachtet lasse, sei dies ein fatales<br />
Signal <strong>für</strong> die Zukunft – nämlich:<br />
Mitläufertum wird belohnt, Streben<br />
nach Gerechtigkeit und Freiheit nicht<br />
gewürdigt. Eine demokratische Gesellschaft<br />
könne sich das nicht leisten.<br />
Kein „Mezzogiorno“<br />
Der Ökonom Ulrich Heilemann von<br />
der Universität Leipzig widmete sich<br />
wirtschaftlichen Fragen der Wiedervereinigung.<br />
Am Beispiel des ökonomischen<br />
Nord-Süd Gefälles in Italien,<br />
dem so genannten „Mezzogiorno“,<br />
<strong>Akademie</strong>-Report 2/2005<br />
bewertete er die Entwicklung der neuen<br />
Bundesländer in Ostdeutschland. In<br />
Italien besteht seit etwa 150 Jahren<br />
eine wirtschaftliche Schieflage. Trotz<br />
immenser Geldmittel, die seither von<br />
Nord nach Süd gelenkt wurden, konn-<br />
te die schwache Region im Süden Italiens<br />
bislang keinen nennenswerten<br />
Aufschwung verzeichnen. Doch trotz<br />
zahlreicher Parallelen könne Ostdeutschland<br />
nicht mit dem Mezzogiorno<br />
verglichen werden. Dazu seien<br />
die Rahmenbedingungen in Italien und<br />
in Deutschland zu unterschiedlich.<br />
Doch Heilemann fügte hinzu, dass es<br />
selbst unter Wirtschaftsexperten derzeit<br />
keine Übereinstimmung über ein<br />
tragfähiges Konzept zur Lösung der<br />
ökonomischen Schwierigkeiten in<br />
Ostdeutschland gebe.<br />
Über die Wege der deutschen Außenpolitik<br />
seit der Wiedervereinigung referierte<br />
der Politikwissenschaftler<br />
Gunther Hellmann (Universität Frank-<br />
furt/M.) Unter Bundeskanzler Kohl<br />
habe das größer gewordene Deutschland<br />
erfolgreich die anfänglichen Bedenken<br />
mancher europäischer Nachbarn<br />
gegenüber der Vereinigung zerstreuen<br />
können. Das vereinte Deutsch-<br />
„Deutschland ist eine<br />
absteigende Macht mit<br />
wachsenden Ambitionen.“<br />
Gunther Hellmann<br />
Ulrich Heilemann: „Unter Wirtschaftsexperten<br />
gibt es keine<br />
Übereinstimmung über ein tragfähiges<br />
Konzept zur Lösung der<br />
ökonomischen Schwierigkeiten in<br />
Ostdeutschland.“<br />
land entwickelte sich nicht zu einem<br />
möglicherweise destabilisierenden<br />
Akteur in Europa, sondern verstand<br />
sich wie die „alte Bundesrepublik“ als<br />
integrierender Bestandteil der Europäischen<br />
Union und des atlantischen<br />
Bündnisses. Die „Einheit in Frieden<br />
und Freiheit“ sei als großer Erfolg der<br />
deutschen Außenpolitik zu werten,<br />
deren wichtigste Prinzipien die Berechenbarkeit<br />
und die Kontinuität gewesen<br />
seien.<br />
Wesentlich kritischer beurteilte Hellmann<br />
die Außenpolitik der gegenwärtigen<br />
Bundesregierung unter Bundeskanzler<br />
Schröder. Hier stellte er einen<br />
deutlichen Abwärtstrend fest, was die<br />
eingesetzten Haushaltsmittel angeht,<br />
und ein wachsendes Selbstbewusstsein<br />
im eigenen Rollenverständnis. Während<br />
sich die Ausgaben des Bundeshaushaltes<br />
<strong>für</strong> Angelegenheiten des<br />
Äußeren zu Gunsten der Innenpolitik<br />
verringert haben, so Hellmanns Fazit,<br />
verstärke die Bundesrepublik ihre Aktivitäten<br />
und Forderungen auf der internationalen<br />
Bühne. Deutschland sei<br />
„eine absteigende Macht mit wachsenden<br />
Ambitionen“, konstatierte Hellmann.<br />
Ein weltweites militärisches Engagement<br />
oder die Forderung nach einem<br />
permanenten Sitz im UN- Sicherheitsrat<br />
stünden weder in der Tradition der<br />
Bonner Republik, noch deckten sie<br />
sich mit den sinkenden Aufwendungen<br />
<strong>für</strong> Angelegenheiten der internationalen<br />
Politik. �<br />
Markus Schad<br />
5
In seiner Einführung unterstrich Franz-<br />
Lothar Altmann (Südosteuropa-Gesellschaft),<br />
dass die letzte Erweiterungsrunde<br />
nicht allein aufgrund ihrer Dimension<br />
(10 Länder mit ca. 75 Millionen<br />
Einwohnern), sondern auch wegen<br />
der großen Einkommensdifferenzen<br />
problembeladen ist. Die EU ist nur<br />
unzureichend auf die Osterweiterung<br />
vorbereitet. Im Falle eines Scheiterns<br />
der EU-Verfassung droht den EU-Institutionen<br />
und Entscheidungsmechanismen<br />
durch die wachsende Zahl von<br />
Ländern eine Paralysierung. Im Fokus<br />
der öffentlichen Diskussion stehen<br />
aber die Ängste vor einer finanziellen<br />
Überforderung und die Folgen <strong>für</strong> den<br />
Arbeitsmarkt. Den Wachstums- und<br />
Wohlfahrtseffekten der Osterweiterung<br />
müssen nämlich die finanziellen Belastungen<br />
gegenüber gestellt werden.<br />
Hier zeigen zumindest die einschlägigen<br />
Berechnungen, dass die europäischen<br />
Kernländer in einer Kosten-Nutzen-Betrachtung<br />
durchaus profitieren.<br />
Die beachtlichen Wachstumsraten im<br />
Handel und die deutlichen Exportüberschüsse<br />
sind da<strong>für</strong> ein Indiz. Hinzu<br />
kommt, dass sich bis 2006 die finanziellen<br />
Belastungen der Erweiterung in<br />
Grenzen halten. Weitaus problematischer<br />
sind die Haushaltsverhandlun-<br />
6<br />
Das neue Europa ist mit vielen Problemen beladen<br />
Internationaler Erfahrungsaustausch ein Jahr nach der Erweiterung<br />
Haben sich die Erwartungen bzw. Be<strong>für</strong>chtungen bezüglich<br />
der Osterweiterung der EU bestätigt? Wie wird die EU-25<br />
in den neuen Mitgliedsländern wahrgenommen? Entstehen<br />
neue Formen der Zusammenarbeit? Diese und daran anknüpfende<br />
Fragen standen im Zentrum einer international ausgerichteten Fachtagung,<br />
die die <strong>Akademie</strong> gemeinsam mit einer ganzen Reihe von<br />
Kooperationspartnern durchführen konnte. Tagungsleiter Peter<br />
Hampe wies einleitend auf die in diesem <strong>Themen</strong>feld schon traditionelle<br />
Zusammenarbeit mit der Evangelischen <strong>Akademie</strong> <strong>Tutzing</strong> und<br />
der Südosteuropa-Gesellschaft hin, die bei diesem Tagungsprojekt<br />
noch um die Vertretung der EU-Kommission in München, die Vereinigung<br />
Europäischer Journalisten und die Deutsche Welle erweitert<br />
werden konnte. Dies ermöglichte eine beachtliche Bandbreite<br />
der <strong>Themen</strong>, <strong>für</strong> die Referenten aus dem In- und Ausland gewonnen<br />
werden konnten. *<br />
gen der neuen Finanzperiode 2007-<br />
2013. Die allgemein kritische Lage<br />
ihrer Staatshaushalte zwingt die Nettozahlerländer<br />
(vor allem Deutschland)<br />
zu einem restriktiven Vorgehen. Es ist<br />
kaum zu erwarten, dass sie von ihrer<br />
Verhandlungsposition (Begrenzung<br />
der EU-Zahlungen auf 1 Prozent des<br />
Bruttonationaleinkommens; dagegen<br />
Vorschlag der EU-Kommission: 1,14<br />
*Dieser Bericht ist die gekürzte Fassung des Aufsatzes von Dr. Wolfgang<br />
Quaisser, der demnächst in den „Südosteuropa Mitteilungen“ Heft 3/2005 erscheint.<br />
Wir bedanken uns <strong>für</strong> die freundliche Druckgenehmigung der Südosteuropa-Gesellschaft.<br />
Prozent) abweichen werden, zumal die<br />
meisten von ihnen mit den Vorgaben<br />
des Stabilitätspaktes zu kämpfen haben.<br />
Andererseits wollen die alten<br />
Empfängerländer (Spanien, Portugal,<br />
Griechenland) ihre EU-Subventionen<br />
nicht an die neuen Mitgliedsländer<br />
(NML) abgeben, wogegen letztere<br />
möglichst rasch gleichbehandelt werden<br />
wollen. Hinzu kommt der „Britenrabatt“<br />
als ständiger Konfliktpunkt.<br />
Angesichts dieser komplizierten und<br />
konfliktträchtigen Lage ist fraglich, ob<br />
die Probleme in der jetzigen Präsidentschaft<br />
Luxemburgs (bis Juni 2005)<br />
gelöst werden können.<br />
Bilanz nach einem Jahr EU-Erweiterung: von links Otmar Lahodynsky<br />
(Profil/Wien), Bernd Johann (Deutsche Welle), Johanna Deimel und Franz-<br />
Lothar Altmann (Südosteuropa-Gesellschaft), dazwischen Martin Held<br />
(Evangelische <strong>Akademie</strong>), Juraj Alner (Vereinigung Europäische Journalisten)<br />
und Peter Hampe (<strong>Akademie</strong> <strong>für</strong> <strong>Politische</strong> <strong>Bildung</strong>).<br />
Wirkungen auf den<br />
Arbeitsmarkt<br />
Weitere sensible Bereiche, die insbesondere<br />
in der letzten Zeit die Öffentlichkeit<br />
beschäftigen, sind die Auswirkungen<br />
der Osterweiterung auf den<br />
Arbeitsmarkt. Die Tagung hat diese<br />
Fragen in drei Panels (ausländische<br />
Direktinvestitionen, Migration, Standortwettbewerb)<br />
behandelt. Zunächst<br />
stellte Dalia Marin von der Universität<br />
München ihre Forschungsergebnisse<br />
über die Produktionsverlagerung<br />
�<br />
<strong>Akademie</strong>-Report 2/2005
deutscher und österreichischer Unternehmen<br />
vor. Sie konzentrierte sich<br />
dabei auf das sog. Offshoring, d.h. die<br />
Verlagerung von Teilen der Produktion<br />
in ausländische Tochterfirmen des<br />
Hauptunternehmens. Basierend auf einer<br />
bemerkenswert umfangreichen Unternehmensbefragung<br />
(ca. 80 Prozent<br />
der deutschen und 100 Prozent der österreichischen<br />
Direktinvestitionen)<br />
Dalia Marin: von 1990 bis 2001 von<br />
Deutschland rund 90 000 Arbeitsplätze<br />
nach Osteuropa verlagert<br />
kommt sie zu dem überraschenden<br />
Ergebnis, dass von 1990 bis 2001 von<br />
Deutschland nur ca. 90 000 Arbeitsplätze<br />
(Österreich nur 22 000) nach<br />
Osteuropa verlagert wurden. Diese<br />
Zahl ist allerdings unter Berücksichtigung<br />
anderer Forschungsergebnisse als<br />
die untere Marge anzusehen. Volker<br />
Vincentz vom Osteuropa-Institut München<br />
errechnete z.B. <strong>für</strong> Deutschland<br />
eine Obergrenze von ca. 400 000 aus<br />
Kostengründen in Osteuropa geschaffenen<br />
Arbeitsplätzen. In jedem Fall<br />
reichen die Produktionsverlagerungen<br />
deutscher Unternehmen ins Ausland<br />
nicht dazu aus, um die hohe Arbeitslosigkeit<br />
in Deutschland angemessen zu<br />
erklären.<br />
Lohndruck nimmt zu<br />
In seinem Koreferat zeigte Marec Steffens,<br />
der viele Jahre in führender Position<br />
in ausländischen Tochterfirmen<br />
des Siemenskonzerns tätig war, dass<br />
nicht alleine die Lohnkosten, sondern<br />
die Qualität von Personal und erzeugten<br />
Gütern sowie andere Standortfak-<br />
<strong>Akademie</strong>-Report 2/2005<br />
toren (expandierender Markt, Verkehrsinfrastruktur)<br />
über Verlagerungen<br />
entscheiden. So belegt beispielsweise<br />
Kanada Platz 8 einer internationalen<br />
Bewertung der Offshoring-Standorte.<br />
Stimmen diese Rahmenbedingungen<br />
nicht, werden Verlagerungen trotz hoher<br />
Kosten wieder rückgängig gemacht.<br />
Erfolgsbeispiele des Konzerns<br />
in den MOE-Ländern waren das Buchhaltungszentrum<br />
in Prag, die Siemens<br />
VDO Autoradiofertigung in Tschechien<br />
und das Forschungs- und Entwicklungszentrum<br />
(Bereich Communication)<br />
in Breslau (Polen). Vielfach sichert<br />
Offshoring auch in Deutschland hoch<br />
qualifizierte Arbeitsplätze, dabei<br />
nimmt allerdings der Lohndruck auf<br />
die inländischen Beschäftigten zu.<br />
Wesentliches Element des sich verschärfenden<br />
Standortwettbewerbs und<br />
von höchster Aktualität in der öffentlichen<br />
Diskussion ist die Frage der Unternehmensbesteuerung.<br />
Der bayerische<br />
Finanzminister Kurt Faltlhauser<br />
führte in diese komplizierte Problematik<br />
ein, wobei schon recht bald deutlich<br />
wurde, dass zwei Seelen in seiner<br />
Brust wohnen. Als Finanzpolitiker<br />
muss er auf ausreichende Einnahmen<br />
<strong>für</strong> den Staatshaushalt achten und bestimmte<br />
Mindeststeuersätze (oder<br />
zumindest Regeln) einfordern. Als<br />
Ökonomieprofessor kommt bei ihm<br />
indes mehrfach Sympathie <strong>für</strong> den<br />
„institutionellen Wettbewerb“ (einschließlich<br />
Steuer) vorsichtig zum<br />
Ausdruck, die sich insbesondere in<br />
seiner Bewunderung <strong>für</strong> das irische<br />
Modell niederschlug (siehe Auszüge<br />
aus seiner Rede ab Seite 9).<br />
Arbeitsmigration nach<br />
Deutschland<br />
Wie stark der Migrationsdruck auf den<br />
deutschen Arbeitsmarkt bei völliger<br />
Freizügigkeit zunehmen wird, darüber<br />
wurde in der Vergangenheit heftig gestritten.<br />
Albert Stichter-Werner vom<br />
Institut <strong>für</strong> Arbeitsmarkt und Berufsforschung<br />
in Nürnberg fasste die Forschungsergebnisse<br />
zusammen, wobei<br />
er die Berechnungen des Deutschen<br />
Instituts <strong>für</strong> Wirtschaftsforschung <strong>für</strong><br />
die überzeugendsten hielt (jährlich<br />
über 20 Jahre 180 000 bis 220 000<br />
Migranten nach Deutschland). Eine<br />
tatsächliche empirische Überprüfung<br />
der Schätzergebnisse ist aufgrund der<br />
Zuwanderungsrestriktionen noch<br />
nicht möglich. So oder so wird jedenfalls<br />
der Druck auf die Löhne und/oder<br />
Beschäftigungslage in den nächsten<br />
Jahren bestehen bleiben und zusammen<br />
mit anderen Faktoren (Stichwort:<br />
Demographie) weitere Reformen des<br />
Arbeitsmarktes sowie der Sozialsysteme<br />
einfordern. In ihrem Koreferat wies<br />
Stanislawa Golinowska aus Warschau<br />
darauf hin, dass die Arbeitsmarktlage<br />
auch in einigen NML sehr angespannt<br />
ist. Besonders Polen hat trotz Wirtschaftswachstum<br />
mit einer hohen Arbeitslosigkeit<br />
zu kämpfen (ca. 14 Prozent).<br />
Hier<strong>für</strong> sind sowohl der rasche<br />
Strukturwandel, die mit dem Beschäftigungsabbau<br />
verbundenen Produktivitätssteigerungen<br />
und die strukturellen<br />
Probleme des Arbeitsmarktes<br />
(nicht-adäquate Qualifikationsprofile,<br />
hohe Lohnnebenkosten) verantwortlich.<br />
Sicherheit gegen<br />
Humanität<br />
Dass der Migrationsdruck selbst an<br />
den EU-Außengrenzen nur schwer zu<br />
kontrollieren ist, machte in seinem<br />
Vortrag Robert Schwarz von der Deutschen<br />
Welle deutlich. Dies wird bestätigt<br />
durch die aktuellen Ereignisse<br />
(Stichwort Visa-Praxis). Schwarz konstatierte<br />
schwer abzuwägende Konflikte<br />
zwischen Humanität und EU-Sicherheit,<br />
die allerdings seiner Ansicht nach<br />
stärker zugunsten der Humanität entschieden<br />
werden sollten. Hinzu kommt<br />
die Problematik, dass mit den neuen<br />
EU-Außengrenzen traditionelle Verbindungen<br />
(beispielsweise Westukraine<br />
und Ostpolen) behindert werden.<br />
Seine Einschätzungen sind auch von<br />
persönlichen Erlebnissen in Rumänien<br />
geprägt, die ihn auch zu der Schlussfolgerung<br />
veranlassten, dass die kriminellen<br />
Kreise ohnehin die EU-Grenze<br />
mühelos überwinden würden. Dagegen<br />
seien die Opfer eines restriktiven<br />
Grenzregimes meist die einfachen Leute,<br />
denen eine persönliche Erfahrung<br />
in Westeuropa nur zu wünschen sei.<br />
Zumindest in Teilen der Zuhörerschaft<br />
konnte Schwarz die Skepsis gegenüber<br />
seinen Vorstellungen eines liberalen<br />
Grenzregimes allerdings nicht abbauen.<br />
�<br />
7
Wie unterschiedlich sich die EU-Erweiterung<br />
auf die einzelnen Regionen<br />
sowie die Grenzgebiete auswirkt, wurde<br />
am Beispiel Polens und Ungarns<br />
diskutiert. Große Hoffnungen werden<br />
dabei auf die EU-Regional- und Strukturfonds<br />
gesetzt, über die der größte<br />
Finanztransfer in die neuen Mitgliedsländer<br />
(zwischen 3 und 4 Prozent des<br />
Bruttoinlandprodukts der NML) abgewickelt<br />
wird. Dabei erweist sich vor<br />
allem der Verwaltungs- und Institutionenaufbau<br />
<strong>für</strong> die Herstellung einer<br />
entsprechenden Absorptionsfähigkeit<br />
der EU-Fonds als entscheidend. Hier<br />
sind die einzelnen Länder unterschiedlich<br />
weit vorangekommen.<br />
In einem weiteren Panel wurden die<br />
Möglichkeiten grenzüberschreitender<br />
Zusammenarbeit anhand der seit 1990<br />
bestehenden Städtepartnerschaft zwischen<br />
Furth im Wald und Domaslice<br />
(Tschechien) vorgestellt. Bürgermeister<br />
Reinhold Macho berichtete von<br />
vielfältigen Kooperationsformen (Feuerwehr,<br />
gemeinsame Musikveranstaltungen<br />
etc.), die jedoch durch nicht<br />
einfach zu behebende Schwachstellen<br />
wie die Sprachbarrieren behindert werden.<br />
Die politische Dimension der Erweiterungen<br />
war Thema verschiedener<br />
Diskussionsrunden mit Journalisten<br />
aus den neuen und alten Mitgliedsländern,<br />
wobei es dabei insbesondere um<br />
die Rolle der Medien und das europäische<br />
Bewusstsein ging. Eine allumfassende<br />
Antwort ist nicht möglich, denn<br />
diese Probleme stellen sich in den einzelnen<br />
Ländern, aber auch im Zeitablauf<br />
sehr unterschiedlich dar. Deutlich<br />
wurde jedoch, dass auch in den neuen<br />
8<br />
Mitgliedsländern teilweise ähnliche<br />
Ängste vor Arbeitsplatzverlust und<br />
Überfremdung herrschen wie in den<br />
alten Mitgliedsländern und dass sich<br />
Reinhold Bocklet: „Die Frage der<br />
Finalität der EU ist nur politisch zu<br />
beantworten.“<br />
Fotos: Delhaes/Archiv<br />
die Bürger vor allem über ihre Region<br />
bzw. Nation definieren. Die Medien<br />
berichten umfassend über Europa,<br />
doch dringt die Thematik – und dies<br />
ist auch eine Parallele zu den alten Mitgliedsländern<br />
– nur langsam ins öffentliche<br />
Bewusstsein. Die ohnehin „trockenen“<br />
EU-<strong>Themen</strong> werden vielfach<br />
auch noch langweilig präsentiert. Ein<br />
echtes öffentliches Interesse ist nur bei<br />
aktuellen „Aufhängern“ möglich.<br />
Alte und neue Mitgliedsländer vereint<br />
die eher indifferente, teilweise uninteressierte<br />
Haltung zur EU-Verfassung,<br />
die nur in einigen Ländern zu kontroversen<br />
Diskussionen geführt hat.<br />
Allerdings ist eine Trendwende der<br />
öffentlichen Meinung dann festzustellen,<br />
wenn mit Europa greifbare Vorteile<br />
verbunden sind. Bestes Beispiel<br />
„Presseclub“ mit Journalisten aus fünf Ländern: von links Gerd Brunner<br />
(Passauer Neue Presse), Zuzana Kleknerová (Hospodárské Noviny Prag),<br />
Bartosz Dudek (Deutsche Welle/Polnische Redaktion, Bonn), Martin Held<br />
(Tagungsleiter Evangelische <strong>Akademie</strong> <strong>Tutzing</strong>), Boris Bergant (Slowenischer<br />
Rundfunk/RTV Ljubljana), Lajos Pietsch (Ungarische Nachrichtenagentur/MIT<br />
Budapest).<br />
ist die polnische Bauernschaft, die<br />
teilweise angeführt von populistischnationalistischen<br />
Parteien zu den<br />
stärksten Gegnern des EU-Beitritts<br />
Polens gehörte. Angesichts der anlaufenden<br />
EU-Zahlungen hat sich das<br />
Meinungsbild indes auf dem Lande<br />
gedreht. In Polen ist deshalb die Zustimmung<br />
zur EU gestiegen und man<br />
erwartet dort – ähnlich wie in Slowenien<br />
und Ungarn – ein Ja zur Verfassung.<br />
Neue Strukturen <strong>für</strong><br />
neue Aufgaben<br />
Die „europäische Vereinigung von<br />
oben“ befindet sich mit den Abstimmungen<br />
zur EU-Verfassung in einer<br />
schwierigen Phase. In diesem Zusammenhang<br />
skizzierte Bayerns ehemaliger<br />
Minister <strong>für</strong> Europa- und Bundesangelegenheiten<br />
Reinhold Bocklet die<br />
Geschichte des europäischen Einigungsprozesses.<br />
Er stellte dabei auch<br />
die Frage, ob die Verfassungsdiskussion<br />
das europäische Bewusstsein gestärkt<br />
habe. Das Ergebnis fällt eher<br />
nüchtern aus, da die Bürger zwar wichtige<br />
Errungenschaften der europäischen<br />
Einigung als gegebene Selbstverständlichkeiten<br />
hinnähmen, doch<br />
bestimmten die bestehenden Defizite<br />
und Probleme weitaus stärker das europäische<br />
Bewusstsein. Bocklets zentrale<br />
These ist dabei, dass die Methode<br />
des durch die Wirtschaftsintegration<br />
angestoßenen europäischen Einigungsprozesses<br />
(Motto: der Weg ist<br />
das Ziel) langsam an sein Ende gelangt<br />
sei. Die Frage der Finalität der EU sei<br />
nur politisch zu beantworten und hiervor<br />
scheuten wichtige Mitgliedsstaaten<br />
zurück. Diese Unbestimmtheiten<br />
führten auch dazu, dass die Union sich<br />
in immer neue Erweiterungen stürze,<br />
ohne ausreichend die Konsequenzen<br />
zu diskutieren. Trotz beachtlicher Defizite<br />
sei der Verfassungsvertrag jedoch<br />
als ein wichtiger Zwischenschritt<br />
zu beurteilen. Sollte er in einem der<br />
Mitgliedsstaaten scheitern, dann werde<br />
die Union zwar nicht zerbrechen.<br />
Dennoch sei eine tiefe Krise nicht auszuschließen.<br />
Europa benötige jedenfalls<br />
neue Strukturen, um die anstehenden<br />
Aufgaben bewältigen zu können.<br />
�<br />
Wolfgang Quaisser<br />
(Osteuropa-Institut, München)<br />
<strong>Akademie</strong>-Report 2/2005
Steuerdumping in der erweiterten EU?<br />
Die direkte Besteuerung zwischen Harmonisierung und Steuerwettbewerb<br />
Die drastische Senkung der Unternehmenssteuersätze<br />
durch<br />
viele der neuen EU-Mitgliedsstaaten<br />
im Vorfeld ihres Beitritts am<br />
1. Mai 2004 hat im vergangenen Jahr<br />
eine lebhafte Steuerdumping-Diskussion<br />
in Gang gesetzt. Nach Berechnungen<br />
des Mannheimer Zentrums <strong>für</strong><br />
Europäische Wirtschaftsforschung<br />
(ZEW) lag die effektive Steuerbelastung<br />
von Kapitalgesellschaften in<br />
Deutschland im vergangenen Jahr bei<br />
rund 36 Prozent. Demgegenüber belief<br />
sie sich im Durchschnitt aller zehn<br />
Beitrittsstaaten auf weniger als 20 Prozent.<br />
Jüngste Berechnungen kommen<br />
zu dem Ergebnis, dass deutsche Unternehmen<br />
fast dreimal so hohe Steuern<br />
wie litauische Unternehmen und<br />
doppelt so hohe Steuern wie polnische<br />
oder ungarische Unternehmen zahlen.<br />
Derartige Steuerbelastungsunterschiede<br />
innerhalb der EU erhöhen den<br />
Druck zur Senkung der Unternehmenssteuersätze.<br />
Momentan ist ein Ende des internationalen<br />
Steuersenkungswettlaufs nicht<br />
absehbar. Vor allem das geltende Einstimmigkeitsprinzip<br />
im Steuerbereich<br />
auf europäischer Ebene ist ein Garant<br />
da<strong>für</strong>, dass bei der Unternehmensbesteuerung<br />
auch weiterhin ein lebhafter<br />
Wettbewerb herrscht. Die Steuersätze<br />
haben Signalwirkung im internationalen<br />
Standortwettbewerb. Hohe nominale<br />
Steuersätze sind grundsätzlich<br />
auch ein Beleg <strong>für</strong> eine hohe effektive<br />
Steuerbelastung.<br />
Die zentrale Frage ist: Kann ein solcher<br />
ungezügelter Steuerwettbewerb<br />
auf Dauer wirklich zum Zusammenwachsen<br />
Europas und zur Schaffung<br />
einer tragfähigen finanziellen Grundlage<br />
in der EU beitragen? Sicherlich<br />
ist Steuerwettbewerb unter den EU-<br />
Mitgliedsstaaten zunächst einmal positiv<br />
zu bewerten. Er entfaltet steuer-<br />
*gekürzte Fassung<br />
<strong>Akademie</strong>-Report 2/2005<br />
von Staatsminister Prof. Dr. Kurt Faltlhauser*<br />
senkende Wirkung und verstärkt den<br />
Druck zu notwendigen Strukturreformen.<br />
Steuerwettbewerb innerhalb der<br />
EU kann damit zur Steigerung der<br />
Wettbewerbsfähigkeit des gesamten<br />
europäischen Wirtschaftsraums beitragen.<br />
Trotz dieser zweifellos positiven Wirkungen<br />
kann ein grenzenloser Steuerwettbewerb<br />
auch erhebliche negative<br />
Folgen auslösen. Staaten können nicht<br />
mit privatwirtschaftlichen Unterneh-<br />
Finanzminister Kurt Faltlhauser:<br />
„Einen Steuerwettbewerb auf Kosten<br />
solider Staatsfinanzen kann<br />
sich Europa nicht leisten.“<br />
men gleichgesetzt werden. Sie haben<br />
eine Vielzahl von sozialen Aufgaben<br />
zu erfüllen, die nicht durch Outsourcing<br />
oder Budgetkürzungen bewältigt<br />
werden können und die eine<br />
dauerhafte und sichere Finanzierung<br />
erfordern. Der Steuerwettbewerb zwischen<br />
den Staaten braucht ein Minimum<br />
an Rahmenvorgaben, ansonsten<br />
kann er zu Steuerdumping führen.<br />
Wettbewerb unter fairen<br />
Bedingungen<br />
Das Thema schädlicher Steuerwettbewerb<br />
steht nicht erst seit dem EU-Beitritt<br />
von zehn neuen Staaten am 1.Mai<br />
2004 auf der Tagesordnung. Die Dis-<br />
kussion wird schon seit den 1980er<br />
Jahren mit unterschiedlicher Intensität<br />
geführt.<br />
Am 1. Dezember 1997 hat der Rat der<br />
Europäischen Union einen Verhaltenskodex<br />
<strong>für</strong> die Unternehmensbesteuerung<br />
beschlossen, der Teil eines Maßnahmenpakets<br />
zur Bekämpfung des<br />
unfairen Steuerwettbewerbs in der EU<br />
war. Danach verpflichten sich die Mitgliedsstaaten,<br />
keine neuen schädlichen<br />
steuerlichen Maßnahmen zu treffen<br />
und geltende schädliche Vorschriften<br />
und Praktiken aufzuheben. Es standen<br />
dabei aber nicht die allgemeinen Unternehmenssteuersätze<br />
auf dem Prüfstand,<br />
sondern privilegierende Einzelvorschriften<br />
und Praktiken. Der Verhaltenskodex<br />
ist weiterhin aktuell.<br />
Grundvoraussetzung <strong>für</strong> eine positive<br />
Wirkung des Steuerwettbewerbs ist es,<br />
dass er unter fairen Bedingungen stattfindet.<br />
Derzeit gibt es aber einige Faktoren,<br />
die den Steuerwettbewerb verzerren.<br />
Steuerwettbewerbsverzerrende<br />
Wirkung kann zum einen die EU-Regionalförderung<br />
<strong>für</strong> die Beitrittsstaaten<br />
entfalten, die mit dem Beitritt<br />
sprunghaft angestiegen ist. Hohe EU-<br />
Fördermittel entlasten die nationalen<br />
Haushalte insbesondere der neuen Mitgliedsstaaten<br />
und vergrößern damit den<br />
Spielraum <strong>für</strong> steuersenkende Maßnahmen.<br />
Für die nächste Finanzperiode<br />
der EU sind sogar 336 Mrd. Euro<br />
<strong>für</strong> die Infrastruktur- und Investitionsförderung<br />
geplant, von denen die Hälfte<br />
in die Beitrittsländer gehen soll.<br />
Deutschland finanziert als mit Abstand<br />
größter Nettozahler die EU-Investitionsförderung<br />
zugunsten der Beitrittsstaaten<br />
mit. Dieser Effekt kann zu erheblichen<br />
Verwerfungen führen, vor<br />
allem in Grenzregionen zwischen Beitrittsstaaten<br />
und alten EU-Mitgliedsstaaten.<br />
Hier ist das Steuergefälle<br />
ohnehin erheblich. Letztlich droht,<br />
dass mit deutschen Steuergeldern die<br />
�<br />
9
Verlagerung deutscher Arbeitsplätze in<br />
die Beitrittsstaaten mitfinanziert wird.<br />
Zwar sind auch die neuen EU-Mitgliedsstaaten<br />
verpflichtet, mittelfristig<br />
einen nahezu ausgeglichenen Haushalt<br />
zu erzielen und übermäßige Defizite<br />
zu vermeiden. Die Pflicht zur Vermeidung<br />
übermäßiger Defizite ist aber <strong>für</strong><br />
die Staaten, <strong>für</strong> die der Euro nicht als<br />
Währung gilt, nicht sanktionsbewehrt.<br />
Die Mehrzahl der neuen Mitgliedsstaaten<br />
weist – zum Teil deutlich – übermäßige<br />
Haushaltsdefizite auf. Das<br />
durchschnittliche Budgetdefizit dieser<br />
Staaten erreichte 2003 5,6 Prozent des<br />
Bruttoinlandsprodukts. Einen Steuerwettbewerb<br />
auf Kosten solider Staatsfinanzen<br />
kann sich Europa nicht leisten.<br />
Eine Steuerpolitik, die zur Erosion<br />
der Steuerbasis im betreffenden<br />
Staat oder sogar in anderen Mitgliedsstaaten<br />
führt und auf Kosten wachsender<br />
Staatsverschuldung und Haushaltsdefizite<br />
geht, ist mit dem Auftrag der<br />
Mitgliedsstaaten unvereinbar, die Ko-<br />
10<br />
ordinierung der Wirtschafts- und Haushaltspolitik<br />
als eine Angelegenheit von<br />
gemeinsamen Interesse zu betrachten.<br />
Lösungsansätze<br />
Mögliche Ansatzpunkte zur Sicherstellung<br />
eines fairen Steuerwettbewerbs<br />
könnten sein:<br />
• Reform des Verhaltenskodex <strong>für</strong> die<br />
Unternehmensbesteuerung.<br />
• Stärkere Harmonisierung auch im<br />
Bereich der direkten Steuern.<br />
• Es gibt bereits erste sinnvolle Ansätze<br />
wie die Bestrebungen, eine einheitliche<br />
Körperschaftssteuergrundlage zu<br />
schaffen.<br />
• Reform der EU-Strukturpolitik.<br />
• Eine Strukturpolitik, die dazu beiträgt,<br />
dass EU-Subventionen die Senkung<br />
der Steuersätze erleichtern, und<br />
die damit den Steuerwettbewerb an-<br />
.<br />
heizt, ist reformbedürftig. Nötig wäre<br />
daher eine Erhöhung der Beteiligungsquote<br />
der Mitgliedsstaaten an EU-Fördermaßnahmen.<br />
• Verbesserung der Haushaltsdisziplin<br />
• Im Sinne eines fairen Steuerwettbewerbs<br />
ist darauf zu dringen, dass auch<br />
die Beitrittsstaaten übermäßige Defizite<br />
vermeiden.<br />
Fazit<br />
Die aktuellen Rahmenbedingungen<br />
bergen die Gefahr eines unfairen Steuerwettbewerbs<br />
in sich. Deutschland<br />
kann sicherlich nicht im Wettbewerb<br />
um die niedrigsten Unternehmenssteuersätze<br />
mitmachen. Es bleibt abzuwarten,<br />
ob die Mitgliedsstaaten eine gemeinsame<br />
Linie im Kampf gegen Steuerdumping<br />
finden werden. �<br />
Zeichnung: Mester<br />
<strong>Akademie</strong>-Report 2/2005
Migration und Schule:<br />
Ein Blick über die Grenzen<br />
Außerschulische Förderung von Migranten<br />
in Frankreich und den Niederlanden<br />
„Migration und Schulerfolg – Konsequenzen aus der Pisa-Studie“,<br />
zu diesem Thema versammelten sich bayerische Lehrerinnen und<br />
Lehrer in <strong>Tutzing</strong>. Gerade <strong>für</strong> Migrantenkinder offenbaren die deutschen<br />
Schulen ja im internationalen Vergleich besonders deutliche<br />
Defizite. Wie hier Abhilfe zu schaffen ist, war Gegenstand lebhafter<br />
Diskussionen. Um den Prozess der Integration von Migranten zu<br />
verstehen und die Chancen abzuschätzen, ihn politisch erfolgreich<br />
zu beeinflussen, muss aber der Blick auf Schulen und Kinder erweitert<br />
werden durch den Blick auf Gesellschaft und Familien. Diese<br />
Perspektive brachte Ines Michalowski von der Universität Osnabrück<br />
ein. Ihren Beitrag über die Integrationsprogramme <strong>für</strong> Neuzuwanderer<br />
in Frankreich, Holland und Deutschland präsentieren<br />
wir hier in einer Zusammenfassung.<br />
Lange Zeit gab es in Deutschland<br />
und auch in den europäischen<br />
Nachbarländern Frankreich und<br />
den Niederlanden <strong>für</strong> Zuwanderer keinerlei<br />
verpflichtende Integrationsmaßnahmen,<br />
wie sie mit der allgemeinen<br />
Schulpflicht <strong>für</strong> Kinder und Jugendliche<br />
in allen drei Ländern seit langer<br />
Zeit besteht. Damit blieb es nicht<br />
schulpflichtigen Zuwanderern selbst<br />
überlassen, „ihre Integration in die<br />
Hände zu nehmen“ und sich um einen<br />
Arbeitsplatz oder die Teilnahme an<br />
einem Sprachkurs zu bemühen. Seit<br />
Ende der 1990er Jahre sind jedoch<br />
mehrere europäische Länder zu der<br />
Ansicht gekommen, dass die bisherige<br />
„ungesteuerte Integration“ zu Integrationsproblemen<br />
gerade unter früheren<br />
Einwanderergenerationen geführt<br />
habe. Obwohl solch eine Wahrnehmung<br />
einer Integrationskrise nicht<br />
immer auf Fakten beruht und die Integration<br />
von Ausländern beispielsweise<br />
in Deutschland in den letzten 30 bis<br />
40 Jahren deutliche Fortschritte gemacht<br />
hat, hat diese Diskussion über<br />
ein vermeintliches Scheitern der Integration<br />
– die gerade auch in Frankreich<br />
und den Niederlanden entbrannte - zu<br />
einem Umdenken geführt.<br />
Die ersten Monate und Jahre nach der<br />
Einreise, die Periode des „Sich-Einlebens“,<br />
wurde in allen Ländern als ent-<br />
<strong>Akademie</strong>-Report 2/2005<br />
scheidender Moment <strong>für</strong> den weiteren<br />
Integrationsverlauf ausgemacht. Hier<br />
sollte eine staatliche Integrationspolitik<br />
in Form von obligatorischen Integrationsprogrammen<br />
ansetzen.<br />
Ähnliche Programme<br />
Die Integrationsprogramme, die es in<br />
Finnland, Dänemark, den Niederlanden,<br />
im flämischen Teil Belgiens, in<br />
Frankreich, Österreich und mit dem<br />
Zuwanderungsgesetz auch in Deutschland<br />
gibt, weisen auf den ersten Blick<br />
eine gewisse Ähnlichkeit auf. Sie verfügen<br />
über eine Hauptkomponente<br />
„Sprachunterricht“ (meist zwischen<br />
200 und 600 Stunden), einen Gesellschaftskundekurs<br />
(ca. 30 Stunden), in<br />
einigen Fällen über eine Hinleitung<br />
zum Arbeitsmarkt, die individuelle<br />
Begleitung durch einen „Case-Manager“<br />
oder Integrationslotsen, sowie einen<br />
individuell festgelegten Integrationsplan,<br />
der Vertragscharakter annehmen<br />
und somit rechtlich bindend sein<br />
kann. Die Programme sind jedoch gerade<br />
hinsichtlich des Umfangs sehr<br />
heterogen, was auch mit dem jeweiligen<br />
Grad an Verpflichtung zusammenhängt:<br />
So hatte Frankreich im Jahr<br />
1998 die „Plate-Forme d’Accueil“ geschaffen,<br />
die lediglich aus einer eintägigen<br />
Informationsveranstaltung und<br />
einem weiterführenden, freiwilligen<br />
Sprachkursangebot bestand. In den<br />
Niederlanden hingegen gibt es seit<br />
1998 das „Wet Inburgering Nieuwkomers“,<br />
das Gesetz zur Erstintegration<br />
von Neuzuwanderern, das ein obligatorisches<br />
Programm mit einer Laufzeit<br />
von bis zu anderthalb Jahren vorsieht.<br />
Die bei Teilnahmeverweigerung anzuwendenden<br />
Sanktionen fallen unterschiedlich<br />
aus. Zwar sind häufig finanzielle<br />
Sanktionen wie die Kürzung von<br />
Sozial- bzw. Arbeitslosenhilfe oder die<br />
Zahlung eines Bußgeldes vorgesehen.<br />
Im Jahr 2003 haben die Mitgliedsstaaten<br />
allerdings im Europäischen Rat<br />
entschieden in zwei Richtlinien die<br />
Möglichkeit zu schaffen, die Vergabe<br />
eines dauerhaften Aufenthaltstitels<br />
von der Teilnahme an Integrationsmaßnahmen<br />
bzw. der Erfüllung bestimmter<br />
Integrationsforderungen abhängig<br />
zu machen.<br />
Fehlschläge<br />
Erste Auswertungen in den Niederlanden<br />
und Frankreich haben jedoch nicht<br />
die gewünschten Ergebnisse gebracht.<br />
Das angestrebte Sprachniveau wurde<br />
nur von einer Minderheit der Teilnehmer<br />
erreicht (Niederlande), die Teilnehmerzahl<br />
entsprach nicht den Erwartungen<br />
(Frankreich). Daneben gelten<br />
auch die Abbrecherzahlen und Ausfallzeiten<br />
als zu hoch. Um die Diskrepanzen<br />
zwischen angestrebten Lern- und<br />
Inte-grationszielen und tatsächlich erreichten<br />
Ergebnissen zu erklären, ist<br />
ein Blick auf die expliziten Lern- und<br />
Integrationsziele sowie die eingesetzten<br />
Mittel entscheidend. Darüber hinaus<br />
ist zu bedenken, wie das Erreichen<br />
oder Nicht-Erreichen der Ziele evaluiert<br />
und welche Schlüsse daraus gezogen<br />
werden können. Oberstes Ziel der<br />
Programme ist es, dass der Neuzuwanderer<br />
ein selbstständiges und von staatlichen<br />
Transferleistungen unabhängiges<br />
Leben führen kann. Somit wurden<br />
die Programme ursprünglich aus folgenden<br />
Gründen geschaffen:<br />
�<br />
11
1) Eine bessere Kenntnis der Neuzuwanderer<br />
– Wer wandert ein? Über<br />
welche beruflichen Qualifikationen<br />
und sonstigen Integrationskapazitäten<br />
verfügt der Neuzuwanderer? Wie sieht<br />
sein individueller Integrationsverlauf<br />
aus?<br />
2) Eine bessere Verwaltung und Kontrolle<br />
von Ressourcen in einer Zeit<br />
knapper Kassen – Wie viel Geld wird<br />
insgesamt investiert? Wie viele Personen<br />
profitieren von der Maßnahme?<br />
Welche Fortschritte werden mit der finanzierten<br />
Maßnahme erreicht? Wie<br />
stehen Input und Output zueinander?<br />
3) Die Vermeidung zusätzlicher „Kosten<br />
der Nicht-Integration“ – Indem<br />
anfangs in die Selbstständigkeit von<br />
Neuzuwanderern investiert wird, hofft<br />
man einem normalen Investitionskalkül<br />
folgend eine spätere Abhängigkeit<br />
von staatlichen Transferkosten zu vermeiden.<br />
Besonders der dritte Punkt wird durch<br />
die bildungspolitischen Lern- und Integrationsziele<br />
der Programme aufgegriffen.<br />
Gemessen wird der individuelle<br />
Integrationsfortschritt des Migranten<br />
wie auch der damit einhergehende<br />
Erfolg des gesamten Programms an-<br />
12<br />
hand von teilweise standardisierten<br />
Sprachtests, einfachen Teilnahmescheinen<br />
(bspw. <strong>für</strong> den Orientierungskurs),<br />
durch Arbeitsamtstests über den<br />
„Abstand vom Arbeitsmarkt“, aber<br />
auch durch fortlaufende Statistiken und<br />
punktuelle, externe Evaluationen. In<br />
den Niederlanden hat man durch die<br />
Outputfinanzierung die Bezahlung eines<br />
Sprachkursträgers an die durch die<br />
Kursteilnehmer mindestens zu erreichenden<br />
Lernziele (Sprachstand) geknüpft.<br />
Sprachwissenschaftler in den<br />
Niederlanden und in Deutschland haben<br />
allerdings darauf hingewiesen,<br />
dass Sprachtests nicht zuverlässig<br />
genug sind, um davon weitgehend<br />
monokausal die Entscheidung über den<br />
Aufenthalt eines Ausländers abhängig<br />
zu machen.<br />
Messbarkeit fraglich<br />
An Beurteilungen wie diese schließt<br />
auch eine weitergehende Kritik an, die<br />
die Messbarkeit individueller Integration<br />
konzeptionell grundsätzlich<br />
in Frage stellt. Dabei zeigt sich eine<br />
wichtige Diskrepanz im Integrationsverständnis<br />
der Politik auf der einen<br />
und der Wissenschaft auf der anderen<br />
Seite. Will man politischen Bestrebungen<br />
nach der Messung des individuellen<br />
Integrationsniveaus eines Migranten<br />
zu einem bestimmten Zeitpunkt<br />
nachkommen, so ist eine normative<br />
Entscheidung über die fiktive Vergleichsgröße<br />
(nämlich hundertprozentige<br />
Integration) unumgänglich. Das<br />
heißt, es müsste subjektiv festgelegt<br />
werden, was z.B. Lokalpolitiker <strong>für</strong><br />
ihren städtischen Kontext unter „hundertprozentiger<br />
Integration“ verstehen.<br />
An solch einer fiktiven Größe würde<br />
dann ein individueller Integrationsstand<br />
gemessen. Im wissenschaftlichen<br />
Umgang mit Integration hingegen wird<br />
lediglich mit relativen<br />
(auf einander bezogene),<br />
aber nicht mit „absoluten“<br />
Werten gearbeitet.<br />
So wird beispielsweise<br />
festgestellt, ob sich die<br />
Integrationssituation innerhalb<br />
einer Einwandererfamilie<br />
über zwei oder<br />
sogar drei Generationen<br />
verbessert hat. Auch Einwanderergruppenuntereinander<br />
oder eine ethnische<br />
Gruppe sind in Bezug<br />
auf ihre Arbeitsmarktintegration<br />
in verschiedenen<br />
Ländern Gegenstand<br />
von komparativen<br />
Studien.<br />
Für Integrationsprogramme<br />
bedeutet dies, dass<br />
zum einen die tatsächliche<br />
Machbarkeit in Bezug<br />
auf solch eine „Verwaltung“<br />
des Integrationsprozesses<br />
als individuellem<br />
Lern-, aber auch<br />
Entwicklungsprozess überschätzt wird.<br />
Dies kann mit unvorhergesehenen organisatorischen<br />
und finanziellen Hürden<br />
zusammenhängen und ist zu einem<br />
Teil auch der Unbestimmtheit des Integrationsbegriffs<br />
geschuldet. Gerade<br />
mit Blick auf die Ergebnisse wissenschaftlicher<br />
Studien ist jedoch zu unterstreichen,<br />
dass Integration ein langer,<br />
sich häufig über mehrere Generationen<br />
erstreckender Prozess ist, der<br />
durch ein einjähriges Integrationsprogramm<br />
angestoßen, nicht aber tatsächlich<br />
gesteuert werden kann. �<br />
Karl-Heinz Willenborg<br />
Grafik: Globus<br />
<strong>Akademie</strong>-Report 2/2005
Entwicklungsland mit Atomprogramm<br />
Indien – Land der Gegensätze zwischen Tradition und Aufbruch<br />
Indien ist nicht nur eines der größten und bevölkerungsreichsten<br />
Länder der Erde, sondern kann aufgrund des großen zwei- oder<br />
sogar dreisprachigen (English, Hindi, lokale Sprachen) Bevölkerungsanteils<br />
auch zu den größten englischsprachigen Ländern gezählt<br />
werden. So differenziert die koloniale Vergangenheit des Subkontinents<br />
betrachtet werden muss, zeigt sich jedoch, dass die englischsprachige<br />
Tradition und das entsprechend ausgerichtete Schulund<br />
Verwaltungswesen Indien einen wirtschaftlichen Vorteil gegenüber<br />
der asiatischen Konkurrenz, insbesondere China, verschafft.<br />
In der Tat begrüßt die internationale Wirtschaftswelt, dass Investoren<br />
in Indien nicht nur auf gut ausgebildete, sondern durchwegs<br />
auch englischsprachige Mitarbeiter treffen.<br />
Die älteste Demokratie Asiens<br />
wird seit Mai 2004 von einer<br />
durch die Kongresspartei geleiteten<br />
Koalition unter Premierminister<br />
Manmohan Singh regiert. Indien ist<br />
Mitglied der Vereinten Nationen, des<br />
Commonwealth, der Welthandelsorganisation<br />
(WTO) und der südasiatischen<br />
Regionalkooperation SAARC (South<br />
Asian Association for Regional Coo-<br />
<strong>Akademie</strong>-Report 2/2005<br />
peration). Der bekannteren und großen<br />
südostasiatischen Regionalorganisation<br />
ASEAN (Association of Southeast<br />
Asian Nations) ist Indien – wohl auf<br />
Druck Chinas und einiger südostasiatischer<br />
Kernländer – bisher nur als<br />
Dialogpartner angeschlossen.<br />
Das politische System der seit 1947 unabhängigen<br />
Indischen Union zeichnet<br />
sich durch demokratische und pluralistische<br />
Strukturen und ein funktionierendes<br />
Wahlsystem aus. Indien verfügt<br />
über eine anerkannte Verfassungstradition,<br />
ein unabhängiges Justizsystem<br />
und bekennt sich zur Einhaltung von<br />
Menschenrechten. Im Gegensatz zu einigen<br />
asiatischen Ländern kann Indiens<br />
Pressewesen durchaus als unabhängig<br />
und meinungsstark bezeichnet<br />
werden. Durch diese Elemente sieht<br />
sich Indien als Wegweiser <strong>für</strong> Entwicklungsländer.<br />
Auf wirtschaftlicher Ebene führte Indien<br />
durch die staatlich halbgelenkte<br />
Wirtschaftspolitik der „mixed economy“<br />
bis zu Beginn der 1990er Jahre<br />
ein Schattendasein. Erst durch ein umfassendes<br />
wirtschaftliches Reformund<br />
Liberalisierungsprogramm findet<br />
Indien seit etwa zehn Jahren zunehmend<br />
den Anschluss an die Weltwirtschaft<br />
und verfügt über ein stabiles<br />
Wachstumspotential (siehe Graphik):<br />
�<br />
13
Nach Angaben der Weltbank erreicht<br />
Indien ein Wirtschaftswachstum von 8<br />
Prozent <strong>für</strong> das Jahr 2003. Indien hat<br />
aus einer schwachen makroökonomischen<br />
Ausgangslage mit niedrigen<br />
Wachstumsraten und Versorgungsproblemen<br />
eine industrielle und inzwischen<br />
auch wissenschaftliche Basis<br />
geschaffen. Als Grundlagen der wirtschaftlichen<br />
Erfolge gelten laut Generalkonsul<br />
Mukul die „Grüne Revolution“,<br />
die ausreichende Versorgung mit<br />
Nahrungsmitteln und die „Weiße Revolution“,<br />
die Indien zu einem der<br />
größten Produzenten von Milch und<br />
Milchprodukten machte. Zu den wirtschaftlichen<br />
Zielen gehören laut Generalkonsul<br />
Mukul der Auf- und Ausbau<br />
von Telekommunikation, Flugverkehr<br />
und Infrastruktur. Durch eine<br />
durch Forschung und Entwicklung angekurbelte<br />
Wissensrevolution will Indien<br />
zu einer neuen Art von „Supermacht“<br />
werden: „India: The Next<br />
Knowledge Super Power“.<br />
Belastungen<br />
Dies darf jedoch nicht von den sozialen,<br />
ethnischen, religiösen und kulturellen<br />
Problemen ablenken, die Indien<br />
belasten. Über 81 Prozent der Bevölkerung<br />
sind Inder, 12 Prozent sind<br />
Muslime, 2,3 Prozent Christen und 1,9<br />
Prozent Sikhs. Buddhisten und Parsen<br />
machen einen Anteil von weniger als<br />
2,5 Prozent der Bevölkerung aus. Neben<br />
dem offiziellen Hindi gibt es weitere<br />
18 Haupt- und 24 Nebensprachen,<br />
720 Dialekte und weitere 23 so genannte<br />
Stammessprachen im Osten und<br />
Nordosten der Union.<br />
Zwischen den Städten und abgelegenen<br />
Regionen herrscht ein großes Gefälle<br />
bei <strong>Bildung</strong> und Einkommen.<br />
Diese strukturellen Diskrepanzen, die<br />
Indien in unterentwickelte Landwirtschaftsregionen<br />
und Industriezonen<br />
teilen, bergen sozialen Sprengstoff.<br />
300 Millionen Menschen leben unterhalb<br />
der Armutsgrenze und verfügen<br />
über weniger als einen US-Dollar pro<br />
Tag. Zu den „niedrigsten“ Kasten gehören<br />
z.B. die 140 Millionen Dalit. Die<br />
Dalit waren mit Ambedkar in den Anfangsjahren<br />
der Unabhängigkeit auch<br />
durch einen einflussreichen Politiker<br />
vertreten. Nach Meinung von Maren<br />
14<br />
Die <strong>Akademie</strong> veranstaltete in Zusammenarbeit<br />
mit dem Pädagogischen<br />
Institut der Landeshauptstadt<br />
München eine Fortbildung über Indien.<br />
Als Experten konnten der indische<br />
Generalkonsul in München,<br />
J.S. Mukul, Dirk Matter von der Indisch-Deutschen<br />
Handelskammer,<br />
Dr. Maren Bellwinkel-Schempp aus<br />
Stuttgart, Dr. Susanne Reichl von der<br />
Universität Wien und Silke-Yasmin<br />
Fischer vom Institut <strong>für</strong> Indologie<br />
der Ludwig-Maximilians-Universität<br />
München gewonnen werden.<br />
Bellwinkel konnte sich Ambedkar jedoch<br />
nicht gegen die so genannten<br />
„Kastenhindus“ durchsetzen und verließ<br />
1951 sein politisches Amt, um sich<br />
der Interpretation des Buddhismus <strong>für</strong><br />
die unteren Kasten, insbesondere <strong>für</strong><br />
die Dalit, zu widmen. Ambedkar wird<br />
wie ein Heiliger verehrt. Er gab den<br />
Der indische Generalkonsul in<br />
München J.S. Mukul sprach über<br />
die rasante Entwicklung seines<br />
Heimatlandes.<br />
Dalit nicht nur eine religiöse Orientierung,<br />
sondern auch eine sozio-politische<br />
Botschaft, nämlich „<strong>Bildung</strong>, Organisation<br />
und Zusammenschluss“, die<br />
ihnen helfen sollte, sich von Unterdrückung<br />
und Diskriminierung zu befreien.<br />
Indien steht auch noch <strong>für</strong> weitere Gegensätze:<br />
Es ist ein Entwicklungsland<br />
mit einem Raketen- und Atomprogramm.<br />
Zu den politischen Belastungsfaktoren<br />
gehören der Kashmir-Konf-<br />
likt mit Pakistan, Hindi-Nationalismus<br />
und die große Zahl der<br />
Parteien. Außenpolitisch haben<br />
sich Indiens Perzeptionen weit<br />
über den Subkontinent und den<br />
Golf von Bengalen hinaus verschoben.<br />
Die neue Verteidigungspolitik<br />
wünscht sich eine Rolle<br />
von der jemenitischen Insel Socotra<br />
bis zum indonesischen Sumatra.<br />
Diese Anliegen werden<br />
unterstützt durch den Kauf von<br />
Militärgütern aus Israel, Frankreich<br />
und den USA. Bedroht fühlt<br />
sich die Indische Union durch<br />
den Terrorismus in der Region<br />
und durch zwei Nachbarn, die<br />
über nukleare Waffen verfügen:<br />
Pakistan und China.<br />
Klassenschranken<br />
Gesellschaft, Kultur, Religion und Tradition<br />
im indischen <strong>Bildung</strong>sverständnis<br />
stellte Silke-Yasmin Fischer an<br />
Hand eines indischen Sozialkundelehrbuches<br />
dar. Sie verfügt über eine zweijährige<br />
Lehrerfahrung in Indien und<br />
erläuterte Wandlungen und Spannungen,<br />
die die indische Gesellschaft auf<br />
dem Weg von der Großfamilie zur vierköpfigen<br />
Familie, durch einen zunehmenden<br />
Anteil von arbeitenden Frauen,<br />
die unterschiedlichen Religionen<br />
und ihre Feste und durch die nach wie<br />
vor eisernen Klassenschranken erlebt.<br />
Indiens urbane Zentren öffnen <strong>für</strong> Kinder<br />
aus wohlhabenden Schichten viele<br />
Möglichkeiten und bieten qualifizierte<br />
Arbeitsplätze <strong>für</strong> Frauen. Doch<br />
auf dem Land sind die Aussichten<br />
durch das unausreichende Schulsystem<br />
und das noch sehr starre Rollenverständnis<br />
ungünstig.<br />
So sehr ein gleichberechtigtes, säkulares<br />
Gesellschaftsverständnis offizielle<br />
Lesart ist, so traditionell ist die indische<br />
Gesellschaft immer noch geprägt.<br />
Auch die in den USA ausgebildeten<br />
Computerspezialisten heiraten<br />
noch in vielen Fällen nach Empfehlung<br />
der Familie. �<br />
Saskia Hieber<br />
<strong>Akademie</strong>-Report 2/2005
US-Außen- und Sicherheitspolitik:<br />
Globale Rolle unter dem Primat des Unilateralismus<br />
Paradigmenwechsel seit dem Ende des Kalten Krieges<br />
Vor dem Hintergrund des 11. Septembers und des Irak-Konflikts<br />
wird deutlich, dass die USA ihre globale Rolle neu zu definieren suchen<br />
und ihre Sicherheitspolitik zunehmend unter den Primat des<br />
Unilateralismus stellen. Auch die militärische Asymmetrie zwischen<br />
Europa und den USA begünstigt die Vormachtstellung der Vereinigten<br />
Staaten im internationalen politischen System. Dabei zeigt sich<br />
vor allem auch in der Auseinandersetzung mit der UNO, dass die<br />
Selbsteinbindung in Völkerrecht und andere Formen der Kooperation<br />
von den USA eher als Hindernis gesehen werden, die eigenen<br />
Interessen durchzusetzen.<br />
Im Zuge der Ereignisse des 11.<br />
Septembers, so Jürgen Wilzewski<br />
von der TU Kaiserslautern,<br />
gewann die Position des Präsidenten<br />
der USA, der kurz zuvor mit<br />
nur hauchdünner Mehrheit ins Amt<br />
gewählt worden war, erheblich an Gewicht.<br />
Unter dem Eindruck einer „nation<br />
under attack“ schlug die Bush-<br />
Administration einen neuen Weg der<br />
Sicherheitsstrategie ein: neben das Primat<br />
der Abschreckung trat jetzt die<br />
Strategie der Präventivschläge. In Anknüpfung<br />
an zwei Grundprinzipien der<br />
amerikanischen Außenpolitik – globale<br />
Machtprojektion und Verbreitung<br />
amerikanischer Wertvorstellungen –<br />
war die Bush-Doktrin geboren. Damit<br />
verbunden war ein starker Trend zu<br />
unilateralem Handeln; eine Entwicklung,<br />
die verschiedenen Umfragen zufolge<br />
keine Mehrheitsbasis innerhalb<br />
der amerikanischen Bevölkerung hat.<br />
Selbst unter dem Eindruck von „Nine-<br />
Eleven“ schien sie den „team effort“<br />
den „go-it-alone-at-all-costs“ klar vorzuziehen.<br />
Kongress und Senat stehen nach dem<br />
anfänglichen Schulterschluss ebenfalls<br />
nicht mehr geschlossen hinter der Außenpolitik<br />
ihres Präsidenten. „Viele<br />
Probleme lassen sich auch von einer<br />
Supermacht mit einem jährlichen Militärhaushalt<br />
von 500 Milliarden Dollar<br />
nicht lösen“, prophezeite Wilzewski<br />
und ergänzte, dass die vollzogene<br />
grundlegende strategische Neuausrichtung<br />
ohne einen breiten gesellschaftlichen<br />
Konsens kaum gelingen kann.<br />
<strong>Akademie</strong>-Report 2/2005<br />
Begrenzt einsatzfähig<br />
Trotz Ihrer massiven personellen und<br />
technischen Überlegenheit sehen sich<br />
die US-Streitkräfte im Irak mit großen<br />
Problemen konfrontiert, gab Christopher<br />
Daase (Universität München) zu<br />
bedenken. Er sprach von einer generellen<br />
Strukturschwäche der US-Armee<br />
im Führen „kleiner“ Kriege. Zwar<br />
sei sie <strong>für</strong> die Bewältigung konventioneller<br />
Konflikte hervorragend geeignet,<br />
doch hinsichtlich Guerilla- und<br />
Aufstandsbekämpfung sei ihre Einsatzfähigkeit<br />
eher begrenzt.<br />
Erstens fehle der US-Army Erfahrung<br />
mit und Tradition in der Aufstandsbekämpfung.<br />
Und die Kriege gegen die<br />
Ureinwohner Amerikas seien nicht in<br />
das „institutionelle Gedächtnis“ des<br />
Militärapparates eingegangen.<br />
Zweitens herrsche jenseits des Atlantiks<br />
der Grundsatz einer Trennung von<br />
Politik und Krieg: Im Frieden führen<br />
die Politiker, im Krieg verrichten Militärs<br />
ihr Handwerk, ohne von „unqualifizierten“<br />
Zivilisten behelligt zu werden.<br />
Die Aufstandbekämpfung stelle<br />
eine Schnittstelle zwischen beiden<br />
Bereichen dar; eine exakte Handhabe<br />
<strong>für</strong> diese „Grauzone“ fehle.<br />
Drittens schließlich sei es generell<br />
nicht unproblematisch, einer Guerilla<br />
gegenüber zu stehen, denn es gelten<br />
divergierende Siegbedingungen: „Die<br />
Guerilla gewinnt, wenn sie nicht verliert,<br />
der Staat verliert, wenn er nicht<br />
gewinnt!“ Damit kann der Widerstand<br />
auf Zeit spielen, was einer Demokra-<br />
tie möglicherweise schnell die Basis<br />
ihrer Kriegsführung entzieht. Das Volk<br />
ist schlicht nicht mehr gewillt, die<br />
Kosten des Konfliktes über längere<br />
Zeiträume zu tragen, und das Militär<br />
zieht sich zurück – die Siegbedingung<br />
der Guerilla ist erfüllt!<br />
Sakraler Respekt vor<br />
nationalen Werten<br />
Nach Colonel Thomas Wilhelm vom<br />
George C. Marshall Center for Security<br />
Studies, in Garmisch-Partenkirchen<br />
liegen der Konstruktion der Nationalen<br />
Sicherheitsstrategie der Vereinigten<br />
Staaten von Amerika und der<br />
National Military Strategy die „National<br />
Values“ Demokratie, Freihandel<br />
und Menschenrechte zugrunde, welche<br />
sakralen Respekt genießen. Sie bilden<br />
das Fundament <strong>für</strong> alle weiteren Überlegungen<br />
und Konzepte und münden<br />
im Ergebnis in drei Hauptaufgaben <strong>für</strong><br />
das US-Militär: Schutz der USA vor<br />
Konflikten und Überraschungsangriffen<br />
und Sieg über den Gegner. Zur<br />
Verteidigung dieser Aufgaben ist das<br />
amerikanische Militär weltweit präsent.<br />
Wilhelm räumte ein, dass eine Verbindung<br />
von tatsächlichen Aufgaben zu<br />
den Grundwerten teilweise nur schwer<br />
gezogen werden kann. Denn im Sinne<br />
der nationalen Sicherheit muss eine<br />
Abwägung von „interests, important<br />
interests and critical interests“ erfolgen.<br />
Dabei können Sicherheitserwägungen<br />
durchaus mit humanitären und<br />
diplomatischen Aspekten in Konkurrenz<br />
treten. Zur Erfüllung seiner Aufgaben<br />
kann das US Militär auf 2,6<br />
Millionen modern ausgerüsteter Berufssoldaten<br />
zurückgreifen, die mit einem<br />
jährlich wachsenden Budget von<br />
derzeit etwa 500 Milliarden US-Dollar<br />
ausgestattet sind. In einer absteigenden<br />
Rangfolge der Militärausgaben<br />
aller Länder übersteigen die Militäraufwendungen<br />
der USA die Summe<br />
der 17 nächsthöchsten nationalen Verteidigungsbudgets.<br />
�<br />
15
Im Vergleich zum amerikanischen Militär<br />
stellen sich die Zahlen, die Oberstleutnant<br />
Gert Tubach bezüglich der<br />
deutschen Streitkräfte präsentierte,<br />
sehr bescheiden dar: Die Bundeswehr<br />
umfasst momentan etwa 250 000<br />
Mann; das Verteidigungsbudget befindet<br />
sich einer Kategorie, die in keiner<br />
Weise mit der der USA vergleichbar<br />
wäre, nämlich 24 Milliarden US Dollar.<br />
In Sachen Sicherheitsstrategie sieht<br />
sich die Bundesrepublik in ein dichtes<br />
Netz internationaler Abkommen eingebettet<br />
und verfügt im engeren Sinne<br />
nicht über eine eigene Sicherheitsstrategie.<br />
Tubach ergänzte, dass die militärische<br />
Komponente bundesdeutscher<br />
Außenpolitik sich seit dem Ende des<br />
Kalten Krieges langsam und in Kooperation<br />
mit den Nachbarstaaten und<br />
supranationalen Organisationen entwickelte.<br />
Schließlich wurde die Bundeswehr<br />
als Verteidigungsarmee konzipiert.<br />
Aufgrund ihrer begrenzten technischen<br />
und finanziellen Ausstattung<br />
und auch bedingt durch ihren Wehrpflichtcharakter<br />
ist sie nicht <strong>für</strong> großes<br />
internationales Engagement ausgelegt.<br />
Beispielsweise erfolgen Truppenbewegungen<br />
zu den verschiedenen<br />
Einsatzzielen in Afrika oder<br />
Asien via gemieteter Transportmaschinen<br />
der ukrainischen<br />
Luftwaffe.<br />
Zivilreligion als<br />
patriotischer Kitt<br />
Wie Britta Waldschmidt-Nelson<br />
von der Universität München<br />
ausführte, ist die religiöse<br />
Orientierung der US-Politik<br />
kein Produkt des späten<br />
20. Jahrhunderts, sondern das<br />
Ergebnis einer historischen<br />
Entwicklung, deren Wurzeln<br />
bis zur Gründung der Vereinigten<br />
Staaten zurückreichen.<br />
So stellte Amerika zur Zeit der<br />
Auswanderungsbewegungen<br />
aus Europa im 17. und 18. Jahrhundert<br />
einen sicheren Hafen <strong>für</strong> Anhänger<br />
verschiedenster, überwiegend<br />
christlich orientierter Konfessionen<br />
dar. Zu der vorherrschenden Religionsfreiheit<br />
trat der Umstand, dass die etablierten<br />
Amtskirchen Europas in den<br />
USA kaum Einfluss geltend machen<br />
16<br />
konnten. In der Folge dieser Unabhängigkeit<br />
entwickelte sich ein System der<br />
kommunalen Selbstverwaltung auf religiöser,<br />
kultureller und schließlich<br />
auch politischer Ebene. Daraus er-<br />
Britta Waldschmidt-Nelson: „Religiöse<br />
Orientierung der US-Politik ist<br />
kein Produkt des späten 20. Jahrhunderts.“<br />
Fotos: Schad<br />
wuchs mit der Zeit eine Art von Zivilreligion,<br />
die Waldschmidt-Nelson<br />
überspitzt als „patriotischen Kitt“ bezeichnete:<br />
Eine Mixtur aus religiösen<br />
und weltlichen Attributen wie das<br />
Gute, Reinheit, Freiheit, Demokratie<br />
und Individualismus.<br />
Erläuterten deutsche und amerikanische Sicherheitsstrategien:<br />
v.r. Colonel Thomas Wilhelm, Oberstleutnant<br />
Gert Tubach, Tagungsleiterin Saskia Hieber.<br />
Der Gedanke einer „heiligen Mission“,<br />
also der Verbindung von Religion und<br />
politischer Zielsetzung, sei keine Erfindung<br />
der Bush-Administration: „We<br />
brought light, where there was darkness“<br />
konstatierte bereits Reagan in<br />
den 80er Jahren. Die Selbstwahrnehmung<br />
als „auserwähltes Volk“ ist den<br />
vereinigten Staaten ein Teil der nationalen<br />
Identität. Vor diesem Hintergrund<br />
hatten die Ereignisse des 11.<br />
Septembers eine stark traumatisierende<br />
Wirkung auf die amerikanische Öffentlichkeit.<br />
Religion und Politik<br />
Der Religion kommt, so Josef Braml<br />
von der Stiftung Wissenschaft und<br />
Politik in Berlin, hinsichtlich der politischen<br />
Willensbildung in Nordamerika<br />
eine tragende Rolle zu. Etwa 90<br />
Prozent der Amerikaner glauben gemäß<br />
einer Gallup-Umfrage an Gott,<br />
und circa 60 Prozent der Bevölkerung<br />
sind aktiv in einer Kirche engagiert.<br />
Besonders der christlichen Rechten,<br />
die teils stark fundamentalistische<br />
Züge trägt, komme im politischen Prozess<br />
große Bedeutung zu. Sie sei politisch<br />
und kulturell organisiert und stelle<br />
ein nicht zu unterschätzendes Wahlkampf-<br />
und Wählerpotential dar.<br />
Daraus erwachsen verschiedene außenpolitische<br />
Forderungen, welche<br />
von der Administration, will sie ihre<br />
Wähler nicht enttäuschen, aufgegriffen<br />
werden müssen. So ist beispielsweise<br />
die Haltung der USA im Nahost-Konflikt<br />
nicht unmaßgeblich<br />
von der christlichen<br />
Rechten geprägt. So genannte<br />
„Born-Again-<br />
Gläubige“ warten auf<br />
die Wiederkehr Christi.<br />
Diese erfolge, sobald<br />
der Tempel Salomons in<br />
Israel wieder erbaut ist.<br />
Eine spirituell-alttestamentarischeVerbindung<br />
zum Staat Israel<br />
schränkt den außenpolitischen<br />
Spielraum der<br />
US-Administration hin-<br />
sichtlich des Nahen und<br />
Mittleren Ostens ein.<br />
Braml sprach von<br />
„Machtstrukturen, die<br />
über die Basis kommen.“<br />
Allerdings betonte er, dass viele<br />
Ziele der Außenpolitik einer Wählerschaft<br />
über den Weg einer quasi-religiösen<br />
Mission wesentlich einfacher<br />
zu vermitteln seien als im Rahmen geostrategischer<br />
Konzeptionen. �<br />
Markus Schad<br />
<strong>Akademie</strong>-Report 2/2005
Vom Überleben in einer Nischengesellschaft<br />
Kennzeichen der SED-Diktatur in der DDR war die massive<br />
Präsenz von Herrschaft gegenüber den Bürgern. Partei,<br />
Massenorganisationen, Repressionsapparat und die Abschottung<br />
vor allem nach Westen wirkten auf den Alltag ein, förderten<br />
und forderten bestimmte Einstellungen und Verhaltensweisen. Manche<br />
sahen sich als Träger des Systems, andere arrangierten oder beteiligten<br />
sich. Inmitten der regelmäßigen Zustimmungsrituale und<br />
dem organisierten Mangel bewahrte man sich staats- und ideologiefreie<br />
Nischen oder entzog sich durch Formen partiellen Widerstands.<br />
Die Tagung „Herrschaft und Alltag in der SED-Diktatur“ unter Leitung<br />
von Jürgen Weber und Siegfried Münchenbach ging diesen Zusammenhängen<br />
mit Juristen, Wissenschaftlern und Zeitzeugen auf<br />
den Grund.<br />
Der Historiker und Zeitzeuge Stefan<br />
Wolle analysierte den Staatsapparat der<br />
DDR, der zurecht als Diktatur, Unrechtsstaat,<br />
totalitärer Staat oder<br />
scherzhaft als Gerontokratie charakterisiert<br />
werde. Unterschiede zur Bundesrepublik<br />
wie Frauenerwerbstätigkeit,<br />
hohe Scheidungsraten, viele<br />
Schwangerschaftsabbrüche, die Verdrängung<br />
der Kirchen, der große Stellenwert<br />
der Arbeit und frühzeitige Kin-<br />
Stefan Wolle: „Anstehen, Betteln<br />
und Bestechen waren Alltag in der<br />
DDR.“<br />
derbetreuung prägten auch heute noch<br />
die östlichen Bundesländer. Diese von<br />
der PDS ausgenutzte Lebenserfahrung<br />
werde nun als „Ostalgie“ bezeichnet.<br />
Eine „Nischengesellschaft“ sei die<br />
DDR gewesen, in der sich viele in ihre<br />
geschützten Nischen zurückgezogen<br />
hätten, um der Diktatur zu entgehen.<br />
Trotz staatlich gelenkter Wirtschaft<br />
habe es private Handwerker, Einzel-<br />
<strong>Akademie</strong>-Report 2/2005<br />
händler und Gastwirte gegeben. Ganz<br />
entscheidend sei das Leben durch die<br />
Verwaltung des Mangels geprägt worden.<br />
Anstehen, Betteln und Bestechen<br />
waren Alltag. Erziehungs- und Bil-<br />
Hans-Jürgen Grasemann: Fakten<br />
über den Unrechtsstaat DDR.<br />
Fotos: AvD<br />
dungssystem waren stark leistungsorientiert,<br />
ideologisiert, militarisiert und<br />
durchorganisiert „vom Töpfchen bis<br />
zur Promotion“. Kollektiv und Gemeinsinn<br />
wurden so gefördert, weshalb<br />
viele nach der Wende diese „Kuhwärme<br />
des Systems“ vermissten. Fast bitter<br />
fiel deshalb Wolles Fazit aus: „Im<br />
Rückblick wird die DDR wohl immer<br />
schöner werden.“<br />
Handeln nach dem<br />
SKET-Prinzip<br />
Der in der DDR bespitzelte Schriftsteller<br />
und Journalist Udo Scheer beleuchtete<br />
die Arbeits- und Wirtschaftswelt<br />
des SED-Staates mit ihren Versorgungslücken,<br />
Ineffizienz, einem veralteten<br />
Maschinenpark und dem Verfall<br />
der Bausubstanz. Die Menschen handelten<br />
nach dem SKET-Prinzip: Sehen,<br />
Kaufen, Einlagern, Tauschen. Der Zusammenbruch<br />
der Planwirtschaft war<br />
unausweichlich, wie laut Scheer auch<br />
eine geheime Stasi-Analyse 1988 wegen<br />
der hohen Auslandsschulden prognostizierte.<br />
Einzige Lösung schien<br />
der Stasi das drastische Zurückfahren<br />
der Sozialleistungen und damit die<br />
Unregierbarkeit. Deshalb blieb aus ihrer<br />
Sicht nur eine Konföderation mit<br />
der Bundesrepublik.<br />
<strong>Politische</strong> Justiz<br />
Oberstaatsanwalt Hans-Jürgen Grasemann<br />
aus Braunschweig berichtete<br />
über viele Einzelschicksale und die<br />
erschütternden Fakten der politischen<br />
Justiz und Polizei als Herrschaftsinstrument<br />
der Diktatur. Fünf Jahre war<br />
er Leiter der westdeutschen Zentralstelle<br />
in Salzgitter <strong>für</strong> Menschenrechtsverletzungen<br />
in der DDR. Schon 1950<br />
bei den „Waldheimer Prozessen“ bemühten<br />
sich die DDR-Richter, von<br />
3308 Angeklagten nur 14 unter fünf<br />
Jahren Haft zu bestrafen, 2891 über<br />
zehn Jahre bis lebenslang. 32 wurden<br />
zum Tode verurteilt. Zehn bis fünfzehn<br />
Minuten pro Fall vor Gericht, das sei<br />
der erste „Sündenfall der DDR-Justiz“<br />
gewesen.<br />
91 000 hauptamtliche Mitarbeiter der<br />
Stasi waren zuständig <strong>für</strong> die Telefonüberwachung,<br />
um Dissidenten wie<br />
Robert Havemann allein mit über 200<br />
IM´s zu bespitzeln. In 40 Jahren DDR<br />
wurden zwischen 250 000 und 300 000<br />
Personen aus politischen Gründen verurteilt,<br />
34 000 wurden vom Westen <strong>für</strong><br />
jeweils 40.000 bis 91.000 DM freigekauft.<br />
Bis zum letzten Tag der DDR<br />
hat die von der Stasi angeleitete Justiz<br />
Verhandlungen geführt, die allen<br />
rechtsstaatlichen Grundsätzen widersprachen.<br />
Von allen Tätern wurden nur<br />
einige bestraft, meistens mit einer niedrigen<br />
Haftstrafe.<br />
�<br />
17
Widerstand aus der<br />
Kirche<br />
Die Kirche zwischen Anpassung und<br />
Selbstbehauptung schilderte der Berliner<br />
Pfarrer und Zeitzeuge Joachim<br />
Goertz. Als Unbequemer aufs Land<br />
nahe Weimar versetzt („Die Rübe war<br />
die einzig Schatten spendende Pflanze“),<br />
litt er bereits als Jugendlicher unter<br />
der Einteilung seines Vaters als<br />
politisch „Unzuverlässigem“. Obwohl<br />
der Vater im KZ Buchenwald inhaftiert<br />
war, erhielt er keine Rente und wurde<br />
auch sonst benachteiligt. Deshalb<br />
konnte Goertz nur „abhauen oder Theologie<br />
studieren“.<br />
Alle Versuche, die Kirche dem Staat<br />
zu unterstellen oder sie mittels Jugendweihe<br />
zur Bedeutungslosigkeit zu verdammen,<br />
scheiterten. Die Umdeutung<br />
der Kirchengeschichte – selbst Luther<br />
wurde zum Kommunisten umgeschrieben<br />
– überzeugte niemanden. In der<br />
Kirche blieb demokratisches Bewusstsein<br />
erhalten, obwohl sich in mehreren<br />
Landeskirchenräten eine Reihe von<br />
Stasi-Mitarbeitern tummelten. Eine<br />
Krise nach der anderen führte<br />
schließlich zur Ausreisebewegung. Die<br />
Bürgerrechtsbewegung nach den offenkundig<br />
gefälschten Kommunalwahlen<br />
wurde von vielen Pfarrern unterstützt<br />
und führte schließlich 1989 zum<br />
Fall der Mauer und damit dem Ende<br />
der DDR.<br />
Sport als Kampf gegen<br />
den Klassenfeind<br />
Giselher Spitzer von der Universität<br />
Potsdam zeigte die Verflechtung von<br />
Sport und Politik im SED-Regime auf.<br />
Sport wurde in der DDR funktionalisiert<br />
und instrumentalisiert. Nach der<br />
NOK-Gründung und dem Kurswechsel<br />
zum Hochleistungssport mit politischer<br />
Funktion in den 60er Jahren<br />
ging man unter Leitung von Manfred<br />
Ewald auch rasch zum staatlich angeordneten<br />
und geförderten Doping über.<br />
Der Klassenfeind in der BRD sollte<br />
überholt werden. Dazu wurde ein berufssportliches<br />
System installiert, das<br />
durch strengste Auswahl der durchsetzungsfähigsten<br />
3 Prozent aller gebürtigen<br />
DDR-Kinder einen Aufstieg aus<br />
allen Schichten ermöglichte. Sie wurden<br />
nach wissenschaftlichen Kriterien<br />
18<br />
ausgewählt, von Trainern <strong>für</strong> drei<br />
Sportarten interessiert und konnten<br />
sich <strong>für</strong> eine davon entscheiden. Nur<br />
40 Prozent kamen durch eigenes Interesse<br />
zu einer Sportart. Ausbildungsort<br />
waren die 1800 Trainingszentren,<br />
wo jährlich die 10 000 aussichtsreichsten<br />
Sportler in eine höhere Förderstufe<br />
aufstiegen und die Chance hatten,<br />
einer von 2000 Aktiven zu werden. Der<br />
Rest bekam keinerlei Wettkampfsystem<br />
zur Verfügung gestellt, Breitensport<br />
gab es also nicht. 4700 hauptamtliche<br />
Trainer, 1000 Ärzte und 5000<br />
Funktionäre betreuten die Sportler.<br />
SED und Geheimdienst mit über 3000<br />
IM´s beherrschten den Sport auf allen<br />
Ebenen.<br />
Holger Richter, Psychologe und Publizist<br />
aus Dresden, berichtete aus sei-<br />
Foyer vollendet<br />
ner Zeit als Bausoldat in den Jahren<br />
1988/89, dem „Zivi der DDR“. Nachdem<br />
man zunächst nach Einführung<br />
der Wehrpflicht 1962 nicht wusste, was<br />
man mit den Wehrdienstverweigerern<br />
tun sollte, wurden 1964 die Bausoldaten<br />
geschaffen, deren Dienstzeit im<br />
Gegensatz zu den drei Jahren Wehrdienst<br />
nur 18 Monate betrug. Die Behörden<br />
informierten ausdrücklich<br />
nicht über diese Möglichkeit, sich<br />
dem Dienst mit der Waffe zu entziehen.<br />
Etwa 1 Prozent der Wehrpflichtigen<br />
jedes Jahrgangs verweigerten den<br />
Dienst in der Volksarmee, davon rund<br />
100 total. Hauptsächlich Christen,<br />
Dissidenten, Ausreisewillige oder auch<br />
manchmal „ein paar Nazis“ gingen diesen<br />
Weg der Wehrdienstverweigerung.<br />
�<br />
Andreas von Delhaes<br />
Hell, freundlich, transparent und modern: Die spontanen Urteile unserer<br />
Tagungsgäste über das neue Foyer der <strong>Akademie</strong> fallen durchweg<br />
positiv aus. Nach über einem halben Jahr Bauzeit und vielen Wochen<br />
mit Baulärm, Staub und umständlichen Umwegen durch den wochenlang<br />
tief verschneiten <strong>Akademie</strong>park können nun unsere Gäste<br />
wie gewohnt trockenen Fußes von den Seminarräumen und vom Speisesaal<br />
in ihre Zimmer gehen. Die völlig neu gestaltete Eingangshalle<br />
bietet nicht nur mehr Platz und Durchblick zu Park und See, sondern<br />
ein Balkon zum ebenfalls neu angelegten Innenhof eröffnet auch<br />
völlig neue Perspektiven <strong>für</strong> die Kaffeepausen in der wärmeren Jahreszeit.<br />
ms<br />
<strong>Akademie</strong>-Report 2/2005
<strong>Akademie</strong>gespräch im Landtag:<br />
Flucht und Vertreibung – Erinnerung und Gegenwart<br />
Die Journalistin Helga Hirsch fordert ein Ende<br />
des gegenseitigen Aufrechnens von Leid<br />
Historische Ereignisse sind niemals<br />
einfach bloß Vergangenheit,<br />
sondern immer auch Gegenstände<br />
von Interpretation und Instrumentalisierung.<br />
Flucht und Vertreibung<br />
der Deutschen während<br />
und nach dem Zweiten Weltkrieg<br />
stehen exemplarisch <strong>für</strong> diese Art<br />
des Umgangs mit Geschichte.<br />
Lange Zeit „beschwiegen“, entwickelte<br />
sich erst in den letzten<br />
Jahren eine Debatte um die Vertreibung,<br />
die „befreiend“ wirke,<br />
so der Bielefelder Historiker<br />
Für die Deutschen war es „Vertreibung“,<br />
die Polen nannten es<br />
„Zwangsumsiedlung“ und die<br />
Tschechen sprachen von „Abschub“.<br />
Schon in diesen Bezeichnungen werden<br />
die unterschiedlichen Blickwinkel<br />
auf das historische Ereignis deutlich.<br />
Dabei dürfe nicht vergessen werden,<br />
so Helga Hirsch, dass das Instrument<br />
des „Bevölkerungsaustauschs“ bzw.<br />
der „ethnischen Entmischung“ als Mittel<br />
der Friedenssicherung in den 20er<br />
Jahren bis zu einem gewissen Grad akzeptiert<br />
war. Erst Hitler stieß mit seiner<br />
Lebensraumideologie, die die Deportation<br />
von mehr als 30 Millionen<br />
Russen, Polen und Juden zur Voraussetzung<br />
hatte, in Dimensionen unvorstellbaren<br />
Ausmaßes vor. 1944 griff der<br />
Bodenkrieg auf Deutschland über und<br />
zu den Bombenflüchtlingen kamen<br />
damit insgesamt 14 Millionen deutsche<br />
Flüchtlinge und Vertriebene, von denen<br />
etwa zwei Millionen die Flucht<br />
nicht überlebten. Mit dem Ende der<br />
„Zwangsumsiedlung“ war der Anteil<br />
der ethnischen Minderheiten in Polen<br />
von 32 Prozent vor dem Krieg auf<br />
nunmehr 3 Prozent gesunken. In<br />
Deutschland werde sehr oft verdrängt,<br />
so Hirsch, dass im Zuge der Westverschiebung<br />
Polens auch sehr viele Ostpolen<br />
nach Schlesien und Pommern<br />
umgesiedelt wurden – ebenfalls zumeist<br />
unfreiwillig.<br />
<strong>Akademie</strong>-Report 2/2005<br />
Hans-Ulrich Wehler, weil ein abgesunkenes<br />
Stück kollektiver<br />
Lebensgeschichte nunmehr „ruhig<br />
besprochen werden“ könne.<br />
Für die Berliner Publizistin Helga<br />
Hirsch sind es die individuellen<br />
Erfahrungen, welche die historische<br />
Erinnerung jenseits allen<br />
Streits um Interpretation aufklärend<br />
und verbindend wirken<br />
lassen. Dieser Einstellung folgend<br />
rückt die ehemalige Warschauer<br />
Korrespondentin der<br />
Wochenzeitung „Die Zeit“ diese<br />
Von den 12 Millionen überlebenden<br />
deutschen Vertriebenen fanden sich ca.<br />
7,9 Millionen in den Westzonen<br />
wieder, 4,1 Millionen in der sowjetisch<br />
besetzten Zone, von denen bis zum<br />
Mauerbau 1961 etwa eine Million<br />
Menschen in den Westen abwanderten.<br />
In der SBZ und späteren DDR wurde<br />
das Thema weitgehend tabuisiert,<br />
allenfalls war von „Umsiedlung“ die<br />
Rede. Im Gegensatz zur DDR formier-<br />
Perspektive in ihren publizistischen<br />
und dokumentarfilmerischen<br />
Arbeiten in den Mittelpunkt.<br />
In der Reihe „<strong>Akademie</strong>gespräch<br />
im Landtag“, die die<br />
<strong>Akademie</strong> zusammen mit der<br />
bayerischen Volksvertretung<br />
veranstaltet, stellte die Preisträgerin<br />
des deutsch-polnischen<br />
Journalistenpreises von 2001<br />
neueste Forschungsergebnisse<br />
über Flucht und Vertreibung der<br />
Deutschen sowie deren Integration<br />
vor.<br />
Helga Hirsch: „Besprechen statt Beschweigen“. Rechts: <strong>Akademie</strong>direktor<br />
Heinrich Oberreuter<br />
ten sich im Westen alsbald Heimatvertriebenenvereine;<br />
1951 wurde der<br />
„Bund der Vertriebenen“ gegründet<br />
sowie der „Bund der Heimatvertriebenen<br />
und Entrechteten (BHE)“ als politische<br />
Partei. Mit der fortschreitenden<br />
Integration der Vertriebenen in die<br />
westdeutsche Gesellschaft verloren<br />
deren Interessenvertretungen zunehmend<br />
an Gewicht.<br />
�<br />
19
„Opferkonkurrenz“<br />
Ab 1970 – so die damals vorherrschende<br />
Meinung – galten die Vertriebenen<br />
als vollständig integriert. „Der Stolz<br />
der Politiker ‚Wir haben sie eingegliedert’“,<br />
so Hirsch, „traf auf den Stolz<br />
der Vertriebenen ‚Wir haben es geschafft’.“<br />
Ab Mitte der 80er Jahre<br />
brach sich allmählich eine kritischere<br />
Sicht Bahn, die den Integrationsprozess<br />
in vielerlei Hinsicht hinterfragte.<br />
Diese Phase hält bis heute an. Neuere<br />
Untersuchungen zeigen Hirsch zufolge,<br />
dass viele Einheimische doch nicht<br />
so aufnahmebereit waren, wie vielfach<br />
behauptet. An vielen Orten entwickelte<br />
sich eine Art „Opferkonkurrenz“ zwischen<br />
denen, die alles verloren hatten<br />
und denen, die alles außer der Heimat<br />
verloren hatten. Witze wie: „Wer war<br />
der erste Vertriebene? Der Mond. Er<br />
stammt aus dem Osten und hat einen<br />
Hof.“ machten angesichts von Lastenausgleich<br />
und strebsamen zugewanderten<br />
„Häuslebauern“ die Runde bei<br />
den Einheimischen. Besonders in der<br />
jüngeren Vertriebenengeneration<br />
herrschte eine sehr starke Leistungsorientierung<br />
vor. „Was zählte war Wissen<br />
und Können, nicht Hab und Gut.“<br />
Die Jüngeren unter den Vertriebenen<br />
hatten erheblich weniger Probleme,<br />
sich einzugliedern als die ältere Generation.<br />
Die Kinder waren oft in einer<br />
schwierigen Situation: Erfüllter<br />
Anpassungsdruck von außerhalb der<br />
Familie provozierte das Unverständnis<br />
der Eltern, die die Übernahme der<br />
neuen Sitten durch die Kinder oft als<br />
„Verrat“ empfanden. Die konkreten<br />
Ereignisse der Flucht und Vertreibung<br />
wirken nach wie vor nach: Bei 1999<br />
untersuchten ehemaligen Vertriebenen<br />
stellten Psychologen bei 62 Prozent<br />
nachweisbare Traumatisierungen fest.<br />
Chance der „oral<br />
history“<br />
Höchste Zeit sei es, so die Forderung<br />
Helga Hirschs, das Thema Flucht und<br />
Vertreibung aus der Vorwurfsecke des<br />
„Revanchismus“ heraus zu holen. Oral<br />
History kann hierbei einen wichtigen<br />
Beitrag als Ergänzung zur systematischen<br />
Forschung leisten. In Polen und<br />
Deutschland immer noch stark domi-<br />
20<br />
nierende Klischees können durch persönliche<br />
Begegnungen, durch Erzählen<br />
der eigenen Erlebnisse am nachhaltigsten<br />
in Frage gestellt und überwunden<br />
werden. Dabei sind Irritationen<br />
nicht immer zu vermeiden: „Solange<br />
sich Deutsche selbst als Täter<br />
und sich Polen und Tschechen selbst<br />
als Opfer gesehen haben, haben sich<br />
die Selbstbilder ergänzt. Mit der Entwicklung,<br />
dass sich die Deutschen auch<br />
als Opfer sehen, sind Irritationen bei<br />
den Nachbarn vorprogrammiert!“<br />
Sich weiterhin an der „geronnenen Geschichte<br />
mittels Gerichtsverfahren und<br />
Wiedergutmachungsforderungen“ abzuarbeiten,<br />
bringe wenig Fortschritt, so<br />
Hirsch. Statt dessen sollte man alle<br />
Seiten des Leids berücksichtigen. Die<br />
Deutschen müssten lernen, dass es<br />
auch noch andere Opfer gab als die<br />
Helga Hirsch<br />
Geboren 1948 in Estorf/Weser. Studium der Germanistik und<br />
Politikwissenschaft, anschließend Promotion mit einer Arbeit über<br />
die antikommunistische Opposition in Polen.<br />
1989-1995 Korrespondentin der Wochenzeitung „Die Zeit“ in Warschau.<br />
Berichte von den Wende- und Nachwende-Ereignissen aus<br />
Polen und anderen post-kommunistischen Staaten (u.a. Rumänien,<br />
Jugoslawien, Albanien, Litauen). Seit 1996 freie Publizistin in Berlin<br />
(u.a. <strong>für</strong> die FAZ, Die Welt, den WDR, den Deutschlandfunk und<br />
ARTE). 2001 Deutsch-Polnischer Journalistenpreis.<br />
Buchpublikationen:<br />
Die Rache der Opfer – Deutsche in polnischen Lagern 1945-1950<br />
(Berlin 1998);<br />
Ich habe keine Schuhe nicht – Lebensläufe von polnischen,<br />
jüdischen und deutschen Grenzgängern<br />
(Berlin: Berliner Taschenbuchverlag 2004);<br />
Schweres Gepäck. Flucht und Vertreibung als Lebensthema<br />
(Hamburg: Edition Körber-Stiftung 2005).<br />
Dokumentarfilme:<br />
Späte Opfer – Deutsche in polnischen Lagern 1945-1950 (WDR/<br />
MDR 1999); Der Erbfeind – Preußen/Deutschland aus polnischer<br />
Sicht (ARTE 2001); Schönes Land, armes Land – Bulgarien sucht<br />
den Anschluss an den Westen (ORB/ARTE 2003); Mein Überleben<br />
in Kolbuszowa – Ein amerikanischer Jude reist nach 57 Jahren in<br />
seine ostpolnische Heimat (rbb 2005).<br />
Zentrum gegen Vertreibungen: www.z-g-v.de<br />
Juden, die Polen müssten lernen, dass<br />
auch den Deutschen Unrecht zugefügt<br />
wurde und das heutige Deutschland<br />
keine revanchistische Gefahr mehr<br />
darstelle. Es müsse Schluss damit sein,<br />
Leiden gegeneinander aufzurechnen.<br />
Kein Weg werde daran vorbei führen,<br />
einander zuzuhören und Mitgefühl zu<br />
entwickeln. Helga Hirsch verlieh ihrer<br />
Hoffnung Ausdruck, dass dem „Beschweigen“<br />
nun das „Besprechen“ folge,<br />
Besprechen „in Ruhe und Respekt<br />
vor den unterschiedlichen historischen<br />
Erfahrungen des Gegenübers.“ �<br />
Manfred Schwarzmeier<br />
<strong>Akademie</strong>-Report 2/2005
Versetzt man sich in die Zeitgenossen<br />
in Deutschland hinein, wird der Symbolgehalt<br />
dieses Tages noch komplexer.<br />
Der spätere erste Bundespräsident<br />
der in jeder Hinsicht neu zu gründenden<br />
Republik, Theodor Heuss, hat diese<br />
Komplexität am 8. Mai 1949 verdeutlicht.<br />
Im Parlamentarischen Rat<br />
sagte er: „Im Grunde genommen bleibt<br />
dieser 8. Mai 1945 die tragischste und<br />
fragwürdigste Paradoxie der Geschichte<br />
<strong>für</strong> jeden von uns. Warum denn?<br />
Weil wir erlöst und vernichtet in einem<br />
gewesen sind.“<br />
Grausame Bilder<br />
<strong>Akademie</strong>-Report 2/2005<br />
„Erlöst und vernichtet in einem“<br />
Die Deutschen haben wenigstens im<br />
Westen ihre Befreier und Besatzer<br />
willkommen geheißen. Sie respektieren<br />
sie auch heute noch. Zugleich aber<br />
litten sie unter der elenden Situation<br />
in Not und Trümmern. Als ihnen mit<br />
dramatischen Bildern aus den Konzentrationslagern<br />
die Augen geöffnet wurden,<br />
hatten sie zudem erschüttert zur<br />
Kenntnis zu nehmen, welch grausame<br />
Verbrechen sie durch ihr politisches<br />
Versagen begünstigt hatten.<br />
Erlöst und vernichtet in einem. Das ist<br />
in der Tat die Situation jenes Volkes<br />
gewesen, das Hitler an die Macht kommen<br />
und gewähren ließ und, wenn<br />
Gedanken zum 8. Mai 1945*<br />
von <strong>Akademie</strong>direktor Prof. Dr. Dr. h.c. Heinrich Oberreuter<br />
Ist dieser 8. Mai vor 60 Jahren ein Tag der Befreiung gewesen?<br />
Ganz gewiss ein Tag der Befreiung vom Joch des Nationalsozialismus<br />
und des Krieges, ein Tag der Freiheit <strong>für</strong> die Gedemütigten<br />
und Geknechteten in den Gefängnissen und Konzentrationslagern.<br />
Aber gilt diese Interpretation <strong>für</strong> ganz Europa? Ganz gewiss<br />
nicht; denn im Osten wurde eine Diktatur durch eine andere ersetzt,<br />
mit schrecklichen Folgen. Konzentrationslager in der Ostzone<br />
wurden nahtlos weiter benutzt, nur die Insassen wechselten. Daher<br />
fällt es heute osteuropäischen Regierungen, speziell im Baltikum,<br />
schwer, zu Jubiläumsfeierlichkeiten nach Moskau zu reisen.<br />
überhaupt, zu Einsichten erst fand, als<br />
es zu spät war. Man mag die „Vernichtung“<br />
als gerechte Strafe der Geschichte<br />
betrachten. Aber man muss auch<br />
konzedieren, dass die Betroffenen<br />
Komplexität und Paradoxie ihrer Situation<br />
empfanden, wie Heuss sie be-<br />
schrieb. Hoffentlich möchte man hinzufügen.<br />
Denn zur historischen Wahrheit<br />
gehört auch, dass demoskopische<br />
Befunde bis weit in die 50er Jahre erstaunliche<br />
Resistenz nationalsozialistischen<br />
und antisemitischen Gedankenguts<br />
offenbaren.<br />
In der unmittelbaren Nachkriegszeit<br />
gab es ganz sicher verbreitet Unwillen<br />
und Unsicherheit, sich zur erlebten<br />
Vergangenheit zu positionieren. Man<br />
scheute die Betroffenheit, die uns ja<br />
heute noch überfällt, wenn wir uns mit<br />
noch so rationalen Absichten dieser<br />
Phase zuwenden. Warum ist das so?<br />
Als der große Historiker Friedrich<br />
Meinecke unmittelbar nach ihrem<br />
*Ansprache bei der Gedenkstunde der Stadt Passau am 7. Mai 2005<br />
Ende im Jahre 1946 der „deutschen<br />
Katastrophe“ nachspürte, warf er eine<br />
uns heute noch bewegende Frage auf;<br />
die Frage, ob man je vollkommen verstehen<br />
könne, was sich in den zwölf<br />
Jahren des „Dritten Reichs“ an Ungeheuerlichem<br />
ereignet habe. Beispiellos<br />
ist die fabrikmäßige Ermordung der<br />
Juden. Aber auch die anderen Opfer,<br />
die Sinti und Roma, die Kranken, die<br />
Homosexuellen und die Widerständigen<br />
dürfen nicht hintangestellt werden.<br />
Auch heute noch wird man sagen können,<br />
dass es zwar viele Interpretationen,<br />
Erklärungen und Erkenntnisse<br />
gibt. Aber vollkommen verstehen können<br />
wir noch immer nicht. Und dort,<br />
wo die Humanität mit Füßen getreten<br />
worden ist, weigern wir uns zu verstehen,<br />
was an nüchterner Erkenntnis so<br />
„Es ist geschehen,<br />
und folglich kann es wieder geschehen.<br />
Es kann geschehen, überall.“ Primo Levi<br />
offen vor uns liegt. Es übersteigt unsere<br />
Fassungskraft. Man kann ja<br />
Auschwitz, Buchenwald und Mauthausen,<br />
ebenso aber auch Yad Vashem<br />
in Jerusalem oder das Holocaust-Museum<br />
in Washington nur tief erschüttert<br />
und aufgerüttelt verlassen.<br />
Der Schatten, den diese Epoche auf die<br />
deutsche Geschichte wirft, wird und<br />
muss noch auf lange Zeit Generationen<br />
in Pflicht nehmen, die von den damaligen<br />
Ereignissen weder unmittelbar<br />
betroffen, noch auch nur im entferntesten<br />
gar schuld an ihnen sind.<br />
Für sie gilt das Wort des KZ-Häftlings<br />
Primo Levi: „Es ist geschehen, und<br />
folglich kann es wieder geschehen.<br />
Es kann geschehen, überall.“ Daraus<br />
leitet sich die Verpflichtung ab, wachsam<br />
zu sein und Anfängen zu wehren.<br />
�<br />
21
Radikale Folgen<br />
Primo Levis „überall“ nimmt den<br />
Deutschen in Gegenwart und Zukunft<br />
gleichsam ihre exklusive Position. Sicher<br />
ist richtig, dass der Nationalsozialismus<br />
kein vorgezeichnetes, unentrinnbares,<br />
im Nationalcharakter der<br />
Deutschen liegendes Schicksal war;<br />
entsprechende Erklärungsversuche<br />
haben sich als untauglich erwiesen.<br />
Dennoch muss man fragen, warum<br />
Krisensymptome, die es im damaligen<br />
Europa gemeinhin gab, auf deutschem<br />
Boden ihre radikalsten Folgen zeitig-<br />
Heinrich Oberreuter: Unrecht verändert<br />
seine Qualität nicht, indem<br />
es seine Adressaten wechselt.<br />
Foto: ms<br />
ten. Diese Epoche hat wie keine andere<br />
die Position Deutschlands und der<br />
Deutschen in der Welt geprägt. Sie fordert<br />
uns selbst heute nachhaltig heraus.<br />
Daher hat das „wehret den Anfängen“<br />
<strong>für</strong> uns auch besondere Bedeutung.<br />
Wir sind es uns selbst schuldig, aus<br />
dieser Geschichte zu lernen. Und wir<br />
haben es auch getan.<br />
Wer Rückfälle verhindern will, muss<br />
sich den Erinnerungen und Erfahrungen,<br />
er muss sich nüchterner Bestandsaufnahmen<br />
stellen. Wie schwer das<br />
fällt, hat sich nach 1945 gezeigt, als<br />
bewältigende und wahrscheinlich auch<br />
befreiende Kommunikation zunächst<br />
durch kollektives „Beschweigen“<br />
(Lübbe) verdrängt worden ist. Umbau<br />
einer beschädigten politischen Kultur<br />
und Diktaturverhütung sind aber nicht<br />
durch Schweigen, sondern nur durch<br />
öffentliche Auseinandersetzung mög-<br />
22<br />
lich – auch wenn es schwer fällt, sich<br />
in die Augen zu sehen, wenn man gegenseitig<br />
von den alltäglichen,<br />
durchaus oft nicht unbegründeten Opportunismen<br />
und Verstrickungen weiß.<br />
Aber Offenheit bietet größere Chancen,<br />
eine breitere Öffentlichkeit einzubeziehen.<br />
Diese Offenheit ist mit der<br />
Zeit erheblich gewachsen, sogar bis<br />
hinunter in den lokalen Raum, wo man<br />
sich eben in die Augen sehen muss.<br />
Lokale Geschichtsforschung, Schülerwettbewerbe<br />
und Jugendinitiativen<br />
haben aufklärend und informierend<br />
gewirkt. Es ist wichtig zu erinnern,<br />
dass Unrecht und Anpassung nicht ins<br />
Ferne entrückt gewesen, sondern Probleme<br />
der Nähe und des Nächsten<br />
waren. Für die Zwänge der Gewaltherrschaft<br />
gilt das gleiche. In dieser<br />
Übersetzung der großen Geschichte in<br />
die kleine Alltagsnähe und Alltagspraxis<br />
liegt wahrscheinlich der größte<br />
Lern- und Präventionseffekt.<br />
Werterfüllte Staatlichkeit<br />
Man muss diese Nähe geradezu suchen.<br />
Denn der Sinn des Lernens aus<br />
dieser Geschichte musste die Konstruktion<br />
eines Gegenmodells politischer<br />
Ordnung sein, dessen wichtigster<br />
Baustein der Respekt vor dem Individuum<br />
und seiner Freiheit ist. Dieser<br />
Respekt besitzt wiederum sein Fundament<br />
in der unverbrüchlichen Geltung<br />
des Rechts. Prävention lag daher<br />
auch in der Errichtung und Verteidigung<br />
einer pluralistisch-rechtsstaatlichen<br />
Demokratie und in dem Unterfangen,<br />
diese Staatsform in der Gedankenwelt<br />
und der politischen Kultur der<br />
Deutschen abzusichern. Sie ist entstanden<br />
aus Erfahrungen und Überzeugungen<br />
von fortwirkender Aktualität. Ich<br />
nenne drei:<br />
1. Der aus der deutschen „Kollektivscham“<br />
(Theodor Heuss) gespeiste<br />
politische Wille, sich von der NS-Diktatur<br />
ein <strong>für</strong> alle Mal abzusetzen und<br />
allen totalitären Anfälligkeiten endgültig<br />
abzuschwören. Gegen den Verderb<br />
aller Werte, welcher zur Schändung<br />
des Menschen und zur Vernichtung<br />
von Leben geführt hatte, stellt sich nun<br />
„werterfüllte Staatlichkeit“ (Ernst<br />
Forsthoff).<br />
2. Die Sorge, die wirklichen und<br />
vermeintlichen Fehler der Weimarer<br />
Verfassung, welche die Diktatur ermöglicht<br />
hatten, nicht zu wiederholen.<br />
Daher haben wir die Wertbindung und<br />
Wehrhaftigkeit der Demokratie eingeführt.<br />
Freilich liegt das Problem<br />
letztlich nicht in den Rechtsnormen,<br />
sondern in den politischen Einstellungen<br />
und Mentalitäten der Bürger.<br />
3. Die Absicht, endlich gesicherten<br />
Anschluss an das liberale Verfassungsdenken<br />
der pluralistischen Demokratien<br />
zu gewinnen. Das Experiment<br />
scheint geglückt. Die Demokratie<br />
hat auch in nun schon anhaltenden<br />
ökonomischen Krisenzeiten ihre<br />
grundsätzliche Attraktivität nicht verloren.<br />
Das war früher anders, als die<br />
Eliten in Verwaltung, Justiz, Militär,<br />
Wirtschaft und Politik Vorbehalte gegen<br />
die Demokratie konserviert hatten<br />
und ihre autoritäre Veränderung anstrebten.<br />
Sie haben nicht nur diesen<br />
Wandel, sondern einen Urknall bekommen.<br />
Heute isoliert sich in der Bundesrepublik<br />
politisch, wer die Grundprinzipien<br />
freiheitlicher Demokratie bestreitet.<br />
Bei allen gelegentlichen Herausforderungen<br />
an den Rändern ist der demokratische<br />
Konsens gesichert und in der<br />
politischen Kultur verankert.<br />
Dieser aus Erfahrung und Erinnerung<br />
geborene positive Wandel ist angesichts<br />
der historischen Vorbelastungen<br />
keineswegs selbstverständlich. Umso<br />
wichtiger ist er <strong>für</strong> uns alle. Fortlastende<br />
Hypotheken und Betroffenheiten<br />
werden dadurch nicht geringer.<br />
Aber gerade wenn die nachwachsenden<br />
Generationen ihren Platz in der<br />
Geschichte und eine angemessene Positionierung<br />
gegenüber der Zeitgeschichte<br />
gewinnen sollen, muss neben<br />
die Lasten auch die objektive Bewertung<br />
eines alles in allem geglückten demokratischen<br />
Neuansatzes treten. Der<br />
8. Mai hat uns natürlich auch zu diesem<br />
Neuanfang erlöst, so wenig die<br />
Zeitgenossen angesichts ihrer aktuellen<br />
Nöte damals an verfassungspolitischen<br />
Diskussionen interessiert gewesen<br />
sind.<br />
�<br />
<strong>Akademie</strong>-Report 2/2005
Wandel und Neuanfang besitzen zugleich<br />
auch Bedeutung <strong>für</strong> die Beurteilung<br />
des Totalitarismus. Zur Urteilssicherheit<br />
gehören zutreffende Maßstäbe.<br />
Diese Maßstäbe können nur<br />
aus den moralischen und ethischen<br />
Prinzipien des demokratischen Rechtsstaats<br />
entwickelt werden. Innere „Vergangenheitsbewältigung“<br />
und tatsächliches<br />
Lernen aus der Geschichte sind<br />
daher nur möglich, wenn diese Wertebasis<br />
akzeptiert wird. Ohne diese Basis<br />
wäre alle Betroffenheit<br />
hohl und nicht weit von Heuchelei<br />
entfernt. Nur auf dieser<br />
Basis tritt man, traten wir,<br />
in den Kreis zivilisierter Völker<br />
und wurden wirklich erst<br />
befähigt zu dem, was der<br />
deutsch-französisch-jüdische<br />
Brückenbauer Alfred Grosser<br />
als „Grundwert Europas“ bezeichnet<br />
hat: das „Verständnis<br />
<strong>für</strong> das Leiden der Anderen“.<br />
Unverbrüchliches<br />
Recht<br />
Diese moralisch-ethische Dimension<br />
gibt uns auch Orientierung<br />
<strong>für</strong> den Umgang mit<br />
dem eigenen Schicksal, <strong>für</strong><br />
den Umgang mit der „tragischsten<br />
und fragwürdigsten<br />
Paradoxie“ unserer Geschichte.<br />
Sie verbietet primitives<br />
Aufrechnen und unreflektierten<br />
Drang danach, „endlich<br />
Wahrheiten“ auszusprechen,<br />
die oberflächlich, intellektuell<br />
unzulänglich und zugleich<br />
stillos sind. Keine Untat relativiert<br />
ja eine andere. Diese moralischethische<br />
Dimension verbietet allerdings<br />
nicht, im Sinne Immanuel Kants<br />
an die „Majestät des Rechts“ zu erinnern.<br />
Dass das Recht unverbrüchlich gelten<br />
muss, ist die große Lehre aus der Diktaturgeschichte<br />
des 20. Jahrhunderts.<br />
Unrecht bleibt Unrecht. Es verändert<br />
seine Qualität nicht, indem es seine<br />
Adressaten wechselt. Auch menschliches<br />
Leid ist unabhängig von nationalen,<br />
ethnischen oder religiösen Zuge-<br />
<strong>Akademie</strong>-Report 2/2005<br />
hörigkeiten, so unterschiedlich es in<br />
seinen Dimensionen sein kann. Daher<br />
hätten sich auch die Deutschen schon<br />
immer an das Leid erinnern dürfen, das<br />
mit diesem Gedenktag verbunden ist.<br />
Der jüngst entflammten literarischen<br />
Diskussion hätte es dazu nicht bedurft.<br />
Wir befinden uns insofern auch heute<br />
noch inmitten der Paradoxie, von der<br />
Theodor Heuss sprach. Wir stoßen<br />
auch immer wieder auf Schwierigkei-<br />
Nach einem Nachtangriff im März 1945 in der Münchner<br />
Ludwigstraße.<br />
Foto aus: „Bomber über München“,<br />
W. Ludwig Buchverlag/Südwest Verlag, München<br />
ten, mit dieser Komplexität umzugehen.<br />
Untrennbar verbunden mit diesem<br />
Problem bleibt die Einsicht, dass die<br />
Voraussetzungen <strong>für</strong> erlittenes Unbill<br />
in den Entgleisungen der eigenen Geschichte<br />
liegen. Diese Einsicht birgt<br />
auch die Grenzen <strong>für</strong> unziemliche Relativierungen<br />
und <strong>für</strong> jene Art eines unreflektierten<br />
Patriotismus, der nur der<br />
Nation huldigt, ethische Bindungen<br />
aber abstreift. Derlei Einstellungen<br />
verdienen angesichts der Erfahrungen<br />
mit Nationen ohne Recht und Ethik<br />
keine Toleranz.<br />
Erinnerung als Maßstab<br />
<strong>für</strong> die Zukunft<br />
Vom großen jüdischen Religionsphilosophen<br />
Martin Buber stammt das<br />
Wort, dass Erinnerung Voraussetzung<br />
<strong>für</strong> Versöhnung sei. Dieses Wort gilt<br />
<strong>für</strong> alle, und es gilt <strong>für</strong> alle Gesellschaften<br />
nach innen wie nach außen. Die<br />
Erinnerung, die Buber meint, muss<br />
freilich reflektiert und vollständig sein<br />
– und sie ist gerade<br />
dadurch auch schmerzlich.<br />
Für die Opfer<br />
bleibt sie eine erschütternde<br />
Zumutung. Ohne<br />
Großmut wird keines<br />
die Hand reichen können.<br />
Im Kern geht es ja<br />
nicht um Ideologien und<br />
Systeme, sondern um<br />
Menschen, ihre Schicksale<br />
und Verhaltensweisen.<br />
Wir können vor der Erinnerung<br />
nicht fliehen,<br />
weil sie uns <strong>für</strong> die Zukunft<br />
Mahnung und<br />
Maßstab gibt.<br />
Der 8. Mai ist nicht nur<br />
eine deutsche, sondern<br />
wenigstens auf der<br />
Nordhalbkugel dieser<br />
Erde eine Menschheitserfahrung.<br />
Seither wis-<br />
sen wir, dass die Zukunft<br />
nur auf dem Fundament<br />
von Freiheit und<br />
Recht erbaut werden<br />
kann, die den Menschen<br />
respektieren; den Menschen<br />
gleich welcher<br />
Herkunft und welchen Bekenntnisses,<br />
sei es christlich, jüdisch oder anders.<br />
Zu denen, die aus diesem Wissen Konsequenzen<br />
gezogen haben, gehören<br />
nach dem 8. Mai 1945 auch die Deutschen.<br />
Dadurch sind sie in die Gemeinschaft<br />
zivilisierter Nationen zurückgekehrt.<br />
Doch mehr als andere müssen<br />
sie sich aufgrund ihrer besonderen Vergangenheit<br />
potentieller Gefährdungen<br />
bewusst bleiben. Und solange sie sich<br />
erinnern, werden sie aus der Erinne-<br />
rung zutreffende Orientierungen <strong>für</strong><br />
Gegenwart und Zukunft gewinnen. �<br />
23
60 Jahre Kriegsende:<br />
Stalinisierung und Zwangsvereinigung<br />
Zeitzeuge Wolfgang Leonhard berichtet von der Vorgeschichte der DDR<br />
„Der konnte nehmen und stecken!“ Diese äußerst kompakte und<br />
griffige Charakterisierung von Walter Ulbricht lieferte Wolfgang<br />
Leonhard. Er war Mitglied der „Gruppe Ulbricht“, die nach Kriegsende<br />
im Mai 1945 eine Verwaltung im sowjetisch besetzten Teil<br />
Berlins aufbauen sollte. Diese Eigenschaft qualifizierte Ulbricht<br />
hochgradig <strong>für</strong> eine Aufgabe, die sich ihm im Rahmen der sowjetischen<br />
Besatzung 1945 stellte. „Nehmen und stecken“ bezog sich<br />
auf die Fähigkeit, Organisation zu schaffen. Person X aus A nehmen<br />
und nach B stecken. Leonhard betonte, dass Ulbricht rein aus<br />
dem Kopf ein komplettes Ministerium inklusive aller Personen<br />
planen konnte, aber an anderen Dingen wenig interessiert war: keine<br />
Kunst, keine Literatur, keine Musik, keine Frauen und wenig Interesse<br />
an Ideologie.<br />
Wolfgang Leonhard (Jahrgang<br />
1921) lebte seit 1935<br />
im Exil in Moskau, als ihn<br />
im Februar 1945 zusammen mit anderen<br />
deutschen Kommunisten unter<br />
Ulbrichts Leitung der „Marschbefehl“<br />
nach Berlin erreichte. Ulbrichts Konzept<br />
und Aufgabe war es, einen antifaschistisch-demokratischen<br />
Block zu<br />
schaffen. Begriffe wie sozialistisch,<br />
kommunistisch oder marxistisch tauchten<br />
kaum auf. Forciert werden sollten<br />
die Gründungen einer sozialdemokratischen,<br />
einer bürgerlichen, einer freiheitlich-liberalen<br />
und einer kommunistischen<br />
Partei. In der Besetzung der<br />
Verwaltungsposten waren nicht mehrheitlich<br />
Kommunisten vorgesehen.<br />
Parteigründungen<br />
Zündstoff bot die Schaffung einer bürgerlichen<br />
Partei. Wegen der früher<br />
existierenden Strukturen einer katholischen<br />
Zentrumspartei waren die Protestanten<br />
tendenziell im Nachteil. Deshalb<br />
erfolgte die Etablierung einer<br />
überkonfessionellen Partei: der Christlich-Demokratischen<br />
Union (CDU).<br />
Mit der Gründung der Liberaldemokratischen<br />
Partei Deutschlands<br />
(LDPD) am 14. Juli 1945 war der Prozess<br />
der Parteibildung abgeschlossen.<br />
Stalin selbst hatte, so Leonhard, nach<br />
einem Treffen mit Ulbricht in Moskau<br />
den bereits von den Funktionären der<br />
24<br />
KPdSU vorgefertigten Parteiprogrammen<br />
umfangreiche Passagen hinzugefügt;<br />
und dies nicht im Sinne des Kommunismus.<br />
Vielmehr erhielten die<br />
Schriften eine recht liberale Note.<br />
Mittelfristig war geplant, dass die Sozialdemokraten<br />
und die Kommunisten<br />
– wenigstens in der SBZ – in einer<br />
Organisation aufgingen, die danach<br />
eine komfortable Mehrheit haben würde.<br />
Allerdings vollzog sich in den folgenden<br />
Monaten eine Entwicklung, mit<br />
der die Gruppe Ulbricht nicht besonders<br />
glücklich war: die SPD zeichnete<br />
sich ab Oktober 1945 als stärkste Kraft<br />
ab und hegte nur wenig Ambitionen,<br />
sich mit der KPD zu verbinden. Daher<br />
wurden Maßnahmen ergriffen, um den<br />
Fusionswillen etwas zu bestärken. Und<br />
dies nicht, wie weithin angenommen,<br />
nur über den Weg der Gewalt. Denn<br />
allein durch Zwang, so Leonhard, hätte<br />
man das nicht erreichen können.<br />
Eine Zeit des Umwerbens wackeliger<br />
SPD-Kandidaten begann. Kommunistische<br />
Druckereien publizierten plötzlich<br />
Werke klassischer sozialdemokratischer<br />
Denker. Die Parität in einer gemeinsamen<br />
Organisation wurde stark<br />
betont. Aber der SPD-Vorsitzende Otto<br />
Grotewohl als starker und bedeutender<br />
Vertreter der Sozialdemokratie<br />
konnte nicht als Partner gewonnen<br />
werden. Ein Gespräch mit dem sowjetischen<br />
Militärkommandanten Schu-<br />
kow, der gewisse Karrieremöglichkeiten<br />
<strong>für</strong> Grotewohl durchblicken ließ,<br />
räumte auch dieses Hindernis aus dem<br />
Weg.<br />
Bei Umfragen, die die sowjetische<br />
Militäradministration durchführen<br />
ließ, sprach sich jedoch die Mehrzahl<br />
der SPD-Mitglieder <strong>für</strong> ein Bündnis,<br />
nicht aber <strong>für</strong> eine Verschmelzung mit<br />
der KPD aus. Nachdem die Siegermacht<br />
einen Termin <strong>für</strong> Landtagswahlen<br />
auf das Jahr 1946 festlegte, drängte<br />
die Zeit. Stalin wies an, dass eine<br />
Verschmelzung bis zum 1. Mai 1946<br />
vollzogen sein musste.<br />
Zwangsvereinigung<br />
Im April 1946 fand die Zwangsvereinigung<br />
der beiden Parteien zur Sozialistischen<br />
Einheitspartei Deutschlands<br />
(SED) statt. Grotewohl bezeichnete die<br />
SED am Vereinigungsparteitag als die<br />
große Kraft, die da<strong>für</strong> sorgen würde,<br />
dass man auf die russischen Bajonette<br />
nicht mehr angewiesen sein würde. Die<br />
vermeintliche Parteilinie ruhte auf einem<br />
Konzept der Parität und Meinungsfreiheit<br />
ohne russische Dominanz.<br />
Wenig später waren die Sozialdemokraten<br />
aus den Reihen der SED<br />
weitgehend verschwunden. Die Aussenpolitik<br />
orientierte sich strikt an<br />
Moskau, ursprünglich überparteiliche<br />
Organisationen wie die Freie Deutsche<br />
Jugend (FDJ) wurden dem Parteiapparat<br />
untergliedert. Innerhalb der Partei<br />
begann eine „Säuberung von entarteten<br />
Elementen“. Die SED sollte die<br />
Geschicke der DDR bis 1989 bestimmen.<br />
Als Wolfgang Leonhard die fortschreitende<br />
Stalinisierung erkannte, flüchtete<br />
er im März 1949 unter Lebensgefahr<br />
in das blockfreie Jugoslawien und<br />
von dort Ende 1950 in die Bundesrepublik.<br />
Später lehrte er unter anderem<br />
in Oxford und Yale. Der 84-Jährige gilt<br />
als Kapazität der internationalen Kommunismusforschung.<br />
�<br />
Markus Schad/Michael Schröder<br />
<strong>Akademie</strong>-Report 2/2005
zeitungsecho+medienstimmen+pressesplitter<br />
<strong>Akademie</strong>-Arbeit und Veranstaltungen im Spiegel der Medien<br />
Süddeutsche Zeitung (STA) vom 19./20. März 2005:<br />
„Ohne genaueste Kenntnis, wie<br />
man so etwas macht, wäre das nicht<br />
möglich gewesen“, erklärte Historiker<br />
und Kommunismus- Experte<br />
Wolfgang Leonhard rund 80 Zuhörern<br />
am vergangenen Mittwoch<br />
in der <strong>Politische</strong>n <strong>Akademie</strong> <strong>Tutzing</strong>.<br />
Als SED-Funktionär war Leonhard<br />
aus Protest gegen den Stalinismus<br />
im März 1949 über die Tschechoslowakei<br />
nach Jugoslawien geflohen.<br />
„Ich bin der erste Dissident<br />
der DDR“, sagte der 84-Jährige<br />
und schilderte seine „lebensgefährliche“<br />
Flucht, die nur mit Hilfe<br />
von Menschenschmugglern glückte,<br />
über Dresden und Prag nach<br />
Jugoslawien.<br />
Mit neun anderen Funktionären<br />
war der 1935 mit seiner Mutter<br />
nach Moskau emigrierte Leonhard<br />
im Mai 1945 als Mitglied der<br />
„Gruppe Ulbricht“ von Moskau<br />
nach Berlin gekommen und war<br />
dort im Regierungsapparat von<br />
Walter Ulbricht tätig. Von seinem<br />
jugoslawischen Fluchtort Belgrad<br />
aus übersiedelte er Ende 1950<br />
nach Westdeutschland und machte<br />
sich als Ost- und Kommunismus-<br />
<strong>Akademie</strong>-Report 2/2005<br />
Ein Dissident erinnert sich<br />
Vom Regierungsapparat in der DDR zu den Menschenschmugglern:<br />
Wolfgang Leonhard erlebte die Vorgeschichte<br />
der DDR aus nächster Nähe mit.<br />
Foto: Schröder<br />
Experte einen Namen. Aber<br />
auch dort sei er zunächst nicht<br />
in Sicherheit gewesen. „Es gab<br />
konkrete Pläne vom SED-Regime,<br />
mich zu entführen“, be-<br />
richtete er. Erst nach der Veröffentlichung<br />
seines Buches<br />
„Die Revolution entlässt ihre<br />
Kinder“ habe sich die Situation<br />
entspannt.<br />
25
26<br />
<strong>Themen</strong> <strong>Tagungen</strong> <strong>Termine</strong><br />
Für die mit einem * gekennzeichneten <strong>Tagungen</strong> gibt es bereits einen festen Teilnehmerkreis. Zusätzliche Anmeldungen<br />
sind nur in Ausnahmefällen und nach Rücksprache mit dem Tagungsleiter möglich. Wir bitten um Ihr<br />
Verständnis!<br />
Juni<br />
22-1 2. – 3. Juni<br />
Führen Regierungen tatsächlich?<br />
Gouvernementale Steuerungspraxis in vergleichender Perspektive<br />
In Zusammenarbeit mit der Deutschen Vereinigung <strong>für</strong> <strong>Politische</strong> Wissenschaft<br />
Leitung: Manfred Schwarzmeier/Everhard Holtmann/Werner J. Patzelt<br />
Sekretariat: Renate Heinz Tel. 08158/256-50<br />
22-3 3. – 5. Juni<br />
Zwischen Legitimität und Effektivität<br />
Zur Rolle des Parlaments im Bereich außenpolitischen Handelns<br />
In Zusammenarbeit mit der Deutschen Vereinigung <strong>für</strong> Internationales Recht<br />
und der Technischen Universität Chemnitz<br />
Leitung: Heinrich Oberreuter/Gerald Kretschmer/Rudolf Geiger<br />
Sekretariat: Sybille Haug Tel. 08158/256-47<br />
22-4 3. - 5. Juni<br />
Weltweites Konfliktmanagement<br />
Leitung: Saskia Hieber<br />
Sekretariat: Ina Rauš Tel. 08158/256-53<br />
23-1* 6. – 10. Juni<br />
Perspektiven der internationalen Entwicklungspolitik<br />
Lehrerfortbildung mit der <strong>Akademie</strong> Dillingen<br />
Leitung: Saskia Hieber/Claudia Reichmann<br />
Sekretariat: Ina Rauš Tel. 08158/256-53<br />
23-2 6. – 10. Juni<br />
Nachhaken und durchblicken – Recherchetraining <strong>für</strong> Volontäre<br />
In Zusammenarbeit mit dem Institut <strong>für</strong> Journalistenausbildung und<br />
Kommunikationsforschung an der Universität Passau<br />
Leitung: Michael Schröder<br />
Sekretariat: Heike Bäuerle Tel. 08158/256-46<br />
23-3 10. – 12. Juni<br />
Regieren mit weniger Geld<br />
Reformpolitik in Zeiten knapper Kassen<br />
Leitung: Michael Schröder/Manfred Schwarzmeier/Jürgen Weber<br />
Sekretariat: Heike Bäuerle Tel. 08158/256-46<br />
24-1 13. – 15. Juni<br />
Würde bis zum Lebensende?<br />
Altern, Sterben und Sterbehilfe<br />
Leitung: Miriam Wolf<br />
Sekretariat: Renate Heinz Tel. 08158/256-50<br />
<strong>Akademie</strong>-Report 2/2005
<strong>Themen</strong> <strong>Tagungen</strong> <strong>Termine</strong><br />
Für die mit einem * gekennzeichneten <strong>Tagungen</strong> gibt es bereits einen festen Teilnehmerkreis. Zusätzliche Anmeldungen<br />
sind nur in Ausnahmefällen und nach Rücksprache mit dem Tagungsleiter möglich. Wir bitten um Ihr<br />
Verständnis!<br />
<strong>Akademie</strong>-Report 2/2005<br />
Juni<br />
24-3 17. – 19. Juni<br />
50 Jahre Bundeswehr – zwischen Tradition und Transformation<br />
Leitung: Saskia Hieber<br />
Sekretariat: Renate Heinz Tel. 08158/256-50<br />
24-4 19. Juni<br />
8. Passauer Tetralog<br />
Ein Podiumsgespräch zum Thema „Der verletzliche Mensch und die Gewalt –<br />
Europäische Erinnerungskultur als Fundament der Zukunft“<br />
in Zusammenarbeit mit den Festspielen Europäische Wochen Passau<br />
Leitung: Heinrich Oberreuter<br />
Sekretariat: Sybille Haug Tel. 08158/256-47<br />
25-1* 20. – 24. Juni<br />
Deutschland – 15 Jahre nach der Wiedervereinigung<br />
Lehrerfortbildung mit der <strong>Akademie</strong> Dillingen<br />
Leitung: Jürgen Weber/Siegfried Münchenbach<br />
Sekretariat: Ina Rauš Tel. 08158/256-53<br />
25-2* 20. – 24. Juni<br />
Politik in der Mediendemokratie<br />
Lehrerfortbildung mit der <strong>Akademie</strong> Dillingen<br />
Leitung: Michael Schröder/Gottlieb Gaiser<br />
Sekretariat: Renate Heinz Tel. 08158/256-50<br />
25-5 22. Juni<br />
<strong>Akademie</strong>gespräch im Landtag<br />
Leitung: Heinrich Oberreuter<br />
Sekretariat: Karin Sittkus Tel. 08158/256-49<br />
25-3 24. – 26. Juni<br />
Nation Building – Staaten vom Reißbrett?<br />
In Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft der Vereinten Nationen<br />
Leitung: Michael Piazolo<br />
Sekretariat: Ina Rauš Tel. 08158/256-53<br />
26-2* 27. – 29. Juni<br />
Besser lernen, flexibler arbeiten – Frauen und Familien unter Stress<br />
Tagung mit dem Deutschen Hausfrauenbund Bayern<br />
Leitung: Karl-Heinz Willenborg<br />
Sekretariat: Heike Bäuerle Tel. 08158/256-46<br />
27
28<br />
<strong>Themen</strong> <strong>Tagungen</strong> <strong>Termine</strong><br />
Für die mit einem * gekennzeichneten <strong>Tagungen</strong> gibt es bereits einen festen Teilnehmerkreis. Zusätzliche Anmeldungen<br />
sind nur in Ausnahmefällen und nach Rücksprache mit dem Tagungsleiter möglich. Wir bitten um Ihr<br />
Verständnis!<br />
Juli<br />
26-7 30. Juni – 2. Juli<br />
Menschenwürdige Wirtschaftsordnung<br />
In Zusammenarbeit mit dem Institut <strong>für</strong> Wirtschaftsforschung Halle<br />
Leitung: Ulrich Blum/Heinrich Oberreuter<br />
Sekretariat: Sybille Haug Tel. 08158/256-47<br />
27-5* 4. – 8. Juli<br />
Der neue Lehrplan in Sozialkunde an Berufs- und Berufsfachschulen<br />
Lehrerfortbildung mit der <strong>Akademie</strong> Dillingen<br />
Leitung: Siegfried Münchenbach/Karl-Heinz Willenborg<br />
Sekretariat: Renate Heinz Tel. 08158/256-50<br />
27-4 8. – 9. Juli<br />
Großmacht China<br />
Leitung: Saskia Hieber<br />
Sekretariat: Ina Rauš Tel. 08158/256-53<br />
28-1* 11. – 13. Juli<br />
Probleme des Geschichtsunterrichts an Realschulen<br />
Lehrerfortbildung mit der <strong>Akademie</strong> Dillingen<br />
Leitung: Hannelore Lachner/Karl-Heinz Willenborg<br />
Sekretariat: Renate Heinz Tel. 08158/256-50<br />
28-2* 11. – 13. Juli<br />
EU-Erweiterung – ein Jahr danach<br />
Bilanz und Perspektiven<br />
In Zusammenarbeit mit dem Deutschen Evangelischen Frauenbund,<br />
dem Deutschen Frauenring und dem Katholischen Deutschen Frauenbund/Landesverbände Bayern<br />
Leitung: Jürgen Weber<br />
Sekretariat: Renate Heinz Tel. 08158/256-50<br />
28-3 15. – 17. Juli<br />
Mehr Gerechtigkeit durch Politik! Aber wie?<br />
Leitung: Heinrich Oberreuter/Saskia Hieber/Michael Schröder/<br />
Karl-Heinz Willenborg/Miriam Wolf<br />
Sekretariat: Ina Rauš Tel. 08158/256-53<br />
29-1* 20. Juli<br />
Europa und die internationale Sicherheit<br />
Tagung in Zusammenarbeit mit Studienseminaren <strong>für</strong> berufliche Schulen<br />
Leitung: Karl-Heinz Willenborg<br />
Sekretariat: Heike Bäuerle Tel. 08158/256-46<br />
<strong>Akademie</strong>-Report 2/2005
<strong>Themen</strong> <strong>Tagungen</strong> <strong>Termine</strong><br />
Für die mit einem * gekennzeichneten <strong>Tagungen</strong> gibt es bereits einen festen Teilnehmerkreis. Zusätzliche Anmeldungen<br />
sind nur in Ausnahmefällen und nach Rücksprache mit dem Tagungsleiter möglich. Wir bitten um Ihr<br />
Verständnis!<br />
<strong>Akademie</strong>-Report 2/2005<br />
August<br />
31-1* 1. – 4. August<br />
Fragen zur Zeitgeschichte – Probleme der Gegenwart<br />
Ferienseminar 1 <strong>für</strong> Geschichts- und Sozialkundelehrer/innen<br />
Leitung: Jürgen Weber<br />
Sekretariat: Ina Rauš Tel. 08158/256-53<br />
31-2 4. – 7. August<br />
Internationale Politik: USA – Asien – Russland<br />
Ferienseminar 2<br />
Leitung: Saskia Hieber<br />
Sekretariat: Ina Rauš Tel. 08158/256-53<br />
35-2 29. August – 2. September<br />
One step ahead – The European Constitution needs European Identity<br />
Ferienakademie in Zusammenarbeit mit den Jungen Europäern Bayern<br />
Leitung: Michael Piazolo<br />
Sekretariat: Renate Heinz Tel. 08158/256-50<br />
September<br />
35-3 2. – 4. September<br />
Sommerakademie ASIEN: Politik und Wirtschaft<br />
In Zusammenarbeit mit der Bundeszentrale <strong>für</strong> politische <strong>Bildung</strong><br />
Leitung: Saskia Hieber<br />
Sekretariat: Heike Bäuerle Tel. 08158/256-46<br />
36-3 5. – 8. September<br />
Aktuelle Probleme der nationalen und internationalen Politik<br />
Ferienseminar 3<br />
Leitung: Michael Piazolo<br />
Sekretariat: Ina Rauš Tel. 08158/256-53<br />
36-2 9. – 11. September<br />
Alles erlaubt? Über den Verlust moralischer Grenzen und Verbindlichkeiten<br />
Leitung: Miriam Wolf<br />
Sekretariat: Heike Bäuerle Tel. 08158/256-46<br />
29
30<br />
<strong>Themen</strong> <strong>Tagungen</strong> <strong>Termine</strong><br />
Für die mit einem * gekennzeichneten <strong>Tagungen</strong> gibt es bereits einen festen Teilnehmerkreis. Zusätzliche Anmeldungen<br />
sind nur in Ausnahmefällen und nach Rücksprache mit dem Tagungsleiter möglich. Wir bitten um Ihr<br />
Verständnis!<br />
September<br />
37-1 12. – 16. September<br />
Mit spitzer Feder<br />
Kommentar- und Glossenwerkstatt mit Peter Linden<br />
In Zusammenarbeit mit dem Institut <strong>für</strong> Journalistenausbildung und<br />
Kommunikationsforschung an der Universität Passau<br />
Leitung: Michael Schröder<br />
Sekretariat: Heike Bäuerle Tel. 08158/256-46<br />
37-4 16. – 18. September<br />
Dialog der Generationen<br />
Leitung: Heinrich Oberreuter<br />
Sekretariat: Sybille Haug Tel. 08158/256-47<br />
38-1* 19. – 23. September<br />
Vielfalt als Ressource – Chancen durch Zuwanderung<br />
Lehrerfortbildung mit der <strong>Akademie</strong> Dillingen<br />
Leitung: Siglinde Schweizer/Karl-Heinz Willenborg<br />
Sekretariat: Renate Heinz Tel. 08158/256-50<br />
38-2* 19. – 23. September<br />
Bilder lügen doch! Manipulation im Film<br />
Lehrerfortbildung mit der <strong>Akademie</strong> Dillingen<br />
Leitung: Michael Schröder/Jutta Gruber<br />
Sekretariat: Ina Rauš Tel. 08158/256-53<br />
39-4* 28. – 30. September<br />
Islamistischer Terrorismus – Ursachen, Akteure, Bekämpfungsstrategien<br />
In Zusammenarbeit mit der Deutschen Polizeigewerkschaft,<br />
Landesverband Bayern e.V.<br />
Leitung. Jürgen Weber<br />
Sekretariat: Heike Bäuerle Tel. 08158/256-46<br />
E-Mail-Adressen der Sekretariate:<br />
Sybille Haug Chefsekretariat@apb-tutzing.de<br />
Heike Bäuerle H.Baeuerle@apb-tutzing.de<br />
Renate Heinz R.Heinz@apb-tutzing.de<br />
Ina Rauš I.Raus@apb-tutzing.de<br />
Karin Sittkus K.Sittkus@apb-tutzing.de<br />
<strong>Akademie</strong>-Report 2/2005
<strong>Akademie</strong>-Report 2/2005<br />
Förderkreis der <strong>Akademie</strong> <strong>für</strong> <strong>Politische</strong> <strong>Bildung</strong> e.V.<br />
EINLADUNG ZUR MITGLIEDSCHAFT<br />
1988 haben einige der <strong>Akademie</strong> nahestehende Persönlichkeiten den Förderkreis der <strong>Akademie</strong> <strong>für</strong> <strong>Politische</strong><br />
<strong>Bildung</strong> gegründet mit dem Ziel, die <strong>Bildung</strong>sarbeit der <strong>Akademie</strong> bei jenen Projekten finanziell zu unterstützen,<br />
die nicht durch staatliche Haushaltsmittel realisiert werden können. 1. Vorsitzender des Vereins ist seit Juli 1995<br />
Oberstleutnant a. D. Gernot Abendt aus <strong>Tutzing</strong>. Der Anfang wurde 1989 mit der Ausschreibung eines<br />
Schülerwettbewerbs zum Thema “40 Jahre Bundesrepublik Deutschland” gemacht; es folgte finanzielle<br />
Hilfestellung bei der Gewinnung bedeutender Referenten <strong>für</strong> zahlreiche wichtige <strong>Tagungen</strong>, bei Publikationsprojekten<br />
und der Ausstattung der <strong>Akademie</strong> durch projektbezogene Spenden. Nicht zuletzt wurde der<br />
<strong>Akademie</strong>bus durch den Förderkreis finanziert.<br />
Wir möchten Sie herzlich zur Mitgliedschaft im Förderkreis einladen, um so den Kontakt zu vertiefen, der<br />
durch den Bezug des Reports oder Teilnahme an <strong>Tagungen</strong> bereits besteht. Der Förderkreis ist als gemeinnütziger<br />
Verein anerkannt und somit berechtigt, Spendenquittungen auszustellen. Der Mitgliedsbeitrag beträgt Euro<br />
30,– im Jahr; die Vereinssatzung wird Ihnen auf Anforderung gerne zugesandt. Über neue Mitglieder würden<br />
wir uns sehr freuen.<br />
Geschäftsstelle: 82327 <strong>Tutzing</strong>, Buchensee 1, Tel. 08158/256-0 / Fax: 08158/256-51<br />
Bankverbindung: Kreissparkasse München Starnberg, BLZ 702 501 50<br />
Konto-Nr. 430 592 477<br />
An den<br />
Förderkreis der<br />
<strong>Akademie</strong> <strong>für</strong> <strong>Politische</strong> <strong>Bildung</strong> e. V.<br />
82323 <strong>Tutzing</strong><br />
BEITRITTSERKLÄRUNG<br />
Hiermit erkläre ich meine Mitgliedschaft im Förderkreis der <strong>Akademie</strong> <strong>für</strong> <strong>Politische</strong> <strong>Bildung</strong>.<br />
� Den Mitgliedsbeitrag überweise ich.<br />
� Ich bitte um Übersendung einer Einzugsermächtigung.<br />
Name, Vorname: ....................................................................................................................<br />
Titel, Beruf: ............................................................................................................................<br />
Anschrift, Telefon: .................................................................................................................<br />
Datum, Unterschrift: ..............................................................................................................<br />
31
32<br />
<strong>Akademie</strong> <strong>für</strong> <strong>Politische</strong> <strong>Bildung</strong><br />
Postfach 1162, 82323 <strong>Tutzing</strong><br />
Pressesendung DPAG<br />
„Entgelt bezahlt“, B 42656<br />
Namen und Nachrichten<br />
aus der <strong>Akademie</strong><br />
D I R E K T O R<br />
Prof. Dr. Heinrich Oberreuter referierte zu Fragen des<br />
Abgeordnetenrechts und der Abgeordnetenbezüge bei der<br />
Deutschen Vereinigung <strong>für</strong> Parlamentsfragen im Berliner<br />
Reichstag sowie als Sachverständiger bei einem Hearing<br />
des Sächsischen Landtages in Dresden. Bei der Konferenz<br />
der deutschen Parlamentspräsidenten im Münchner<br />
Maximilianeum diskutierte er über Parlamentsreformen.<br />
In Budapest sprach er bei einer internationalen Konferenz<br />
der Konrad-Adenauer-Stiftung über „Erinnerung als Fundament<br />
der Zukunft: Erfahrungen, Werte und Strukturen<br />
<strong>für</strong> eine europäische politische Kultur.“ Über Wandel und<br />
Reformfähigkeit des politischen Systems in Deutschland<br />
trug er im Kloster Seeon vor, über Politik in den Medien<br />
(„Zwischen Show und Information“) in München. Zur<br />
„<strong>Bildung</strong>spolitik in der Wissensgesellschaft“ sprach er in<br />
Regensburg.<br />
K U R A T O R I U M<br />
Prof. Dr. Walter Eykmann, MdL wurde zum Komtur des<br />
Päpstlichen Silvesterordens ernannt. Die Ehrung hatte noch<br />
Papst Johannes Paul II. veranlasst. Bei der Ernennung<br />
würdigte Kardinal Friedrich Wetter Eykmanns Verdienste<br />
um die Förderung von Ehe und Familie.<br />
Prof. Dr. Gerhard Waschler, MdL ist zum Vorsitzenden<br />
des Landtagsausschusses <strong>für</strong> <strong>Bildung</strong>, Jugend und Sport<br />
gewählt worden.<br />
K O L L E G I U M<br />
Saskia Hieber hielt auf Einladung der NATO- Schule in<br />
Oberammergau Vorträge zum Thema „Security Trends in<br />
East Asia“ und auf Einladung der Bayerischen Landeszentrale<br />
<strong>für</strong> politische <strong>Bildung</strong>sarbeit einen Vortrag mit dem<br />
Titel „Die Großmacht China am Beginn des 21. Jahrhunderts“.<br />
Im Rahmen ihres Lehrauftrags an der Universität<br />
München hielt sie im Wintersemester eine Übung zum Thema<br />
„Machtzentren und Sicherheitsordnungen in Ostasien“<br />
und bietet im Sommersemester eine Übung unter dem Titel<br />
„Chinesische Außen- und Sicherheitspolitik“ an.<br />
Dr. Michael Piazolo leitete eine Fortbildungsreise zu den<br />
europäischen Institutionen in Straßburg. Das Seminar umfasste<br />
u.a. Besuche beim Europäischen Parlament, dem<br />
Europarat und dem Europäischen Bürgerbeauftragten.<br />
Auf Einladung des Centre International de Formation<br />
Européenne sprach er in Nizza über die Zukunft der EU<br />
vor dem Hintergrund der aktuellen Verfassungsdebatte.<br />
Im Sommersemster wird er an der Universität Augsburg<br />
ein Hauptseminar zum Thema „Persönlichkeiten der Europäischen<br />
Integration“ leiten.<br />
Dr. Manfred Schwarzmeier hielt in Herrsching einen Vortrag<br />
zum Thema „Freistaat Bayern – Land zwischen Laptop<br />
und Lederhose“.<br />
Ich interessiere mich <strong>für</strong> folgende Seminare und bitte um Zusendung der ausführlichen Tagungsprogramme:<br />
(aus organisatorischen Gründen bitte maximal fünf Seminarnummern angeben)<br />
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Etwa 4 - 6 Wochen vor Seminarbeginn erhalten Sie von uns die Unterlagen <strong>für</strong> Ihre verbindliche Anmeldung.<br />
Name......................................................................................... Vorname......................................................<br />
Straße..................................................................................................................................................................<br />
PLZ...........................Ort......................................................................................................................................<br />
Tel................................................ Fax.................................... E-Mail..........................................................<br />
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Mit dieser Rückmeldung erkläre ich mein Einverständnis zur Verwendung meiner persönlichen Daten im Rahmen der tagungsbezogenen<br />
Datenverarbeitung der <strong>Akademie</strong> <strong>für</strong> <strong>Politische</strong> <strong>Bildung</strong> <strong>Tutzing</strong><br />
<strong>Akademie</strong>-Report 2/2005