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Themen Tagungen Termine - Akademie für Politische Bildung Tutzing

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AKADEMIE<br />

-REPORT<br />

AKADEMIE FÜR POLITISCHE BILDUNG TUTZING<br />

2 / 2005<br />

B u c h e n s e e 1 8 2 3 2 3 T u t z i n g T e l e f o n 0 8 1 5 8 / 2 5 6 - 0 F a x 0 8 1 5 8 / 2 5 6 - 1 4 + 5 1<br />

I n t e r n e t : h t t p : / / w w w . a p b - t u t z i n g . d e E - m a i l : C h e f s e k r e t a r i a t @ a p b - t u t z i n g . d e<br />

15 Jahre Deutsche Einheit:<br />

Gefühlte Vorzüge im<br />

Abwärtstrend<br />

Joachim Gauck erinnerte an die oft<br />

an den Rand der Entwicklung gedrängten<br />

und vergessenen Bürgerrechtler<br />

in der früheren DDR.<br />

Fotos: Schröder/Delhaes<br />

Vor 16 Jahren kamen die versteinerten<br />

Verhältnisse in der DDR in Bewegung,<br />

Wenige Monate nach der Öffnung<br />

der Mauer konnten die Menschen<br />

im Osten Deutschlands erstmals seit Jahrzehnten<br />

in freien Wahlen ihre Abgeordneten<br />

<strong>für</strong> die Volkskammer bestimmen;<br />

mit der Einführung der D-Mark Anfang<br />

Juli 1990 war das Ende der sozialistischen<br />

Planwirtschaft unumkehrbar. Am<br />

3. Oktober 1990 war Deutschland wiedervereinigt.<br />

Nicht nur ökonomische Probleme standen<br />

im Mittelpunkt der Tagung, die den<br />

vielfältigen Fragen im Zusammenhang<br />

mit dem längst noch nicht abgeschlossenen<br />

Prozess der inneren Einheit nachspürte.<br />

Seite 3-5<br />

60 Jahre Kriegsende:<br />

Stalinisierung und<br />

Zwangsvereinigung<br />

Ein Beitrag der ganz besonderen Qualität<br />

zu den vielen Zeitzeugenberichten<br />

rund um das Ende des Zweiten<br />

Weltkrieges vor 60 Jahren lieferte<br />

Wolfgang Leonhard. Er kam im April<br />

1945 als Mitglied der berühmten<br />

„Gruppe Ulbricht“ in das von der sowjetischen<br />

Armee besetzte Berlin.<br />

Die Gruppe deutscher Kommunisten<br />

Zeitgeschichte aus erster Hand –<br />

packend und anschaulich erzählt von<br />

Wolfgang Leonhard.<br />

aus dem Moskauer Exil hatte die Aufgabe,<br />

im Sinne der Sowjetregierung<br />

unter Stalin eine scheinbar demokratische<br />

Verwaltung und ein Parteiensystem<br />

zu etablieren. Als Leonhard die<br />

fortschreitende Stalinisierung erkannte,<br />

flüchtete er im März 1949 unter<br />

Lebensgefahr in das blockfreie Jugoslawien<br />

und von dort Ende 1950 in die<br />

Bundesrepublik. Später lehrte er unter<br />

anderem in Oxford und Yale. Der<br />

84-Jährige gilt als Kapazität der internationalenKommunismusforschung.<br />

Seite 24<br />

Die neue EU der 25:<br />

Mit Problemen beladen<br />

Haben sich die Erwartungen bzw. Be<strong>für</strong>chtungen<br />

bezüglich der Osterweiterung<br />

der EU bestätigt? Diese und<br />

daran anknüpfende Fragen standen im<br />

Zentrum einer international ausgerichteten<br />

Fachtagung, die die <strong>Akademie</strong><br />

gemeinsam mit einer ganzen Reihe<br />

von Kooperationspartnern durchführen<br />

konnte. Schnell wurde deutlich,<br />

dass die letzte Erweiterungsrunde<br />

nicht allein aufgrund ihrer Dimension<br />

(10 Länder mit ca.75 Millionen<br />

Einwohnern), sondern auch wegen der<br />

großen Einkommensdifferenzen mit<br />

vielen Problemen beladen ist.<br />

Seite 6-10<br />

Der bayerische Finanzminister Kurt<br />

Faltlhauser sprach über die Unternehmensbesteuerung<br />

als wesentliches<br />

Element des sich verschärfenden<br />

Standortwettbewerbs in Europa.


Inhaltsverzeichnis<br />

2<br />

Seite<br />

15 Jahre Deutsche Einheit:<br />

Gefühlte Vorzüge im Abwärtstrend 3<br />

Das neue Europa ist mit vielen<br />

Problemen beladen 6<br />

Steuerdumping in der erweiterten EU 9<br />

Migration und Schule:<br />

Ein Blick über die Grenzen 11<br />

Entwicklungsland mit Atomprogramm 13<br />

US-Außen- und Sicherheitspolitik:<br />

Globale Rolle unter dem Primat<br />

des Unilateralismus 15<br />

Vom Überleben in einer Nischengesellschaft 17<br />

<strong>Akademie</strong>gespräch im Landtag:<br />

Flucht und Vertreibung –<br />

Erinnerung und Gegenwart 19<br />

„Erlöst und vernichtet in einem“ 21<br />

60 Jahre Kriegsende:<br />

Stalinisierung und Zwangsvereinigng 24<br />

Zeitungsecho – Medienstimmen – Pressesplitter 25<br />

<strong>Themen</strong> – <strong>Tagungen</strong> – <strong>Termine</strong> 26<br />

Förderkreis 31<br />

Namen und Nachrichten / Anmeldeformular 32<br />

Direktor der <strong>Akademie</strong>:<br />

Prof. Dr. Dr. h.c. Heinrich Oberreuter<br />

Vorsitzender des Kuratoriums:<br />

Prof. Dr. Dr. h.c. (mult.) Hans Maier<br />

Vorsitzender des Beirats:<br />

Siegfried Kett<br />

Kollegium:<br />

Saskia Hieber, M.A.<br />

Internationale Politik<br />

PD Dr. Michael Piazolo, Dozent<br />

Europapolitik, Staats- und Verfassungsrecht,<br />

Rechtspolitik<br />

Dr. Michael Schröder, Dozent<br />

Medien, Kommunikationspolitik,<br />

Öffentlichkeitsarbeit<br />

Dr. Manfred Schwarzmeier<br />

Pers. Referent des Direktors<br />

Parlamentarismus- und Parteienforschung<br />

Dr. Jürgen Weber, Dozent<br />

Politikwissenschaft, Zeitgeschichte<br />

Karl-Heinz Willenborg<br />

Gesellschaft und Umwelt,<br />

Sozialpolitik und -arbeit<br />

Miriam Wolf, M.A.<br />

Ethik und Politik<br />

<strong>Akademie</strong>-Report<br />

Herausgeber:<br />

<strong>Akademie</strong> <strong>für</strong> <strong>Politische</strong> <strong>Bildung</strong><br />

Buchensee 1 82327 <strong>Tutzing</strong><br />

Tel. 08158/256-0 Fax 08158/256-14<br />

Internet: http://www.apb-tutzing.de<br />

E-Mail: K.Sittkus@apb-tutzing.de<br />

Redaktion:<br />

Prof. Dr. Dr. hc. Heinrich Oberreuter<br />

(verantw.)<br />

Dr. Michael Schröder<br />

(Redaktion und Gestaltung)<br />

Mitarbeit / Layout: Karin Sittkus<br />

Druck:<br />

Dinauer Medienbetrieb GmbH<br />

Lindberghstraße 4 82178 Puchheim<br />

Logo: KR-Team Karin Rappenglück, Pöcking<br />

Der <strong>Akademie</strong>-Report wird kostenlos abgegeben<br />

<strong>Akademie</strong>-Report 2/2005


15 Jahre Deutsche Einheit:<br />

Gefühlte Vorzüge im Abwärtstrend<br />

Fachtagung spürt den Illusionen, Realitäten und Erfolgen nach<br />

Vor 15 Jahren geschah, womit nur die Wenigsten gerechnet hatten:<br />

die versteinerten Verhältnisse in der DDR kamen in Bewegung, und<br />

unter dem Druck ihrer Bürger auf den Straßen sowie der Bürgerrechtsbewegungen<br />

in Mittel- und Osteuropa musste sich die kommunistische<br />

Staatsmacht in Ost-Berlin geschlagen geben. Wenige<br />

Monate nach der Öffnung der Mauer konnten die Menschen im Osten<br />

Deutschland erstmals seit Jahrzehnten in freien Wahlen ihre<br />

Abgeordneten <strong>für</strong> die Volkskammer bestimmen; mit der Einführung<br />

der D-Mark Anfang Juli 1990 war das Ende der sozialistischen Planwirtschaft<br />

unumkehrbar, und am 3. Oktober hatten die Deutschen<br />

erreicht, was sie in ihrer überwältigenden Mehrheit wollten: Das<br />

SED Regime war beseitigt, die DDR bereits Geschichte und Deutschland<br />

wiedervereinigt.<br />

In der anfänglichen Euphorie über<br />

die unerwartete Einheit Deutschlands<br />

unterschätzten Bürger und<br />

Politiker die Schwierigkeiten, die es in<br />

wirtschaftlicher, sozialer und mentaler<br />

Hinsicht zu bewältigen galt. Vor allem<br />

täuschte man sich im Zeithorizont des<br />

angestrebten Aufbauprozesses Ost, der<br />

seit Mitte der 1990er Jahre ins Stocken<br />

kam. Aus heutiger Sicht kann man Fehler<br />

und Versäumnisse benennen, die<br />

damals geschahen, doch wer vom Rathaus<br />

kommt, ist immer klüger. Die errungene<br />

Freiheit ist inzwischen eine<br />

Selbstverständlichkeit geworden, die<br />

Massenarbeitslosigkeit in den neuen<br />

Ländern jedoch eine tägliche Provokation.<br />

Aber ist es wirklich so, wie in<br />

den Medien immer häufiger zu hören<br />

und zu lesen ist – statt Landschaften<br />

blühe die DDR-Nostalgie, schrumpfende<br />

Städte bestimmten das Bild statt<br />

einer Aufbruchstimmung, ein gefährlicher<br />

Substanzverlust der Republik sei<br />

durch die gewaltigen Transferleistungen<br />

zu be<strong>für</strong>chten?<br />

Stagnation der<br />

Integration<br />

Thomas Gensicke präsentierte eine<br />

Reihe von aktuellen empirischen Erhebungen<br />

zur Wiedervereinigung. Die<br />

Integration hat sich danach auf verschiedenen<br />

Ebenen in ganz unter-<br />

<strong>Akademie</strong>-Report 2/2005<br />

schiedlicher Qualität entwickelt. Während<br />

das Zusammenwachsen der Bevölkerung<br />

in Ost und West bei der<br />

Bewältigung alltäglicher Probleme<br />

schon wesentlich weiter fortgeschrit-<br />

Joachim Gauck kritisierte die verfälschende<br />

Rückbesinnung auf eine DDR,<br />

die es nie gab.<br />

ten ist als weithin angenommen,<br />

scheint die staatsbürgerliche und mentale<br />

Integration eher zu stagnieren.<br />

Hier mischen sich (n)ostalgische Tendenzen<br />

mit ökonomischer Frustration,<br />

so Gensicke. Im Befragungszeitraum<br />

von 1990 bis 2004 hat sich bei den<br />

Ostdeutschen die Einschätzung der<br />

DDR als ein angeblich sozial hoch<br />

entwickeltes Land massiv verstärkt,<br />

während die „gefühlten Vorzüge“ im<br />

heutigen Deutschland im Abwärtstrend<br />

sind. Für Ost wie West gilt außerdem:<br />

Die Stereotypen von einst sind auch<br />

nach 15 Jahren keineswegs aus den<br />

Köpfen verschwunden – der Ossi sei<br />

unzufrieden, misstrauisch und faul;<br />

der Wessi arrogant, aufs Geld aus und<br />

oberflächlich. Trotz der bislang erreichten<br />

Fortschritte kann man keineswegs<br />

von einer Identifikation der<br />

Ostdeutschen mit der Bundesrepublik<br />

Deutschland sprechen. Die Ostdeutschen<br />

fühlen sich einer Allensbach-<br />

Studie aus dem Jahre 2004 zufolge den<br />

Westdeutschen in etwa so nahe wie<br />

die Deutschen insgesamt den Österreichern.<br />

Joachim Gauck knüpfte an diese<br />

Erkenntnisse an und steuerte<br />

seine Erklärungen <strong>für</strong> die bei<br />

weitem noch nicht abgeschlossene<br />

Integration von Ost und<br />

West bei. So bemängelte er das<br />

Fehlen einer kritischen Auseinandersetzung<br />

mit dem Wesen<br />

der DDR als einer Diktatur. Die<br />

Folge sei eine Verklärung und<br />

eine nachholende Identifizierung<br />

mit der DDR. „Kein DDR-<br />

Bürger hätte sich den Schwachsinn<br />

der Nostalgieshows zu<br />

DDR-Zeiten angetan!“ Diese<br />

verfälschende Rückbesinnung<br />

auf eine DDR, die es nie gab,<br />

erklärte er damit, dass sich die<br />

ostdeutsche Bevölkerung in einem<br />

Entwicklungsstadium des<br />

Übergangs befinde.<br />

Verklärung<br />

Mit Blick auf den Systemwechsel von<br />

1945 im Westen sieht Gauck Parallelen,<br />

die zum Verständnis dieser Entwicklung<br />

hilfreich sind. Attribute, die<br />

in verklärender Weise früher dem Dritten<br />

Reich zugedacht waren, fänden<br />

sich in ähnlicher Form bei der Verklä-<br />

�<br />

3


ung der DDR wieder: die öffentliche<br />

Sicherheit, die Vollbeschäftigung und<br />

anstatt der Autobahnen seien es heute<br />

die Kindergärten: „Es war ja auch nicht<br />

alles schlecht“. Die Menschen, so<br />

Gauck, suchen sich in einer Zeit des<br />

Umbruchs an überkommenen Gewissheiten<br />

zu orientieren, auch wenn diese<br />

objektiv falsch sind. Das war nach dem<br />

2. Weltkrieg ähnlich wie nach 1990.<br />

Allerdings konnte sich die Neuorientierung<br />

der Westdeutschen nach der<br />

Nazi-Diktatur auf einen massiven ökonomischen<br />

Aufschwung stützen, während<br />

in den neuen Ländern heute von<br />

wirtschaftlicher Aufbruchstimmung<br />

nur wenig zu spüren sei. „Das Land<br />

erlebte in den 1950er Jahren etwas, das<br />

später unter dem Begriff Wirtschaftswunder<br />

bekannt wurde, d.h. in jener<br />

gebrochenen Nachkriegsgesellschaft<br />

mit all ihren Problemen des Übergangs<br />

gab es <strong>für</strong> jedermann und jede Frau<br />

eine Erfolgsgeschichte!“ Diese fehle in<br />

den neuen Bundesländern häufig. Zusätzlich<br />

gab Gauck zu bedenken, dass<br />

das DDR-Regime seine Bürger 40 Jahre<br />

beherrschte; zählt man die 12 Jahre<br />

Nationalsozialismus und die sowjetische<br />

Besatzungszeit von 1945 bis 1949<br />

hinzu, dann haben die Ostdeutschen<br />

insgesamt 56 Jahre Diktatur erlebt.<br />

Ihre schleppende Integration in das<br />

wiedervereinigte Deutschland sei –<br />

so Gauck – kein genuin<br />

ostdeutsches Problem.<br />

Die Anpassung an ein<br />

freiheitliches, auf persönlicher<br />

Verantwortung<br />

basierendes System<br />

brauche seine Zeit.<br />

Alte Eliten als<br />

Gewinner<br />

Als weiteres Integrationshemmnisidentifizierte<br />

der Bundestagsabgeordnete<br />

und ehemalige<br />

Bürgerrechtler und sächsische<br />

Staatsminister Arnold<br />

Vaatz in seinem<br />

Vortrag die Kontinuität<br />

der Führungseliten in<br />

Ostdeutschland. „Die eigentlichen<br />

Gewinner dieser<br />

Revolution sind die<br />

Führungseliten der DDR<br />

gewesen“, konstatierte<br />

4<br />

Vaatz. Die ehemaligen SED-Kader haben<br />

ihre Netzwerke und Führungserfahrung<br />

in das vereinte Deutschland<br />

mitgenommen. Auf diese Weise sind<br />

zahlreiche Personen in verantwortungsvolle<br />

Positionen gelangt, die dem<br />

westlichen demokratischen System<br />

nicht unbedingt wohl gesonnen sind.<br />

Arnold Vaatz: Kontinuität der Führungseliten<br />

in Ostdeutschland<br />

hemmt die Integration.<br />

Fotos: sch/APB-Archiv-schr<br />

Schließlich habe der Zusammenbruch<br />

der DDR ihre eigenen Biographien und<br />

Ziele nicht unmaßgeblich entwertet.<br />

Das Thema Diktatur und Unterdrü-<br />

ckung werde in diesen Kreisen tabuisiert,<br />

was sich denkbar negativ auf die<br />

Aufarbeitung und damit letztlich auf<br />

den Prozess des Zusammenwachsens<br />

beider Teile Deutschlands auswirke.<br />

Vaatz kritisierte vehement, dass viele<br />

ehemalige Genossen die Wiedervereinigung<br />

auf geistiger Ebene torpedierten.<br />

Beispielsweise habe „keine einzige<br />

der ehemaligen SED-Zeitungen<br />

einen inneren Wandel durchgemacht“.<br />

Von früheren Kadern geführt, verbreiteten<br />

sie Phrasen, die die notwendige<br />

Integration „in den Köpfen der Menschen<br />

zerstört“.<br />

Keine Siegerjustiz<br />

Nach außen hin allerdings lassen ehemalige<br />

hohe SED-Funktionäre die Vergangenheit<br />

bereitwillig hinter sich.<br />

Eindrucksvoll schilderte Oberstaatsanwalt<br />

Bernhard Jahntz, wie im Verlauf<br />

der Politbüro- und Mauerschützenprozesse<br />

die Einsichtsfähigkeit der Angeklagten,<br />

insbesondere im gehobenen<br />

Führungsbereich, gegen Null tendierte:<br />

„Wir wussten von nichts, wir waren<br />

im Recht, wir sind Opfer der Siegerjustiz.“<br />

Die verantwortlichen Politbüromitglieder<br />

seien noch regierungsfähig<br />

gewesen, aber um ihre Prozessfähigkeit<br />

stand es häufig nicht so gut,<br />

merkte Jahntz ironisch an.<br />

Zeichnung: Mester<br />

�<br />

<strong>Akademie</strong>-Report 2/2005


Von Siegerjustiz, so Jahntz, könne<br />

nicht die Rede sein. Stets wurde sowohl<br />

das Recht der DDR als auch das<br />

der BRD zur Urteilsfindung herangezogen.<br />

Die mildere Variante entschied;<br />

und die Todesschüsse an der innerdeutschen<br />

Grenze waren auch durch DDR-<br />

Recht nicht gedeckt. Nach den Schilderungen<br />

des Berliner Oberstaatsanwalts<br />

waren die Bedingungen <strong>für</strong> die<br />

Angeklagten sehr gut. Die Strafen fielen,<br />

gemessen an der Schwere der Taten,<br />

recht milde aus, und die Strafvollzugbedingungen<br />

waren von zahlreichen<br />

Hafterleichterungen geprägt.<br />

Fatales Signal<br />

Der Historiker und Theologe Ehrhart<br />

Neubert von der Birthler-Behörde in<br />

Berlin kritisierte die Haltung der bundesdeutschen<br />

Öffentlichkeit gegenüber<br />

den Tätern und den Opfern des SED<br />

Regimes. Den Opfern gegenüber sei<br />

man gleichgültig. Häufig werde ihnen<br />

Schwäche, Feigheit und Untüchtigkeit<br />

unterstellt. Die Täter kämen dagegen<br />

eher gut weg, weil sie sich selbstbewusst<br />

gäben. Viele von ihnen seien voll<br />

angepasste Mitläufer der Diktatur gewesen,<br />

die auch heute keine Probleme<br />

mit den neuen Verhältnissen haben.<br />

Neubert gab zu bedenken, dass die<br />

Mitläufer und Kleinfunktionäre der<br />

Diktatur sich zumindest ökonomisch<br />

besser integriert hätten als diejenigen,<br />

die vor der Wende ein freiheitliches<br />

System herbeigesehnt und da<strong>für</strong> auch<br />

ein hohes persönliches Risiko auf sich<br />

genommen hatten. Wenn die Politik die<br />

Forderung nach angemessener Wiedergutmachung<br />

<strong>für</strong> die Opfer der Diktatur<br />

unbeachtet lasse, sei dies ein fatales<br />

Signal <strong>für</strong> die Zukunft – nämlich:<br />

Mitläufertum wird belohnt, Streben<br />

nach Gerechtigkeit und Freiheit nicht<br />

gewürdigt. Eine demokratische Gesellschaft<br />

könne sich das nicht leisten.<br />

Kein „Mezzogiorno“<br />

Der Ökonom Ulrich Heilemann von<br />

der Universität Leipzig widmete sich<br />

wirtschaftlichen Fragen der Wiedervereinigung.<br />

Am Beispiel des ökonomischen<br />

Nord-Süd Gefälles in Italien,<br />

dem so genannten „Mezzogiorno“,<br />

<strong>Akademie</strong>-Report 2/2005<br />

bewertete er die Entwicklung der neuen<br />

Bundesländer in Ostdeutschland. In<br />

Italien besteht seit etwa 150 Jahren<br />

eine wirtschaftliche Schieflage. Trotz<br />

immenser Geldmittel, die seither von<br />

Nord nach Süd gelenkt wurden, konn-<br />

te die schwache Region im Süden Italiens<br />

bislang keinen nennenswerten<br />

Aufschwung verzeichnen. Doch trotz<br />

zahlreicher Parallelen könne Ostdeutschland<br />

nicht mit dem Mezzogiorno<br />

verglichen werden. Dazu seien<br />

die Rahmenbedingungen in Italien und<br />

in Deutschland zu unterschiedlich.<br />

Doch Heilemann fügte hinzu, dass es<br />

selbst unter Wirtschaftsexperten derzeit<br />

keine Übereinstimmung über ein<br />

tragfähiges Konzept zur Lösung der<br />

ökonomischen Schwierigkeiten in<br />

Ostdeutschland gebe.<br />

Über die Wege der deutschen Außenpolitik<br />

seit der Wiedervereinigung referierte<br />

der Politikwissenschaftler<br />

Gunther Hellmann (Universität Frank-<br />

furt/M.) Unter Bundeskanzler Kohl<br />

habe das größer gewordene Deutschland<br />

erfolgreich die anfänglichen Bedenken<br />

mancher europäischer Nachbarn<br />

gegenüber der Vereinigung zerstreuen<br />

können. Das vereinte Deutsch-<br />

„Deutschland ist eine<br />

absteigende Macht mit<br />

wachsenden Ambitionen.“<br />

Gunther Hellmann<br />

Ulrich Heilemann: „Unter Wirtschaftsexperten<br />

gibt es keine<br />

Übereinstimmung über ein tragfähiges<br />

Konzept zur Lösung der<br />

ökonomischen Schwierigkeiten in<br />

Ostdeutschland.“<br />

land entwickelte sich nicht zu einem<br />

möglicherweise destabilisierenden<br />

Akteur in Europa, sondern verstand<br />

sich wie die „alte Bundesrepublik“ als<br />

integrierender Bestandteil der Europäischen<br />

Union und des atlantischen<br />

Bündnisses. Die „Einheit in Frieden<br />

und Freiheit“ sei als großer Erfolg der<br />

deutschen Außenpolitik zu werten,<br />

deren wichtigste Prinzipien die Berechenbarkeit<br />

und die Kontinuität gewesen<br />

seien.<br />

Wesentlich kritischer beurteilte Hellmann<br />

die Außenpolitik der gegenwärtigen<br />

Bundesregierung unter Bundeskanzler<br />

Schröder. Hier stellte er einen<br />

deutlichen Abwärtstrend fest, was die<br />

eingesetzten Haushaltsmittel angeht,<br />

und ein wachsendes Selbstbewusstsein<br />

im eigenen Rollenverständnis. Während<br />

sich die Ausgaben des Bundeshaushaltes<br />

<strong>für</strong> Angelegenheiten des<br />

Äußeren zu Gunsten der Innenpolitik<br />

verringert haben, so Hellmanns Fazit,<br />

verstärke die Bundesrepublik ihre Aktivitäten<br />

und Forderungen auf der internationalen<br />

Bühne. Deutschland sei<br />

„eine absteigende Macht mit wachsenden<br />

Ambitionen“, konstatierte Hellmann.<br />

Ein weltweites militärisches Engagement<br />

oder die Forderung nach einem<br />

permanenten Sitz im UN- Sicherheitsrat<br />

stünden weder in der Tradition der<br />

Bonner Republik, noch deckten sie<br />

sich mit den sinkenden Aufwendungen<br />

<strong>für</strong> Angelegenheiten der internationalen<br />

Politik. �<br />

Markus Schad<br />

5


In seiner Einführung unterstrich Franz-<br />

Lothar Altmann (Südosteuropa-Gesellschaft),<br />

dass die letzte Erweiterungsrunde<br />

nicht allein aufgrund ihrer Dimension<br />

(10 Länder mit ca. 75 Millionen<br />

Einwohnern), sondern auch wegen<br />

der großen Einkommensdifferenzen<br />

problembeladen ist. Die EU ist nur<br />

unzureichend auf die Osterweiterung<br />

vorbereitet. Im Falle eines Scheiterns<br />

der EU-Verfassung droht den EU-Institutionen<br />

und Entscheidungsmechanismen<br />

durch die wachsende Zahl von<br />

Ländern eine Paralysierung. Im Fokus<br />

der öffentlichen Diskussion stehen<br />

aber die Ängste vor einer finanziellen<br />

Überforderung und die Folgen <strong>für</strong> den<br />

Arbeitsmarkt. Den Wachstums- und<br />

Wohlfahrtseffekten der Osterweiterung<br />

müssen nämlich die finanziellen Belastungen<br />

gegenüber gestellt werden.<br />

Hier zeigen zumindest die einschlägigen<br />

Berechnungen, dass die europäischen<br />

Kernländer in einer Kosten-Nutzen-Betrachtung<br />

durchaus profitieren.<br />

Die beachtlichen Wachstumsraten im<br />

Handel und die deutlichen Exportüberschüsse<br />

sind da<strong>für</strong> ein Indiz. Hinzu<br />

kommt, dass sich bis 2006 die finanziellen<br />

Belastungen der Erweiterung in<br />

Grenzen halten. Weitaus problematischer<br />

sind die Haushaltsverhandlun-<br />

6<br />

Das neue Europa ist mit vielen Problemen beladen<br />

Internationaler Erfahrungsaustausch ein Jahr nach der Erweiterung<br />

Haben sich die Erwartungen bzw. Be<strong>für</strong>chtungen bezüglich<br />

der Osterweiterung der EU bestätigt? Wie wird die EU-25<br />

in den neuen Mitgliedsländern wahrgenommen? Entstehen<br />

neue Formen der Zusammenarbeit? Diese und daran anknüpfende<br />

Fragen standen im Zentrum einer international ausgerichteten Fachtagung,<br />

die die <strong>Akademie</strong> gemeinsam mit einer ganzen Reihe von<br />

Kooperationspartnern durchführen konnte. Tagungsleiter Peter<br />

Hampe wies einleitend auf die in diesem <strong>Themen</strong>feld schon traditionelle<br />

Zusammenarbeit mit der Evangelischen <strong>Akademie</strong> <strong>Tutzing</strong> und<br />

der Südosteuropa-Gesellschaft hin, die bei diesem Tagungsprojekt<br />

noch um die Vertretung der EU-Kommission in München, die Vereinigung<br />

Europäischer Journalisten und die Deutsche Welle erweitert<br />

werden konnte. Dies ermöglichte eine beachtliche Bandbreite<br />

der <strong>Themen</strong>, <strong>für</strong> die Referenten aus dem In- und Ausland gewonnen<br />

werden konnten. *<br />

gen der neuen Finanzperiode 2007-<br />

2013. Die allgemein kritische Lage<br />

ihrer Staatshaushalte zwingt die Nettozahlerländer<br />

(vor allem Deutschland)<br />

zu einem restriktiven Vorgehen. Es ist<br />

kaum zu erwarten, dass sie von ihrer<br />

Verhandlungsposition (Begrenzung<br />

der EU-Zahlungen auf 1 Prozent des<br />

Bruttonationaleinkommens; dagegen<br />

Vorschlag der EU-Kommission: 1,14<br />

*Dieser Bericht ist die gekürzte Fassung des Aufsatzes von Dr. Wolfgang<br />

Quaisser, der demnächst in den „Südosteuropa Mitteilungen“ Heft 3/2005 erscheint.<br />

Wir bedanken uns <strong>für</strong> die freundliche Druckgenehmigung der Südosteuropa-Gesellschaft.<br />

Prozent) abweichen werden, zumal die<br />

meisten von ihnen mit den Vorgaben<br />

des Stabilitätspaktes zu kämpfen haben.<br />

Andererseits wollen die alten<br />

Empfängerländer (Spanien, Portugal,<br />

Griechenland) ihre EU-Subventionen<br />

nicht an die neuen Mitgliedsländer<br />

(NML) abgeben, wogegen letztere<br />

möglichst rasch gleichbehandelt werden<br />

wollen. Hinzu kommt der „Britenrabatt“<br />

als ständiger Konfliktpunkt.<br />

Angesichts dieser komplizierten und<br />

konfliktträchtigen Lage ist fraglich, ob<br />

die Probleme in der jetzigen Präsidentschaft<br />

Luxemburgs (bis Juni 2005)<br />

gelöst werden können.<br />

Bilanz nach einem Jahr EU-Erweiterung: von links Otmar Lahodynsky<br />

(Profil/Wien), Bernd Johann (Deutsche Welle), Johanna Deimel und Franz-<br />

Lothar Altmann (Südosteuropa-Gesellschaft), dazwischen Martin Held<br />

(Evangelische <strong>Akademie</strong>), Juraj Alner (Vereinigung Europäische Journalisten)<br />

und Peter Hampe (<strong>Akademie</strong> <strong>für</strong> <strong>Politische</strong> <strong>Bildung</strong>).<br />

Wirkungen auf den<br />

Arbeitsmarkt<br />

Weitere sensible Bereiche, die insbesondere<br />

in der letzten Zeit die Öffentlichkeit<br />

beschäftigen, sind die Auswirkungen<br />

der Osterweiterung auf den<br />

Arbeitsmarkt. Die Tagung hat diese<br />

Fragen in drei Panels (ausländische<br />

Direktinvestitionen, Migration, Standortwettbewerb)<br />

behandelt. Zunächst<br />

stellte Dalia Marin von der Universität<br />

München ihre Forschungsergebnisse<br />

über die Produktionsverlagerung<br />

�<br />

<strong>Akademie</strong>-Report 2/2005


deutscher und österreichischer Unternehmen<br />

vor. Sie konzentrierte sich<br />

dabei auf das sog. Offshoring, d.h. die<br />

Verlagerung von Teilen der Produktion<br />

in ausländische Tochterfirmen des<br />

Hauptunternehmens. Basierend auf einer<br />

bemerkenswert umfangreichen Unternehmensbefragung<br />

(ca. 80 Prozent<br />

der deutschen und 100 Prozent der österreichischen<br />

Direktinvestitionen)<br />

Dalia Marin: von 1990 bis 2001 von<br />

Deutschland rund 90 000 Arbeitsplätze<br />

nach Osteuropa verlagert<br />

kommt sie zu dem überraschenden<br />

Ergebnis, dass von 1990 bis 2001 von<br />

Deutschland nur ca. 90 000 Arbeitsplätze<br />

(Österreich nur 22 000) nach<br />

Osteuropa verlagert wurden. Diese<br />

Zahl ist allerdings unter Berücksichtigung<br />

anderer Forschungsergebnisse als<br />

die untere Marge anzusehen. Volker<br />

Vincentz vom Osteuropa-Institut München<br />

errechnete z.B. <strong>für</strong> Deutschland<br />

eine Obergrenze von ca. 400 000 aus<br />

Kostengründen in Osteuropa geschaffenen<br />

Arbeitsplätzen. In jedem Fall<br />

reichen die Produktionsverlagerungen<br />

deutscher Unternehmen ins Ausland<br />

nicht dazu aus, um die hohe Arbeitslosigkeit<br />

in Deutschland angemessen zu<br />

erklären.<br />

Lohndruck nimmt zu<br />

In seinem Koreferat zeigte Marec Steffens,<br />

der viele Jahre in führender Position<br />

in ausländischen Tochterfirmen<br />

des Siemenskonzerns tätig war, dass<br />

nicht alleine die Lohnkosten, sondern<br />

die Qualität von Personal und erzeugten<br />

Gütern sowie andere Standortfak-<br />

<strong>Akademie</strong>-Report 2/2005<br />

toren (expandierender Markt, Verkehrsinfrastruktur)<br />

über Verlagerungen<br />

entscheiden. So belegt beispielsweise<br />

Kanada Platz 8 einer internationalen<br />

Bewertung der Offshoring-Standorte.<br />

Stimmen diese Rahmenbedingungen<br />

nicht, werden Verlagerungen trotz hoher<br />

Kosten wieder rückgängig gemacht.<br />

Erfolgsbeispiele des Konzerns<br />

in den MOE-Ländern waren das Buchhaltungszentrum<br />

in Prag, die Siemens<br />

VDO Autoradiofertigung in Tschechien<br />

und das Forschungs- und Entwicklungszentrum<br />

(Bereich Communication)<br />

in Breslau (Polen). Vielfach sichert<br />

Offshoring auch in Deutschland hoch<br />

qualifizierte Arbeitsplätze, dabei<br />

nimmt allerdings der Lohndruck auf<br />

die inländischen Beschäftigten zu.<br />

Wesentliches Element des sich verschärfenden<br />

Standortwettbewerbs und<br />

von höchster Aktualität in der öffentlichen<br />

Diskussion ist die Frage der Unternehmensbesteuerung.<br />

Der bayerische<br />

Finanzminister Kurt Faltlhauser<br />

führte in diese komplizierte Problematik<br />

ein, wobei schon recht bald deutlich<br />

wurde, dass zwei Seelen in seiner<br />

Brust wohnen. Als Finanzpolitiker<br />

muss er auf ausreichende Einnahmen<br />

<strong>für</strong> den Staatshaushalt achten und bestimmte<br />

Mindeststeuersätze (oder<br />

zumindest Regeln) einfordern. Als<br />

Ökonomieprofessor kommt bei ihm<br />

indes mehrfach Sympathie <strong>für</strong> den<br />

„institutionellen Wettbewerb“ (einschließlich<br />

Steuer) vorsichtig zum<br />

Ausdruck, die sich insbesondere in<br />

seiner Bewunderung <strong>für</strong> das irische<br />

Modell niederschlug (siehe Auszüge<br />

aus seiner Rede ab Seite 9).<br />

Arbeitsmigration nach<br />

Deutschland<br />

Wie stark der Migrationsdruck auf den<br />

deutschen Arbeitsmarkt bei völliger<br />

Freizügigkeit zunehmen wird, darüber<br />

wurde in der Vergangenheit heftig gestritten.<br />

Albert Stichter-Werner vom<br />

Institut <strong>für</strong> Arbeitsmarkt und Berufsforschung<br />

in Nürnberg fasste die Forschungsergebnisse<br />

zusammen, wobei<br />

er die Berechnungen des Deutschen<br />

Instituts <strong>für</strong> Wirtschaftsforschung <strong>für</strong><br />

die überzeugendsten hielt (jährlich<br />

über 20 Jahre 180 000 bis 220 000<br />

Migranten nach Deutschland). Eine<br />

tatsächliche empirische Überprüfung<br />

der Schätzergebnisse ist aufgrund der<br />

Zuwanderungsrestriktionen noch<br />

nicht möglich. So oder so wird jedenfalls<br />

der Druck auf die Löhne und/oder<br />

Beschäftigungslage in den nächsten<br />

Jahren bestehen bleiben und zusammen<br />

mit anderen Faktoren (Stichwort:<br />

Demographie) weitere Reformen des<br />

Arbeitsmarktes sowie der Sozialsysteme<br />

einfordern. In ihrem Koreferat wies<br />

Stanislawa Golinowska aus Warschau<br />

darauf hin, dass die Arbeitsmarktlage<br />

auch in einigen NML sehr angespannt<br />

ist. Besonders Polen hat trotz Wirtschaftswachstum<br />

mit einer hohen Arbeitslosigkeit<br />

zu kämpfen (ca. 14 Prozent).<br />

Hier<strong>für</strong> sind sowohl der rasche<br />

Strukturwandel, die mit dem Beschäftigungsabbau<br />

verbundenen Produktivitätssteigerungen<br />

und die strukturellen<br />

Probleme des Arbeitsmarktes<br />

(nicht-adäquate Qualifikationsprofile,<br />

hohe Lohnnebenkosten) verantwortlich.<br />

Sicherheit gegen<br />

Humanität<br />

Dass der Migrationsdruck selbst an<br />

den EU-Außengrenzen nur schwer zu<br />

kontrollieren ist, machte in seinem<br />

Vortrag Robert Schwarz von der Deutschen<br />

Welle deutlich. Dies wird bestätigt<br />

durch die aktuellen Ereignisse<br />

(Stichwort Visa-Praxis). Schwarz konstatierte<br />

schwer abzuwägende Konflikte<br />

zwischen Humanität und EU-Sicherheit,<br />

die allerdings seiner Ansicht nach<br />

stärker zugunsten der Humanität entschieden<br />

werden sollten. Hinzu kommt<br />

die Problematik, dass mit den neuen<br />

EU-Außengrenzen traditionelle Verbindungen<br />

(beispielsweise Westukraine<br />

und Ostpolen) behindert werden.<br />

Seine Einschätzungen sind auch von<br />

persönlichen Erlebnissen in Rumänien<br />

geprägt, die ihn auch zu der Schlussfolgerung<br />

veranlassten, dass die kriminellen<br />

Kreise ohnehin die EU-Grenze<br />

mühelos überwinden würden. Dagegen<br />

seien die Opfer eines restriktiven<br />

Grenzregimes meist die einfachen Leute,<br />

denen eine persönliche Erfahrung<br />

in Westeuropa nur zu wünschen sei.<br />

Zumindest in Teilen der Zuhörerschaft<br />

konnte Schwarz die Skepsis gegenüber<br />

seinen Vorstellungen eines liberalen<br />

Grenzregimes allerdings nicht abbauen.<br />

�<br />

7


Wie unterschiedlich sich die EU-Erweiterung<br />

auf die einzelnen Regionen<br />

sowie die Grenzgebiete auswirkt, wurde<br />

am Beispiel Polens und Ungarns<br />

diskutiert. Große Hoffnungen werden<br />

dabei auf die EU-Regional- und Strukturfonds<br />

gesetzt, über die der größte<br />

Finanztransfer in die neuen Mitgliedsländer<br />

(zwischen 3 und 4 Prozent des<br />

Bruttoinlandprodukts der NML) abgewickelt<br />

wird. Dabei erweist sich vor<br />

allem der Verwaltungs- und Institutionenaufbau<br />

<strong>für</strong> die Herstellung einer<br />

entsprechenden Absorptionsfähigkeit<br />

der EU-Fonds als entscheidend. Hier<br />

sind die einzelnen Länder unterschiedlich<br />

weit vorangekommen.<br />

In einem weiteren Panel wurden die<br />

Möglichkeiten grenzüberschreitender<br />

Zusammenarbeit anhand der seit 1990<br />

bestehenden Städtepartnerschaft zwischen<br />

Furth im Wald und Domaslice<br />

(Tschechien) vorgestellt. Bürgermeister<br />

Reinhold Macho berichtete von<br />

vielfältigen Kooperationsformen (Feuerwehr,<br />

gemeinsame Musikveranstaltungen<br />

etc.), die jedoch durch nicht<br />

einfach zu behebende Schwachstellen<br />

wie die Sprachbarrieren behindert werden.<br />

Die politische Dimension der Erweiterungen<br />

war Thema verschiedener<br />

Diskussionsrunden mit Journalisten<br />

aus den neuen und alten Mitgliedsländern,<br />

wobei es dabei insbesondere um<br />

die Rolle der Medien und das europäische<br />

Bewusstsein ging. Eine allumfassende<br />

Antwort ist nicht möglich, denn<br />

diese Probleme stellen sich in den einzelnen<br />

Ländern, aber auch im Zeitablauf<br />

sehr unterschiedlich dar. Deutlich<br />

wurde jedoch, dass auch in den neuen<br />

8<br />

Mitgliedsländern teilweise ähnliche<br />

Ängste vor Arbeitsplatzverlust und<br />

Überfremdung herrschen wie in den<br />

alten Mitgliedsländern und dass sich<br />

Reinhold Bocklet: „Die Frage der<br />

Finalität der EU ist nur politisch zu<br />

beantworten.“<br />

Fotos: Delhaes/Archiv<br />

die Bürger vor allem über ihre Region<br />

bzw. Nation definieren. Die Medien<br />

berichten umfassend über Europa,<br />

doch dringt die Thematik – und dies<br />

ist auch eine Parallele zu den alten Mitgliedsländern<br />

– nur langsam ins öffentliche<br />

Bewusstsein. Die ohnehin „trockenen“<br />

EU-<strong>Themen</strong> werden vielfach<br />

auch noch langweilig präsentiert. Ein<br />

echtes öffentliches Interesse ist nur bei<br />

aktuellen „Aufhängern“ möglich.<br />

Alte und neue Mitgliedsländer vereint<br />

die eher indifferente, teilweise uninteressierte<br />

Haltung zur EU-Verfassung,<br />

die nur in einigen Ländern zu kontroversen<br />

Diskussionen geführt hat.<br />

Allerdings ist eine Trendwende der<br />

öffentlichen Meinung dann festzustellen,<br />

wenn mit Europa greifbare Vorteile<br />

verbunden sind. Bestes Beispiel<br />

„Presseclub“ mit Journalisten aus fünf Ländern: von links Gerd Brunner<br />

(Passauer Neue Presse), Zuzana Kleknerová (Hospodárské Noviny Prag),<br />

Bartosz Dudek (Deutsche Welle/Polnische Redaktion, Bonn), Martin Held<br />

(Tagungsleiter Evangelische <strong>Akademie</strong> <strong>Tutzing</strong>), Boris Bergant (Slowenischer<br />

Rundfunk/RTV Ljubljana), Lajos Pietsch (Ungarische Nachrichtenagentur/MIT<br />

Budapest).<br />

ist die polnische Bauernschaft, die<br />

teilweise angeführt von populistischnationalistischen<br />

Parteien zu den<br />

stärksten Gegnern des EU-Beitritts<br />

Polens gehörte. Angesichts der anlaufenden<br />

EU-Zahlungen hat sich das<br />

Meinungsbild indes auf dem Lande<br />

gedreht. In Polen ist deshalb die Zustimmung<br />

zur EU gestiegen und man<br />

erwartet dort – ähnlich wie in Slowenien<br />

und Ungarn – ein Ja zur Verfassung.<br />

Neue Strukturen <strong>für</strong><br />

neue Aufgaben<br />

Die „europäische Vereinigung von<br />

oben“ befindet sich mit den Abstimmungen<br />

zur EU-Verfassung in einer<br />

schwierigen Phase. In diesem Zusammenhang<br />

skizzierte Bayerns ehemaliger<br />

Minister <strong>für</strong> Europa- und Bundesangelegenheiten<br />

Reinhold Bocklet die<br />

Geschichte des europäischen Einigungsprozesses.<br />

Er stellte dabei auch<br />

die Frage, ob die Verfassungsdiskussion<br />

das europäische Bewusstsein gestärkt<br />

habe. Das Ergebnis fällt eher<br />

nüchtern aus, da die Bürger zwar wichtige<br />

Errungenschaften der europäischen<br />

Einigung als gegebene Selbstverständlichkeiten<br />

hinnähmen, doch<br />

bestimmten die bestehenden Defizite<br />

und Probleme weitaus stärker das europäische<br />

Bewusstsein. Bocklets zentrale<br />

These ist dabei, dass die Methode<br />

des durch die Wirtschaftsintegration<br />

angestoßenen europäischen Einigungsprozesses<br />

(Motto: der Weg ist<br />

das Ziel) langsam an sein Ende gelangt<br />

sei. Die Frage der Finalität der EU sei<br />

nur politisch zu beantworten und hiervor<br />

scheuten wichtige Mitgliedsstaaten<br />

zurück. Diese Unbestimmtheiten<br />

führten auch dazu, dass die Union sich<br />

in immer neue Erweiterungen stürze,<br />

ohne ausreichend die Konsequenzen<br />

zu diskutieren. Trotz beachtlicher Defizite<br />

sei der Verfassungsvertrag jedoch<br />

als ein wichtiger Zwischenschritt<br />

zu beurteilen. Sollte er in einem der<br />

Mitgliedsstaaten scheitern, dann werde<br />

die Union zwar nicht zerbrechen.<br />

Dennoch sei eine tiefe Krise nicht auszuschließen.<br />

Europa benötige jedenfalls<br />

neue Strukturen, um die anstehenden<br />

Aufgaben bewältigen zu können.<br />

�<br />

Wolfgang Quaisser<br />

(Osteuropa-Institut, München)<br />

<strong>Akademie</strong>-Report 2/2005


Steuerdumping in der erweiterten EU?<br />

Die direkte Besteuerung zwischen Harmonisierung und Steuerwettbewerb<br />

Die drastische Senkung der Unternehmenssteuersätze<br />

durch<br />

viele der neuen EU-Mitgliedsstaaten<br />

im Vorfeld ihres Beitritts am<br />

1. Mai 2004 hat im vergangenen Jahr<br />

eine lebhafte Steuerdumping-Diskussion<br />

in Gang gesetzt. Nach Berechnungen<br />

des Mannheimer Zentrums <strong>für</strong><br />

Europäische Wirtschaftsforschung<br />

(ZEW) lag die effektive Steuerbelastung<br />

von Kapitalgesellschaften in<br />

Deutschland im vergangenen Jahr bei<br />

rund 36 Prozent. Demgegenüber belief<br />

sie sich im Durchschnitt aller zehn<br />

Beitrittsstaaten auf weniger als 20 Prozent.<br />

Jüngste Berechnungen kommen<br />

zu dem Ergebnis, dass deutsche Unternehmen<br />

fast dreimal so hohe Steuern<br />

wie litauische Unternehmen und<br />

doppelt so hohe Steuern wie polnische<br />

oder ungarische Unternehmen zahlen.<br />

Derartige Steuerbelastungsunterschiede<br />

innerhalb der EU erhöhen den<br />

Druck zur Senkung der Unternehmenssteuersätze.<br />

Momentan ist ein Ende des internationalen<br />

Steuersenkungswettlaufs nicht<br />

absehbar. Vor allem das geltende Einstimmigkeitsprinzip<br />

im Steuerbereich<br />

auf europäischer Ebene ist ein Garant<br />

da<strong>für</strong>, dass bei der Unternehmensbesteuerung<br />

auch weiterhin ein lebhafter<br />

Wettbewerb herrscht. Die Steuersätze<br />

haben Signalwirkung im internationalen<br />

Standortwettbewerb. Hohe nominale<br />

Steuersätze sind grundsätzlich<br />

auch ein Beleg <strong>für</strong> eine hohe effektive<br />

Steuerbelastung.<br />

Die zentrale Frage ist: Kann ein solcher<br />

ungezügelter Steuerwettbewerb<br />

auf Dauer wirklich zum Zusammenwachsen<br />

Europas und zur Schaffung<br />

einer tragfähigen finanziellen Grundlage<br />

in der EU beitragen? Sicherlich<br />

ist Steuerwettbewerb unter den EU-<br />

Mitgliedsstaaten zunächst einmal positiv<br />

zu bewerten. Er entfaltet steuer-<br />

*gekürzte Fassung<br />

<strong>Akademie</strong>-Report 2/2005<br />

von Staatsminister Prof. Dr. Kurt Faltlhauser*<br />

senkende Wirkung und verstärkt den<br />

Druck zu notwendigen Strukturreformen.<br />

Steuerwettbewerb innerhalb der<br />

EU kann damit zur Steigerung der<br />

Wettbewerbsfähigkeit des gesamten<br />

europäischen Wirtschaftsraums beitragen.<br />

Trotz dieser zweifellos positiven Wirkungen<br />

kann ein grenzenloser Steuerwettbewerb<br />

auch erhebliche negative<br />

Folgen auslösen. Staaten können nicht<br />

mit privatwirtschaftlichen Unterneh-<br />

Finanzminister Kurt Faltlhauser:<br />

„Einen Steuerwettbewerb auf Kosten<br />

solider Staatsfinanzen kann<br />

sich Europa nicht leisten.“<br />

men gleichgesetzt werden. Sie haben<br />

eine Vielzahl von sozialen Aufgaben<br />

zu erfüllen, die nicht durch Outsourcing<br />

oder Budgetkürzungen bewältigt<br />

werden können und die eine<br />

dauerhafte und sichere Finanzierung<br />

erfordern. Der Steuerwettbewerb zwischen<br />

den Staaten braucht ein Minimum<br />

an Rahmenvorgaben, ansonsten<br />

kann er zu Steuerdumping führen.<br />

Wettbewerb unter fairen<br />

Bedingungen<br />

Das Thema schädlicher Steuerwettbewerb<br />

steht nicht erst seit dem EU-Beitritt<br />

von zehn neuen Staaten am 1.Mai<br />

2004 auf der Tagesordnung. Die Dis-<br />

kussion wird schon seit den 1980er<br />

Jahren mit unterschiedlicher Intensität<br />

geführt.<br />

Am 1. Dezember 1997 hat der Rat der<br />

Europäischen Union einen Verhaltenskodex<br />

<strong>für</strong> die Unternehmensbesteuerung<br />

beschlossen, der Teil eines Maßnahmenpakets<br />

zur Bekämpfung des<br />

unfairen Steuerwettbewerbs in der EU<br />

war. Danach verpflichten sich die Mitgliedsstaaten,<br />

keine neuen schädlichen<br />

steuerlichen Maßnahmen zu treffen<br />

und geltende schädliche Vorschriften<br />

und Praktiken aufzuheben. Es standen<br />

dabei aber nicht die allgemeinen Unternehmenssteuersätze<br />

auf dem Prüfstand,<br />

sondern privilegierende Einzelvorschriften<br />

und Praktiken. Der Verhaltenskodex<br />

ist weiterhin aktuell.<br />

Grundvoraussetzung <strong>für</strong> eine positive<br />

Wirkung des Steuerwettbewerbs ist es,<br />

dass er unter fairen Bedingungen stattfindet.<br />

Derzeit gibt es aber einige Faktoren,<br />

die den Steuerwettbewerb verzerren.<br />

Steuerwettbewerbsverzerrende<br />

Wirkung kann zum einen die EU-Regionalförderung<br />

<strong>für</strong> die Beitrittsstaaten<br />

entfalten, die mit dem Beitritt<br />

sprunghaft angestiegen ist. Hohe EU-<br />

Fördermittel entlasten die nationalen<br />

Haushalte insbesondere der neuen Mitgliedsstaaten<br />

und vergrößern damit den<br />

Spielraum <strong>für</strong> steuersenkende Maßnahmen.<br />

Für die nächste Finanzperiode<br />

der EU sind sogar 336 Mrd. Euro<br />

<strong>für</strong> die Infrastruktur- und Investitionsförderung<br />

geplant, von denen die Hälfte<br />

in die Beitrittsländer gehen soll.<br />

Deutschland finanziert als mit Abstand<br />

größter Nettozahler die EU-Investitionsförderung<br />

zugunsten der Beitrittsstaaten<br />

mit. Dieser Effekt kann zu erheblichen<br />

Verwerfungen führen, vor<br />

allem in Grenzregionen zwischen Beitrittsstaaten<br />

und alten EU-Mitgliedsstaaten.<br />

Hier ist das Steuergefälle<br />

ohnehin erheblich. Letztlich droht,<br />

dass mit deutschen Steuergeldern die<br />

�<br />

9


Verlagerung deutscher Arbeitsplätze in<br />

die Beitrittsstaaten mitfinanziert wird.<br />

Zwar sind auch die neuen EU-Mitgliedsstaaten<br />

verpflichtet, mittelfristig<br />

einen nahezu ausgeglichenen Haushalt<br />

zu erzielen und übermäßige Defizite<br />

zu vermeiden. Die Pflicht zur Vermeidung<br />

übermäßiger Defizite ist aber <strong>für</strong><br />

die Staaten, <strong>für</strong> die der Euro nicht als<br />

Währung gilt, nicht sanktionsbewehrt.<br />

Die Mehrzahl der neuen Mitgliedsstaaten<br />

weist – zum Teil deutlich – übermäßige<br />

Haushaltsdefizite auf. Das<br />

durchschnittliche Budgetdefizit dieser<br />

Staaten erreichte 2003 5,6 Prozent des<br />

Bruttoinlandsprodukts. Einen Steuerwettbewerb<br />

auf Kosten solider Staatsfinanzen<br />

kann sich Europa nicht leisten.<br />

Eine Steuerpolitik, die zur Erosion<br />

der Steuerbasis im betreffenden<br />

Staat oder sogar in anderen Mitgliedsstaaten<br />

führt und auf Kosten wachsender<br />

Staatsverschuldung und Haushaltsdefizite<br />

geht, ist mit dem Auftrag der<br />

Mitgliedsstaaten unvereinbar, die Ko-<br />

10<br />

ordinierung der Wirtschafts- und Haushaltspolitik<br />

als eine Angelegenheit von<br />

gemeinsamen Interesse zu betrachten.<br />

Lösungsansätze<br />

Mögliche Ansatzpunkte zur Sicherstellung<br />

eines fairen Steuerwettbewerbs<br />

könnten sein:<br />

• Reform des Verhaltenskodex <strong>für</strong> die<br />

Unternehmensbesteuerung.<br />

• Stärkere Harmonisierung auch im<br />

Bereich der direkten Steuern.<br />

• Es gibt bereits erste sinnvolle Ansätze<br />

wie die Bestrebungen, eine einheitliche<br />

Körperschaftssteuergrundlage zu<br />

schaffen.<br />

• Reform der EU-Strukturpolitik.<br />

• Eine Strukturpolitik, die dazu beiträgt,<br />

dass EU-Subventionen die Senkung<br />

der Steuersätze erleichtern, und<br />

die damit den Steuerwettbewerb an-<br />

.<br />

heizt, ist reformbedürftig. Nötig wäre<br />

daher eine Erhöhung der Beteiligungsquote<br />

der Mitgliedsstaaten an EU-Fördermaßnahmen.<br />

• Verbesserung der Haushaltsdisziplin<br />

• Im Sinne eines fairen Steuerwettbewerbs<br />

ist darauf zu dringen, dass auch<br />

die Beitrittsstaaten übermäßige Defizite<br />

vermeiden.<br />

Fazit<br />

Die aktuellen Rahmenbedingungen<br />

bergen die Gefahr eines unfairen Steuerwettbewerbs<br />

in sich. Deutschland<br />

kann sicherlich nicht im Wettbewerb<br />

um die niedrigsten Unternehmenssteuersätze<br />

mitmachen. Es bleibt abzuwarten,<br />

ob die Mitgliedsstaaten eine gemeinsame<br />

Linie im Kampf gegen Steuerdumping<br />

finden werden. �<br />

Zeichnung: Mester<br />

<strong>Akademie</strong>-Report 2/2005


Migration und Schule:<br />

Ein Blick über die Grenzen<br />

Außerschulische Förderung von Migranten<br />

in Frankreich und den Niederlanden<br />

„Migration und Schulerfolg – Konsequenzen aus der Pisa-Studie“,<br />

zu diesem Thema versammelten sich bayerische Lehrerinnen und<br />

Lehrer in <strong>Tutzing</strong>. Gerade <strong>für</strong> Migrantenkinder offenbaren die deutschen<br />

Schulen ja im internationalen Vergleich besonders deutliche<br />

Defizite. Wie hier Abhilfe zu schaffen ist, war Gegenstand lebhafter<br />

Diskussionen. Um den Prozess der Integration von Migranten zu<br />

verstehen und die Chancen abzuschätzen, ihn politisch erfolgreich<br />

zu beeinflussen, muss aber der Blick auf Schulen und Kinder erweitert<br />

werden durch den Blick auf Gesellschaft und Familien. Diese<br />

Perspektive brachte Ines Michalowski von der Universität Osnabrück<br />

ein. Ihren Beitrag über die Integrationsprogramme <strong>für</strong> Neuzuwanderer<br />

in Frankreich, Holland und Deutschland präsentieren<br />

wir hier in einer Zusammenfassung.<br />

Lange Zeit gab es in Deutschland<br />

und auch in den europäischen<br />

Nachbarländern Frankreich und<br />

den Niederlanden <strong>für</strong> Zuwanderer keinerlei<br />

verpflichtende Integrationsmaßnahmen,<br />

wie sie mit der allgemeinen<br />

Schulpflicht <strong>für</strong> Kinder und Jugendliche<br />

in allen drei Ländern seit langer<br />

Zeit besteht. Damit blieb es nicht<br />

schulpflichtigen Zuwanderern selbst<br />

überlassen, „ihre Integration in die<br />

Hände zu nehmen“ und sich um einen<br />

Arbeitsplatz oder die Teilnahme an<br />

einem Sprachkurs zu bemühen. Seit<br />

Ende der 1990er Jahre sind jedoch<br />

mehrere europäische Länder zu der<br />

Ansicht gekommen, dass die bisherige<br />

„ungesteuerte Integration“ zu Integrationsproblemen<br />

gerade unter früheren<br />

Einwanderergenerationen geführt<br />

habe. Obwohl solch eine Wahrnehmung<br />

einer Integrationskrise nicht<br />

immer auf Fakten beruht und die Integration<br />

von Ausländern beispielsweise<br />

in Deutschland in den letzten 30 bis<br />

40 Jahren deutliche Fortschritte gemacht<br />

hat, hat diese Diskussion über<br />

ein vermeintliches Scheitern der Integration<br />

– die gerade auch in Frankreich<br />

und den Niederlanden entbrannte - zu<br />

einem Umdenken geführt.<br />

Die ersten Monate und Jahre nach der<br />

Einreise, die Periode des „Sich-Einlebens“,<br />

wurde in allen Ländern als ent-<br />

<strong>Akademie</strong>-Report 2/2005<br />

scheidender Moment <strong>für</strong> den weiteren<br />

Integrationsverlauf ausgemacht. Hier<br />

sollte eine staatliche Integrationspolitik<br />

in Form von obligatorischen Integrationsprogrammen<br />

ansetzen.<br />

Ähnliche Programme<br />

Die Integrationsprogramme, die es in<br />

Finnland, Dänemark, den Niederlanden,<br />

im flämischen Teil Belgiens, in<br />

Frankreich, Österreich und mit dem<br />

Zuwanderungsgesetz auch in Deutschland<br />

gibt, weisen auf den ersten Blick<br />

eine gewisse Ähnlichkeit auf. Sie verfügen<br />

über eine Hauptkomponente<br />

„Sprachunterricht“ (meist zwischen<br />

200 und 600 Stunden), einen Gesellschaftskundekurs<br />

(ca. 30 Stunden), in<br />

einigen Fällen über eine Hinleitung<br />

zum Arbeitsmarkt, die individuelle<br />

Begleitung durch einen „Case-Manager“<br />

oder Integrationslotsen, sowie einen<br />

individuell festgelegten Integrationsplan,<br />

der Vertragscharakter annehmen<br />

und somit rechtlich bindend sein<br />

kann. Die Programme sind jedoch gerade<br />

hinsichtlich des Umfangs sehr<br />

heterogen, was auch mit dem jeweiligen<br />

Grad an Verpflichtung zusammenhängt:<br />

So hatte Frankreich im Jahr<br />

1998 die „Plate-Forme d’Accueil“ geschaffen,<br />

die lediglich aus einer eintägigen<br />

Informationsveranstaltung und<br />

einem weiterführenden, freiwilligen<br />

Sprachkursangebot bestand. In den<br />

Niederlanden hingegen gibt es seit<br />

1998 das „Wet Inburgering Nieuwkomers“,<br />

das Gesetz zur Erstintegration<br />

von Neuzuwanderern, das ein obligatorisches<br />

Programm mit einer Laufzeit<br />

von bis zu anderthalb Jahren vorsieht.<br />

Die bei Teilnahmeverweigerung anzuwendenden<br />

Sanktionen fallen unterschiedlich<br />

aus. Zwar sind häufig finanzielle<br />

Sanktionen wie die Kürzung von<br />

Sozial- bzw. Arbeitslosenhilfe oder die<br />

Zahlung eines Bußgeldes vorgesehen.<br />

Im Jahr 2003 haben die Mitgliedsstaaten<br />

allerdings im Europäischen Rat<br />

entschieden in zwei Richtlinien die<br />

Möglichkeit zu schaffen, die Vergabe<br />

eines dauerhaften Aufenthaltstitels<br />

von der Teilnahme an Integrationsmaßnahmen<br />

bzw. der Erfüllung bestimmter<br />

Integrationsforderungen abhängig<br />

zu machen.<br />

Fehlschläge<br />

Erste Auswertungen in den Niederlanden<br />

und Frankreich haben jedoch nicht<br />

die gewünschten Ergebnisse gebracht.<br />

Das angestrebte Sprachniveau wurde<br />

nur von einer Minderheit der Teilnehmer<br />

erreicht (Niederlande), die Teilnehmerzahl<br />

entsprach nicht den Erwartungen<br />

(Frankreich). Daneben gelten<br />

auch die Abbrecherzahlen und Ausfallzeiten<br />

als zu hoch. Um die Diskrepanzen<br />

zwischen angestrebten Lern- und<br />

Inte-grationszielen und tatsächlich erreichten<br />

Ergebnissen zu erklären, ist<br />

ein Blick auf die expliziten Lern- und<br />

Integrationsziele sowie die eingesetzten<br />

Mittel entscheidend. Darüber hinaus<br />

ist zu bedenken, wie das Erreichen<br />

oder Nicht-Erreichen der Ziele evaluiert<br />

und welche Schlüsse daraus gezogen<br />

werden können. Oberstes Ziel der<br />

Programme ist es, dass der Neuzuwanderer<br />

ein selbstständiges und von staatlichen<br />

Transferleistungen unabhängiges<br />

Leben führen kann. Somit wurden<br />

die Programme ursprünglich aus folgenden<br />

Gründen geschaffen:<br />

�<br />

11


1) Eine bessere Kenntnis der Neuzuwanderer<br />

– Wer wandert ein? Über<br />

welche beruflichen Qualifikationen<br />

und sonstigen Integrationskapazitäten<br />

verfügt der Neuzuwanderer? Wie sieht<br />

sein individueller Integrationsverlauf<br />

aus?<br />

2) Eine bessere Verwaltung und Kontrolle<br />

von Ressourcen in einer Zeit<br />

knapper Kassen – Wie viel Geld wird<br />

insgesamt investiert? Wie viele Personen<br />

profitieren von der Maßnahme?<br />

Welche Fortschritte werden mit der finanzierten<br />

Maßnahme erreicht? Wie<br />

stehen Input und Output zueinander?<br />

3) Die Vermeidung zusätzlicher „Kosten<br />

der Nicht-Integration“ – Indem<br />

anfangs in die Selbstständigkeit von<br />

Neuzuwanderern investiert wird, hofft<br />

man einem normalen Investitionskalkül<br />

folgend eine spätere Abhängigkeit<br />

von staatlichen Transferkosten zu vermeiden.<br />

Besonders der dritte Punkt wird durch<br />

die bildungspolitischen Lern- und Integrationsziele<br />

der Programme aufgegriffen.<br />

Gemessen wird der individuelle<br />

Integrationsfortschritt des Migranten<br />

wie auch der damit einhergehende<br />

Erfolg des gesamten Programms an-<br />

12<br />

hand von teilweise standardisierten<br />

Sprachtests, einfachen Teilnahmescheinen<br />

(bspw. <strong>für</strong> den Orientierungskurs),<br />

durch Arbeitsamtstests über den<br />

„Abstand vom Arbeitsmarkt“, aber<br />

auch durch fortlaufende Statistiken und<br />

punktuelle, externe Evaluationen. In<br />

den Niederlanden hat man durch die<br />

Outputfinanzierung die Bezahlung eines<br />

Sprachkursträgers an die durch die<br />

Kursteilnehmer mindestens zu erreichenden<br />

Lernziele (Sprachstand) geknüpft.<br />

Sprachwissenschaftler in den<br />

Niederlanden und in Deutschland haben<br />

allerdings darauf hingewiesen,<br />

dass Sprachtests nicht zuverlässig<br />

genug sind, um davon weitgehend<br />

monokausal die Entscheidung über den<br />

Aufenthalt eines Ausländers abhängig<br />

zu machen.<br />

Messbarkeit fraglich<br />

An Beurteilungen wie diese schließt<br />

auch eine weitergehende Kritik an, die<br />

die Messbarkeit individueller Integration<br />

konzeptionell grundsätzlich<br />

in Frage stellt. Dabei zeigt sich eine<br />

wichtige Diskrepanz im Integrationsverständnis<br />

der Politik auf der einen<br />

und der Wissenschaft auf der anderen<br />

Seite. Will man politischen Bestrebungen<br />

nach der Messung des individuellen<br />

Integrationsniveaus eines Migranten<br />

zu einem bestimmten Zeitpunkt<br />

nachkommen, so ist eine normative<br />

Entscheidung über die fiktive Vergleichsgröße<br />

(nämlich hundertprozentige<br />

Integration) unumgänglich. Das<br />

heißt, es müsste subjektiv festgelegt<br />

werden, was z.B. Lokalpolitiker <strong>für</strong><br />

ihren städtischen Kontext unter „hundertprozentiger<br />

Integration“ verstehen.<br />

An solch einer fiktiven Größe würde<br />

dann ein individueller Integrationsstand<br />

gemessen. Im wissenschaftlichen<br />

Umgang mit Integration hingegen wird<br />

lediglich mit relativen<br />

(auf einander bezogene),<br />

aber nicht mit „absoluten“<br />

Werten gearbeitet.<br />

So wird beispielsweise<br />

festgestellt, ob sich die<br />

Integrationssituation innerhalb<br />

einer Einwandererfamilie<br />

über zwei oder<br />

sogar drei Generationen<br />

verbessert hat. Auch Einwanderergruppenuntereinander<br />

oder eine ethnische<br />

Gruppe sind in Bezug<br />

auf ihre Arbeitsmarktintegration<br />

in verschiedenen<br />

Ländern Gegenstand<br />

von komparativen<br />

Studien.<br />

Für Integrationsprogramme<br />

bedeutet dies, dass<br />

zum einen die tatsächliche<br />

Machbarkeit in Bezug<br />

auf solch eine „Verwaltung“<br />

des Integrationsprozesses<br />

als individuellem<br />

Lern-, aber auch<br />

Entwicklungsprozess überschätzt wird.<br />

Dies kann mit unvorhergesehenen organisatorischen<br />

und finanziellen Hürden<br />

zusammenhängen und ist zu einem<br />

Teil auch der Unbestimmtheit des Integrationsbegriffs<br />

geschuldet. Gerade<br />

mit Blick auf die Ergebnisse wissenschaftlicher<br />

Studien ist jedoch zu unterstreichen,<br />

dass Integration ein langer,<br />

sich häufig über mehrere Generationen<br />

erstreckender Prozess ist, der<br />

durch ein einjähriges Integrationsprogramm<br />

angestoßen, nicht aber tatsächlich<br />

gesteuert werden kann. �<br />

Karl-Heinz Willenborg<br />

Grafik: Globus<br />

<strong>Akademie</strong>-Report 2/2005


Entwicklungsland mit Atomprogramm<br />

Indien – Land der Gegensätze zwischen Tradition und Aufbruch<br />

Indien ist nicht nur eines der größten und bevölkerungsreichsten<br />

Länder der Erde, sondern kann aufgrund des großen zwei- oder<br />

sogar dreisprachigen (English, Hindi, lokale Sprachen) Bevölkerungsanteils<br />

auch zu den größten englischsprachigen Ländern gezählt<br />

werden. So differenziert die koloniale Vergangenheit des Subkontinents<br />

betrachtet werden muss, zeigt sich jedoch, dass die englischsprachige<br />

Tradition und das entsprechend ausgerichtete Schulund<br />

Verwaltungswesen Indien einen wirtschaftlichen Vorteil gegenüber<br />

der asiatischen Konkurrenz, insbesondere China, verschafft.<br />

In der Tat begrüßt die internationale Wirtschaftswelt, dass Investoren<br />

in Indien nicht nur auf gut ausgebildete, sondern durchwegs<br />

auch englischsprachige Mitarbeiter treffen.<br />

Die älteste Demokratie Asiens<br />

wird seit Mai 2004 von einer<br />

durch die Kongresspartei geleiteten<br />

Koalition unter Premierminister<br />

Manmohan Singh regiert. Indien ist<br />

Mitglied der Vereinten Nationen, des<br />

Commonwealth, der Welthandelsorganisation<br />

(WTO) und der südasiatischen<br />

Regionalkooperation SAARC (South<br />

Asian Association for Regional Coo-<br />

<strong>Akademie</strong>-Report 2/2005<br />

peration). Der bekannteren und großen<br />

südostasiatischen Regionalorganisation<br />

ASEAN (Association of Southeast<br />

Asian Nations) ist Indien – wohl auf<br />

Druck Chinas und einiger südostasiatischer<br />

Kernländer – bisher nur als<br />

Dialogpartner angeschlossen.<br />

Das politische System der seit 1947 unabhängigen<br />

Indischen Union zeichnet<br />

sich durch demokratische und pluralistische<br />

Strukturen und ein funktionierendes<br />

Wahlsystem aus. Indien verfügt<br />

über eine anerkannte Verfassungstradition,<br />

ein unabhängiges Justizsystem<br />

und bekennt sich zur Einhaltung von<br />

Menschenrechten. Im Gegensatz zu einigen<br />

asiatischen Ländern kann Indiens<br />

Pressewesen durchaus als unabhängig<br />

und meinungsstark bezeichnet<br />

werden. Durch diese Elemente sieht<br />

sich Indien als Wegweiser <strong>für</strong> Entwicklungsländer.<br />

Auf wirtschaftlicher Ebene führte Indien<br />

durch die staatlich halbgelenkte<br />

Wirtschaftspolitik der „mixed economy“<br />

bis zu Beginn der 1990er Jahre<br />

ein Schattendasein. Erst durch ein umfassendes<br />

wirtschaftliches Reformund<br />

Liberalisierungsprogramm findet<br />

Indien seit etwa zehn Jahren zunehmend<br />

den Anschluss an die Weltwirtschaft<br />

und verfügt über ein stabiles<br />

Wachstumspotential (siehe Graphik):<br />

�<br />

13


Nach Angaben der Weltbank erreicht<br />

Indien ein Wirtschaftswachstum von 8<br />

Prozent <strong>für</strong> das Jahr 2003. Indien hat<br />

aus einer schwachen makroökonomischen<br />

Ausgangslage mit niedrigen<br />

Wachstumsraten und Versorgungsproblemen<br />

eine industrielle und inzwischen<br />

auch wissenschaftliche Basis<br />

geschaffen. Als Grundlagen der wirtschaftlichen<br />

Erfolge gelten laut Generalkonsul<br />

Mukul die „Grüne Revolution“,<br />

die ausreichende Versorgung mit<br />

Nahrungsmitteln und die „Weiße Revolution“,<br />

die Indien zu einem der<br />

größten Produzenten von Milch und<br />

Milchprodukten machte. Zu den wirtschaftlichen<br />

Zielen gehören laut Generalkonsul<br />

Mukul der Auf- und Ausbau<br />

von Telekommunikation, Flugverkehr<br />

und Infrastruktur. Durch eine<br />

durch Forschung und Entwicklung angekurbelte<br />

Wissensrevolution will Indien<br />

zu einer neuen Art von „Supermacht“<br />

werden: „India: The Next<br />

Knowledge Super Power“.<br />

Belastungen<br />

Dies darf jedoch nicht von den sozialen,<br />

ethnischen, religiösen und kulturellen<br />

Problemen ablenken, die Indien<br />

belasten. Über 81 Prozent der Bevölkerung<br />

sind Inder, 12 Prozent sind<br />

Muslime, 2,3 Prozent Christen und 1,9<br />

Prozent Sikhs. Buddhisten und Parsen<br />

machen einen Anteil von weniger als<br />

2,5 Prozent der Bevölkerung aus. Neben<br />

dem offiziellen Hindi gibt es weitere<br />

18 Haupt- und 24 Nebensprachen,<br />

720 Dialekte und weitere 23 so genannte<br />

Stammessprachen im Osten und<br />

Nordosten der Union.<br />

Zwischen den Städten und abgelegenen<br />

Regionen herrscht ein großes Gefälle<br />

bei <strong>Bildung</strong> und Einkommen.<br />

Diese strukturellen Diskrepanzen, die<br />

Indien in unterentwickelte Landwirtschaftsregionen<br />

und Industriezonen<br />

teilen, bergen sozialen Sprengstoff.<br />

300 Millionen Menschen leben unterhalb<br />

der Armutsgrenze und verfügen<br />

über weniger als einen US-Dollar pro<br />

Tag. Zu den „niedrigsten“ Kasten gehören<br />

z.B. die 140 Millionen Dalit. Die<br />

Dalit waren mit Ambedkar in den Anfangsjahren<br />

der Unabhängigkeit auch<br />

durch einen einflussreichen Politiker<br />

vertreten. Nach Meinung von Maren<br />

14<br />

Die <strong>Akademie</strong> veranstaltete in Zusammenarbeit<br />

mit dem Pädagogischen<br />

Institut der Landeshauptstadt<br />

München eine Fortbildung über Indien.<br />

Als Experten konnten der indische<br />

Generalkonsul in München,<br />

J.S. Mukul, Dirk Matter von der Indisch-Deutschen<br />

Handelskammer,<br />

Dr. Maren Bellwinkel-Schempp aus<br />

Stuttgart, Dr. Susanne Reichl von der<br />

Universität Wien und Silke-Yasmin<br />

Fischer vom Institut <strong>für</strong> Indologie<br />

der Ludwig-Maximilians-Universität<br />

München gewonnen werden.<br />

Bellwinkel konnte sich Ambedkar jedoch<br />

nicht gegen die so genannten<br />

„Kastenhindus“ durchsetzen und verließ<br />

1951 sein politisches Amt, um sich<br />

der Interpretation des Buddhismus <strong>für</strong><br />

die unteren Kasten, insbesondere <strong>für</strong><br />

die Dalit, zu widmen. Ambedkar wird<br />

wie ein Heiliger verehrt. Er gab den<br />

Der indische Generalkonsul in<br />

München J.S. Mukul sprach über<br />

die rasante Entwicklung seines<br />

Heimatlandes.<br />

Dalit nicht nur eine religiöse Orientierung,<br />

sondern auch eine sozio-politische<br />

Botschaft, nämlich „<strong>Bildung</strong>, Organisation<br />

und Zusammenschluss“, die<br />

ihnen helfen sollte, sich von Unterdrückung<br />

und Diskriminierung zu befreien.<br />

Indien steht auch noch <strong>für</strong> weitere Gegensätze:<br />

Es ist ein Entwicklungsland<br />

mit einem Raketen- und Atomprogramm.<br />

Zu den politischen Belastungsfaktoren<br />

gehören der Kashmir-Konf-<br />

likt mit Pakistan, Hindi-Nationalismus<br />

und die große Zahl der<br />

Parteien. Außenpolitisch haben<br />

sich Indiens Perzeptionen weit<br />

über den Subkontinent und den<br />

Golf von Bengalen hinaus verschoben.<br />

Die neue Verteidigungspolitik<br />

wünscht sich eine Rolle<br />

von der jemenitischen Insel Socotra<br />

bis zum indonesischen Sumatra.<br />

Diese Anliegen werden<br />

unterstützt durch den Kauf von<br />

Militärgütern aus Israel, Frankreich<br />

und den USA. Bedroht fühlt<br />

sich die Indische Union durch<br />

den Terrorismus in der Region<br />

und durch zwei Nachbarn, die<br />

über nukleare Waffen verfügen:<br />

Pakistan und China.<br />

Klassenschranken<br />

Gesellschaft, Kultur, Religion und Tradition<br />

im indischen <strong>Bildung</strong>sverständnis<br />

stellte Silke-Yasmin Fischer an<br />

Hand eines indischen Sozialkundelehrbuches<br />

dar. Sie verfügt über eine zweijährige<br />

Lehrerfahrung in Indien und<br />

erläuterte Wandlungen und Spannungen,<br />

die die indische Gesellschaft auf<br />

dem Weg von der Großfamilie zur vierköpfigen<br />

Familie, durch einen zunehmenden<br />

Anteil von arbeitenden Frauen,<br />

die unterschiedlichen Religionen<br />

und ihre Feste und durch die nach wie<br />

vor eisernen Klassenschranken erlebt.<br />

Indiens urbane Zentren öffnen <strong>für</strong> Kinder<br />

aus wohlhabenden Schichten viele<br />

Möglichkeiten und bieten qualifizierte<br />

Arbeitsplätze <strong>für</strong> Frauen. Doch<br />

auf dem Land sind die Aussichten<br />

durch das unausreichende Schulsystem<br />

und das noch sehr starre Rollenverständnis<br />

ungünstig.<br />

So sehr ein gleichberechtigtes, säkulares<br />

Gesellschaftsverständnis offizielle<br />

Lesart ist, so traditionell ist die indische<br />

Gesellschaft immer noch geprägt.<br />

Auch die in den USA ausgebildeten<br />

Computerspezialisten heiraten<br />

noch in vielen Fällen nach Empfehlung<br />

der Familie. �<br />

Saskia Hieber<br />

<strong>Akademie</strong>-Report 2/2005


US-Außen- und Sicherheitspolitik:<br />

Globale Rolle unter dem Primat des Unilateralismus<br />

Paradigmenwechsel seit dem Ende des Kalten Krieges<br />

Vor dem Hintergrund des 11. Septembers und des Irak-Konflikts<br />

wird deutlich, dass die USA ihre globale Rolle neu zu definieren suchen<br />

und ihre Sicherheitspolitik zunehmend unter den Primat des<br />

Unilateralismus stellen. Auch die militärische Asymmetrie zwischen<br />

Europa und den USA begünstigt die Vormachtstellung der Vereinigten<br />

Staaten im internationalen politischen System. Dabei zeigt sich<br />

vor allem auch in der Auseinandersetzung mit der UNO, dass die<br />

Selbsteinbindung in Völkerrecht und andere Formen der Kooperation<br />

von den USA eher als Hindernis gesehen werden, die eigenen<br />

Interessen durchzusetzen.<br />

Im Zuge der Ereignisse des 11.<br />

Septembers, so Jürgen Wilzewski<br />

von der TU Kaiserslautern,<br />

gewann die Position des Präsidenten<br />

der USA, der kurz zuvor mit<br />

nur hauchdünner Mehrheit ins Amt<br />

gewählt worden war, erheblich an Gewicht.<br />

Unter dem Eindruck einer „nation<br />

under attack“ schlug die Bush-<br />

Administration einen neuen Weg der<br />

Sicherheitsstrategie ein: neben das Primat<br />

der Abschreckung trat jetzt die<br />

Strategie der Präventivschläge. In Anknüpfung<br />

an zwei Grundprinzipien der<br />

amerikanischen Außenpolitik – globale<br />

Machtprojektion und Verbreitung<br />

amerikanischer Wertvorstellungen –<br />

war die Bush-Doktrin geboren. Damit<br />

verbunden war ein starker Trend zu<br />

unilateralem Handeln; eine Entwicklung,<br />

die verschiedenen Umfragen zufolge<br />

keine Mehrheitsbasis innerhalb<br />

der amerikanischen Bevölkerung hat.<br />

Selbst unter dem Eindruck von „Nine-<br />

Eleven“ schien sie den „team effort“<br />

den „go-it-alone-at-all-costs“ klar vorzuziehen.<br />

Kongress und Senat stehen nach dem<br />

anfänglichen Schulterschluss ebenfalls<br />

nicht mehr geschlossen hinter der Außenpolitik<br />

ihres Präsidenten. „Viele<br />

Probleme lassen sich auch von einer<br />

Supermacht mit einem jährlichen Militärhaushalt<br />

von 500 Milliarden Dollar<br />

nicht lösen“, prophezeite Wilzewski<br />

und ergänzte, dass die vollzogene<br />

grundlegende strategische Neuausrichtung<br />

ohne einen breiten gesellschaftlichen<br />

Konsens kaum gelingen kann.<br />

<strong>Akademie</strong>-Report 2/2005<br />

Begrenzt einsatzfähig<br />

Trotz Ihrer massiven personellen und<br />

technischen Überlegenheit sehen sich<br />

die US-Streitkräfte im Irak mit großen<br />

Problemen konfrontiert, gab Christopher<br />

Daase (Universität München) zu<br />

bedenken. Er sprach von einer generellen<br />

Strukturschwäche der US-Armee<br />

im Führen „kleiner“ Kriege. Zwar<br />

sei sie <strong>für</strong> die Bewältigung konventioneller<br />

Konflikte hervorragend geeignet,<br />

doch hinsichtlich Guerilla- und<br />

Aufstandsbekämpfung sei ihre Einsatzfähigkeit<br />

eher begrenzt.<br />

Erstens fehle der US-Army Erfahrung<br />

mit und Tradition in der Aufstandsbekämpfung.<br />

Und die Kriege gegen die<br />

Ureinwohner Amerikas seien nicht in<br />

das „institutionelle Gedächtnis“ des<br />

Militärapparates eingegangen.<br />

Zweitens herrsche jenseits des Atlantiks<br />

der Grundsatz einer Trennung von<br />

Politik und Krieg: Im Frieden führen<br />

die Politiker, im Krieg verrichten Militärs<br />

ihr Handwerk, ohne von „unqualifizierten“<br />

Zivilisten behelligt zu werden.<br />

Die Aufstandbekämpfung stelle<br />

eine Schnittstelle zwischen beiden<br />

Bereichen dar; eine exakte Handhabe<br />

<strong>für</strong> diese „Grauzone“ fehle.<br />

Drittens schließlich sei es generell<br />

nicht unproblematisch, einer Guerilla<br />

gegenüber zu stehen, denn es gelten<br />

divergierende Siegbedingungen: „Die<br />

Guerilla gewinnt, wenn sie nicht verliert,<br />

der Staat verliert, wenn er nicht<br />

gewinnt!“ Damit kann der Widerstand<br />

auf Zeit spielen, was einer Demokra-<br />

tie möglicherweise schnell die Basis<br />

ihrer Kriegsführung entzieht. Das Volk<br />

ist schlicht nicht mehr gewillt, die<br />

Kosten des Konfliktes über längere<br />

Zeiträume zu tragen, und das Militär<br />

zieht sich zurück – die Siegbedingung<br />

der Guerilla ist erfüllt!<br />

Sakraler Respekt vor<br />

nationalen Werten<br />

Nach Colonel Thomas Wilhelm vom<br />

George C. Marshall Center for Security<br />

Studies, in Garmisch-Partenkirchen<br />

liegen der Konstruktion der Nationalen<br />

Sicherheitsstrategie der Vereinigten<br />

Staaten von Amerika und der<br />

National Military Strategy die „National<br />

Values“ Demokratie, Freihandel<br />

und Menschenrechte zugrunde, welche<br />

sakralen Respekt genießen. Sie bilden<br />

das Fundament <strong>für</strong> alle weiteren Überlegungen<br />

und Konzepte und münden<br />

im Ergebnis in drei Hauptaufgaben <strong>für</strong><br />

das US-Militär: Schutz der USA vor<br />

Konflikten und Überraschungsangriffen<br />

und Sieg über den Gegner. Zur<br />

Verteidigung dieser Aufgaben ist das<br />

amerikanische Militär weltweit präsent.<br />

Wilhelm räumte ein, dass eine Verbindung<br />

von tatsächlichen Aufgaben zu<br />

den Grundwerten teilweise nur schwer<br />

gezogen werden kann. Denn im Sinne<br />

der nationalen Sicherheit muss eine<br />

Abwägung von „interests, important<br />

interests and critical interests“ erfolgen.<br />

Dabei können Sicherheitserwägungen<br />

durchaus mit humanitären und<br />

diplomatischen Aspekten in Konkurrenz<br />

treten. Zur Erfüllung seiner Aufgaben<br />

kann das US Militär auf 2,6<br />

Millionen modern ausgerüsteter Berufssoldaten<br />

zurückgreifen, die mit einem<br />

jährlich wachsenden Budget von<br />

derzeit etwa 500 Milliarden US-Dollar<br />

ausgestattet sind. In einer absteigenden<br />

Rangfolge der Militärausgaben<br />

aller Länder übersteigen die Militäraufwendungen<br />

der USA die Summe<br />

der 17 nächsthöchsten nationalen Verteidigungsbudgets.<br />

�<br />

15


Im Vergleich zum amerikanischen Militär<br />

stellen sich die Zahlen, die Oberstleutnant<br />

Gert Tubach bezüglich der<br />

deutschen Streitkräfte präsentierte,<br />

sehr bescheiden dar: Die Bundeswehr<br />

umfasst momentan etwa 250 000<br />

Mann; das Verteidigungsbudget befindet<br />

sich einer Kategorie, die in keiner<br />

Weise mit der der USA vergleichbar<br />

wäre, nämlich 24 Milliarden US Dollar.<br />

In Sachen Sicherheitsstrategie sieht<br />

sich die Bundesrepublik in ein dichtes<br />

Netz internationaler Abkommen eingebettet<br />

und verfügt im engeren Sinne<br />

nicht über eine eigene Sicherheitsstrategie.<br />

Tubach ergänzte, dass die militärische<br />

Komponente bundesdeutscher<br />

Außenpolitik sich seit dem Ende des<br />

Kalten Krieges langsam und in Kooperation<br />

mit den Nachbarstaaten und<br />

supranationalen Organisationen entwickelte.<br />

Schließlich wurde die Bundeswehr<br />

als Verteidigungsarmee konzipiert.<br />

Aufgrund ihrer begrenzten technischen<br />

und finanziellen Ausstattung<br />

und auch bedingt durch ihren Wehrpflichtcharakter<br />

ist sie nicht <strong>für</strong> großes<br />

internationales Engagement ausgelegt.<br />

Beispielsweise erfolgen Truppenbewegungen<br />

zu den verschiedenen<br />

Einsatzzielen in Afrika oder<br />

Asien via gemieteter Transportmaschinen<br />

der ukrainischen<br />

Luftwaffe.<br />

Zivilreligion als<br />

patriotischer Kitt<br />

Wie Britta Waldschmidt-Nelson<br />

von der Universität München<br />

ausführte, ist die religiöse<br />

Orientierung der US-Politik<br />

kein Produkt des späten<br />

20. Jahrhunderts, sondern das<br />

Ergebnis einer historischen<br />

Entwicklung, deren Wurzeln<br />

bis zur Gründung der Vereinigten<br />

Staaten zurückreichen.<br />

So stellte Amerika zur Zeit der<br />

Auswanderungsbewegungen<br />

aus Europa im 17. und 18. Jahrhundert<br />

einen sicheren Hafen <strong>für</strong> Anhänger<br />

verschiedenster, überwiegend<br />

christlich orientierter Konfessionen<br />

dar. Zu der vorherrschenden Religionsfreiheit<br />

trat der Umstand, dass die etablierten<br />

Amtskirchen Europas in den<br />

USA kaum Einfluss geltend machen<br />

16<br />

konnten. In der Folge dieser Unabhängigkeit<br />

entwickelte sich ein System der<br />

kommunalen Selbstverwaltung auf religiöser,<br />

kultureller und schließlich<br />

auch politischer Ebene. Daraus er-<br />

Britta Waldschmidt-Nelson: „Religiöse<br />

Orientierung der US-Politik ist<br />

kein Produkt des späten 20. Jahrhunderts.“<br />

Fotos: Schad<br />

wuchs mit der Zeit eine Art von Zivilreligion,<br />

die Waldschmidt-Nelson<br />

überspitzt als „patriotischen Kitt“ bezeichnete:<br />

Eine Mixtur aus religiösen<br />

und weltlichen Attributen wie das<br />

Gute, Reinheit, Freiheit, Demokratie<br />

und Individualismus.<br />

Erläuterten deutsche und amerikanische Sicherheitsstrategien:<br />

v.r. Colonel Thomas Wilhelm, Oberstleutnant<br />

Gert Tubach, Tagungsleiterin Saskia Hieber.<br />

Der Gedanke einer „heiligen Mission“,<br />

also der Verbindung von Religion und<br />

politischer Zielsetzung, sei keine Erfindung<br />

der Bush-Administration: „We<br />

brought light, where there was darkness“<br />

konstatierte bereits Reagan in<br />

den 80er Jahren. Die Selbstwahrnehmung<br />

als „auserwähltes Volk“ ist den<br />

vereinigten Staaten ein Teil der nationalen<br />

Identität. Vor diesem Hintergrund<br />

hatten die Ereignisse des 11.<br />

Septembers eine stark traumatisierende<br />

Wirkung auf die amerikanische Öffentlichkeit.<br />

Religion und Politik<br />

Der Religion kommt, so Josef Braml<br />

von der Stiftung Wissenschaft und<br />

Politik in Berlin, hinsichtlich der politischen<br />

Willensbildung in Nordamerika<br />

eine tragende Rolle zu. Etwa 90<br />

Prozent der Amerikaner glauben gemäß<br />

einer Gallup-Umfrage an Gott,<br />

und circa 60 Prozent der Bevölkerung<br />

sind aktiv in einer Kirche engagiert.<br />

Besonders der christlichen Rechten,<br />

die teils stark fundamentalistische<br />

Züge trägt, komme im politischen Prozess<br />

große Bedeutung zu. Sie sei politisch<br />

und kulturell organisiert und stelle<br />

ein nicht zu unterschätzendes Wahlkampf-<br />

und Wählerpotential dar.<br />

Daraus erwachsen verschiedene außenpolitische<br />

Forderungen, welche<br />

von der Administration, will sie ihre<br />

Wähler nicht enttäuschen, aufgegriffen<br />

werden müssen. So ist beispielsweise<br />

die Haltung der USA im Nahost-Konflikt<br />

nicht unmaßgeblich<br />

von der christlichen<br />

Rechten geprägt. So genannte<br />

„Born-Again-<br />

Gläubige“ warten auf<br />

die Wiederkehr Christi.<br />

Diese erfolge, sobald<br />

der Tempel Salomons in<br />

Israel wieder erbaut ist.<br />

Eine spirituell-alttestamentarischeVerbindung<br />

zum Staat Israel<br />

schränkt den außenpolitischen<br />

Spielraum der<br />

US-Administration hin-<br />

sichtlich des Nahen und<br />

Mittleren Ostens ein.<br />

Braml sprach von<br />

„Machtstrukturen, die<br />

über die Basis kommen.“<br />

Allerdings betonte er, dass viele<br />

Ziele der Außenpolitik einer Wählerschaft<br />

über den Weg einer quasi-religiösen<br />

Mission wesentlich einfacher<br />

zu vermitteln seien als im Rahmen geostrategischer<br />

Konzeptionen. �<br />

Markus Schad<br />

<strong>Akademie</strong>-Report 2/2005


Vom Überleben in einer Nischengesellschaft<br />

Kennzeichen der SED-Diktatur in der DDR war die massive<br />

Präsenz von Herrschaft gegenüber den Bürgern. Partei,<br />

Massenorganisationen, Repressionsapparat und die Abschottung<br />

vor allem nach Westen wirkten auf den Alltag ein, förderten<br />

und forderten bestimmte Einstellungen und Verhaltensweisen. Manche<br />

sahen sich als Träger des Systems, andere arrangierten oder beteiligten<br />

sich. Inmitten der regelmäßigen Zustimmungsrituale und<br />

dem organisierten Mangel bewahrte man sich staats- und ideologiefreie<br />

Nischen oder entzog sich durch Formen partiellen Widerstands.<br />

Die Tagung „Herrschaft und Alltag in der SED-Diktatur“ unter Leitung<br />

von Jürgen Weber und Siegfried Münchenbach ging diesen Zusammenhängen<br />

mit Juristen, Wissenschaftlern und Zeitzeugen auf<br />

den Grund.<br />

Der Historiker und Zeitzeuge Stefan<br />

Wolle analysierte den Staatsapparat der<br />

DDR, der zurecht als Diktatur, Unrechtsstaat,<br />

totalitärer Staat oder<br />

scherzhaft als Gerontokratie charakterisiert<br />

werde. Unterschiede zur Bundesrepublik<br />

wie Frauenerwerbstätigkeit,<br />

hohe Scheidungsraten, viele<br />

Schwangerschaftsabbrüche, die Verdrängung<br />

der Kirchen, der große Stellenwert<br />

der Arbeit und frühzeitige Kin-<br />

Stefan Wolle: „Anstehen, Betteln<br />

und Bestechen waren Alltag in der<br />

DDR.“<br />

derbetreuung prägten auch heute noch<br />

die östlichen Bundesländer. Diese von<br />

der PDS ausgenutzte Lebenserfahrung<br />

werde nun als „Ostalgie“ bezeichnet.<br />

Eine „Nischengesellschaft“ sei die<br />

DDR gewesen, in der sich viele in ihre<br />

geschützten Nischen zurückgezogen<br />

hätten, um der Diktatur zu entgehen.<br />

Trotz staatlich gelenkter Wirtschaft<br />

habe es private Handwerker, Einzel-<br />

<strong>Akademie</strong>-Report 2/2005<br />

händler und Gastwirte gegeben. Ganz<br />

entscheidend sei das Leben durch die<br />

Verwaltung des Mangels geprägt worden.<br />

Anstehen, Betteln und Bestechen<br />

waren Alltag. Erziehungs- und Bil-<br />

Hans-Jürgen Grasemann: Fakten<br />

über den Unrechtsstaat DDR.<br />

Fotos: AvD<br />

dungssystem waren stark leistungsorientiert,<br />

ideologisiert, militarisiert und<br />

durchorganisiert „vom Töpfchen bis<br />

zur Promotion“. Kollektiv und Gemeinsinn<br />

wurden so gefördert, weshalb<br />

viele nach der Wende diese „Kuhwärme<br />

des Systems“ vermissten. Fast bitter<br />

fiel deshalb Wolles Fazit aus: „Im<br />

Rückblick wird die DDR wohl immer<br />

schöner werden.“<br />

Handeln nach dem<br />

SKET-Prinzip<br />

Der in der DDR bespitzelte Schriftsteller<br />

und Journalist Udo Scheer beleuchtete<br />

die Arbeits- und Wirtschaftswelt<br />

des SED-Staates mit ihren Versorgungslücken,<br />

Ineffizienz, einem veralteten<br />

Maschinenpark und dem Verfall<br />

der Bausubstanz. Die Menschen handelten<br />

nach dem SKET-Prinzip: Sehen,<br />

Kaufen, Einlagern, Tauschen. Der Zusammenbruch<br />

der Planwirtschaft war<br />

unausweichlich, wie laut Scheer auch<br />

eine geheime Stasi-Analyse 1988 wegen<br />

der hohen Auslandsschulden prognostizierte.<br />

Einzige Lösung schien<br />

der Stasi das drastische Zurückfahren<br />

der Sozialleistungen und damit die<br />

Unregierbarkeit. Deshalb blieb aus ihrer<br />

Sicht nur eine Konföderation mit<br />

der Bundesrepublik.<br />

<strong>Politische</strong> Justiz<br />

Oberstaatsanwalt Hans-Jürgen Grasemann<br />

aus Braunschweig berichtete<br />

über viele Einzelschicksale und die<br />

erschütternden Fakten der politischen<br />

Justiz und Polizei als Herrschaftsinstrument<br />

der Diktatur. Fünf Jahre war<br />

er Leiter der westdeutschen Zentralstelle<br />

in Salzgitter <strong>für</strong> Menschenrechtsverletzungen<br />

in der DDR. Schon 1950<br />

bei den „Waldheimer Prozessen“ bemühten<br />

sich die DDR-Richter, von<br />

3308 Angeklagten nur 14 unter fünf<br />

Jahren Haft zu bestrafen, 2891 über<br />

zehn Jahre bis lebenslang. 32 wurden<br />

zum Tode verurteilt. Zehn bis fünfzehn<br />

Minuten pro Fall vor Gericht, das sei<br />

der erste „Sündenfall der DDR-Justiz“<br />

gewesen.<br />

91 000 hauptamtliche Mitarbeiter der<br />

Stasi waren zuständig <strong>für</strong> die Telefonüberwachung,<br />

um Dissidenten wie<br />

Robert Havemann allein mit über 200<br />

IM´s zu bespitzeln. In 40 Jahren DDR<br />

wurden zwischen 250 000 und 300 000<br />

Personen aus politischen Gründen verurteilt,<br />

34 000 wurden vom Westen <strong>für</strong><br />

jeweils 40.000 bis 91.000 DM freigekauft.<br />

Bis zum letzten Tag der DDR<br />

hat die von der Stasi angeleitete Justiz<br />

Verhandlungen geführt, die allen<br />

rechtsstaatlichen Grundsätzen widersprachen.<br />

Von allen Tätern wurden nur<br />

einige bestraft, meistens mit einer niedrigen<br />

Haftstrafe.<br />

�<br />

17


Widerstand aus der<br />

Kirche<br />

Die Kirche zwischen Anpassung und<br />

Selbstbehauptung schilderte der Berliner<br />

Pfarrer und Zeitzeuge Joachim<br />

Goertz. Als Unbequemer aufs Land<br />

nahe Weimar versetzt („Die Rübe war<br />

die einzig Schatten spendende Pflanze“),<br />

litt er bereits als Jugendlicher unter<br />

der Einteilung seines Vaters als<br />

politisch „Unzuverlässigem“. Obwohl<br />

der Vater im KZ Buchenwald inhaftiert<br />

war, erhielt er keine Rente und wurde<br />

auch sonst benachteiligt. Deshalb<br />

konnte Goertz nur „abhauen oder Theologie<br />

studieren“.<br />

Alle Versuche, die Kirche dem Staat<br />

zu unterstellen oder sie mittels Jugendweihe<br />

zur Bedeutungslosigkeit zu verdammen,<br />

scheiterten. Die Umdeutung<br />

der Kirchengeschichte – selbst Luther<br />

wurde zum Kommunisten umgeschrieben<br />

– überzeugte niemanden. In der<br />

Kirche blieb demokratisches Bewusstsein<br />

erhalten, obwohl sich in mehreren<br />

Landeskirchenräten eine Reihe von<br />

Stasi-Mitarbeitern tummelten. Eine<br />

Krise nach der anderen führte<br />

schließlich zur Ausreisebewegung. Die<br />

Bürgerrechtsbewegung nach den offenkundig<br />

gefälschten Kommunalwahlen<br />

wurde von vielen Pfarrern unterstützt<br />

und führte schließlich 1989 zum<br />

Fall der Mauer und damit dem Ende<br />

der DDR.<br />

Sport als Kampf gegen<br />

den Klassenfeind<br />

Giselher Spitzer von der Universität<br />

Potsdam zeigte die Verflechtung von<br />

Sport und Politik im SED-Regime auf.<br />

Sport wurde in der DDR funktionalisiert<br />

und instrumentalisiert. Nach der<br />

NOK-Gründung und dem Kurswechsel<br />

zum Hochleistungssport mit politischer<br />

Funktion in den 60er Jahren<br />

ging man unter Leitung von Manfred<br />

Ewald auch rasch zum staatlich angeordneten<br />

und geförderten Doping über.<br />

Der Klassenfeind in der BRD sollte<br />

überholt werden. Dazu wurde ein berufssportliches<br />

System installiert, das<br />

durch strengste Auswahl der durchsetzungsfähigsten<br />

3 Prozent aller gebürtigen<br />

DDR-Kinder einen Aufstieg aus<br />

allen Schichten ermöglichte. Sie wurden<br />

nach wissenschaftlichen Kriterien<br />

18<br />

ausgewählt, von Trainern <strong>für</strong> drei<br />

Sportarten interessiert und konnten<br />

sich <strong>für</strong> eine davon entscheiden. Nur<br />

40 Prozent kamen durch eigenes Interesse<br />

zu einer Sportart. Ausbildungsort<br />

waren die 1800 Trainingszentren,<br />

wo jährlich die 10 000 aussichtsreichsten<br />

Sportler in eine höhere Förderstufe<br />

aufstiegen und die Chance hatten,<br />

einer von 2000 Aktiven zu werden. Der<br />

Rest bekam keinerlei Wettkampfsystem<br />

zur Verfügung gestellt, Breitensport<br />

gab es also nicht. 4700 hauptamtliche<br />

Trainer, 1000 Ärzte und 5000<br />

Funktionäre betreuten die Sportler.<br />

SED und Geheimdienst mit über 3000<br />

IM´s beherrschten den Sport auf allen<br />

Ebenen.<br />

Holger Richter, Psychologe und Publizist<br />

aus Dresden, berichtete aus sei-<br />

Foyer vollendet<br />

ner Zeit als Bausoldat in den Jahren<br />

1988/89, dem „Zivi der DDR“. Nachdem<br />

man zunächst nach Einführung<br />

der Wehrpflicht 1962 nicht wusste, was<br />

man mit den Wehrdienstverweigerern<br />

tun sollte, wurden 1964 die Bausoldaten<br />

geschaffen, deren Dienstzeit im<br />

Gegensatz zu den drei Jahren Wehrdienst<br />

nur 18 Monate betrug. Die Behörden<br />

informierten ausdrücklich<br />

nicht über diese Möglichkeit, sich<br />

dem Dienst mit der Waffe zu entziehen.<br />

Etwa 1 Prozent der Wehrpflichtigen<br />

jedes Jahrgangs verweigerten den<br />

Dienst in der Volksarmee, davon rund<br />

100 total. Hauptsächlich Christen,<br />

Dissidenten, Ausreisewillige oder auch<br />

manchmal „ein paar Nazis“ gingen diesen<br />

Weg der Wehrdienstverweigerung.<br />

�<br />

Andreas von Delhaes<br />

Hell, freundlich, transparent und modern: Die spontanen Urteile unserer<br />

Tagungsgäste über das neue Foyer der <strong>Akademie</strong> fallen durchweg<br />

positiv aus. Nach über einem halben Jahr Bauzeit und vielen Wochen<br />

mit Baulärm, Staub und umständlichen Umwegen durch den wochenlang<br />

tief verschneiten <strong>Akademie</strong>park können nun unsere Gäste<br />

wie gewohnt trockenen Fußes von den Seminarräumen und vom Speisesaal<br />

in ihre Zimmer gehen. Die völlig neu gestaltete Eingangshalle<br />

bietet nicht nur mehr Platz und Durchblick zu Park und See, sondern<br />

ein Balkon zum ebenfalls neu angelegten Innenhof eröffnet auch<br />

völlig neue Perspektiven <strong>für</strong> die Kaffeepausen in der wärmeren Jahreszeit.<br />

ms<br />

<strong>Akademie</strong>-Report 2/2005


<strong>Akademie</strong>gespräch im Landtag:<br />

Flucht und Vertreibung – Erinnerung und Gegenwart<br />

Die Journalistin Helga Hirsch fordert ein Ende<br />

des gegenseitigen Aufrechnens von Leid<br />

Historische Ereignisse sind niemals<br />

einfach bloß Vergangenheit,<br />

sondern immer auch Gegenstände<br />

von Interpretation und Instrumentalisierung.<br />

Flucht und Vertreibung<br />

der Deutschen während<br />

und nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

stehen exemplarisch <strong>für</strong> diese Art<br />

des Umgangs mit Geschichte.<br />

Lange Zeit „beschwiegen“, entwickelte<br />

sich erst in den letzten<br />

Jahren eine Debatte um die Vertreibung,<br />

die „befreiend“ wirke,<br />

so der Bielefelder Historiker<br />

Für die Deutschen war es „Vertreibung“,<br />

die Polen nannten es<br />

„Zwangsumsiedlung“ und die<br />

Tschechen sprachen von „Abschub“.<br />

Schon in diesen Bezeichnungen werden<br />

die unterschiedlichen Blickwinkel<br />

auf das historische Ereignis deutlich.<br />

Dabei dürfe nicht vergessen werden,<br />

so Helga Hirsch, dass das Instrument<br />

des „Bevölkerungsaustauschs“ bzw.<br />

der „ethnischen Entmischung“ als Mittel<br />

der Friedenssicherung in den 20er<br />

Jahren bis zu einem gewissen Grad akzeptiert<br />

war. Erst Hitler stieß mit seiner<br />

Lebensraumideologie, die die Deportation<br />

von mehr als 30 Millionen<br />

Russen, Polen und Juden zur Voraussetzung<br />

hatte, in Dimensionen unvorstellbaren<br />

Ausmaßes vor. 1944 griff der<br />

Bodenkrieg auf Deutschland über und<br />

zu den Bombenflüchtlingen kamen<br />

damit insgesamt 14 Millionen deutsche<br />

Flüchtlinge und Vertriebene, von denen<br />

etwa zwei Millionen die Flucht<br />

nicht überlebten. Mit dem Ende der<br />

„Zwangsumsiedlung“ war der Anteil<br />

der ethnischen Minderheiten in Polen<br />

von 32 Prozent vor dem Krieg auf<br />

nunmehr 3 Prozent gesunken. In<br />

Deutschland werde sehr oft verdrängt,<br />

so Hirsch, dass im Zuge der Westverschiebung<br />

Polens auch sehr viele Ostpolen<br />

nach Schlesien und Pommern<br />

umgesiedelt wurden – ebenfalls zumeist<br />

unfreiwillig.<br />

<strong>Akademie</strong>-Report 2/2005<br />

Hans-Ulrich Wehler, weil ein abgesunkenes<br />

Stück kollektiver<br />

Lebensgeschichte nunmehr „ruhig<br />

besprochen werden“ könne.<br />

Für die Berliner Publizistin Helga<br />

Hirsch sind es die individuellen<br />

Erfahrungen, welche die historische<br />

Erinnerung jenseits allen<br />

Streits um Interpretation aufklärend<br />

und verbindend wirken<br />

lassen. Dieser Einstellung folgend<br />

rückt die ehemalige Warschauer<br />

Korrespondentin der<br />

Wochenzeitung „Die Zeit“ diese<br />

Von den 12 Millionen überlebenden<br />

deutschen Vertriebenen fanden sich ca.<br />

7,9 Millionen in den Westzonen<br />

wieder, 4,1 Millionen in der sowjetisch<br />

besetzten Zone, von denen bis zum<br />

Mauerbau 1961 etwa eine Million<br />

Menschen in den Westen abwanderten.<br />

In der SBZ und späteren DDR wurde<br />

das Thema weitgehend tabuisiert,<br />

allenfalls war von „Umsiedlung“ die<br />

Rede. Im Gegensatz zur DDR formier-<br />

Perspektive in ihren publizistischen<br />

und dokumentarfilmerischen<br />

Arbeiten in den Mittelpunkt.<br />

In der Reihe „<strong>Akademie</strong>gespräch<br />

im Landtag“, die die<br />

<strong>Akademie</strong> zusammen mit der<br />

bayerischen Volksvertretung<br />

veranstaltet, stellte die Preisträgerin<br />

des deutsch-polnischen<br />

Journalistenpreises von 2001<br />

neueste Forschungsergebnisse<br />

über Flucht und Vertreibung der<br />

Deutschen sowie deren Integration<br />

vor.<br />

Helga Hirsch: „Besprechen statt Beschweigen“. Rechts: <strong>Akademie</strong>direktor<br />

Heinrich Oberreuter<br />

ten sich im Westen alsbald Heimatvertriebenenvereine;<br />

1951 wurde der<br />

„Bund der Vertriebenen“ gegründet<br />

sowie der „Bund der Heimatvertriebenen<br />

und Entrechteten (BHE)“ als politische<br />

Partei. Mit der fortschreitenden<br />

Integration der Vertriebenen in die<br />

westdeutsche Gesellschaft verloren<br />

deren Interessenvertretungen zunehmend<br />

an Gewicht.<br />

�<br />

19


„Opferkonkurrenz“<br />

Ab 1970 – so die damals vorherrschende<br />

Meinung – galten die Vertriebenen<br />

als vollständig integriert. „Der Stolz<br />

der Politiker ‚Wir haben sie eingegliedert’“,<br />

so Hirsch, „traf auf den Stolz<br />

der Vertriebenen ‚Wir haben es geschafft’.“<br />

Ab Mitte der 80er Jahre<br />

brach sich allmählich eine kritischere<br />

Sicht Bahn, die den Integrationsprozess<br />

in vielerlei Hinsicht hinterfragte.<br />

Diese Phase hält bis heute an. Neuere<br />

Untersuchungen zeigen Hirsch zufolge,<br />

dass viele Einheimische doch nicht<br />

so aufnahmebereit waren, wie vielfach<br />

behauptet. An vielen Orten entwickelte<br />

sich eine Art „Opferkonkurrenz“ zwischen<br />

denen, die alles verloren hatten<br />

und denen, die alles außer der Heimat<br />

verloren hatten. Witze wie: „Wer war<br />

der erste Vertriebene? Der Mond. Er<br />

stammt aus dem Osten und hat einen<br />

Hof.“ machten angesichts von Lastenausgleich<br />

und strebsamen zugewanderten<br />

„Häuslebauern“ die Runde bei<br />

den Einheimischen. Besonders in der<br />

jüngeren Vertriebenengeneration<br />

herrschte eine sehr starke Leistungsorientierung<br />

vor. „Was zählte war Wissen<br />

und Können, nicht Hab und Gut.“<br />

Die Jüngeren unter den Vertriebenen<br />

hatten erheblich weniger Probleme,<br />

sich einzugliedern als die ältere Generation.<br />

Die Kinder waren oft in einer<br />

schwierigen Situation: Erfüllter<br />

Anpassungsdruck von außerhalb der<br />

Familie provozierte das Unverständnis<br />

der Eltern, die die Übernahme der<br />

neuen Sitten durch die Kinder oft als<br />

„Verrat“ empfanden. Die konkreten<br />

Ereignisse der Flucht und Vertreibung<br />

wirken nach wie vor nach: Bei 1999<br />

untersuchten ehemaligen Vertriebenen<br />

stellten Psychologen bei 62 Prozent<br />

nachweisbare Traumatisierungen fest.<br />

Chance der „oral<br />

history“<br />

Höchste Zeit sei es, so die Forderung<br />

Helga Hirschs, das Thema Flucht und<br />

Vertreibung aus der Vorwurfsecke des<br />

„Revanchismus“ heraus zu holen. Oral<br />

History kann hierbei einen wichtigen<br />

Beitrag als Ergänzung zur systematischen<br />

Forschung leisten. In Polen und<br />

Deutschland immer noch stark domi-<br />

20<br />

nierende Klischees können durch persönliche<br />

Begegnungen, durch Erzählen<br />

der eigenen Erlebnisse am nachhaltigsten<br />

in Frage gestellt und überwunden<br />

werden. Dabei sind Irritationen<br />

nicht immer zu vermeiden: „Solange<br />

sich Deutsche selbst als Täter<br />

und sich Polen und Tschechen selbst<br />

als Opfer gesehen haben, haben sich<br />

die Selbstbilder ergänzt. Mit der Entwicklung,<br />

dass sich die Deutschen auch<br />

als Opfer sehen, sind Irritationen bei<br />

den Nachbarn vorprogrammiert!“<br />

Sich weiterhin an der „geronnenen Geschichte<br />

mittels Gerichtsverfahren und<br />

Wiedergutmachungsforderungen“ abzuarbeiten,<br />

bringe wenig Fortschritt, so<br />

Hirsch. Statt dessen sollte man alle<br />

Seiten des Leids berücksichtigen. Die<br />

Deutschen müssten lernen, dass es<br />

auch noch andere Opfer gab als die<br />

Helga Hirsch<br />

Geboren 1948 in Estorf/Weser. Studium der Germanistik und<br />

Politikwissenschaft, anschließend Promotion mit einer Arbeit über<br />

die antikommunistische Opposition in Polen.<br />

1989-1995 Korrespondentin der Wochenzeitung „Die Zeit“ in Warschau.<br />

Berichte von den Wende- und Nachwende-Ereignissen aus<br />

Polen und anderen post-kommunistischen Staaten (u.a. Rumänien,<br />

Jugoslawien, Albanien, Litauen). Seit 1996 freie Publizistin in Berlin<br />

(u.a. <strong>für</strong> die FAZ, Die Welt, den WDR, den Deutschlandfunk und<br />

ARTE). 2001 Deutsch-Polnischer Journalistenpreis.<br />

Buchpublikationen:<br />

Die Rache der Opfer – Deutsche in polnischen Lagern 1945-1950<br />

(Berlin 1998);<br />

Ich habe keine Schuhe nicht – Lebensläufe von polnischen,<br />

jüdischen und deutschen Grenzgängern<br />

(Berlin: Berliner Taschenbuchverlag 2004);<br />

Schweres Gepäck. Flucht und Vertreibung als Lebensthema<br />

(Hamburg: Edition Körber-Stiftung 2005).<br />

Dokumentarfilme:<br />

Späte Opfer – Deutsche in polnischen Lagern 1945-1950 (WDR/<br />

MDR 1999); Der Erbfeind – Preußen/Deutschland aus polnischer<br />

Sicht (ARTE 2001); Schönes Land, armes Land – Bulgarien sucht<br />

den Anschluss an den Westen (ORB/ARTE 2003); Mein Überleben<br />

in Kolbuszowa – Ein amerikanischer Jude reist nach 57 Jahren in<br />

seine ostpolnische Heimat (rbb 2005).<br />

Zentrum gegen Vertreibungen: www.z-g-v.de<br />

Juden, die Polen müssten lernen, dass<br />

auch den Deutschen Unrecht zugefügt<br />

wurde und das heutige Deutschland<br />

keine revanchistische Gefahr mehr<br />

darstelle. Es müsse Schluss damit sein,<br />

Leiden gegeneinander aufzurechnen.<br />

Kein Weg werde daran vorbei führen,<br />

einander zuzuhören und Mitgefühl zu<br />

entwickeln. Helga Hirsch verlieh ihrer<br />

Hoffnung Ausdruck, dass dem „Beschweigen“<br />

nun das „Besprechen“ folge,<br />

Besprechen „in Ruhe und Respekt<br />

vor den unterschiedlichen historischen<br />

Erfahrungen des Gegenübers.“ �<br />

Manfred Schwarzmeier<br />

<strong>Akademie</strong>-Report 2/2005


Versetzt man sich in die Zeitgenossen<br />

in Deutschland hinein, wird der Symbolgehalt<br />

dieses Tages noch komplexer.<br />

Der spätere erste Bundespräsident<br />

der in jeder Hinsicht neu zu gründenden<br />

Republik, Theodor Heuss, hat diese<br />

Komplexität am 8. Mai 1949 verdeutlicht.<br />

Im Parlamentarischen Rat<br />

sagte er: „Im Grunde genommen bleibt<br />

dieser 8. Mai 1945 die tragischste und<br />

fragwürdigste Paradoxie der Geschichte<br />

<strong>für</strong> jeden von uns. Warum denn?<br />

Weil wir erlöst und vernichtet in einem<br />

gewesen sind.“<br />

Grausame Bilder<br />

<strong>Akademie</strong>-Report 2/2005<br />

„Erlöst und vernichtet in einem“<br />

Die Deutschen haben wenigstens im<br />

Westen ihre Befreier und Besatzer<br />

willkommen geheißen. Sie respektieren<br />

sie auch heute noch. Zugleich aber<br />

litten sie unter der elenden Situation<br />

in Not und Trümmern. Als ihnen mit<br />

dramatischen Bildern aus den Konzentrationslagern<br />

die Augen geöffnet wurden,<br />

hatten sie zudem erschüttert zur<br />

Kenntnis zu nehmen, welch grausame<br />

Verbrechen sie durch ihr politisches<br />

Versagen begünstigt hatten.<br />

Erlöst und vernichtet in einem. Das ist<br />

in der Tat die Situation jenes Volkes<br />

gewesen, das Hitler an die Macht kommen<br />

und gewähren ließ und, wenn<br />

Gedanken zum 8. Mai 1945*<br />

von <strong>Akademie</strong>direktor Prof. Dr. Dr. h.c. Heinrich Oberreuter<br />

Ist dieser 8. Mai vor 60 Jahren ein Tag der Befreiung gewesen?<br />

Ganz gewiss ein Tag der Befreiung vom Joch des Nationalsozialismus<br />

und des Krieges, ein Tag der Freiheit <strong>für</strong> die Gedemütigten<br />

und Geknechteten in den Gefängnissen und Konzentrationslagern.<br />

Aber gilt diese Interpretation <strong>für</strong> ganz Europa? Ganz gewiss<br />

nicht; denn im Osten wurde eine Diktatur durch eine andere ersetzt,<br />

mit schrecklichen Folgen. Konzentrationslager in der Ostzone<br />

wurden nahtlos weiter benutzt, nur die Insassen wechselten. Daher<br />

fällt es heute osteuropäischen Regierungen, speziell im Baltikum,<br />

schwer, zu Jubiläumsfeierlichkeiten nach Moskau zu reisen.<br />

überhaupt, zu Einsichten erst fand, als<br />

es zu spät war. Man mag die „Vernichtung“<br />

als gerechte Strafe der Geschichte<br />

betrachten. Aber man muss auch<br />

konzedieren, dass die Betroffenen<br />

Komplexität und Paradoxie ihrer Situation<br />

empfanden, wie Heuss sie be-<br />

schrieb. Hoffentlich möchte man hinzufügen.<br />

Denn zur historischen Wahrheit<br />

gehört auch, dass demoskopische<br />

Befunde bis weit in die 50er Jahre erstaunliche<br />

Resistenz nationalsozialistischen<br />

und antisemitischen Gedankenguts<br />

offenbaren.<br />

In der unmittelbaren Nachkriegszeit<br />

gab es ganz sicher verbreitet Unwillen<br />

und Unsicherheit, sich zur erlebten<br />

Vergangenheit zu positionieren. Man<br />

scheute die Betroffenheit, die uns ja<br />

heute noch überfällt, wenn wir uns mit<br />

noch so rationalen Absichten dieser<br />

Phase zuwenden. Warum ist das so?<br />

Als der große Historiker Friedrich<br />

Meinecke unmittelbar nach ihrem<br />

*Ansprache bei der Gedenkstunde der Stadt Passau am 7. Mai 2005<br />

Ende im Jahre 1946 der „deutschen<br />

Katastrophe“ nachspürte, warf er eine<br />

uns heute noch bewegende Frage auf;<br />

die Frage, ob man je vollkommen verstehen<br />

könne, was sich in den zwölf<br />

Jahren des „Dritten Reichs“ an Ungeheuerlichem<br />

ereignet habe. Beispiellos<br />

ist die fabrikmäßige Ermordung der<br />

Juden. Aber auch die anderen Opfer,<br />

die Sinti und Roma, die Kranken, die<br />

Homosexuellen und die Widerständigen<br />

dürfen nicht hintangestellt werden.<br />

Auch heute noch wird man sagen können,<br />

dass es zwar viele Interpretationen,<br />

Erklärungen und Erkenntnisse<br />

gibt. Aber vollkommen verstehen können<br />

wir noch immer nicht. Und dort,<br />

wo die Humanität mit Füßen getreten<br />

worden ist, weigern wir uns zu verstehen,<br />

was an nüchterner Erkenntnis so<br />

„Es ist geschehen,<br />

und folglich kann es wieder geschehen.<br />

Es kann geschehen, überall.“ Primo Levi<br />

offen vor uns liegt. Es übersteigt unsere<br />

Fassungskraft. Man kann ja<br />

Auschwitz, Buchenwald und Mauthausen,<br />

ebenso aber auch Yad Vashem<br />

in Jerusalem oder das Holocaust-Museum<br />

in Washington nur tief erschüttert<br />

und aufgerüttelt verlassen.<br />

Der Schatten, den diese Epoche auf die<br />

deutsche Geschichte wirft, wird und<br />

muss noch auf lange Zeit Generationen<br />

in Pflicht nehmen, die von den damaligen<br />

Ereignissen weder unmittelbar<br />

betroffen, noch auch nur im entferntesten<br />

gar schuld an ihnen sind.<br />

Für sie gilt das Wort des KZ-Häftlings<br />

Primo Levi: „Es ist geschehen, und<br />

folglich kann es wieder geschehen.<br />

Es kann geschehen, überall.“ Daraus<br />

leitet sich die Verpflichtung ab, wachsam<br />

zu sein und Anfängen zu wehren.<br />

�<br />

21


Radikale Folgen<br />

Primo Levis „überall“ nimmt den<br />

Deutschen in Gegenwart und Zukunft<br />

gleichsam ihre exklusive Position. Sicher<br />

ist richtig, dass der Nationalsozialismus<br />

kein vorgezeichnetes, unentrinnbares,<br />

im Nationalcharakter der<br />

Deutschen liegendes Schicksal war;<br />

entsprechende Erklärungsversuche<br />

haben sich als untauglich erwiesen.<br />

Dennoch muss man fragen, warum<br />

Krisensymptome, die es im damaligen<br />

Europa gemeinhin gab, auf deutschem<br />

Boden ihre radikalsten Folgen zeitig-<br />

Heinrich Oberreuter: Unrecht verändert<br />

seine Qualität nicht, indem<br />

es seine Adressaten wechselt.<br />

Foto: ms<br />

ten. Diese Epoche hat wie keine andere<br />

die Position Deutschlands und der<br />

Deutschen in der Welt geprägt. Sie fordert<br />

uns selbst heute nachhaltig heraus.<br />

Daher hat das „wehret den Anfängen“<br />

<strong>für</strong> uns auch besondere Bedeutung.<br />

Wir sind es uns selbst schuldig, aus<br />

dieser Geschichte zu lernen. Und wir<br />

haben es auch getan.<br />

Wer Rückfälle verhindern will, muss<br />

sich den Erinnerungen und Erfahrungen,<br />

er muss sich nüchterner Bestandsaufnahmen<br />

stellen. Wie schwer das<br />

fällt, hat sich nach 1945 gezeigt, als<br />

bewältigende und wahrscheinlich auch<br />

befreiende Kommunikation zunächst<br />

durch kollektives „Beschweigen“<br />

(Lübbe) verdrängt worden ist. Umbau<br />

einer beschädigten politischen Kultur<br />

und Diktaturverhütung sind aber nicht<br />

durch Schweigen, sondern nur durch<br />

öffentliche Auseinandersetzung mög-<br />

22<br />

lich – auch wenn es schwer fällt, sich<br />

in die Augen zu sehen, wenn man gegenseitig<br />

von den alltäglichen,<br />

durchaus oft nicht unbegründeten Opportunismen<br />

und Verstrickungen weiß.<br />

Aber Offenheit bietet größere Chancen,<br />

eine breitere Öffentlichkeit einzubeziehen.<br />

Diese Offenheit ist mit der<br />

Zeit erheblich gewachsen, sogar bis<br />

hinunter in den lokalen Raum, wo man<br />

sich eben in die Augen sehen muss.<br />

Lokale Geschichtsforschung, Schülerwettbewerbe<br />

und Jugendinitiativen<br />

haben aufklärend und informierend<br />

gewirkt. Es ist wichtig zu erinnern,<br />

dass Unrecht und Anpassung nicht ins<br />

Ferne entrückt gewesen, sondern Probleme<br />

der Nähe und des Nächsten<br />

waren. Für die Zwänge der Gewaltherrschaft<br />

gilt das gleiche. In dieser<br />

Übersetzung der großen Geschichte in<br />

die kleine Alltagsnähe und Alltagspraxis<br />

liegt wahrscheinlich der größte<br />

Lern- und Präventionseffekt.<br />

Werterfüllte Staatlichkeit<br />

Man muss diese Nähe geradezu suchen.<br />

Denn der Sinn des Lernens aus<br />

dieser Geschichte musste die Konstruktion<br />

eines Gegenmodells politischer<br />

Ordnung sein, dessen wichtigster<br />

Baustein der Respekt vor dem Individuum<br />

und seiner Freiheit ist. Dieser<br />

Respekt besitzt wiederum sein Fundament<br />

in der unverbrüchlichen Geltung<br />

des Rechts. Prävention lag daher<br />

auch in der Errichtung und Verteidigung<br />

einer pluralistisch-rechtsstaatlichen<br />

Demokratie und in dem Unterfangen,<br />

diese Staatsform in der Gedankenwelt<br />

und der politischen Kultur der<br />

Deutschen abzusichern. Sie ist entstanden<br />

aus Erfahrungen und Überzeugungen<br />

von fortwirkender Aktualität. Ich<br />

nenne drei:<br />

1. Der aus der deutschen „Kollektivscham“<br />

(Theodor Heuss) gespeiste<br />

politische Wille, sich von der NS-Diktatur<br />

ein <strong>für</strong> alle Mal abzusetzen und<br />

allen totalitären Anfälligkeiten endgültig<br />

abzuschwören. Gegen den Verderb<br />

aller Werte, welcher zur Schändung<br />

des Menschen und zur Vernichtung<br />

von Leben geführt hatte, stellt sich nun<br />

„werterfüllte Staatlichkeit“ (Ernst<br />

Forsthoff).<br />

2. Die Sorge, die wirklichen und<br />

vermeintlichen Fehler der Weimarer<br />

Verfassung, welche die Diktatur ermöglicht<br />

hatten, nicht zu wiederholen.<br />

Daher haben wir die Wertbindung und<br />

Wehrhaftigkeit der Demokratie eingeführt.<br />

Freilich liegt das Problem<br />

letztlich nicht in den Rechtsnormen,<br />

sondern in den politischen Einstellungen<br />

und Mentalitäten der Bürger.<br />

3. Die Absicht, endlich gesicherten<br />

Anschluss an das liberale Verfassungsdenken<br />

der pluralistischen Demokratien<br />

zu gewinnen. Das Experiment<br />

scheint geglückt. Die Demokratie<br />

hat auch in nun schon anhaltenden<br />

ökonomischen Krisenzeiten ihre<br />

grundsätzliche Attraktivität nicht verloren.<br />

Das war früher anders, als die<br />

Eliten in Verwaltung, Justiz, Militär,<br />

Wirtschaft und Politik Vorbehalte gegen<br />

die Demokratie konserviert hatten<br />

und ihre autoritäre Veränderung anstrebten.<br />

Sie haben nicht nur diesen<br />

Wandel, sondern einen Urknall bekommen.<br />

Heute isoliert sich in der Bundesrepublik<br />

politisch, wer die Grundprinzipien<br />

freiheitlicher Demokratie bestreitet.<br />

Bei allen gelegentlichen Herausforderungen<br />

an den Rändern ist der demokratische<br />

Konsens gesichert und in der<br />

politischen Kultur verankert.<br />

Dieser aus Erfahrung und Erinnerung<br />

geborene positive Wandel ist angesichts<br />

der historischen Vorbelastungen<br />

keineswegs selbstverständlich. Umso<br />

wichtiger ist er <strong>für</strong> uns alle. Fortlastende<br />

Hypotheken und Betroffenheiten<br />

werden dadurch nicht geringer.<br />

Aber gerade wenn die nachwachsenden<br />

Generationen ihren Platz in der<br />

Geschichte und eine angemessene Positionierung<br />

gegenüber der Zeitgeschichte<br />

gewinnen sollen, muss neben<br />

die Lasten auch die objektive Bewertung<br />

eines alles in allem geglückten demokratischen<br />

Neuansatzes treten. Der<br />

8. Mai hat uns natürlich auch zu diesem<br />

Neuanfang erlöst, so wenig die<br />

Zeitgenossen angesichts ihrer aktuellen<br />

Nöte damals an verfassungspolitischen<br />

Diskussionen interessiert gewesen<br />

sind.<br />

�<br />

<strong>Akademie</strong>-Report 2/2005


Wandel und Neuanfang besitzen zugleich<br />

auch Bedeutung <strong>für</strong> die Beurteilung<br />

des Totalitarismus. Zur Urteilssicherheit<br />

gehören zutreffende Maßstäbe.<br />

Diese Maßstäbe können nur<br />

aus den moralischen und ethischen<br />

Prinzipien des demokratischen Rechtsstaats<br />

entwickelt werden. Innere „Vergangenheitsbewältigung“<br />

und tatsächliches<br />

Lernen aus der Geschichte sind<br />

daher nur möglich, wenn diese Wertebasis<br />

akzeptiert wird. Ohne diese Basis<br />

wäre alle Betroffenheit<br />

hohl und nicht weit von Heuchelei<br />

entfernt. Nur auf dieser<br />

Basis tritt man, traten wir,<br />

in den Kreis zivilisierter Völker<br />

und wurden wirklich erst<br />

befähigt zu dem, was der<br />

deutsch-französisch-jüdische<br />

Brückenbauer Alfred Grosser<br />

als „Grundwert Europas“ bezeichnet<br />

hat: das „Verständnis<br />

<strong>für</strong> das Leiden der Anderen“.<br />

Unverbrüchliches<br />

Recht<br />

Diese moralisch-ethische Dimension<br />

gibt uns auch Orientierung<br />

<strong>für</strong> den Umgang mit<br />

dem eigenen Schicksal, <strong>für</strong><br />

den Umgang mit der „tragischsten<br />

und fragwürdigsten<br />

Paradoxie“ unserer Geschichte.<br />

Sie verbietet primitives<br />

Aufrechnen und unreflektierten<br />

Drang danach, „endlich<br />

Wahrheiten“ auszusprechen,<br />

die oberflächlich, intellektuell<br />

unzulänglich und zugleich<br />

stillos sind. Keine Untat relativiert<br />

ja eine andere. Diese moralischethische<br />

Dimension verbietet allerdings<br />

nicht, im Sinne Immanuel Kants<br />

an die „Majestät des Rechts“ zu erinnern.<br />

Dass das Recht unverbrüchlich gelten<br />

muss, ist die große Lehre aus der Diktaturgeschichte<br />

des 20. Jahrhunderts.<br />

Unrecht bleibt Unrecht. Es verändert<br />

seine Qualität nicht, indem es seine<br />

Adressaten wechselt. Auch menschliches<br />

Leid ist unabhängig von nationalen,<br />

ethnischen oder religiösen Zuge-<br />

<strong>Akademie</strong>-Report 2/2005<br />

hörigkeiten, so unterschiedlich es in<br />

seinen Dimensionen sein kann. Daher<br />

hätten sich auch die Deutschen schon<br />

immer an das Leid erinnern dürfen, das<br />

mit diesem Gedenktag verbunden ist.<br />

Der jüngst entflammten literarischen<br />

Diskussion hätte es dazu nicht bedurft.<br />

Wir befinden uns insofern auch heute<br />

noch inmitten der Paradoxie, von der<br />

Theodor Heuss sprach. Wir stoßen<br />

auch immer wieder auf Schwierigkei-<br />

Nach einem Nachtangriff im März 1945 in der Münchner<br />

Ludwigstraße.<br />

Foto aus: „Bomber über München“,<br />

W. Ludwig Buchverlag/Südwest Verlag, München<br />

ten, mit dieser Komplexität umzugehen.<br />

Untrennbar verbunden mit diesem<br />

Problem bleibt die Einsicht, dass die<br />

Voraussetzungen <strong>für</strong> erlittenes Unbill<br />

in den Entgleisungen der eigenen Geschichte<br />

liegen. Diese Einsicht birgt<br />

auch die Grenzen <strong>für</strong> unziemliche Relativierungen<br />

und <strong>für</strong> jene Art eines unreflektierten<br />

Patriotismus, der nur der<br />

Nation huldigt, ethische Bindungen<br />

aber abstreift. Derlei Einstellungen<br />

verdienen angesichts der Erfahrungen<br />

mit Nationen ohne Recht und Ethik<br />

keine Toleranz.<br />

Erinnerung als Maßstab<br />

<strong>für</strong> die Zukunft<br />

Vom großen jüdischen Religionsphilosophen<br />

Martin Buber stammt das<br />

Wort, dass Erinnerung Voraussetzung<br />

<strong>für</strong> Versöhnung sei. Dieses Wort gilt<br />

<strong>für</strong> alle, und es gilt <strong>für</strong> alle Gesellschaften<br />

nach innen wie nach außen. Die<br />

Erinnerung, die Buber meint, muss<br />

freilich reflektiert und vollständig sein<br />

– und sie ist gerade<br />

dadurch auch schmerzlich.<br />

Für die Opfer<br />

bleibt sie eine erschütternde<br />

Zumutung. Ohne<br />

Großmut wird keines<br />

die Hand reichen können.<br />

Im Kern geht es ja<br />

nicht um Ideologien und<br />

Systeme, sondern um<br />

Menschen, ihre Schicksale<br />

und Verhaltensweisen.<br />

Wir können vor der Erinnerung<br />

nicht fliehen,<br />

weil sie uns <strong>für</strong> die Zukunft<br />

Mahnung und<br />

Maßstab gibt.<br />

Der 8. Mai ist nicht nur<br />

eine deutsche, sondern<br />

wenigstens auf der<br />

Nordhalbkugel dieser<br />

Erde eine Menschheitserfahrung.<br />

Seither wis-<br />

sen wir, dass die Zukunft<br />

nur auf dem Fundament<br />

von Freiheit und<br />

Recht erbaut werden<br />

kann, die den Menschen<br />

respektieren; den Menschen<br />

gleich welcher<br />

Herkunft und welchen Bekenntnisses,<br />

sei es christlich, jüdisch oder anders.<br />

Zu denen, die aus diesem Wissen Konsequenzen<br />

gezogen haben, gehören<br />

nach dem 8. Mai 1945 auch die Deutschen.<br />

Dadurch sind sie in die Gemeinschaft<br />

zivilisierter Nationen zurückgekehrt.<br />

Doch mehr als andere müssen<br />

sie sich aufgrund ihrer besonderen Vergangenheit<br />

potentieller Gefährdungen<br />

bewusst bleiben. Und solange sie sich<br />

erinnern, werden sie aus der Erinne-<br />

rung zutreffende Orientierungen <strong>für</strong><br />

Gegenwart und Zukunft gewinnen. �<br />

23


60 Jahre Kriegsende:<br />

Stalinisierung und Zwangsvereinigung<br />

Zeitzeuge Wolfgang Leonhard berichtet von der Vorgeschichte der DDR<br />

„Der konnte nehmen und stecken!“ Diese äußerst kompakte und<br />

griffige Charakterisierung von Walter Ulbricht lieferte Wolfgang<br />

Leonhard. Er war Mitglied der „Gruppe Ulbricht“, die nach Kriegsende<br />

im Mai 1945 eine Verwaltung im sowjetisch besetzten Teil<br />

Berlins aufbauen sollte. Diese Eigenschaft qualifizierte Ulbricht<br />

hochgradig <strong>für</strong> eine Aufgabe, die sich ihm im Rahmen der sowjetischen<br />

Besatzung 1945 stellte. „Nehmen und stecken“ bezog sich<br />

auf die Fähigkeit, Organisation zu schaffen. Person X aus A nehmen<br />

und nach B stecken. Leonhard betonte, dass Ulbricht rein aus<br />

dem Kopf ein komplettes Ministerium inklusive aller Personen<br />

planen konnte, aber an anderen Dingen wenig interessiert war: keine<br />

Kunst, keine Literatur, keine Musik, keine Frauen und wenig Interesse<br />

an Ideologie.<br />

Wolfgang Leonhard (Jahrgang<br />

1921) lebte seit 1935<br />

im Exil in Moskau, als ihn<br />

im Februar 1945 zusammen mit anderen<br />

deutschen Kommunisten unter<br />

Ulbrichts Leitung der „Marschbefehl“<br />

nach Berlin erreichte. Ulbrichts Konzept<br />

und Aufgabe war es, einen antifaschistisch-demokratischen<br />

Block zu<br />

schaffen. Begriffe wie sozialistisch,<br />

kommunistisch oder marxistisch tauchten<br />

kaum auf. Forciert werden sollten<br />

die Gründungen einer sozialdemokratischen,<br />

einer bürgerlichen, einer freiheitlich-liberalen<br />

und einer kommunistischen<br />

Partei. In der Besetzung der<br />

Verwaltungsposten waren nicht mehrheitlich<br />

Kommunisten vorgesehen.<br />

Parteigründungen<br />

Zündstoff bot die Schaffung einer bürgerlichen<br />

Partei. Wegen der früher<br />

existierenden Strukturen einer katholischen<br />

Zentrumspartei waren die Protestanten<br />

tendenziell im Nachteil. Deshalb<br />

erfolgte die Etablierung einer<br />

überkonfessionellen Partei: der Christlich-Demokratischen<br />

Union (CDU).<br />

Mit der Gründung der Liberaldemokratischen<br />

Partei Deutschlands<br />

(LDPD) am 14. Juli 1945 war der Prozess<br />

der Parteibildung abgeschlossen.<br />

Stalin selbst hatte, so Leonhard, nach<br />

einem Treffen mit Ulbricht in Moskau<br />

den bereits von den Funktionären der<br />

24<br />

KPdSU vorgefertigten Parteiprogrammen<br />

umfangreiche Passagen hinzugefügt;<br />

und dies nicht im Sinne des Kommunismus.<br />

Vielmehr erhielten die<br />

Schriften eine recht liberale Note.<br />

Mittelfristig war geplant, dass die Sozialdemokraten<br />

und die Kommunisten<br />

– wenigstens in der SBZ – in einer<br />

Organisation aufgingen, die danach<br />

eine komfortable Mehrheit haben würde.<br />

Allerdings vollzog sich in den folgenden<br />

Monaten eine Entwicklung, mit<br />

der die Gruppe Ulbricht nicht besonders<br />

glücklich war: die SPD zeichnete<br />

sich ab Oktober 1945 als stärkste Kraft<br />

ab und hegte nur wenig Ambitionen,<br />

sich mit der KPD zu verbinden. Daher<br />

wurden Maßnahmen ergriffen, um den<br />

Fusionswillen etwas zu bestärken. Und<br />

dies nicht, wie weithin angenommen,<br />

nur über den Weg der Gewalt. Denn<br />

allein durch Zwang, so Leonhard, hätte<br />

man das nicht erreichen können.<br />

Eine Zeit des Umwerbens wackeliger<br />

SPD-Kandidaten begann. Kommunistische<br />

Druckereien publizierten plötzlich<br />

Werke klassischer sozialdemokratischer<br />

Denker. Die Parität in einer gemeinsamen<br />

Organisation wurde stark<br />

betont. Aber der SPD-Vorsitzende Otto<br />

Grotewohl als starker und bedeutender<br />

Vertreter der Sozialdemokratie<br />

konnte nicht als Partner gewonnen<br />

werden. Ein Gespräch mit dem sowjetischen<br />

Militärkommandanten Schu-<br />

kow, der gewisse Karrieremöglichkeiten<br />

<strong>für</strong> Grotewohl durchblicken ließ,<br />

räumte auch dieses Hindernis aus dem<br />

Weg.<br />

Bei Umfragen, die die sowjetische<br />

Militäradministration durchführen<br />

ließ, sprach sich jedoch die Mehrzahl<br />

der SPD-Mitglieder <strong>für</strong> ein Bündnis,<br />

nicht aber <strong>für</strong> eine Verschmelzung mit<br />

der KPD aus. Nachdem die Siegermacht<br />

einen Termin <strong>für</strong> Landtagswahlen<br />

auf das Jahr 1946 festlegte, drängte<br />

die Zeit. Stalin wies an, dass eine<br />

Verschmelzung bis zum 1. Mai 1946<br />

vollzogen sein musste.<br />

Zwangsvereinigung<br />

Im April 1946 fand die Zwangsvereinigung<br />

der beiden Parteien zur Sozialistischen<br />

Einheitspartei Deutschlands<br />

(SED) statt. Grotewohl bezeichnete die<br />

SED am Vereinigungsparteitag als die<br />

große Kraft, die da<strong>für</strong> sorgen würde,<br />

dass man auf die russischen Bajonette<br />

nicht mehr angewiesen sein würde. Die<br />

vermeintliche Parteilinie ruhte auf einem<br />

Konzept der Parität und Meinungsfreiheit<br />

ohne russische Dominanz.<br />

Wenig später waren die Sozialdemokraten<br />

aus den Reihen der SED<br />

weitgehend verschwunden. Die Aussenpolitik<br />

orientierte sich strikt an<br />

Moskau, ursprünglich überparteiliche<br />

Organisationen wie die Freie Deutsche<br />

Jugend (FDJ) wurden dem Parteiapparat<br />

untergliedert. Innerhalb der Partei<br />

begann eine „Säuberung von entarteten<br />

Elementen“. Die SED sollte die<br />

Geschicke der DDR bis 1989 bestimmen.<br />

Als Wolfgang Leonhard die fortschreitende<br />

Stalinisierung erkannte, flüchtete<br />

er im März 1949 unter Lebensgefahr<br />

in das blockfreie Jugoslawien und<br />

von dort Ende 1950 in die Bundesrepublik.<br />

Später lehrte er unter anderem<br />

in Oxford und Yale. Der 84-Jährige gilt<br />

als Kapazität der internationalen Kommunismusforschung.<br />

�<br />

Markus Schad/Michael Schröder<br />

<strong>Akademie</strong>-Report 2/2005


zeitungsecho+medienstimmen+pressesplitter<br />

<strong>Akademie</strong>-Arbeit und Veranstaltungen im Spiegel der Medien<br />

Süddeutsche Zeitung (STA) vom 19./20. März 2005:<br />

„Ohne genaueste Kenntnis, wie<br />

man so etwas macht, wäre das nicht<br />

möglich gewesen“, erklärte Historiker<br />

und Kommunismus- Experte<br />

Wolfgang Leonhard rund 80 Zuhörern<br />

am vergangenen Mittwoch<br />

in der <strong>Politische</strong>n <strong>Akademie</strong> <strong>Tutzing</strong>.<br />

Als SED-Funktionär war Leonhard<br />

aus Protest gegen den Stalinismus<br />

im März 1949 über die Tschechoslowakei<br />

nach Jugoslawien geflohen.<br />

„Ich bin der erste Dissident<br />

der DDR“, sagte der 84-Jährige<br />

und schilderte seine „lebensgefährliche“<br />

Flucht, die nur mit Hilfe<br />

von Menschenschmugglern glückte,<br />

über Dresden und Prag nach<br />

Jugoslawien.<br />

Mit neun anderen Funktionären<br />

war der 1935 mit seiner Mutter<br />

nach Moskau emigrierte Leonhard<br />

im Mai 1945 als Mitglied der<br />

„Gruppe Ulbricht“ von Moskau<br />

nach Berlin gekommen und war<br />

dort im Regierungsapparat von<br />

Walter Ulbricht tätig. Von seinem<br />

jugoslawischen Fluchtort Belgrad<br />

aus übersiedelte er Ende 1950<br />

nach Westdeutschland und machte<br />

sich als Ost- und Kommunismus-<br />

<strong>Akademie</strong>-Report 2/2005<br />

Ein Dissident erinnert sich<br />

Vom Regierungsapparat in der DDR zu den Menschenschmugglern:<br />

Wolfgang Leonhard erlebte die Vorgeschichte<br />

der DDR aus nächster Nähe mit.<br />

Foto: Schröder<br />

Experte einen Namen. Aber<br />

auch dort sei er zunächst nicht<br />

in Sicherheit gewesen. „Es gab<br />

konkrete Pläne vom SED-Regime,<br />

mich zu entführen“, be-<br />

richtete er. Erst nach der Veröffentlichung<br />

seines Buches<br />

„Die Revolution entlässt ihre<br />

Kinder“ habe sich die Situation<br />

entspannt.<br />

25


26<br />

<strong>Themen</strong> <strong>Tagungen</strong> <strong>Termine</strong><br />

Für die mit einem * gekennzeichneten <strong>Tagungen</strong> gibt es bereits einen festen Teilnehmerkreis. Zusätzliche Anmeldungen<br />

sind nur in Ausnahmefällen und nach Rücksprache mit dem Tagungsleiter möglich. Wir bitten um Ihr<br />

Verständnis!<br />

Juni<br />

22-1 2. – 3. Juni<br />

Führen Regierungen tatsächlich?<br />

Gouvernementale Steuerungspraxis in vergleichender Perspektive<br />

In Zusammenarbeit mit der Deutschen Vereinigung <strong>für</strong> <strong>Politische</strong> Wissenschaft<br />

Leitung: Manfred Schwarzmeier/Everhard Holtmann/Werner J. Patzelt<br />

Sekretariat: Renate Heinz Tel. 08158/256-50<br />

22-3 3. – 5. Juni<br />

Zwischen Legitimität und Effektivität<br />

Zur Rolle des Parlaments im Bereich außenpolitischen Handelns<br />

In Zusammenarbeit mit der Deutschen Vereinigung <strong>für</strong> Internationales Recht<br />

und der Technischen Universität Chemnitz<br />

Leitung: Heinrich Oberreuter/Gerald Kretschmer/Rudolf Geiger<br />

Sekretariat: Sybille Haug Tel. 08158/256-47<br />

22-4 3. - 5. Juni<br />

Weltweites Konfliktmanagement<br />

Leitung: Saskia Hieber<br />

Sekretariat: Ina Rauš Tel. 08158/256-53<br />

23-1* 6. – 10. Juni<br />

Perspektiven der internationalen Entwicklungspolitik<br />

Lehrerfortbildung mit der <strong>Akademie</strong> Dillingen<br />

Leitung: Saskia Hieber/Claudia Reichmann<br />

Sekretariat: Ina Rauš Tel. 08158/256-53<br />

23-2 6. – 10. Juni<br />

Nachhaken und durchblicken – Recherchetraining <strong>für</strong> Volontäre<br />

In Zusammenarbeit mit dem Institut <strong>für</strong> Journalistenausbildung und<br />

Kommunikationsforschung an der Universität Passau<br />

Leitung: Michael Schröder<br />

Sekretariat: Heike Bäuerle Tel. 08158/256-46<br />

23-3 10. – 12. Juni<br />

Regieren mit weniger Geld<br />

Reformpolitik in Zeiten knapper Kassen<br />

Leitung: Michael Schröder/Manfred Schwarzmeier/Jürgen Weber<br />

Sekretariat: Heike Bäuerle Tel. 08158/256-46<br />

24-1 13. – 15. Juni<br />

Würde bis zum Lebensende?<br />

Altern, Sterben und Sterbehilfe<br />

Leitung: Miriam Wolf<br />

Sekretariat: Renate Heinz Tel. 08158/256-50<br />

<strong>Akademie</strong>-Report 2/2005


<strong>Themen</strong> <strong>Tagungen</strong> <strong>Termine</strong><br />

Für die mit einem * gekennzeichneten <strong>Tagungen</strong> gibt es bereits einen festen Teilnehmerkreis. Zusätzliche Anmeldungen<br />

sind nur in Ausnahmefällen und nach Rücksprache mit dem Tagungsleiter möglich. Wir bitten um Ihr<br />

Verständnis!<br />

<strong>Akademie</strong>-Report 2/2005<br />

Juni<br />

24-3 17. – 19. Juni<br />

50 Jahre Bundeswehr – zwischen Tradition und Transformation<br />

Leitung: Saskia Hieber<br />

Sekretariat: Renate Heinz Tel. 08158/256-50<br />

24-4 19. Juni<br />

8. Passauer Tetralog<br />

Ein Podiumsgespräch zum Thema „Der verletzliche Mensch und die Gewalt –<br />

Europäische Erinnerungskultur als Fundament der Zukunft“<br />

in Zusammenarbeit mit den Festspielen Europäische Wochen Passau<br />

Leitung: Heinrich Oberreuter<br />

Sekretariat: Sybille Haug Tel. 08158/256-47<br />

25-1* 20. – 24. Juni<br />

Deutschland – 15 Jahre nach der Wiedervereinigung<br />

Lehrerfortbildung mit der <strong>Akademie</strong> Dillingen<br />

Leitung: Jürgen Weber/Siegfried Münchenbach<br />

Sekretariat: Ina Rauš Tel. 08158/256-53<br />

25-2* 20. – 24. Juni<br />

Politik in der Mediendemokratie<br />

Lehrerfortbildung mit der <strong>Akademie</strong> Dillingen<br />

Leitung: Michael Schröder/Gottlieb Gaiser<br />

Sekretariat: Renate Heinz Tel. 08158/256-50<br />

25-5 22. Juni<br />

<strong>Akademie</strong>gespräch im Landtag<br />

Leitung: Heinrich Oberreuter<br />

Sekretariat: Karin Sittkus Tel. 08158/256-49<br />

25-3 24. – 26. Juni<br />

Nation Building – Staaten vom Reißbrett?<br />

In Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft der Vereinten Nationen<br />

Leitung: Michael Piazolo<br />

Sekretariat: Ina Rauš Tel. 08158/256-53<br />

26-2* 27. – 29. Juni<br />

Besser lernen, flexibler arbeiten – Frauen und Familien unter Stress<br />

Tagung mit dem Deutschen Hausfrauenbund Bayern<br />

Leitung: Karl-Heinz Willenborg<br />

Sekretariat: Heike Bäuerle Tel. 08158/256-46<br />

27


28<br />

<strong>Themen</strong> <strong>Tagungen</strong> <strong>Termine</strong><br />

Für die mit einem * gekennzeichneten <strong>Tagungen</strong> gibt es bereits einen festen Teilnehmerkreis. Zusätzliche Anmeldungen<br />

sind nur in Ausnahmefällen und nach Rücksprache mit dem Tagungsleiter möglich. Wir bitten um Ihr<br />

Verständnis!<br />

Juli<br />

26-7 30. Juni – 2. Juli<br />

Menschenwürdige Wirtschaftsordnung<br />

In Zusammenarbeit mit dem Institut <strong>für</strong> Wirtschaftsforschung Halle<br />

Leitung: Ulrich Blum/Heinrich Oberreuter<br />

Sekretariat: Sybille Haug Tel. 08158/256-47<br />

27-5* 4. – 8. Juli<br />

Der neue Lehrplan in Sozialkunde an Berufs- und Berufsfachschulen<br />

Lehrerfortbildung mit der <strong>Akademie</strong> Dillingen<br />

Leitung: Siegfried Münchenbach/Karl-Heinz Willenborg<br />

Sekretariat: Renate Heinz Tel. 08158/256-50<br />

27-4 8. – 9. Juli<br />

Großmacht China<br />

Leitung: Saskia Hieber<br />

Sekretariat: Ina Rauš Tel. 08158/256-53<br />

28-1* 11. – 13. Juli<br />

Probleme des Geschichtsunterrichts an Realschulen<br />

Lehrerfortbildung mit der <strong>Akademie</strong> Dillingen<br />

Leitung: Hannelore Lachner/Karl-Heinz Willenborg<br />

Sekretariat: Renate Heinz Tel. 08158/256-50<br />

28-2* 11. – 13. Juli<br />

EU-Erweiterung – ein Jahr danach<br />

Bilanz und Perspektiven<br />

In Zusammenarbeit mit dem Deutschen Evangelischen Frauenbund,<br />

dem Deutschen Frauenring und dem Katholischen Deutschen Frauenbund/Landesverbände Bayern<br />

Leitung: Jürgen Weber<br />

Sekretariat: Renate Heinz Tel. 08158/256-50<br />

28-3 15. – 17. Juli<br />

Mehr Gerechtigkeit durch Politik! Aber wie?<br />

Leitung: Heinrich Oberreuter/Saskia Hieber/Michael Schröder/<br />

Karl-Heinz Willenborg/Miriam Wolf<br />

Sekretariat: Ina Rauš Tel. 08158/256-53<br />

29-1* 20. Juli<br />

Europa und die internationale Sicherheit<br />

Tagung in Zusammenarbeit mit Studienseminaren <strong>für</strong> berufliche Schulen<br />

Leitung: Karl-Heinz Willenborg<br />

Sekretariat: Heike Bäuerle Tel. 08158/256-46<br />

<strong>Akademie</strong>-Report 2/2005


<strong>Themen</strong> <strong>Tagungen</strong> <strong>Termine</strong><br />

Für die mit einem * gekennzeichneten <strong>Tagungen</strong> gibt es bereits einen festen Teilnehmerkreis. Zusätzliche Anmeldungen<br />

sind nur in Ausnahmefällen und nach Rücksprache mit dem Tagungsleiter möglich. Wir bitten um Ihr<br />

Verständnis!<br />

<strong>Akademie</strong>-Report 2/2005<br />

August<br />

31-1* 1. – 4. August<br />

Fragen zur Zeitgeschichte – Probleme der Gegenwart<br />

Ferienseminar 1 <strong>für</strong> Geschichts- und Sozialkundelehrer/innen<br />

Leitung: Jürgen Weber<br />

Sekretariat: Ina Rauš Tel. 08158/256-53<br />

31-2 4. – 7. August<br />

Internationale Politik: USA – Asien – Russland<br />

Ferienseminar 2<br />

Leitung: Saskia Hieber<br />

Sekretariat: Ina Rauš Tel. 08158/256-53<br />

35-2 29. August – 2. September<br />

One step ahead – The European Constitution needs European Identity<br />

Ferienakademie in Zusammenarbeit mit den Jungen Europäern Bayern<br />

Leitung: Michael Piazolo<br />

Sekretariat: Renate Heinz Tel. 08158/256-50<br />

September<br />

35-3 2. – 4. September<br />

Sommerakademie ASIEN: Politik und Wirtschaft<br />

In Zusammenarbeit mit der Bundeszentrale <strong>für</strong> politische <strong>Bildung</strong><br />

Leitung: Saskia Hieber<br />

Sekretariat: Heike Bäuerle Tel. 08158/256-46<br />

36-3 5. – 8. September<br />

Aktuelle Probleme der nationalen und internationalen Politik<br />

Ferienseminar 3<br />

Leitung: Michael Piazolo<br />

Sekretariat: Ina Rauš Tel. 08158/256-53<br />

36-2 9. – 11. September<br />

Alles erlaubt? Über den Verlust moralischer Grenzen und Verbindlichkeiten<br />

Leitung: Miriam Wolf<br />

Sekretariat: Heike Bäuerle Tel. 08158/256-46<br />

29


30<br />

<strong>Themen</strong> <strong>Tagungen</strong> <strong>Termine</strong><br />

Für die mit einem * gekennzeichneten <strong>Tagungen</strong> gibt es bereits einen festen Teilnehmerkreis. Zusätzliche Anmeldungen<br />

sind nur in Ausnahmefällen und nach Rücksprache mit dem Tagungsleiter möglich. Wir bitten um Ihr<br />

Verständnis!<br />

September<br />

37-1 12. – 16. September<br />

Mit spitzer Feder<br />

Kommentar- und Glossenwerkstatt mit Peter Linden<br />

In Zusammenarbeit mit dem Institut <strong>für</strong> Journalistenausbildung und<br />

Kommunikationsforschung an der Universität Passau<br />

Leitung: Michael Schröder<br />

Sekretariat: Heike Bäuerle Tel. 08158/256-46<br />

37-4 16. – 18. September<br />

Dialog der Generationen<br />

Leitung: Heinrich Oberreuter<br />

Sekretariat: Sybille Haug Tel. 08158/256-47<br />

38-1* 19. – 23. September<br />

Vielfalt als Ressource – Chancen durch Zuwanderung<br />

Lehrerfortbildung mit der <strong>Akademie</strong> Dillingen<br />

Leitung: Siglinde Schweizer/Karl-Heinz Willenborg<br />

Sekretariat: Renate Heinz Tel. 08158/256-50<br />

38-2* 19. – 23. September<br />

Bilder lügen doch! Manipulation im Film<br />

Lehrerfortbildung mit der <strong>Akademie</strong> Dillingen<br />

Leitung: Michael Schröder/Jutta Gruber<br />

Sekretariat: Ina Rauš Tel. 08158/256-53<br />

39-4* 28. – 30. September<br />

Islamistischer Terrorismus – Ursachen, Akteure, Bekämpfungsstrategien<br />

In Zusammenarbeit mit der Deutschen Polizeigewerkschaft,<br />

Landesverband Bayern e.V.<br />

Leitung. Jürgen Weber<br />

Sekretariat: Heike Bäuerle Tel. 08158/256-46<br />

E-Mail-Adressen der Sekretariate:<br />

Sybille Haug Chefsekretariat@apb-tutzing.de<br />

Heike Bäuerle H.Baeuerle@apb-tutzing.de<br />

Renate Heinz R.Heinz@apb-tutzing.de<br />

Ina Rauš I.Raus@apb-tutzing.de<br />

Karin Sittkus K.Sittkus@apb-tutzing.de<br />

<strong>Akademie</strong>-Report 2/2005


<strong>Akademie</strong>-Report 2/2005<br />

Förderkreis der <strong>Akademie</strong> <strong>für</strong> <strong>Politische</strong> <strong>Bildung</strong> e.V.<br />

EINLADUNG ZUR MITGLIEDSCHAFT<br />

1988 haben einige der <strong>Akademie</strong> nahestehende Persönlichkeiten den Förderkreis der <strong>Akademie</strong> <strong>für</strong> <strong>Politische</strong><br />

<strong>Bildung</strong> gegründet mit dem Ziel, die <strong>Bildung</strong>sarbeit der <strong>Akademie</strong> bei jenen Projekten finanziell zu unterstützen,<br />

die nicht durch staatliche Haushaltsmittel realisiert werden können. 1. Vorsitzender des Vereins ist seit Juli 1995<br />

Oberstleutnant a. D. Gernot Abendt aus <strong>Tutzing</strong>. Der Anfang wurde 1989 mit der Ausschreibung eines<br />

Schülerwettbewerbs zum Thema “40 Jahre Bundesrepublik Deutschland” gemacht; es folgte finanzielle<br />

Hilfestellung bei der Gewinnung bedeutender Referenten <strong>für</strong> zahlreiche wichtige <strong>Tagungen</strong>, bei Publikationsprojekten<br />

und der Ausstattung der <strong>Akademie</strong> durch projektbezogene Spenden. Nicht zuletzt wurde der<br />

<strong>Akademie</strong>bus durch den Förderkreis finanziert.<br />

Wir möchten Sie herzlich zur Mitgliedschaft im Förderkreis einladen, um so den Kontakt zu vertiefen, der<br />

durch den Bezug des Reports oder Teilnahme an <strong>Tagungen</strong> bereits besteht. Der Förderkreis ist als gemeinnütziger<br />

Verein anerkannt und somit berechtigt, Spendenquittungen auszustellen. Der Mitgliedsbeitrag beträgt Euro<br />

30,– im Jahr; die Vereinssatzung wird Ihnen auf Anforderung gerne zugesandt. Über neue Mitglieder würden<br />

wir uns sehr freuen.<br />

Geschäftsstelle: 82327 <strong>Tutzing</strong>, Buchensee 1, Tel. 08158/256-0 / Fax: 08158/256-51<br />

Bankverbindung: Kreissparkasse München Starnberg, BLZ 702 501 50<br />

Konto-Nr. 430 592 477<br />

An den<br />

Förderkreis der<br />

<strong>Akademie</strong> <strong>für</strong> <strong>Politische</strong> <strong>Bildung</strong> e. V.<br />

82323 <strong>Tutzing</strong><br />

BEITRITTSERKLÄRUNG<br />

Hiermit erkläre ich meine Mitgliedschaft im Förderkreis der <strong>Akademie</strong> <strong>für</strong> <strong>Politische</strong> <strong>Bildung</strong>.<br />

� Den Mitgliedsbeitrag überweise ich.<br />

� Ich bitte um Übersendung einer Einzugsermächtigung.<br />

Name, Vorname: ....................................................................................................................<br />

Titel, Beruf: ............................................................................................................................<br />

Anschrift, Telefon: .................................................................................................................<br />

Datum, Unterschrift: ..............................................................................................................<br />

31


32<br />

<strong>Akademie</strong> <strong>für</strong> <strong>Politische</strong> <strong>Bildung</strong><br />

Postfach 1162, 82323 <strong>Tutzing</strong><br />

Pressesendung DPAG<br />

„Entgelt bezahlt“, B 42656<br />

Namen und Nachrichten<br />

aus der <strong>Akademie</strong><br />

D I R E K T O R<br />

Prof. Dr. Heinrich Oberreuter referierte zu Fragen des<br />

Abgeordnetenrechts und der Abgeordnetenbezüge bei der<br />

Deutschen Vereinigung <strong>für</strong> Parlamentsfragen im Berliner<br />

Reichstag sowie als Sachverständiger bei einem Hearing<br />

des Sächsischen Landtages in Dresden. Bei der Konferenz<br />

der deutschen Parlamentspräsidenten im Münchner<br />

Maximilianeum diskutierte er über Parlamentsreformen.<br />

In Budapest sprach er bei einer internationalen Konferenz<br />

der Konrad-Adenauer-Stiftung über „Erinnerung als Fundament<br />

der Zukunft: Erfahrungen, Werte und Strukturen<br />

<strong>für</strong> eine europäische politische Kultur.“ Über Wandel und<br />

Reformfähigkeit des politischen Systems in Deutschland<br />

trug er im Kloster Seeon vor, über Politik in den Medien<br />

(„Zwischen Show und Information“) in München. Zur<br />

„<strong>Bildung</strong>spolitik in der Wissensgesellschaft“ sprach er in<br />

Regensburg.<br />

K U R A T O R I U M<br />

Prof. Dr. Walter Eykmann, MdL wurde zum Komtur des<br />

Päpstlichen Silvesterordens ernannt. Die Ehrung hatte noch<br />

Papst Johannes Paul II. veranlasst. Bei der Ernennung<br />

würdigte Kardinal Friedrich Wetter Eykmanns Verdienste<br />

um die Förderung von Ehe und Familie.<br />

Prof. Dr. Gerhard Waschler, MdL ist zum Vorsitzenden<br />

des Landtagsausschusses <strong>für</strong> <strong>Bildung</strong>, Jugend und Sport<br />

gewählt worden.<br />

K O L L E G I U M<br />

Saskia Hieber hielt auf Einladung der NATO- Schule in<br />

Oberammergau Vorträge zum Thema „Security Trends in<br />

East Asia“ und auf Einladung der Bayerischen Landeszentrale<br />

<strong>für</strong> politische <strong>Bildung</strong>sarbeit einen Vortrag mit dem<br />

Titel „Die Großmacht China am Beginn des 21. Jahrhunderts“.<br />

Im Rahmen ihres Lehrauftrags an der Universität<br />

München hielt sie im Wintersemester eine Übung zum Thema<br />

„Machtzentren und Sicherheitsordnungen in Ostasien“<br />

und bietet im Sommersemester eine Übung unter dem Titel<br />

„Chinesische Außen- und Sicherheitspolitik“ an.<br />

Dr. Michael Piazolo leitete eine Fortbildungsreise zu den<br />

europäischen Institutionen in Straßburg. Das Seminar umfasste<br />

u.a. Besuche beim Europäischen Parlament, dem<br />

Europarat und dem Europäischen Bürgerbeauftragten.<br />

Auf Einladung des Centre International de Formation<br />

Européenne sprach er in Nizza über die Zukunft der EU<br />

vor dem Hintergrund der aktuellen Verfassungsdebatte.<br />

Im Sommersemster wird er an der Universität Augsburg<br />

ein Hauptseminar zum Thema „Persönlichkeiten der Europäischen<br />

Integration“ leiten.<br />

Dr. Manfred Schwarzmeier hielt in Herrsching einen Vortrag<br />

zum Thema „Freistaat Bayern – Land zwischen Laptop<br />

und Lederhose“.<br />

Ich interessiere mich <strong>für</strong> folgende Seminare und bitte um Zusendung der ausführlichen Tagungsprogramme:<br />

(aus organisatorischen Gründen bitte maximal fünf Seminarnummern angeben)<br />

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Etwa 4 - 6 Wochen vor Seminarbeginn erhalten Sie von uns die Unterlagen <strong>für</strong> Ihre verbindliche Anmeldung.<br />

Name......................................................................................... Vorname......................................................<br />

Straße..................................................................................................................................................................<br />

PLZ...........................Ort......................................................................................................................................<br />

Tel................................................ Fax.................................... E-Mail..........................................................<br />

Beruf/Institution.......................................................................... Geburtsjahr.................................................<br />

Mit dieser Rückmeldung erkläre ich mein Einverständnis zur Verwendung meiner persönlichen Daten im Rahmen der tagungsbezogenen<br />

Datenverarbeitung der <strong>Akademie</strong> <strong>für</strong> <strong>Politische</strong> <strong>Bildung</strong> <strong>Tutzing</strong><br />

<strong>Akademie</strong>-Report 2/2005

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