Coverfoto: © sylvaine thomas - Veranstaltungskalender für Körper ...
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62<br />
GURU - Bhagwan, his secretary<br />
& his bodyguard<br />
Ab dem 2. September wird der Film<br />
in den deutschen Kinos gezeigt und<br />
wird dort Osho-Liebhaber wie -Gegner<br />
aufrütteln. Auch mich hat der Film neu<br />
aufgerüttelt, obwohl ich die Geschichte<br />
inklusive ihrer kontroversen Seiten<br />
recht gut kenne, bin ich doch Teil dieser<br />
Bewegung gewesen und einer ihrer<br />
Akteure. Der Film bringt neue, bislang<br />
unveröffentlichte Archivaufnahmen,<br />
und er stellt die zentrale Frage, was<br />
damals, in Oregon (<strong>für</strong> Insider: »auf<br />
der Ranch«) in den Jahren 1983-85<br />
schief lief, auf so pointierte Weise,<br />
dass sie kaum jemanden kalt lassen<br />
wird, der sich <strong>für</strong> Utopien interessiert,<br />
<strong>für</strong> die Tiefen der menschlichen Seele<br />
und da<strong>für</strong>, wie weit wir Menschen imstande<br />
sind, »das Paradies auf Erden«<br />
zu erschaffen.<br />
Die Zeugen<br />
Warum bezieht sich dieser Film als<br />
Hauptzeugen des Geschehens vor allem<br />
auf Hugh Milne, Oshos ehemaligen<br />
Leibwächter und Sheela Birnstiel,<br />
seine ehemalige Sekretärin? Vielen<br />
Osho-Freunden dreht sich bei diesen<br />
Namen erstmal der Magen um, und der<br />
Verdacht kommt auf, dass dieser Film<br />
einseitig parteiergreifend sein könnte.<br />
Ist er aber nicht. Die Regisseure fanden<br />
in den beiden »archetypische Figuren<br />
aus dem Zentrum der Macht, in einer<br />
Geschichte, die über die Geschichte der<br />
Neo-Sannyasins hinausweist.« So ist<br />
es. Hugh, Sheela und Osho sind Figuren<br />
in einem Drama, das <strong>für</strong> alle spirituellen<br />
und utopischen Bewegungen ein<br />
Lehrstück sein könnte. Beide bekennen<br />
in dem Film, <strong>für</strong> mich völlig glaubhaft,<br />
ihre Liebe zu Osho und äußern zugleich<br />
Kritik an ihm, die nicht leicht von der<br />
Hand zu weisen ist – genau das, was<br />
es braucht <strong>für</strong> eine solche religiöse<br />
Bewegung, wie auch <strong>für</strong> jede andere<br />
soziale und politische Bewegung. Der<br />
Film lässt beide abwechselnd sprechen,<br />
unterbrochen von Archivaufnahmen. So<br />
ähnlich übrigens, wie die BR-Regisseure,<br />
die 1996 einen Film über Sheela und<br />
mich gemacht haben (»Im Schatten des<br />
Meisters«), aber dieser Film »Guru«<br />
geht viel tiefer.<br />
Die Aufnahmen aus der Vor-Poona-Zeit<br />
in Indien zeigen einen jungen und<br />
magisch faszinierenden »Acharya«,<br />
dann »Bhagwan« (Shree) Rajneesh.<br />
Sein Buch »From Sex to Superconsciousness«<br />
wurde im prüden Indien<br />
ein Riesenerfolg, und mit seinen Reden<br />
über Religion und Psychologie schlug<br />
er Tausende von Indern in seinen<br />
Bann, seit den 70er Jahren zunehmend<br />
auch Westler, Japaner, Brasilianer,<br />
Menschen aus aller Welt. Auch wer<br />
auf Hughs und Sheelas Urteil über<br />
Osho/Bhagwan keine großen Stücke<br />
gibt, dürfte diese Aufnahmen genießen<br />
– und kann die Lebensgeschichten der<br />
beiden vielleicht auch als »<strong>für</strong> sich<br />
stehend« sehen: als Suchende, die<br />
auf ihrem Lebensweg an eine Gestalt<br />
wie Osho gerieten, von der beide trotz<br />
ihrer Kritik auch heute noch in den<br />
höchsten Tönen schwärmen (Sheela<br />
immer wieder: »Ich liebe ihn!«)<br />
Der Irrweg<br />
Unter dem Vielen, was der Film hergibt,<br />
möchte ich zwei Punkte herausgreifen.<br />
Der erste ist Hughs Antwort auf die<br />
Frage, was schief lief. Für ihn war das<br />
der Punkt, wo Osho selbst (Hugh nennt<br />
ihn Rajneesh, um sich von seiner Zeit<br />
als Jünger zu distanzieren) von sich<br />
sagt, er sei der Messias, auf den Amerika<br />
gewartet hat – oder durchblicken<br />
ließ oder andere von sich sagen ließ,<br />
sein Weg sei nicht irgendein spiritueller<br />
Weg, sondern der spirituelle Weg,<br />
der richtige, der einzig wahrhaft tief<br />
gehende. Ab hier beginnt <strong>für</strong> Hugh<br />
die Verirrung, der Größenwahn, der<br />
Verrat an dem, was in »Poona I«, in<br />
Rajneeshs erster indischer Phase noch<br />
so leuchtete und Hugh so faszinierte,<br />
dass er nach seinem Rausschmiss durch<br />
Sheela (nachdem er auf der Ranch<br />
milde Kritik geäußert hatte) sogar<br />
einen Selbstmordversuch unternahm.<br />
Krass abstoßend war <strong>für</strong> Hugh auch, als<br />
er seinen in Indien noch so souverän<br />
wirkenden, quasi übernatürlich strahlenden<br />
Meister in Oregon die Droge<br />
Lachgas nehmen sah. Auch wenn <strong>für</strong><br />
mich das Wissen um die Schwächen von<br />
Osho nicht zum Abschied führte oder<br />
gar zu einer großen Lebenskrise (ich<br />
war damals Sannyasin und wusste von<br />
den Lachgas-Exzessen und einiges auch<br />
von Sheelas toughem Regime), möchte<br />
ich Hughs Analyse im Wesentlichen<br />
zustimmen.<br />
Sorgloser Umgang mit Fakten<br />
Der zweite Punkt ist Oshos unwahrhaftiger,<br />
disloyaler Umgang mit Sheela.<br />
Am krassesten ist <strong>für</strong> mich die Stelle,<br />
wo er ihr (neben vielem anderen) die<br />
Ermordung ihres ersten Ehemanns Marc<br />
Silverman unterstellt, um damit selbst<br />
dem Gefängnis zu entgehen. Dazu<br />
passend Oshos Behauptung, an der Eskalation<br />
der Androhung von Gewalt (zu<br />
realer Gewalt kam es zum Glück kaum)<br />
auf der und um die Ranch in Oregon<br />
(Osho selbst nannte Sheelas dortiges<br />
Regime später »Faschismus«) sei Sheelas<br />
Machttrip schuld. In Wirklichkeit<br />
hat er selbst die Anweisungen gegeben<br />
und Sheela immer wieder angestachelt,<br />
noch härter gegen die Opposition aus<br />
dem umliegenden Oregon vorzugehen.<br />
Ich habe Sheela nach ihrem Gefängnisaufenthalt<br />
zu diesem Thema selbst<br />
befragt und glaube ihr, zumal ich Oshos<br />
unbekümmerten Umgang mit Fakten<br />
von anderen Stellen her schon kannte:<br />
Osho vertrat eine Ebene von Wahrheit,<br />
KGSBerlin 09/2010