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Fritz Lang und Lily Latt: Die Geschichte zweier Umwege

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Bildnisse <strong>und</strong> Gesichter der Zeit. Oder anders ausgedrückt, eine Faszination <strong>und</strong> Ambivalenz<br />

gegenüber der Geschichtsphilosophie der `großen Männer' <strong>und</strong> ihre Aporien: die Massen, das<br />

Proletariat auf der einen, die Demagogen <strong>und</strong> Manipulatoren auf der anderen Seite. Dr. Mabuse,<br />

Galileo, Citizen Kane, Mr. Arkadin: alles Porträts der Macht, allerdings einer äußerst eigenartigen,<br />

zugleich individuellen <strong>und</strong> unpersönlichen Macht, eher im Sinne dessen zu verstehen, was Adorno die<br />

`Charakter-Maske' des Kapitals nannte, das Charisma <strong>und</strong> Stars braucht als Hohlformen medialer<br />

Machtausübung im politischen wie ökonomischen Bereich, unterstützt von der Kulturindustrie.<br />

Vielleicht findet <strong>Lang</strong>s Zurückhaltung im Persönlichen, <strong>und</strong> die Bemühungen, es seinen<br />

Biographen nicht gerade leicht zu machen, in diesem Komplex von Assoziationen <strong>und</strong> Verweisen eine<br />

erste Erklärung. Sich <strong>Lang</strong> zu nähern bedeutet unweigerlich, sich für alle mögliche <strong>Umwege</strong> offen zu<br />

halten: zum Entziffern seiner Lebensgeschichte bedarf es einer Hermeneutik, die ebenso scharfsinnig<br />

wie vorsichtig sein muß, wie es auch die Interpretation seiner Filme verlangt. Wenn <strong>Lang</strong> als `Autor'<br />

dem geschulten Auge ein formal in sich geschlossenes Werk präsentiert, dabei aber das Inkognito<br />

seiner Person kaum lüftet, dann ist diese Geschlossenheit nicht von der Seite der Biographie her<br />

zugänglich, sondern eher bestimmt von einer gewissen kohärenten Sicht auf die <strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> die<br />

Motive menschlichen Handelns. <strong>Die</strong>s war die Erkenntnis, über die schmerzliche Erfahrung von<br />

Verlust <strong>und</strong> Unwiederbringlichkeit hinaus, zu der mich <strong>Lily</strong> <strong>Latt</strong>é, indirekt <strong>und</strong> doch mit Nachdruck,<br />

geführt hat. <strong>Die</strong> Begegnung mit ihr, <strong>und</strong> durch sie mit diesen anderen Namen, gleicht somit einem<br />

doppelten Umweg auf der Spurensuche zu <strong>Lang</strong>. <strong>Lily</strong> erwies dem Rgisseur einen guten <strong>Die</strong>nst, <strong>und</strong><br />

die große, vornehme Dame mit dem aufrechten Gang, die uns im `Hügelhaus' begrüßte, war nicht nur<br />

<strong>Lang</strong>s Gefährtin, loyal bis in ihr Grab. Sie war auch der Engel, der mit dem Flammenschwert mir den<br />

Weg verwehrte, bis dass sie meinen Rechenschaftsbericht geprüft <strong>und</strong> für gut bef<strong>und</strong>en hatte. Wer<br />

weiss, was <strong>Lang</strong> gemeint hat, als er sage `die Toten verlassen uns nie': ich denke dabei vor allem an<br />

sie - <strong>Lily</strong> <strong>Latt</strong>é, eine Figur aus LILIOM, mehr Vermittlerin des Himmels als Nachlassverwalterin auf<br />

Erden, zu gleichen Teilen Hüterin der Geheimnisse <strong>und</strong> Helferin der Filmgeschichte.<br />

Anmerkungen:<br />

1. Erste Studien <strong>und</strong> Sammlungen waren Alfred Eibel, <strong>Fritz</strong> <strong>Lang</strong> (Paris: Présence du cinéma, 1964),<br />

Peter Bogdanovich, <strong>Fritz</strong> <strong>Lang</strong> in America (London: Studio Vista, 1967) <strong>und</strong> Paul Jensen, The Films of<br />

<strong>Fritz</strong> <strong>Lang</strong> (London: Zwemmer, 1969).<br />

2.. Mary Blume: <strong>Fritz</strong> <strong>Lang</strong> Visits His Children. In: International Herald Tribune, 10. April 1969.<br />

3. Lotte Eisner: <strong>Fritz</strong> <strong>Lang</strong>. London: Secker & Warburg 1976, S. 8.<br />

4. Georges Sturm, <strong>Fritz</strong> <strong>Lang</strong>: Films/Texts/Références (Nancy: Presses Universitaires de Nancy,<br />

1990); Cornelius Schnauber, <strong>Fritz</strong> <strong>Lang</strong> in Hollywood (Wien: Europa Verlag, 1987); Patrick<br />

McGilligan, <strong>Fritz</strong> <strong>Lang</strong> The Nature of the Beast (New York: St Martin's Press, 1997; Tom Gunning,<br />

The Films of <strong>Fritz</strong> <strong>Lang</strong> (London: BFI Publishing, 2000).<br />

5. Gunning, a.a.O., 479.<br />

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