Fritz Lang und Lily Latt: Die Geschichte zweier Umwege
Fritz Lang und Lily Latt: Die Geschichte zweier Umwege
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merkte, bis <strong>Lang</strong> mir einmal in verschwörerischem Ton zuflüsterte: `Du, ich muß Dir was von<br />
<strong>Lily</strong> <strong>Latt</strong>é erzählen...' Aber er hat es nie getan, <strong>und</strong> ich habe ihn nicht dazu gedrängt. 15<br />
<strong>Die</strong> Sache mit den Telefonaten wird von Eisner indirekt bestätigt, wenn sie schreibt:<br />
<strong>Fritz</strong> <strong>Lang</strong> [hat] stets Buch geführt über sein Tun <strong>und</strong> Lassen <strong>und</strong> auch seine Gäste<br />
gezwungen, jeden Anruf, jeden Besuch <strong>und</strong> jeden Ausgang schriftlich festzuhalten. Ich habe<br />
das, wenn ich bei ihm in Beverly Hills war, auch machen müssen, habe aber, unordentlich wie<br />
ich bin, die Notizbücher verloren oder weggeworfen; nur von <strong>Fritz</strong> <strong>Lang</strong> habe ich einen<br />
Briefblock aufbewahrt, auf dem er meinen Aufenthalt im März 1966 in seinem `Hügelhaus'<br />
skizziert hat. [Ein] trauriges Dokument (...). 16<br />
Nebenbei sprach ich <strong>Lily</strong> auf <strong>Lang</strong>s Tagebücher an. Sie reagierte offen, jedoch unerbittlich.<br />
Sie sollten verbrannt werden, unmittelbar nach ihrem Tod. Dan Seymour habe ausdrückliche<br />
Instruktionen, <strong>und</strong> er hatte ihr hochheilig versichert, sein Versprechen zu halten. <strong>Die</strong><br />
Geschäftsberichte von `Diana Productions', <strong>Fritz</strong> <strong>Lang</strong>s <strong>und</strong> Walter Wangers vom Pech verfolgte<br />
Produktionsfirma, sollten noch zu ihren Lebzeiten vernichtet werden, sobald sie sich etwas besser<br />
fühlte <strong>und</strong> etwas mehr Zeit hätte. Nicht ohne eine Spur Sadismus führte sie mich sogar in den Keller<br />
<strong>und</strong> zeigte mir den Ofen (nicht aber die Akten). Wir sprachen über seine anderen Papiere, die laut<br />
<strong>Lang</strong>s <strong>und</strong> ihrem eigenen Testament der Universitätsbibliothek der University of Southern California<br />
versprochen waren. <strong>Lang</strong>s Sammlung von Western-Büchern <strong>und</strong> Andenken war von der University of<br />
Wyoming in Cheyenne erworben worden. Sie war drauf <strong>und</strong> dran, mir mehr zu erzählen, von den<br />
Zahnarztrechnungen <strong>und</strong> den anderen Ausgaben, die sie vor das Dilemma stellten, was zu verkaufen<br />
<strong>und</strong> was wegzugeben wäre. <strong>Die</strong> Universitäten schienen das nötige Geld zu haben, wollten die Objekte<br />
<strong>und</strong> Dokumente aber trotzdem umsonst, <strong>und</strong> sie mißtraute den Beweggründen der Universitätsprofessoren.<br />
An einem Punkt, an dem sie mich noch etwas weiter necken, aber auch meine Meinung<br />
über ein paar Leute, die sie angesprochen hatten, hören wollte, zögerte sie: aus Taktgründen nahm ich<br />
an, aber auch, weil sie sich keine Blöße geben wollte. Schließlich war auch ich einer von der Sorte,<br />
<strong>und</strong> sie wußte, ich würde bald wieder nach England zurückkehren <strong>und</strong> nicht zur Stelle sein, sollte sie<br />
mich wirklich einmal brauchen. Damit hatte sie leider recht, denn sie starb im Jahr darauf, mehr oder<br />
weniger allein gelassen.<br />
Wir sprachen über die Fre<strong>und</strong>e, die ihr gegenüber immer loyal geblieben waren. Es stellte<br />
sich heraus, daß viele von ihnen Schauspieler waren <strong>und</strong> kleinere Rollen in <strong>Lang</strong>s Filmen gespielt<br />
hatten, wie Howard Vernon <strong>und</strong> Dan Seymour. Jemand, an den sie sich mit besonderer Zuneigung<br />
erinnerte, war Alexander Granach, in den zwanziger Jahren Schauspieler bei Reinhardt (<strong>und</strong> ein<br />
Bekannter von Brecht, da er in der Erstinszenierung von Mann ist Mann zusammen mit Peter Lorre<br />
auf der Bühne gestanden hatte). Granach war auch der unvergeßliche Renfield in Murnaus<br />
NOSFERATU, für <strong>Lang</strong> spielte er den Inspektor Gruber in HANGMEN ALSO DIE. Es folgte ein angeregte<br />
Korrespondenz, die bis zu Granachs Tod im März 1945 andauerte. <strong>Lang</strong> schrieb ihm einen Nachruf,<br />
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