08.08.2013 Aufrufe

DKB_2_06_Vollversion - Kranken Boten

DKB_2_06_Vollversion - Kranken Boten

DKB_2_06_Vollversion - Kranken Boten

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

April / Mai 20<strong>06</strong><br />

Coffee and Jesus<br />

Freaks entdecken soziale Verantwortung<br />

Vorsicht, Waldbrandgefahr!<br />

Wie du Konflikte in deiner Gemeinde vermeiden kannst<br />

Zynische Lebensfreude<br />

Interview mit Daniel Benjamin


Wieso tun sie das bloß?<br />

Der Kranke Bote hat krasse Ziele<br />

Liebe Leserinnen und Leser, Der<br />

kranke Bote (<strong>DKB</strong>) hat das Ziel, das<br />

Ganzjahres-Coffeezelt der Bewegung<br />

zum Lesen zu werden. Das Magazin soll<br />

Identität stiften und das Zusammengehörigkeitsgefühl<br />

unter allen Jesus Freaks<br />

stärken und festigen. Doch genau wie<br />

das Coffeezelt auf dem Freakstock von<br />

den verschiedensten Typen bevölkert<br />

wird, sind auch die Jesus Freaks eine<br />

höchst vielfältige Szene. Diese Vielfalt<br />

ist wertvoll und soll sich im <strong>Boten</strong> widerspiegeln.<br />

Das bedeutet: <strong>DKB</strong> ist kein<br />

Verlautbarungsorgan der JFI-Leitung,<br />

sondern will ein offener Marktplatz der<br />

Ideen und Meinungen innerhalb der<br />

Bewegung sein. Es geht also um Austausch<br />

in alle Richtungen: Der Ä-Kreis<br />

und die einzelnen JFI-Bereiche kommunizieren<br />

ihre Anliegen und Neuigkeiten<br />

an die Bewegung; genau so wie einzelne<br />

Freaks und Gemeinden via Krankem<br />

<strong>Boten</strong> gleichzeitig der Freak-Öffentlich-<br />

April / MaI 20<strong>06</strong> Seite 2<br />

keit und den Leitern mitteilen können,<br />

was sie bewegt. Deshalb gilt für den<br />

Themenschwerpunkt der aktuellen<br />

Ausgabe, soziale Gerechtigkeit: Wenn<br />

ihr euch über etwas ärgert oder aufregt<br />

– das ist ok so, das ist so gewollt.<br />

Also, lass dich provozieren, schreib uns<br />

deine Meinung. Wir wünschen uns,<br />

dass viele anregende Diskussionen<br />

entstehen in unserem gemeinsamen<br />

Ganzjahres-Coffeezelt.<br />

Fürs <strong>DKB</strong>-Team:<br />

Frank<br />

www.bote.jesusfreaks.de


2<br />

4 6 8 9 10121416192226272930<br />

<strong>Boten</strong>inhalt<br />

32 34383939<br />

Editorial<br />

Meldungen<br />

Internationaler Roundable in Geithain<br />

Italo-Freakstock am Gardasee<br />

Leiter- und Kulturdesign-Ausbildung<br />

Der Glaube in Zeiten der Postmoderne<br />

JFI-Visionstext: Das ist nicht fair!<br />

Weg vom Kirchenomi-Image: Fairer Handel<br />

Evangelikale für Gerechtigkeit: Die Speak-Bewegung<br />

Fontaktoskop: Bonhoeffer<br />

Ist Kapitalismus Sünde? Ein fiktives Streitgespräch<br />

Nachgedacht: Weniger ist mehr<br />

Interview mit Daniel Benjamin<br />

Konsumberatung<br />

Brandschutz in der Gemeinde<br />

Porträt JF Bayreuth-Kulmbach<br />

Tabuthema Ehelosigkeit<br />

Juppis Kolumne<br />

Lesermeinung<br />

Impressum<br />

Februar/April 20<strong>06</strong> Seite 3


Der Kranke Bote<br />

Anmelden fürs FLT<br />

Vom 27. April bis 1. Mai startet der<br />

erste Teil des Freakleitertrainings<br />

(FLT) im Freizeitheim „Knüllhouse“<br />

in Neukirchen (Mittelhessen). Infos<br />

und Anmeldung unter www.flt.jesusfreaks.de<br />

oder [flt@jesusfreaks.de].<br />

Teil 2: vom 11. bis 15. November.<br />

Willo für Freaks<br />

Willo Freak (25. bis 28. Mai) findet wieder<br />

auf dem Hofgut Siloah in Neufrankenroda<br />

statt. Teilnehmerbeitrag: ca. 60<br />

Euro. Anmeldung ab Mitte April unter<br />

www.jesusfreaks.de.<br />

Treffen für Leiter<br />

Das nächste JFI-Gesamttreffen ist am<br />

1./2. April im EC-Freizeitheim „Knüllhouse“<br />

in Neukirchen. Wegbeschreibung<br />

auf www.knuellhouse.de<br />

Voting for Steve<br />

Unsere Lieblingsindierocker kurz vorm<br />

nationalen Durchbruch: Dank Unterstützung<br />

vieler Freak-Voter treten die<br />

vier Gießener am 8. April live als Vorband<br />

von Seeed bei der You FM Night<br />

in Alsfeld auf. Es werden 5000 Leute erwartet.<br />

Der Radiosender You FM hatte<br />

abstimmen lassen, welche Nachwuchsband<br />

diese Chance bekommt. Waiting<br />

for Steve hatten sich gegen drei andere<br />

hessische Bands durchgesetzt. Zum<br />

Warmspielen geben sie vorher noch ein<br />

paar Konzerte.<br />

Tourdaten auf www.waitingforsteve.de<br />

April/Mai 20<strong>06</strong> Seite 4<br />

Schulung für Propheten<br />

Der erste Teil der Prophetie-Schulung<br />

„God is speaking“ (G.I.S.) findet<br />

am 22./23. April in den Büroräumen<br />

der JF Nürnberg statt. 35 Euro pro<br />

Person und Wochenende inkl. Frühstück.<br />

Infos und Anmeldung unter<br />

[denisa.rio@gmx.de]<br />

Preis für Hardcore-Band<br />

Die Hardcore-Band „Opposition of<br />

One“ aus Ludwigsburg, bekannt vom<br />

Freakstock, hat den 2. bundesweiten<br />

„Message Music Contest“ gewonnen,<br />

der am 4. März in Mannheim verliehen<br />

wurde. Zu später Stunde öffnete Rock-<br />

Sänger Peter Maffay den Umschlag mit<br />

dem Abstimmungsergebnis und überreichte<br />

den Siegern die Trophäe, den<br />

„Vision Star“. Daneben erhält die Band<br />

Künstlerförderung im Wert von 10000<br />

Euro.<br />

Jazzen fürn Herrn<br />

Meldungen<br />

Vom 1. bis 5. Juni sind die JF der Region<br />

Rhein/Ruhr mit guter Mucke und<br />

Riesenzelt auf dem Jazzfestival in Moers<br />

(Niederrhein) vertreten. Jeder kann<br />

kommen und mitmachen. Ziel der Initiatoren:<br />

„Hier gehts um ´ne fette Party mit<br />

Jesus, während sich rund um uns rum im<br />

Moerser Stadtpark die Leute den Schädel<br />

wegballern und überhaupt nicht damit<br />

rechnen, Jesus zu begegnen“.<br />

Infos auf www.jesusfreaks.de/duisburg


Meldungen<br />

Kontaktpool für Kreative<br />

Mireille (21, JF Berlin) und Susan (24, JF<br />

Leipzig) machen eine Ausbildung bzw.<br />

ein Studium im Bereich Grafikdesign.<br />

Seit Wochen schon beschäftigt sie eine<br />

Frage: Wie können wir Gott mit Design<br />

dienen? Erster Teil der Antwort: Es sollte<br />

einen Kontaktpool geben von Grafikern,<br />

Illustratoren, Fotografen, Webdesignern,<br />

Textern, Modeschöpfern, Programmieren.<br />

Vielleicht in Form einer Website, auf<br />

der jeder kurz mit ein paar Arbeiten und<br />

einem Steckbrief vorstellt. Das wäre besonders<br />

interessant für Freiberufler, die<br />

gern mit anderen Christen zusammen<br />

arbeiten. Weitere Visionen der beiden:<br />

ein Online-Shop für selbstgemachte<br />

Designprodukte und ein inhaltlich und<br />

gestalterisch relevantes Magazin.<br />

Auf dem Blog www.mediennetzwerk.<br />

de.vu gibts das ausführliche Konzept<br />

und Kontaktinfos.<br />

Lexikon für Freaksprech<br />

Willo – was? Grobian – wer is’n der?<br />

Unter www.freakipedia.de entsteht<br />

derzeit ein Nachschlagewerk, dass nicht<br />

nur Neulingen Orientierung im Dschungel<br />

der JF-Begriffe gibt. Hier sollen sich<br />

Infos über Freakhotel, AG, FAZ bis hin zu<br />

den einzelnen Gruppen finden lassen.<br />

Ziel: Transparenz schaffen und Wissen<br />

vermitteln. Wie das Vorbild Wikipedia<br />

lebt auch Freakipedia davon, dass möglichst<br />

viele mitmachen.<br />

Infos unter [waerter@freakipedia.de]<br />

Herz für Belgien<br />

Der Kranke Bote<br />

Ernsti, der gerade dabei ist, in Antwerpen<br />

(Belgien) die erste christliche Kindertagestätte<br />

aufzubauen, kommt vom<br />

7. bis 17. April nach Deutschland, um<br />

sein Projekt vorzustellen. Es gibt noch<br />

freie Termine, und er kommt gerne in<br />

eure Gemeinde, auch zum Predigen.<br />

Interesse?<br />

Kontakt unter www.belgienrocks.de<br />

SMS fürs JF Hotel<br />

Das JF-Hotel Geithain (Sachsen) braucht<br />

Kohle. Vor neun Monaten pachtete ein<br />

kleiner Haufen Verrückter kurzerhand<br />

ein richtiges Hotel, um dort etwas jesusmäßiges<br />

zu starten. Zu Übernachtungspreisen<br />

einer Jugendherberge (10<br />

Euro/Nacht) wird hier nobler Hotelkomfort<br />

geboten (ca. 30 Betten). Inzwischen<br />

fanden hier schon etliche JFI-Treffen,<br />

Freizeiten und eine Kurzbibelschule<br />

statt. Im zum Jugendclub umgebauten<br />

Keller treffen sich die Geithainer Freaks.<br />

Hier gastierten schon namhafte Bands<br />

aus der JF-Szene und zogen viele alternative<br />

Leute aus dem Umland an. Um<br />

die steigende Pacht weiter zu bezahlen,<br />

soll das JF-Hotel auf breiter Basis von<br />

möglichst vielen Jesus Freaks getragen<br />

werden. Deshalb sucht das Hotel-Team<br />

bis Ende April 200 Spender, die das Projekt<br />

per Dauerauftrag mit monatlich<br />

7,77 Euro unterstützen wollen – pro<br />

Tag sind das etwa 25 Cent, ungefähr<br />

der Preis einer SMS.<br />

Infos unter [jesusfreakshotel@gmx.de]<br />

oder bei Marco 0151-19303725.<br />

April/Mai 20<strong>06</strong> Seite 5


Der Kranke Bote<br />

Traditionell sind<br />

die Freaks, wenn<br />

es um die Gruppenzusammengehörigkeit<br />

geht, ja eher mit dem<br />

Begriff „Gang“ vertraut.<br />

Irgendwo habe<br />

ich mal gehört, dass<br />

diese Wortwahl mit den<br />

schlechten Erfahrungen vieler<br />

von uns in ihren Familien zu tun hat.<br />

Wie dem auch sei, beim internationalen<br />

Runden Tisch im Geithainer Freakhotel<br />

gab Gott Morten, dem Pastor von<br />

Subchurch aus Oslo, jedenfalls die zwei<br />

Worte „one“ und „family“. Und die<br />

Stimmung, die unter den Freaks dort<br />

herrschte, war wirklich familiär im besten<br />

Sinne. Oder besser: blutsbrüderlich.<br />

Ich jedenfalls fühlte mich so zu Hause<br />

wie schon länger nicht. Dabei kannten<br />

sich die Wenigsten vorher. 40 Leute<br />

waren gekommen, aus England, Dänemark,<br />

Norwegen, der Schweiz, Frank-<br />

April/Mai 20<strong>06</strong> Seite 6<br />

EinFamilienHaus – 1. Internationaler Roundtable in Geithain<br />

Mister Universe<br />

reich, Tschechien,<br />

Portugal, Holland<br />

und Deutschland.<br />

Viel zu planen war<br />

nicht möglich, wir wollten<br />

uns ja erst mal kennenlernen<br />

und schauen, wie<br />

wir einander von Nutzen<br />

sein konnten. Also gab Mirko<br />

am Samstag ein paar Worte<br />

über Freundschaft und Aufrichtigkeit.<br />

Und dann beteten wir in kleinen Gruppen<br />

füreinander. Schon mal von jemand<br />

bebetet worden, der einen Übersetzer<br />

braucht? Es ist super! Dem folgte der<br />

erste Teil des Stell-Dich-und-Deine-Bewegung-Vor-Und-Dann-Beten-Wir-Alle-<br />

Für-Euch, der bis abends dauerte und<br />

am Sonntag morgen beendet wurde. Da<br />

waren zum Beispiel die Freaks aus Holland,<br />

für die Willo Freak letztes Jahr der<br />

Gründungsanstoß war, oder Subchurch<br />

und Glorious Undead in London, die<br />

es schon seit zehn Jahren gibt und die<br />

dann unverhofft auf die Jesus Freaks


Mister Universe<br />

in Deutschland<br />

stießen. Das französische<br />

Ehepaar,<br />

dem schon mal<br />

eine Gruppe versickert<br />

ist und die<br />

trotzdem weiter<br />

träumen und die<br />

Schweizer, die zu<br />

ihnen halten. Die<br />

Tschechen, die<br />

schon ein Sommerfestivalaufgezogen<br />

haben.<br />

Außerdem die<br />

Missionsaktion<br />

Jesus Freaks in Japan zu gründen, für<br />

die Gott schon Leute aus Norwegen,<br />

Deutschland und London berufen hat,<br />

ohne ihnen vorher voneinander erzählt<br />

zu haben.<br />

Als sich am Sonntag dann alle zu<br />

verabschieden begannen, wurde ich<br />

Der Kranke Bote<br />

langsam wehmütig. Wie es eben so ist,<br />

wenn man im Kreise seiner Familie war,<br />

gespürt hat, wo man hingehört, gesehen<br />

hat, wer eigentlich mit einem unterwegs<br />

ist, und welche unglaubliche<br />

Revolution es ist, bei der man da oft unwissentlich<br />

mitmacht. Wir sind nicht allein.<br />

Das gilt auch für<br />

uns Freaks, nicht nur<br />

für die Einzelkämpfer<br />

und Gruppen aus<br />

anderen Teilen Europas.<br />

Du bist Teil einer<br />

Familie, die groß und<br />

vielseitig ist. Blutsbrüder,<br />

die für dich sterben<br />

würden, obwohl<br />

sie nicht mal deine<br />

Sprache sprechen. Du<br />

bist nicht allein.<br />

Alex Schneider<br />

[kurttucholksi@<br />

hotmail.com]<br />

April/Mai 20<strong>06</strong> Seite 7


Der Kranke Bote<br />

Fels auf dem Felsen<br />

Das christliche Rockfestival am Gardasee<br />

Dieses Jahr findet vom 21.-23.7.20<strong>06</strong><br />

zum 4. Mal Rock on the Rock auf<br />

einem Sportplatz im italienischen San<br />

Michele, direkt oberhalb des Gardasees,<br />

statt. Wir, ein paar Freaks aus München,<br />

waren schon letztes Jahr auf diesem<br />

christlichen Rockfestival und schlichtweg<br />

begeistert. Die Leute, die das organisieren,<br />

sind sehr geil. Wir waren sofort<br />

total eins im Geist mit ihnen. Ich wurde<br />

spontan zum Gebetsleiter des Festivals<br />

ernannt und so haben wir dieses im<br />

Gebet abgedeckt. Die US-Amerikaner<br />

Denny und Maureen Hurst sind seit<br />

20 Jahren als Missionare in Italien. Sie<br />

veranstalten das Event zusammen mit<br />

einer handvoll Leuten aus kleinen Gemeinden.<br />

Sie haben es in Italien nicht<br />

leicht, weil die wenigen Christen dort<br />

meinen, dass Rockmusik vom Teufel sei.<br />

Denny heißt alle Freaks willkommen,<br />

die kommen wollen. Seid ein Licht in<br />

April/Mai 20<strong>06</strong> Seite 8<br />

© www.photocase.com<br />

der Finsternis, in einem von einem<br />

religiösen Geist beherrschtem<br />

Land.<br />

Es ist umso geiler, dass es das<br />

Festival überhaupt gibt und dass<br />

es kostenlos (für Teilnehmer und<br />

Mitarbeiter) ist. Von der Größe<br />

ist es noch wie die ersten Freakstocks<br />

(Neudrossenfeld lässt grüßen).<br />

Schon spannend, wenn die<br />

überwiegend alte Bevölkerung des<br />

Dorfes bei einem Spaziergang vorbeischaut,<br />

bleibt und sogar<br />

wiederkommt, auch bei so<br />

derben Bands wie Antidemon.<br />

Was gibt es? Abends<br />

Bands auf der Hauptbühne, dazwischen<br />

tanzbare Beats von einem DJ, ein tolles<br />

Bistro und wunderbare Leute inmitten<br />

eines herrlichen Panoramas, morgens und<br />

mittags Einheiten mit Lobpreis und Gebet.<br />

Es bleibt genügend Zeit, um auch mal runter<br />

an den See zum Baden zu fahren oder<br />

bei den Einladeaktionen an der Strandpromenade<br />

dabei zu sein (interessant: mit DJ<br />

Music zu Konzerten von Antidemon und<br />

Mammuth einzuladen…).<br />

Es nicht unbedingt die Musik, die den<br />

Reiz und Flair dieses Festivals ausmacht.<br />

Wie soll ich es am Besten beschreiben? Ihr<br />

müsst selber kommen! Kommt und helft<br />

mit, ihr werdet viel Spaß und intensive<br />

Erfahrungen haben. Wir werden auf jeden<br />

Fall wieder hinfahren. Wer kommt mit?<br />

Let’s rock Rock on the Rock with the love<br />

of Jesus! Weitere Infos unter www.rockon-<br />

therock.com<br />

JF International<br />

Jocky<br />

[jocky@jesusfreaksmuenchen.de]


Leiterschaft<br />

Das Gemeinde-Entwicklungs-Labor<br />

Frischzellenkur gegen gemeindliche Langeweile<br />

Vor über zwei Jahren haben Jean<br />

Drozak (Kunstdünger, JF Nürnberg)<br />

und ich (Daggi Begemann, damals JF<br />

Nürnberg) überlegt, wie wir unsere Erfahrungen<br />

aus acht Jahren Aufbau und<br />

Leitung christlicher Organisationen für<br />

andere fruchtbar machen können. Dabei<br />

entstand die Idee einer Fortbildung,<br />

die den klassischen Weg der frontalen<br />

Wissensvermittlung verlässt. Sie soll<br />

den Teilnehmern die Möglichkeit geben,<br />

die Inhalte in von uns gestalteten Laborsituationen<br />

zu erarbeiten und in von<br />

ihnen entwickelten Projekten in ihrer<br />

eigenen (Gemeinde-)Praxis umzusetzen.<br />

Da wir beide durch unsere Arbeit<br />

in verschiedenen Feldern Kenntnisse<br />

erworben haben, ist es uns möglich,<br />

die Teilnehmer in den Schwerpunkten<br />

Organisationsentwicklung und in Kulturdesign<br />

vertieft auszubilden.<br />

Unsere gemeinsame Zeit bei den JF<br />

Nürnberg haben wir oft als spannungsreiches<br />

Hin und Her zwischen der Suche<br />

nach innovativen Wegen<br />

für die Gemeinde und dem<br />

Bedürfnis der Menschen<br />

nach einer sicheren und<br />

stabilen geistlichen<br />

Heimat empfunden. Immer<br />

wenn wir der Versuchung<br />

nachgaben, diese Spannung<br />

in die eine oder andere Richtung<br />

aufzuheben, dann ging der Gemeinde<br />

etwas verloren. Sie stand in der Gefahr,<br />

entweder nur noch Arbeitsgemeinschaft<br />

Der Kranke Bote<br />

für Innovative oder christliches Kuschelghetto<br />

zu werden. Daher wollen wir<br />

uns mit diesem Ausbildungsprogramm<br />

einerseits auf die Suche nach Werkzeugen<br />

und Handlungskonzepten machen,<br />

die es ermöglichen, Formen von Gemeinde<br />

immer wieder neu zu erfinden.<br />

Andererseits wollen wir nach Möglichkeiten<br />

suchen, Neues in Bestehendes so<br />

zu integrieren, dass es wirklichen Nutzen<br />

und bleibende Veränderung bringt.<br />

In den vier Blöcken des Programms<br />

erwerben die Teilnehmer allgemein für<br />

ihre Tätigkeit notwendige Kenntnisse in<br />

Persönlichkeitsentwicklung, Leitungshaltungen,<br />

Management und der Reflektion<br />

theologischer Inhalte. Zusätzlich<br />

vermitteln wir ihnen Fähigkeiten<br />

in der Methodik von Kulturdesign oder<br />

Organisationsentwicklung. In der zweiten<br />

Fortbildungshälfte führt jeder Teilnehmer<br />

ein Projekt durch. Die Fortbildung<br />

umfasst 16 Wochenenden<br />

und startet im Herbst 20<strong>06</strong> in<br />

Zusammenarbeit mit<br />

dem C&P Verlag.<br />

Unter www.<br />

kolleg.cundp.de<br />

erfährst du mehr<br />

über die Inhalte<br />

der Fortbildung,<br />

die Termine, Kosten<br />

und die Anmeldung. Bei<br />

weiteren Fragen mail an:<br />

Daggi Begemann<br />

[daggi@jesusfreaks.de]<br />

© www.photocase.com<br />

April/Mai 20<strong>06</strong> Seite 9


Der Kranke Bote<br />

Wenn über meine Generation in<br />

Zeitungen und in neonmäßigen<br />

Magazinen geschrieben wird, dann<br />

geht es dabei nicht wirklich darum,<br />

was wir fühlen, wollen und wofür wir<br />

kämpfen. Meistens geht es in solchen<br />

Artikeln darum, dass alle Menschen in<br />

Deutschland, die so alt sind wie ich und<br />

ähnliche Dinge gerne tun wie ich, in ei-<br />

April/Mai 20<strong>06</strong> Seite 10<br />

Wer sind wir eigentlich?<br />

ner Berliner Altbauwohnung leben und<br />

begabt, aber arbeitslos sind. Kreativ<br />

und kinderlos, aber eigentlich verhältnismäßig<br />

optimistisch drauf, so als hätten<br />

wir noch nicht wirklich gerafft, dass<br />

es in absehbarer Zeit mit der Wirtschaft<br />

nicht bergauf und deshalb mit unserer<br />

Zukunft weiter bergab gehen wird.<br />

Aber sind das tatsächlich die Fragen<br />

und Probleme meiner Generation? Naja,<br />

ich gebe zu, äußerlich wohl schon, aber<br />

innerlich? Besteht unsere tiefste Sehnsucht<br />

wirklich in dem Wunsch nach<br />

einem guten Job und einer sicheren<br />

Zukunft? Dass das nicht so ganz stimmen<br />

kann, zeigt sich bei den verschiedensten<br />

popkulturellen Anlässen und<br />

daran, dass die Leute, die ich als meine<br />

Generation bezeichne, krass auf der<br />

Suche sind nach Dingen, die ihnen<br />

Halt geben. Und zwar da, wo weder<br />

Kohle noch Lifestyle ihnen Halt geben<br />

können.<br />

Wieso kommen Leute zum Beispiel<br />

auf die Idee, sich bei H&M Rosenkränze<br />

zu kaufen und sie sich um den Hals<br />

zu hängen? Was hat MTV sich bei dem<br />

Slogan “You better believe“ gedacht<br />

und warum gehen im Moment<br />

alle so auf Johnny Cash ab?<br />

Ich meine damit eine gesellschaftliche<br />

Entwicklung, die, nachdem Leute<br />

jahrzehntelang immer weniger mit Kirche<br />

und Glauben zu tun haben wollten,<br />

jetzt dazu führt, dass sie an den unmöglichsten<br />

Orten kleine religiöse Eckchen<br />

einrichten. Irgendwie scheint es so zu<br />

sein, dass man ( je jünger, desto stärker)


Wer sind wir eigentlich?<br />

wieder Bock hat, an irgendwas zu glauben,<br />

aber nicht so genau weiß, woran.<br />

Die Frage, die sich die Leute scheinbar<br />

stellen, ist dabei aber gar nicht, was<br />

denn nun wahr ist oder ob es Gott tatsächlich<br />

gibt, wer die Welt geschaffen<br />

hat und woher das Leid kommt; sondern<br />

eher, welche der netten, schillernden,<br />

religiösen Häppchen, die so auf dem<br />

Markt angeboten werden, denn wohl<br />

am besten zu ihnen und ihrem Leben<br />

passt.<br />

Das kommt uns jetzt so ganz, ganz<br />

böse vor, ist aber eigentlich nachvollziehbar.<br />

Denn wir kennen das Spielchen<br />

mit dem Lifestyle auch. Wir sind<br />

ja Freaks! Wir wollen auch nicht das,<br />

was alle haben. Und wir kennen auch<br />

das ungute Gefühl, wenn der Style zu<br />

wichtig wird. Wir erzählen über unsere<br />

Klamotten und unseren Rock‘n Roller-<br />

Gestus Geschichten über uns, von Rebellion<br />

und Wildheit, die wir irgendwann<br />

anfangen selbst zu glauben.<br />

Und dann, irgendwann, stellen wir<br />

fest, dass es uns schwer fällt zwischen<br />

Oberfläche und dem Rest zu unterscheiden<br />

und wir fangen an uns zu fragen,<br />

ob da außer Oberfläche eigentlich jemals<br />

etwas existierte. Wir haben das<br />

Gefühl, dass das, was auf orangestichigen<br />

70er und 80er Jahre Fotos mal<br />

„ich“ war, jetzt nicht mehr da ist. Dass<br />

es einer Person gewichen ist, die ich mir<br />

selbst ausgedacht, erarbeitet, gebastelt<br />

habe.<br />

Ich könnte auch ganz anders sein,<br />

oder? Ich könnte auch ganz anders beten,<br />

oder? Und glauben?<br />

Der Kranke Bote<br />

Was ich hier beschreibe, ist das echte<br />

Problem meiner Generation, das viel<br />

tiefer geht, als die Fragen nach Zukunft<br />

und Job. Wir leben in einer schnellen,<br />

unübersichtlichen Zeit. Man kann sich<br />

schlecht einrichten. Wir sind gezwungen<br />

immer mitzugehen, ohne dabei auf<br />

der Strecke zu bleiben. Wir leben in einer<br />

Zeit der Sehnsucht nach etwas, das<br />

bleibt, nach einem festen Kern unter<br />

den Hüllen von Äußerlichkeit und Lifestyle.<br />

Die Ängste und Fragen, vor denen<br />

meine Freunde stehen, die nicht an Jesus<br />

glauben, sind dieselben, vor denen<br />

ich auch stehe; und die Vorstellung,<br />

dass die Antworten für einen Christen<br />

kein Problem mehr sind, ist eine fromme<br />

Illusion.<br />

Wer bist du denn, wenn du jeder sein<br />

kannst? Und bist du in der Lage, alle<br />

Masken abzulegen? Was bleibt dann?<br />

In einer Welt, in der ich gezwungen<br />

bin, mich ständig zu verändern; eine<br />

niemals endende Geschichte darüber<br />

zu erzählen, wer ich bin; die ausgefeilte<br />

Rolle der Person zu spielen, die ich<br />

gerne wäre, was ist denn mein gleich<br />

bleibender Kern, mein Fels, meine einzige<br />

Konstante, mein Fixstern, mein<br />

Zentrum, meine feste Burg...<br />

Nina Spöttling-Metz<br />

[spoetz@gmx.de]<br />

Nina Spöttling-Metz (28) ist<br />

bei den JF Frankfurt und<br />

schreibt an einer Doktorarbeit<br />

zu jugendlicher Religiosität<br />

und Style. Sie beschäftigt sich<br />

wissenschaftlich mit der Frage,<br />

wann etwas scheiße genug ist,<br />

um wieder cool zu sein.<br />

April/Mai 20<strong>06</strong> Seite 11


Der Kranke Bote<br />

w<br />

Das ist nicht fair!<br />

Bewusster einkaufen aus Nächstenliebe<br />

Zurzeit bin ich ziemlich genervt und<br />

angespannt wegen verschiedenster<br />

Dinge, die sich in den Vordergrund<br />

drängen und danach verlangen, als<br />

dass Wichtigste überhaupt angesehen<br />

zu werden. Eine gute Frage ist für mich<br />

dann immer, was wirklich wichtig ist. So<br />

vieles, was mich im Alltag beschäftigt,<br />

ist nicht wirklich das, was mich beschäftigen<br />

sollte. Ich erlebe es immer wieder,<br />

dass ich durch die Stadt gehe und Menschen<br />

sehe, die wirklich traurig und<br />

zerbrochen<br />

sind. Aber<br />

anstatt sie<br />

anzusprechen,<br />

ihnen<br />

© Timm Ziegenthaler<br />

April/Mai 20<strong>06</strong> Seite 12<br />

Schwerpunkt<br />

ein Lächeln zu schenken oder vielleicht<br />

auch eine Tasse Kaffee und ein offenes<br />

Ohr, renne ich weiter, weil es irgendwas<br />

anderes gibt, was gerade wichtiger ist<br />

– meistens Dinge, wo sich Christen um<br />

Christen kümmern, um christliche Sachen<br />

für Christen zu organisieren und<br />

christliche Christen zu beglücken.<br />

In unserer Vision steht, dass wir glauben,<br />

„dass Jesus sich in besonderem<br />

Maße den Verstoßenen und Armen, die<br />

außerhalb der Wertenormen unserer<br />

Gesellschaft stehen, zugewandt hat“.<br />

In den ersten Jahren in Hamburg haben<br />

wir Brot an Obdachlose und Tee an die<br />

Prostituierten verteilt. Es war selbstverständlich,<br />

dass wir für diese Menschen<br />

da sind. Im Laufe der Zeit haben wir das<br />

dann aus den Augen verloren und angefangen,<br />

uns um „wichtigere“ Sachen<br />

zu kümmern. Mittlerweile frage<br />

ich mich: Gibt es überhaupt was<br />

Wichtigeres als die Menschen?<br />

In den letzten Monaten kam das<br />

Thema „Fair Trade“ in verschiedensten<br />

Blogs auf. Wie kann es sein, dass Kaffee<br />

zum Beispiel so günstig bei uns ist?<br />

Der Wert von Kaffee ist höher als das,<br />

was ich bei Aldi dafür bezahle. Mich<br />

hat die Vorstellung echt zum Nachdenken<br />

angeregt, dass irgend jemand anderes<br />

den Mehrwert für den Kaffee<br />

bezahlt – und das ziemlich sicher der<br />

Kaffeebauer diese Person sein wird.<br />

In gewisser Hinsicht bestehle ich den


Schwerpunkt<br />

Kaffeebauern, wenn ich nicht das für<br />

den Kaffee bezahle, was er nun mal<br />

wert ist.<br />

„Ich weiß, dass ist krasser Stoff,<br />

schlecht recherchiert und mal eben<br />

schnell in die Tasten gehauen… aber es<br />

ist doch wahr.“<br />

Wenn ich mich umschaue, ist diese<br />

Mentalität überall zu finden. Ich<br />

will alles so billig wie möglich haben<br />

– ohne mir bewusst zu sein, dass jemand<br />

anderes dann dafür aufkommen<br />

wird. Schlimmstenfalls arbeiten Kinder<br />

für meine Sachen, die mit ihrem Leben<br />

dafür bezahlen. Ich weiß, dass ist krasser<br />

Stoff, schlecht recherchiert und mal<br />

eben schnell in die Tasten gehauen …<br />

aber es ist doch wahr.<br />

Es ist an der Zeit, dass ich mich wieder<br />

auf das Wesentliche konzentriere:<br />

„Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben<br />

mit deinem ganzen Herzen und mit<br />

© Timm Ziegenthaler<br />

Der Kranke Bote<br />

deiner ganzen Seele und mit deinem<br />

ganzen Verstande [...] Du sollst deinen<br />

Nächsten lieben wie dich selbst“ (Mt.<br />

22, 37-39).<br />

Der Kaffeebauer ist auch mein Nächster,<br />

wie auch mein Gemeindeleiter oder<br />

der Ordner auf dem Freakstock am<br />

Parkplatz 2! GoD is in control and he<br />

never makes a mistake!<br />

Mirko für den Ä-kreis<br />

[m.s@jesusfreaks.de]<br />

April/Mai 20<strong>06</strong> Seite 13


Der Kranke Bote<br />

w<br />

Zu arm, um billig einzukaufen<br />

Jesus Freaks entdecken „Bio“ und den Fairen Handel<br />

Das Prinzip vom Fairen<br />

Handel am Beispiel Kaffee:<br />

Durch ungerechte<br />

Handelbedingungen ist<br />

der Preis den ein Kleinbauer<br />

für einen Sack Kaffee bekommt<br />

stets gesunken. Die Folge sind günstige<br />

Kaffeepreise für uns, aber Armut und<br />

schlechte Arbeitsbedingungen für die<br />

Produzenten. Kaffee mit dem TransFair-<br />

Prüfsiegel ist teurer, aber dafür werden<br />

dem Kaffeebauern Mindestpreise garantiert.<br />

Darüber hinaus zahlt der Importeur<br />

Aufschläge für die Umstellung<br />

auf Bio-Anbau und Projekte im Dorf,<br />

was schon passiert ist, kann man unter<br />

www.fair-feels-good.de sehen. Den<br />

fairen Handel gibt es schon seit den<br />

70ern in Deutschland, aber der jutetaschentragende<br />

Öko von damals ist heute<br />

nur noch ein Käufer unter vielen. So<br />

setzen sich auch einige Jesus Freaks für<br />

jesusmäßigeres Konsumverhalten ein.<br />

Wertvolle Lebensmittel<br />

„Wir sind keine militanten Bio-Einkäufer“,<br />

sagt Mario Lange, Hausmeister<br />

in der Heilsarmee-Jesus-Freaks-<br />

Gemeinde in Chemnitz. Er und seine<br />

Frau kaufen überwiegend biologisch<br />

angebaute Lebensmittel sowie Fair-Trade-Waren.<br />

Dabei legen sie Wert darauf,<br />

dass die Produkte möglichst aus der Region<br />

kommen und keine langen Transportwege<br />

hinter sich haben. Wie kommt<br />

Mario, zumal kein Großverdiener, dazu?<br />

April/Mai 20<strong>06</strong> Seite 14<br />

Schwerpunkt<br />

„Da hat uns ein längerer Prozess hingeführt“,<br />

berichtet er. Über die zwei<br />

Kinder kam der Kontakt zu Müttern in<br />

der alternativen Szene. Sie klärten über<br />

die schockierenden Herstellungsmethoden<br />

„normaler“ Lebensmittel auf. Ein<br />

Greenpeace-Artikel gab erstmals Anlass<br />

zu gesundheitlichen Bedenken. In<br />

einem anderen Bericht las Mario, dass<br />

Verbraucher vor 30 Jahren noch 40 %<br />

ihres Einkommens für Lebensmittel aufbringen<br />

mussten, heute nur noch 12 %.<br />

Ein Seminar über Bonhoeffer machte<br />

auf fair gehandelten Kaffee aufmerksam<br />

und warf provokante Fragen auf:<br />

Ist es wirklich gut, alles so billig wie<br />

möglich zu kaufen? Wenn dann alles so<br />

billig wie möglich produziert wird, geht<br />

das doch auch auf Kosten des Verbrauchers?<br />

Sie entschieden, Lebensmittel<br />

bewusster einzukaufen und dafür auf<br />

anderes zu verzichten. Auch bei Kleidung<br />

legen sie Wert auf Herstellung<br />

unter fairen Bedingungen und Qualität:<br />

„So müssen wir uns nicht dauernd<br />

neue Sachen kaufen. Unser Grundsatz<br />

ist: Wir sind zu arm, um billig einzukaufen.“<br />

Rund 300 Euro im Monat geben<br />

Langes inzwischen für Lebensmittel<br />

aus, etwa doppelt soviel wie vorher.<br />

„Dafür haben wir allgemein unseren<br />

Konsum heruntergeschraubt“, erzählt<br />

Mario. Er glaubt, dass Gott die Familie<br />

über viele Schritte in diese Entwicklung<br />

hinein geführt hat: „Die Bibel sagt ja,<br />

dass wir uns nicht der Welt gleich stellen<br />

sollen.“


Schwerpunkt<br />

© Timm Ziegenthaler<br />

Fairer Kaffee nach Gottesdienst<br />

Naschen ohne schlechtes Gewissen<br />

kann man bei den Freaks in Stuttgart<br />

am Fair-Trade-Stand. Außerdem wird<br />

nach dem Gottesdienst Fair-Trade-<br />

Kaffee ausgeschenkt. Der Anstoß dazu<br />

kam von Ron und Carmen Meinert,<br />

regelmäßige Kunden im örtlichen Weltladen.<br />

„Wir haben gedacht, das wäre<br />

auch für die Freaks gut“, erzählt der<br />

Agrarstudent Ron. Vor zwei Jahren begannen<br />

sie auf eigene Rechnung, nach<br />

den Gottesdiensten Kaffee, Tee und<br />

Süßes aus fairem Handel anzubieten.<br />

„Skepsis gab es eigentlich nur bei den<br />

Leuten, die das aus der Kirche kannten.<br />

Für die hatte das so einen Alte-Oma-<br />

Touch.“ Die Bedenken sind wegen des<br />

anhaltenden Bio-Trends und dem modischerem<br />

Design verschwunden.<br />

Inzwischen hat die Freak-Gemeinde<br />

den Warenbestand übernommen. Natürlich<br />

gebe es auch Leute, denen die<br />

Fair-Trade-Sachen zu teuer sind. Dennoch<br />

greifen nicht nur Überzeugungstäter<br />

zum Fairetta-Schokoriegel. „Es gibt<br />

Der Kranke Bote<br />

auch Leute, die kein explizites Interesse<br />

an genauen Details haben, die einfach<br />

so kaufen, weil sie uns vertrauen dass<br />

sie ´ne gute Sache unterstützen,“ sagt<br />

Ron. Dafür checkt er selbst um so genauer,<br />

wo die Produkte herkommen<br />

und wohin der Preisaufschlag für Fair-<br />

Trade-Produkte am Ende landet.<br />

Wie die Langes konsumieren auch<br />

Meinerts nicht ausschließlich fair gehandelte<br />

Waren. „Denn es geht nicht<br />

um ein ganz oder gar nicht, auch in<br />

kleinen Schritten kann viel getan werden“,<br />

erklärt Ron. Deshalb schätzt er<br />

die Gespräche in der Verkaufsecke, um<br />

unkompliziert Wissen zu vermitteln.<br />

„Durch fairen Handel können Familien<br />

aus dem Teufelskreis der Armut herauskommen“.<br />

Was das alles mit Gott<br />

zu tun hat? „Wir haben das zwar vor<br />

allem angefangen, weil wir die Idee aus<br />

gesundem Menschenverstand heraus<br />

gut fanden, aber Gott hat bei dem allen<br />

mit reingespielt und meine Mentalität<br />

beeinflusst.“<br />

Weißliste Kleidung<br />

Auch im Internet engagieren sich<br />

Freaks für mehr Fairness beim Konsumieren:<br />

Seit etwa zwei Monaten ist<br />

der Blog http://weissliste.twoday.net<br />

online. Dort stellen Ulli Hippe und Tobias<br />

Jahn Kleidungsfirmen vor, die versuchen,<br />

sich bei der Produktion besser<br />

zu verhalten, als es in der Branche üblich<br />

ist. „Die Weißliste soll eine positive<br />

Seite ein und Alternativen bieten statt<br />

anzuklagen,“ erklärt Ulli.<br />

Frank [texte@jesusfreaks.de]<br />

April/Mai 20<strong>06</strong> Seite 15


Der Kranke Bote<br />

w<br />

„Inkorrekt Einkaufen ist Sünde!“<br />

Anregendes von der britischen Speak-Bewegung<br />

2<br />

,8 Milliarden Menschen leben von<br />

weniger als 2 $ pro Tag. Eine Kuh<br />

in der EU wird mit 2,20$ täglich subventioniert“<br />

stand auf einem Zettel.<br />

„Jede Minute stirbt eine Frau bei der<br />

Geburt eines Kindes“ auf einem anderen.<br />

Überall im Raum verteilt lagen<br />

schwarze Stoffe, alte Zeitungen und<br />

Zettel mit Informationen zu globalen<br />

Tragödien. Unsere Aufgabe war es, einen<br />

Zettel auszusuchen und aus Stoff<br />

und Zeitung eine bildliche Last zu basteln.<br />

Wir haben dann zu dem Thema gebetet<br />

und mit Gott über unsere eigene<br />

und die Schuld unserer Gesellschaft geredet.<br />

Schließlich haben wir die Last mit<br />

dem daran befestigten Zettel vor einem<br />

Kreuz abgelegt. Das war bei einer Konferenz<br />

genannt „Soundcheck“, die von<br />

einer Gruppe namens Speak am letzten<br />

© Tim Nafziger<br />

April/Mai 20<strong>06</strong> Seite 16<br />

Schwerpunkt<br />

Februarwochenende in London veranstaltet<br />

wurde.<br />

Speak ist ein Netzwerk, dass junge<br />

Menschen zusammenbringt, um für<br />

eine gerechtere Welt durch Kampagnen<br />

und Gebet aktiv zu werden. Überzeugt<br />

davon, dass diese beiden Dinge, wenn<br />

sie gemeinsam eingesetzt werden, wirkliche<br />

Veränderung bewirken können.<br />

Das Speak-Netzwerk verknüpft lokale<br />

Gruppen und Einzelpersonen vorwiegend<br />

in Großbritannien, aber auch in<br />

Brasilien und einigen anderen Ländern.<br />

Die Bezeichnung ‚Speak‘ beruht auf<br />

der englischen Übersetzung von Sprüche<br />

31, 8+9: „Sprich für die, die nicht<br />

für sich selbst sprechen können, sprich<br />

für die Rechte aller die mittellos sind.<br />

Sprich und richte gerecht; verteidige die<br />

Rechte der Armen und Bedürftigen.“ <br />

In einer prophetischen Aktion, inspiriert durch Hesekiel 4, legten sich Speak-Mitglieder 722 Sekunden auf<br />

die Seite – die Zahl der Monate seit der Gründung der Internationalen Währungsfonds und der Weltbank.


Schwerpunkt<br />

Kampagnen für gerechtere Welt<br />

Bei den Kampagnen von Speak sieht<br />

der Ablauf etwa so aus: Es wird ein Thema<br />

mit einem aktuellen gerechtigkeitspolitischen<br />

Zusammenhang gewählt.<br />

Es wird geschaut, wo man selbst daran<br />

schuld ist, dass die Situation ist, wie<br />

sie ist, man tut dafür Buße, tut dann<br />

Buße für die Kollektivschuld der eigenen<br />

Gesellschaft bzw. denjenigen, der<br />

an diesem Übel beteiligt ist und geht<br />

erst dann an die Öffentlichkeit, macht<br />

Aktionen usw.<br />

Der Ansatz ist zum einen, zuerst bei<br />

sich selbst zu schauen und Gott um<br />

Vergebung zu bitten, bevor man auf die<br />

Straße geht und möglicherweise andere<br />

kritisiert. Und zum anderen der Glaube,<br />

dass Aktion gekoppelt mit Gebet ein<br />

irres Potential für Veränderung bietet.<br />

Die Lasten, die wir in der anfangs<br />

beschriebenen Situation gebastelt hatten,<br />

wurden einen Tag später bei einem<br />

Aktionstag vor dem Parlament verwendet,<br />

um der Öffentlichkeit und den Politikern<br />

den Ernst der Lage vor Augen<br />

zu halten. Von den schweren Lasten<br />

buchstäblich zu Boden gedrückt, stellten<br />

über hundert Demonstranten bildlich<br />

da, wie es ganzen Ländern geht: Sie<br />

haben Lasten zu tragen, die so schwer<br />

sind, dass sie sich nicht auf den Beinen<br />

halten können.<br />

Theologischer Background<br />

Das Ziel ist für mehr Gerechtigkeit<br />

aktiv zu werden und dabei sowohl die<br />

in aktivistischen Kreisen üblichen Mittel,<br />

wie Kampagnen, Petitionen und<br />

Der Kranke Bote<br />

Demos, als auch die christlichen, vor<br />

allem Gebet und Buße anzuwenden<br />

und beide zusammenzubringen. Ebenso<br />

geht es darum, Menschen die auf die<br />

eine oder andere Art bereits aktiv sind,<br />

zusammenzuführen.<br />

Speak ist für jeden offen, die christliche<br />

Botschaft steht jedoch klar im<br />

Zentrum. Vor allem studentische<br />

Speak-Gruppen bestehen nicht nur aus<br />

Christen; sie sind an manchen Unis die<br />

Orte, wo sich die Aktivisten sammeln<br />

vergleichbar mit Amnesty International<br />

oder Oxfam.<br />

Der gedankliche Hintergrund ist die<br />

Frage nach dem Zusammenhang zwischen<br />

der biblischen Botschaft von der<br />

Nächstenliebe und der Tatsache, dass<br />

wir in einer Gesellschaft leben deren<br />

Philosophie es rechtfertigt, den eigenen<br />

Vorteil anzustreben, selbst wenn<br />

es auf Kosten anderer geht und um die<br />

Frage, warum so vielen Christen dieser<br />

Widerspruch gar nicht bewusst zu sein<br />

scheint.<br />

Vieles, was ich bei Speak gehört und<br />

in Flyern und thematischen Heften gelesen<br />

habe, erinnert an Jesus Freaks<br />

und vergleichbare Bewegungen, die die<br />

Kirche aus den Kirchgebäuden heraustragen<br />

wollen auf die Straße.<br />

Was mir jedoch vorher noch nicht<br />

so zu Ohren gekommen war, ist, dass<br />

das Einkaufen bei inkorrekt wirtschaftenden,<br />

ausbeutenden Firmen als Sünde<br />

bezeichnet wurde. Die Begründung<br />

ist, dass ich mich an dem Unrecht, was<br />

ausgeübt wird, beteilige. Genauso wenn<br />

ich etwas nicht tue, was ich machen<br />

<br />

April/Mai 20<strong>06</strong> Seite 17


Der Kranke Bote<br />

könnte, um diesen Planeten zu einem<br />

gerechteren zu machen, dann wird das<br />

Sünde genannt.<br />

Neben dem Erreichen der Kampagnenziele<br />

geht es Speak darum, anderen<br />

Christen die Notwendigkeit dieser<br />

Thematik bewusst zu machen und sie<br />

zu überzeugen, zum Beispiel nach dem<br />

Gottesdienst fair gehandelten Kaffee<br />

anzubieten.<br />

Die Speak-Bewegung wird von stark<br />

visionären Leuten vorangetrieben, die<br />

nach ganz neuen Wegen suchen, um<br />

die christliche Botschaft in die Praxis<br />

umzusetzen, zum Beispiel durch Aktivismus,<br />

aber auch künstlerische Sachen,<br />

und deren Ideen mich immens<br />

voran treiben.<br />

Ich plädiere hier nicht für die Entstehung<br />

von Speak-Gruppen in<br />

Deutschland und dafür, dass wir jetzt<br />

hunderte von „Pray and Post“-Karten<br />

bestellen und an das englische<br />

Unterhaus schicken. Es geht mir darum,<br />

dass wir uns von den Ansätzen<br />

und ca. 12 Jahre langen Erfahrungen<br />

von Speak inspirieren lassen; schauen,<br />

was wir von Speak lernen können<br />

und wo Zusammenarbeit möglich ist.<br />

Weitere Infos unter www.speak.org.uk<br />

Ulrike Hippe<br />

[texte@jesusfreaks.de]<br />

April/Mai 20<strong>06</strong> Seite 18<br />

Ulli Hippe ist 23 Jahre alt, seit<br />

1999 bei den Jesus Freaks,<br />

für WWPS aktiv und ständig<br />

im Ausland unterwegs. Zur<br />

Zeit macht sie ein Praktikum<br />

bei einer Übersetzungsagentur<br />

in London.<br />

© www.speak.org.uk<br />

Pray and Post Cards<br />

Vierteljährlich erscheinende Falt-Postkarten,<br />

die über ein aktuelles Thema<br />

berichten. Neben Hintergrundinfos,<br />

Gebets- und Aktionsvorschlägen, gibt<br />

es eine abtrennbare Karte, die man<br />

unterschrieben an ein entsprechendes<br />

Ministerium oder einen Konzern schicken<br />

kann. Eine aktuelle Postkarte<br />

fordert die Schließung der britischen<br />

Regierungsabteilung DESO, die für den<br />

Waffenhandel zuständig ist und damit<br />

verantwortlich für die Unterstützung<br />

vieler Kriege weltweit.<br />

Soundcheck<br />

heißt das jährliches Treffen der Speak-<br />

Leute mit bis zu 300 Beteiligten. Ein<br />

Wochenende voller Workshops, Anbetungszeiten<br />

und kreativer Inputs plus<br />

ein Aktionstag vor dem Parlament.<br />

Big Dress<br />

Schwerpunkt<br />

ist nicht nur das größte Kleid der Welt<br />

(siehe Foto oben), sondern auch eine<br />

Art Zirkuszelt. Speak nutzt das Kleid,<br />

um Kampagnen für wirtschaftliche Gerechtigkeit<br />

durchzuführen.


Fontaktoskop<br />

w<br />

Radikaler, fremder Bonhoeffer<br />

Fontaktoskop 2000 plus<br />

Der wachsblonde Junge rannte zu<br />

seinem Geheimversteck, seine Schwester<br />

war ihm lachend auf den Fersen,<br />

aber sie kannte das Versteck ja schon<br />

lange. „Geh Papa holen, ich komme mit<br />

den Süßigkeiten nach“, rief er seiner<br />

Schwester atemlos zu. Sein Versteck<br />

war eine Fundgrube an Schätzen. Hier<br />

versteckte er seine Süßigkeiten, für die<br />

ganz besonderen Momente. Und so<br />

ein Moment war eben jetzt: Die Sonne<br />

schien, seine Freunde waren da und<br />

Papa hatte gerade keinen Patienten in<br />

seiner Sprechstunde. Das kam nicht oft<br />

vor, denn immerhin war er einer der bekanntesten<br />

Psychologen, nicht nur Berlins.<br />

„Papa, hierher, hierher! Wir haben<br />

ein Fest!“ rief er und freute sich darauf<br />

die mühsam abgesparten Süßigkeiten<br />

mit seinen Freunden zu teilen.<br />

Gute Zigaretten und Kirche<br />

Idyllisches Familienleben. Abgespielt<br />

haben könnte sich die Szene in<br />

Grunewald bei Berlin, irgendwann im<br />

Jahre 1913 in der Familie Bonhoeffer.<br />

Tatsächlich war vieles in dieser Familie<br />

nahezu ideal. Im Hause der Bonhoeffers<br />

ging die Elite Berlins der damaligen Zeit<br />

ein und aus. Es gab Hausmusikabende,<br />

bei denen die acht Kinder Stücke von<br />

Bach und Mozart spielten. Sie wurden<br />

zum Teil zu Hause geschult, mit dem<br />

Ergebnis, dass Dietrich Bonhoeffer die<br />

Schule sehr früh abschließen konnte<br />

und schon mit 19 Jahren an seiner Dok-<br />

Der Kranke Bote<br />

t o r a r b e i t<br />

schrieb, für<br />

die er dann<br />

mit der<br />

bestmöglichen Note – „summa cum<br />

laude“ – belohnt wurde. Dass er nebenbei<br />

weiter studierte, darf man gar nicht<br />

erwähnen. Seine Leidenschaft: gute<br />

Musik, gutes Essen, eine gute Zigarette.<br />

Und die Kirche.<br />

Welche genau? Die aus Fleisch und<br />

Blut, die zum Anfassen, die, von der du<br />

Teil bist, weil du in Jesus bist – und Jesus<br />

in dir. Die Kirche für die er leidenschaftlich<br />

kämpfte und warb. Die Kirche, die<br />

Jesus ist. Die Kirche, die für Jesus die<br />

bevorzugte Erscheinungsform zwischen<br />

Pfingsten und seinem Wiederkommen<br />

ist. Diese Kirche, die Menschen dieser<br />

Kirche, hat er geliebt. Und deswegen<br />

war es nur logisch von seinem ersten<br />

Gehalt eine alte Gartenlaube zu kaufen,<br />

in der er sich mit seinen Studenten und<br />

Konfirmanden treffen konnte. Theologie<br />

passiert nicht nur in der Uni oder im<br />

Pfarrhaus, sondern draußen, wo man<br />

Zeit hat zum Reden und Abhängen.<br />

Nachfolge – bis in den Tod<br />

Dieses Jahr wurde sein 100.Geburtstag<br />

gefeiert. Letztes Jahr sein 60. Todestag.<br />

Er wurde im Februar 1945 im KZ<br />

Flossenbürg ermordete. Wenige Tage<br />

vor der Befreiung. Aber wahrscheinlich<br />

wäre er ohne sein Martyrium nicht der<br />

Bonhoeffer, den wir heute kennen. Oft<br />

<br />

April/Mai 20<strong>06</strong> Seite 19


Der Kranke Bote<br />

© Quelle: gtvh.de<br />

ist es der Widerstandskämpfer, dem<br />

man begegnet. Doch ohne den Theologen<br />

Bonhoeffer, ohne den Jesus Nachfolger,<br />

hätte es den Kämpfer so nicht<br />

gegeben. Sein Widerstand gegen die<br />

Nazis kam weniger aus dem Erkennen<br />

der Abgründe Hitlers, sondern aus dem<br />

Erkennen der Tiefe Gottes und dessen<br />

Idee von Kirche: „Christus als Gemeinde<br />

existierend“. Diesem Jesus folgte er<br />

nach – bis in den Tod. Das war teure<br />

Gnade, so wie er es in seinem Werk<br />

Nachfolge beschrieben hat:<br />

„Aus der Rechtfertigung des Sünders<br />

in der Welt wurde die Rechtfertigung<br />

der Sünde und der Welt. Aus der teuren<br />

Gnade wurde die billige Gnade ohne<br />

Nachfolge. […] Es ist dasselbe Wort von<br />

der Rechtfertigung aus Gnaden allein;<br />

und doch führt der falsche Gebrauch<br />

April/Mai 20<strong>06</strong> Seite 20<br />

Fontaktoskop<br />

desselben Satzes zur vollkommenen<br />

Zerstörung seines Wesens. Wenn Faust<br />

am Ende seines Lebens sagt: ‚Ich sehe,<br />

dass wir nichts wissen können‘, so ist<br />

das Resultat etwas durchaus anderes,<br />

als wenn dieser Satz von einem Studenten<br />

des ersten Semesters übernommen<br />

wird, um damit seine Faulheit zu<br />

rechtfertigen. Als Resultat ist der Satz<br />

wahr, als Voraussetzung ist er Selbstbetrug.<br />

Das bedeutet, dass eine Erkenntnis<br />

nicht getrennt werden kann von der<br />

Existenz, in der sie gewonnen worden<br />

ist. Nur wer in der Nachfolge Jesu im<br />

Verzicht auf alles, was er hatte, steht,<br />

darf sagen, dass er allein aus Gnaden<br />

gerecht werde. Er erkennt den Ruf in<br />

die Nachfolge selbst als Gnade und die<br />

Gnade als diesen Ruf. Wer sich aber mit<br />

dieser Gnade von der Nachfolge dispensieren<br />

will, betrügt sich selbst.“<br />

Als Hitler 1933 zum Reichskanzler<br />

gewählt wurde, war ein Großteil der<br />

Theologen schon seit Jahren Mitglied<br />

der NSDAP. Hitler wäre ohne die Unterstützung<br />

der Kirche nicht so weit<br />

gekommen. Zwei Tage nach der Wahl<br />

hält Bonhoeffer im Radio einen Vortrag:<br />

„Der Mensch und insbesondere der Jugendliche<br />

wird solange das Bedürfnis<br />

haben, einem Führer Autorität über sich<br />

zu geben, als er sich selbst nicht reif,<br />

stark, verantwortlich genug fühlt, den<br />

in diese Autorität verlegten Anspruch<br />

selbst zu verwirklichen. Der Führer wird<br />

sich dieser klaren Begrenzung seiner<br />

Autorität verantwortlich bewusst sein<br />

müssen. Versteht er seine Funktion anders,<br />

dann gleitet das Bild des Führers<br />

über in das des Verführers.“


Fontaktoskop<br />

Sorgt für Gerechtigkeit!<br />

Bonhoeffer ein Prophet? Vielleicht<br />

nicht in unserem gewohnte Sinne, aber<br />

ganz sicher im Sinne der alttestamentlichen<br />

Propheten: Erkenntnis Gottes<br />

kommt aus seinem Wort. Ihr habt die<br />

Wahl zwischen Segen und Fluch. Sorgt<br />

für Gerechtigkeit! Es gibt nur eine Welt,<br />

und die gehört Jesus: „Alles wäre verdorben,<br />

wollte man Christus nur für die<br />

Kirche aufbewahren […] Christus ist für<br />

die Welt gestorben und nur mitten in<br />

der Welt ist Christus. Seit Gott in Christus<br />

Fleisch wurde und in die Welt einging,<br />

ist es uns verboten, zwei Räume,<br />

zwei Wirklichkeiten zu behaupten: Es<br />

gibt nur diese eine Welt.“ (Fragmente<br />

zur Ethik)<br />

Bonhoeffer heute?<br />

Bonhoeffer war Zeit seines Lebens in<br />

seiner Kirche isoliert. „Ja logisch, war‘n<br />

ja alles Nazis!“ Nein, er war auch in der<br />

Bekennenden Kirche isoliert. Zu radikal,<br />

zu fremd waren seine Gedanken. Oder<br />

war er nur zu nahe an der Wahrheit?<br />

Und heute? Man hat den jungen Bonhoeffer<br />

immer gegen den späteren ausspielen<br />

wollen. Der junge Bonhoeffer,<br />

der von radikaler Nachfolge spricht, der<br />

mit seinen Studenten in einem Quasi-<br />

Kloster lebt, der das „Gemeinsame Leben“<br />

proklamiert, passt scheinbar nicht<br />

zu dem späteren Bonhoeffer, der von<br />

einem diesseitigen Glauben redet, von<br />

einem „nichtreligiösen“ Leben mit Jesus<br />

ganz in dieser Welt, der behauptet:<br />

„Kirche ist nur Kirche, wenn sie für andere<br />

da ist.“<br />

Der Kranke Bote<br />

Doch dabei übersieht man, dass Bonhoeffer<br />

mit seinem Leben eine wichtige<br />

Lektion gelernt hat: Hingabe an Jesus<br />

ist Hingabe an diese Welt, weil Gott sich<br />

dieser Welt hingegeben hat. Und auch<br />

andersherum: Wer diese Welt für Jesus<br />

erreichen will, kommt nicht umhin, zuerst<br />

Jesus erreichen zu wollen. Und so<br />

passen zwei seiner markantesten Aussagen<br />

aus zwei völlig verschiedenen<br />

Lebensphasen sehr wohl zusammen:<br />

„Die Restauration der Kirche kommt<br />

gewiss aus einer Art neuen Mönchtums,<br />

das mit dem alten nur die Kompromisslosigkeit<br />

eines Lebens nach der Bergpredigt<br />

in der Nachfolge Christi gemeinsam<br />

hat. Ich glaube, es ist an der Zeit, hierfür<br />

die Menschen zu sammeln. […] Es gibt<br />

doch nun einmal Dinge, für die es sich<br />

lohnt, kompromisslos einzutreten. Und<br />

mir scheint der Friede und die soziale<br />

Gerechtigkeit, oder eigentlich Christus,<br />

sei so etwas.“ (1935)<br />

„Christsein wird heute nur in zweierlei<br />

bestehen: Im Beten und im Tun des<br />

Gerechten unter den Menschen. Alles<br />

Denken, Reden und Organisieren in den<br />

Dingen des Christentums muss neu geboren<br />

werden, aus diesem Beten und<br />

diesem Tun.“ (1944)<br />

Wenn er diese Sachen nicht gesagt<br />

hätte, dann hätten wir sie erfinden müssen.<br />

Denn eigentlich ist das die Grundsatzerklärung,<br />

die jede Freak-Gemeinde<br />

irgendwo geschrieben haben könnte.<br />

Kirche ist simpel: Wir müssen zu Jesus.<br />

Und Jesus zu den Leuten.<br />

Markus Lägel<br />

[markus.laegel@24-7prayer.com]<br />

April/Mai 20<strong>06</strong> Seite 21


Der Kranke Bote<br />

w<br />

Die Mauern stürzten ein<br />

Enthüllungen über Steinewerfer, Christen und Kapitalismus<br />

Gorleben. Beim letzten Castortransport<br />

kam es in der örtlichen Gefangenensammelstelle<br />

zu einem merkwürdigen<br />

Ausbruch zweier weiblicher<br />

Gefangener. Die wegen mehrfachen<br />

Landfriedensbruches festgenommene<br />

Blacky Blocksberg und die wegen ihrer<br />

bunten Dreads versehentlich mit einkassierte<br />

Jesus Freakin Gloria Solideo<br />

führten jedoch vor ihrem Ausbruch ein<br />

interessantes Gespräch. Exklusiv für<br />

den <strong>Kranken</strong> <strong>Boten</strong> ein Mitschnitt des<br />

Zellenabhörgerätes.<br />

© www.photocase.com<br />

April/Mai 20<strong>06</strong> Seite 22<br />

Schwerpunkt<br />

Gloria: …nur weil ihr Chaoten mal<br />

wieder Steine schmeißen müsst, sitze<br />

ich hier mit in der Patsche! Dabei wollt<br />

ich doch nur Flyer für den nächsten Jesus-Freak-Abhängabend<br />

verteilen... Ich<br />

habe doch mit Politik gar nichts am<br />

Hut!<br />

Blacky: Jesus Freaks kenne ich. Na ja,<br />

was beschwerst du dich denn, steinigen<br />

ist doch biblisch, oder?<br />

Gloria: Du findest das vielleicht witzig.<br />

Biblisch ist doch garantiert nicht, was<br />

ihr hier macht – denn in Römer 13 steht<br />

geschrieben...<br />

Blacky: Ja ja, kenne ich.<br />

„Jedermann sei Untertan<br />

der Obrigkeit.“ Du wirst<br />

es kaum glauben, ich bin<br />

Christin. Nebenbei bemerkt,<br />

ich habe gar keine Steine<br />

geschmissen, sondern (flüstert<br />

Gloria ins Ohr) Tomaten.<br />

Weiche Tomaten!<br />

Gloria: Was? Also das…<br />

nein. Also, äh… findest du<br />

nicht, dass du falsche Prioritäten<br />

setzt? Wir sollen den<br />

Leuten, also auch den Polizisten,<br />

doch Jesus bringen<br />

und keine faulen Tomaten.<br />

Blacky: Was ist denn, wenn<br />

ein System uns daran hindert,<br />

so zu leben, wie Jesus<br />

es will? Dann können wir,<br />

wenn wir für Jesus kämpfen,


Schwerpunkt<br />

gegen diese gesellschaftliche Sünde<br />

nicht schweigen.<br />

Gloria: Das mag vielleicht bei Christenverfolgung<br />

zutreffen, dann müssen<br />

wir Gott mehr gehorchen als den Menschen<br />

(Apg 4, 29). Aber doch nicht bei<br />

uns! Da gilt „dem Staat unterordnen“.<br />

Blacky: Wo steht denn, dass ich das<br />

System nicht hinterfragen darf? Es gibt<br />

Bibelstellen, die zeigen, dass Staatsgewalt<br />

zwar von Gott akzeptiert, aber<br />

deshalb noch lange nicht gut ist. Zum<br />

Beispiel damals, als das Volk Israel<br />

´nen König wollte. Schließlich<br />

wird Staatsgewalt<br />

von Menschen gemacht.<br />

Der Mensch ist ein Ego-<br />

Schwein. Und Jesus sagt,<br />

auf einem faulen Baum<br />

können keine guten Früchte wachsen.<br />

Und unser heutiges System ist auch so<br />

´ne faule Frucht.<br />

Gloria: Das verstehe ich nicht ganz. In<br />

unserer sozialen Marktwirtschaft wird<br />

ja versucht, den menschlichen Egoismus<br />

in gesunde Bahnen zu lenken – zum<br />

Fortschritt und zum Wohle aller.<br />

Blacky: …und die Erde ist eine Scheibe!<br />

Schau dir doch die Praxis an! Wozu<br />

führt es denn, wenn ein System den<br />

Egoismus zum Motor macht? „Nehmen<br />

ist seliger als Geben“ ist die Devise. Jeder<br />

muss sich im Kampf aller gegen alle<br />

durchsetzen, sonst verliert man. Und es<br />

gibt heutzutage weitaus mehr Verlierer<br />

als Gewinner. Das hat zur Folge, dass<br />

die Welt nun vor Ungerechtigkeit nur so<br />

strotzt. So. Und nun versuch mal, wirk-<br />

„In der Bibel finde<br />

ich aber keine<br />

Aufforderung zur<br />

Revolution.“<br />

Der Kranke Bote<br />

lich 100%ig nach Gottes Vorgaben zu<br />

leben: „Wenn jemand hungrig ist, dann<br />

gib ihm zu essen.“ – Alle 4 Sekunden<br />

verhungert ein Mensch. Gott hasst es,<br />

wenn Menschen ausgebeutet werden<br />

(Amos 5, 11.12). Und niemand kann<br />

zwei Herren gleichzeitig dienen, Gott<br />

und dem Mammon (Mt 6, 24).<br />

Gloria: Das kann ich doch alles machen.<br />

Ich gebe Bedürftigen, ich spende,<br />

ich bete für die Dritte Welt, ich mache<br />

Sozialarbeit und versuche mein Herz<br />

nicht ans Geld zu hängen.<br />

Blacky: Das ist schön. Aber<br />

die Ungerechtigkeit dieses<br />

Systems hat bereits alle Lebensbereiche<br />

durchzogen.<br />

Im Kapitalismus ist Christsein<br />

natürlich möglich und<br />

geduldet, aber nur, soweit man das<br />

System nicht „stört“. Es ist nicht möglich,<br />

aus diesem ungleichen Wettkampf<br />

einfach auszusteigen. Dieses teuflische<br />

System gehört abgeschafft!<br />

Gloria: Willst du etwa den Sozialismus<br />

der Ostblockländer wiederhaben?<br />

Blacky: Nein. Das ist eine andere Seite<br />

von demselben Haufen Mist. Genau wie<br />

im Kapitalismus kam im so genannten<br />

Realsozialismus der erwirtschaftete<br />

Gewinn nicht allen, sondern einer<br />

kleinen Elite zu Gute. Man nennt das<br />

Staatskapitalismus. Der gehört ebenso<br />

abgeschafft.<br />

Gloria: In der Bibel finde ich aber keine<br />

Aufforderung zur Revolution.<br />

Blacky: Aber die Aufforderung, Salz<br />

und Licht der Welt zu sein und Gottes<br />

<br />

April/Mai 20<strong>06</strong> Seite 23


Der Kranke Bote<br />

Reich zu bauen. Endet Gottes Reich an<br />

den Kirchentüren? Bezieht sich „Salz<br />

und Licht“ nur auf das ‚Seelenheil’?<br />

Sollen wir nicht die Institutionen und<br />

Systeme der Welt an Gottes Maßstäben<br />

messen? Ich sage immer: Neben der<br />

Zeitung die Bibel liegen haben…<br />

Gloria: Da hast du recht. Ich trete auch<br />

gegen Abtreibung ein und bin schon<br />

mal gegen die Ehe von Homosexuellen<br />

auf die Straße gegangen.<br />

Blacky: Warum gehst du dann nicht<br />

auch gegen soziale Ungerechtigkeit<br />

auf die Straße? In der<br />

Bibel finde ich ein paar<br />

Stellen gegen Homosexualität,<br />

aber viel mehr<br />

Stellen, die sich für die<br />

Rechte der Armen, Witwen,<br />

Waisen und gegen Ausbeutung<br />

einsetzen. Warum lesen wir Christen die<br />

Bibel immer nur unter dem Aspekt der<br />

individuellen Sünde und sehen nie die<br />

Sünde, die im richtig großen Maßstab<br />

geschieht? Die Anbetung des Götzen<br />

Mammon, die Ausbeutung ganzer Kontinente,<br />

die Zerstörung der Schöpfung<br />

und so weiter? Wir fischen Fliegen aus<br />

dem Becher, aber verschlucken Kamele<br />

(Mt 23, 24).<br />

Gloria: Bist du sicher, dass du da die<br />

Bibel nicht missbrauchst – zur Rechtfertigung<br />

der linken Ideologie?<br />

Blacky: Ich weiß, dass alle Christen<br />

die Bibel mit einer gesellschaftlich vorgeprägten<br />

Brille lesen, auch ich. Es ist<br />

teilweise total schwer zu prüfen, was<br />

wirklich von Gott ist und was von mir.<br />

Das wird umso schwerer, je mehr allein<br />

April/Mai 20<strong>06</strong> Seite 24<br />

„Warum sehen<br />

Christen nie die<br />

Sünde, die im großen<br />

Maßstab geschieht?“<br />

Schwerpunkt<br />

man steht und sich nicht auf liebevolle<br />

und konstruktive Weise mit Schwestern<br />

und Brüdern austauschen kann. Zum<br />

Glück haben wir den Heiligen Geist als<br />

Korrektur…<br />

Gloria: Schon die Geschichte lehrt uns,<br />

dass man die Bibel für fast jedes politische<br />

Programm und jede Ideologie<br />

missbrauchen kann…<br />

Blacky: Der „rote Faden“ der Bibel ist<br />

doch die Liebe. Wenn wir bereit sind,<br />

ehrlich zu uns selbst zu sein, dann merken<br />

wir, dass weder Ablasshandel noch<br />

Euthanasie und Antisemitismus,<br />

noch ein<br />

Wirtschaftssystem, dass<br />

Konkurrenz und Egoismus<br />

zum Gesetz macht<br />

zusammenpasst mit der<br />

Liebe, die alles glaubt, alles hofft, alles<br />

gibt, die nicht ihren eigenen Vorteil<br />

sucht (1. Kor 13).<br />

Gloria: Gewaltanwendung passt erst<br />

recht nicht mit dieser Liebe zusammen.<br />

Wie stehst du dazu?<br />

Blacky: Ich frage immer Jesus. Des<br />

weiteren lehrt uns die Bibel Gewaltlosigkeit<br />

als Wert. Die Entscheidung im<br />

Einzelfall ist immer eine Gratwanderung<br />

zwischen verschiedenen Übeln:<br />

unterlassenes Handeln kontra falsches<br />

Handeln.<br />

Gloria: Bist du der Meinung, dass alle<br />

Christen linksradikal sein müssen?<br />

Blacky: Ich bin keine Freundin solcher<br />

Kategorien, finde aber auch, dass Jesus<br />

Freaks sich nicht als „gesellschaftliche<br />

Mitte jenseits von links und rechts“ po-<br />

sitionieren können. Wenn „Mitte“ den


Schwerpunkt<br />

gesellschaftlichen Mainstream meint,<br />

dann passt das absolut nicht zu Jesus.<br />

Gloria: Jesus war bestimmt nicht links,<br />

sondern hing genauso mit den Bonzen<br />

und Zöllnern rum.<br />

Blacky: Klar, ich will ja auch nicht einzelne<br />

Menschen verurteilen. Aber Liebe<br />

bedeutet nicht, zu allem ja und amen<br />

zu sagen, sondern auch Grenzen zu zeigen.<br />

Jesus selbst war parteiisch. Er war<br />

gegen Ungerechtigkeit und stellte sich<br />

auf die Seite derer, denen Ungerechtigkeit<br />

widerfahren ist, die „Verarschten<br />

und Ausgestoßenen“. Es geht nicht darum,<br />

sich in irgendeine politische Schublade<br />

einzuordnen, sondern wir müssen<br />

uns von Gott in unserem kleinkarierten<br />

Denken stören lassen.<br />

Gloria: Oh Mann, das ist echt viel<br />

abstrakte Theorie. Und es klingt so, als<br />

müsste man einfach ständig alles hinterfragen.<br />

Lass uns den ganzen Scheiß<br />

Der Kranke Bote<br />

doch vor Gott bringen und ihn loben,<br />

auch wenn wir im Knast sitzen.<br />

Blacky: Hm… stimmt. Vor lauter Nachdenken<br />

und Fragen, und auch vor Verbitterung<br />

vergesse ich manchmal volle<br />

Kanne die Beziehung mit Jesus zu leben<br />

und mich einfach zu freuen.<br />

(Blacky fängt an, zu singen: „Gott ist<br />

gegenwärtig“ Gloria stimmt mit ein.)<br />

Auf einmal: Knirsch, brösel, rumpel,<br />

schepper… klick, und die Tür ist offen…<br />

Gloria und Blacky gehen vorsichtig<br />

zur Tür raus, ein gleißendes Licht<br />

weist ihnen den Weg nach draußen.<br />

Wachtmeister Ver-Hoeeren liegt zusammen<br />

mit seinem Kollegen Knüppelfrey<br />

zappelnd und zuckend am Boden und<br />

sabbelt nur noch „Schackalackalackaschacka…“.<br />

Wurden die beiden Mädels<br />

entrückt? Nein, aber in Zukunft vom<br />

Verfassungsschutz beobachtet…<br />

Michael Jahme, JF Chemnitz und<br />

Anne Rauhut, Lüneburg<br />

www.schraubereien.de<br />

© www.photocase.com<br />

April/Mai 20<strong>06</strong> Seite 25


Der Kranke Bote<br />

nachgedacht: Weniger ist mehr<br />

Fairer Handel und das Verzichten-Können<br />

Manche Menschen sind einfach<br />

maßlos. Sie können nicht genug<br />

bekommen, ihr Gott ist der Bauch (Phil<br />

3, 19). Wenn wir ehrlich sind, geht es<br />

nicht nur manchen Menschen so. Wir<br />

könnten so ziemlich alle gemeint sein.<br />

Fast jeder geht mit einer Menge Ballast<br />

durchs Leben und häuft immer mehr<br />

und mehr an.<br />

Leider stoppen an dieser Stelle einige<br />

christliche Denker und kommen zu<br />

einem Ideal der Armut. Askese wird zur<br />

Tugend des Monats ernannt und Besitz<br />

generell kritisch gesehen. Dabei ist es<br />

nicht der Besitz oder der Wohlstand, der<br />

schwierig ist. Der Bauch wird dann zum<br />

Gott, wenn der Gedanke greift, dass ein<br />

bisschen mehr glücklich machen könnte.<br />

Manche Menschen können nicht genug<br />

bekommen, weil sie denken, dass noch<br />

etwas zum Glück fehlt. Sie gleichen den<br />

Romantikern, die immerzu nach der<br />

blauen Blume suchen, die sie nie finden<br />

können.<br />

Viele von uns leben wie die Esel, denen<br />

man eine Möhre kurz vor die Nase<br />

hält, damit sie weitergehen. Sie haben<br />

das Glück vor Augen, können es aber<br />

nie erreichen. Der Teufel zeigt ihnen<br />

ständig neue Dinge, nach denen es sie<br />

verlangt. Sie leben ständig in der Lüge,<br />

April/Mai 20<strong>06</strong> Seite 26<br />

nachgedacht<br />

dass ihnen noch etwas fehlt. An diesem<br />

Punkt scheint mir die ganze Diskussion<br />

um Fair Trade, ökologischen Anbau usw.<br />

etwas zu kurz zu greifen. Das sind alles<br />

gute Konzepte, aber es wird den Menschen<br />

nicht ändern. Das Grundproblem<br />

liegt nicht in unserem Handeln, sondern<br />

in unserem Gott. Die Welt wird erst dann<br />

ein lebenswerterer Ort, wenn die Menschen<br />

lernen, bewusst zu konsumieren<br />

und auf manches einfach zu verzichten.<br />

So lange unser Gott der Bauch ist, wird<br />

es uns sehr schwer fallen, von unserer<br />

Selbstsucht wegzusehen.<br />

Das eine soll man tun, das andere<br />

nicht lassen. Soziale Gerechtigkeit ist<br />

wichtig, aber um sie zu erreichen, ist es<br />

nötig, dass die Menschen einem Gott<br />

folgen, der sie von sich selbst und ihrer<br />

ständigen Sucht nach mehr befreit. Erst<br />

wenn wir lernen, uns selbst zu verleugnen,<br />

unser Kreuz auf uns zu nehmen<br />

und Jesus so nachzufolgen wie die Bibel<br />

es sagt, werden wir die innere Unabhängigkeit<br />

haben, bewusst zu leben<br />

und bewusst auf manches zu verzichten.<br />

Je mehr ich darüber nachdenke, um<br />

so mehr scheint es mir das Kriterium<br />

der Jüngerschaft zu sein, von sich selbst<br />

weg auf andere und Gott zu sehen.<br />

Storch [storch@jesusfreaks.de]<br />

© Timm Ziegenthaler


Interview<br />

Musikant ohne Illusionen<br />

Ein Plattenkonzern entdeckt Daniel Benjamin – egal!<br />

Daniel Benjamin Schweiker hat<br />

zwei Drittel seines Namens in eine<br />

Band umbenannt. Wenn er nicht gerade<br />

mit einer seiner beiden Bands auf<br />

Tour ist, lebt, leidet und leuchtet er im<br />

Schwabenländle.<br />

Hab aufm Freakstock gehört, dass<br />

du den John-Lennon-Songwriter-<br />

Preis gekriegt hast. Stimmt das?<br />

Und was bedeutet das?<br />

Klar stimmt das. Was das bedeutet?<br />

Der Preis beinhaltet 500 000 Euro, das<br />

ist ja gar nicht schlecht, oder? Ansonsten<br />

noch ein bisschen Publicity, vor<br />

allem in den USA hats gewirkt, da habe<br />

ich schon ca. 150 000 Platten verkauft<br />

© Peter Fast<br />

Der Kranke Bote<br />

und das nur über Internet-Mailorder.<br />

Das coolste an der ganzen Sache ist<br />

natürlich, dass die Deutschen mal wieder<br />

überhaupt nichts davon mitgekriegt<br />

haben.<br />

Hör ich da Zynismus? Auch auf deiner<br />

My-Space-Webseite wirkst du<br />

ungeduldig, genervt oder planlos.<br />

Sollte alles schneller gehen?<br />

Nein, wenn ich zynisch bin hat das<br />

mit Lebensfreude zu tun. Ich bin schon<br />

seit ein paar Jahren von der Illusion<br />

weggekommen, dass man als Musikant<br />

warten muss, bis irgendwas Großartiges<br />

passiert. Wenn man nicht durch das,<br />

was man selbst machen kann, von der<br />

<br />

April/Mai 20<strong>06</strong> Seite 27


Der Kranke Bote<br />

Musik leben kann, dann kann man es<br />

auch nicht mit einer großen Plattenfirma<br />

im Rücken. Das mit dem Preis finde<br />

ich witzig, weil ich außer dem Namen<br />

– Ich glaub, John Lennon ist der Gitarrist<br />

von U2, oder? – noch nie was von<br />

diesem Wettbewerb gehört habe. Das<br />

ist nicht mal ein Gerücht, das auf einer<br />

Halbwahrheit basiert, wie, dass ich mich<br />

da beworben hätte oder so, sondern,<br />

dass das komplett erfunden ist. Wie<br />

gesagt, das amüsiert mich sehr. Genau<br />

wie damals als jemand meinte ich hätte<br />

einen Plattendeal mit Sony, dabei habe<br />

ich bis heute noch nie jemand von Sony<br />

kennengelernt.<br />

Ihr habt euch gerade mit Universal<br />

Music in Berlin getroffen. Was<br />

geht da?<br />

Die wollen uns in den Verlag rein<br />

nehmen und das geht von uns aus auch<br />

klar, wenn der Vorschuss stimmt. Universal<br />

wollte als Label auch Jumbo Jet<br />

haben, aber da haben wir gleich gesagt<br />

„kein Bock“, weil die nur auf Deutschland<br />

begrenzt sind.<br />

Wie ist dein Doppelleben mit<br />

Jumbo Jet? Schon schizo?<br />

He he, ich finde, dass sich das gegenseitig<br />

ergänzt, weil, obwohl wir uns ja<br />

eigentlich mit beiden Bands auf keine<br />

Musikrichtung festgefahren haben,<br />

alles ja sehr unterschiedlich ist. Da ist<br />

nicht eins wichtiger als das andere. Es<br />

kann natürlich sein, dass man mal eine<br />

Weile eins mehr betont als das andere.<br />

Kein Problem!<br />

April/Mai 20<strong>06</strong> Seite 28<br />

Interview<br />

Was erwartest du vom Publikum,<br />

was erwarten es von dir? Bist du<br />

ein Entertainer?<br />

Ich denke das eine hängt vom anderen<br />

ab. Für mich sind gute Konzerte in<br />

erster Linie die, wo man merkt, dass<br />

die Leute zuhören. Die Leute hören<br />

aber nur zu, wenn sie was erwarten,<br />

dem sie sich 100%ig widmen können.<br />

Da schließt sich der Kreis wieder. Wenn<br />

Leute zu einem Konzert gehen, um Leute<br />

zu treffen, die sie lange nicht gesehen<br />

haben, dann ergibt sich bei Daniel-Benjamin-Konzerten<br />

die Möglichkeit,<br />

sich zu unterhalten, weil wir meist sehr<br />

leise spielen. Und das wiederum macht<br />

mich nicht mehr zum Entertainer, sondern<br />

nur zum Bild an der Wand oder zur<br />

Hintergrundmusik, was ja auch nicht<br />

unbedingt schlecht ist.<br />

Von allen Filmen, die du kennst,<br />

welcher könnte einen Daniel-<br />

Benjamin-Soundtrack haben?<br />

Ich denke „The Straight Story“, dann<br />

auf alle Fälle „Die Tiefseetaucher“ oder<br />

„Royal Tenenbaums“, wobei ich „Rushmore“<br />

von Wes Anderson besser finde.<br />

Aber das ist so college-rock-spezifisch,<br />

da kann ich nicht mithalten.<br />

Was steht an für Daniel Benjamin<br />

im Jahre 20<strong>06</strong>?<br />

Erst mal kommt das Album im Mai<br />

in die Läden und dann wird ordentlich<br />

getourt. Wer Tourdaten wissen will, am<br />

besten den Newsletter bei mir abonnieren:<br />

[danielbenjamin@t-online.de].<br />

Daniel Benjamin im Netz: www.myspace.com/danielbenjamin<br />

Interview: Freddi [fredgralle@gmx.de]


Konsumberatung<br />

No direction home – Bob Dylan<br />

Abseits vom Hollywoodkino<br />

versucht Martin<br />

Scorsese auf zwei DVDs mit<br />

Archivmaterial, Konzertmitschnitten<br />

und Interviews die<br />

Legendenbildung um Bob<br />

Dylan, den unnahbar wirkenden<br />

Wunderknaben der Folkmusik<br />

zu dokumentieren.<br />

In der frühen Bürgerrechtsbewegung<br />

taucht der 20jährige<br />

Dylan plötzlich auf<br />

– und verblüfft. Die Beat-Generation<br />

findet ein musikalisches Sprachrohr, die<br />

schwarzen Aktivisten sind beeindruckt<br />

von der Solidarität dieses weißen Gitarrenspielers,<br />

der seinen Protest so<br />

furchtlos runternuschelt. Alle sind sofort<br />

begeistert, erheben ihn ungefragt<br />

zum Popidol. Johnny Cash schenkt ihm<br />

backstage seine Gitarre. Ungeduldige<br />

Reporter fordern neue schroffe Weisheiten.<br />

Der frühere Außenseiter singt<br />

Rätselauflösung<br />

aus dem letzten Heft<br />

Der Kranke Bote<br />

„My name it is nothing, my<br />

age it means less“, aber<br />

Fans laufen ihm hinterher<br />

und bitten: Darf ich deine<br />

linken Fingerspitzen berühren?<br />

Dylan reagiert ratlos,<br />

mysteriös, arrogant.<br />

Dann kommt der Bruch:<br />

1965 greift Dylan zur elektrischen<br />

Gitarre und begeht<br />

damit für viele Fans Verrat am<br />

Country. Zornig und unsicher<br />

schwankt sein Publikum nun zwischen<br />

Buhen und Mitsingen. Wer ist jetzt arrogant?<br />

Dylans Ewigkeitswert drückt sich<br />

für mich am Besten im künstlerischen<br />

Qualitätsempfinden der Zeit aus: „Hey,<br />

gestern Abend hat Soundso gespielt.“<br />

Geantwortet wird nicht „Und war er<br />

gut?“, sondern „Und? Hatte er was zu<br />

sagen?“<br />

Freddi [fredgralle@gmx.de]<br />

April/Mai 20<strong>06</strong> Seite 29


Der Kranke Bote<br />

Bevor die Funken fliegen<br />

Durch Kommunikation Konflikte vermeiden<br />

Wie schnell passiert es, dass plötzlich<br />

ein kleiner Zigarettenstummel<br />

ganze Wälder zerstören kann; gerade<br />

in Dürreperioden. Genauso kann<br />

ein kleines Missverständnis ganze Gemeinden<br />

spalten oder zumindest einen<br />

Flächenbrand auslösen. Darum möchte<br />

ich im folgenden Text auf Brandschutzmaßnahmen<br />

eingehen, damits erst gar<br />

nicht so weit kommt.<br />

Stichwort Zündstoffe<br />

Kommunikation ist sehr facettenreich<br />

und komplex. Zum Kommunikationsprozess<br />

gehören ein Sender, eine Nachricht<br />

und ein Empfänger. Das ergibt drei<br />

Ursachen für Kommunikationsbarrieren.<br />

1. Der Sender: Was will ich eigentlich<br />

sagen? Wie klar gebe ich Nachrichten<br />

an andere weiter? Mit welcher Motivation<br />

tue ich das? Das heißt, wie stehe<br />

ich meinem Empfänger oder einer Sache<br />

gegenüber und wie bin ich selbst<br />

gestrickt? Also: Check deine Motivation,<br />

mit der du deine Standpunkte vor<br />

anderen vertrittst.<br />

April/Mai 20<strong>06</strong> Seite 30<br />

© www.photocase.com<br />

Brandschutz<br />

2. Die Nachricht: Nach von Thun gibt<br />

es vier Ebenen:<br />

A) Sachebene: Das sind alle mögliche<br />

Fakten und Sachverhalte. Dabei sind<br />

der Wahrheitsgehalt, die Relevanz, die<br />

Struktur von Fakten, die Vollständigkeit<br />

und Eindeutigkeit von Belang.<br />

B) Selbstkundgabe: Die Art und Weise,<br />

wie ich über Sachen informiere,<br />

kann auch etwas über mich verraten.<br />

Wichtig sind hier klare Ich-Botschaften,<br />

auch wenn es die Einstellung anderen<br />

gegenüber betrifft.<br />

C) Beziehungsebene: Jede Botschaft<br />

sagt auch etwas über die Beziehung<br />

zum anderen aus: Formulierung, Tonfall,<br />

Begleitmimik sowie die Zusammensetzung<br />

des Ganzen. So können meine<br />

Worte etwas anderes ausdrücken als<br />

meine Körpersprache.<br />

D) Die Appellebene betrifft Wünsche,<br />

Appelle, Ratschläge usw. Diese können<br />

offen oder verdeckt kommuniziert<br />

werden.<br />

Wenn die vier Ebenen nicht eindeutig<br />

sind und innerhalb eines Gesprächs vermischt<br />

werden, kann dies leicht Zündstoff<br />

bieten. Ich kann etwas als Appell<br />

verstehen, was gar nicht als solches<br />

gedacht war und denke mir: „Du Arsch,<br />

du hast mir das gar nicht zu sagen“.<br />

Aber mein Gegenüber hat mir vielleicht<br />

indirekt etwas von sich selber mitteilen<br />

wollen.<br />

3. Der Empfänger: Ich kann von<br />

meinem Welt- und Glaubensbild nicht


Brandschutz<br />

auf andere schließen und ihnen denselben<br />

Blickwinkel oder die selbe Motivation<br />

unterstellen. Meine Wahrnehmung<br />

ist nicht das Nonplusultra. Zündstoff<br />

bieten auch die verschieden Rollen, die<br />

hier aufeinandertreffen, zum Beispiel<br />

meine Rolle als Gemeindeleiter, Freund<br />

oder Ehepartner. Es geht nicht darum,<br />

sich Masken aufzusetzen, sondern Aufgaben<br />

und Beziehungen nicht in ein<br />

Topf zu werfen. Schließlich ist Bier immer<br />

noch Bier, und Wein ist Wein, auch<br />

wenn beide Alkohol sind.<br />

Stichwort Dürreperioden<br />

Es gibt verschiedene Organisationsstrukturen.<br />

Manche haben eine hohe<br />

Hierarchiepyramide, das heißt es gibt<br />

nach oben hin mehrere Ebenen. Mit<br />

steigender Ebene steigt die Verantwortung.<br />

Der Vorteil ist daran, das zumeist<br />

das Aufgabenfeld klar definiert ist. Jedoch<br />

sind manchmal Personen auf den<br />

unteren Ebenen weniger motiviert,<br />

da ihnen der Grund beziehungsweise<br />

die Wichtigkeit ihrer Tätigkeit nicht<br />

immer bewusst ist. Und Personen auf<br />

den oberen Ebenen sind hin und wieder<br />

überfordert. Dies kann auf beiden<br />

Seiten Frust hervorrufen. Mit etwas<br />

© www.photocase.com<br />

Der Kranke Bote<br />

mehr Transparenz weiß ersterer mehr,<br />

warum er Dinge tut und letzterer wird<br />

entlastet. Gerade für Personen, bei denen<br />

alle Fäden der Gemeinde zusammenlaufen,<br />

ist es wichtig, sich hin und<br />

wieder zu hinterfragen, ob ihre Position<br />

nicht ihre Kompetenz überschreitet.<br />

Denn bei Überforderung kann es zum<br />

Machtmissbrauch kommen. Persönliche<br />

Dürreperioden sollten sich gerade in<br />

dieser Position eingestanden werden.<br />

Wenn nicht so viele Hierarchieebenen<br />

vorhanden sind und viele Bereiche nebeneinander<br />

existieren, dann ist eine<br />

klare Absprache umso wichtiger. Wenn<br />

hier keine klaren Grenzen gezogen sind,<br />

frisst das unnötige Energie, da sich entweder<br />

alle oder keiner kümmern und<br />

viele Aufgaben liegen bleiben. Das kann<br />

genauso Dürre hervorrufen. Wenn jeder<br />

weiß, wo sein Platz ist und was seine<br />

Aufgaben sind, ist viel mehr Energie frei<br />

für die Dinge, die zu tun sind. Dabei ist<br />

es wichtig, gabenorientiert zu arbeiten,<br />

denn sonst kann ich nicht effektiv arbeiten<br />

und power mich viel schneller aus.<br />

Falls doch mal ein Brand ausbricht,<br />

sollte schnellstmöglich mit den Löscharbeiten<br />

begonnen werden, damit er<br />

sich weder im Herzen noch auf andere<br />

ausweitet: „Deshalb legt die Lüge ab<br />

und redet Wahrheit, ein jeder mit seinem<br />

nächsten!“ (Eph 4, 25).<br />

Andrea Graf [andrea.mail@gmx.net]<br />

Andrea Graf (28) studiert Psychologie und<br />

ist Seelenfeuerwehrfrau bei den JF Leipzig.<br />

Im nächsten <strong>Kranken</strong> <strong>Boten</strong>: „Was tun, wenns<br />

brennt?“ Zum Umgang mit Konflikten in der<br />

Gemeinde.<br />

April/Mai 20<strong>06</strong> Seite 31


Lautes und Leises aus Oberfranken<br />

Gemeindeporträt der JF Bayreuth-Kulmbach<br />

Sch***, Klopapier schon wieder<br />

alle!“ Kein Wunder, wenn es sich<br />

immer alle beim Lobpreis in die Ohren<br />

stopfen müssen! Nicht, dass er so<br />

schlecht wäre, aber man hat schließlich<br />

einen schalldichten Gottesdienstraum<br />

und darf das genießen! Willkommen in<br />

Bayreuth! Bayreuth? Da fällt den meisten<br />

nur Richard Wagner ein und Festspiele,<br />

für die man eh nie eine Karte bekommt.<br />

Mal abgesehen davon, dass die<br />

auch Geschmackssache sind. Bayreuth<br />

hat aber noch einiges mehr zu bieten<br />

als Siegfried und die Nibelungen. Zum<br />

Beispiel Jesus und seine Freaks!<br />

Die Bayreuther Jesus Freaks gibt es<br />

seit 1994 und in der Zwischenzeit ist<br />

viel passiert. Der leidige Ruf besoffen<br />

und zu cool für diese Welt zu sein, geht<br />

zum Glück langsam verloren. Auch größenmäßig<br />

hat sich viel getan. Mal waren<br />

es ganz viele und dann wieder nur<br />

vier im Gottesdienst. Seit ungefähr zwei<br />

Jahren kommen aber plötzlich immer<br />

mehr, so dass der kuschelige Hauskreis<br />

geteilt werden musste und zwar ganz<br />

pragmatisch nach Jungs und Mädels.<br />

Das ersparte das leidige Wer-mit-wem-<br />

Problem und hatte auch sonst noch<br />

positive Nebeneffekte. Einmal im Monat<br />

trifft man sich aber gemeinsam. Im<br />

Sommer gerne auch im Hofgarten. Der<br />

liegt ja auch so praktisch gleich nebenan.<br />

Dort ist die Luft außerdem besser,<br />

wenn die Gemeinderäume mal wieder<br />

ein bisschen zu stinken anfangen. Ir-<br />

gendwann ist da mal eine Klärgrube<br />

ausgelaufen…<br />

Auch sonst ist der Sommer das Beste.<br />

Da bringt der Nachbar Gegrilltes<br />

und Cola vorbei – einfach so. Auf die<br />

Art und Weise hatte man ihn schon bis<br />

in die Räume gelockt, nur leider ist er<br />

nie zum Gottesdienst geblieben. Aber<br />

es kommen andere und bleiben. Ohne<br />

Werbung, ohne Einladungen, einfach<br />

so, weil sie mal gucken wollen oder jemanden<br />

kennen.<br />

Je mehr die Gemeinde wächst, desto<br />

ereignisreicher scheint alles zu werden.<br />

Sie wollen zum Beispiel den „daily<br />

treff“ wieder zu beleben, sich täglich<br />

zu treffen, wie die Urgemeinde. Eine<br />

Zeit lang haben das einige von ihnen<br />

regelmäßig gemacht und waren begeistert.<br />

In letzter Zeit ist es dann leider<br />

ein bisschen eingeschlafen. Außerdem<br />

wünschen sich die Lobpreiser, dass aus<br />

den momentanen verschiedenen Projekten<br />

mit wechselnden Besetzungen<br />

wieder feste Bands entstehen. Lobpreis<br />

war schon immer ein Schwerpunkt und<br />

wird es wohl auch weiterhin sein. Als<br />

ich frage, was sie sich sonst wünschen,<br />

seufzen einige: „Seelsorger bräuchten<br />

wir“, um für diejenigen da sein zu können,<br />

die dort Hilfe brauchen.<br />

Wenn man von Jesus Freaks Bayreuth<br />

spricht, darf man auf keinen Fall die<br />

Jesus Freaks Kulmbach vergessen,<br />

quasi die Außenstelle, die seit einiger<br />

Zeit mit dabei ist und aus zirka sechs


Freaks vor Ort<br />

festen Mitgliedern besteht. Bayreuth<br />

und Kulmbach gehören zusammen<br />

und lassen sich eigentlich gar nicht so<br />

richtig trennen. Vieles läuft gemeinsam.<br />

Trotzdem haben die Kulmbacher<br />

Name und Ort:<br />

Jesus Freaks Bayreuth-Kulmbach<br />

Homepage:<br />

www.jesus-rockt-bayreuth.de<br />

Gottesdienstbesucher: 25<br />

Gründung: 1994<br />

Arbeitsbereiche: 8<br />

Hunde: -<br />

Kinder: -<br />

Ehepaare: bald 2<br />

Lobpreisbands: diverse Projekte<br />

Frauenquote in der Leitung: 33 %<br />

Kleingruppen: 3<br />

Besonderheit: Davinator („Bleibt<br />

sauber und genießt Freakstock!“)<br />

Der Kranke Bote<br />

einen eigenen Hauskreis, einen<br />

Gebetstreff mit gemeinsamem<br />

Abendessen und gelegentlich einen<br />

eigenen Gottesdienst. Auch<br />

in Kulmbach gibt es Apostelgeschichte-2-Sehnsüchte:<br />

beim Projekt<br />

„Eine Woche gemeinsam leben“<br />

wohnt man zusammen, isst<br />

gemeinsam Frühstück und Abendbrot<br />

und hat am Abend einen<br />

Gottesdienst. Das Projekt ist vorerst<br />

vierteljährlich geplant, aber<br />

wer weiß, was noch daraus wird.<br />

Auch weiterhin bleibt bei JF<br />

Bayreuth-Kulmbach alles anders, und<br />

es wird sich lohnen!<br />

Rosemarie [rose_marie@gmx.ch]<br />

Gemeindesteckbrief zum Ausschneiden als Sammelspiel<br />

April/Mai 20<strong>06</strong> Seite 33


Der Kranke Bote<br />

Enthaltsam, der Nähe wegen<br />

Ehelosigkeit ist Segen und Kampf<br />

Über den Zölibat zu reden, beinhaltet<br />

wohl meistens eine konfessionelle<br />

Ablehnung der Haltung in der<br />

katholischen Kirche, aber eher selten<br />

die Auseinandersetzung mit dem Thema<br />

selbst. Mit den Worten Jesu aus der<br />

Bibel „Denn es ist so: Manche sind für<br />

die Ehe unfähig, manche sind von den<br />

Menschen dazu gemacht, und manche<br />

haben sich selbst dazu gemacht – um<br />

des Himmelreiches willen. Wer das erfassen<br />

kann, der erfasse es.“ (Matthäus<br />

19,12) tun wir uns im Allgemeinen<br />

auch etwas schwer. Nimmt man diesen<br />

Vers als Grundlage, folgt doch, dass es<br />

so etwas wie eine Ehelosigkeit um des<br />

Himmelreiches willen geben muss.<br />

Nun ergibt sich aus dem Wort aber<br />

ein Problem, es spricht von einer -losigkeit.<br />

Also von einem Mangel. Die Ehelosigkeit<br />

wird also von der Ehe her de-<br />

April/Mai 20<strong>06</strong> Seite 34<br />

finiert – so formuliert es ein Freund von<br />

mir, der als Mönch tatsächlich durch ein<br />

Versprechen sich auf ein Leben in Ehelosigkeit<br />

eingelassen hat. Es handelt<br />

sich also dabei um einen Begriff, der<br />

aus dem Negativen her bestimmt ist.<br />

Ein Wort, das Verzicht anzeigt.<br />

Nicht um des Verzichtens willen<br />

Theologie<br />

© Timm Ziegenthaler<br />

Die Ehe ein Versprechen, das sich die<br />

Paare vor Gott, der Gemeinde und voreinander<br />

geben. Dieses Versprechen ist<br />

gefüllt mit dem, was das Leben in einer<br />

Ehe beinhaltet. Soweit klar. Wenn<br />

nun aber der Mönch, und damit ist<br />

jeder gemeint, der von Gott den Weg<br />

der Ehelosigkeit aufgezeigt bekommt,<br />

nun eben auch ein Versprechen ablegt,<br />

geht er dann nicht im gewissen Sinne<br />

auch eine Ehe ein? Eben eine andere,<br />

mit anderem Inhalt, mit anderen Aus-


Theologie<br />

wirkungen natürlich. Mit anderen Freuden<br />

und Schwierigkeiten. Aber es ist<br />

ein Versprechen auf Hoffnung hin, wie<br />

in einer Ehe; und hey, ihr verheirateten<br />

Leser, das eheliche Leben stellt doch<br />

nicht immer nur himmlische Freuden<br />

dar, sondern wird auf Hoffnung hin<br />

ausgesprochen. Doch ich will nicht ins<br />

Vergleichen abrutschen. Ich will doch<br />

über die Ehelosigkeit an sich nachdenken,<br />

und nicht um ihre Berechtigung<br />

neben dem Zusammenleben von Mann<br />

und Frau argumentierend kämpfen. Das<br />

Versprechen der Ehelosigkeit ist auch<br />

so etwas wie eine Ehe. Der springende<br />

Punkt ist: Es geht doch in unserem<br />

Glauben nicht darum, dass wir etwas<br />

tun oder lassen um der -losigkeit willen.<br />

Der Verzicht um des Verzichtens willen<br />

ist doch nicht wirklich jesusmäßig. Das<br />

wäre blinde Askese. Ja, noch tiefer. In<br />

vielem geht es uns darum, alles und<br />

jedes zu verzwecken. Allem und jedem<br />

muss unbedingt ein Sinn abgerungen<br />

werden. Das ist eine verkürzte Sicht der<br />

Dinge. Denn die Sinne und Zwecke, die<br />

wir an Glaubensinhalte, an Nachfolgemerkmale<br />

anlegen, sind doch die Unsrigen.<br />

Die sind aus dem Heute. Aber ist<br />

denn nicht das Ziel der Nachfolge das<br />

Morgen? Ist nicht der Wert, ja die Spannung<br />

des Lebens mit Jesus, dass eben<br />

nicht absehbar ist, was kommt? Daraus<br />

ergibt sich, dass es gewaltige Auswirkungen<br />

auf unser Heute haben wird,<br />

wenn wir das leben, was wir morgen erhoffen.<br />

Das gilt zuerst und vornehmlich<br />

für den Lebensweg der Enthaltsamkeit.<br />

Es gibt also einen Wert darin, keine Ver-<br />

Der Kranke Bote<br />

tröstung, keine Selbstkasteiung. Denn<br />

es ist eine -losigkeit um etwas willen, es<br />

hat einen Zweck, auf etwas zu verzichten.<br />

Doch einen, der nicht aus unserer<br />

Vorstellungswelt kommt.<br />

Ich würde das Wort Ehelosigkeit gern<br />

für diese Zeilen vergessen. Nennen wir<br />

es Enthaltsamkeit. Das ist zum einen<br />

positiver gefüllt, zum anderen zeitlich<br />

(noch) offen und zeigt zunächst eben<br />

nicht nur einen Zustand auf, der etwas<br />

beschreibt.<br />

Die Ehe ist wunderbar<br />

Wenn ich mir die Worte Jesu anschaue,<br />

dann ist doch die Ehe eine<br />

Sache, die zu dieser Welt gehört. Hier,<br />

heute für uns. Und eins der Dinge (neben<br />

dem Ruhetag), die wir aus dem Paradies<br />

mitnehmen durften – also nichts<br />

Schlechtes. Die Ehe ist vom Herrn. In<br />

der Ehe bilden wir die Vollkommenheit<br />

der göttlichen Ebenbildlichkeit am besten<br />

ab, als Mann und als Frau in einem<br />

Fleisch. Die Ehe ist also ein ziemlich<br />

geheiligtes Ding. Also schlichtweg gut.<br />

Und ich betone das deshalb so, weil<br />

ich vermeiden will, dass hier auch nur<br />

einer auf die Idee kommt, ich wolle etwas<br />

gegeneinander ausspielen. Die Ehe<br />

ist vom Herrn, sie ist wunderbar. Stößt<br />

nun der geneigte Bibelleser aber auf<br />

Antworten aus Jesu Mund, wie auf die<br />

Anfrage, ob denn eine Frau im Himmel<br />

mit ihrem ersten, zweiten oder dritten<br />

Mann verheiratet sein wird, wo er sagt,<br />

dass es im Himmel keine Ehe mehr geben<br />

wird; wird doch klar, dass die Ehelosigkeit<br />

eine Himmelserscheinung ist.<br />

<br />

April/Mai 20<strong>06</strong> Seite 35


Der Kranke Bote<br />

Hinweis auf die Ewigkeit<br />

Gut, mag mancher nun triumphieren,<br />

dann brauchen wir doch Enthaltsamkeit<br />

hier auf dieser Erde nicht, das sind<br />

wir dann in der Ewigkeit doch eh genug.<br />

Ich meine aber, dass die Enthaltsamkeit<br />

ein Hinweis auf die Ewigkeit<br />

sein soll. Ein Hinweis, eine Vorerfah-<br />

rung – in dieser Welt mit<br />

allen Einschränkungen<br />

und Bedürfnissen belegt<br />

– die das anzeigt, was kommen wird.<br />

Aber wie soll das möglich sein?<br />

Ich erlebe in Gesprächen oft, dass<br />

die lieben katholischen Kollegen ihren<br />

Zölibat rein funktional sehen. Nämlich<br />

insofern, dass sie sagen, es sei halt als<br />

Gemeindeleiter besser, keine Familie<br />

zu haben, weil man mehr Zeit für die<br />

Gemeinde nutzen könne. Irgendwie<br />

scheint das für jeden, der schon mal eine<br />

Gemeinde gleitet hat, auch einleuchtend<br />

zu sein. Aber er wird auch spüren,<br />

dass das nicht ganz rund ist. Den Zölibat<br />

rein funktional zu verstehen hieße<br />

nämlich, die Enthaltsamkeit zum Einen<br />

schon wieder zu verzwecken; und zum<br />

Andern sie zu einer Art Notwendigkeit,<br />

zu einer Art Notlage zu erklären. Doch<br />

das würde sie letztlich doch unlebbar<br />

machen. Die Notlage wäre die Grundlage.<br />

Die Not ist gleich der Grund. Aber<br />

ein Mangel kann im Reich Gottes nicht<br />

die Legitimation für die Nachfolge auf<br />

eben diese spezielle Weise sein.<br />

Enthaltsamkeit ist Kampf<br />

Die Notlage kann, wenn überhaupt,<br />

höchstens der Startschuss dazu sein.<br />

April/Mai 20<strong>06</strong> Seite 36<br />

„Das zölibatäre Leben<br />

ist keine Notlage!“<br />

Theologie<br />

Sie eröffnet den Ringkampf, der uns<br />

zum rechten Verständnis der Enthaltsamkeit<br />

führt. Ja, richtig, es geht um<br />

einen Kampf. Die Notlage ist überwunden<br />

worden! Und darin greife ich auch<br />

auf oben Gesagtes zurück: Ehelosigkeit,<br />

Enthaltsamkeit und all die anderen<br />

-keit-Wörter beschreiben doch einen<br />

Zustand, der etwas anzeigt.<br />

Darum geht es<br />

aber bei unserem Thema<br />

überhaupt nicht. Das zölibatäre Leben<br />

ist kein Ist! Das zölibatäre Leben ist<br />

kein Fertig! Es ist ein Werden, es ist<br />

ein Kampf. Und diesen Kampf zettelt<br />

der Herr im Leben eines Menschen an,<br />

der hierfür eine Berufung hat, im Leben<br />

jener, in diesen Kampf gerufen werden<br />

und sich rufen lassen. Das zölibatäre Leben<br />

ist keine Notlage, kein Mangel, kein<br />

Minus! Es ist etwas. Es ist nicht nichts.<br />

Es geht darum sich auf den Kampf einzulassen.<br />

Sich diesem Ringen mit Gott<br />

vorbehaltlos auszuliefern. Jakob ist in<br />

seinem Kampf mit Gott (1.Mose 32)<br />

der Vorkämpfer. Jakob hat viel, er ist<br />

reich, er ist gerissen – zu gerissen. Somit<br />

wurde er zu einem, der ausgerissen<br />

ist. Nun sitzt er da am Fluss und alles,<br />

was er hatte, alles was er besaß, musste<br />

er über den Fluss bringen. Es musste<br />

es, um es mit einem Fremdwort auszudrücken,<br />

„transzendieren“. Als er alles<br />

hinüber geschafft hatte, heißt es, rang<br />

Einer mit ihm. Als er sich allem entledigt<br />

hatte, weil er in eine Notlage gekommen<br />

war, die seine ganze Existenz<br />

betraf, kam einer, der kämpfte mit ihm.<br />

Ein anstrengender Kampf muss das ge-


Theologie<br />

wesen sein, die ganze Nacht. Die ganze<br />

Nacht des irdischen Lebens hat er<br />

durchgekämpft. Nein, dabei hat er Gott<br />

nicht beschimpft, verunglimpft oder<br />

gelästert. Herausgefordert hat er Gott,<br />

ihm den Segen zukommen zu lassen,<br />

der ihn in eine andere Identität hineinführte.<br />

Eine vollkommen neue Identität.<br />

Segen und Angriff<br />

Aus dem Gauner (Jakob) wurde der<br />

Gottesstreiter (Israel). Kein Fertig, kein<br />

Minus, sondern: Ein Ringen und ein<br />

Segnenlassen. Ein Segen und ein Angegriffen-Werden,<br />

das ist das Leben unter<br />

dem Versprechen der Enthaltsamkeit.<br />

Kampf und Trost. Einsamkeit und Fülle.<br />

Kreuz und Auferstehung. Füße waschen<br />

und Abendmahl. Nähe<br />

und Distanz. Segen und<br />

Angriff, Angriff und Segen<br />

– krasser Style von Leben letztlich!<br />

Früher war es so, dass der zölibatäre<br />

Lebensstand als Stand der Vollkommenheit<br />

angesehen wurde. Leider wird diese<br />

Wendung in unserer Sprache meiner<br />

Meinung nach falsch gedeutet. Es wird<br />

so verstanden, dass die Menschen, die<br />

so leben vollkommener wären – also es<br />

wird mal wieder verglichen. Und wie<br />

schnell ist man dabei, einen Menschen,<br />

der zölibatär leben möchte und auf die<br />

Schnauze fällt, sprich sündigt, leichter<br />

und schneller verurteilt, als jemand<br />

anderen. „Stand der Vollkommenheit“<br />

deute ich anders. Vollkommen sind die<br />

Menschen höchstens in einem Punkt –<br />

nämlich darin, dass sie wirklich wissen,<br />

dass sie Sünder sind. Dass ist ihre Voll-<br />

„Vollkommenheit<br />

bedarf keiner Liebe“<br />

Der Kranke Bote<br />

kommenheit. Und nun ein Roth’scher<br />

Satz: „Vollkommenheit bedarf keiner<br />

Liebe“. Wären wir vollkommen, sprich<br />

fehlerlos, perfekt und rein, bräuchten<br />

wir keine Liebe. Weder die von Menschen<br />

noch die von Gott. Wir wären uns<br />

selbst genug, weil „voll“kommen.<br />

Ohne Liebe sterben wir<br />

Weil aber ein enthaltsam lebender<br />

Mensch ohne Liebe genau so verreckt<br />

wie jeder andere auch und weil die<br />

Vollkommenheit eines ehelosen Menschen<br />

in seinem Sündersein ruht, ist er<br />

absolut vollkommen angewiesen auf<br />

die Nähe, die Liebe und die Vergebung<br />

Gottes in Jesus. Jesus hat das Leben in<br />

Fülle versprochen. Er muss die Fülle für<br />

Menschen sein, die allein<br />

leben. Sonst sterben<br />

sie. Zuerst seelisch, dann<br />

sozial und schließlich aus Gott heraus.<br />

Sterben heißt Beziehungslosigkeit. Zu<br />

sich selbst, zu anderen und schließlich<br />

zu Gott. Deswegen kann das Single-<br />

Leben nicht mit dem entschiedenen<br />

Leben in Enthaltsamkeit verglichen<br />

werden. Single-Augen ohne Jesus sind<br />

nicht selten stumpf, trübe und traurig.<br />

Single-Augen von alten Nonnen hingegen<br />

leuchten bisweilen die Glut der<br />

Liebe Jesu in die Welt (auch hier nicht<br />

vergleichen, bitte!). Er ist die Fülle, er<br />

ist ihre Vollkommenheit in dem absoluten<br />

Angewiesensein auf Jesus.<br />

Zwei Arten von Nachfolge<br />

Wenn euch das nächste Mal ein<br />

Freund begegnet, der Jesus nicht<br />

<br />

April/Mai 20<strong>06</strong> Seite 37


Der Kranke Bote<br />

kennt und mit euch anfängt das Klopfen<br />

Gottes an seinem Herzen mit dem<br />

eigenen Schimpfen auf zölibatäres Leben<br />

unhörbar zu machen, braucht ihr<br />

nicht einzustimmen und mitzulärmen.<br />

Wisst um den Kampf, das Werden und<br />

die wirklich ernsthafte Nachfolge derer,<br />

die sich von Jesus auf diesen Weg<br />

haben rufen lassen. Und lasst euch versichert<br />

sein, dass diese Menschen auch<br />

um den Kampf derer wissen, die in der<br />

Nachfolge stehen und verheiratet sind.<br />

Noch einmal, es geht eben nicht um ein<br />

besser oder schlechter, ein mehr oder<br />

weniger in der Nachfolge. Es handelt<br />

Japanischer Forscherdrang<br />

Juppis Kolumne<br />

Dass der Prophet Jona enge Bekanntschaft<br />

mit einem großen<br />

Fisch gemacht hat, weiß fast jedes<br />

Kind. Neuesten Untersuchungen zufolge<br />

besteht Grund zu der alarmierenden<br />

Annahme, dass sich so was jederzeit<br />

wiederholen kann. Indiz eins: Nach wie<br />

vor gibt es jede Menge große Fische<br />

in den Weltmeeren. Indiz zwei: Die<br />

Menschheit schert sich ebenso<br />

nach wie vor einen feuchten Dreck<br />

um das, was ihr Schöpfer von ihr<br />

will.<br />

Einzig die<br />

Japaner haben<br />

das Problem<br />

erkannt und<br />

sind – als Volk der Tat<br />

April/Mai 20<strong>06</strong> Seite 38<br />

sich um je für sich eigenen Hinweis auf<br />

das Leben mit Gott. Die Verheirateten<br />

bilden hier und heute Gottes Bild am<br />

deutlichsten ab. Die Enthaltsamen weisen<br />

hin auf die himmlische Welt. Beides<br />

noch auf Hoffnung hin. Beides schon<br />

verwirklicht aber durch Christi Nähe in,<br />

für und mit uns.<br />

Theologie/Kolumne<br />

Norbert Roth<br />

[norbert@jesusfreaks.de]<br />

Norbert Roth (32)<br />

leitet den JFI-Bereich<br />

Seelsorge. Er<br />

ist evangelischer<br />

Pfarrer und lebt in<br />

Frankfurt/M.<br />

– zum Handeln übergegangen. Gemäß<br />

dem göttlichen Motto „Unterwerft<br />

euch die Erde und vor allem die Meere“<br />

fangen und zerlegen sie alle Arten von<br />

großen Fischen, Walen und Haien, um<br />

zu erforschen, was dran (und vor allem<br />

drin) ist an der Geschichte.<br />

Nach leider nicht bestätigten<br />

Meldungen einer japanischen<br />

Nachrichtenagentur sollen sie dabei<br />

schon einige Menschen in den<br />

Gedärmen der Meeresbewohner<br />

gefunden haben.<br />

Schließen wir uns also dem<br />

guten japanischen Beispiel an<br />

und werden – gewissermaßen<br />

– Menschenfischer! Fischt<br />

Juppi [julia@kultshockk.de]


Meinung/Impressum<br />

Das Bild mit dem Pfeil, der spitz, gefährlich<br />

und verletzend ist als Sinnbild<br />

für eine Theologie, die keine andere<br />

Interpretationsmöglichkeit zulässt und<br />

mit und dem Spaten, der vorne auch<br />

eine scharfe Kante hat, aber breit ist und<br />

deswegen eine ganze Masse bewegen<br />

kann, gefällt mit sehr gut. Als ich das<br />

gelesen habe, dachte ich: cool, endlich<br />

schreibt mal jemand von Pluralität.<br />

Um herauszufinden, wo wir uns als<br />

Jesus Freaks etwa befinden, musste ich<br />

jedoch nur ein paar Sätze weiter lesen.<br />

Ich würde sagen, das Gerät, was im Folgenden<br />

beschrieben wird, ist ein Trichter:<br />

„So ist es sicher möglich, bei den<br />

Jesus Freaks anzufangen und nicht an<br />

Geistesgaben zu glauben, aber es wird<br />

nicht lange dauern, bis Gott seinen<br />

Geist offenbart. Oder man kann denken,<br />

dass Frauen nicht predigen dürfen, aber<br />

diese Ansicht wird schnell verschwinden,<br />

wenn man in Gottes Strom ist.“<br />

Der Kranke Bote<br />

Leserbrief zu: „Schwerter zu Pflugscharen“, <strong>DKB</strong> 1/20<strong>06</strong><br />

Impressum<br />

Herausgeber:<br />

Jesus Freaks International e. V. – Bereich Medien<br />

Redaktionsleitung: Frank Hartkopf (V.i.S.d.P.)<br />

Redaktion: Marcus Beißwanger, Freddi Gralle,<br />

Bettina Kammer, Julia Pfläging, Jocky Spörl,<br />

Rosemarie Trautvetter<br />

Layout: Andreas Kammer, Andi Gehrlach<br />

Redaktionsanschrift: Der Kranke Bote<br />

c/o Frank Hartkopf, Hillerstraße 3, 04109 Leipzig<br />

Tel. (0341)23<strong>06</strong>4838, [texte@jesusfreaks.de]<br />

Aboverwaltung:<br />

Balty Pfautsch, H.-Zille-Str. 5, 39576 Stendal, Fax<br />

(03931) 312654, [nd-abo@jesusfreaks.de]<br />

Abopreis: 12,00 € im Jahr (D/A) pro Einzelabo<br />

inklusive Versandkosten.<br />

Ab 10 Stück kostet das Jahresabo 9,00 €, ab 20<br />

St. 8,40 €, ab 30 St. 7,80 € jeweils pro Exemplar.<br />

Mir geht es keineswegs um die hier<br />

gemachten Aussagen, sondern darum,<br />

dass mir erklärt wird, wie ich in zwei<br />

Jahren denken werde – das hat für mich<br />

rein gar nichts mit Pluralität zu tun. Um<br />

ehrlich zu sein, weiß ich nicht, wie ich<br />

in einer Bewegung die mir derart meine<br />

Schranken weist, auf lange Sicht einen<br />

Platz für mich finden kann. Auch wenn<br />

der Großteil von uns in hunderten theologischen<br />

Sichtweisen übereinstimmt,<br />

ist das noch lange kein Grund, diese so<br />

zu artikulieren und jemanden, der einer<br />

Sache nicht zustimmt so zu behandeln,<br />

als wäre er „nur noch nicht so weit“.<br />

Es geht mir auch um den Umgang<br />

mit neuen Leuten: sei erst mal 5 Jahre<br />

bei den Jesus Freaks und dann wirst du<br />

schon sehen. Ich finde, wir machen es<br />

neuen Leuten nicht gerade einfach, sich<br />

unserer Bewegung anzuschließen. Ging<br />

es nicht darum, dass jeder seinen Weg<br />

mit Jesus geht und wir einander dabei<br />

unterstützen?<br />

Ulrike Hippe<br />

Abo Schweiz:<br />

28 CHF/Jahr (ab 10 St. 14 CHF pro Exemplar)<br />

Abo sonstiges Ausland:<br />

12,00 €/Jahr zuzüglich Versandkosten<br />

Bezugsbedingungen: <strong>DKB</strong> erscheint sechsmal im<br />

Jahr. Das Abo verlängert sich automatisch um ein<br />

weiteres Bezugsjahr, wenn es nicht spätestens 6<br />

Wochen vor Bezugsende gekündigt wurde.<br />

Druck/Versand:<br />

JFI Büro, Nordring 49-53, 64347 Griesheim, Tel.<br />

0700JESUSFREAKS, [info@jesusfreaks.com]<br />

Anzeigen (Sponsoring):<br />

Marcus Beißwanger [beisszu@web.de]<br />

Einsendeschluss für die nächste Ausgabe:<br />

26. Mai 20<strong>06</strong><br />

Spenden an JFI: Konto 1280144153, Hamburger<br />

Sparkasse BLZ 200 505 50<br />

April/Mai 20<strong>06</strong> Seite 39


Anzeigen<br />

Willo Freak<br />

Das Kulttreffen für Freak-Leiter und Mitarbeiter!<br />

W25.–28. Mai 20<strong>06</strong><br />

Anmeldung ab Mitte April unter:<br />

www.jesusfreaks.de<br />

Christi Himmelfahrt<br />

Hofgut Siloah (Neufrankenroda, Thüringen)<br />

Teilnehmerbeitrag: 60.– Euro

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!