Neuseeland - marina.ch - marina.ch - das nautische Magazin der ...
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Na<strong>ch</strong> erholsamem Zwis<strong>ch</strong>en-<br />
halt im ges<strong>ch</strong>ützten Minerva-<br />
Riff mit dessen prä<strong>ch</strong>tigen Un-<br />
terwasserwelt beginnt die Reise<br />
na<strong>ch</strong> <strong>Neuseeland</strong> mit einem<br />
Riss im Grosssegel.<br />
TexT und FoTos: RoLF eRne<br />
«nØRd-nØRd von AnnA-MARIA – AnnA-MARIA<br />
ruft nØRd» – tönt die wohltuende stimme von Winfried<br />
aus dem Lautspre<strong>ch</strong>er unseres ssB-Transceivers<br />
(single side Band).es ist a<strong>ch</strong>t uhr morgens und Zeit<br />
für die tägli<strong>ch</strong>e Wetterrunde. Winfried – offizier <strong>der</strong><br />
deuts<strong>ch</strong>en Bundeswehr im Ruhestand – segelt seit<br />
über se<strong>ch</strong>s Jahren im südwestpazifik und kennt die<br />
Gegend wie seine Westentas<strong>ch</strong>e. Tägli<strong>ch</strong> analysiert er<br />
an Bord seiner Ya<strong>ch</strong>t Wetterdaten aus vers<strong>ch</strong>iedenen<br />
Quellen, verglei<strong>ch</strong>t Computermodelle und gibt standortspezifis<strong>ch</strong>e<br />
Prognosen an deuts<strong>ch</strong>spra<strong>ch</strong>ige Ya<strong>ch</strong>ties<br />
weiter. eigene Beoba<strong>ch</strong>tungen, Wetterfaxe und<br />
Grib-Files ergänzen Winfrieds eins<strong>ch</strong>ätzungen. so<br />
können wir uns über die bevorstehenden Wetter- und<br />
seebedingungen ein Bild ma<strong>ch</strong>en: na<strong>ch</strong> vier s<strong>ch</strong>önen<br />
Tagen mit mässigem Wind aus ostsüdost wird heute<br />
Abend eine Front direkt über uns hinweg ziehen.<br />
Auf den restli<strong>ch</strong>en 500 Meilen bis opua werden wir<br />
uns nun, zu Beginn <strong>der</strong> westpazifis<strong>ch</strong>en Hurrikanzeit<br />
zwis<strong>ch</strong>en Mitte und ende november, mit Gegenwind<br />
von zwis<strong>ch</strong>en 25 und 35 Knoten und entspre<strong>ch</strong>endem<br />
seegang abfinden müssen. «da müsst ihr dur<strong>ch</strong>!» –<br />
tönt es lakonis<strong>ch</strong> aus dem Lautspre<strong>ch</strong>er. es ist ein<br />
s<strong>ch</strong>wa<strong>ch</strong>er Trost, <strong>das</strong>s die drei deuts<strong>ch</strong>en s<strong>ch</strong>iffe,<br />
wel<strong>ch</strong>e <strong>das</strong> nord-Minerva-Riff zwei Tage na<strong>ch</strong> uns<br />
verlassen haben, ein no<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>teres Los gezogen<br />
haben.<br />
Oase in <strong>der</strong> Weite des Pazifiks<br />
neun Tage sind wir in diesem abgelegenen Riff vor Anker<br />
gelegen und ges<strong>ch</strong>ützt in einem türkisfarbenen<br />
Auge von rund zwei seemeilen dur<strong>ch</strong>messer festgesessen.<br />
ohne Land und strand in si<strong>ch</strong>t, mindestens<br />
200 Meilen weg von <strong>der</strong> nä<strong>ch</strong>sten Insel, haben wir auf<br />
ein Wetterfenster gewartet. Rund herum s<strong>ch</strong>äumende<br />
Gis<strong>ch</strong>t <strong>der</strong> anrollenden Bre<strong>ch</strong>er in unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>er<br />
Wu<strong>ch</strong>t, abhängig von ebbe und Flut.<br />
<strong>der</strong> aussergewöhnli<strong>ch</strong>e Ankerplatz mitten in den<br />
Weiten des Pazifiks war denno<strong>ch</strong> ein Genuss: <strong>das</strong><br />
saumriff lockte mit einer weitgehend intakten unterwasserwelt<br />
zum s<strong>ch</strong>nor<strong>ch</strong>eln, mit den tongais<strong>ch</strong>en<br />
Fis<strong>ch</strong>ern taus<strong>ch</strong>ten wir rei<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> Langusten gegen unseren<br />
letzten Rum aus Panama. endli<strong>ch</strong> war au<strong>ch</strong> Zeit<br />
für letzte Vorbereitungen und Kontrollen an Bord: Mit<br />
gemis<strong>ch</strong>ten Gefühlen haben wir no<strong>ch</strong> einmal die vielen<br />
Merkblätter, Formulare, Vors<strong>ch</strong>riften, Warn- und<br />
strafhinweise <strong>der</strong> neuseeländis<strong>ch</strong>en Behörden dur<strong>ch</strong>gelesen,<br />
zusammen gehalten in einer Ho<strong>ch</strong>glanzmappe<br />
mit dem Titel «new Zealand Bor<strong>der</strong> Agencies Information».<br />
neuseeland steht im Ruf, äusserst restriktive<br />
einreisebestimmungen dur<strong>ch</strong>zusetzen, insbeson<strong>der</strong>e<br />
was die einfuhr von fris<strong>ch</strong>em Gemüse, Frü<strong>ch</strong>ten, samen,<br />
Fleis<strong>ch</strong> und Honig betrifft. Via Kurzwellen-Mail<br />
informieren wir die Behörden wie vorges<strong>ch</strong>rieben über<br />
unsere geplante einreise, was mindestens 48 stunden<br />
vor errei<strong>ch</strong>en <strong>der</strong> Hoheitszone zu ges<strong>ch</strong>ehen hat.<br />
Bei fünf Meter Seegang<br />
die Planung <strong>der</strong> rund 1000 Meilen langen Passage<br />
von Tonga na<strong>ch</strong> neuseeland ist ni<strong>ch</strong>t einfa<strong>ch</strong>, da man<br />
die Breite <strong>der</strong> verlässli<strong>ch</strong>en Passatwinde verlässt und<br />
si<strong>ch</strong> in ein Gebiet mit we<strong>ch</strong>selhaftem Westwindwetter<br />
begibt. die von Australien über die Tasmanis<strong>ch</strong>e<br />
see heranziehenden Tiefs folgen si<strong>ch</strong> alle fünf, se<strong>ch</strong>s<br />
Tage. es gilt, mögli<strong>ch</strong>st s<strong>ch</strong>nell den unvermeidli<strong>ch</strong>en,<br />
s<strong>ch</strong>wa<strong>ch</strong>windigen Ho<strong>ch</strong>druck-Kern zu dur<strong>ch</strong>queren<br />
und glei<strong>ch</strong>zeitig bei Annäherung an die nordinsel die<br />
starken südwestwinde zu meiden. unsere dieselvorräte<br />
erlauben uns zwei Flautetage – mehr ni<strong>ch</strong>t.<br />
Was uns erfahrene neuseelandsegler prophezeit<br />
haben, trifft ein: Au<strong>ch</strong> uns erwis<strong>ch</strong>t es auf dieser<br />
Passage. «unser» Tief zieht langsamer als erwartet<br />
vorbei, überlagert und verstärkt si<strong>ch</strong> zudem mit einem<br />
zweiten, weiter nordöstli<strong>ch</strong> gelegenen. dadur<strong>ch</strong> sind<br />
die Winde stetiger, meist genau gegenan und die<br />
erwarteten Winddreher während <strong>der</strong> letzten zwei<br />
Tage vor dem Landfall bleiben ebenfalls aus. Mit konstanten<br />
Windstärken zwis<strong>ch</strong>en 25 und 30 Knoten, in<br />
Böen über 35 und bis zu fünf Meter seegang pressen<br />
wir soviel Höhe wie mögli<strong>ch</strong>, um s<strong>ch</strong>nell dur<strong>ch</strong>zukommen<br />
– alles an<strong>der</strong>e als «eine seefahrt, die ist lustig!»<br />
<strong>der</strong> zweite starkwindmorgen begrüsst uns mit einem<br />
eingerissenen Grosssegel: Wir haben es versäumt, <strong>das</strong><br />
dritte Reff zusätzli<strong>ch</strong> mit einem Tampen na<strong>ch</strong> unten<br />
zu binden, um den Baum zu entlasten! Glückli<strong>ch</strong>erweise<br />
hat die Lattentas<strong>ch</strong>e den Riss gestoppt und mit<br />
etwas Improvisation können wir <strong>das</strong> segel stehen<br />
lassen. <strong>das</strong> Trysegel ist zwar bereit und anges<strong>ch</strong>lagen,<br />
würde uns aber wertvolle Höhe kosten. Am dritten<br />
Tag muss <strong>das</strong> Babystag mit dem spinnakerbaum-<br />
Topnant entlastet werden: direkt über dem Pressterminal<br />
sind se<strong>ch</strong>s <strong>der</strong> 21 drähte gebro<strong>ch</strong>en. Trotz allem<br />
segelt nØRd unter stagfock gut dur<strong>ch</strong> die Welle: Wir<br />
laufen im dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nitt 4,8 Knoten über Grund. um<br />
die segelwe<strong>ch</strong>sel angenehmer und trockener zu<br />
gestalten – wir fahren no<strong>ch</strong> Vorsegel mit stagreitern<br />
– fallen wir jeweils ab auf Halbwind.<br />
die Kälte und nässe sitzt uns in den Kno<strong>ch</strong>en. Wollsocken,<br />
Fliespullover und gefüttertes Regenzeug werden<br />
aus <strong>der</strong> Versenkung geholt. Mehrmals versu<strong>ch</strong>en<br />
wir, vermutete Winddreher zu nutzen und fahren einige<br />
Wenden in die entspre<strong>ch</strong>ende Ri<strong>ch</strong>tung – nur hält si<strong>ch</strong><br />
<strong>der</strong> Wind ni<strong>ch</strong>t an unsere Vermutungen.<br />
Knapp zwei Tage vor dem Landfall flaut <strong>der</strong> Wind etwas<br />
ab. Wir setzen Genua 2 und müssen uns beeilen,<br />
denn in zwei Tagen soll eine neue, kräftige Front exakt<br />
über die nordinsel neuseelands ziehen. Immer no<strong>ch</strong><br />
weht <strong>der</strong> Wind genau von dorther, wohin wir wollen:<br />
opua. Gut, <strong>das</strong>s wir diesel gespart haben. Mit gerefftem<br />
Gross als stützsegel motoren wir in geeignetem<br />
Winkel gegen die Wellen an. Am 4. dezember nehmen<br />
wir über Kurzwelle mit «Taupo Maritime Radio»<br />
Kontakt auf und melden uns wie vorges<strong>ch</strong>rieben an.<br />
Wir halten direkt auf die Bay of Islands zu. <strong>der</strong> Wind<br />
wird s<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>er und <strong>der</strong> seegang legt si<strong>ch</strong>. opua sollte<br />
bis zum Abend errei<strong>ch</strong>bar sein. Wir benutzen unseren<br />
Überfluss an produziertem süsswasser, um <strong>das</strong> ganze<br />
Cockpit, die Aufbauten und uns selber gründli<strong>ch</strong> vom<br />
salz zu befreien. einen majestätis<strong>ch</strong> und neugierig über<br />
uns hinweg s<strong>ch</strong>webenden Albatros betra<strong>ch</strong>ten wir als<br />
gutes omen. do<strong>ch</strong> wir haben uns zu früh gefreut: Innert<br />
einer halben stunde blasen wie<strong>der</strong> 20 Knoten aus<br />
Westsüdwest, bei kurzem und unangenehm steilem<br />
seegang. do<strong>ch</strong> Cape Brett ist in si<strong>ch</strong>t und wir fahren<br />
mit maximaler drehzahl, um gegen die Wellen anzukommen.<br />
Weiteres ungema<strong>ch</strong> bleibt uns erspart. ein<br />
wun<strong>der</strong>bar tiefroter Abendhimmel empfängt uns und<br />
stimmt uns na<strong>ch</strong> fünf unruhigen Tagen versöhnli<strong>ch</strong>. Am<br />
5. dezember na<strong>ch</strong>ts um eins legen wir am<br />
Quarantänesteg an. <strong>der</strong> Champagner mundet hervorragend,<br />
trotz bleierner Müdigkeit.<br />
Ges<strong>ch</strong>enk von Amtes wegen<br />
Am nä<strong>ch</strong>sten Morgen überras<strong>ch</strong>t uns die neuseeländis<strong>ch</strong>e<br />
Gastfreundli<strong>ch</strong>keit in Form von rücksi<strong>ch</strong>tsvollen<br />
Beamten. sie ers<strong>ch</strong>einen mit ihrem munteren<br />
und lang gezogenen «Goodaaay» erst gegen zehn uhr<br />
an Bord und wickeln die Formalitäten zügig, freundli<strong>ch</strong><br />
und professionell ab. die dame vom Zoll erledigt<br />
au<strong>ch</strong> die Immigration und füllt die entspre<strong>ch</strong>enden<br />
Kälte und Strapazen auf 1000<br />
Meilen: Do<strong>ch</strong> die Zuversi<strong>ch</strong>t ist<br />
ständige Begleiterin von Karin<br />
Olbri<strong>ch</strong>t und Rolf Erne.<br />
80 seaside <strong>marina</strong>.<strong>ch</strong> januar/februar 08 januar/februar 08 <strong>marina</strong>.<strong>ch</strong><br />
seaside 81<br />
<strong>marina</strong>@<strong>marina</strong>-online.<strong>ch</strong> • www.<strong>marina</strong>-online.<strong>ch</strong><br />
Tel: 031 301 00 31 • Tel Abodienst: 031 300 63 43<br />
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Tel: 031 301 00 31 • Tel Abodienst: 031 300 63 43
Endli<strong>ch</strong> Land in Si<strong>ch</strong>t: Abendstimmung<br />
in <strong>der</strong> Bay of Islands.<br />
An<strong>der</strong>e S<strong>ch</strong>iffe: Besi<strong>ch</strong>tigung<br />
eines beeindruckenden Kriegs-<br />
kanus <strong>der</strong> neuseeländis<strong>ch</strong>en<br />
Ureinwohner Maori.<br />
Papiere glei<strong>ch</strong> selber aus. unterdessen beguta<strong>ch</strong>tet<br />
<strong>der</strong> Beamte des MAF (Ministry of Agriculture and<br />
Forestry) unsere Lebensmittelvorräte. er geht gewissenhaft<br />
vor, inspiziert den Kühls<strong>ch</strong>rank, s<strong>ch</strong>aut unter<br />
die Bodenbretter und prüft die no<strong>ch</strong> vorhandenen<br />
Konserven. Honig, Körner, obst, Gemüse, Fleis<strong>ch</strong>, eier,<br />
Fris<strong>ch</strong>pflanzen, Pilze: All dies steht auf dem Index und<br />
darf unter keinen umständen eingeführt werden. die<br />
Liste des ni<strong>ch</strong>t Verbotenen, aber zu deklarierenden<br />
ist no<strong>ch</strong> länger. so werden beispielsweise Pulvermil<strong>ch</strong>,<br />
Käse, Butter, Glaskonserven, getrocknete Frü<strong>ch</strong>te und<br />
Pilze, gemahlene Körner, Flocken und unsere Gewürze<br />
überprüft und auf Anzei<strong>ch</strong>en von Insektenbefall o<strong>der</strong><br />
von sonstiger Zersetzung überprüft. do<strong>ch</strong> nur die<br />
letzte Knoblau<strong>ch</strong>zwiebel, einige hun<strong>der</strong>t Gramm Popcorn<br />
und ein Glas mit geko<strong>ch</strong>ten grünen Bohnen wan<strong>der</strong>n<br />
in den s<strong>ch</strong>warzen 60-Liter-Abfallsack des MAF.<br />
unser letztes geko<strong>ch</strong>tes ei verni<strong>ch</strong>te i<strong>ch</strong> glei<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong><br />
unter den Augen des wa<strong>ch</strong>samen Beamten und überlasse<br />
den s<strong>ch</strong>utz <strong>der</strong> einheimis<strong>ch</strong>en Geflügelindustrie<br />
meiner Verdauung.<br />
na<strong>ch</strong> etwa einer halben stunde ist <strong>der</strong> offizielle Teil<br />
– nota bene kostenlos – überstanden. die Beamten<br />
überrei<strong>ch</strong>en uns als Willkommensges<strong>ch</strong>enk des örtli<strong>ch</strong>en<br />
Ya<strong>ch</strong>tgewerbes eine praktis<strong>ch</strong>e Baumwolltas<strong>ch</strong>e<br />
mit vielen Prospekten, Guts<strong>ch</strong>einen, Karten,<br />
Ho<strong>ch</strong>glanzbros<strong>ch</strong>üren und einem s<strong>ch</strong>lüsselanhänger.<br />
Wir dürfen uns nun während se<strong>ch</strong>s Monaten in neuseeländis<strong>ch</strong>em<br />
Gewässer frei bewegen.<br />
Über Funk kontaktieren wir die «Friendliest Marina in<br />
the Pacific» und haben Glück: no<strong>ch</strong> sind einige <strong>der</strong><br />
begehrten Plätze frei. erstmals na<strong>ch</strong> fast einem Jahr<br />
haben wir wie<strong>der</strong> strom und fliessendes Wasser an<br />
Bord – es folgt erst mal eine Generalreinigung.<br />
Kalte Nä<strong>ch</strong>te und heisse Nadelsti<strong>ch</strong>e<br />
die nä<strong>ch</strong>te sind hier no<strong>ch</strong> bitter kalt, vor allem für<br />
Tropen verwöhnte neuankömmlinge. <strong>der</strong> Haartrockner<br />
muss als improvisierte Heizung herhalten. Zuerst<br />
kaufen wir uns im touristis<strong>ch</strong>en na<strong>ch</strong>barort Paihia<br />
flaus<strong>ch</strong>ige socken aus warmer Possumwolle, dicke<br />
Fliespullover und einen breitkrempigen Hut. denn<br />
s<strong>ch</strong>eint die sonne, ma<strong>ch</strong>t si<strong>ch</strong> soglei<strong>ch</strong> <strong>das</strong> südpazifis<strong>ch</strong>e<br />
ozonlo<strong>ch</strong> bemerkbar: die strahlen brennen<br />
wie nadelsti<strong>ch</strong>e kräftig auf <strong>der</strong> Haut. ni<strong>ch</strong>t umsonst<br />
geben die Zeitungen ausser dem Wetterberi<strong>ch</strong>t<br />
jeden Tag eine zwölfstufige uV-Warnung dur<strong>ch</strong>.<br />
opua, einer <strong>der</strong> Haupteinreiseorte, liegt am ende<br />
eines s<strong>ch</strong>malen Inlets <strong>der</strong> Bay of Islands, einem <strong>der</strong><br />
bekanntesten und abwe<strong>ch</strong>slungsrei<strong>ch</strong>sten Fahrtengebiete<br />
neuseelands. neben <strong>der</strong> erst im Januar 2000<br />
eröffneten Marina mit 240 Plätzen bietet die weite,<br />
ges<strong>ch</strong>ützte Bu<strong>ch</strong>t den Weltumseglern rei<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> Ankerplatz<br />
und au<strong>ch</strong> Moorings. <strong>der</strong> ort selber ist sehr klein<br />
und ruhig gelegen, man findet jedo<strong>ch</strong> <strong>das</strong> notwendigste.<br />
<strong>der</strong> örtli<strong>ch</strong>e Ya<strong>ch</strong>tclub ri<strong>ch</strong>tet dreimal pro<br />
Wo<strong>ch</strong>e für Mitglie<strong>der</strong> und Gäste eine Abendregatta<br />
aus und ist <strong>der</strong> allgemeine Treffpunkt. <strong>das</strong> einladend<br />
gestaltete Klubgebäude neben <strong>der</strong> Marina bietet<br />
einen grossartigen Ausblick auf die Bu<strong>ch</strong>t.<br />
na<strong>ch</strong> dem einkauf von vornehmli<strong>ch</strong> biologis<strong>ch</strong><br />
angebautem Gemüse und Frü<strong>ch</strong>ten, aber au<strong>ch</strong><br />
französis<strong>ch</strong>em Wei<strong>ch</strong>käse und deuts<strong>ch</strong>en Wurstwaren<br />
direkt vom Hersteller trifft si<strong>ch</strong> die seglergemeins<strong>ch</strong>aft<br />
in einer Kneipe zum geselligen Beisammensein. Überras<strong>ch</strong>end<br />
viele segelya<strong>ch</strong>ten aus deuts<strong>ch</strong>land, Österrei<strong>ch</strong><br />
und <strong>der</strong> s<strong>ch</strong>weiz liegen hier in opua vor Anker.<br />
seemannsgarn wird rund um die ganze Bu<strong>ch</strong>t gesponnen,<br />
Informationen und Tipps werden ausgetaus<strong>ch</strong>t.<br />
die meisten Crews mieten o<strong>der</strong> kaufen ein Auto und<br />
bereisen neuseelands nord- und südinsel. Wir wollen<br />
die Inseln und Bu<strong>ch</strong>ten kennen lernen. Vorerst jedo<strong>ch</strong><br />
geniessen wir – na<strong>ch</strong> den Monaten weitgehen<strong>der</strong><br />
Abges<strong>ch</strong>iedenheit auf den pazifis<strong>ch</strong>en Inseln – die<br />
Annehmli<strong>ch</strong>keiten <strong>der</strong> Zivilisation.<br />
Mit dem Blick über die Bay of Islands beginnen wir<br />
zu verstehen, weshalb viele Ya<strong>ch</strong>tcrews immer wie<strong>der</strong><br />
hierher kommen. Mit über 370 000 Besu<strong>ch</strong>ern zählte<br />
die Bay of Islands im Jahr 2006 zu den meist<br />
besu<strong>ch</strong>ten Regionen neuseelands, und im touristis<strong>ch</strong>en<br />
Paihia wimmelt es von Ausflugs-Angeboten.<br />
do<strong>ch</strong> glückli<strong>ch</strong>erweise ist diese entwicklung an den<br />
vorgelagerten Inseln bis heute weitgehend spurlos<br />
vorbei gegangen.<br />
Als wärs am Bodensee<br />
Wir sind s<strong>ch</strong>on seit geraumer Zeit unter Motor im<br />
Veronica-Channel unterwegs, als i<strong>ch</strong> die letzte Pütz<br />
aufs endli<strong>ch</strong> saubere seitendeck leere. Ausserhalb<br />
Paihia setzen wir segel und kreuzen mit fris<strong>ch</strong>er Brise<br />
in die Bu<strong>ch</strong>t hinaus. An Backbord kommt <strong>das</strong> Gelände<br />
von Waitangi in si<strong>ch</strong>t, etwas oberhalb davon liegt einer<br />
von 400 Golfplätzen.<br />
Weihna<strong>ch</strong>ten ist vorbei, dementspre<strong>ch</strong>end viele segels<strong>ch</strong>iffe<br />
und Motorboote unterwegs. die Zeit zwis<strong>ch</strong>en<br />
Weihna<strong>ch</strong>ten und Mitte Januar ist den Kiwis heilig:<br />
die meisten Ges<strong>ch</strong>äfte sind ges<strong>ch</strong>lossen, man geniesst<br />
die südsommerferien. Wer ein Boot hat (und<br />
<strong>das</strong> sind viele), segelt o<strong>der</strong> tuckert von Auckland in<br />
den wärmeren norden und geniesst <strong>das</strong> Insel<strong>das</strong>ein.<br />
Wir runden Tapeka Point und laufen am späten na<strong>ch</strong>mittag<br />
die Twin Lagoon Bay (Bild nä<strong>ch</strong>ste seite) an,<br />
wo wir gegen den zunehmenden nordwestwind gut<br />
ges<strong>ch</strong>ützt sind. Am nä<strong>ch</strong>sten Morgen besteigen wir<br />
früh den nahe gelegenen Aussi<strong>ch</strong>tspunkt, gerade als<br />
si<strong>ch</strong> die sonne unter lei<strong>ch</strong>tem dunst hinter den nahe<br />
liegenden Inseln erhebt und unseren Ankerplatz in ein<br />
warmes Rot-orange tau<strong>ch</strong>t. Wie si<strong>ch</strong> diese stimmung<br />
Besitzansprü<strong>ch</strong>e um minerva<br />
re. Das Nord Minerva-Riff liegt auf <strong>der</strong> mittleren Position 23°38S und 179°55E, <strong>das</strong><br />
Süd-Riff südsüdwestli<strong>ch</strong> davon auf 23°56S und 179°08E. Beide Riffe befinden si<strong>ch</strong><br />
erst im Entstehungsprozess, nur wenige Teile sind au<strong>ch</strong> bei Ho<strong>ch</strong>wasser si<strong>ch</strong>tbar,<br />
und es gibt no<strong>ch</strong> keine Vegetation. Die Minerva-Riffe sind <strong>das</strong> südli<strong>ch</strong>e Ende eines<br />
umfangrei<strong>ch</strong>en Unterwasserriffs, <strong>das</strong> seit 1918 um fast einen Meter in die Höhe<br />
gewa<strong>ch</strong>sen ist. Zahlrei<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>iffswracks liegen an den beiden Riffen, die ni<strong>ch</strong>t nur<br />
kleineren Fis<strong>ch</strong>erbooten, son<strong>der</strong>n<br />
au<strong>ch</strong> grossen Fra<strong>ch</strong>tern zum Verhängnis<br />
geworden sind.<br />
Entdeckt wurde <strong>das</strong> Süd-Riff im<br />
Jahr 1852 von einem amerikanis<strong>ch</strong>en<br />
Walfänger namens<br />
Minerva, <strong>der</strong> unweit des West-<br />
Riffs auf Grund gelaufen war. Die<br />
Besatzung konnte si<strong>ch</strong> damals<br />
auf einen an<strong>der</strong>n Walfänger<br />
retten. Im Juli 1854 landete <strong>der</strong> neuseeländis<strong>ch</strong>e Kapitän H. M. Denham am Nord-<br />
und später am Süd-Riff, benannte die Riffe na<strong>ch</strong> dem Walfänger «Minerva» und<br />
kartografierte die Atolle. Im Januar 1889 wurde Kapitän Oldnam von einer aus-<br />
tralis<strong>ch</strong>en Abbaufirma zu den Riffen entsandt, um die Rentabilität des Abbaus<br />
von Guano (Seevogeldung) zu untersu<strong>ch</strong>en. Da Oldnams Beri<strong>ch</strong>te re<strong>ch</strong>t wenig<br />
Gewinn verspra<strong>ch</strong>en, gerieten die beiden Atolle weitgehend in Vergessenheit.<br />
Erst im Oktober 1914 rückten die abgelegenen Riffe wie<strong>der</strong> ins Rampenli<strong>ch</strong>t, als<br />
<strong>der</strong> britis<strong>ch</strong>e Kabelleger «Strathona» am Nord-Riff auf Grund lief. Bei dieser<br />
Havarie starben 50 Seeleute, die Überlebenden wurden wenige Tage später von<br />
einem Begleits<strong>ch</strong>iff gerettet. Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs, als die<br />
Amerikaner Basen für Flugzeuge und S<strong>ch</strong>iffe im Pazifik su<strong>ch</strong>ten, besetzte die<br />
amerikanis<strong>ch</strong>e Marine die Atolle, erri<strong>ch</strong>tete zwei Leu<strong>ch</strong>ttürme und baute auf<br />
dem Süd-Riff eine Funkbeoba<strong>ch</strong>tungsstation unter dem Decknamen «Blue<br />
Island» auf. Bereits kurz na<strong>ch</strong> Ende des Pazifik-Kriegs wurden die Hütten <strong>der</strong><br />
Marine weitgehend abgebaut. Die Riffe waren wie<strong>der</strong> herrenlos. Im März 1959<br />
lief <strong>der</strong> japanis<strong>ch</strong>e Fra<strong>ch</strong>ter Moshemi am Nord-Riff auf Grund und bra<strong>ch</strong> in<br />
mehrere Teile auseinan<strong>der</strong>. Fast vier Monate lebten einige Seeleute auf dem Riff,<br />
bis sie von einem Kanonenboot <strong>der</strong> Marine Tongas gerettet werden konnten.<br />
Die neuere Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te von Minerva beginnt am 19. Januar 1972. An diesem Tag liess<br />
<strong>der</strong> Grundstückmakler, Millionär und Umweltaktivist Mi<strong>ch</strong>ael Olivier aus Las Vegas<br />
Sand auf dem bis dahin vollständig im Wasser liegenden Riff abladen, erri<strong>ch</strong>tete<br />
einen kleinen Turm und hisste eine Fahne auf dem Atoll südli<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Fids<strong>ch</strong>i-Inseln.<br />
Die Mikro-Nation versandte Unabhängigkeitserklärungen an die umliegenden<br />
Inselrei<strong>ch</strong>e, ernannte einen eigenen Präsidenten, einen Mann namens Morris Davis<br />
und kreierte eine eigene Währung, den Minerva Dollar. Die Vision <strong>der</strong> Minervianer<br />
war eine liberale Utopie, basierend auf freiem Handel und Fis<strong>ch</strong>erei. Se<strong>ch</strong>s Monate<br />
später wurde die Republik vom Königrei<strong>ch</strong> Tonga «überrannt», wie es die Minervianer<br />
darstellen. Aus Si<strong>ch</strong>t Tongas wurde einfa<strong>ch</strong> nur die Fahne einiger vorwitziger<br />
Aktivisten gekappt. Die Minerva-Riffe wurden vom südwestpazifis<strong>ch</strong>en Inselrat<br />
definitiv Tonga zugespro<strong>ch</strong>en.<br />
Mehr als ein Vierteljahrhun<strong>der</strong>t lang wurde es wie<strong>der</strong> still um Minerva. Bis im<br />
Oktober 2003 eine Gruppe von Aktivisten <strong>das</strong> «Fürstentum Minerva» ausrief, eine<br />
neue «Exilregierung» gründete mit einem ominösen «Prinz Calvin» als Staatsober-<br />
haupt. Seither sammeln die Minervianer Unters<strong>ch</strong>riften, um Mitglied <strong>der</strong> UNPO zu<br />
werden, <strong>der</strong> «Unrepresented Nations and Peoples Organization», eines Interessen-<br />
verbandes von bedrohten Völkern und Nationen. Bisher ohne Erfolg.<br />
82 seaside seaside 83
84<br />
© www.kohlikarto.<strong>ch</strong><br />
Greymouth<br />
North Cape<br />
New Plymouth<br />
Paihia<br />
Opua<br />
Whangerei<br />
Army Bay<br />
Auckland<br />
Nelson<br />
Blenheim<br />
S O U T H<br />
I S L A N D<br />
Wanganui<br />
Hauraki<br />
Golf<br />
Wellington<br />
<br />
Great Barrier Island<br />
Hamilton<br />
Rotorua<br />
N O R T H I S L A N D<br />
Hastings<br />
Palmerston North<br />
Napier<br />
seaside <strong>marina</strong>.<strong>ch</strong> januar/februar 08<br />
East<br />
Cape<br />
von <strong>der</strong>jenigen auf den pazifis<strong>ch</strong>en Inseln unters<strong>ch</strong>eidet!<br />
Wir wähnen uns versetzt an den herbstli<strong>ch</strong>en Bodensee<br />
– sogar s<strong>ch</strong>wa<strong>ch</strong>er Hau<strong>ch</strong> ist si<strong>ch</strong>tbar.<br />
Am übernä<strong>ch</strong>sten Tag motoren wir mangels Wind die<br />
kurze strecke zur Whaiwapuku Bay. diese namen<br />
wollen mir einfa<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t in den Kopf. Zum x-ten Mal<br />
nehme i<strong>ch</strong> die Karte zur Hand und bre<strong>ch</strong>e mir beim<br />
Bu<strong>ch</strong>stabieren fast die Zunge. Meine Partnerin muss<br />
pazifis<strong>ch</strong>e Vorfahren gehabt haben – ihr gefallen diese<br />
namen und sie ma<strong>ch</strong>t si<strong>ch</strong> über meine Begriffsstutzigkeit<br />
lustig. I<strong>ch</strong> trags mit Fassung und entdecke,<br />
<strong>das</strong>s fast alle orte au<strong>ch</strong> englis<strong>ch</strong>e Bezei<strong>ch</strong>nungen<br />
haben. Also gehts nun ni<strong>ch</strong>t mehr na<strong>ch</strong> «Whai-wieheisst-<strong>das</strong>-s<strong>ch</strong>on-wie<strong>der</strong>»<br />
son<strong>der</strong>n s<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>t zur Army<br />
Bay. Hier liegen wir ges<strong>ch</strong>ützt auf nur fünf Metern<br />
Wassertiefe.<br />
Der Abfallkahn<br />
die seekarte zeigt hier am südostende von Moturua<br />
ein mir bisher unbekanntes symbol: einen Abfallkorb.<br />
Tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> verankert hier <strong>das</strong> umweltamt zur Hauptferienzeit<br />
einen Kahn, auf dem die Ya<strong>ch</strong>ties ihren<br />
Abfall entsorgen können. Moturua ist unbewohnt. ein<br />
Pfad führt in etwa an<strong>der</strong>thalb stunden rund um die<br />
Insel und eröffnet grossartige Ausblicke auf die umliegende<br />
Inselwelt. In einigen Bu<strong>ch</strong>ten befinden si<strong>ch</strong><br />
Campingplätze, ausgerüstet mit Wasserversorgung,<br />
Feuerstellen und Kompost-Toiletten. Ausserhalb <strong>der</strong><br />
Hauptferienzeit sind die Plätze s<strong>ch</strong>wa<strong>ch</strong> besetzt und<br />
dienen als Basis für seekajak-Wan<strong>der</strong>er.<br />
Wir verbringen einige geruhsame und behagli<strong>ch</strong>e Tage<br />
auf urupukapuka, bevor wir die Bay bei günstigem<br />
Wind dur<strong>ch</strong> den Albert Channel verlassen. unser<br />
Handbu<strong>ch</strong> weist für die Bay of Islands 53 Ankermögli<strong>ch</strong>keiten<br />
aus. nur vier davon haben wir genauer<br />
kennen gelernt. Ist ni<strong>ch</strong>t weiter s<strong>ch</strong>limm, denn wir<br />
kehren si<strong>ch</strong>er – wie viele an<strong>der</strong>e vor uns – hierher<br />
zurück.