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Ein Interview mit Kardinal Walter Brandmüller zum Besuch von ...

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Der Aufenthalt in Thüringen hat dagegen einen starken ökumenischen Akzent. Der Papst selber<br />

hat das gewünscht und auch dem Ratspräsidenten der evangelischen Kirche im März dieses<br />

Jahres geschrieben. Was erwarten Sie sich <strong>von</strong> dieser Station der Reise?<br />

In der Tat eignet der ökumenischen Begegnung im ehemaligen Augustinerkloster zu Erfurt hohe<br />

Symbolkraft. Hier hat der Frater Martin Luther jahrelang die heilige Messe gefeiert und den Glauben der<br />

Kirche verkündet. Wenn es nun auch über den Glauben bei dieser Gelegenheit nicht zur<br />

Übereinstimmung kommen kann, wäre es doch ein großer Schritt hin zur <strong>Ein</strong>heit der Christen, wenn ein<br />

Gleichklang in der Antwort auf die wesentlichen ethischen Fragen der Zeit erkennbar würde. Im Übrigen<br />

sollte man nicht irgendwelche utopischen Erwartungen hegen, um dann, wenn deren Erfüllung ausbleibt,<br />

lautstarke Enttäuschung äußern zu können. Schließlich ist <strong>Ein</strong>heit im Glauben ein Geschenk des Heiligen<br />

Geistes und dieses kann nicht „herbei diskutiert“, es muss „herbei gebetet“ werden. Deshalb muss das<br />

gemeinsame Gebet das wichtigste Element dieser Begegnung sein, die durch schrille Töne im Vorfeld<br />

nicht hätte gestört werden dürfen.<br />

Abgesehen <strong>von</strong> einem Treffen <strong>mit</strong> Vertretern der orthodoxen Kirche ist der Aufenthalt in<br />

Freiburg dann ganz für die Begegnung <strong>mit</strong> den Gläubigen und Bischöfen der katholischen<br />

Kirche in Deutschland reserviert. Was wird Papst Benedikt in den Mittelpunkt stellen?<br />

Lassen Sie sich überraschen! Aber wenn Sie <strong>von</strong> einer Begegnung <strong>mit</strong> den Gläubigen sprechen, stellt sich<br />

natürlich sogleich die Frage, um welche Gläubigen es sich da handeln wird. Denkt man dabei nur an die in<br />

Verbänden oder Gremien organisierten Katholiken? Die allein, meine ich, könnten kaum als repräsentativ<br />

für die deutschen Katholiken angesehen werden – <strong>von</strong> ihrer fehlenden „demokratischen“ Legitimation<br />

durch die normalen Gläubigen einmal ganz abgesehen. Und: Der Geist weht nicht selten außerhalb der<br />

Strukturen!<br />

Nach den Missbrauchsskandalen sucht die katholische Kirche in Deutschland nach einem<br />

Aufbruch und Neuanfang. Der in Mannheim begonnene Dialog-Prozess lässt sich <strong>zum</strong>indest so<br />

verstehen. Wie kann der Papstbesuch da helfen?<br />

Die Missbrauchsskandale sind nicht Ursache, sondern Folgen und Symptome einer tiefen, seit<br />

Jahrzehnten den Glauben erfassenden Desorientierung. In ihnen drückt sich ein weitgehender Verlust der<br />

Dimension des Übernatürlichen aus: Die Wirklichkeit Gottes war und ist für viele aus dem Blickfeld<br />

geraten. Ich vermag nicht zu sehen, was da ein wie immer gearteter Dialog zwischen wem auch immer<br />

über uralte, längst ausdiskutierte Themen bewirken kann. Es kann dabei nur darum gehen, <strong>mit</strong> neuer<br />

Bereitschaft <strong>zum</strong> Hören, <strong>zum</strong> Glauben und zur Umkehr dem Heiligen Vater zuzuhören, wenn er in<br />

Deutschland das Wort Gottes verkündet.<br />

<strong>Ein</strong> Deutscher an der Spitze der katholischen Kirche – hat Sie das nach der Katastrophe des<br />

Nationalsozialismus nicht erstaunt?<br />

Meinen Sie wirklich, dass bei der Wahl <strong>Kardinal</strong> Ratzingers <strong>zum</strong> Papst seine Herkunft aus Deutschland<br />

eine Rolle gespielt habe? Gewiss: Bei der Wahl Johannes Pauls II. war dessen Herkunft aus dem damals<br />

sowjetisch besetzten Ostblock <strong>von</strong> großer Bedeutung gewesen. Die Kardinäle hatten zweifellos die<br />

Bedrohung, die <strong>von</strong> dort ausging, im Auge, als sie einen Papst wählten, der sich in einer schwierigen und<br />

gefahrvollen Situation als Oberhirte beispielhaft bewährt hatte. Im Falle Benedikts XIV. war es jedoch so,<br />

dass der langjährige Präfekt der Glaubenskongregation, der extreme theologische und pastorale<br />

Herausforderungen zu meistern hatte, bei den Kardinälen höchstes Ansehen genoss. Dass er Deutscher<br />

war, fiel dabei wohl kaum ins Gewicht.<br />

Der Andrang zu den Messfeiern <strong>mit</strong> dem Papst in den kommenden Tagen ist groß. In Berlin hatten die<br />

kirchlichen Verantwortlichen ursprünglich <strong>mit</strong> viel bescheideneren Größenordnungen gerechnet. <strong>Ein</strong>er<br />

Umfrage der Konrad-Adenauer-Stiftung zufolge sind 63 Prozent der Deutschen stolz auf ihren Papst. Ist<br />

man in der Kirche in Deutschland nicht oft zu kleinmütig, wenn es um die Wirkung Papst Ratzingers<br />

geht?<br />

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