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Ein Interview mit Kardinal Walter Brandmüller zum Besuch von ...

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„Zu viel Dialog, zu wenig Glaube und Umkehr“<br />

<strong>Ein</strong> <strong>Interview</strong> <strong>mit</strong> <strong>Kardinal</strong> <strong>Walter</strong> <strong>Brandmüller</strong> <strong>zum</strong> <strong>Besuch</strong> <strong>von</strong> Benedikt XVI. in Deutschland<br />

Von Guido Horst<br />

<strong>Kardinal</strong> <strong>Walter</strong> <strong>Brandmüller</strong> ist ein Mann deutlicher Worte. Als vor kurzem die Bundestagsabgeordneten<br />

<strong>von</strong> der Partei „Die Linke“ – der Nachfolgerin der SED, der kommunistischen Partei der DDR - der<br />

ankündigten, der Ansprache des Papstes vor dem Deutschen Bundestag am 22. September fern bleiben zu<br />

wollen, konterte <strong>Brandmüller</strong> in der ausflagenstarken „Bild“-Zeitung: „Die Abgeordneten des Deutschen<br />

Bundestages müssen sich der Wirkung dieser Art <strong>von</strong> Protest im Ausland bewusst sein: Sie verstärken<br />

dadurch das Bild vom ‚hässlichen Deutschen‘, das leider immer noch existiert.“ Auch sei <strong>von</strong> einer Partei,<br />

die, so <strong>Brandmüller</strong> weiter, „Fidel Castro beglückwünscht und bis zuletzt die Mauer verteidigt hat, nicht<br />

zu erwarten, dass ihnen Werte wie Freiheit und Menschenwürde, wie sie der Papst verkündet, plötzlich ins<br />

Konzept passen würden.“<br />

Und als sich im Januar 2011 acht katholische CDU-Politiker <strong>mit</strong> einem offenen Brief an die deutschen<br />

Bischöfe wandten und für eine Änderung der Zölibatspraxis plädierten, kam die Antwort umgehend aus<br />

Rom. Auf den Seiten der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ wies der deutsche <strong>Kardinal</strong> das Ansinnen<br />

der acht katholischen Politiker frontal zurück: „Da Sie sich <strong>mit</strong> Ihrer Antizölibatsinitiative an die<br />

Öffentlichkeit gewandt haben, bedarf diese auch einer öffentlichen Antwort. Sie besteht zunächst<br />

in einer Frage: Was legitimiert Sie als Politiker, zu einem innerkirchlichen Thema Stellung zu<br />

beziehen, das Sie weder <strong>von</strong> Amts wegen noch persönlich betrifft?“<br />

Doch jetzt gehört <strong>Kardinal</strong> <strong>Brandmüller</strong> zu der vatikanischen Delegation, die Papst Benedikt in den<br />

kommenden Tagen durch Deutschland begleitet. Und in Berlin wird er auch den acht CDU-Politikern<br />

begegnen, <strong>mit</strong> denen er im Januar die Klingen kreuzte. Doch <strong>von</strong> Hause aus ist <strong>Brandmüller</strong> eher der Typ<br />

des nüchternen Wissenschaftlers. Der ehemalige Hochschulprofessor für Kirchengeschichte in Augsburg<br />

und dann langjährige Präsident des Päpstlichen Ko<strong>mit</strong>ees für die historischen Wissenschaftlen in Rom<br />

lebt heute in der „Canonica“, dem palazzo der Kanoniker <strong>von</strong> Sankt Peter un<strong>mit</strong>telbar neben der Basilika.<br />

Im November vergangenen Jahres hat ihn Papst Benedikt wegen seiner Verdienste um die theologische<br />

Forschung in den <strong>Kardinal</strong>sstand erhoben. Wie <strong>Brandmüller</strong> selber sagt, ist er sehr gespannt auf den<br />

dritten <strong>Besuch</strong> des deutschen Papstes in seiner Heimat.<br />

Zunächst eine Frage an den Kirchenhistoriker. Heute ist solch ein Papstbesuch ein<br />

Massenereignis. War das auch in früheren Jahrhunderten so?<br />

Im Jahr 1782 machte sich Pius VI. auf den Weg nach Österreich, um Kaiser Josef II. vergeblich zur<br />

Rücknahme seiner kirchenfeindlichen Gesetze zu bewegen, wobei er auf dem Rückweg nach Rom auch<br />

München, Altötting und Augsburg besuchte. Auf dieser Reise konnte der Papst zahllosen Gläubigen<br />

begegnen, die seine Wege säumten, sie segnen und im Glauben stärken. Die wohl denkwürdigste<br />

Papstreise ins „Ausland“ war jedoch – sehen wir einmal <strong>von</strong> denen des zwanzigsten Jahrhunderts ab –<br />

jene <strong>von</strong> Pius VII. im Jahre 1804 zur Kaiserkrönung Napoleons I. nach Paris. Obgleich Napoleon, um die<br />

Bevölkerung vom Papst fernzuhalten, verfügt hatte, dass Pius VII. nur in den Stunden der Nacht reisen<br />

dürfe, wurde seine Fahrt durch Frankreich zu einer bisher nie erlebten Massenkundgebung des Glaubens<br />

in dem noch schwer unter den Folgen der Revolution leidenden Frankreich. Durch dieses Erlebnis sei –<br />

meinen manche Historiker – den Franzosen ihre Zugehörigkeit zur Weltkirche, <strong>zum</strong> Papst, wie nie zuvor<br />

bewusst geworden.<br />

Vor allem in Berlin wird jetzt deutlich werden, dass es sich um einen Staatsbesuch handelt. Wie<br />

würden Sie die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Rom als dem<br />

Zentrum der katholischen Weltkirche charakterisieren?<br />

Probleme politischer Art dürften derzeit das Verhältnis Deutschland <strong>zum</strong> Heiligen Stuhl nicht belasten.<br />

Dem Heiligen Vater wird es wohl vielmehr darum gehen, Antworten auf die drängenden geistigen und<br />

sittlichen Fragen zu geben, vor die sich die europäischen und besonders die deutsche Gesellschaft gestellt<br />

sehen.<br />

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Der Aufenthalt in Thüringen hat dagegen einen starken ökumenischen Akzent. Der Papst selber<br />

hat das gewünscht und auch dem Ratspräsidenten der evangelischen Kirche im März dieses<br />

Jahres geschrieben. Was erwarten Sie sich <strong>von</strong> dieser Station der Reise?<br />

In der Tat eignet der ökumenischen Begegnung im ehemaligen Augustinerkloster zu Erfurt hohe<br />

Symbolkraft. Hier hat der Frater Martin Luther jahrelang die heilige Messe gefeiert und den Glauben der<br />

Kirche verkündet. Wenn es nun auch über den Glauben bei dieser Gelegenheit nicht zur<br />

Übereinstimmung kommen kann, wäre es doch ein großer Schritt hin zur <strong>Ein</strong>heit der Christen, wenn ein<br />

Gleichklang in der Antwort auf die wesentlichen ethischen Fragen der Zeit erkennbar würde. Im Übrigen<br />

sollte man nicht irgendwelche utopischen Erwartungen hegen, um dann, wenn deren Erfüllung ausbleibt,<br />

lautstarke Enttäuschung äußern zu können. Schließlich ist <strong>Ein</strong>heit im Glauben ein Geschenk des Heiligen<br />

Geistes und dieses kann nicht „herbei diskutiert“, es muss „herbei gebetet“ werden. Deshalb muss das<br />

gemeinsame Gebet das wichtigste Element dieser Begegnung sein, die durch schrille Töne im Vorfeld<br />

nicht hätte gestört werden dürfen.<br />

Abgesehen <strong>von</strong> einem Treffen <strong>mit</strong> Vertretern der orthodoxen Kirche ist der Aufenthalt in<br />

Freiburg dann ganz für die Begegnung <strong>mit</strong> den Gläubigen und Bischöfen der katholischen<br />

Kirche in Deutschland reserviert. Was wird Papst Benedikt in den Mittelpunkt stellen?<br />

Lassen Sie sich überraschen! Aber wenn Sie <strong>von</strong> einer Begegnung <strong>mit</strong> den Gläubigen sprechen, stellt sich<br />

natürlich sogleich die Frage, um welche Gläubigen es sich da handeln wird. Denkt man dabei nur an die in<br />

Verbänden oder Gremien organisierten Katholiken? Die allein, meine ich, könnten kaum als repräsentativ<br />

für die deutschen Katholiken angesehen werden – <strong>von</strong> ihrer fehlenden „demokratischen“ Legitimation<br />

durch die normalen Gläubigen einmal ganz abgesehen. Und: Der Geist weht nicht selten außerhalb der<br />

Strukturen!<br />

Nach den Missbrauchsskandalen sucht die katholische Kirche in Deutschland nach einem<br />

Aufbruch und Neuanfang. Der in Mannheim begonnene Dialog-Prozess lässt sich <strong>zum</strong>indest so<br />

verstehen. Wie kann der Papstbesuch da helfen?<br />

Die Missbrauchsskandale sind nicht Ursache, sondern Folgen und Symptome einer tiefen, seit<br />

Jahrzehnten den Glauben erfassenden Desorientierung. In ihnen drückt sich ein weitgehender Verlust der<br />

Dimension des Übernatürlichen aus: Die Wirklichkeit Gottes war und ist für viele aus dem Blickfeld<br />

geraten. Ich vermag nicht zu sehen, was da ein wie immer gearteter Dialog zwischen wem auch immer<br />

über uralte, längst ausdiskutierte Themen bewirken kann. Es kann dabei nur darum gehen, <strong>mit</strong> neuer<br />

Bereitschaft <strong>zum</strong> Hören, <strong>zum</strong> Glauben und zur Umkehr dem Heiligen Vater zuzuhören, wenn er in<br />

Deutschland das Wort Gottes verkündet.<br />

<strong>Ein</strong> Deutscher an der Spitze der katholischen Kirche – hat Sie das nach der Katastrophe des<br />

Nationalsozialismus nicht erstaunt?<br />

Meinen Sie wirklich, dass bei der Wahl <strong>Kardinal</strong> Ratzingers <strong>zum</strong> Papst seine Herkunft aus Deutschland<br />

eine Rolle gespielt habe? Gewiss: Bei der Wahl Johannes Pauls II. war dessen Herkunft aus dem damals<br />

sowjetisch besetzten Ostblock <strong>von</strong> großer Bedeutung gewesen. Die Kardinäle hatten zweifellos die<br />

Bedrohung, die <strong>von</strong> dort ausging, im Auge, als sie einen Papst wählten, der sich in einer schwierigen und<br />

gefahrvollen Situation als Oberhirte beispielhaft bewährt hatte. Im Falle Benedikts XIV. war es jedoch so,<br />

dass der langjährige Präfekt der Glaubenskongregation, der extreme theologische und pastorale<br />

Herausforderungen zu meistern hatte, bei den Kardinälen höchstes Ansehen genoss. Dass er Deutscher<br />

war, fiel dabei wohl kaum ins Gewicht.<br />

Der Andrang zu den Messfeiern <strong>mit</strong> dem Papst in den kommenden Tagen ist groß. In Berlin hatten die<br />

kirchlichen Verantwortlichen ursprünglich <strong>mit</strong> viel bescheideneren Größenordnungen gerechnet. <strong>Ein</strong>er<br />

Umfrage der Konrad-Adenauer-Stiftung zufolge sind 63 Prozent der Deutschen stolz auf ihren Papst. Ist<br />

man in der Kirche in Deutschland nicht oft zu kleinmütig, wenn es um die Wirkung Papst Ratzingers<br />

geht?<br />

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Wenn erheblich mehr als die Hälfte aller Deutschen – und das heißt auch vierzehn Prozent<br />

Nichtkatholiken – stolz auf ihren deutschen Papst sind, dann ist das ja durchaus positiv. Aber darauf<br />

dürfte es dem Heiligen Vater, so wie man ihn kennt, wenig ankommen. Viel wichtiger ist doch die Frage,<br />

ob die 63 Prozent auch die Botschaft annehmen werden, die Benedikt XIV. als Stellvertreter Christi zu<br />

überbringen hat. Es geht also um die Wirkung seines Wortes. Sie fragen, ob die Kirche Deutschlands<br />

bezüglich dieser Wirkung zu kleinmütig sei? In der Tat, so meine ich, unterschätzt man in dem so<br />

genannten kirchlichen Establishment den Hunger vieler Menschen nach Gott, nach Wahrheit und<br />

sicherem Grund für das Leben und Sterben. Da dieser Hunger durch eine weithin kleinmütige,<br />

horizontalistische und da<strong>mit</strong> oberflächliche Verkündigung seit langem ungestillt bleibt, wird dem Wort des<br />

Papstes erhöhte Aufmerksamkeit nicht zuletzt außerhalb der Kirche entgegengebracht werden.<br />

Was wäre für Sie die schönste Bilanz, die man beim Flug zurück nach Rom nach dem<br />

Papstbesuch in Deutschland ziehen könnte?<br />

Schon auf dem Rückflug eine Bilanz dieses <strong>Besuch</strong>s zu ziehen, scheint doch sehr verfrüht zu sein. Es wird<br />

am Ende darauf ankommen, wie tief die Aussaat des Papstes in den deutschen oft harten und trockenen<br />

Boden einzudringen vermag. Und dann wissen Sie ja aus dem Evangelium, dass es seine Zeit braucht, ehe<br />

aus der Aussaat eine Ernte wird.<br />

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