Archivar 2/2012 (3 Mbyte) - Archive in Nordrhein-Westfalen
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Zeitpunkt war Geschichte schon längst e<strong>in</strong> bereits etabliertes und<br />
auch <strong>in</strong>tensiviertes politisches Mittel, um den politischen und<br />
sozialen Zusammenhalt des Königreichs zu fördern; 28 die wissenschaftliche<br />
Nutzung der staatlichen <strong>Archive</strong> wurde von der Regierung<br />
anerkannt und auch politisch unterstützt. Mehr noch: Die<br />
politische Reflexion der Archivbenutzung zu wissenschaftlichen<br />
Zwecken fand die Berücksichtung <strong>in</strong> den Plänen (1832) für das<br />
neue Gebäude des Allgeme<strong>in</strong>en Reichsarchivs: Der 1843 eröffnete<br />
Gebäudekomplex <strong>in</strong> der Ludwigstrasse bot Leseräume für Besucher,<br />
welche Akten oder Urkunden des Archivs e<strong>in</strong>sehen wollten. 29<br />
Anders gesagt: Im Jahr 1857 verfehlte die Bitte des Schriftstellers<br />
Volpi schlichtweg e<strong>in</strong>e wesentliche adm<strong>in</strong>istrative Anforderung<br />
für Archivbenutzungsgesuche und folglich vermochte diese<br />
nicht, die von der Regierung etablierte adm<strong>in</strong>istrative Hürde zu<br />
nehmen. Volpis Scheitern bietet gleichwohl exemplarischen Aufschluss<br />
über die Geschichte von Archivbenutzung und illustriert<br />
die offenkundigen und leitenden Vorstellungen e<strong>in</strong>es adm<strong>in</strong>istrativen<br />
Prüfungsverfahrens. Die Prüfung der Gesuche war e<strong>in</strong><br />
hervorstechendes Merkmal historischer Archivrecherche im<br />
19. Jahrhundert und es ist bezeichnend, dass politisch-historische<br />
Vorstellungen von Geschichte der dar<strong>in</strong> <strong>in</strong>volvierten Akteure – die<br />
Mitglieder der Regierung und die Vorsteher der <strong>Archive</strong> – Anteil<br />
an der Beurteilung der Gesuche hatten. Angesichts der fehlenden<br />
schriftlichen E<strong>in</strong>gabe waren die Bayerischen Behörden nicht <strong>in</strong><br />
der Lage, e<strong>in</strong>e befriedigende verwaltungstechnische „Wahrheit”<br />
(Rudhardt 4.12.1857) zu Volpi und se<strong>in</strong>en Geschichts<strong>in</strong>teressen zu<br />
ermitteln. E<strong>in</strong>gedenk der möglichen Gefahren ließen die Beamten<br />
bei der Prüfung der e<strong>in</strong>gehenden Gesuche Vorsicht walten; die<br />
historischen Forschungs<strong>in</strong>teressen mit den Sicherheits<strong>in</strong>teressen<br />
des Staates abgleichen zu können, war für die Genehmigung<br />
e<strong>in</strong>es Archivbenutzungsgesuchs zw<strong>in</strong>gend erforderlich und<br />
erwies sich als e<strong>in</strong> probates zur Überwachung der Aktene<strong>in</strong>sicht<br />
zu historischen Zwecken. Auf diese Weise und von Fall zu Fall<br />
wurde die Grenze zwischen der Arkansphäre des Staates und der<br />
Öffentlichkeit beständig neu def<strong>in</strong>iert, modifiziert und verstärkt.<br />
Schließlich vermochte hierbei der E<strong>in</strong>druck e<strong>in</strong>er „Öffnung der<br />
<strong>Archive</strong>” entstehen. Gleichwohl g<strong>in</strong>g diese Form der „Öffnung”<br />
mit Beschränkungen e<strong>in</strong>her oder, wie <strong>in</strong> Volpis Fall, gelegentlich<br />
auch mit der Schließung der <strong>Archive</strong>.<br />
LA dEMANdE MANquANTE<br />
159<br />
Le texte se consacre au thème de l‘usage historique des archives au<br />
XIXème siècle. Prenant l‘exemple d‘une demande de consultation<br />
échouée dans les archives bavaroises, l‘article étudie les conditions<br />
d‘accès aux archives et les communications autour de ce sujet.<br />
dr. philipp Müller<br />
University College London<br />
Gower Street<br />
London WC1E 6BT<br />
United K<strong>in</strong>gdom<br />
E-Mail: philipp.mueller@ucl.ac.uk<br />
Georg August Universität Gött<strong>in</strong>gen<br />
Sem<strong>in</strong>ar für Mittlere und Neuere Geschichte<br />
Humboldtallee 19, D-37073 Gött<strong>in</strong>gen<br />
25 Vgl. anders Wolfgang Ernst: Im Namen von Geschichte. Sammeln − Speichern<br />
− Er/zählen, München 2003, S. 25-45, hier S. 35, S. 44, S. 45.<br />
26 Siehe zum Quellenbegriff: Michael Zimmermann: Quelle als Metapher.<br />
Überlegungen zur Historisierung e<strong>in</strong>er historiographischen Selbstverständlichkeit.<br />
In: Historische Anthropologie 5 (1997), H. 2, S. 268-287.<br />
27 André Holenste<strong>in</strong>: „Gute Policey“ und lokale Gesellschaft im Staat des<br />
Ancien Régime. Das Fallbeispiel der Margrafschaft Baden(-Durlach), Bd. 1.<br />
Epfendorf 2003, S. 282-304; Gerd Schwerhoff: Das Kölner Supplikenwesen<br />
<strong>in</strong> der frühen Neuzeit. Annäherungen an e<strong>in</strong> Kommunikationsmedium zwischen<br />
Untertanen und Obrigkeit. In: Köln als Kommunikationszentrum, hg.<br />
v. Gerd Schwerhoff/Georg Mölich, Köln 2000, S. 473-496, hier S. 479, S. 489.<br />
28 Hans-Michael Körner: Staat und Geschichte im Königreich Bayern, 1806-<br />
1918. München 1982, S. 202; Clemens (Anm. 21), S. 307 ff.; Kunz (Anm. 21),<br />
S. 65.<br />
29 Wilhelm Volkert: Zur Geschichte des Bayerischen Hauptstaatsarchivs 1843-<br />
1944. In: Archivalische Zeitschrift 73 (1977), S. 131-148, hier S. 133.<br />
ArchivAr 65. Jahrgang Heft 02 Mai <strong>2012</strong>