Ant-Wort. Jörg Splett zum 70. Geburtstag - Institut zur Förderung der ...
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104<br />
Evelin Kohl<br />
jammernd, bittend, sie verharren in <strong>der</strong> Verzweiflung und es<br />
erscheint kein Erlöser. Es gehen ihnen die <strong>Wort</strong>e aus, Becketts<br />
Stücke werden zu Akten ohne <strong>Wort</strong>e. Beckett verweigert seinen<br />
Figuren, den Lesern, Hörern und Zuschauern, sich selbst zuerst<br />
die <strong>Ant</strong>worten, dann die <strong>Wort</strong>e; die <strong>Wort</strong>e, die er doch des<br />
öfteren als "seine einzigen Lieben" bezeichnete.<br />
• Das <strong>Wort</strong><br />
Es sind die Kunstformen <strong>der</strong> Poesie, <strong>der</strong> dramatischen Poesie, in<br />
denen sich Becketts künstlerisches Schaffen verwirklicht. Poesie<br />
ohne <strong>Wort</strong>e? Sind es die nicht erkennbaren <strong>Ant</strong>worten, welche<br />
den <strong>Wort</strong>en ihr Lebensrecht entziehen?<br />
Für Hegel ist die Wahrheit des <strong>Wort</strong>es in dessen Dasein<br />
grundlegend als Selbstbezüglichkeit offenbar: "Das Sichselbstvernehmen<br />
ist das Dasein des <strong>Wort</strong>es" 100, eine Selbstbezüglichkeit,<br />
die <strong>Jörg</strong> <strong>Splett</strong> als monologische abweist. 101 Doch ob in<br />
selbstbezüglicher o<strong>der</strong> dialogischer Bestimmung <strong>der</strong> Wahrheitsfähigkeit<br />
des <strong>Wort</strong>es, beide kommen darin überein, daß das<br />
<strong>Wort</strong> uns die Fähigkeit schenkt zu sprechen, aber auch zu<br />
schweigen, es schenkt uns das 'beredte Schweigen', welches im<br />
deutlichen Gegensatz <strong>zum</strong> Verschweigen, <strong>zum</strong> Verstummen<br />
steht. 102 Für Hegel ist die Sprache Weg <strong>zur</strong> <strong>Ant</strong>wort, eröffnet<br />
sich doch gerade in <strong>der</strong> Sprache die Fähigkeit des Menschen zu<br />
begreifen, d.h. Wi<strong>der</strong>sprüche als solche zu erfassen; und so ist<br />
ihm auch die Sprache in <strong>der</strong> Kunst die höchste Zugangsmöglichkeit<br />
<strong>zur</strong> religiösen und sittlichen Dimension des<br />
menschlichen Geistes und seines Handelns, ist <strong>der</strong> Weg des<br />
Menschen zu geistiger Freiheit. 103<br />
<strong>Jörg</strong> <strong>Splett</strong> setzt hier <strong>der</strong> Hegelschen, dialektisch als<br />
Begreifen erwirkten <strong>Ant</strong>wort die Annahme <strong>der</strong> <strong>Ant</strong>wort im Sichangerufen-Wissen,<br />
das schweigende Erwarten-Können, das<br />
wartende Horchen-Dürfen entgegen. 104 Denn es gibt eine<br />
<strong>Ant</strong>wort, an <strong>der</strong> die Kunst versagt, die nur die Religion in sich zu<br />
bergen vermag, die <strong>Ant</strong>wort, welche Tod und Schuld, und mit<br />
_______________<br />
100 Phänomenologie, 559.<br />
101 J. SPLETT, Warum man doch kein Hegelianer sein sollte, in: Revista...,<br />
a.a.O., 1095 f.<br />
102 Vgl. J. SPLETT, Denken vor Gott, 206.<br />
103 Vgl. u.a. Phänomenologie, 518/548 f.<br />
104 Vgl. J. SPLETT, Warum man doch kein Hegelianer sein sollte, in:<br />
Revista..., a.a.O., 1095 f.