PDF, 1379 KB - Diakonie Deutschland
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Beschwerdemanagement<br />
Störfaktor oder Chance?<br />
09/02<br />
Informationen und Materialien aus dem Diakonischen Werk<br />
der Evangelischen Kirche in <strong>Deutschland</strong><br />
Dokumentation
Impressum<br />
Diakonisches Werk der Evangelischen Kirche in <strong>Deutschland</strong> (EKD)<br />
Hausanschrift: Staffl enbergstr. 76, 70184 Stuttgart<br />
Verantwortlich für die Reihe:<br />
Andreas Wagner<br />
Abteilung Information und Kommunikation im Diakonischen Werk der EKD<br />
Postfach 10 11 42, 70010 Stuttgart<br />
Telefon (07 11) 21 59-4 54<br />
Telefax (07 11) 21 59-5 66<br />
E-Mail: redaktion@diakonie.de<br />
Internet: www.diakonie. de<br />
Kontakt:<br />
Gretel Wildt<br />
Abteilung Frauen, Jugend und Familie<br />
Telefon (0711) 21 59-2 65<br />
E-Mail: wildt@diakonie.de<br />
Klaus-Peter Stenzig<br />
Abteilung Gesundheit und Rehabilitation<br />
Telefon (0711) 21 59-5 30<br />
E-Mail: stenzig@diakonie.de<br />
Layout:<br />
Andrea Niebsch-Wesser<br />
Bestellungen:<br />
Zentraler Vertrieb des Diakonischen Werkes der EKD<br />
Karlsruher Str. 11, 70771 Leinfelden-Echterdingen<br />
Telefon (07 11) 9 02 16-50<br />
Telefax (07 11) 7 97 75 02<br />
E-Mail: vertrieb@diakonie.de<br />
Der Bezug von <strong>Diakonie</strong> Korrespondenz und <strong>Diakonie</strong> Dokumentation bis zu zehn Exemplaren ist kostenlos.<br />
Bei Bestellungen ab zehn Exemplaren stellen wir für jedes zusätzliche Exemplar einen Euro in Rechnung.<br />
Die Texte, die wir in <strong>Diakonie</strong> Korrespondenz und <strong>Diakonie</strong> Dokumentation veröffentlichen, sind im Internet<br />
unter www.diakonie.de frei zugänglich. Sie können dort zu nicht-kommerziellen Zwecken heruntergeladen<br />
und vervielfältigt werden.<br />
Druck: Zentraler Vertrieb des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in <strong>Deutschland</strong> (EKD),<br />
Karlsruher Straße 11, 70771 Leinfelden-Echterdingen<br />
2 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 09/2002
Inhaltsverzeichnis<br />
Vorwort .........................................................................................................................................................5<br />
Stärkung der Verbraucherrechte als diakonischer Auftrag - Von der Notwendigkeit der<br />
Einführung eines Beschwerdemanagements in diakonischen Einrichtungen und Diensten ................6<br />
Horst Steinhilber<br />
Konstruktives Beschwerdemanagement in der Altenhilfe - allgemeine Grundlagen, praktischer<br />
Nutzen und Herausforderungen für Mitarbeiter, Mitarbeiterinnen und Leitungskräfte ..................12<br />
Gerhard Tinnefeld<br />
Präsentation von Beschwerdemanagement-Modellen aus der Praxis<br />
Erfahrungsbericht über die Einführung und Anwendung eines<br />
Beschwerdemanagements in den stationären Pfl egeeinrichtungen .................................................28<br />
Joachim Krause<br />
Beschwerdemanagement als Einstieg ins Qualitätsmanagment ......................................................32<br />
Gerhard Benninghoff, Michaela Küpper<br />
Aufbau eines Beschwerdemanagements - Störfaktor oder Chance?...............................................35<br />
Thomas Herold<br />
Vom Umgang mit Beschwerden in der Erziehungsberatung ...........................................................40<br />
Thomas Weghmann<br />
Einführung von Beschwerdemanagement in die Kinder- und Jugendhilfe?! -<br />
Ein Arbeitsgruppenergebnis .....................................................................................................................41<br />
Karl Späth<br />
Beschwerdemanagement als fester Bestandteil von Dienstleistungen in einer<br />
Profi torganisation: Customer Service Center .........................................................................................43<br />
Markus Nowara<br />
Betroffenenorganisationen und ihre Erwartungen an ein Beschwerdemanagement<br />
Interessenvertretung von Altenheimbewohnerinnen und -bewohnern...........................................66<br />
Katrin Markus<br />
Beschwerden in der ehrenamtlichen Suchtkrankenhilfe - Störfaktor oder Chance? ....................70<br />
Walter Gibis<br />
Schlussfolgerungen ....................................................................................................................................75<br />
Dr. Mechthild Wolff, Gretel Wildt<br />
Anhang: Verzeichnis der Mitwirkenden, Autorinnen und Autoren......................................................77<br />
09/2002 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 3
Vorwort<br />
Cornelia Weber, Gretel Wildt:<br />
Vorwort<br />
Angesichts der aktuellen Diskussion um den Verbraucherschutz<br />
in sämtlichen Lebensbereichen, die in der<br />
Öffentlichkeit mit großem Interesse verfolgt wird,<br />
sind auch die sozialen Dienstleistungen verstärkt ins<br />
Blickfeld geraten. Insbesondere gewinnt die Frage,<br />
wie Menschen die von ihnen in Anspruch genommenen<br />
sozialen Dienstleistungen mitgestalten können, an<br />
Bedeutung. Ein Aspekt im Hinblick auf die Wahrung<br />
ihrer Rechte und Partizipation am Leistungsgeschehen<br />
ist der Umgang mit Beschwerden von den Leistungsanbietern.<br />
Die öffentlichen, freien und privaten Träger<br />
sozialer Dienstleistungen für alte oder pfl egebedürftige<br />
Menschen, Menschen mit körperlichen, psychischen<br />
oder geistigen Behinderungen, unterschiedlichsten<br />
Krankheiten, Schwierigkeiten und Benachteiligungen,<br />
wie auch für Kinder und Jugendliche, nehmen die<br />
neuen Herausforderungen auf sehr unterschiedliche<br />
Weise an.<br />
Dies hat das Diakonische Werk der EKD zum Anlass<br />
genommen, das Thema „Beschwerdemanagement in<br />
der <strong>Diakonie</strong>“ mit der Tagung „Beschwerden - Störfaktor<br />
oder Chance?“ aufzunehmen. Die Tagung wurde<br />
gemeinsam von den Abteilungen Frauen, Jugend und<br />
Familie, Gesundheit und Rehabilitation sowie der Diakonischen<br />
Akademie <strong>Deutschland</strong> verantwortet. Unser<br />
gemeinsames Anliegen war es, einen arbeitsfeldübergreifenden<br />
Diskurs anzuregen, Erfahrungen bereits<br />
erprobter Modelle aus den unterschiedlichsten Handlungsfeldern<br />
zu nutzen und damit einen Beitrag zur<br />
Qualitätsentwicklung in diakonischen Diensten und<br />
Einrichtungen zu leisten.<br />
09/2002 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 5
Stärkung der Verbraucherrechte als diakonischer Auftrag<br />
Horst Steinhilber:<br />
Stärkung der Verbraucherrechte als diakonischer Auftrag -<br />
Von der Notwendigkeit der Einführung eines Beschwerdemanagements<br />
in diakonischen Einrichtungen und Diensten<br />
1. Über den schwierigen Umgang mit<br />
Beschwerden in Kirche und <strong>Diakonie</strong><br />
Beschwerdemanagement ist eine Forderung unserer<br />
Zeit – eine neue Herausforderung für viele diakonische<br />
Einrichtungen. Zur Annäherung an das Thema erlaube<br />
ich mir einen kleinen Umweg. Er führt nicht in die<br />
Welt moderner Organisationen, die sich über Qualitätssicherung<br />
und Kundenbindung Gedanken machen,<br />
sondern an den Anfang der christlichen Überlieferung<br />
in die Welt Jesu: Auch in dieser Welt gibt es gravierende<br />
Beschwerden – und Jesus erzählt einmal eine<br />
Geschichte über den Sinn des Beschwerens.<br />
„Es war ein Richter in einer Stadt, der Gott nicht<br />
fürchtete und auf keinen Menschen Rücksicht nahm.<br />
In der gleichen Stadt lebte auch eine Witwe, die immer<br />
wieder zu ihm kam und sagte: Verschaffe mir Recht<br />
gegen meinen Feind! Lange wollte er davon nichts<br />
wissen. Dann aber sagte er sich: Ich fürchte zwar Gott<br />
nicht und nehme auch auf keinen Menschen Rücksicht,<br />
trotzdem will ich dieser Witwe zu ihrem Recht<br />
verhelfen, denn sonst lässt sie mich nicht in Ruhe.<br />
Sonst kommt sie am Ende noch und schlägt mir ins<br />
Gesicht. Und Jesus fügte hinzu: Bedenkt, was der<br />
ungerechte Richter sagt! Sollte Gott seinen Auserwählten,<br />
die Tag und Nacht zu ihm schreien, nicht<br />
zu ihrem Recht verhelfen, sondern zögern? Ich sage<br />
euch: Er wird ihnen unverzüglich ihr Recht verschaffen!”<br />
(Lukas 18, Verse 2-7)<br />
Dieses Gleichnis erzählt Jesus, um seine Anhängerinnen<br />
und Anhänger zu ermutigen, sich zu beschweren.<br />
Sie sollen nicht aufhören, das Unrecht, das ihnen<br />
geschieht, zur Sprache zu bringen, unaufhörlich und<br />
unüberhörbar. Sie sollen sich am Beispiel einer Frau<br />
orientieren, die sich ohne Mann durchs Leben schlagen<br />
muss und um ihr Recht kämpfen muss – bei einem<br />
Richter, der normalerweise keine Rücksicht auf Menschen<br />
nimmt: Eine scheinbar aussichtslose Situation,<br />
die sie nur durch Hartnäckigkeit überwindet.<br />
Für Jesus ist die hartnäckige Frau ein Vorbild beim<br />
Beten. Genauso hartnäckig sollen wir vor Gott bringen,<br />
was uns beschwert. Beten wird hier nicht als einvernehmliches<br />
Gespräch des Frommen mit Gott geschildert,<br />
sondern als inständige hartnäckige Beschwerde:<br />
Immer wieder – Tag und Nacht – soll Gott das Unrecht<br />
zu hören bekommen, unter dem die Menschen leiden,<br />
die sich an ihn wenden. Und es ist wohl wirklich das<br />
Gebet die allererste Beschwerdeinstanz. Nicht so sehr<br />
die Kirchengebete am Altar, sondern die unzähligen<br />
stillen Gebete der einzelnen Menschen, die Stoßseufzer,<br />
das „Ach Gott” und das „Ach Je”.<br />
Für Christen sind Beschwerden also eine wohlbekannte<br />
und geschätzte Einrichtung: Menschen kommen nicht<br />
zu ihrem Recht – und beschweren sich. Und wenn sie<br />
selbst nicht sprechen können, dann gibt es oft christliche<br />
Initiativen und diakonische Werke, die an ihrer<br />
Stelle die Ungerechtigkeit beim Namen nennen.<br />
Beschwerdemanagement – eine Initiative der Kirchen?<br />
Nun, wie Sie wissen, ist die Geschichte etwas anders<br />
verlaufen.<br />
Kirche und <strong>Diakonie</strong> haben sich in <strong>Deutschland</strong> im<br />
letzten Jahrhundert – im vorletzten Jahrhundert, also<br />
im 19. Jahrhundert verhielt es sich ganz anders – einen<br />
enormen Vertrauensvorschuss erworben. Empirische<br />
Untersuchungen über die Kirchenmitgliedschaft, die<br />
seit den 1960er Jahren angestellt werden, zeigten<br />
zunächst eine unglaublich hohe Zufriedenheit der Mitglieder<br />
mit der Institution Kirche: Unglaublich – für<br />
alle, die kirchlich engagiert sind und mit der Institution<br />
Kirche viel zu tun haben. So gab in den 1970er<br />
Jahren die Mehrzahl aller Kirchenmitglieder an, die<br />
Beziehung zu dem Pfarrer, der sie konfi rmierte, sei<br />
eine persönliche Beziehung gewesen. Und um ein<br />
anderes Beispiel zu geben: Die Mehrzahl der Kirchenmitglieder<br />
meint, Kirchensteuer vor allem für diakonische<br />
Zwecke zu zahlen.<br />
6 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 09/2002
Stärkung der Verbraucherrechte als diakonischer Auftrag<br />
Kirche – und <strong>Diakonie</strong> – wurden und werden also<br />
nicht nüchtern an ihren Leistungen gemessen, sondern<br />
als symbolische Größen betrachtet: der Pfarrer<br />
als Garant persönlicher Religiosität, die Kirche als<br />
Einrichtung auf der Seite der Armen und Kranken.<br />
Die Haltung der Kirchenmitglieder gegenüber Kirche<br />
und <strong>Diakonie</strong> war bislang ein „stillschweigendes Vertrauen”.<br />
Unter dieser Voraussetzung ist es nicht leicht, sich zu<br />
beschweren und Beschwerden anzuhören. Denn dazu<br />
muss das Schweigen gebrochen werden, ohne das<br />
Vertrauen zu zerstören. Für diejenigen, die sich ungerecht<br />
behandelt fühlen, ist das Schweigen wie eine<br />
Schwelle, die zu übertreten Mühe kostet. Für diejenigen,<br />
die eine der seltenen Beschwerden anhören, muss<br />
sie, weil es eine Ausnahme ist, wie ein Angriff auf die<br />
eigene Person und Professionalität wirken. Und so<br />
kommt es zu dem Paradox, dass ausgerechnet Kirche<br />
und <strong>Diakonie</strong>, die ihrer Umwelt durchaus kritisch und<br />
mit Beschwerden zum Beispiel über soziale Ungerechtigkeiten<br />
gegenübertreten, selbst so schlecht mit<br />
Beschwerden umgehen können.<br />
Das zeigt sich meines Erachtens auch daran, dass das<br />
Thema Beschwerdemanagement in der <strong>Diakonie</strong> noch<br />
eine eher untergeordnete Rolle spielt.<br />
Nun würde sicherlich mancher Einrichtungsträger<br />
sagen: Eine Beschwerde und der Umgang mit Be -<br />
schwerden ist nur die letzte Stufe bei auftretenden<br />
Dissonanzen; wir sind bereits im Vorfelde aktiv - etwa<br />
durch die Befragung von Bewohnerinnen und Bewohnern<br />
oder von Angehörigen durch Bedarfserhebungen<br />
und nachgehende Befragung zur Zufriedenheit mit<br />
der erhaltenen Leistung. Wer aber weiter nachforscht,<br />
wird auch bei der Suche nach Instrumentarien im Vorwege<br />
eines Beschwerdemanagements kaum fündig.<br />
Es wäre sicherlich sehr spannend, an dieser Stelle verschiedene<br />
Thesen für diese bisherige Zurückhaltung,<br />
ja Nichtbeachtung des Themas zusammenzutragen.<br />
Spannend deshalb, weil wir sehr schnell zu Fragen des<br />
Selbstverständnisses von Einrichtungen und Diensten<br />
oder zu Fragen des Verhältnisses zwischen Einrichtungen<br />
und Diensten einerseits und ihren Nutzern andererseits<br />
kommen.<br />
Folgende Aspekte will ich kurz vertiefen:<br />
1. Die Aufnahme insbesondere in eine stationäre<br />
Einrichtung (zum Beispiel der Behindertenhilfe)<br />
geschah und geschieht noch heute häufi g aus einer<br />
familiären Notsituation heraus. Angehörige unterlassen<br />
es in Konsequenz daraus, ein gewisses Maß<br />
an Forderungen und Erwartungen an die Einrichtungen<br />
zu stellen. Die Einrichtungen und Dienste<br />
sehen sich in ihrer Arbeit bestätigt; wie überhaupt<br />
in der Vergangenheit die Länge der Warteliste einer<br />
Einrichtung als primäres Indiz für die Qualität des<br />
Angebotes herangezogen wurde.<br />
2. Die Befragung von Nutzern bezüglich ihrer Zufriedenheit<br />
zum Beispiel mit der Beratung oder gar die<br />
Einführung eines Beschwerdemanagements könnte<br />
als Eingeständnis gelten, dass es überhaupt einen<br />
Anlass zu Beschwerden gibt.<br />
3. Insbesondere Angehörige tendieren dazu, ihre Situation<br />
und die Situation ihrer Söhne und Töchter<br />
isoliert wahrzunehmen. Im Falle von einzelnen<br />
Beschwerden besteht leicht die Tendenz, die Angehörigen<br />
(und auch die Menschen mit Behinderungen)<br />
als Querulanten hinzustellen. Der Anlass für<br />
die Beschwerde wird also eher in der Person als in<br />
der Institution gesucht.<br />
4. Diese Tendenz wird dadurch verschärft, dass Angehörige<br />
in der Regel keine „Zeugen des Alltags” sind.<br />
Sie können die Unzufriedenheit und die Anlässe<br />
für die Beschwerden nicht deutlich belegen, sondern<br />
sich nur an Äußerlichkeiten orientieren. So<br />
wird zwar zum Beispiel die unordentliche oder verschmutzte<br />
Kleidung des Sohnes oder der Tochter<br />
beklagt, gleichzeitig kann es als Indiz wahrgenommen<br />
werden für eine viel weitergehende Vernachlässigung<br />
durch das Personal, ohne dass dies belegt<br />
werden kann.<br />
5. Nach wie vor befürchten Eltern zum Beispiel im<br />
Kindergarten, dass ihre Beschwerden zu negativen<br />
Einstellungen gegenüber ihren Söhnen und Töchtern<br />
führen und negative Konsequenzen bedingen<br />
können.<br />
Aus diesen genannten und weiteren Beispielen entsteht<br />
für mich der Eindruck, dass die Einrichtungen<br />
und Dienste die positiven Effekte eines Beschwerdemanagements<br />
im Sinne einer Qualifi zierung der<br />
Arbeit, einer höheren Verbraucherfreundlichkeit und<br />
einer Verbesserung der Stellung auf dem Angebotsmarkt<br />
bisher kaum wahrgenommen haben.<br />
09/2002 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 7
Stärkung der Verbraucherrechte als diakonischer Auftrag<br />
Tatsächlich ist es nicht einfach, mit Beschwerden<br />
umzugehen. Vielfach empfi nden wir sie nicht als konstruktive<br />
Kritik, sondern persönlich verletzend. Natürlich<br />
kommt es auf den Ton an, in dem reklamiert<br />
wird. Auch gibt es notorische Nörgler, aber jede<br />
Organisation und Einrichtung sollte eine Beschwerde<br />
als Aufforderung verstehen, sich zu verbessern. Nur<br />
durch Rückmeldungen, die Unzufriedenheit, aber auch<br />
Zufriedenheit signalisieren können, kann sich Qualität<br />
entwickeln. Wenn Angehörige oder die Nutzer von<br />
Einrichtungen und Diensten selbst, aber auch Mitarbeitende<br />
mitteilen, dass im Ablauf, bei einer Behandlung,<br />
in der Beratung, im Tun der Organisation eben<br />
etwas nicht stimmt, dann gilt es, das ernsthaft zu<br />
prüfen und, wenn es sich als zutreffend erweist, abzustellen<br />
und zu verändern. Beschwerden sind eine Fehlerschlaufe,<br />
die zur Verbesserung der Qualität führen<br />
kann.<br />
Das scheint selbstverständlich, dennoch ist Beschwerdemanagement<br />
zur Zeit selten installiert - aus Unsicherheit,<br />
vermute ich. Wie begegne ich Kritik, wie<br />
nehme ich sie auf? Kann ich, wenn nötig, tatsächlich<br />
eine Änderung versprechen, obwohl es oft die objektiven<br />
Bedingungen nicht zulassen? Ein Konzept und<br />
Beratung bei der Einführung von Beschwerdemanagement<br />
sind erforderlich. Und die Beteiligung von Nutzern,<br />
Angehörigen und Mitarbeitenden, damit alle<br />
wissen, was sie erwarten können, welches Verfahren<br />
gilt und vor allem, dass Beschwerden die Möglichkeiten<br />
erweitern und zu einem besseren Miteinander<br />
führen können.<br />
2. Vom Umgang mit den Verbraucherrechten<br />
Ausgelöst durch die BSE-Krise und die Maul- und<br />
Klauenseuchen-Epidemie waren in den letzten Monaten<br />
Verbraucherschutz und Verbraucherrechte in aller<br />
Munde. Vom Bundesverband der Verbraucherzentralen<br />
wurden zum Beispiel Eckpunkte einer neuen verbraucherpolitischen<br />
Programmatik formuliert, die meines<br />
Erachtens durchaus auch auf die Erbringung sozialer<br />
Dienstleitungen bezogen werden können:<br />
- Ein Höchstmaß an Transparenz und der volle ungehinderte<br />
Zugang der Verbraucher zu Informationen<br />
über die Konzepte der Dienstleistungserbringer sind<br />
notwendig.<br />
- Die gleichberechtigte Berücksichtigung von Wirtschafts-<br />
und Verbraucherinteressen im politischen<br />
Prozess und im Marktgeschehen ist erforderlich.<br />
Einer vorsorgenden aktiven und dem Prinzip der<br />
Nachhaltigkeit verpfl ichteten Verbraucherpolitik<br />
kommt in dieser Situation eine doppelte Funktion<br />
zu. In dem sie dafür sorgt, dass die Nachfrageseite<br />
des Marktes zu einer eigenständigen Kraft wird,<br />
entlastet sie staatliche Politik bei der Aufgabe, nachteilige<br />
Folgen eines Wettbewerbes für die sozialen<br />
ökologischen und kulturellen Lebensbedingungen<br />
der Bevölkerung abzuwehren. Ferner wird die zivile<br />
Kraft der Verbraucher zu einem Verbündeten wohlverstandener<br />
Sozialpolitik.<br />
- Die Leitidee der Stärkung von Verbrauchern orientiert<br />
sich an der Souveränität und Freiheit, aber<br />
auch an der Verantwortung jedes Einzelnen. Diese<br />
Leitidee nimmt nicht nur die Leistungserbringer<br />
in die Pfl icht, sondern auch die Nutzer und ihre<br />
Interessenvertretungen.<br />
- Die Verbraucher sollten als aktive Partner im ge -<br />
meinsamen Prozess der Leistungserbringung verstanden<br />
werden, in der der Einzelne das Recht auf<br />
Schutz hat und die Möglichkeit zur Gegenwehr,<br />
sich aber zugleich auch die Auswirkungen seiner<br />
eigenen Nachfrage und Bedarfe bewusst ist und die<br />
Mitverantwortung für künftige soziale Entwicklungen<br />
übernimmt.<br />
- Wenn auch in der Sozialgesetzgebung eine nachhaltige<br />
Entwicklung eingeleitet werden soll, dann<br />
sind alle an der Erbringung von sozialen Dienstleistungen<br />
Beteiligten in ihrer jeweiligen Verantwortung<br />
zu sehen.<br />
Im Zentrum der Unterstützung der „Verbraucherrechte“<br />
steht für die <strong>Diakonie</strong> die unverwechselbare<br />
Würde jedes einzelnen Menschen. Wir legen Wert auf<br />
Freiheit, Mündigkeit und Selbstständigkeit der Hilfe<br />
suchenden Menschen und auf ihre Teilhabe am gesellschaftlichen<br />
Leben. Dies bedeutet, dass die Rechte<br />
der Nutzer, wo auch immer möglich, zu stärken sind.<br />
Deshalb begrüßen wir ausdrücklich die Zusammenschlüsse<br />
von Betroffenen und ihren Angehörigen,<br />
die uns wichtige Hinweise zur direkten Verbesserung<br />
unserer Dienstleistungsangebote geben können und<br />
uns zugleich unterstützen bei der sozialpolitischen<br />
Auseinandersetzung für gute Rahmenbedingungen in<br />
den Diensten und Einrichtungen.<br />
8 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 09/2002
Stärkung der Verbraucherrechte als diakonischer Auftrag<br />
Um dem eigenen Anspruch gerecht zu werden und<br />
sich an der derzeitigen Diskussion aktiv zu beteiligen,<br />
müssen wir in den einzelnen Arbeitsfeldern Positionen<br />
und Perspektiven zur Stärkung der Rechte der Betroffenen<br />
durch Beteiligung an Gesetzgebungsverfahren,<br />
bei der Planung und Ausgestaltung der Leistungen,<br />
wie bei der Einführung von Beschwerdemanagement<br />
als Teil der Qualitätsentwicklung und -sicherung entwickeln.<br />
Deshalb haben wir zum Beispiel ausdrücklich die Stärkung<br />
des Wunsch- und Wahlrechts von Menschen mit<br />
Behinderungen im gerade verabschiedeten SGB IX<br />
unterstützt. Das Anliegen mit diesem neuen Gesetz, die<br />
selbstbestimmte Teilhabe von Menschen mit Behinderung<br />
am gesellschaftlichen Leben zu gewährleisten<br />
und Hindernisse, die einer Chancengleichheit entgegenstehen,<br />
zu beseitigen, sind auch für uns zentrale<br />
Ziele unserer eigenen Anstrengungen.<br />
Im Sinne der Stärkung von „Verbraucherrechten“ ist<br />
es uns besonders bedeutsam, dass auch im SGB VIII,<br />
dem Kinder- und Jugendhilfegesetz, das Wunsch- und<br />
Wahlrecht der Leistungsberechtigten (§ 5) verankert<br />
ist, wie auch die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen<br />
an allen sie betreffenden Angelegenheiten im<br />
Gesetz festgeschrieben ist (§ 8). Auch die bedarfsgerechte<br />
Bereitstellung von Angeboten, zum Beispiel<br />
im Bereich Tageseinrichtungen für Kinder, verweist<br />
auf eine Nachfrageorientierung und stärkt die Stellung<br />
der Leistungsberechtigten im Gegenüber zu unseren<br />
Diensten und Einrichtungen. Das in § 36 des SGB<br />
VIII festgelegte Hilfeplanverfahren ist ebenfalls bei<br />
qualifi zierter Anwendung ein zentraler Baustein zur<br />
Stärkung der „Verbraucherrechte“. Meines Erachtens<br />
zeigt die Praxis, dass darüber hinaus die Notwendigkeit<br />
eines Beschwerdemanagements in den Einrichtungen<br />
und Diensten auch der Kinder- und Jugendhilfe<br />
sinnvoll und notwendig ist und das Hilfeplanverfahren<br />
dieses nicht ersetzen kann.<br />
Nicht zuletzt aufgrund einer langen öffentlichen Diskussion<br />
um Missstände und Mängel in Pfl egeheimen<br />
wurde das Pfl ege-Qualitätssicherungsgesetz (PQsG)<br />
und das Heimbewohnerschutzgesetz (HeimBSG) vorgelegt.<br />
Vorrangige Ziele beider Gesetze sind die Sicherung<br />
und Weiterentwicklung der Pfl egequalität und die<br />
Stärkung der Verbraucherrechte. Dies soll vor allem<br />
durch verstärkte Kontrollen durch die Heimaufsichtsbehörden<br />
und den Medizinischen Dienst der Pfl egekassen<br />
sowie durch erweiterte Mitwirkungsrechte der<br />
Bewohnerinnen und Bewohner erreicht werden, um<br />
die Würde sowie die Interessen und Bedürfnisse der<br />
Bewohnerinnen und Bewohner vor Beeinträchtigungen<br />
zu schützen. Bereits bei Abschluss des Heimvertrages<br />
sollen die Heimbewohnerinnen und Heimbewohner<br />
schriftlich und unter Hinweise auf Beschwerdestellen<br />
bei Mängeln der vom Heim erbrachten Leistungen hingewiesen<br />
werden. Auch durch die Einrichtung eines<br />
Heimbeirates sollen die Mitwirkungsrechte der Nutzer<br />
gestärkt werden.<br />
Der Gewinn eines systematischen Beschwerdemanagements<br />
im Rahmen der Qualitätsentwicklung/<br />
-sicherung einer sozialen Einrichtung liegt somit auf<br />
der Hand: Aus der Perspektive des Gesetzgebers und<br />
der Kostenträger wird dadurch ein hohes Maß an Fehlerprophylaxe<br />
und Verbraucherschutz gewährleistet.<br />
Allerdings sind vom Gesetzgeber - als Ergebnis<br />
hartnä ckiger Auseinandersetzungen - auch Ansätze<br />
aufgegriffen worden für die Einrichtung eigener<br />
Qualitäts sicherungskonzepte und Systeme, die dann<br />
zum Beispiel im Qualitätsrahmenhandbuch Gütesiegel<br />
Pfl ege die Vorstellungen der <strong>Diakonie</strong> zum Beschwerdemanagement<br />
und zur Umsetzung der Stärkung der<br />
Verbraucherrechte widerspiegeln.<br />
In den Einrichtungen werden durch die Einführung<br />
von Qualitätshandbüchern Fachdiskussionen angeregt<br />
und weiterführende Qualitätsstrategien entwickelt. Im<br />
Hinblick auf die Öffentlichkeit verbessert sich der gute<br />
Ruf der Dienste und Einrichtungen durch die erhöhte<br />
Zufriedenheit der Nutzer und ihrer Angehörigen. Ich<br />
bin gespannt, was im Rahmen der Diskussionen in<br />
dieser Tagung dazu an konkreten Vorschlägen erarbeitet<br />
wird. In der aktuellen Debatte um die Stärkung der<br />
Verbraucherrechte verweisen die Verbraucherschutzzentralen<br />
auf die Verantwortung von drei Akteuren:<br />
• Die Rolle der Politik ist es, die Rahmenbedingungen<br />
für einen vorsorgenden Verbraucherschutz zu<br />
gestalten. Hierzu gehört vor allem für ein wirksames<br />
Gleichgewicht der Interessen auf der Seite der<br />
Leistungserbringer (der Angebotsseite) und auf der<br />
Seite der Nutzer (der Nachfrager) sozialer Dienstleistungen<br />
Sorge zu tragen.<br />
• Die Rolle der Träger von Einrichtungen und Diensten<br />
ist eine wirksame Eigenkontrolle, die Sicherung<br />
der Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit, ihrer<br />
angebotenen Dienstleistungen sowie die Wahrhaf-<br />
09/2002 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 9
Stärkung der Verbraucherrechte als diakonischer Auftrag<br />
tigkeit in der Werbung für ihre Leistungen. Ihnen<br />
kommt dabei eine besondere Rolle und Verantwortung<br />
zu. Sie müssen die Wahlmöglichkeit der<br />
Nutzer durch ein diskriminierungsfreies Bereitstellen<br />
von Angeboten sicherstellen sowie durch eine<br />
faire „Preisgestaltung“.<br />
• Die Nutzer schließlich müssen erkennen, dass<br />
Rechte auch Pfl ichten einschließen, es gilt nicht nur<br />
den eigenen Vorteil zu maximieren, sondern sich<br />
bei der Nutzung von Leistungen auch über die sozialen<br />
und ökonomischen Auswirkungen der eigenen<br />
Entscheidung klar zu sein.<br />
3. Von der Zukunftsfähigkeit sozialer<br />
Dienstleistungen durch Einführung<br />
eines aktiven Beschwerdemanagements<br />
Wir haben die Notwendigkeit einer Auseinandersetzung<br />
mit Fragen des Beschwerdemanagements –<br />
insbesondere im Kontext von Diskussionen um Qualitätssicherung<br />
und -management – frühzeitig erkannt<br />
und in der Konsequenz wesentliche Impulse und Empfehlungen<br />
zur Bearbeitung des Themenkomplexes<br />
gegeben.<br />
Erste Überlegungen waren bereits im Jahr 1996 im<br />
Kontext der Umsetzung der Pfl egeversicherung erfolgt,<br />
als über die Einrichtung von Bürgerservice-Stellen –<br />
Anlaufstellen für Pfl egebedürftige und deren Angehörige<br />
mit den Funktionen Information, Beratung und<br />
Entgegennahme beziehungsweise Bearbeitung von<br />
Beschwerden – nachgedacht wurde. Damit sollte dem<br />
Interesse von Betroffenen Rechnung getragen werden,<br />
sich ohne Hürden beschweren zu können und die diakonischen<br />
Einrichtungen sollten bei der Entwicklung<br />
eines sachgerechten Beschwerdemanagements unterstützt<br />
werden.<br />
Weitere Anstöße gingen von der Diakonischen Konferenz<br />
und dem Diakonischen Rat aus. Grundsätze<br />
zur Sicherung und Verbesserung des betriebsinternen<br />
und überbetrieblichen Beschwerdemanagements in<br />
Einrichtungen der <strong>Diakonie</strong> sollten weiter bearbeitet<br />
werden. Letztendlich wurde „Beschwerdemanagement<br />
in der <strong>Diakonie</strong>“ mit der <strong>Diakonie</strong> Korrespondenz<br />
03/2001 vorgelegt.<br />
Dem Aufbau einer Beschwerdekultur in Einrichtungen<br />
und Diensten räumen wir höchste Priorität ein.<br />
Da hinter verbirgt sich die Intention, Bewusstseinsänderungen<br />
herbeizuführen und Beschwerden nicht<br />
als Kränkung, sondern als Chance und Anregung für<br />
anzugehende Veränderungen und Verbesserungen im<br />
betrieblichen Ablauf zu nutzen. Sie dienen zum einen<br />
der Entlastung von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen,<br />
zum anderen schaffen sie Transparenz für die in<br />
Einrichtungen und Diensten versorgten Personen und<br />
deren Angehörige und tragen zu qualitativen Verbesserungen<br />
in vielerlei Hinsicht bei.<br />
Ich meine, dass die Bereitschaft von Trägern und Mitarbeitern<br />
und Mitarbeiterinnen sozialer Einrichtungen<br />
und Dienste, sich der Kritik beziehungsweise den<br />
Beschwerden von Menschen, die ihre Dienstleistungen<br />
in Anspruch nehmen, zu stellen und sachgerecht<br />
zu bearbeiten, diese Einrichtungen und Dienste auszeichnet.<br />
Durch den offenen Umgang mit Kritik und<br />
Beschwerden sowie möglichen Fehlern leben die Einrichtungsleitung<br />
und ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen<br />
ein Verhalten vor, welches konstruktiven<br />
Um gang mit den geäußerten Beschwerden demonstriert<br />
und somit auch als Vorbild dient. Die positiven<br />
Folgen für Nutzer, ihre Angehörigen und Freunde,<br />
aber auch für die Mitarbeitenden sind die gemeinsame<br />
Arbeit an einer Verbesserung der Dienstleistungsqualität<br />
und somit auch der Atmosphäre einer Einrichtung<br />
sowie eine Steigerung der Zufriedenheit.<br />
Systematisches Beschwerdemanagement - verstanden<br />
als Teil der Qualitätsentwicklung - in sozialen kirchlich-diakonischen<br />
Einrichtungen und Diensten stärkt<br />
die Position der <strong>Diakonie</strong> im Wettbewerb der Leistungsanbieter<br />
und in der aktuellen politischen und<br />
öffentlichen Auseinandersetzung.<br />
Die Zeit des stillschweigenden Vertrauens der Mehrheit<br />
der Bürgerinnen und Bürger gehen für Kirche und<br />
<strong>Diakonie</strong> dem Ende zu. Heute wollen die Menschen<br />
genauer wissen, was in einem Kindergarten passiert<br />
und wie ihre Eltern im Pfl egeheim untergebracht sind.<br />
Sie wollen informiert werden – und sie bringen ihre<br />
Fragen, Anregungen und Beschwerden ein.<br />
Ihr Vertrauen in diakonische Einrichtungen muss,<br />
wenn nicht gewonnen, so doch bestätigt werden durch<br />
gute Arbeit und einen sorgfältigen und achtsamen<br />
Umgang mit ihren Beschwerden. Aus dem stillschweigenden<br />
Vertrauen muss also ein im Dialog begrün-<br />
10 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 09/2002
Stärkung der Verbraucherrechte als diakonischer Auftrag<br />
detes Vertrauen werden – und ein wichtiger Baustein<br />
für dieses Vertrauen im Dialog ist das Beschwerdemanagement.<br />
Im Beschwerdemanagement geht es nicht darum,<br />
Beschwerden zu beschwichtigen oder aus der Welt zu<br />
schaffen, sondern Beschwerden anzuregen. Denn mit<br />
der Beschwerde treten die Menschen in den Dialog<br />
mit uns ein. Es liegt im Interesse der Einrichtungen,<br />
dass dieser Dialog geführt wird – und nicht sofort<br />
wieder abgebrochen wird. Für den Dialog ist wichtig,<br />
dass die Menschen mit ihrem subjektiven Unbehagen<br />
und Unrechtsempfi nden ernst genommen werden.<br />
Beschwerdemanagement besteht also nicht nur darin,<br />
einer Beschwerde mit aller Fachkompetenz nachzugehen,<br />
sondern mit den Menschen im Gespräch zu bleiben,<br />
auch dann wenn ihre Bedürfnisse nicht befriedigt<br />
werden (können). Dass wir Menschen in ihren Bedürfnissen<br />
nicht entsprechen, kann ganz unterschiedliche<br />
Gründe haben: fachliche Gründe, Gewohnheiten, ökonomische<br />
Zwänge, Verwaltungsstrukturen etc. Manche<br />
dieser Gründe sind gut – und das subjektive Unrechtsempfi<br />
nden der Betroffenen ist nicht nachvollziehbar.<br />
Aber viele dieser Gründe sind fragwürdig und wir<br />
müssen uns fragen lassen, wenn wir an einem Vertrauen<br />
im Dialog bauen wollen. Deshalb müssen wir<br />
das, was Jesus uns in seinem Gleichnis sagt, nicht<br />
nur für das Gebet, sondern auch für die Praxis in unseren<br />
Einrichtungen gelten lassen: Hier können Sie sich<br />
beschweren!<br />
Ich habe meinen Beitrag mit einer Geschichte über<br />
den Sinn des Beschwerens aus Lukas 18, Verse 2 bis<br />
7, begonnen. Damit wollte ich auch zum Ausdruck<br />
bringen, dass kirchliches und diakonisches Handeln<br />
Gottes Wort und Jesu Handeln zur Grundlage hat.<br />
Beschwerdemanagement ist somit nach meinem Verständnis<br />
die zeitgerechte Form, unseren diakonischen<br />
Auftrag zum Schutz der Würde jedes Menschen zu<br />
achten. Dies beinhaltet selbstverständlich seine Klagen,<br />
seine Beschwernisse, seine Nöte, seine kritisch en<br />
Rückmeldungen wahr- und ernst zu nehmen. Wir<br />
haben in unserem Leitbildprozess in der These sechs<br />
formuliert: „Wir sind dort, wo uns Menschen brauchen.”<br />
In einem Umsetzungsprozess des Leitbildes<br />
<strong>Diakonie</strong> für die Hauptgeschäftsstelle, bei der hierarchieübergreifend<br />
alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />
einbezogen waren, haben wir für unser Haus – so<br />
zusagen als Profi lgestalt dieser These sechs – unter<br />
anderem formuliert:<br />
„Wir sind froh, einer weit verzweigten und vielfältigen<br />
Organisation anzugehören, die Menschen weltweit in<br />
ihren Lebensbezügen aufsucht und erreicht. Wir stärken<br />
das Verantwortungsbewusstsein für gemeinsame<br />
Zielsetzungen und Absprachen innerhalb der <strong>Diakonie</strong><br />
und sorgen für deren Umsetzung.<br />
Wir wollen in der täglichen Arbeit nicht den Verband,<br />
sondern den Menschen in den Mittelpunkt stellen.”<br />
09/2002 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 11
Konstruktives Beschwerdemanagement in der Altenhilfe<br />
Gerhard Tinnefeld:<br />
Konstruktives Beschwerdemanagement in der Altenhilfe –<br />
allgemeine Grundlagen, praktischer Nutzen und Herausforderungen<br />
für Mitarbeiter, Mitarbeiterinnen und Leitungskräfte<br />
Gerhard Tinnefeldt ist Organisationspsychologe und<br />
arbeitet seit ca. zehn Jahren als freier Berater schwerpunktmäßig<br />
im Bereich der Altenhilfe. Dabei kooperiert<br />
er im Rahmen der „Arbeitsgemeinschaft zur<br />
Bera tung von Diensten und Einrichtungen in der Altenhilfe”<br />
mit anderen Büros, die die Bereiche Organisation,<br />
Hauswirtschaft und Architektur abdecken. Seine<br />
Schwerpunktthemen liegen in den Bereichen Personalführung<br />
und Qualitätssicherung.<br />
1. Eine Blitzkarriere – vom Unwort<br />
zum Fachbegriff<br />
Zusammen mit meiner Kollegin Frau Ursula Mybes<br />
aus unserer Arbeitsgemeinschaft und dem Deutschen<br />
Evangelischen Verband für Altenarbeit und ambulante<br />
pfl egerische Dienste e.V. (DEVAP) habe ich mich<br />
bereits Ende 1999/Anfang 2000 in mehreren Veranstaltungen<br />
sehr grundlegend mit dem Thema „Beschwerdemanagement<br />
in der Altenhilfe” auseinander<br />
gesetzt.<br />
Das Interesse an dieser sperrigen Thematik war<br />
aufgrund der damaligen negativen Medienberichterstattung<br />
über die Altenhilfe und die sich abzeichnende<br />
Verschärfung der gesetzlichen Maßnahmen zum<br />
Schutz der Bewohnerinnen und Bewohner außerordentlich<br />
groß. Gleichzeitig löste allein der Begriff<br />
schon spürbares Unbehagen aus, das regelmäßig in<br />
der Frage seinen Ausdruck fand, ob sich für das<br />
ganze Thema nicht eine freundlichere Bezeichnung<br />
fi nden lasse, allein schon deshalb, um es dann leichter<br />
den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern präsentieren zu<br />
können. Da es aber an konstruktiven Gegenvorschlägen<br />
mangelte, blieb es bei dem nicht besonders sympathischen<br />
Begriff.<br />
Doch nicht nur der Begriff irritierte, die Skepsis<br />
gegenüber einer regelhaften Beschwerdebearbeitung<br />
wurde durch mangelnde Praxiserfahrungen verstärkt.<br />
Denn unabhängig davon, wie plausibel und begründet<br />
den meisten Teilnehmerinnen und Teilnehmern die<br />
Maßnahmen zum internen Beschwerdemanagement<br />
erschienen, es wurde immer wieder nach Einrichtungen<br />
gefragt, in denen die vorgeschlagenen Maßnahmen<br />
bereits realisiert würden. Es gab aber so gut wie<br />
keine Präzedenzfälle für ein internes Beschwerdemanagement<br />
in der Altenhilfe, es war schlicht Neuland.<br />
Um dieses Praxisdefi zit abzubauen, unterstützt die<br />
Robert Bosch Stiftung ein zweijähriges Pilotprojekt,<br />
in dessen Rahmen drei Heime ein umfassendes Be -<br />
schwerdemanagement einführen.<br />
Seit den ersten intensiven Diskussionen über das<br />
Thema „Beschwerdemanagement in der Altenhilfe”<br />
sind nun etwas mehr als zweieinhalb Jahre ins Land<br />
gegangen. Aus dem Unwort wurde ein gängiger Fachbegriff,<br />
der den meisten mittlerweile leicht über die<br />
Lippen geht. Jedoch sagt die Tatsache, dass der Begriff<br />
inzwischen in den allgemeinen Fachjargon übergegangen<br />
ist und in vielen Fort- und Weiterbildungsprogrammen<br />
als Standardangebot auftaucht, wenig oder<br />
gar nichts über die tatsächliche Umsetzung von systematischen<br />
Ansätzen zum Beschwerdemanagement in<br />
der Praxis aus.<br />
Die Umsetzung in der Praxis dauert immer wesentlich<br />
länger als die Meinungsbildung in der Fachöffentlichkeit.<br />
Letztere ist häufi g bereits abgeschlossen und<br />
hat sich neuen Themen zugewandt, wenn die ersten<br />
praktischen Erfahrungen zu ehemals heftig diskutierten<br />
Ansätzen vorliegen.<br />
Deshalb glaube ich, wäre es ein Fehler, das Beschwerdemanagement<br />
aus dem Blickfeld zu verlieren, nur<br />
weil es nach einer Blitzkarriere als schillernder Modebegriff<br />
seinen Zenit in der Fachdiskussion überschritten<br />
hat. Ich halte im Gegenteil den Zeitpunkt für genau<br />
richtig, um auf der Grundlage der vorliegenden Erfahrungen<br />
den Stellenwert des Beschwerdemanagements<br />
im Rahmen der Qualitätssicherung zu überprüfen und<br />
12 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 09/2002
Konstruktives Beschwerdemanagement in der Altenhilfe<br />
die beiden grundlegenden Fragen des Qualitätsmanagements<br />
zu stellen: „Mache ich das Richtige?”<br />
und: „Mache ich es richtig?” Oder um es konkreter zu<br />
formulieren:<br />
– Handelt es sich beim Umgang mit Beschwerden im<br />
Rahmen sozialer Dienstleistungen um einen Kernprozess<br />
der Leistungserstellung?<br />
Und wenn ja:<br />
– Wie gestalte ich den Prozess der Beschwerdebearbeitung<br />
möglichst effektiv und effi zient?<br />
Die erste Frage möchte ich sofort beantworten. Zu<br />
Beginn meiner Auseinandersetzung mit dem Thema<br />
Beschwerden habe ich es immer als Splitter eines<br />
umfassenden Qualitätsmanagements erlebt und auch<br />
so bezeichnet. Nach den bisherigen Erfahrungen im<br />
Rahmen des Robert Bosch Projektes bedarf diese<br />
Einschätzung doch einer Korrektur: Die Auseinandersetzung<br />
mit Beschwerden ist sicher mehr als ein<br />
Randaspekt. Zumindest handelt es sich um einen<br />
exemplarischen Prozess, der sich strikt und nachvollziehbar<br />
an den wesentlichen Forderungen der aktuellen<br />
Qualitätsdiskussion orientiert, indem er<br />
– das Prinzip der Prozessverantwortung für die Mitarbeiter<br />
und Mitarbeiterinnen greifbar macht,<br />
– Bearbeitungsabläufe schnittstellenübergreifend optimiert<br />
und darüber hinaus<br />
– qualitätsrelevante Informationen für die ständige<br />
Weiterentwicklung der eigenen Angebote liefert.<br />
2. Grundlagen des Beschwerdemanagements<br />
Nun zu den grundsätzlichen Überlegungen des Be -<br />
schwer demanagements:<br />
2.1 Ebenen der Beschwerdebearbeitung<br />
Die Bearbeitung von Beschwerden vollzieht sich auf<br />
drei unterschiedlichen Ebenen.<br />
Abgestufte Inanspruchnahme von Beschwerdeebenen<br />
siehe 1 Abbildung Seite 21<br />
Beschwerden können gegenüber Mitarbeitenden vor<br />
Ort geäußert werden, sie können über den Dienstweg<br />
an die Vorgesetzten weitergereicht werden oder sie<br />
können, wenn vorhanden, den Beschwerdestellen der<br />
Einrichtungen beziehungsweise des Trägers oder externen<br />
Beschwerdestellen beziehungsweise Ombudsmännern<br />
vorgelegt werden.<br />
Entscheidend ist, dass die Beschwerdehäufi gkeit von<br />
der untersten zur obersten Ebene abnimmt. Die eindeutig<br />
meisten Beschwerden erreichen die Mitarbeiter<br />
und Mitarbeiterinnen unmittelbar vor Ort, und<br />
nur ganz wenige gelangen zu Beschwerdestellen oder<br />
Ombudsleuten. Grundsätzlich sind diese Ebenen der<br />
Beschwerdebearbeitung miteinander kompatibel und<br />
ergänzen sich. Der von mir vorgestellte Ansatz konzentriert<br />
sich aber vor allem auf die Mitarbeiterebene,<br />
weil an dieser Stelle die meisten Beschwerden anfallen<br />
und sich damit zwangsläufi g auch die größten<br />
Optimierungspotenziale erschließen lassen.<br />
Ein weiteres Argument für diesen Ansatz liefert seine<br />
Unmittelbarkeit: Zeitnahe Beschwerdebearbeitungen<br />
vor Ort verlaufen in der Regel wesentlich unaufwendiger<br />
und befriedigender als Bearbeitungen auf den<br />
anderen Ebenen.<br />
2.2 Das Prozessmodell des Beschwerdemanagements<br />
in drei Schritten<br />
Damit das Beschwerdemanagement auf dieser Ebene<br />
greift, kann es sich nicht allein darauf beschränken,<br />
die Beschwerdebearbeitung effektiver zu gestalten, um<br />
die Zufriedenheit der Beschwerdeführer wiederherzustellen.<br />
Es muss auch den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen<br />
Hilfestellungen und Handlungssicherheit<br />
bieten, um ihnen den oft schwierigen Umgang mit<br />
Beschwerden zu erleichtern.<br />
Beschwerdemanangement in drei Schritten: Das<br />
Prozessmodell<br />
siehe Abbildung 2 Seite 22<br />
Das Prozessmodell des Beschwerdemanagements und<br />
jeder der drei Einzelschritte berücksichtigt diese beiden<br />
Zielgrößen, also die Zufriedenheit der Beschwerdeführer<br />
und die Handlungssicherheit der Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter, auch wenn letztlich das entscheidende<br />
Kriterium die Zufriedenheit und das Vertrauen<br />
der Bewohnerinnen und Bewohner und ihrer Angehörigen<br />
bleiben muss.<br />
09/2002 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 13
Konstruktives Beschwerdemanagement in der Altenhilfe<br />
Die Schritte Beschwerdestimulierung, Beschwerdeannahme,<br />
-bearbeitung und -reaktion sowie Beschwerdeauswertung<br />
liefern dabei den groben Bauplan für<br />
den Aufbau des Beschwerdemanagements; die Umsetzung<br />
erfolgt durch konkrete Maßnahmen und Verfahren.<br />
Beim letzten Schritt, der Beschwerdeauswertung,<br />
unterscheiden wir auf der einen Seite zwischen Informationen,<br />
die Hinweise geben auf das Funktionieren<br />
des Beschwerdebearbeitungsprozesses selbst, also belegen,<br />
ob tatsächlich die Beschwerdestimulierung noch<br />
aktiv betrieben wird, und andererseits den Informationen,<br />
die auf die Ergebnisqualität hinweisen.<br />
Hinweise zur Ergebnisqualität liefern logischerweise<br />
die Beschwerden, die häufi ger auftauchen oder immer<br />
wieder den gleichen Leistungsbereich betreffen, die<br />
also Schwachstellen – und damit Verbesserungspotenziale<br />
– im Prozess der Leistungserstellung aufdecken.<br />
Ich möchte die einzelnen Maßnahmen im Rahmen der<br />
drei Schritte zwar vollständig aber ohne detaillierte<br />
Erläuterungen vorstellen.<br />
Beschwerdestimulierung<br />
Zielsetzung des ersten Schrittes, der Beschwerdestimulierung,<br />
ist es, generell die Beschwerdebereitschaft<br />
zu fördern und Hemmschwellen abzubauen, damit<br />
Beschwerden zeitnah und ohne emotionalen Überdruck<br />
geäußert werden können. Es muss deutlich<br />
werden, dass Beschwerden nicht nur erlaubt, sondern<br />
erwünscht sind.<br />
Diese Zielbestimmung ist allgemein gültig, die folgenden<br />
konkretisierenden Maßnahmen orientieren sich<br />
an den Gegebenheiten der stationären Altenhilfe, sie<br />
können und sollen auf jeden Fall branchenspezifi sch<br />
modifi ziert werden.<br />
Maßnahmen zur Beschwerdestimulierung<br />
siehe Abbildung 3 Seite 22<br />
Vorstellung der Einrichtung<br />
Die beteiligten Einrichtungen, ihre Arbeitsbereiche<br />
und ihre einzelnen Mitarbeitenden stellen sich unaufgefordert<br />
vor, um für potenzielle Beschwerdeführer<br />
leichter ansprechbar zu sein. Im Eingangsbereich<br />
werden Groborganigramme ausgehängt, die die Einrichtung<br />
im Überblick zeigen. Die Bezeichnung der<br />
Leitungsstellen und die Namen der Leitungsstellen-<br />
inhaberinnen und Leitungstelleninhaber erleichtern<br />
Besuchern die Orientierung und helfen ihnen, bei<br />
Bedarf den richtigen Ansprechpartner zu fi nden.<br />
Das Gleiche gilt für die einzelnen Arbeitsbereiche,<br />
in denen ebenfalls an zentraler Stelle Detailorganigramme<br />
mit den Namen aller zurzeit beschäftigten<br />
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter platziert werden. Die<br />
Organigramme werden alle zwei Monate aktualisiert.<br />
Darüber hinaus tragen alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />
Namensschilder mit neutraler Tätigkeitsbezeichnung.<br />
Information der Bewohnerinnen und Bewohner<br />
und ihrer Angehörigen zum Beschwerderecht und<br />
Ermutigung zum offenen Umgang mit Beschwerden<br />
In den Heimverträgen wird ausdrücklich der Hinweis<br />
auf das Beschwerderecht aufgenommen, und es werden<br />
externe Ansprechpartner für Beschwerden benannt.<br />
Schließlich werden alle Bewohnerinnen und Bewohner<br />
und ihre Angehörigen über die Einführung des<br />
Beschwerdemanagements informiert und zur Äußerung<br />
von Beschwerden ausdrücklich ermutigt.<br />
Ansprache auf die Zufriedenheit mit den angebotenen<br />
Leistungen<br />
Mit einzelnen neuen Bewohnerinnen und Bewohnern<br />
oder deren Angehörigen werden regelmäßig ausführliche<br />
Bilanzgespräche über ihre Zufriedenheit mit<br />
den angebotenen Leistungen geführt. Für die Gespräche<br />
liegt ein Leitfaden vor, der eine systematische<br />
Gesprächsauswertung ermöglicht.<br />
Darüber hinaus werden regelmäßig in unterschiedlicher<br />
Form schriftliche Befragungen durchgeführt:<br />
Entweder als umfangreiche Fragebogenaktion oder,<br />
weniger aufwendig, im Rahmen des jährlichen Weihnachtsgrußes,<br />
dem eine Rückantwortkarte mit drei<br />
bis fünf Kernfragen zur wahrgenommenen Praxis der<br />
Beschwerdebearbeitung beigelegt wird.<br />
Maßnahmen Beschwerdeannahme, -bearbeitung<br />
und -reaktion<br />
siehe Abbildung 4 Seite 23<br />
Beschwerdeannahme, -bearbeitung und -reaktion<br />
Die Maßnahmen zur Beschwerdeannahme, -bearbeitung<br />
und -reaktion zielen auf eine verbindliche<br />
Beschwerdebearbeitung ab und sollen sicherstellen,<br />
14 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 09/2002
Konstruktives Beschwerdemanagement in der Altenhilfe<br />
dass die Beschwerdeführer und ihre Anliegen ernst<br />
genommen werden. Es soll verhindert werden, dass<br />
Beschwerden vergessen, nur diskutiert oder einfach<br />
weiterdelegiert werden.<br />
Um dies zu erreichen, werden folgende Maßnahmen<br />
vereinbart:<br />
Verpfl ichtung des größten Teils der Mitarbeiterschaft<br />
auf die Aufgaben und Verantwortlichkeiten eines<br />
Beschwerdeempfängers.<br />
Die Kernaufgabe eines Beschwerdeempfängers besteht<br />
dabei darin, auch dann für Beschwerden ansprechbar<br />
zu sein, wenn sie ihn oder seinen Arbeitsbereich nicht<br />
unmittelbar betreffen. Er verweist den Beschwerdeführer<br />
nicht weiter; sondern nimmt sich der Beschwerde<br />
an, versucht sie im Haus zu klären, und bleibt – bis auf<br />
genau defi nierte Ausnahmen – während des gesamten<br />
Prozesses der Beschwerdebearbeitung Ansprechpartner<br />
für den Beschwerdeführer.<br />
Fomulierung von Regeln für die innerbetriebliche<br />
Beschwerdebearbeitung<br />
Der Beschwerdeempfänger ist verpfl ichtet, dem Beschwerdeführer<br />
unabhängig vom Bearbeitungsstand<br />
im Rahmen einer festgesetzten Frist – in der Regel<br />
vier Kalendertage – eine Rückmeldung zu geben.<br />
Jeder Beschwerdeempfänger kann andere Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter, also auch Kolleginnen und<br />
Kollegen aus anderen Fachbereichen oder Vorgesetzte<br />
mit der Beschwerdebearbeitung beauftragen, wenn<br />
er selbst fachlich, zeitlich oder aus Gründen eingeschränkter<br />
Kompetenz nicht dazu in der Lage ist.<br />
Diese Beschwerdebearbeiter sind ebenfalls an Rückmeldefristen<br />
gebunden. Sie betragen in der Regel<br />
sieben Kalendertage. Ist dieser Bearbeitungszeitraum<br />
überschritten, wird die Beschwerde automatisch an<br />
die vorgesetzte Stelle des Beschwerdebearbeiters weitergereicht.<br />
Das Beschwerdemanagement setzt damit auf den<br />
kurzen Dienstweg und weist den Vorgesetzten bei der<br />
Beschwerdebearbeitung ausdrücklich eine nachrangige<br />
Rolle zu; Vorgesetzte greifen in der Regel erst<br />
nach Ablauf der internen Bearbeitungsfristen in den<br />
Prozess ein.<br />
Einführung von standardisierten Beschwerdeformularen<br />
und Dokumentationspfl icht<br />
Es sollen allerdings nur Beschwerden oder Anfragen,<br />
die nicht sofort gelöst werden können, oder Folgebeschwerden<br />
von den Beschwerdeempfängern<br />
dokumentiert werden. Die standardisierten Beschwerdeformulare<br />
sind als Schnelltrennsatz mit drei Blättern<br />
angelegt. Mithilfe der Durchschläge informiert<br />
der Beschwerdeempfänger die Beschwerdebearbeiter<br />
und erhält von ihnen Rückmeldung über die getroffenen<br />
Maßnahmen.<br />
Diese Form, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus<br />
anderen Bereichen bei der Bearbeitung von Beschwerden<br />
um Hilfe zu bitten, ist sehr effektiv. Statt im<br />
Haus herumzulaufen oder herumzutelefonieren, legt<br />
der Beschwerdeempfänger dem möglichen Beschwerdebearbeiter<br />
den Durchschlag ins Fach und erhält auf<br />
die gleiche Art und Weise eine Rückmeldung.<br />
Es wurde vorgeschlagen auf den „Papierkram” mit<br />
den Durchschlägen zu verzichten, weil er die Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter abschrecke. Um es vorwegzunehmen:<br />
In den Trainings erholen sich die<br />
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter relativ schnell von<br />
dem Schreck, wenn man ihnen Sinn und Zweck der<br />
Durchschläge erklärt. Denn gerade die Misserfolge<br />
bei schnittstellenübergreifenden Problembearbeitungen<br />
frustrieren die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.<br />
Deshalb erkennen sie unmittelbar nach der ersten<br />
Schrecksekunde die Chancen, die die Durchschläge<br />
für die Verbesserung der innerbetrieblichen Zusammenarbeit<br />
bieten.<br />
Beschwerdeformulare ohne Durchschläge bleiben<br />
Selbstzweck, reine Dokumentationsinstrumente ohne<br />
Hilfsmittelcharakter. Sie haben damit genau die Akzeptanzprobleme<br />
bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern,<br />
die man gemäß dem - in diesem Fall zu<br />
undifferenzierten - Motto: „Je weniger Papier, desto<br />
besser!” zu vermeiden suchte.<br />
Formulierung von praktischen Verhaltensempfehlungen<br />
Zum Abschluss der Maßnahmen zur Beschwerdeannahme,<br />
-bearbeitung und -reaktion werden eine<br />
Reihe von Verhaltensempfehlungen vereinbart, die<br />
den Beschwerdeempfängern beim Umgang mit besonders<br />
kritischen Beschwerden oder bei Gesprächen mit<br />
Beschwerdeführern mehr Handlungssicherheit geben.<br />
Rückblickend lässt sich sagen, dass der Punkt Beschwerdeformulare<br />
sowohl den größten Widerspruch<br />
als auch die heftigsten Aktivitäten ausgelöst hat. Einige<br />
09/2002 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 15
Konstruktives Beschwerdemanagement in der Altenhilfe<br />
erklärten ausdrücklich, auf jede Form der Dokumentation<br />
verzichten zu wollen, fanden aber zum Beispiel<br />
die Einführung von Namensschildern zumutbar und<br />
sinnvoll, andere reduzierten das Thema „Beschwerdemanagement”<br />
allein auf die Frage der Dokumentation.<br />
Letztere setzten sich an den PC, entwarfen<br />
Beschwerdeformulare - in der Regel natürlich ohne<br />
Durchschläge und verteilten sie in den Bereichen - in<br />
der Regel ohne Resonanz beziehungsweise nennenswerten<br />
Rücklauf.<br />
Die Dokumentation von Beschwerden wird nur dann<br />
funktionieren und auf Akzeptanz stoßen, wenn sie<br />
als ein sinnvoller und notwendiger Bestandteil eines<br />
umfassenden Maßnahmenpakets erlebt werden kann.<br />
Prozessverantwortung des Beschwerdeempfängers<br />
siehe Abbildung 5 Seite 23<br />
Die Logik des Beschwerdemanagements insgesamt<br />
erschließt sich vielleicht am besten, wenn man den<br />
Beschwerdeempfänger als Prozessverantwortlichen<br />
darstellt, als Dreh- und Angelpunkt zwischen internem<br />
Abstimmungsbedarf und dem Informationsbedürfnis<br />
des Beschwerdeführers.<br />
Beide Elemente einer erfolgreichen Beschwerdebearbeitung<br />
– die externe Information und die interne<br />
Koordination – werden durch die vereinbarten Fristen<br />
sichergestellt. Der Beschwerdeempfänger verpfl ichtet<br />
sich dem Beschwerdeführer gegenüber zur Rückmeldung;<br />
der Beschwerdebearbeiter ist gegenüber dem<br />
Beschwerdeempfänger in der Bringpfl icht.<br />
Auf diese Weise wird verhindert, dass die Beschwerdebearbeitung,<br />
wie so oft, auf halber Strecke abbricht<br />
und dann als Folgebeschwerde zwei Wochen später –<br />
dann sicher aber unter ungünstigeren Voraussetzungen<br />
– wieder neu angegangen werden muss.<br />
Bei ungeregelten, nur intuitiven Beschwerdebearbeitungen<br />
gelingt diese Koordination der nötigen Teilprozesse<br />
zu selten. Typischerweise scheitern oft Versuche,<br />
Kollegen als Beschwerdebearbeiter einzubinden oder<br />
es wird regelmäßig vergessen, die Beschwerdeführer<br />
auf dem Laufenden zu halten und die Bearbeitungsergebnisse<br />
zeitnah rückzumelden.<br />
3. Beschwerdemanagement in der<br />
praktischen Umsetzung<br />
Die praktische Umsetzung der vorgestellten Maßnahmen<br />
erfolgt in den am Projekt beteiligten Heimen in<br />
vier Phasen:<br />
Einführung des Beschwerdemanangements -<br />
Projektablauf Heim C<br />
siehe Abbildung 6 Seite 24<br />
In der ersten Phase wird im Rahmen von Arbeitsgruppen<br />
das „Handbuch zum Beschwerdemanagement”<br />
erarbeitet beziehungsweise an die spezifi schen Gegebenheiten<br />
der einzelnen Einrichtungen angepasst. An<br />
den Arbeitsgruppen sind Leitungsverantwortliche aus<br />
allen Bereichen beziehungsweise Teilbereichen der<br />
Einrichtungen sowie ein Vertreter oder eine Vertreterin<br />
der Mitarbeitervertretung (MAV) beteiligt.<br />
Die zweite Phase beginnt mir einer Mitarbeiterversammlung,<br />
auf der das Beschwerdemanagement und<br />
der Projektablauf in Grundzügen präsentiert werden.<br />
So zeitnah wie möglich folgt das erste Mitarbeitertraining,<br />
in dem die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />
anhand des Handbuchs mit den Maßnahmen des<br />
Beschwerdemanagements vertraut gemacht werden.<br />
Entsprechend dem Grundsatz, dass der Umgang mit<br />
Beschwerden keine Spezialistenaufgabe ist, wird konsequent<br />
versucht, das Beschwerdemanagement auf<br />
eine möglichst breite Basis zu stellen. Je nach Größe<br />
der Einrichtung werden etwa fünfunddreißig bis fünfzig<br />
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Kleingruppen<br />
geschult. Die Vertiefungstrainings, in denen auch<br />
die ersten Erfahrungen ausgetauscht werden können,<br />
folgen nach ca. drei bis sechs Wochen.<br />
In der anschließenden dritten Phase werden die<br />
dokumentierten Beschwerden gesammelt, die ersten<br />
Beschwerden ausgewertet und im Rahmen der Arbeitsgruppe<br />
Fallbesprechungen durchgeführt. Nach den<br />
bisherigen Erfahrungen erscheint es sinnvoll, dreimal<br />
im Jahr die Beschwerdeauswertung im Rahmen verlängerter<br />
Dienstbesprechungen auf die Tagesordnung<br />
zu setzen.<br />
Zum Abschluss dieser Phase werden die Bewohnerinnen<br />
und Bewohner und deren Angehörige in einem<br />
persönlichen Brief über die getroffenen Vereinbarungen<br />
und Regelungen zum Beschwerdemanagement<br />
informiert.<br />
16 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 09/2002
Konstruktives Beschwerdemanagement in der Altenhilfe<br />
In der vierten und letzten Phase, die zurzeit läuft und<br />
mit Ablauf des Projektes im Frühjahr 2002 endet, wird<br />
das Handbuch überarbeitet und die Beschwerdeauswertung<br />
sukzessive verbessert.<br />
Natürlich beschreibt dieser Zeitverlauf ein Modellprojekt,<br />
das sich auf Neuland begibt. Der Zeitaufwand<br />
lässt sich straffen, aber – um keine Fantasien aufkommen<br />
zu lassen – halbieren lässt er sich nicht, dazu sind<br />
die Prozesse innerhalb der an dem Projekt beteiligten<br />
Einrichtungen zu zielstrebig gelaufen. Man wird in der<br />
Regel immer zwischen drei viertel und einem Jahr mit<br />
dieser Aufgabe beschäftigt sein, wenn man es wirklich<br />
ernst meint. Und nur das macht Sinn.<br />
Insofern habe ich meine großen Zweifel, ob sich<br />
ein funktionierendes Beschwerdemanagement auf eine<br />
Verfahrensanweisung im Rahmen eines Qualitätshandbuches<br />
reduzieren lässt. Es ist ein Prozess, der Ressourcen<br />
kostet und der Prioritäten setzt und nicht<br />
nebenher erfolgreich umgesetzt werden kann.<br />
3.1 Mitarbeitertrainings und Akzeptanz des<br />
Beschwerdemanagements<br />
Bei den Einführungstrainings war meist der erste Punkt<br />
„Programmvorstellung und Klärung der Teilnehmererwartungen”<br />
der schwierigste und der letzte „Umgang<br />
mit den Beschwerdeformularen” der unproblematischs -<br />
te.<br />
Bei der Klärung der Teilnehmererwartungen tauchten<br />
regelmäßig Befürchtungen und Missverständnisse auf,<br />
die zuerst abgearbeitet werden mussten, bevor man<br />
sich dem eigentlichen Thema zuwenden konnte. So<br />
war es nicht selten, dass – auch wenn es ausdrücklich<br />
im Vorfeld anders angekündigt war – Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter das Stichwort „Beschwerdemanagement”<br />
als Gelegenheit oder Aufforderung missverstanden,<br />
eigene Beschwerden über die Einrichtung zu<br />
äußern. In diesen Fällen war es wirklich manchmal<br />
recht mühsam, in der relativ knappen Zeit die Veranstaltung<br />
wieder auf Kurs zu bringen.<br />
Um es klar zu sagen: Internes Beschwerdemanagement<br />
öffnet die innerbetrieblichen Kommunikationskanäle<br />
für Bewohnerinnen und Bewohner, ihre Angehörigen<br />
oder Besucher der Einrichtung. Die Kommunikationsmöglichkeiten<br />
für Anliegen der Mitarbeiterinnen und<br />
Mitarbeiter sind dagegen seit jeher gegeben. Schließlich<br />
kennen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre<br />
zuständigen Ansprechpartner, ihre Vorgesetzten und<br />
die MAV, und sie haben die Möglichkeit, sich im<br />
Rahmen des Besprechungssystems zu äußern, oder –<br />
soweit vorhanden – das innerbetriebliche Vorschlagswesen<br />
zu nutzen.<br />
Unproblematisch war dagegen der letzte Teil des Trainings,<br />
die Konfrontation der Mitarbeiterinnen und<br />
Mitarbeiter mit den Beschwerdeformularen: Bei den<br />
Übungen mit den Formularen waren die Teilnehmerinnen<br />
und Teilnehmer in der Regel voll bei der Sache.<br />
Sie vertieften sich in die Formulare, strichen durch,<br />
fragten nach einem neuen Blankoformular, tauschten<br />
sich untereinander aus, stellten Verständnisfragen und<br />
waren manchmal ratlos. Mit anderen Worten: Natürlich<br />
stellt die Auseinandersetzung mit dem Regelwerk<br />
des Beschwerdemanagements und den Formularen in<br />
gewisser Weise eine Zumutung für die Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter dar, aber man kann ihr Interesse<br />
wecken und Verständnis und Akzeptanz für diese<br />
Maßnahmen herstellen – man kann sie nur nicht voraussetzen.<br />
Für diese grundlegende Akzeptanz, die zum Ende der<br />
ersten Trainings hergestellt werden konnte, sind aus<br />
meiner Sicht unter anderem drei Punkte ausschlaggebend:<br />
• Die Regelungen des Beschwerdemanagements<br />
werden konsequent aus der Sicht der Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter dargestellt und entwickelt.<br />
Es wird pragmatisch argumentiert und nicht appelliert.<br />
• Neben dieser Form der Darstellung spielt es eine<br />
große Rolle, dass das Beschwerdemanagement als<br />
ein Maßnahmenbündel erkannt wird, das nicht nur<br />
einseitig die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in die<br />
Pfl icht nimmt. Mit der Erstellung und Verteilung<br />
der Namensschilder beziehungsweise der Organigramme<br />
sind ihre Vorgesetzen für sie erkennbar in<br />
Vorleistung gegangen.<br />
• Ebenfalls überzeugend wirkte die klare und stringente<br />
Choreographie des Projektablaufs. Alle vereinbarten<br />
Termine waren den Mitarbeitern vorher<br />
bekannt und wurden konsequent eingehalten. Dies<br />
zeigt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unmissverständlich,<br />
dass das Thema ernst zu nehmen ist<br />
und die Leitungsebene des Heimes hinter dem<br />
Beschwerdemanagement steht.<br />
09/2002 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 17
Konstruktives Beschwerdemanagement in der Altenhilfe<br />
Möglicherweise sind die geschilderten Eindrücke von<br />
den Trainings zu subjektiv, oder sie sind das Ergebnis<br />
einer Positivauswahl der an dem Projekt beteiligten<br />
Häuser oder nur überschätzte Kurzzeiteffekte. Zu den<br />
ersten zwei möglichen Erklärungen kann ich letztlich<br />
wenig sagen, zum Punkt Kurzzeiteffekt schon, denn<br />
dieser lässt sich anhand der Beschwerdeauswertungen<br />
leicht überprüfen.<br />
3.2 Beschwerdeauswertungen<br />
Eine erste interessante Frage lautet natürlich: Lassen<br />
sich die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in der Praxis<br />
auf die Dokumentation der Beschwerden ein?<br />
Die Antwort liefert die Auszählung der bearbeiteten<br />
Formulare in den drei an dem Projekt beteiligten<br />
Heimen.<br />
Monatliche Häufi gkeit der dokumentierten Be -<br />
schwerdevorgänge<br />
siehe Abbildung 7 Seite 24<br />
Die Abbildung zeigt die monatliche Zahl der bearbeiteten<br />
Beschwerdeformulare in den drei Einrichtungen.<br />
Dabei liegt der Startpunkt bei den Heimen A und B<br />
im November des Jahres 2000, der Startpunkt zum<br />
Beschwerdemanagement in Heim C im Februar 2001.<br />
Was aus der Statistik nicht deutlich wird ist, dass in<br />
einem Beschwerdeformular natürlich oft mehr als nur<br />
eine einzige Beschwerde erfasst wird. So beklagt zum<br />
Beispiel eine Angehörige, dass erstens der Rasierapparat<br />
des Bewohners vollkommen verschmutzt und<br />
damit nur eingeschränkt funktionstüchtig ist, zweitens<br />
dass das Gleiche für das Hörgerät gilt und dass drittens<br />
der Gehörgang des Bewohners beim Hals-Nasen-<br />
Ohren-Arzt gespült werden muss. Da alle drei Punkte<br />
den gleichen Leistungsbereich – also den Pfl egedienst<br />
auf dem Wohnbereich betreffen – werden sie regelgerecht<br />
auf einem Formular dokumentiert.<br />
Die interessante Frage, wie sich die einzelnen Beschwerdehäufi<br />
gkeiten vergleichen und bewerten lassen,<br />
werde ich später darstellen.<br />
Aber zuerst möchte ich Ihnen einige weitere Auswertungsmöglichkeiten<br />
aufzeigen, die die Prozesse der<br />
Beschwerdebearbeitung in den Einrichtungen etwas<br />
transparenter machen.<br />
Verteilung der Beschwerdeführer<br />
siehe Abbildung 8 Seite 25<br />
Diese Zwischenauszählung zeigt die Verteilung der<br />
Beschwerdeführer: Die Angehörigen stellen zwar in<br />
dieser Übersicht die größte Gruppe, sie dominieren<br />
jedoch das Beschwerdegeschehen in Einrichtungen<br />
nicht. Die Anzahl der Beschwerden, die unmittelbar<br />
von den Bewohnerinnen und Bewohnern vorgebracht<br />
wird, ist nicht wesentlich geringer.<br />
Verteilung betroffener Leistungsbereiche<br />
siehe Abbildung 9 Seite 25<br />
Die Auswertung der betroffenen Leistungsbereiche<br />
zeigt, dass sich die meisten Beschwerden, knapp 50<br />
Prozent, auf die Pfl ege beziehen. Dass die Pfl ege der<br />
am häufi gsten genannte Leistungsbereich ist, wird nun<br />
niemand verwundern. Aber die Auswertung sensibilisiert<br />
doch dafür, dass 50 Prozent eben auch nur die<br />
Hälfte ist, nur die eine Seite der Medaille, und dass die<br />
andere Hälfte der Beschwerden sich dann breit über<br />
das gesamte Angebotsspektrum der Einrichtung verteilt.<br />
Pauschalaussagen wie: „Es sind immer wieder<br />
die gleichen, die sich über das Gleiche beschweren”<br />
werden deshalb der Realität des Beschwerdegeschehens<br />
in Einrichtungen nicht gerecht und verfolgen einfach<br />
oft nur das Ziel, sich von der Auseinandersetzung<br />
mit eben dieser Realität zu entpfl ichten.<br />
Weitere Auswertungen zeigen beispielsweise, dass es<br />
sich bei etwa jeder fünften dokumentierten Beschwerde<br />
um eine Folgebeschwerde handelt, und dass in ca.<br />
drei viertel aller Fälle von dem Beschwerdeempfänger<br />
Beschwerdebearbeiter eingeschaltet werden.<br />
Diese Auswertungen können im Einzelfall ganz interessante<br />
Vergleichswerte liefern; wichtiger ist es, dass<br />
Auswertungsergebnisse auch konkrete Verbesserungspotenziale<br />
erschließen. Es fällt beispielsweise auf,<br />
dass zwar meist die Beschwerdebearbeitungen, nicht<br />
aber die Rückmeldungsprozesse an den Beschwerdeführer<br />
dokumentiert werden. Die Frage, ob es sich<br />
dabei nur um ein Dokumentationsversäumnis oder um<br />
ein echtes Versäumnis handelt, lässt sich nur vor Ort<br />
im Rahmen von Fallbesprechungen klären. Oft stellt<br />
sich dabei heraus, dass eben nicht die Dokumentation<br />
der Rückmeldung, sondern die Rückmeldung selbst<br />
vergessen wurde. Dazu ein Beispiel:<br />
18 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 09/2002
Konstruktives Beschwerdemanagement in der Altenhilfe<br />
Eine Angehörige bemerkt Urinspuren auf dem Boden<br />
im Zimmer ihrer Mutter und droht mit dem Gesundheitsamt.<br />
Die Pfl egemitarbeiterin, die dem Fall nachgeht,<br />
stellt fest, dass die Mitbewohnerin in der letzten<br />
Zeit zunehmend unter Inkontinenz leidet. Sie vereinbart<br />
mit der Objektleiterin des Fremdleisters die tägliche<br />
Reinigung des Zimmers und schließt damit den<br />
Vorgang ab.<br />
Die engagierte Mitarbeiterin reagiert prompt, verlässt<br />
sich dann aber darauf, dass die Beschwerdeführerin<br />
die Verbesserungen irgendwie mitbekommt. Aber die<br />
Erhöhung der Reinigungsfrequenz kann und wird das<br />
Problem, dass immer mal wieder Urinspuren auftauchen<br />
werden, nicht hundertprozentig lösen, und das<br />
sollte der Beschwerdeführerin erklärt werden, sonst<br />
drohen Missverständnisse. Spinnen wir den Fall einfach<br />
mal weiter: Die Angehörige wird nicht informiert.<br />
Sie kommt nach zwei Wochen ins Haus und<br />
stößt unvorbereitet natürlich wieder auf vereinzelte<br />
Urinspuren. Was würde die Angehörige in diesem<br />
Fall wohl über die Einrichtung denken und vor allen<br />
Dingen, was würde sie als Nächstes tun?<br />
Das Fazit dieses Fallbeispiels lautet: Viele Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter sind aktions- und nicht informationsorientiert.<br />
Sie verkaufen damit ihre Arbeit<br />
unter Wert. „Tue Gutes und rede darüber”, lautet der<br />
Grundsatz jeder guten Öffentlichkeitsarbeit. Das kann<br />
und sollte man jedem Mitarbeiter und jeder Mitarbeiterin<br />
vermitteln. Wie in diesem Beispiel bieten die<br />
Beschwerdeauswertungen also die Möglichkeit, Defi -<br />
zite zu beheben, die im laufenden Tagesgeschäft sonst<br />
wahrscheinlich gar nicht auffallen würden.<br />
Ich möchte nun auf die „Bewertung der Beschwerdehäufi<br />
gkeiten” zurückkommen. Die Tatsache, dass<br />
Beschwerdedokumentation natürlich monatlichen<br />
Schwankungen unterworfen ist, zeigt, dass die Verfahren<br />
zumindest von einigen Mitarbeiterinnen und<br />
Mitarbeitern, auch im Alltagsstress, akzeptiert und<br />
beherrscht werden. Aber wie sieht der Idealzustand<br />
eines lebendigen Beschwerdemanagements aus, und<br />
an welchem Punkt droht es einzuschlafen? Kommt<br />
zum Beispiel ein neuer Kollege ins Team und erklärt<br />
selbstsicher: „Beschwerden mit Angehörigen regele<br />
ich im persönlichen Gespräch. Dafür brauche ich keine<br />
Formulare, schließlich bin ich kein Beamter.” Und<br />
schon schwindet die Verbindlichkeit gemeinsam erarbeiteter<br />
Vereinbarungen.<br />
Gegen derartige Erosionserscheinungen braucht man<br />
ein Frühwarnsystem, das über den aktuellen Zustand<br />
des Beschwerdemanagements Auskunft gibt. Dieses<br />
Frühwarnsystem geht dabei von einer monatlich optimalen<br />
Beschwerdezahl aus. Diese ist natürlich einrichtungsspezifi<br />
sch und hängt von der Bewohnerzahl<br />
ab.<br />
Berechnung des monatlichen Beschwerdeindexes<br />
siehe Abbildung 10 Seite 26<br />
Sie errechnet sich aus der Anzahl der Bewohnerinnen<br />
und Bewohner geteilt durch zwölf Monate. Damit<br />
ergibt sich eine einrichtungsspezifi sche optimale<br />
Beschwerdezahl. Dieser Ansatz geht von der Annahme<br />
aus, dass im Rahmen des Beschwerdemanagements<br />
jeder Bewohner/jede Bewohnerin oder sein/ihr Angehöriger<br />
durchschnittlich einmal pro Jahr einen Wunsch<br />
oder eine Beschwerde äußern sollte beziehungsweise<br />
könnte, die dann auch dokumentiert wird.<br />
Konkret bedeutet das für die an dem Projekt beteiligten<br />
Heime, dass der monatliche Optimalwert für Heim<br />
A mit 79 Bewohnerinnen und Bewohnern bei 6,6 liegt,<br />
für Heim B mit 133 Bewohnerinnen und Bewohnern<br />
bei 11,1 und schließlich für Heim C mit 110 Bewohnerinnen<br />
und Bewohnern bei 9,2.<br />
Setzt man diesen Optimalwert für jedes Heim gleich<br />
1, ergibt sich ein monatlicher relativer Beschwerdeindex,<br />
der einen direkten Vergleich der Heime unabhängig<br />
von der Bewohnerzahl ermöglicht.<br />
Verläufe monatlicher Beschwerdeindizes<br />
siehe Abbildung 11 Seite 26<br />
Nach den bisherigen Erfahrungen lassen sich die vorliegenden<br />
Werte folgendermaßen interpretieren: Da<br />
ein Beschwerdeindex von 1 dem Optimalwert entspricht,<br />
weisen er und alle darüberliegenden Werte auf<br />
ein sehr gutes und aktives Beschwerdemanagement<br />
hin. Der Wert von 0,5 markiert die Untergrenze, er<br />
bezeichnet einen gerade noch ausreichenden Systemzustand.<br />
Und Beschwerdeindizes, die darunter liegen,<br />
müssen kritisch bewertet werden. Deshalb gilt die<br />
Regel, dass Leitungskräfte aktiv werden müssen, wenn<br />
der Beschwerdeindex über drei Monate unterhalb der<br />
0,5-Marke liegt.<br />
Oder anschaulicher gesagt, der Beschwerdeindex<br />
signalisiert nach dem Ampelschema den Zustand des<br />
09/2002 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 19
Konstruktives Beschwerdemanagement in der Altenhilfe<br />
Systems. Beschwerdeindizes von 1 oder darüber entsprechen<br />
dem grünen, Beschwerdeindizes zwischen<br />
0,5 und 1 dem gelben und Indizes unterhalb von 0,5<br />
dem roten Ampelsignal. Zurzeit befi nden sich alle drei<br />
Heime mit unterschiedlichen Vorzeichen im gelben<br />
Bereich. Das ist befriedigend aber nicht ideal.<br />
Bis zum Projektende wird zu klären sein, inwieweit<br />
sich die Anzahl der dokumentierten Beschwerden<br />
weiter stabilisiert, beziehungsweise im Einzelfall auch<br />
gesteigert werden kann.<br />
Die hier vorgestellten Auswertungen sind relativ aufwendig<br />
und können deshalb zurzeit noch nicht von<br />
den Einrichtungen selbst übernommen werden. Um<br />
diesen Aufwand zu reduzieren, wird ein Datenbankprogramm<br />
entwickelt, das die Dateneingabe und Auswertungen<br />
erleichtert und auch Vergleiche zwischen<br />
Einrichtungen ermöglicht.<br />
4. Übertragbarkeit der Erfahrungen<br />
aus der Altenhilfe<br />
Meine Erfahrung in der Beratung und Fortbildung<br />
zeigen mir, dass Überlegungen zum Beschwerdemanagement<br />
mit dem spezifi schen Schwerpunkt stationäre<br />
Altenhilfe in anderen Bereichen sozialer Arbeit<br />
nicht zwangsläufi g auf Akzeptanz oder gar besonderes<br />
Interesse stoßen müssen. Dabei werden gewisse<br />
Abgrenzungstendenzen bereits im Arbeitsfeld der<br />
ambulanten Dienste spürbar. Kategorischen Erklärungen:<br />
„Unsere Arbeit ist vollkommen anders als in der<br />
(stationären) Altenhilfe” und: „Da sind wir ja schon<br />
viel weiter als die (stationäre) Altenhilfe” erleichtern<br />
den Transfer praktischer Erfahrungswerte nicht.<br />
Beide Argumente, wenn man sie denn als solche<br />
bezeichnen möchte, treffen zwar für die stationäre<br />
Altenhilfe zu, nicht aber für das Beschwerdemanagement,<br />
dessen Geltungsbereich alle Dienstleistungsbranchen<br />
und nicht nur die sozialen umfasst.<br />
Selbstverständlich macht es Sinn, Beschwerdemanagementsysteme<br />
zwar nach einer gleichen Grundlogik<br />
aber doch branchenspezifi sch zu formulieren und<br />
dabei wesentliche Charakteristika der Leistungserstellung<br />
mit zu berücksichtigen. Dazu gehören beispielsweise<br />
der extrem hohe Zeitdruck bei den ambulanten<br />
Diensten, der hohe Anteil von Teilzeitkräften oder<br />
in der Behindertenhilfe, der, wiederum im Vergleich<br />
zur stationären Altenhilfe, hohe Anteil qualifi zierter<br />
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Und bei Letzteren,<br />
so wird befürchtet, stoßen Regeln im Umgang mit<br />
Beschwerden, die die persönliche Handlungsautonomie<br />
begrenzen, auf noch größere Akzeptanzprobleme<br />
als in der Altenhilfe.<br />
Damit kristallisiert sich aber eindeutig eine branchenübergreifende<br />
Gemeinsamkeit heraus: Die zentrale<br />
Bedeutung der Frage, wie und ob Mitarbeiterinnen und<br />
Mitarbeitern ein geregelter Prozess der Beschwerdebearbeitung<br />
zuzumuten ist. Die vorgestellten Zwischenergebnisse<br />
aus dem Modellprojekt sollten zumindest<br />
dazu ermutigen, vor dieser Herausforderung nicht<br />
schon im Vorfeld zu kapitulieren.<br />
Aber sicherlich macht Beschwerdemanagement nicht<br />
für jede Einrichtung und für jeden Bereich Sinn; ich<br />
möchte deshalb einige grundsätzliche Kriterien formulieren,<br />
die Systematisierungsbedarf beim Umgang<br />
mit Beschwerden nahe legen.<br />
Handlungsbedarf bei der Gestaltung der Beschwerdebearbeitungsprozesse<br />
siehe Abbildung 12 Seite 27<br />
Mir erscheint die Einführung eines systematischen<br />
Beschwerdemanagements – unabhängig von den konkreten<br />
Leistungsinhalten – dann sinnvoll, wenn<br />
1. bei der Bearbeitung von Beschwerden häufi g<br />
schnittstellenübergreifende Problembearbeitungen<br />
beziehungsweise -klärungen nötig sind.<br />
2. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit zu großer<br />
Selbstverständlichkeit über die Wichtigkeit beziehungsweise<br />
Unwichtigkeit einer Beschwerde und<br />
damit über ihre Bearbeitungswürdigkeit entscheiden<br />
und wenn zu ausgiebig über die Beweggründe<br />
der Beschwerdeführer spekuliert und diskutiert<br />
wird. Für den Bereich der Altenhilfe heißt das, es<br />
kann nicht darum gehen, den Angehörigen Schuldgefühle<br />
zu unterstellen, sondern schlicht und einfach<br />
darum, Beschwerden anzunehmen und zu<br />
bearbeiten. Handlungsbedarf ist auch dann erkennbar,<br />
wenn<br />
3. knapper werdende Ressourcen rationellere und<br />
effektive Beschwerdebearbeitungsprozesse erfordern.<br />
20 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 09/2002
4. im Rahmen des fachlichen Controllings handfeste<br />
Belege für die Servicequalität der angebotenen Leistungen<br />
benötigt werden und schließlich<br />
5. sich die Einrichtungen oder Dienste in einer Wettbewerbssituation<br />
befi nden beziehungsweise in absehbarer<br />
Zeit befi nden könnten.<br />
Es mehreren sich Anfragen von Trägern, die im<br />
Bereich der Altenhilfe mit dem Beschwerdemanagement<br />
in Berührung gekommen sind und die nun wissen<br />
wollen, ob beziehungsweise inwieweit sich die vorgestellten<br />
Regelungen auch auf die Bereiche Jugendhilfe,<br />
Psychiatrie oder Behindertenhilfe übertragen<br />
lassen.<br />
Gering<br />
Hoch<br />
Konstruktives Beschwerdemanagement in der Altenhilfe<br />
Abbildung 1<br />
Ich kann diese Frage noch nicht abschließend<br />
beantworten, bin aber sicher, dass man sich mit<br />
den Möglichkeiten eines geschäftsfeldübergreifenden<br />
Beschwerdemanagements auseinander setzen muss,<br />
denn isolierte Lösungen, wie stimmig sie im Einzelfall<br />
– also beispielsweise in der Altenhilfe – sein mögen,<br />
bleiben für Träger mit mehreren Leistungsbereichen<br />
relativ uninteressant. Ich suche deshalb auf der Grundlage<br />
der bisherigen Ergebnisse des Modellprojekts das<br />
Gespräch mit Fachleuten aus anderen Bereichen sozialer<br />
Arbeit. Bei diesem Dialog stehe ich noch am<br />
Anfang, aber ich werde ihn weiterverfolgen.<br />
Abgestufte Inanspruchnahme von Beschwerdeebenen<br />
Zahl der<br />
Beschwerden<br />
Stabsstellen oder externe<br />
Beschwerdestellen /<br />
Ombudsmänner:<br />
Beschwerdebearbeitung<br />
außerhalb der Linie<br />
Vorgesetzte:<br />
Beschwerdebearbeitung auf<br />
dem Dienstweg<br />
Mitarbeiter vor Ort:<br />
Internes<br />
Beschwerdemanagement<br />
09/2002 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 21
Konstruktives Beschwerdemanagement in der Altenhilfe<br />
Abbildung 2<br />
Abbildung 3<br />
Beschwerdemanagement in drei Schritten:<br />
Das Prozessmodell<br />
Beschwerdestimulierung<br />
Beschwerdeannahme<br />
-bearbeitung und<br />
-reaktion<br />
Beschwerdeauswertung<br />
Daten zur Prozessqualität <br />
Daten zur Ergebnisqualität<br />
Kundenzufriedenheit<br />
Kundenvertrauen<br />
Maßnahmen zur Beschwerdestimulierung<br />
Vorstellung der Einrichtung<br />
Groborganigramme der Gesamteinrichtung mit allen Arbeitsbereichen<br />
und zuständigen Leitungsstelleninhaber(n)/-innen<br />
Detailorganigramme mit Namen aller Mitarbeiter/-innen<br />
ausgesuchter (Teil)-Bereiche<br />
Namensschilder mit neutralen Tätigkeitsbezeichnungen für alle<br />
Mitarbeiter/-innen<br />
Information der Bewohner/-innen und ihrer<br />
Angehörigen zum Beschwerderecht und Ermutigung<br />
zum offenen Umgang mit Beschwerden<br />
Hinweis zum Beschwerderecht im Heimvertrag<br />
Persönliches Anschreiben an die Bewohner/-innen und<br />
Angehörigen zum Start des Beschwerdemanagements<br />
Ansprache auf die Zufriedenheit mit den<br />
angebotenen Leistungen<br />
Stichprobenartige Bilanzgespräche zur Leistungszufriedenheit<br />
(ggf. auch im Rahmen bewohnerbezogener Pflegevisiten)<br />
Allgemeine schriftliche Befragungen zur Angebotszufriedenheit<br />
Weihnachtsgruß und Rückantwortkarte für Angehörige und<br />
Bewohner/-innen mit Kernfragen zur Beschwerdebearbeitung<br />
22 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 09/2002
Konstruktives Beschwerdemanagement in der Altenhilfe<br />
Abbildung 4<br />
Abbildung 5<br />
Maßnahmen zur Beschwerdeannahme,<br />
-bearbeitung und -reaktion<br />
Klärung der Zuständigkeiten von<br />
Beschwerdeempfängern und<br />
Beschwerdebearbeitern<br />
Festlegung der Rückmeldefristen an den<br />
Beschwerdeführer und der Fristen für die interne<br />
Beschwerdebearbeitung<br />
Flankierende Regelungen für den Umgang mit<br />
kritischen Situationen<br />
Einführung standardisierter Beschwerdeformulare<br />
und einer geregelten Dokumentationspflicht<br />
Formulierung allgemeiner Verhaltensempfehlungen<br />
für den Umgang mit Beschwerdeführern<br />
Prozessverantwortung des Beschwerdeempfängers:<br />
Dreh- und Angelpunkt effektiver<br />
Beschwerdebearbeitung<br />
B.-Führer B.-Empfänger<br />
Dokumentation<br />
Externe Information Interne Koordination<br />
Rückmeldefrist<br />
extern (ca. 4 KT)<br />
Bearbeitungsfrist<br />
intern (ca. 7 KT)<br />
B.-Bearbeiter<br />
Der Beschwerdeempfänger verpflichtet sich gegenüber dem<br />
Beschwerdeführer zur fristgerechten Rückmeldung.<br />
Der Beschwerdeempfänger verpflichtet andere Mitarbeiter/-innen zur<br />
fristgerechten Bearbeitung.<br />
09/2002 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 23
Konstruktives Beschwerdemanagement in der Altenhilfe<br />
Abbildung 6<br />
Abbildung 7<br />
Einführung des Beschwerdemanagements:<br />
Überblick bisheriger Projektablauf (Heim C)<br />
Phase 1: Vorbereitungen und Grundlagen<br />
Arbeitsgruppen 1 - 3<br />
Erarbeitung und Diskussion des<br />
Handbuchs zum Beschwerdemanagement<br />
➨ 5. Oktober 2000<br />
➨ 6. November 2000<br />
➨ 16. Januar 2001<br />
Phase 2: Training und Umsetzung<br />
Mitarbeiterversammlung<br />
Mitarbeitertrainings<br />
Vertiefungstrainings<br />
➨ 30. Januar 2001<br />
➨ 12.-15. Februar 2001<br />
➨ 20./21. März 2001<br />
Phase 3: Erste Beschwerdeauswertungen und<br />
Information der Öffentlichkeit<br />
Arbeitsgruppen 4 - 6<br />
• Beschwerdeauswertungen /<br />
Fallbesprechungen<br />
• Festlegung des<br />
Auswertungsverfahrens<br />
• Interne Vertiefungstrainings<br />
• Zwischenbilanz und „Brief an<br />
die Öffentlichkeit“<br />
➨ 15. Mai 2001<br />
➨ 27. Juli 2001<br />
➨ August 2001<br />
➨ 16. Oktober 2001<br />
Monatliche Häufigkeit der dokumentierten<br />
Beschwerdevorgänge<br />
in den 3 Heimen des Projektes der Robert Bosch Stiftung zum systematischen Beschwerdemanagement<br />
30 Heim A Heim B Heim C<br />
20<br />
10<br />
0<br />
Nov Dez Jan Feb März April Mai Juni Juli Aug<br />
Heim C 4 9 3 2 7 5 4<br />
Heim B 9 6 6 4 7 4 1 10 8 2<br />
Heim A 5 5 2 5 9 1 1 6 9 6<br />
24 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 09/2002
Konstruktives Beschwerdemanagement in der Altenhilfe<br />
Abbildung 8<br />
Abbildung 9<br />
Verteilung der Beschwerdeführer<br />
Prozent<br />
N=99<br />
Bewohner/-innen 33,3 %<br />
Angehörige 40,4 %<br />
Betreuer/-innen 12,1 %<br />
Ärzt(e)/-innen 0,0 %<br />
Sonstige 14,1 %<br />
Gesamtsumme 99,9 %<br />
Verteilung betroffener<br />
Leistungsbereiche<br />
Prozent<br />
N=103<br />
Küche 12,6 %<br />
Leitung 4,9 %<br />
Pflege 47,6 %<br />
Reinigung 5,8 %<br />
Sozialdienst 1,0 %<br />
Technik 10,7 %<br />
Verwaltung 1,9 %<br />
Wäscherei 7,8 %<br />
Sonstige 7,8 %<br />
Gesamtsumme 100,1 %<br />
09/2002 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 25
Konstruktives Beschwerdemanagement in der Altenhilfe<br />
Der monatliche Beschwerdeindex =<br />
Optimale Beschwerdehäufigkeit im Verhältnis zur Bewohnerzahl<br />
in den 3 Heimen des Projektes der Robert Bosch Stiftung zum systematischen Beschwerdemanagement<br />
Abbildung 10<br />
Monatlicher Beschwerdeindex =<br />
Heim A = 6,6 Beschwerden =<br />
Heim B = 11,1 Beschwerden =<br />
Heim C = 9,2 Beschwerden =<br />
Anzahl der Bewohner/-innen<br />
12 Monate<br />
79 Bewohner/-innen<br />
12 Monate<br />
133 Bewohner/-innen<br />
12 Monate<br />
110 Bewohner/-innen<br />
12 Monate<br />
Monatlicher Beschwerdeindex: Häufigkeit der<br />
dokumentierten Beschwerdevorgänge im Verhältnis zur<br />
Bewohnerzahl<br />
in den 3 Heimen des Projektes der Robert Bosch Stiftung zum systematischen Beschwerdemanagement<br />
1,5<br />
1<br />
0,5<br />
0<br />
Abbildung 11<br />
Index A Index B Index C<br />
Nov Dez Jan Feb März April Mai Juni Juli Aug<br />
26 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 09/2002
Konstruktives Beschwerdemanagement in der Altenhilfe<br />
Abbildung 12<br />
Handlungsbedarf bei der Gestaltung der<br />
Beschwerdebearbeitungsprozesse besteht,<br />
wenn...<br />
1. bei der Beschwerdebearbeitung regelmäßig<br />
schnittstellenübergreifende Zusammenarbeit<br />
erforderlich wird.<br />
2. Mitarbeiter/-innen Beschwerden und<br />
Beschwerdeführer zu sehr bewerten statt sich allein<br />
auf die Klärung der Anliegen zu konzentrieren.<br />
3. knapper werdende Ressourcen rationellere,<br />
effektive Bearbeitungsprozesse erfordern.<br />
4. im Rahmen des fachlichen Controllings handfeste<br />
Belege für die Servicequalität der angebotenen<br />
Leistungen benötigt werden.<br />
5. sich die Einrichtungen oder Dienste in einer<br />
Wettbewerbssituation befinden bzw. in absehbarer<br />
Zeit befinden könnten.<br />
09/2002 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 27
Präsentation von Beschwerdemanagement-Modellen aus der Praxis<br />
Joachim Krause:<br />
Erfahrungsbericht über die Einführung und Anwendung<br />
eines Beschwerdemanagements in den stationären Pfl egeeinrichtungen<br />
Beschwerden gibt es bei uns nicht !<br />
Unsere Arbeit ist so gut geplant und wird so gut durchgeführt,<br />
dass es keinen Anlass zu Beschwerden gibt !<br />
Das waren die Worte eines Einrichtungsleiters, als<br />
ich mit ihm über die Entwicklung und Einführung<br />
eines Beschwerdemanagements ins Gespräch gekommen<br />
bin.<br />
Es ist natürlich nicht so.<br />
Ebenso wie in der Industrie oder in anderen Bereichen<br />
der Wirtschaft, gibt es auch in Dienstleistungsunternehmen,<br />
und unsere diakonischen Einrichtungen<br />
sind ja solche, immer wieder auch Beschwerden und<br />
Kritik. Das war so und das wird wohl nie ganz zu<br />
verhindern sein, auch wenn die Arbeit noch so gut<br />
geplant und organisiert sein mag.<br />
Besonders in unseren Pfl egeeinrichtungen defi niert<br />
sich die Qualität der Arbeit über die Beziehungen zwischen<br />
Menschen.<br />
• Beziehungen zwischen Mitarbeitern der einzelnen<br />
Arbeitsbereiche<br />
• Beziehungen zu den Kunden, das heißt, zu den<br />
Bewohnern, Patienten, Angehörigen und Betreuern<br />
• Beziehungen zu Institutionen, Sozialämtern, Pfl egekassen,<br />
Medizinischem Dienst der Krankenkassen<br />
usw.<br />
So können aus Beziehungspunkten manchmal Reibungspunkte,<br />
Kritikpunkte und Beschwerden werden.<br />
Was nun die Folgen dieser Beschwerden betrifft, was<br />
sie auslösen und letztendlich bewirken, hängt in ganz<br />
entscheidender Weise davon ab, wie mit Beschwerden<br />
umgegangen wird. Überlassen wir es dem Gutdünken,<br />
oder steuern wir es? Gehen wir defensiv mit<br />
Beschwerden um oder gehen wir offensiv mit den<br />
Beschwerden um?<br />
Wie wurde diese Frage nun in unserer Stiftung<br />
beantwortet ?<br />
Generell wurde in der Vergangenheit relativ offen mit<br />
Beschwerden umgegangen.<br />
Jedoch wurden Beschwerden immer als Einzelfall aus<br />
der Situation heraus behandelt.<br />
Konsequenzen beziehungsweise Veränderungen in der<br />
Arbeit waren jedoch häufi g davon abhängig, wie groß<br />
der Druck war, den die Beschwerde ausgelöst hatte<br />
beziehungsweise bei welcher Instanz die Beschwerde<br />
eingegangen war.<br />
Als Möglichkeit für die Äußerung von Kritik, Be -<br />
schwerde, Reklamation oder Anregung zur Verbesserung<br />
gab es in den Einrichtungen die üblichen Wege<br />
wie:<br />
• Kummerkasten<br />
• Beschwerdebuch<br />
• Persönliche Beschwerde bei der Heimleitung, Pfl egedienstleitung<br />
oder auch der Wohnbereichsleitung<br />
Beschwerden über das Essen konnten in der Küchenkommission,<br />
die in der Regel monatlich tagte, durch<br />
einen benannten Vertreter der Heimbewohner eingebracht<br />
werden.<br />
Eine systematische Behandlung und auch Auswertung<br />
von Beschwerden gab es jedoch nicht. Im Rahmen der<br />
Behandlung von Beschwerden, die direkt beim Träger,<br />
das heißt beim Direktor eingegangen sind, wurde festgestellt,<br />
dass häufi g Beschwerden, die im persönlichen<br />
Gespräch in den Pfl egebereichen eingebracht<br />
worden waren, nicht ausreichend behandelt wurden<br />
beziehungsweise im Tagesgeschäft teilweise wieder<br />
untergegangen sind.<br />
Kritik, Beschwerden oder Reklamationen wurden oft<br />
mehr als unliebsame Begleiterscheinung, als störend<br />
28 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 09/2002
Präsentation von Beschwerdemanagement-Modellen aus der Praxis<br />
empfunden und nicht so sehr als Möglichkeit zu einer<br />
Verbesserung der Bewohnerzufriedenheit.<br />
Im Rahmen der Diskussion um die Kundenzufriedenheit<br />
und die Qualitätssicherung wurde bereits 1995<br />
durch den Direktor der St. Elisabeth - Stiftung eine<br />
Initiative zu einem offensiven Umgang mit Kritik,<br />
Beschwerden und Reklamationen eingeleitet.<br />
In Vorträgen und Diskussionen wurde den Mitarbeitern<br />
unserer Einrichtungen folgende Punkte vermittelt:<br />
1. Im richtigen Umgang mit Kritik, Beschwerden und<br />
Reklamationen liegen für die qualitative Entwicklung<br />
der Einrichtung innovative Chancen, die wir<br />
uns nicht entgehen lassen sollten.<br />
2. Kritik, Beschwerden und Reklamationen sind Be -<br />
griffe, die in der Regel negativ besetzt sind und<br />
werden vom Mitarbeiter als Angriff oder Vorwurf<br />
empfunden. So müssen aber Kritik, Beschwerden<br />
und Reklamationen als hilfreich für das Erkennen<br />
von Fehlern beziehungsweise Defi ziten bewertet<br />
werden.<br />
3. Der Kritik, Beschwerden und Reklamationen Vortragende<br />
darf nicht als Störenfried oder Buhmann<br />
betrachtet werden.<br />
4. Kritik, Beschwerden und Reklamationen sind kein<br />
persönlicher Angriff auf den Mitarbeiter, sondern<br />
eine berechtigte Reaktion auf Unzulänglichkeiten<br />
in der Einrichtung.<br />
5. Ein aktiver Umgang mit Kritik, Beschwerden und<br />
Reklamationen führt zu zufriedenen Kunden und<br />
fördert den guten Ruf der Einrichtung so wie ein<br />
unzureichender Umgang mit ihnen den guten Ruf<br />
der Einrichtung schädigt.<br />
6. Methoden des Umganges mit Kritik, Beschwerden<br />
und Reklamationen sind:<br />
• die aktive Methode, die sich darin äußert, dass im<br />
Vorfeld von möglichen Kritiken, Beschwerden<br />
und Reklamationen der Kontakt zum Bewohner<br />
gesucht und die Zufriedenheit beziehungsweise<br />
Unzufriedenheit in geeigneter Weise erfragt<br />
wird.<br />
• die passive Methode, die angewendet wird, wenn<br />
es bereits zu Kritik, Beschwerden und Reklama-<br />
tionen gekommen ist. Hier kommt es darauf an,<br />
sie mit einem positiven Ergebnis sowohl für den<br />
Beschwerdeführer als auch für die Einrichtung<br />
zu bearbeiten.<br />
Im Rahmen diese Initiative wurde den Mitarbeitern<br />
und Mitarbeiterinnen unserer Einrichtungen die positive<br />
Seite des Beschwerens vermittelt und den Anregungen<br />
zum offensiven Umgang gegeben.<br />
Mit der Entwicklung eines Qualitätsmanagement in<br />
unseren Einrichtungen ab 1998, wurde dieser erste<br />
Ansatz dann weiterentwickelt. Im Rahmen der Entwicklung<br />
dieses Qualitätsmanagements wurden wir<br />
zwangsläufi g darauf gestoßen, dass im Bezug auf<br />
Fehlererkennung, Qualitätsverbesserung und Kundenzufriedenheit<br />
die Entwicklung eines Beschwerdemanagements<br />
als fester Bestandteil dieses Quali -<br />
tätsmanagements unumgänglich ist.<br />
Diese Entwicklung eines einheitlichen Beschwerdemanagements<br />
wurde im Herbst 1998 auf einer unserer<br />
Qualitätskonferenzen beschlossen.<br />
Zur Lösung dieser Aufgabe hatten wir einen einrichtungsübergreifenden<br />
Qualitätszirkel gebildet, in dem<br />
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aller wesentlichen<br />
Arbeitsbereiche der Stiftung vertreten waren.<br />
Zum Beginn der Arbeit am Beschwerdemanagement<br />
wurden folgende Fragen geklärt :<br />
• Zu welchen Elementen des Qualitätsmanagements<br />
nach ISO 9001 bestehen Schnittstellen?<br />
- Element 4.14 Korrektur und Vorbeuge-<br />
maßnahmen<br />
- Element 4.13 Lenkung fehlerhafter Produkte<br />
- Element 4.16 Lenkung von Qualitätsaufzeichnungen<br />
- Element 4.5 Lenkung von Dokumenten<br />
und Daten<br />
- Element 4.1 Interne Audits<br />
- Element 4.20 Statistische Methoden<br />
• Welcher Personenkreis muss in das Beschwerdemanagement<br />
einbezogen werden?<br />
- Bewohner<br />
- Angehörige<br />
- Betreuer<br />
09/2002 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 29
Präsentation von Beschwerdemanagement-Modellen aus der Praxis<br />
- Kostenträger<br />
- Mitarbeiter<br />
- Unterlieferanten<br />
- Behörden<br />
• Welche Beschwerdemöglichkeiten sollten eingearbeitet<br />
werden?<br />
Grundsatz: Jede Beschwerde ist aufzunehmen,<br />
zu bewerten, zu bearbeiten, zu beantworten und<br />
auszuwerten. Keine Beschwerde darf untergehen.<br />
- Mündliche Beschwerden gegenüber Mitarbeitern.<br />
Jeder Mitarbeiter ist auch Ansprechpartner<br />
für Beschwerden. Die mündlich vorgetragenen<br />
Beschwerden sind von dem betreffenden Mitarbeiter<br />
gemäß Verfahrensanweisung zu bearbeiten.<br />
- Schriftliche Beschwerden (Briefe)<br />
- Schriftliche Beschwerden (Beschwerdevordrucke)<br />
- Beschwerdebriefkasten<br />
- Sorgentelefon<br />
• Wie sollte der Ablauf der Bearbeitung geregelt<br />
werden ?<br />
- Gegebenenfalls sind sofortige Korrekturmaßnahme<br />
einzuleiten<br />
- Die Beschwerde wird registriert (Vordruck)<br />
- Die Beschwerde wird geprüft und bewertet<br />
gemäß Verfahrensanweisung<br />
- Festgelegter Personenkreis wird informiert<br />
gemäß Verfahrensanweisung<br />
- Eingangsbestätigung gegenüber Beschwerdeführer<br />
- Die Beschwerde wird ausgewertet<br />
- gegebenenfalls werden Korrektur beziehungsweise<br />
Vorbeugemaßnahmen festgelegt<br />
- Durchführung der Maßnahmen gem. Schnittstelle<br />
„Korrekturmaßnahmen”<br />
- Die Beschwerde wird vom Mitarbeiter aufgenommen<br />
- Die Beschwerde wird beantwortet<br />
- Auswertung der Beschwerden im Rahmen von<br />
internen Audits<br />
Entsprechend dieser, im Rahmen unseres Qualitätszirkels<br />
beantworteten Fragestellungen wurde nun eine<br />
Verfahrensanweisung erarbeitet, die durch das Direktorium<br />
unserer Stiftung für alle Pfl egeinrichtungen als<br />
verbindlich erklärt wurde.<br />
Einführung des Beschwerdemanagement<br />
Nach der Freigabe der Verfahrensanweisung durch das<br />
Direktorium der St. Elisabeth-Stiftung erfolgten folgende<br />
Schritte zur Einführung:<br />
1. Im Rahmen einer Konferenz wurde die Verfahrensanweisung<br />
den Pfl egedienstleitenden sowie den<br />
Qualitätsbeauftragten der Pfl egeeinrichtungen vorgestellt.<br />
2. In den Pfl egeeinrichtungen erfolgte die Vorstellung<br />
der Verfahrensanweisung bei den Mitarbeitenden<br />
durch die Pfl egedienstleitung des Hauses.<br />
3. In einem persönlichen Schreiben an die Bewohner<br />
sowie im Rahmen von Angehörigenversammlungen<br />
wurden die Beschwerdemöglichkeiten benannt und<br />
um frühzeitige Mitteilung von Problemen gebeten.<br />
4. In der Geschäftsstelle der St. Elisabeth-Stiftung<br />
wurde eine zentrale Beschwerdestelle mit einem<br />
festen Ansprechpartner eingerichtet.<br />
5. Für die kostenfreie Möglichkeit einer telefonischen<br />
Beschwerde wurde ein zentrales kostenfreies<br />
Beschwerdetelefon eingerichtet.<br />
Erfahrungen seit der Einführung des Be -<br />
schwer de management<br />
Eine erste Auswertung, die nach einem Jahr durchgeführt<br />
wurde, hat Folgendes ergeben:<br />
1. Nutzung des zentralen kostenfreien Beschwerdetelefons.<br />
Hier wurde festgestellt, dass von dieser<br />
Möglichkeit einer Beschwerde kaum Gebrauch<br />
gemacht wurde. Innerhalb eines Jahres wurde diese<br />
Möglichkeit nur in 18 Fällen genutzt. Da diese<br />
geringe Nutzung in keinem Verhältnis zu den Kosten<br />
stand, die für den Träger damit verbunden waren,<br />
wurde die kostenfreie Telefonnummer abgeschafft.<br />
Weiterhin besteht jedoch die Möglichkeit einer<br />
telefonischen Beschwerde unter einer normalen<br />
Telefonnummer innerhalb der üblichen Geschäftszeiten.<br />
2. Im Rahmen von durchgeführten Audits wurde festgestellt,<br />
dass es bei der Umsetzung des Beschwerdemanagement<br />
Anlaufschwierigkeiten gibt und die<br />
Verfahrensanweisung nicht in allen Einrichtungen<br />
30 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 09/2002
Präsentation von Beschwerdemanagement-Modellen aus der Praxis<br />
dauerhaft und konsequent umgesetzt wurde. Gründe<br />
hierfür waren:<br />
- Die Sensibilisierung der Mitarbeiter für den<br />
Umgang mit Kritik, Beschwerden und Reklamationen<br />
war nicht in allen Bereichen gelungen.<br />
- Der Aufwand für die Dokumentation von<br />
Beschwerden wurde gescheut.<br />
- Die Analyse der dokumentierten Beschwerden<br />
wurde nicht in allen Einrichtungen entsprechend<br />
der Verfahrensanweisung durchgeführt beziehungsweise<br />
der Qualitätszirkel nicht einbezogen<br />
sowie die Mitarbeiter nicht über die Ergebnisse<br />
informiert. Das führte zu einer sinkenden Akzeptanz<br />
der Verfahrensanweisung bei den Mitarbeitern.<br />
3. Es konnte festgestellt werden, dass sich die Zahl der<br />
Beschwerden beim Träger verringert hatten, besonders<br />
bei den Einrichtungen, die die Verfahrensanweisung<br />
umgesetzt hatten.<br />
4. Bei der Auswertung der Beschwerden, die direkt<br />
beim Träger eingebracht worden waren, wurde festgestellt,<br />
dass häufi g im Vorfeld in der Pfl egeeinrichtung<br />
eingebrachte Beschwerden beziehungsweise<br />
Hinweise auf bestehende Mängel nicht ausreichend<br />
beachtet worden sind.<br />
Zusammenfassend kann Folgendes festgestellt<br />
werden:<br />
1. In den Einrichtungen, die die Verfahrensanweisung<br />
umgesetzt haben, hat die systematische Bearbeitung<br />
und Auswertung der Kritik, Beschwerden und<br />
Reklamationen zu wichtigen Hinweisen und Impulsen<br />
für die Arbeit der Qualitätszirkel im Rahmen<br />
der Qualitätsverbesserung geführt.<br />
2. In den Einrichtungen, die die Verfahrensanweisung<br />
umgesetzt haben, hat die Bearbeitung aller eingehenden<br />
Beschwerden sowie der damit verbundene<br />
Dialog mit Bewohnern, Angehörigen und Betreuern<br />
zu einer Steigerung der Kundenzufriedenheit<br />
geführt.<br />
3. Für die dauerhafte Umsetzung ist ein stetiger Dialog<br />
mit den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen über<br />
Beschwerden, die auslösenden Faktoren, die psychologischen<br />
Wirkungen und die richtigen Reaktionen<br />
notwendig. Wird dieser Aufwand gescheut,<br />
sinkt die Akzeptanz bei den Mitarbeitenden und<br />
damit der positive Effekt des Beschwerdemanagements.<br />
4. Als positiv hat sich der bereits angesprochene<br />
aktive Umgang mit Kritik, Beschwerden und Reklamationen<br />
im Zusammenhang mit dem Qualitätsmanagement,<br />
besonders der Elemente „Lenkung<br />
fehlerhafter Produkte” und „Korrektur und Vorbeugemaßnahmen”<br />
herausgestellt. In diesem Rahmen<br />
werden in einigen Einrichtungen neben den ständigen<br />
Befragungen der Kunden (Bewohner, Angehörige,<br />
Betreuer usw.), auch Erfassungsbögen zur<br />
Fehlererfassung geführt, in denen aufgetretene<br />
Fehler bereits vor einer eventuellen Beschwerde<br />
erfasst und ausgewertet werden. Diese Auswertungen<br />
fl ießen dann in die Arbeit der Qualitätszirkel<br />
ein und führen gegebenenfalls zu Maßnahmen der<br />
Fehlerkorrektur und -vorbeugung.<br />
09/2002 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 31
Präsentation von Beschwerdemanagement-Modellen aus der Praxis<br />
Gerhard Benninghoff, Michaela Küpper:<br />
Beschwerdemanagement als Einstieg ins Qualitätsmanagement<br />
1. Das Projekt und sein Rahmen<br />
Unser Leitgedanke ist, dass die Bewohnerinnen und<br />
Bewohner sich unsere Einrichtung ganz bewusst ausgesucht<br />
haben. Dieses Vertrauen wollen wir rechtfertigen:<br />
natürlich durch gute Leistungen, aber auch<br />
dadurch, das wir Fragen, Wünsche und schließlich<br />
Beschwerden erkennbar ernst nehmen, auch wenn<br />
wir nicht immer jedem Anliegen werden entsprechen<br />
können.<br />
Es mag in der heutigen Zeit seltener geworden sein,<br />
dass Bewohner noch in der Lage sind, sich eine Einrichtung<br />
ganz bewusst auszusuchen. Deshalb möchten<br />
wir zunächst etwas über die Lage und Besonderheit<br />
unseres Heimes berichten: Es liegt in Essen-Kettwig<br />
und ist durch seine Lage eingebunden in das Leben<br />
des Stadtteils und in das Gemeindeleben der evangelischen<br />
Kirchengemeinde Kettwig, die Träger des<br />
Hauses Abendfrieden ist. Viele Gemeindemitglieder<br />
engagieren sich auch ehrenamtlich in unserer Einrichtung.<br />
Aus diesem Umkreis rekrutieren sich 90 Prozent<br />
unserer Bewohner; sie kennen Haus Abendfrieden<br />
lange bevor sie sich anmelden und letztendlich einziehen.<br />
Haus Abendfrieden bietet 79 Heimplätze für Bewohnerinnen<br />
und Bewohner in allen Pfl egestufen. Aufnahmekriterium<br />
ist der Nachweis der Pfl egestufe 1.<br />
Dreizehn Bewohner beziehen noch keine Leistungen<br />
nach dem Pfl egeversicherungsgesetz, sie wohnen teilweise<br />
schon über 20 Jahre im Haus und sind nach<br />
wie vor nicht pfl egebedürftig. In der Pfl ege sind 23<br />
Vollzeitstellen von den Kostenträgern genehmigt, tatsächlich<br />
wurden im letzten Jahr 27 Stellen zur Bewohnerversorgung<br />
benötigt. Die Fachkraftquote liegt bei<br />
knapp über 50 Prozent.<br />
Aufgrund der exponierten Lage ist unser Haus häufi g<br />
Mittelpunkt öffentlichen Interesses. Angehörige und<br />
ehrenamtliche Mitarbeiter treffen sich in anderen Be -<br />
zügen (in den verschiedenen Gemeindegruppen oder<br />
beim Einkaufen auf dem Marktplatz) und schon sind<br />
erlebte Situationen positiv oder negativ Thema.<br />
In dieser Situation ist die Bearbeitung von Beschwerden,<br />
Anregungen und Wünschen Bestandteil unserer<br />
Arbeit geworden. In manchen Situationen konnten wir<br />
jedoch immer wieder beobachten, dass Beschwerden<br />
und Wünsche je nach Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />
unterschiedlich, zufällig und unsystematisch bearbeitet<br />
wurden.<br />
Auf einer Fachtagung des evangelischen Verbandes für<br />
Altenarbeit hörten wir im November 1999 erstmalig<br />
den Begriff „Beschwerdemanagement”. Bisher hatten<br />
wir nach einer Methode gesucht, die den Umgang mit<br />
Beschwerden für alle Beteiligten verbindlicher macht<br />
und die einen Einstieg ins Qualitätsmanagement liefert.<br />
Das von der Robert Bosch Stiftung geförderte Pilotprojekt<br />
zum Thema „Beschwerdemanagement” schien<br />
die Gelegenheit zu bieten, nach der wir gesucht hatten.<br />
Zu Beginn des Jahres 2000 entschied die Geschäftsleitung<br />
sich an diesem Projekt zu beteiligen. Die Chance,<br />
die wir uns für unsere Einrichtung durch die Teilnahme<br />
versprochen haben ist sicherlich zum einen die fachliche<br />
Kompetenz des Projektleiters Gerhard Tinnefeldt<br />
zu nutzen und zum anderen sich nicht selbstständig<br />
dieses neue Themenfeld erschließen zu müssen.<br />
2. Die Umsetzung des Beschwerdemanagements<br />
Die Teilnahme an dem Modellprojekt zum Beschwerdemanagement<br />
hat verdeutlicht, dass alle Hierarchieebenen<br />
für den Empfang und die Bearbeitung von<br />
Beschwerden verantwortlich sind. Keine Mitarbeiterin<br />
und kein Mitarbeiter kann sich dem Thema entziehen,<br />
nach dem Motto: „Dafür bin ich nicht zuständig.”<br />
Deshalb war und ist es wichtig, alle Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter in das Projekt einzubinden.<br />
32 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 09/2002
Präsentation von Beschwerdemanagement-Modellen aus der Praxis<br />
Konkret sind folgende Gremien beteiligt worden:<br />
• der Träger<br />
• alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />
• eine Arbeitsgruppe, bestehend aus allen Abteilungsleitungen<br />
und der MAV-Vorsitzenden, die maßgeblich<br />
mit für den Transport des Themas in die<br />
Organisation verantwortlich waren und sind<br />
• Fremdleister für Mahlzeitenservice und Reinigung<br />
Darüber hinaus wurde die Öffentlichkeit informiert.<br />
Im Frühjahr diesen Jahres sind die Heimverträge entsprechend<br />
geändert worden und in einem Anschreiben<br />
sind alle Bewohner und deren Angehörige über ihr<br />
Beschwerderecht informiert worden.<br />
Bei der Resonanz auf das Projekt muss man unterscheiden<br />
zwischen den einzelnen Beteiligten:<br />
• Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />
Die Resonanz bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern<br />
war insoweit groß, als dass man sich von<br />
diesem Verfahren mehr Handlungssicherheit auch<br />
in heiklen und emotional vorgebrachten Beschwerdesituationen<br />
versprochen hat. Das Einüben der<br />
Kommunikationsregeln und des Verfahrens innerhalb<br />
der Trainings war dazu sehr hilfreich. Im<br />
Arbeitsalltag muss das natürlich weiterhin eingeübt<br />
werden.<br />
• Bewohnerinnen und Bewohner sowie Angehörige<br />
Nach der Veröffentlichung des Projektes und die<br />
Aufnahme des Beschwerdemanagements als Be -<br />
standteil im Heimvertrag war eine Reaktion bei<br />
den Angehörigen zu beobachten. Manche nahmen<br />
Rücksprache, brachten direkt Beschwerden vor<br />
oder suchten nach einer Erklärung im persönlichen<br />
Gespräch. Dies ist bei den Bewohnerinnen und Be -<br />
wohnern ausgeblieben.<br />
• Träger<br />
Das Trägerinteresse wuchs, als das Projekt veröffentlicht<br />
werden sollte. Über die Art der Information<br />
an die Bewohnerschaft und die Formulierung<br />
des Briefes entbrannte eine Diskussion mit dem<br />
Aufsichtsrat.<br />
• Heimaufsicht<br />
Die Heimaufsicht zeigte sich sehr interessiert, da<br />
ein großes Aufgabengebiet der Heimaufsicht die<br />
Bearbeitung von Beschwerden ist. Sie nahm die<br />
Information auch als Anregung für andere Einrichtungen<br />
mit.<br />
3. Beschwerdeanlässe<br />
Als Beschwerdeanlässe möchte ich zwei Beispiele<br />
anhand der Beschwerdeformulare vorstellen:<br />
Fall 1: Abendessen ist in den Nachmittag gerutscht<br />
Auffällig am ersten Fall ist, das ohne die Beschwerde<br />
der Angehörigen es sicher erst viel später aufgefallen<br />
wäre, dass sich die Zeiten für das Abendessen schleichend<br />
immer weiter nach vorne schieben und gleichzeitig<br />
weiter verkürzen. Dadurch, das der Fremdleister<br />
für die Verteilung des Abendbrotes zuständig ist, fällt<br />
es den eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erst<br />
viel später auf. Auf die Rückmeldung von außen ist<br />
man in diesem Fall angewiesen.<br />
Fall 2: Suppe zu wässrig<br />
Im zweiten Fall ist das Thema in einer der nächsten<br />
Speiseplanbesprechungen noch einmal mit behandelt<br />
worden.<br />
Das System des Beschwerdemanagements liefert eine<br />
Verbindlichkeit für alle Beteiligten. Die Angehörigen<br />
09/2002 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 33
Präsentation von Beschwerdemanagement-Modellen aus der Praxis<br />
fühlen sich durch die verbindliche Bearbeitung, indem<br />
sie spätestens nach vier Kalendertagen eine Rückmeldung<br />
bekommen, ernst genommen. Den Mitarbeitern<br />
vermittelt der Ablauf Handlungssicherheit.<br />
Des Weiteren werden Themen aufgedeckt, die direkt<br />
und unmittelbar Einfl uss auf qualitätssichernde Maßnahmen<br />
nehmen.<br />
4. Beschwerdeauswertung<br />
* Die Zahlen bezeichnen die bearbeiteten Beschwerdeformulare<br />
mit bis zu jeweils vier Beschwerdeinhalten,<br />
die einen Leistungsbereich betreffen.<br />
Anhand des Beschwerdeindex ist die Beschwerdehäufi<br />
gkeit in unserer Einrichtung erkennbar. Es wird<br />
deutlich, dass ständig Handlungsbedarf besteht, damit<br />
das System nicht einschläft. Um dies zu erreichen<br />
sind zum einen punktuelle Einzelmaßnahmen, die eindeutige<br />
Akzente setzen, zum anderen Beständigkeit<br />
gefragt.<br />
Einzelmaßnahmen bestehen aus ein bis zwei jährlichen<br />
Schulungen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter:<br />
Kommunikationsregeln und Verhalten im Umgang<br />
mit Externen müssen ständig trainiert und das System<br />
sicher beherrscht werden.<br />
So wie die Notfallkompetenz eines Rettungssanitäters<br />
müsste die Gesprächskompetenz unserer Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter bei der Annahme und Bearbeitung<br />
von Beschwerden und Wünschen trainiert sein.<br />
Andererseits ist eine gewisse Hartnäckigkeit gefragt.<br />
Das Thema Beschwerdemanagement ist Tagesordnungspunkt<br />
einer jeden Besprechung. Aktuelle Be -<br />
schwerden sollen kurz in den Übergaben thematisiert<br />
werden, zurückliegende Beschwerden innerhalb von<br />
Teambesprechungen und Leitungskonferenzen ausgewertet<br />
und refl ektiert werden.<br />
Es ist ständig darauf zu achten, dass Maßnahmen der<br />
Beschwerdestimulierung, wie das Tragen der Namensschilder<br />
und das Aktualisieren von Organigrammen<br />
eingehalten werden.<br />
5. Ausblick<br />
Ob das System noch bei allen bekannt ist, wurde in<br />
einer kleinen Fragebogenaktion in der Mitarbeiterschaft<br />
getestet.<br />
Ob das System auch bei unseren Angehörigen an -<br />
kommt, wollen wir in diesem Jahr durch eine Weihnachtskarten-Aktion<br />
testen. Neben einem Gruß zu<br />
Weihnachten wollen wir fragen, ob die Angehörigen<br />
den Eindruck haben, sich offen mitteilen zu können,<br />
ob sie ihren Fragen und Wünschen hinterherlaufen<br />
müssen und ob sie zufrieden sind. Wir erhoffen uns<br />
dadurch unabhängig vom Alltag eine Rückmeldung<br />
über unsere Leistungen zu erhalten.<br />
34 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 09/2002
Präsentation von Beschwerdemanagement-Modellen aus der Praxis<br />
Thomas Herold:<br />
Aufbau eines Beschwerdemanagements<br />
Störfaktor oder Chance?<br />
Ich will aus der Erfahrungswelt eines Trägers der<br />
Kinder- und Jugendhilfe etwas beitragen: Ich werde<br />
dabei in mehrfacher Hinsicht die Frage nicht wirklich<br />
beantworten, sondern eher Störfaktoren, Chancen und<br />
Fragezeichen beim Aufbau eines Beschwerdemanagements<br />
darstellen können.<br />
Wir haben Beschwerdeverfahren, ob wir eine Einrichtung<br />
mit Beschwerdemanagement sind – da steht<br />
schon das erste Fragezeichen.<br />
Ein kurzer Blick auf die Einrichtung<br />
Die Evangelische Gesellschaft Stuttgart e.V. (eva)<br />
gehört zu den Komplex-Einrichtungen, vereinigt sie<br />
doch unter ihrem Dach sehr Vieles, was zur <strong>Diakonie</strong><br />
in der Großstadt gehört. Die Palette geht von der<br />
Kinder- und Jugendhilfe über Wohnungslosenhilfe,<br />
Sozialpsychiatrische Dienste, Suchtkrankenhilfe bis<br />
zu Hilfen für ältere Menschen mit besonderen sozialen<br />
Schwierigkeiten, um einige wichtige Aufgabenbereiche<br />
zu nennen.<br />
Im Weiteren ist ausschließlich von der Kinder- und<br />
Jugendhilfe die Rede.<br />
Kurzer Überblick über den Bereich Kinder- und<br />
Jugendhilfe anhand von Platzzahlen (der Bereich ist<br />
untergliedert in Teileinrichtungen/Dienststellen mit<br />
teilweise eigener Geschichte und Organisationskultur):<br />
Sozialraumorientierte fl exible Hilfen in einem Stuttgarter<br />
Stadtgebiet (ca. 200 Individuelle Hilfen p.a.)<br />
Stationäre Plätze in Innen- und<br />
Außenwohngruppen ca. 90<br />
Erziehungsstellen ca. 10<br />
Betreutes Jugendwohnen und ISE 80 ca.<br />
Tagesgruppen und soziale Gruppenarbeit ca. 38<br />
Sozialtherapeutische Gruppenarbeit ca. 40<br />
Betreutes Wohnen (§72 BSHG) ca. 20<br />
Mobile Jugendarbeit in Kooperationen in<br />
14 Stadtregionen<br />
Jugendberufshilfe, Schulsozialarbeit<br />
Ohne dass ich jetzt die Kinder- und Jugendhilfe der<br />
eva als besonders groß oder komplex bezeichnen will,<br />
ist doch meine Erfahrung, dass die Einführung und das<br />
Lebendig-Halten von Qualitätsmanagement in Einrichtungen<br />
dieser Struktur eine besondere Herausforderung<br />
darstellt.<br />
Eher dezentrale Kulturen von Teileinrichtungen und<br />
zentrale, das heißt gemeinsame Leitlinien im Sinne<br />
von Leitbild und Qualitäts-Standards sind Pole einer<br />
Einheit, wirken zuweilen auch als Gegensätze.<br />
Was sind nun unsere Beschwerdeverfahren<br />
als Modell eines Beschwerdemanagements?<br />
Beschwerdeverfahren als Teil des Qualitätsmanagement-Systems<br />
(QMS)<br />
Die eva-Kinder- und Jugendhilfe arbeitet mit einem<br />
QMS, das im Kern in den Jahren 1997 bis 1999 aufgebaut<br />
wurde und ständig weiterentwickelt wird.<br />
Die Beschwerdeverfahren sind Teil des QMS geworden.<br />
An diesem Prozess waren alle Leitungsebenen<br />
und ausgewählte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus<br />
den verschiedenen Bereichen beteiligt. Damit stehen<br />
die Beschwerdeverfahren in einem Gesamtzusammenhang.<br />
• Im Leitbild oder unserer Gesamtkonzeption ist<br />
die so genannte Kundenorientierung dargelegt und<br />
damit die Selbstverpfl ichtung, Rechte und Anliegen,<br />
Wünsche und Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen,<br />
der Eltern oder Personensorgeberechtigten<br />
(PSB) ernst zu nehmen und diese „Anspruchsgruppen”<br />
auch in ihrer Wahrnehmung von Rechten zu<br />
unterstützen.<br />
• Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind interne<br />
Kunden und somit den externen Kunden wie Eltern,<br />
Kindern und Jugendlichen gleichgestellt. Die Qualität<br />
ihres Tuns ist der wesentliche Wirkfaktor der<br />
erlebbaren Qualität der Jugendhilfe, die Zufriedenheit<br />
der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wiederum<br />
ist ein wesentlicher Wirkfaktor für die Arbeitsqualität,<br />
und Zufriedenheit ist auch davon abhängig, wie<br />
mit Anliegen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />
09/2002 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 35
Präsentation von Beschwerdemanagement-Modellen aus der Praxis<br />
an die Arbeit und ihren Rechten in der Organisation<br />
umgegangen wird.<br />
• Beschwerdemanagement muss meines Erachtens<br />
eingeordnet werden in die Themen der Beteiligungs-<br />
oder Mitwirkungsmöglichkeiten und -rechte<br />
der im engeren Sinne am Dienstleistungsprozess<br />
Kinder- und Jugendhilfe Beteiligten.<br />
Daher ein kurzer Blick auf die, die in der Kinder- und<br />
Jugendhilfe zusammenwirken:<br />
„Das Dienstleistungsviereck bei den Hilfen zur Erziehung“<br />
Jugendamt<br />
Freier Träger<br />
Ko-Produktion der Dienstleistung<br />
Eltern/Sorgeberechtigte<br />
Kind /Jugendliche<br />
Eine Aufgabe von QM ist es, sich immer wieder mit<br />
den berechtigten Erwartungen der am Jugendhilfeprozess<br />
Beteiligten zu beschäftigen. Eine Erweiterung auf<br />
andere Organisationen wie Schule oder Arbeitsstelle<br />
sind natürlich denkbar.<br />
Unsere Beschwerdeverfahren richten sich also an alle<br />
vier Ko-Produzenten, wobei das Beschwerdeverfahren<br />
für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die interne Perspektive<br />
des freien Trägers abbildet.<br />
Darstellung der Verfahren<br />
Eigentlich sollte mit der Darstellung des Beschwerdeverfahrens<br />
für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />
begonnen werden. Warum?<br />
Ich stelle die These in den Raum: Das Beschwerdeverfahren<br />
für die externen Ko-Produzenten, also Kinder,<br />
Jugendliche, Eltern und Kostenträger/Jugendämter<br />
wird sich nur dann zu voller Blüte entwickeln, wenn<br />
die von diesen Verfahren in erster Linie angesprochenen<br />
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter „an der Front<br />
der Jugendhilfe” selber durchweg positive Erfahrungen<br />
mit ihren eigenen Mitwirkungs- und eben auch<br />
Beschwerdemöglichkeiten gemacht haben und weiter<br />
machen.<br />
Im Folgenden wird allerdings auf die Beschwerdemöglichkeiten<br />
für die Nutzer/Adressaten fokussiert.<br />
Beschwerdeverfahren für Kinder/Jugendliche, El -<br />
tern und Jugendämter<br />
Im Sinne des oben beschriebenen Gesamtzusammenhangs<br />
zunächst ein Blick auf die Formen von<br />
Beteiligung/Mitwirkung oder Zusammenarbeit im<br />
Alltag der Kinder- und Jugendhilfe. Hierzu ein Blick<br />
auf die Prozesslandschaft des QMS:<br />
Leitbild<br />
Ziele<br />
Produkt-/<br />
Leistungsbeschr.<br />
Dokumentation<br />
Statistik<br />
Q- politik<br />
QM-System<br />
Audits<br />
QM-<br />
Bewertung<br />
Personal-<br />
Konzeption<br />
Einarbeitung<br />
Fortbildung<br />
Supervision<br />
Aufnahme Hilfeplanung Umsetzung Beendigung<br />
KundenundMAbefragungen<br />
Beschwerdeverfahren<br />
Q-Zirkel<br />
Im oberen Teil sind die Elemente zu sehen, die die<br />
Darstellung der Organisation betreffen, im unteren Teil<br />
die Elemente, die Unterstützungsfunktion hauptsächlich<br />
für die Weiterentwicklung haben, und in der Mitte<br />
die Elemente des „Hauptgeschäftsprozesses” (Begleitung,<br />
Betreuung, Erziehung).<br />
Die Beteiligungsmöglichkeiten für Kinder, Jugendliche,<br />
Eltern oder Personensorgeberechtigte (PSB) sind<br />
in den einzelnen Teilprozessen verankert und geregelt<br />
• Aufnahme<br />
• Hilfeplanung<br />
• Umsetzung (intern: als Beispiele: Gruppengespräche,<br />
Freizeitplanung, „Heimversamm lung”)<br />
• Beendigung<br />
Kundenbefragungen für Kinder/Jugendliche, Eltern/<br />
PSB und Jugendämter sind eine weitere Form der<br />
Beteiligung, die wir sukzessive aufbauen.<br />
Und schließlich das Beschwerdeverfahren, das auf den<br />
Seiten 38 und 39 im Anhang vollständig mit der so<br />
genannten Verfahrensanweisung und den Formularen<br />
wiedergegeben ist:<br />
Stand der Praxis beim Beschwerdeverfahren<br />
Das Verfahren für Kinder/Jugendliche und Jugendämter<br />
ist vor knapp zwei Jahren freigegeben und<br />
eingeführt worden – und zwar mit dem geringsten<br />
Aufwand.<br />
36 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 09/2002
Präsentation von Beschwerdemanagement-Modellen aus der Praxis<br />
Es erfolgte der Versand an 45 Handbuchstandorte mit<br />
der Anweisung, die Verfahren in die Handbücher einzusortieren<br />
und der damit verbundenen Aufforderung<br />
an die Dienststellenleiterinnen und -leiter, die Verfahren<br />
über normale Dienstbesprechungen bekannt zu<br />
machen und in die Benutzung einzuführen. Im Unterschied<br />
– so sei selbstkritisch angemerkt – zu anderen<br />
Bestandteilen des Hand buchs, die mit fl ächendeckend<br />
organisierten Workshops eingeführt wurden.<br />
Das Ergebnis eines ersten Aufrufs zur Auswertung<br />
eingegangener Beschwerden mit den Verfahren registrierter<br />
Eingänge brachte keine Resonanz.<br />
Zweites Ergebnis aus einem internen Audit zum Stand<br />
der eingeführten Prozesse in diesem Jahr: Die Verfahren<br />
sind nicht allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />
bekannt, die Informationen erfolgen nicht immer oder<br />
eher beiläufi g, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />
sind über Ziel, Zweck und die Folgen dieses „Offi ziellen<br />
Beschwerdewegs” eher verunsichert.<br />
Konsequenzen<br />
In der QM-Planung für das nächste Jahr wird dem<br />
Beschwerdemanagement eine vorrangige Stellung eingeräumt,<br />
Bestandteile sollten sein:<br />
• Deutliche Positionierung aller Leitungsebenen zum<br />
Thema einschließlich der Überle gungen, wie die<br />
Unternehmenskultur in Richtung Fehlerfreundlichkeit<br />
und lernende Organisation weiterentwickelt<br />
werden kann.<br />
• Geeignete Formen der Information der Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter mit Raum für Auseinanderset<br />
zung (Fragen, Anregungen, Befürchtungen,<br />
Chancen, Grenzen).<br />
• Einführungsworkshops mit „Trainingsmöglichkeiten”.<br />
Rückbesinnung und Nachbemerkung<br />
Die Diskussion bei der Erarbeitung der Beschwerdeverfahren<br />
war durchaus kontrovers:<br />
Der einen Position: „Wir müssen sofort einen Preis<br />
ausloben für die Dienststelle, bei der im nächsten<br />
Jahr die meisten Beschwerden eingehen“ stand kopfschüttelnd<br />
eine andere ge genüber: „Wozu brauchen<br />
wir Beschwerdemöglichkeiten, wir stehen doch mit<br />
den Kindern, Jugendlichen und Eltern eh in ständigem<br />
Kontakt“.<br />
Im Blick zurück war wohl eine verpasste Chance, dass<br />
dieser Diskussion nicht unmittelbar genü gend Raum<br />
gegeben wurde und eine konsensuelle „neue Haltung”<br />
zu diesem Thema nicht wirklich verankert werden<br />
konnte, denn Beschwerdemanagement braucht nicht<br />
nur Verfahren sondern Haltungen.<br />
Begleitung, Betreuung und Erziehung von Kindern und<br />
Jugendlichen ist ein äußerst dynamisches Geschäft, in<br />
dem das alltägliche und unmittelbare Zusammensein,<br />
ja auch das Zusammenleben mit gemeinsamem Arbeiten,<br />
Lachen und Streiten, das Meckern und Motzen<br />
ebenso wie das Klagen über Unveränderliches - Erziehung<br />
ist nicht nur Wunscherfüllung - Platz haben. Ein<br />
doch sehr erwachsen-rationales „Beschwerdeverfahren”<br />
- wo in familiären Kontexten gibt es so was? -<br />
braucht einen für alle Beteiligten stimmigen, handhabbaren<br />
und in der Abschätzung der Konsequenzen<br />
sicheren Rahmen und es ist zur Wahrung der Rechte<br />
von Kindern und Jugendlichen notwendig.<br />
Auch in der Zusammenarbeit mit den Eltern/PSB<br />
spielen (psycho-)dynamische Faktoren eine Rolle:<br />
Hilfe zur Erziehung, gleich ob in familienergänzender<br />
oder gar familienersetzender Form sind vom Willen<br />
oder dem „Zwang” zur Kooperation getragen, ist von<br />
Schuldgefühlen oder -zuweisungen und Konkurrenz<br />
nicht frei.<br />
Für die Etablierung eines unbestritten notwendigen<br />
Beschwerdeverfahrens gilt, dass auch hier die Souveränität<br />
der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der<br />
Schlüssel zum Erfolg ist und der Schlüssel hängt am<br />
tragfähigen Seil (oder seidenen Faden) der sicheren<br />
Einbettung in die lernende Organisation.<br />
09/2002 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 37
Präsentation von Beschwerdemanagement-Modellen aus der Praxis<br />
Verfahrensanweisung zum Umgang mit Beschwerden<br />
1. Ziel / Zweck<br />
Mit dieser Verfahrensanweisung soll erreicht werden,<br />
dass Beschwerden so gehandhabt werden,<br />
dass die Zufriedenheit des Beschwerdeführers<br />
wieder hergestellt wird. Dies wird dadurch<br />
erreicht, dass die Beschwerde ernst genommen<br />
und auf den Sachverhalt eingegangen wird. Nach<br />
der Feststellung, ob die Beschwerde berechtigt<br />
ist, wird der zur Beschwerde führende Sachverhalt<br />
abgestellt. Der Beschwerdeführer wird in<br />
die Bearbeitung durch Gespräch beziehungsweise<br />
Information einbezogen.<br />
2. Anwendungsbereich<br />
Diese Verfahrensanweisung gilt im gesamten Vorstandsbereich<br />
Kinder- und Jugendhilfe. Sie bezieht<br />
sich auf Beschwerden von Kindern, Jugendlichen,<br />
Personensorgeberechtigten und Leistungsträgern.<br />
3. Begriffsdefi nitionen<br />
- nicht belegt -<br />
4. Durchführung und Verantwortung<br />
• Alle jungen Menschen, Eltern und Leistungsträger<br />
werden bei der Aufnahme von der<br />
zuständigen Fachkraft schriftlich und mündlich<br />
darüber informiert, dass in den Hilfeangeboten<br />
des Vorstandsbereichs Kinder- und Jugendhilfe<br />
ein Be- schwerdeverfahren eingeführt wird. In<br />
den Informationsmaterialien des Vorstandsbereichs<br />
wird ebenfalls darauf hingewiesen.<br />
• Beschwerden können mündlich oder schriftlich<br />
vorgebracht werden. Der weitere Umgang<br />
mit der Beschwerde ist dem Beschwerdeführer<br />
unverzüglich mitzuteilen. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen<br />
übernehmen die Beschwerden,<br />
die „recht und billig sind” in das Beschwerdeformular.<br />
Der Dienststellenleiter oder sein Stellvertreter<br />
ist innerhalb von 24 Stunden über die Beschwerde<br />
zu informieren.<br />
• Die Beschwerde muss unverzüglich von der<br />
Person, die mit der Beschwerde angesprochen<br />
ist, bearbeitet werden. Gegebenenfalls ist der<br />
Vorgesetzte einzuschalten. Die Art der Bearbeitung<br />
ist dem Beschwerdeführer innerhalb<br />
von sieben Kalendertagen mitzuteilen.<br />
• Auf dem Beschwerdebeantwortungsformular<br />
ist festzuhalten, in welcher Form die Beschwerde<br />
bearbeitet worden ist.<br />
• Ist der Beschwerdeführer mit der Beschwerdebearbeitung<br />
nicht einverstanden, so wird der<br />
Vorgang an den/die nächst höhere/n Vorgesetzten<br />
weitergeleitet. Dieser hat nach Anhörung<br />
aller Beteiligten einen zweiten Versuch<br />
der Beschwerdebearbeitung innerhalb von<br />
drei Wochen dem Beschwerdeführenden, dem<br />
betroffenen Mitarbeiter und gegebenenfalls<br />
dem Dienststellenleiter schriftlich vorzulegen.<br />
• Beschwerdeformulare sind auf jeder Gruppe<br />
beziehungsweise von jeder sozialen Fachkraft<br />
vorzuhalten.<br />
• Das Beschwerdeformular wird nach Bearbeitung<br />
beim Dienststellenleiter aufbewahrt.<br />
Einmal jährlich werden die Beschwerden durch<br />
den Dienststellenleiter ausgewertet. Es erfolgt<br />
darüber eine Information an die Mitarbeiter und<br />
den/die Fachbereichsleiter/in. Dabei werden<br />
einzuleitende Maßnahmen oder Verbesserungsmöglichkeiten<br />
besprochen.<br />
5. Mitgeltende Unterlagen<br />
Formular Beschwerde-Eingang, Formular Be -<br />
schwerde-Bearbeitung<br />
siehe Seite 39<br />
38 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 09/2002
Präsentation von Beschwerdemanagement-Modellen aus der Praxis<br />
Beschwerde-Eingang<br />
Verfahrensanweisung<br />
Beschwerden<br />
EVA<br />
Kinder- und<br />
Jugendhilfe<br />
Beschwerdeführer: ______________________________<br />
Beschwerde aufgenommen am: ______________________________<br />
Aufgeschrieben von: ______________________________<br />
Vorfall am:<br />
Darstellung Sachverhalt:<br />
______________________________<br />
Welchen Wunsch oder Auftrag verbindet der Beschwerdeführer mit<br />
seiner Beschwerde?<br />
Sollen Personensorgeberechtigte / zuständiges Jugendamt informiert<br />
werden?<br />
Personensorgeberechtigte: Ja Nein <br />
Jugendamt: Ja Nein <br />
Information erfolgt am: .............................................................<br />
Durch: .............................................................<br />
_______________ ___________________________________<br />
Datum Unterschrift des Beschwerdeaufnehmenden<br />
Beschwerde-Bearbeitung<br />
Verfahrensanweisung<br />
Beschwerden<br />
Zusätzliche Informationen eingeholt bei:<br />
Andere Darstellungen des selben Vorfalls (wer sieht was anders?)<br />
Beschwerdebearbeitung in Form von:<br />
EVA<br />
Kinder- und<br />
Jugendhilfe<br />
Information Beschwerdeführer<br />
Telefonisch mitgeteilt am: .......................................................................<br />
Schriftlich informiert am: .......................................................................<br />
Beschwerdeführender mit Bearbeitung einverstanden: Ja Nein <br />
_________________ _________________ _________________<br />
BeschwerdeführerIn MitarbeiterIn DienststellenleiterIn<br />
09/2002 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 39
Präsentation von Beschwerdemanagement-Modellen aus der Praxis<br />
Thomas Weghmann:<br />
Vom Umgang mit Beschwerden in der Erziehungsberatung<br />
Die Beratungsstelle hat sich bereits 1993 aus aktuellem<br />
Anlass mit „Beschwerden” von Ratsuchenden<br />
auseinandergesetzt. Auslöser waren manifeste Fehler<br />
von Beraterinnen und Beratern in Beratungsstellen im<br />
allgemeinen, die öffentlich diskutiert wurden.<br />
Für die Nutzer der Einrichtungen waren das Führen<br />
einer Beschwerde, das Äußern einer Kritik aufgrund<br />
ihrer besonderen Lebenssituation und Abhängigkeit<br />
von der Unterstützung durch die Beratungsstelle<br />
besonders schwierig. Es bedurfte also nach Einsicht<br />
der Beratungsstelle eines geordneten erkennbaren Verfahrens<br />
im Umgang mit Kritik, Unzufriedenheit und<br />
Beschwerde.<br />
Die Leitung der Beratungsstelle hat die Einführung<br />
eines solchen Verfahrens zur Chefsache erklärt und<br />
ihre Verantwortung für gelingende Beratungsprozesse<br />
und die Beseitigung von Fehlern deutlich gemacht.<br />
Aufgrund dieses „Top-down”-Prozesses konnten dann<br />
die Mitarbeitenden für die systematische Einführung<br />
eines Beschwerdeverfahrens gewonnen werden, ihr<br />
Widerstand gegen eine Änderung bisher gängiger<br />
Praxis war im Vorfeld antizipiert und damit auch<br />
Gegenstand der Beratung bezüglich eines geeigneten<br />
Auswahlverfahrens und einer angemessenen Me -<br />
thode.<br />
Folgende Fragen wurden dabei angesprochen und<br />
bearbeitet:<br />
• Wer hat welche Rolle im Umgang mit den Klientinnen<br />
und Klienten? Zum Beispiel<br />
Leitung<br />
Therapeutische Fachkräfte<br />
Empfang<br />
Träger<br />
• Was ist ein schädigendes Verhalten seitens der<br />
Fachkräfte? Zum Beispiel<br />
Grundloser Therapieabbruch<br />
Unzuverlässigkeit<br />
Rollenverkehrung<br />
• Die Bedeutung von Refl exion und Supervision zum<br />
Erhalt der eigenen Professionalität<br />
• Die Einführung des transparenten, systematischen<br />
Verfahrens auch im Blick auf die Einarbeitung<br />
neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sorgt für<br />
vergleichsweise gleichbleibende Qualität und Beratung<br />
und ist damit ein zentraler Baustein der Qualitätsentwicklung<br />
des Dienstes.<br />
Das eingeführte Verfahren umfasst folgende Bausteine:<br />
• Protokoll des Betroffenen<br />
• Protokoll des die Beschwerde aufnehmenden Mitarbeitenden<br />
• Protokoll des Adressaten der Beschwerde<br />
Schematische Darstellung: Ablauf des Beschwerdeverfahrens<br />
a) Klientin/Klient kann sich richten an<br />
Anmeldesekretariat<br />
offene Sprechstunde<br />
b) Anmeldesekretariat<br />
oder erstellen Protokoll<br />
Sprechstunde<br />
Zwischeninfo an den Klienten<br />
c) Protokoll geht an Fachaufsicht<br />
Bei Honorarkräften/Praktikanten:<br />
Leitungsteam der Beratungsstelle<br />
Bei Hauptamtlichen:<br />
Hilfswerkvorsitzenden DW Hamburg<br />
40 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 09/2002<br />
informiert<br />
d) Darstellung der Beraterin/des Beraters<br />
e)<br />
Beraterin/Berater<br />
Bei Honorarbeauftragten/Praktikanten berät Leitungsteam auf Grundlage<br />
des Protokolls und der Darstellung des Beraters<br />
f) Beschluss in Textform geht an Klientin/Klient und Beraterin/Berater
Einführung von Beschwerdemanagement in die Kinder- und Jugendhilfe<br />
Karl Späth:<br />
Einführung von Beschwerdemanagement in die Kinder- und<br />
Jugendhilfe?! – Ein Arbeitsgruppenergebnis<br />
Das Thema institutionalisierte und formalisierte Verfahren<br />
zur Anregung und Bearbeitung von Beschwerden<br />
im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe hat bisher<br />
einen sehr geringen Stellenwert. Gleichzeitig wächst<br />
aber das Bewusstsein, dass hier ein Handlungsbedarf<br />
besteht. Allerdings gibt es noch große Unsicherheit<br />
darüber, wie eine Sensibilisierung und Aufgeschlossenheit<br />
für das Thema konstruktiv erreicht werden<br />
kann.<br />
Mögliche Gründe, die bisher dazu geführt haben, die<br />
Entwicklung einer Beschwerdekultur und transparenter<br />
Verfahren zur Bearbeitung von Beschwerden in den<br />
Einrichtungen und Diensten der Kinder- und Jugendhilfe<br />
zu erschweren oder zu verhindern, können unter<br />
anderem sein:<br />
• Die Entwicklung eines echten Dienstleistungsverständnisses<br />
steht in der Kinder- und Jugendhilfe<br />
noch am Anfang.<br />
• In der Kinder- und Jugendhilfe dominiert nach wie<br />
vor ein ausgeprägtes Samariterdenken, das heißt,<br />
die Fachkräfte gehen davon aus, dass sie „Gutes“<br />
tun und es deshalb eigentlich gar keine Beschwerdeanlässe<br />
geben darf.<br />
• Das Hilfeplanverfahren bietet den Kindern und<br />
Jugendlichen und ihren Angehörigen vielfältige<br />
Möglichkeiten zur Einbringung eigener Vorstellungen<br />
und zur Äußerung von Unzufriedenheit.<br />
• Die in der Kinder- und Jugendhilfe selbstverständliche<br />
Zusammenarbeit mit den Eltern bietet diesen<br />
vielfältige Möglichkeiten, Kritik und Beschwerden<br />
auf informelle Weise zu äußern.<br />
• Wenn ernsthafte Probleme auftreten, sind sie häufi g<br />
sehr komplex und betreffen meist auch die Ebene<br />
der Beziehungen, was dazu führt, dass die Probleme<br />
nicht offen angesprochen werden.<br />
• Im Unterschied zu anderen Arbeitsfeldern der Sozialarbeit<br />
gibt es in der Jugendhilfe bisher keine<br />
gesetzlichen Verpfl ichtungen zur Institutionalisierung<br />
von Beschwerdeverfahren.<br />
• Da es in der Kinder- und Jugendhilfe bisher in<br />
der Regel keine Betreuungsverträge zwischen der<br />
Einrichtung und den Sorgeberechtigten gibt, gibt<br />
es weniger objektive Bezugspunkte für Kritik und<br />
Unzufriedenheit.<br />
• Das Bewusstsein, dass Eltern und Kinder Rechte<br />
haben, die beachtet werden müssen, ist in der Kinder-<br />
und Jugendhilfe bisher wenig ausgeprägt und<br />
deshalb werden Rechtsverletzungen gar nicht wahrgenommen.<br />
• Im alltäglichen Zusammenleben bestehen vielfältige<br />
Möglichkeiten, auftretende Konfl ikte und Probleme<br />
einvernehmlich zu lösen, deshalb erscheinen<br />
institutionalisierte Beschwerdeverfahren verzichtbar.<br />
• Bisher ist die Kinder- und Jugendhilfe weitgehend<br />
von öffentlichen Skandalen, wie sie zum Beispiel<br />
im Pfl egebereich und in der Altenhilfe in der letzten<br />
Zeit wiederholt vorgekommen sind, verschont<br />
geblieben und deshalb gibt es kaum öffentlichen<br />
Druck zur Etablierung von Beschwerdemöglichkeiten.<br />
• Da zwischen den Einrichtungen und Diensten der<br />
Kinder- und Jugendhilfe bisher kaum ein echter<br />
Wettbewerb um die Kunden besteht, entfällt der<br />
Druck für die Einrichtungen, sich durch besonders<br />
ausgeprägte Kundenorientierung zu profi lieren.<br />
• Das Bewusstsein, dass Beschwerden eine Form<br />
kostenloser Vorschläge zur Verbesserung der Arbeit<br />
sein können, wird in der Kinder- und Jugendhilfe<br />
bisher kaum gesehen.<br />
Diese Zusammenstellung von möglichen Gründen,<br />
warum in der Kinder- und Jugendhilfe das Thema<br />
institutionalisierte Beschwerdemöglichkeiten bisher<br />
nur einen sehr geringen Stellenwert hat, zeigt zum<br />
09/2002 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 41
Einführung von Beschwerdemanagement in die Kinder- und Jugendhilfe<br />
einen, dass die Ausgangslage für die Etablierung von<br />
Beschwerdemanagement in der Kinder- und Jugendhilfe<br />
sich tatsächlich erheblich unterscheidet von anderen<br />
Arbeitsfeldern, zum Beispiel der Pfl ege oder<br />
der Alten- oder Behindertenhilfe. Zum anderen wird<br />
deutlich, dass eine Auseinandersetzung mit den eher<br />
unberechtigten Gründen für die Zurückhaltung und<br />
Ablehnung gegenüber institutionalisierten Beschwerdeverfahren<br />
dringend erforderlich ist und angeregt<br />
werden muss.<br />
Die Einführung von Beschwerdemanagement in der<br />
Kinder- und Jugendhilfe wäre sinnvoll, nötig und hilfreich,<br />
weil dadurch ein Professionalisierungsschub in<br />
Verbindung mit einer Erhöhung der Professionalisierung<br />
der Arbeit erreicht werden könnte. Außerdem<br />
muss davon ausgegangen werden, dass auch in der<br />
Kinder- und Jugendhilfe von den Fachkräften Fehler<br />
gemacht werden oder Fehlverhalten auftritt und deshalb<br />
für Kinder und Jugendliche und ihre Angehörigen<br />
immer wieder Anlass für Beschwerden besteht.<br />
Deshalb sollte auch ohne akuten Handlungsdruck<br />
darauf hingewirkt werden, in der Kinder- und Jugendhilfe<br />
die Bereitschaft für die Etablierung von Beschwerdemöglichkeiten<br />
zu wecken.<br />
Folgende Handlungserfordernisse und Handlungsmöglichkeiten<br />
zur Sensibilisierung der Verantwortlichen<br />
in der Kinder- und Jugendhilfe für die Notwendigkeit<br />
und den Nutzen von institutionalisierten Beschwerdeverfahren<br />
sind zu nennen:<br />
• Wenn die Ermöglichung von Beschwerden eine spezielle<br />
Form von Betroffenenbeteiligung ist, sollte in<br />
den Einrichtungen zunächst geprüft werden, welche<br />
Beteiligungsmöglichkeiten schon bestehen und wie<br />
die schon vorhandenen Beteiligungsmöglichkeiten<br />
in Richtung der Etablierung einer Beschwerdekultur<br />
weiterentwickelt werden können.<br />
• Die Leitungsebene von Einrichtungen und Diensten<br />
muss von der Notwendigkeit und dem Nutzen von<br />
institutionalisierten Beschwerdeverfahren überzeugt<br />
sein und dafür gewonnen werden, Beschwerdemanagement<br />
als einen wichtigen Aspekt von Quali -<br />
tätsmanagement anzuerkennen und für die Sensibilisierung<br />
ihrer Mitarbeiterschaft für dieses Thema<br />
und die Etablierung von Beschwerdeverfahren die<br />
Verantwortung zu übernehmen.<br />
• Im Rahmen von Fortbildungen, Workshops und<br />
Dienstbesprechungen sollte die Mitarbeiterschaft<br />
in Einrichtungen und Diensten der Kinder- und<br />
Jugendhilfe durch die Leitungsebene für die Notwendigkeit<br />
und den Nutzen einer Beschwerdekultur<br />
sensibilisiert werden.<br />
• Die Aktivierung von Beschwerdebereitschaft auf<br />
Seiten der „Kunden“ ist allerdings nur dann sinnvoll,<br />
wenn in der Mitarbeiterschaft die oben geforderte<br />
Sensibilisierung für Beschwerden erreicht<br />
und außerdem geklärt ist, wer für die Bearbeitung<br />
von Beschwerden zuständig ist. In diesem Zusammenhang<br />
muss dann auch sichergestellt werden,<br />
dass die für die Beschwerdebearbeitung zuständigen<br />
Personen oder Gremien die erforderlichen zeitlichen<br />
und sachlichen Ressourcen zur Verfügung<br />
haben.<br />
• Von Seiten der Spitzenverbände sollten Arbeitshilfen<br />
bereitgestellt werden, die für das Thema ‚Um -<br />
gang mit Beschwerden‘ sensibilisieren und Vorschläge<br />
zur Einführung von Beschwerdeverfahren<br />
enthalten.<br />
• Beschwerdekultur, Beschwerdeverfahren und Beschwerdemanagement<br />
sollten verstärkt Thema und<br />
Inhalt von Fortbildungsangeboten werden.<br />
• In den Verbandsgremien sollte das Thema Beschwerdekultur<br />
in den Einrichtungen und Diensten immer<br />
wieder auf die Tagesordnung gesetzt werden.<br />
42 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 09/2002
Das Modell „Customer Service Center“ bei der Siemens AG<br />
Markus Nowara:<br />
Beschwerdemanagement als fester Bestandteil von Dienstleistungen<br />
in einer Profi torganisation<br />
Markus Nowara von Siemens Customer Service Center<br />
erläutert anhand einer Reihe von Folien das Konzept<br />
des Corporate Mobility Service der Siemens AG.<br />
Die Tatsache, dass es sich bei dem vorgestellten<br />
Modell für Beschwerdemanagement innerhalb des<br />
Wirtschaftsunternehmens um einen Dienstleistungsbereich<br />
handelt, macht die Übertragung der Erfahrungen<br />
aus der Siemens AG für die Arbeit im sozialen<br />
Dienstleistungsbereich besonders anschaulich.<br />
Die Siemens AG als weltweit operierender Konzern<br />
hat ihre gesamten Erfordernisse bezüglich der Reisetätigkeit<br />
all ihrer weltweit operierenden Mitarbeiter<br />
an einen so genannten Customer Service abgegeben.<br />
Diese Tätigkeit, die wiederum sehr eng mit Fremdfi rmen<br />
zusammenarbeiten muss, wie Reisebüros, Autovermietung,<br />
Bahn und Fluggesellschaften, ist durch<br />
die Vielfältigkeit und die individuellen Erwartungen<br />
besonders störanfällig. Deshalb wurde von Beginn an<br />
in diese Dienstleistung auch ein Beschwerdemanagement<br />
eingebaut. Dabei ging die Organisation davon<br />
aus, dass Beschwerden ein kostenloser Ratschlag an<br />
den Dienstleister bedeuten und dass es sinnvoll ist,<br />
diese Beschwerden besonders ernst zu nehmen und<br />
aktiv zu bearbeiten.<br />
Bei der Organisation von Reisen wurde ausdrücklich<br />
das Beschwerdemanagement offensiv angeboten und<br />
das Verfahren transparent dargestellt.<br />
Auf den nachfolgenden Folien (Seiten 44 bis 65) wird<br />
deutlich, dass ein zentrales Kriterium bei der Einführung<br />
eines Beschwerdemanagements und seines<br />
Erfolges die Werbung für die Nutzung des Beschwerdemanagements,<br />
das offensive Bekanntmachen der<br />
Möglichkeiten und eine systematische Dokumentation<br />
der eingegangenen Beschwerden sind. Auch eine<br />
Dokumentation der Abhilfe von entstandenen Fehlern<br />
bei Dokumentation, der Auseinandersetzung mit der<br />
Kritik und ihrer Konsequenzen für künftige Verbesserungen<br />
der Dienstleistung sind Teil dieses Erfolges.<br />
Das Projekt macht deutlich, dass sich das Kosten-<br />
Nutzen-Verhältnis massiv zu Gunsten des betriebswirtschaftlichen<br />
Nutzens vom aktivem Umgang mit<br />
Beschwerden ausgewirkt hat.<br />
09/2002 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 43
Das Modell „Customer Service Center“ bei der Siemens AG<br />
Agenda<br />
Kurzvorstellung Siemens AG<br />
Ausgangs-Situation Siemens Travel Management<br />
Chancen durch die Einführung des Customer Services<br />
44 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 09/2002<br />
Realisierung des Customer Services<br />
Statistische Auswertungen des Customer Services<br />
Fazit<br />
Corporate Mobility Services<br />
Seite 2
Das Modell „Customer Service Center“ bei der Siemens AG<br />
Corporate Structure<br />
Corporate Executive Committee<br />
Corporate Departments<br />
Operating Groups<br />
Corporate<br />
Development<br />
Corporate<br />
Technology<br />
Corporate<br />
Personnel<br />
Corporate<br />
Finance<br />
Power<br />
Transmission and<br />
Distribution<br />
PTD<br />
Industrial<br />
Solutions and<br />
Services<br />
I&S<br />
Siemens<br />
Automotive AG<br />
Automation<br />
and Drives<br />
CD<br />
CT<br />
CF CP<br />
Corporate Centers<br />
AT*<br />
A&D<br />
Power<br />
Generation<br />
Infineon<br />
Technologies AG<br />
Chief<br />
Economist/<br />
Corporate<br />
Relations<br />
ECR<br />
Corporate<br />
Communication<br />
PG<br />
Infineon*<br />
Information &<br />
Communication<br />
Networks<br />
ICN<br />
Information and<br />
Communication<br />
Mobile<br />
ICM<br />
CC<br />
Management<br />
Consulting<br />
Personnel<br />
MCP<br />
Information<br />
& Knowledge<br />
Management<br />
IK<br />
Global<br />
Procurement<br />
and Logistics<br />
GPL<br />
e-Business<br />
eB<br />
Siemens Business<br />
Services<br />
GmbH & Co. OHG<br />
SBS*<br />
Siemens Production<br />
and Logistics<br />
Systems AG<br />
PL*<br />
OSRAM GmbH<br />
Medical Solutions<br />
09/2002 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 45<br />
Offices<br />
Corporate<br />
Security<br />
Osram*<br />
Med<br />
top+<br />
Chief Data<br />
Protection<br />
Officer<br />
Corporate<br />
Regional<br />
Offices<br />
Ref US<br />
ZV DSB<br />
ZV WR<br />
Transportation<br />
Systems<br />
Siemens Financial<br />
Services GmbH<br />
Siemens Building<br />
Technologies AG<br />
Shared Services<br />
TS<br />
SFS*<br />
SBT*<br />
Marketing<br />
Services<br />
Germany<br />
MSG<br />
Pension<br />
Services<br />
Germany<br />
PSG<br />
Legal<br />
Services<br />
Service<br />
Center<br />
Personnel<br />
SCP<br />
* Separate legal units<br />
LS<br />
International<br />
Delegation<br />
Center<br />
IDC<br />
I&C<br />
Corporate<br />
Account Mgt.<br />
IC CAM<br />
Corporate<br />
Mobility<br />
Services<br />
CMS<br />
Communication<br />
Services<br />
Germany<br />
CSG<br />
Siemens<br />
Management<br />
Consulting<br />
Siemens<br />
Qualification<br />
and Training<br />
SQT<br />
Siemens<br />
Procurement<br />
and Logistics<br />
Services<br />
SPLS<br />
Siemens<br />
Real Estate<br />
Siemens<br />
Professional<br />
Education<br />
SPE<br />
Accounting<br />
Services<br />
Regional Companies<br />
Representation Offices<br />
Siemens-Spokesmen<br />
Regional Offices<br />
SMC<br />
SRE<br />
AS
Das Modell „Customer Service Center“ bei der Siemens AG<br />
Gebündelte Kompetenz: das Beispiel Airport<br />
Information and Communications<br />
Passagierabfertigung und globale Platzreservierungen,<br />
Airport-Management-<br />
Systeme<br />
Lighting<br />
Vorfeldbeleuchtung,<br />
Beleuchtung im Terminal,<br />
Befeuerung auf den Startund<br />
Landebahnen<br />
Power<br />
Unterbrechungsfreie Stromversorgung<br />
einschließlich<br />
Notstrom-Betrieb<br />
Automation and Control<br />
Flugzeug-Rollführungssysteme,<br />
vollautomatische Gepäcksortieranlagen<br />
und Transportsysteme,<br />
Gebäudeautomation<br />
und -sicherheit<br />
Medical<br />
Notfallversorgung in der<br />
Unfallstation<br />
Transportation<br />
Anschlüsse mit Stadtbahnen und Zügen,<br />
Transportmöglichkeiten zwischen<br />
Parkplätzen und Terminals sowie<br />
zwischen Terminals, Parkleitsysteme<br />
Corporate Mobility Services<br />
Seite 4<br />
46 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 09/2002
Das Modell „Customer Service Center“ bei der Siemens AG<br />
Global Player: präsent in 198 Ländern<br />
Corporate Mobility Services<br />
Seite 5<br />
09/2002 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 47<br />
Vertrieb<br />
Fertigung<br />
Fertigungsstätten:<br />
Europa 327<br />
Amerika 152<br />
Asien/Pazifik 79<br />
Afrika, Naher und<br />
Mittlerer Osten, GUS 14
Das Modell „Customer Service Center“ bei der Siemens AG<br />
Siemens Zahlen und Fakten weltweit<br />
440.000 Mitarbeiter weltweit<br />
250.000 Geschäftsreisende weltweit<br />
1,7 Mrd. € Reiseausgaben im GJ 99/00 davon:<br />
Europa/Afrika: 887 Mio €<br />
Amerika: 331 Mio €<br />
Asien: 123 Mio €<br />
Bereiche mit eigener Rechtsform<br />
(Infineon, Osram, SBS und SBT): 400 Mio €<br />
Corporate Mobility Services<br />
Seite 6<br />
48 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 09/2002
Das Modell „Customer Service Center“ bei der Siemens AG<br />
Die Siemens AG wird in <strong>Deutschland</strong> von<br />
3 Travel Centern betreut<br />
Travelcenter Nord<br />
Hapag Lloyd -- Berlin<br />
Berlin,<br />
Neue Bundesländer,<br />
Schleswig-Holstein,<br />
Hamburg, Bremen,<br />
Niedersachsen,<br />
Nordrhein-Westfalen,<br />
Hessen-Nord<br />
Nordbayern (Reg. Bez. Ober-, Mittelund<br />
Unterfranken, Amberg),<br />
Hessen-Süd (Rhein-Main),<br />
Rheinland-Pfalz, Saarland, Mannheim<br />
Travelcenter Mitte<br />
CWT -- Erlangen<br />
Travelcenter Süd<br />
DER -- München<br />
Südbayern<br />
(Reg. Bez. Oberbayern, Niederbayern,<br />
Oberpfalz, Schwaben),<br />
Baden-Württemberg<br />
(ohne Mannheim)<br />
Corporate Mobility Services<br />
Seite 7<br />
09/2002 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 49
Das Modell „Customer Service Center“ bei der Siemens AG<br />
Jährlich fallen ca. 2,7 Mio Transaktionen bei<br />
Siemens Geschäftsreisen an<br />
Flugsektoren: ca. 862.000<br />
Hoteltransaktionen: ca. 900.000<br />
Mietwagenanmietungen: ca. 458.000<br />
Bahntransaktionen: ca. 445.000<br />
Corporate Mobility Services<br />
Seite 8<br />
50 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 09/2002
Das Modell „Customer Service Center“ bei der Siemens AG<br />
Was ist eine Beschwerde ?<br />
Eine Beschwerde ist jede Äußerung von Unzufriedenheit durch den Kunden<br />
Diese Äußerung kann gegenüber dem Unternehmen oder auch Dritten<br />
geäußert werden<br />
Eine Beschwerde ist das Delta zwischen Kundenerwartung und der vom<br />
Lieferanten erbrachten Leistung<br />
Ob sich der Kunde ungerecht behandelt fühlt, entscheidet einzig und allein<br />
er selbst, auch wenn der Tatbestand objektiv gesehen ein anderer ist<br />
Eine Beschwerde ist immer der Beginn<br />
einer intensiven Kundenbindung<br />
Corporate Mobility Services<br />
Seite 9<br />
09/2002 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 51
Das Modell „Customer Service Center“ bei der Siemens AG<br />
Was möchten wir mit dem Customer Service erreichen?<br />
Erhaltung und Wiederherstellung der Kundenzufriedenheit,<br />
Schaffung eines Klimas des Vertrauens und einer positiven Einstellung<br />
zu Travel Management bzw. zu Corporate Mobility Service<br />
Optimierung der Organisations- und Leistungsprozesse unserer<br />
Lieferanten durch Hinweise der Siemens-Geschäftsreisenden<br />
Corporate Mobility Services<br />
Seite 10<br />
52 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 09/2002<br />
Kritische Reflektion der Arbeit von Travel Management
Das Modell „Customer Service Center“ bei der Siemens AG<br />
Viele Schnittstellen ergeben sich im gesamten<br />
Reiseprozess innerhalb des Konzerns<br />
Travelcenter<br />
Nord/Mitte/Süd<br />
Besteller<br />
Reisender<br />
Corporate Mobility Services<br />
Seite 11<br />
09/2002 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 53<br />
Leistungsträger<br />
Travel Management<br />
Hotline<br />
kfm.<br />
Abwicklung
Das Modell „Customer Service Center“ bei der Siemens AG<br />
4 Prozessschritte garantieren eine systematische<br />
Abarbeitung<br />
Annahme<br />
Erfassung<br />
Weiterleitung<br />
Anregungen<br />
Beschwerden<br />
ggf. Umsetzung in<br />
einen kontinuierlichen<br />
Verbesserungsprozeß<br />
Bearbeitung<br />
und Lösung<br />
Kunde<br />
Zuständige Stelle<br />
Customer<br />
Service<br />
Rückmeldung<br />
Travel Management<br />
Siemens Travelcenter<br />
Reisekostenstelle<br />
Leistungsträger<br />
(z.B. Fluggesellschaften,<br />
Hotels, DB, Leasing-Firmen)<br />
Corporate Mobility Services<br />
Seite 12<br />
54 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 09/2002<br />
Information
Das Modell „Customer Service Center“ bei der Siemens AG<br />
Der Rollout für das Pilotprojekt betrug nur 4 Monate<br />
Software-Tool<br />
und<br />
Infrastruktur<br />
Information des<br />
Betriebsrates<br />
Erarbeitung des<br />
Konzeptes<br />
12.99<br />
Training im Customer Service,<br />
Einbindung der STC MA<br />
mit Kundenkontakt<br />
Einrichtung des<br />
Customer Services<br />
in der Hotline<br />
Präsentation des<br />
Projektes vor den<br />
Bereichsbeauftragten<br />
Pilotprojekt<br />
mit ICN 03.00<br />
Auswertung des<br />
Pilotprojektes<br />
und Modifizierung<br />
des Prozesses<br />
Schrittweise<br />
Zuschaltung der<br />
anderen Bereiche<br />
Breiteneinsatz<br />
für alle<br />
Bereiche 10/00<br />
Information an alle<br />
Beteiligten<br />
(Marketingaktion...)<br />
Aktive, kontinuierliche Einbindung<br />
der Bereichsbeauftragten<br />
in den gesamten Prozeß<br />
Corporate Mobility Services<br />
Seite 13<br />
09/2002 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 55
Das Modell „Customer Service Center“ bei der Siemens AG<br />
Darstellung des Customer Services auf unserer Homepage<br />
Corporate Mobility Services<br />
Seite 14<br />
56 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 09/2002
Das Modell „Customer Service Center“ bei der Siemens AG<br />
Auswertung - die ersten 6 Monate im Echtbetrieb<br />
Auswertung für den Zeitraum 01.10.00 bis 01.04.2001<br />
Anzahl Beschwerden aus ........<br />
davon<br />
98 % erledigt<br />
1534<br />
S Service<br />
SL Leistungsträger<br />
SL1 Erreichbarkeit<br />
SL2 Personalqualifikation<br />
SL3 Personalverhalten<br />
SS STC<br />
SS1 zu lange Zeit bis Rückmeldung<br />
SS2 Erreichbarkeit<br />
SS3 Personalqualifikation<br />
SS4 Personalverhalten<br />
T TravelNet<br />
T01 Benutzerfreundlichkeit<br />
T02 Verfahren<br />
T03 Verfügbarkeit des Systems<br />
T04 Zugang zum Netz<br />
T05 Unregelmäßigkeit in der STN-Buchung<br />
T06 Sonstiges<br />
T07 falsche Tarife hinterlegt<br />
Bei rund 40 % der eingegangenen Beschwerden<br />
betrug die Bearbeitungszeit weniger als 1 Tag<br />
X Sonstige Kriterien<br />
X01 unbefriedigendes Beschwerdemanagement<br />
X03 Anfragen<br />
X04 Anregungen<br />
X05 Lob<br />
X06 Ansprechpartner- / Informationssuche<br />
Corporate Mobility Services<br />
Seite 15<br />
09/2002 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 57
Das Modell „Customer Service Center“ bei der Siemens AG<br />
Beschwerdekriterien des Customer Services<br />
Zeitraum Echtbetrieb: 01.10.00 - 01.04.01<br />
387<br />
400<br />
366<br />
327<br />
350<br />
299<br />
davon davon<br />
300<br />
davon<br />
251<br />
Unregelmäßigkeit<br />
in STN-Buchung<br />
250<br />
Belastung AMEX<br />
Karte falsch/<br />
doppelt<br />
Rate zu hoch/<br />
falsch<br />
davon<br />
Gepäckprobleme<br />
Corporate Mobility Services<br />
Seite 16<br />
58 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 09/2002<br />
davon<br />
200<br />
Systemverfügbark.<br />
Rate zu hoch/<br />
Verfahren<br />
Fehler bei PAF falsch<br />
Fahrzeugmängel<br />
Gutschrift fehlt<br />
Zustellungsprobl.<br />
Mängel<br />
Rechnungen Benutzer-<br />
Überbuchung<br />
Ticket zu teuer<br />
Station hat kein Leistungsträger freundlichkeit<br />
keine<br />
Fahrzeug<br />
falsch<br />
Reservierung<br />
Flug nicht gebucht<br />
keine Buchung<br />
Rechnungen<br />
STC falsch<br />
Flug Hotel Mietwagen<br />
kfm. Abwicklung TravelNet<br />
150<br />
100<br />
50<br />
0
Das Modell „Customer Service Center“ bei der Siemens AG<br />
Das Kosten-Nutzenverhältnis ist immens im Rahmen<br />
von Supply Chain Management<br />
Nutzen<br />
alle Geschäftsprozesse, die sich wiederholt<br />
zu Fehlerquellen entwickelt haben, werden<br />
geändert<br />
Liefertreue und Lieferqualität der Geschäftspartner<br />
verbessern sich ständig<br />
Corporate Mobility Services<br />
Seite 17<br />
09/2002 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 59<br />
Kosten<br />
durch exaktes Datenmaterial ist die Überzeugungsarbeit<br />
im Unternehmen erleichtert<br />
worden<br />
... ... für Pilot (Software und Schulung) € 50.000,-<br />
... ... für das CS Team (4 (4 MA) anteilig jährlich € 150.000,- 150.000,
Das Modell „Customer Service Center“ bei der Siemens AG<br />
Die Schwachpunkte des Konzeptes in der Pilotphase<br />
wurden zügig abgebaut<br />
Unsere Kunden tolerieren Fehler, sofern wir gut und schnell reagieren<br />
Erkannte Beschwerdehäufungen führen zur rechtzeitigen Beseitigung<br />
von Problemen<br />
+<br />
Positive Resonanz unserer Kunden auf den Customer Service<br />
Der Prozeß ist eine Konzentration auf die Kernfelder und erspart allen<br />
Beteiligten (Lieferanten, Travelcenter, TM) zusätzlichen Abarbeitungsaufwand<br />
Corporate Mobility Services<br />
Seite 18<br />
60 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 09/2002<br />
Fehlende Nutzeneinschätzung des Customer Services<br />
Bekanntheitsgrad des Customer Services innerhalb der Bereiche<br />
-
Das Modell „Customer Service Center“ bei der Siemens AG<br />
Fazit<br />
Die Beschwerde als kostenlosen Rat der Kunden<br />
ernst zu nehmen und damit ihren deutlich artikulierten<br />
Erwartungen zu entsprechen, ist eine wichtige Aufgabe<br />
von Corporate Mobility Service<br />
Die Beschwerde zu ignorieren birgt die Gefahr,<br />
den Kunden zu verärgern und seine Akzeptanz<br />
zu verlieren<br />
Corporate Mobility Services<br />
Seite 19<br />
09/2002 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 61
Das Modell „Customer Service Center“ bei der Siemens AG<br />
Akzeptanz des Online Tickets<br />
% Anteil der Beschwerden zur Akzeptanz des Online Tickets an den<br />
gesamten Beschwerden zum Thema Bahn<br />
12/ 00 auf grund unserer Reklamat ionen<br />
st art et die B ahn eine A uf klärungsakt ion<br />
30<br />
Corporate Mobility Services<br />
Seite 20<br />
62 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 09/2002<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
Aug<br />
01<br />
Jul<br />
01<br />
Jun<br />
01<br />
Mai<br />
01<br />
Apr<br />
01<br />
Mrz<br />
01<br />
Feb<br />
01<br />
Jan<br />
01<br />
Dez<br />
00<br />
Nov<br />
00<br />
Okt<br />
00<br />
Sep<br />
00<br />
Aug<br />
00<br />
Jul<br />
00<br />
Jun<br />
00<br />
Mai<br />
00<br />
Apr<br />
00<br />
Mrz<br />
00<br />
Feb<br />
00
Das Modell „Customer Service Center“ bei der Siemens AG<br />
Benutzerfreundlichkeit von STN<br />
Beschwerden zur Benutzerfreundlichkeit von STN im Verhältnis zur gestiegenen<br />
Anzahl der Systemnutzer<br />
35<br />
70.000<br />
30<br />
60.000<br />
Beschwerden zur<br />
Benutzerfreundlichkeit<br />
25<br />
50.000<br />
Corporate Mobility Services<br />
Seite 21<br />
09/2002 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 63<br />
20<br />
40.000<br />
15<br />
30.000<br />
Benutzerzahl<br />
10<br />
20.000<br />
5<br />
10.000<br />
0<br />
0<br />
Feb 00 Mr z 00 Apr 00 Mai 00 Jun 00 Jul 00 Aug 00 Sep 00 Okt 00 Nov 00 Dez 00 Jan 01 Feb 01 Mr z 01 Apr 01 Mai 01 Jun 01 Jul 01<br />
Anzahl Nutzer Benutzerfreundlichkeit
Das Modell „Customer Service Center“ bei der Siemens AG<br />
Avis Schadensmeldungen<br />
% Anteil der Beschwerden zur AVIS Schadensmeldungen an den<br />
gesamten Beschwerden zum Thema Mietwagen<br />
07/01 aufgrund unserer Reklamationen ändert<br />
AVIS das interne Vorgehen bei Schadensfällen<br />
25<br />
Corporate Mobility Services<br />
Seite 22<br />
64 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 09/2002<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
Nov 00 Dez 00 Jan 01 Feb 01 M rz 01 Apr 01 M ai 01 Jun 01 Jul 01 Aug 01
Das Modell „Customer Service Center“ bei der Siemens AG<br />
Hotel Germania, München<br />
% Anteil der Beschwerden zum Hotel Germania, München an den<br />
gesamten Beschwerden zum Thema Hotel<br />
05/01 aufgrund unsere Reklamationen wurde das<br />
Hotel aus dem Siemens Hotelprogramm genommen<br />
14<br />
12<br />
10<br />
8<br />
6<br />
4<br />
2<br />
0<br />
Corporate Mobility Services<br />
Seite 23<br />
09/2002 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 65<br />
Jan 01 Feb 01 M rz 01 Apr 01 M ai 01 Jun 01 Jul 01
Betroffenenorganisationen und ihre Erwartungen an ein Beschwerdemanagement<br />
Katrin Markus:<br />
Interessenvertretung von Altenheimbewohnerinnen und<br />
-bewohnern<br />
1. Kundenerwartung<br />
Aus der Sicht der Betroffenen gehört der Umgang mit<br />
Beschwerden zu den Standards gut geführter Einrichtungen<br />
und Dienste.<br />
Dass diese Erkenntnis inzwischen auch in Einrichtungen<br />
der Altenhilfe mehr und mehr Fuß fasst, wird für<br />
die Betroffenen zunächst dadurch deutlich, dass sie<br />
nicht mehr nur als Hilfeempfänger betrachtet werden,<br />
sondern zunehmend in der Rolle des Kunden gesehen<br />
werden, dessen Rechte und Erwartungen in den Mittelpunkt<br />
unternehmerischer Strategien rücken.<br />
Wenn man mit Karla Kämmer Qualität defi niert als<br />
Grad der Übereinstimmung von Kundenerwartungen<br />
und der geleisteten Dienste unter Berücksichtigung<br />
der anerkannten fachlichen Standards in den jeweiligen<br />
Dienstleistungsbereichen, dann wird deutlich, dass<br />
die Kundenerwartungen bei der Qualitätsbeschreibung<br />
eine zentrale Rolle zu spielen haben.<br />
Uns geht es hier um die Kundenerwartungen an ein<br />
Beschwerdemanagement.<br />
2. Anspruch und Wirklichkeit<br />
Welche Bedeutung die Zufriedenheit der Kunden<br />
für das Unternehmen Sozialstation oder Altenheim<br />
in Bezug auf Entwicklung und Sicherung von Qualität,<br />
aber auch in Bezug auf die Marktstellung des<br />
Wirtschaftsbetriebes hat, ist bekannt. Auch welche<br />
Anstrengungen sich die Dienstleiter in dieser Hinsicht<br />
abzuverlangen haben.<br />
Aus der Sicht der Betroffenen geht es in diesem<br />
Zusammenhang um die Frage, wie sie Anspruch und<br />
Wirklichkeit erleben.<br />
Wer im Heim lebt oder ambulant betreut wird, steht in<br />
Abhängigkeit zum Dienstleister. Dies ist ein Faktum,<br />
an dem es nichts zu deuteln gibt. Diese Abhängigkeit<br />
betrifft auch die Angehörigen.<br />
Und wer abhängig ist, ist nicht frei und ungezwungen<br />
in der Artikulierung von Kritik.<br />
Marktstudien belegen, dass nur vier Prozent aller<br />
unzufriedenen Kunden aller Branchen (Waren und<br />
Dienstleistungen) ihre Unzufriedenheit auch äußern.<br />
Wenn dieser geringe Prozentsatz für alle Branchen<br />
gilt, lässt sich leicht nachvollziehen, wie verschwindend<br />
gering die Zahl der Kritiker aus den Reihen der<br />
ambulant und stationär betreuten älteren Menschen,<br />
die von der Hilfe anderer abhängig sind, ist.<br />
Selbstverständlich ist diese geringe Zahl nicht dadurch<br />
zu erklären, dass keine Kritik zu äußern wäre, das<br />
heißt, allseits Zufriedenheit herrsche. Sie macht vielmehr<br />
deutlich, dass <strong>Deutschland</strong> in diesem Bereich<br />
wohl noch als Entwicklungsland zu bezeichnen ist.<br />
Manche sprechen auch von Service-Wüste, in der das<br />
Einzige, was stört, der Kunde ist, eine Bewertung, die<br />
sicher nicht ganz unberechtigt ist.<br />
Hinzu kommt, dass wir es hier mit einer Personengruppe<br />
zu tun haben, die alters- und meist auch ge -<br />
sundheitsbedingt nicht mehr konfl iktbereit ist.<br />
Dazu ein paar Beispiele, die dies belegen:<br />
• Die Tochter, die ihre Mutter im Heim besucht,<br />
äußert gegenüber der Mitarbeiterin, die den Nachmittagskaffee<br />
hereinbringt, dass der Bildschirm des<br />
Fernsehers voller Staubpartikel sei. Er müsste mal<br />
gesäubert werden. Die Mitarbeiterin nimmt die Kritik<br />
wortlos entgegen, schimpft aber im Schwesternzimmer<br />
über die „alte Meckertante“, die immer et-<br />
was zu bemängeln habe. Sie könne den Bildschirm<br />
ja selber abwischen.<br />
• Die Ehefrau stellt beim Besuch ihres bettlägerigen<br />
Ehemannes fest, dass dieser seine Zahnprothese<br />
nicht im Mund hat. Auf Befragen wird von der<br />
zuständigen Altenpfl egerin erklärt, sie hätte schon<br />
erfolglos danach gesucht. Auf Nachfrage, was nun<br />
geschehen werde, wird geantwortet: „Wir kümmern<br />
uns nachher darum.“ Am nächsten Tag ist alles<br />
unverändert.<br />
66 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 09/2002
Betroffenenorganisationen und ihre Erwartungen an ein Beschwerdemanagement<br />
• Die Bewohnerin A beklagt sich darüber, dass<br />
ihre persönliche Wäsche nicht vollständig aus der<br />
Wäscherei zurückkomme und statt dessen fremde<br />
Kleidungsstücke in ihrem Schrank lägen. Die Mitarbeiterin<br />
antwortet, sie könne nichts dafür, die Wäsche<br />
werde außerhalb des Hauses gewaschen und<br />
sortiert.<br />
• Der Bewohner B, zu dem an jedem Montag Vormittag<br />
die Bewegungstherapeutin kommt und der<br />
an diesem Montag vergeblich auf sie gewartet hat,<br />
fragt eine Mitarbeiterin, wann die Bewegungstherapeutin<br />
heute komme. Er erhält zur Antwort: „Fragen<br />
Sie mich was Leichteres.“<br />
Das sind ganz wenige Beispiele, die wir aus Briefen<br />
und Gesprächen erfahren und es sind noch die „harmlosen“.<br />
Sie zeigen, dass Beschwerden in der täglichen Praxis<br />
nicht ernst genommen werden: Fragen werden abgewimmelt,<br />
Wünsche werden übergangen, Veränderungen<br />
werden verschwiegen, kurz: Beschwerden werden<br />
ignoriert.<br />
Dies ist die erlebte Diskrepanz zwischen Anspruch<br />
und Wirklichkeit.<br />
3. Beschwerdekultur<br />
Dabei dürfte es zwischenzeitlich allenthalben bekannt<br />
sein, dass ein kluges Beschwerdemanagement Veränderungsprozesse<br />
auslöst, von denen nicht nur die<br />
Kunden, sondern auch die Mitarbeiter profi tieren können.<br />
Irgendwo habe ich den treffenden Satz gelesen, dass<br />
Beschwerden der Kunden als „kostenlose Beratung“<br />
zu begreifen sind, was in Zukunft besser zu machen ist.<br />
Denn – auch dies habe ich gelesen – zufriedene Kunden<br />
erzählen von positiven Erfahrungen dreimal, unzufriedene<br />
Kunden hingegen klagen über Missstände<br />
neunmal. Diese „kostenlose Beratung“ sollte in einem<br />
Pfl egemarkt, in dem der Konkurrenzdruck allmählich<br />
auch spürbar wird, ernst genommen und genutzt<br />
werden.<br />
Soweit mir bekannt, gibt es keine systematische Erfassung<br />
und Erforschung des Umgangs mit Beschwerden<br />
aus der Sicht der Betroffenen. Es wird allenfalls<br />
wiedergegeben, wie die Betroffenen den Umgang der<br />
Leis tungsanbieter mit ihren Beschwerden erfahren.<br />
Die obigen Beispiele machen dies deutlich.<br />
Sehr wenig wurde bisher auch über notwendige Verhaltensänderungen<br />
bei den Betroffenen selbst, bei den<br />
Kunden also, benannt.<br />
Eine große Barriere, Kritik offen zu äußern, ist die<br />
Angst vor Repressalien. Wie oft bekommen wir zu<br />
hören: „Aber bitte nicht der Heimleitung, der Mitarbeiterin<br />
sagen!“ Auf unsere Frage, warum man Gespräche<br />
über Kritikwürdiges fürchte, wird regelmäßig geantwortet,<br />
man könne dies als unerwünschte Angriffe auf<br />
die verantwortliche Person werten und damit Nachteilen<br />
ausgesetzt sein. Solche Reaktionen entstehen nicht<br />
von selbst. Ihnen liegen Erfahrungen zugrunde, und<br />
zwar negative, wie<br />
• auf der einen Seite die Unfähigkeit, mit Beschwerden<br />
richtig umzugehen, das heißt, sie nicht als persönlichen<br />
Angriff oder als Nachweis der eigenen<br />
Unfähigkeit zu werten.<br />
• auf der anderen Seite fehlende Zivilcourage, sachlich<br />
und selbstbewusst, das heißt, ohne Aggressivität<br />
und Demutsgesten auf Mängel hinzuweisen.<br />
Aus der Sicht der Bundesinteressenvertretung der<br />
Altenheimbewohnerinnen und -bewohner als Interessenvertretung<br />
der Betroffenen wird es darum gehen<br />
müssen, die Beschwerdekultur dahin zu fördern, dass<br />
den Betroffenen Mut zur Kritik gemacht wird, indem<br />
deutlich gemacht wird, dass Kritik durchaus als etwas<br />
Konstruktives anzusehen ist, dass Kritik eben „kostenlose<br />
Beratung“ durch die Betroffenen ist mit dem<br />
Ziel einer Leistungsverbesserung, aus der beide Seiten<br />
ihren Nutzen ziehen:<br />
• der Einrichtungsträger durch die Verbesserung<br />
seines Leistungsangebots und damit einer Verbesserung<br />
seiner Marktstellung;<br />
• der Leistungsempfänger durch den Erhalt einer<br />
verbesserten Leistung und damit der Steigerung<br />
seines Wohlbefi ndens und seiner Zufriedenheit.<br />
4. Instrumente<br />
Die Instrumente, die zur Ermutigung zur Kritik,<br />
zur Kritikförderung zur Verfügung stehen, sind vielfältig<br />
und sollen hier nur stichwortartig wiedergeben<br />
werden:<br />
09/2002 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 67
Betroffenenorganisationen und ihre Erwartungen an ein Beschwerdemanagement<br />
• Befragungen (schriftlich oder mündlich) bieten die<br />
Chance, auf breiter Ebene – zum Beispiel aus dem<br />
Bereich der Leitung, der Verwaltung, der Hauswirtschaft,<br />
der Küche, dem Wohnen und der Betreu -<br />
ung – Informationen und Hinweise im Bezug auf<br />
kunden gerechte Leistungsangebote und Arbeitsabläufe<br />
zu erhalten. Vor allem anonymisierte Fragebögen<br />
erleichtern den Betroffenen offene, das heißt<br />
ehrliche Antworten.<br />
• Wichtig ist, dass die Betroffenen die Auswertung<br />
erfahren und über die Folgerungen aus den Antworten<br />
wie zum Beispiel konkrete Änderungsmaßnahmen<br />
und den Zeitrahmen informiert werden.<br />
• Bei mündlichen Beschwerden ist es oft Glücksache,<br />
wer wann und unter welchen Umständen mit<br />
Kritik konfrontiert wird und ob und wie er damit<br />
umgehen kann.<br />
• Hier wäre es im Rahmen eines systematischen Be -<br />
schwerdemanagements hilfreich, wenn eine Stelle<br />
zur Annahme von Beschwerden bestünde, die die<br />
Gewähr eines sachlichen und wertungsfreien Um -<br />
gangs mit den Beschwerden bietet, diese sammelt,<br />
dokumentiert und auswertet. Ferner ist ein System<br />
zu entwickeln, wie Fehlerquellen beseitigt und ihr<br />
erneutes Entstehen vermieden wird, das heißt, Lö -<br />
sungswege getroffen werden.<br />
• Der Zeitaufwand hierfür wird – auch dies zeigen<br />
Untersuchungen – den Zeitaufwand für die Begegnung<br />
mit immer wiederkehrenden Beschwerden bei<br />
weitem wett machen.<br />
• Die Betroffenen und/oder ihre Angehörigen sollten,<br />
ja müssen wissen, an wen sie sich mit einer Kompetenzgarantie<br />
in Beschwerdefällen wenden können.<br />
• Ältere Menschen unterliegen – im Vergleich zu<br />
Jüngeren – körperlichen und oftmals auch geistigen<br />
Einschränkungen. Sie brauchen Zeit, um sich<br />
zu artikulieren. Das bedeutet für den Dienstleister,<br />
sich ausreichend Zeit auch für Beschwerdegespräche<br />
zu nehmen.<br />
• Auch der äußere Rahmen muss stimmen. Weder die<br />
Hektik im Leitungsbüro mit häufi gen Telefonunterbrechungen,<br />
noch der Stehplatz im Flur schaffen<br />
die nötige ungestörte Gesprächsmöglichkeit.<br />
• Entscheidend ist auch die non-verbale Kommunikationsatmosphäre:<br />
Geduld, Höfl ichkeit, Interesse<br />
am Gesprächspartner, Ernstnehmen seines Anliegens,<br />
Verständnis für die Kritik, deutlich machen,<br />
dass man die Kritik nicht als persönlichen Angriff<br />
wertet, sondern dankbar ist für die Anregungen.<br />
• Es dürfen auch keine Versprechungen gemacht<br />
werden, die nicht eingehalten werden können, denn<br />
dies vernichtet Vertrauen. Die Betroffenen und/<br />
oder ihre Angehörigen merken dies sehr schnell.<br />
• Schließlich ist Rückkoppelung – und zuweilen auch<br />
Dank – wichtig, damit nicht der Eindruck entsteht,<br />
es geschehe doch nichts, Beschwerden lohnen sich<br />
nicht. Klare und eindeutige Reaktionen müssen<br />
selbstverständlich sein.<br />
Bei einem so verstandenen Beschwerdemanagement<br />
wird die Kritikbereitschaft der Betroffenen wachsen,<br />
werden sie ermutigt, nicht Angst vor Kritik zu haben,<br />
sondern Kritik positiv zu sehen im Sinne von Lebendigkeit,<br />
Wahrnehmen und Bewerten von Sachverhalten<br />
und Geschehensabläufen. Ihnen muss es leicht<br />
gemacht werden, sich zu beschweren – wie übrigens<br />
den Mitarbeitenden auch. Und ihnen muss deutlich<br />
gemacht werden, dass Kritiklosigkeit unerwünscht ist,<br />
weil dies gleich zu setzen ist mit Resignation, Selbstaufgabe,<br />
Frust, und weil dadurch die Gefahr besteht,<br />
dass Ventile in Form von Heimlichkeiten und unkontrollierbaren<br />
Unmutsäußerungen gegenüber Dritten<br />
entstehen, ein Vorgehen, das allen nur schadet.<br />
5. Heimgesetz<br />
Die Heimgesetz-Novelle räumt in § 5 Abs.10 für Heimbewohner<br />
ein gesetzlich verankertes Beschwerde recht<br />
ein. Danach sind sie bei Abschluss des Heimvertrages<br />
schriftlich auf ihr Recht hinzuweisen, Beschwerden<br />
unter anderem gegenüber dem Heimträger vorzubringen.<br />
Dieses nunmehr von der Heimaufsicht kontrollierte<br />
Beschwerderecht war vor dem Hintergrund<br />
bisheriger Entwicklungen und derzeitiger Zustände in<br />
den Heimen sicherlich geboten und soll die Stärkung<br />
der Rolle der Bewohner als Konsumenten betonen.<br />
Dafür hatten wir uns als Bundesinteressenvertretung<br />
der Altenheimbewohnerinnen und -bewohner auch<br />
eingesetzt.<br />
68 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 09/2002
Betroffenenorganisationen und ihre Erwartungen an ein Beschwerdemanagement<br />
Der Gesetzesbefehl selbst reicht aber nicht aus, um<br />
Veränderungen im Bezug auf das Vorbringen von<br />
Beschwerden und im Bezug auf den Umgang mit<br />
Beschwerden herbeizuführen.<br />
Das Verhalten muss sich ändern - auf beiden Seiten.<br />
Vorreiter aber haben die Leistungsanbieter zu sein. Sie<br />
sind der stärkere Teil der Partnerschaft. Sie haben die<br />
ersten Schritte zu tun, um das Klima zu ändern, Mut<br />
zu machen, zu stimulieren.<br />
Dies kann nur über ein systematisches internes Qualitätsmanagementsystem<br />
geschehen, dessen Strukturen<br />
und Prozessabläufe transparent zu machen sind, damit<br />
die Betroffenen erkennen können, welchen Platz sie<br />
hierin einnehmen, das heißt, ob sie auf die Hinterbänke<br />
verbannt sind oder in der ersten Reihe sitzen.<br />
Mit anderen Worten: Den Betroffenen muss bekannt<br />
gemacht werden, dass, in welcher Form und mit<br />
welchen Bearbeitungsschritten Beschwerden entgegen<br />
genommen und nach Lösungen gesucht wird.<br />
Für die Betroffenen muss offenkundig sein, dass es<br />
sich hierbei um ein Leistungspaket handelt, das ihnen<br />
vertraglich zusteht, das mit Teilen ihres Entgelts fi nanziert<br />
wird, auf das sie einen Rechtsanspruch haben<br />
und das kein Almosen ist. Fehlendes Beschwerdemanagement<br />
oder unqualifi zierter Umgang mit Beschwerden<br />
müsste bei einem solchen Rechtsverständnis zu<br />
Gewährleistungsansprüchen i.S.v. § 5 Abs.11 Heimgesetz-Novelle<br />
führen.<br />
Ältere Menschen können durchaus die Stärken und<br />
Schwächen in einem System erkennen und beurteilen,<br />
das nun zu ihrer Lebenswelt geworden ist. Dies<br />
wird oft missachtet. Die Urteile der Betroffenen sollten<br />
zur einrichtungsinternen Fachdiskussion und als Anregung<br />
zur Qualitätsverbesserung genutzt werden. Hierbei<br />
kann auch der Heimbeirat – vor allem künftig in<br />
seiner erweiterten Zusammensetzung – wertvolle Hilfe<br />
leisten. Es ist an Einrichtungsträgern, die Schwellen<br />
abzubauen und Schwellenängste zu nehmen. Wir<br />
werden auf diesem Weg gerne unterstützend mitwirken.<br />
09/2002 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 69
Betroffenenorganisationen und ihre Erwartungen an ein Beschwerdemanagement<br />
Walter Gibis:<br />
Beschwerden in der ehrenamtlichen Suchtkrankenhilfe<br />
Störfaktor oder Chance?<br />
1. Aus der Geschichte der Suchtkrankenhilfe<br />
- Selbsthilfe und Fremdhilfe<br />
So genannte „Rettungsorganisationen” für gefallene<br />
Menschen, organisierte Antialkoholbewegungen und<br />
Vereinigungen gegen den Missbrauch geistiger Ge -<br />
tränke gab es bereits im 18. Jahrhundert.<br />
Im 19. Jahrhundert entstanden Abstinenzverbände. Die<br />
Initiative haben hier nicht betroffene Menschen ergriffen,<br />
in der Regel aus dem kirchlichen Bereich. Sie<br />
leiste ten Hilfe für Menschen mit Alkoholproblemen.<br />
Sie bekämpften die Folgen des Alkoholmissbrauchs.<br />
Sie leisteten Fremdhilfe.<br />
Selbsthilfe dagegen hat sich oft dann entwickelt, wenn<br />
Menschen in Not gerieten, wenn Leidensdruck entstand,<br />
wenn Lebenssituationen bedrohlich wurden und<br />
sich die öffentliche Hand schwer tat eine Lösung zu<br />
fi nden. Wie uns die Sozialgeschichte zeigt, entstanden<br />
so in der Vergangenheit Kranken- und Sterbekassen.<br />
Solidargemeinschaften deckten Lebensrisiken ab. Die<br />
Selbsthilfe ergänzte bereits sehr früh wirkungsvoll die<br />
Leistungen des Staates und der freien Träger.<br />
Voraussetzung einer echten Selbsthilfe ist das Selbstbetroffensein,<br />
sei es als unmittelbar Betroffener oder<br />
zum Beispiel als Angehöriger, als Freund oder als Vorgesetzter.<br />
Vor 45 Jahren trafen sich entlassene Patienten im<br />
Schwabenland in den Wohnzimmern, um sich gegenseitig<br />
in der Bewältigung des Lebens nach der „Heilstätte”<br />
(heute: Fachkrankenhaus) zu helfen. Persön liche<br />
Beziehungen und Freundschaften, in einem Kreis von<br />
Freunden, sollten zur Stabilisierung der eigenen Persönlichkeit<br />
beitragen und damit die Grundlage zur Er -<br />
langung einer dauerhaften Abstinenz schaffen.<br />
So entstanden die Freundeskreise für Suchtkrankenhilfe<br />
als Selbsthilfegruppen für Alkoholiker.<br />
Suchtkrankheit betrifft immer die gesamte Familie,<br />
die Einbeziehung der Angehörigen wurde daher sehr<br />
bald wesentliches Merkmal der Freundeskreisarbeit.<br />
Freundeskreise sind konfessionell nicht gebunden,<br />
richten sich aber an christlichen Grundwerten aus.<br />
Zur Ausrichtung am christlichen Menschenbild im<br />
Rahmen der diakonischen Hilfe komme ich später.<br />
Freundeskreise entstanden bald in allen Teilen <strong>Deutschland</strong>s,<br />
gefördert noch durch den Ausbau der Beratungsstellen<br />
in den 70er Jahren. Sie verstanden sich<br />
zunehmend als Teil des Behandlungsverbundes in<br />
der Suchtkrankenhilfe, suchten die partnerschaftliche<br />
Zusammenarbeit mit Fachkliniken und Beratungsstellen<br />
und übernahmen damit Aufgaben in der Vorsorge<br />
und Motivation, begleiteten Suchtkranke und ihre<br />
Angehörigen zu Beratungsstellen und Fachkliniken.<br />
Die Begleitung in der Zeit der Behandlung ermöglichte<br />
den Anschluss an die Selbsthilfegruppe nach<br />
der stationären Behandlung und stellte damit auch die<br />
„Nachsorge” sicher.<br />
Mit diesem über den Selbsthilfeeinsatz hinausgehenden<br />
ehrenamtlichen Engagement tragen die Gruppen<br />
und Helfer dazu bei, dass dem Gemeinwesen für Prävention<br />
und Rehabilitation enorme Summen erspart<br />
bleiben. Für Dr. Friedhelm Repnik, Sozialminister<br />
des Landes Baden-Württemberg, ist die ehrenamtliche<br />
Suchtkrankenhilfe „ein wichtiger und inzwischen<br />
unverzichtbarer Baustein im Behandlungsverbund”.<br />
Ab dem Jahre 1967 entstanden die ersten Landesarbeitsgemeinschaften<br />
als Vorläufer der Landesverbände.<br />
Im Jahre 1978 wurde der Dachverband auf Bundesebene,<br />
die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freundeskreise,<br />
heute Bundesverband, mit Sitz in Kassel ge -<br />
gründet.<br />
Der Bundesverband wie die einzelnen Landesverbände<br />
sind eingetragene Vereine.<br />
Die Landesverbände sind Mitglieder des Diakonischen<br />
Werkes auf Landesebene. Der Bundesverband<br />
70 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 09/2002
Betroffenenorganisationen und ihre Erwartungen an ein Beschwerdemanagement<br />
ist Mitglied im Gesamtverband für Suchtkrankenhilfe<br />
im Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche in<br />
<strong>Deutschland</strong> e.V. und damit im Diakonischen Werk<br />
der Evang. Kirche in <strong>Deutschland</strong>.<br />
2. Zahlen<br />
Dem Bundesverband der Freundeskreise für Suchtkrankenhilfe<br />
gehören 15 Landesverbände an.<br />
Zur Zeit sind 876 Gruppen in diesen 15 Landesverbänden<br />
organisiert. Sie vertreten ca. 16.000 Gruppenteilnehmerinnen<br />
und -teilnehmer, wobei dem<br />
Bundesverband ca. 9.000 satzungsgemäße Mitglieder<br />
angehören.<br />
Höchst interessante Zahlen hierzu:<br />
Im Jahre 1999 benötigten von 28.996 Betroffenen<br />
in den Gruppen der ehrenamtlichen diakonischen<br />
Suchtkrankenhilfe (FKé und die beiden Blau-Kreuz-<br />
Verbän de) 38 Prozent oder 11.018 Betroffene keine<br />
professionelle Behandlung, das heißt, allein der An -<br />
schluss an die Selbsthilfegruppe führte bei ihnen zum<br />
Ausstieg aus dem Suchtverlauf.<br />
3. Suchtkrankenhilfe<br />
In der Folge von Untersuchungsergebnissen von Prof.<br />
Jellinek im Auftrag der Weltgesundheitsorganisation<br />
wurden ab 1960 neue Konzeptionen zur Behandlung<br />
von Menschen mit Alkoholproblemen entwickelt.<br />
Das Bundessozialgericht anerkannte 1968 Alkoholismus<br />
als Krankheit. Als Folge spricht man seit dieser<br />
Zeit auch von Suchtkrankenhilfe.<br />
Es folgten verschiedene Konzeptionen unter Einbeziehung<br />
der Psychotherapie, allerdings noch ohne<br />
Suchtspezifi zierung. Stationäre Behandlungsdauer da -<br />
mals grundsätzlich sechs Monate.<br />
Die Angebote der Suchtkrankenhilfe haben sich in den<br />
letzten Jahren stark verändert.<br />
So wurde zum Beispiel der Suchtkranke in den vergangenen<br />
15 Jahren als „Ware” entdeckt. Immer mehr<br />
und auch private Träger drängten sich auf diesen<br />
„Markt”, dabei wurde die Bettenzahl in der stationären<br />
Behandlung ständig erweitert. Durch das Wachstums-<br />
und Beschäftigungsförderungsgesetz erfolgte<br />
dann ein Bettenabbau bis hin zur Schließung von Einrichtungen.<br />
Wir haben einen Wettbewerb, eine Konkurrenzsituation,<br />
die dazu führt, dass neuerdings Marketingstrategien<br />
besonders im Klinikbereich eine große Rolle<br />
spielen.<br />
Kürzere Behandlungszeiten, auch mit der Zielsetzung,<br />
den Betroffenen schnellstmöglich wieder zum „Funktionieren“<br />
zu bringen, haben die Arbeit in den Fachkrankenhäusern<br />
verändert. Die Leistungsträger wollen<br />
Betroffene, die bald wieder in das Sozialversicherungssystem<br />
einzahlen können.<br />
Beratungsstellen sind Behandlungsstellen geworden.<br />
Die Leistungen werden abgerechnet. Zwangsläufi g<br />
kann die Frage entstehen: „Was bringt der Hilfesuchende?”<br />
Möglicherweise wird er sogar danach eingeordnet.<br />
Die ehrenamtliche Suchtkrankenhilfe wurde im Zuge<br />
der Behandlungszeitverkürzung zu erweiterten Aufgaben<br />
gezwungen. Die Zunahme anderer Süchte und<br />
die Öffnung der Gruppen dafür, auch für den illegalen<br />
Drogenbereich, verlangen eine hohe Flexibilität. Die<br />
Arbeit tut sich schwer, sie hat die Herausforderung<br />
aber aufgenommen.<br />
Der ehrenamtliche Partner im System wurde in der<br />
Enwicklung gezwungen weitere Pfl ichten zu übernehmen.<br />
Neu ist jetzt, dass er seine zugewiesenen Rechte<br />
wahrnimmt und dafür nach Regelungen und Lösungen<br />
suchen muss, bevor andere im System aus falsch verstandener<br />
„Fürsorge” dies mit übernehmen wollen.<br />
Der Umbruch im Gesundheitssystem, die deutliche<br />
Ausweisung der Selbsthilfe als eine der drei Säulen<br />
dieses Systems erfordert vom ehrenamtlichen Dienst<br />
eine erneute Einstellungsveränderung und Rollenklärung.<br />
Die Stärkung der Patientenrechte, die Selbstbeteiligung<br />
an Entscheidungen für eine Behandlung sowie<br />
die Festschreibung der Eigenverantwortung der Patienten<br />
erfordert neues Denken.<br />
Der Verbraucherschutz wird nun auch im Bereich der<br />
sozialen Dienstleistungen diskutiert.<br />
09/2002 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 71
Betroffenenorganisationen und ihre Erwartungen an ein Beschwerdemanagement<br />
4. Fazit<br />
Die Beschreibung der historisch gewachsenen Ausgangslage<br />
war erforderlich, um die Position und die<br />
Eigenart der Selbsthilfe als Betroffenenorganisation<br />
deutlich zu machen. Der ehrenamtliche Dienst wird<br />
herausgefordert, die zugewachsenen Rechte aufzunehmen<br />
und umzusetzen, bevor dies der professionelle<br />
Bereich ersatzweise tut.<br />
Die Veränderungen in der Suchtkrankenhilfe haben<br />
zwei Seiten: Die Qualität soll sich für den Patienten<br />
verbessern, sie soll individueller, differenzierter und für<br />
ihn einschätzbarer werden, aber auf der anderen Seite<br />
müssen zwangsläufi g zwischenmenschliche Beziehungen<br />
immer mehr zurückgehen, weil ihnen kein ausreichender<br />
Raum im Rahmen der Aufgabenerfüllung<br />
bleibt.<br />
Kostendruck, Effi zienzbetrachtung, Dokumentation,<br />
Qualitätssicherung und deren Kontrolle beherrschen<br />
die professionelle Arbeitswelt. Die menschliche Seite<br />
geht verloren. Der Mensch kann Nebensache werden,<br />
wird möglicherweise vergessen.<br />
Aus- und Fortbildungen sichern eine gute Selbsthilfearbeit,<br />
wesentlich wird aber auch künftig die Sicherung<br />
des zwischenmenschlichen Bereichs als dem<br />
Herzstücks der Selbsthilfequalität sein müssen. Dies<br />
ist unsere Stärke, so entwickelte sich unser Dienst.<br />
5. Störfaktor Beschwerde<br />
Die Suchtselbsthilfe hat sich bisher mit den Begriffen<br />
Beschwerdemanagement oder Patientenschutz nicht<br />
auseinandergesetzt. Es gibt daher auch noch keine entsprechenden<br />
Strukturen dafür.<br />
Überhaupt tut sich Selbsthilfe nach meiner Erfahrung<br />
sehr schwer mit Begriffen, die in der Diskussion der<br />
Fachdienste sind. Massive Abwehrreaktionen äußern<br />
sich in Erklärungen wie zum Beispiel „wir sind und<br />
wollen keine Profi s sein”. Wenn es aber gelingt,<br />
begriffsinhaltlich zu diskutieren, setzt sich auch sehr<br />
schnell die Erkenntnis durch „das machen wir doch<br />
schon in einer anderen Form”.<br />
Sucht hat immer mit Beziehungsstörungen des Betroffenen<br />
zu tun. Sucht ist Symptom eines missglückten<br />
Lebensentwurfs. Nicht das Suchtmittel ist schuld, die<br />
Ursache liegt im Menschen, der eine Veränderung<br />
braucht.<br />
Die Stärke der Selbsthilfe ist die Ebene der Freundschaft,<br />
der Kameradschaft, die Solidarität der Betroffenen.<br />
Auf dieser Grundlage bleibt der Kranke Subjekt<br />
der Hilfe. Er erhält Hilfe zur Selbsthilfe. Er muss<br />
lernen, sich selbst anzunehmen, an seiner Krankheit zu<br />
arbeiten, Verantwortung für seine Genesung zu übernehmen,<br />
jetzt dazu mit dem Recht, sich Leistungen<br />
selbst beschaffen zu können und so sein Leben neu zu<br />
ordnen.<br />
Die Veränderung in unserem Gesundheitssystem verlangt<br />
eine tiefgreifende Wandlung des Selbstverständnisses.<br />
Der Weg von der Versorgungshaltung in ein<br />
noch mehr selbst bestimmtes Leben wird Zeit und<br />
Kraft kosten.<br />
Diese Eigenverantwortlichkeit soll durch ein Wunsch-<br />
und Wahlrecht im Zusammenhang mit der Behandlung<br />
gestärkt werden.<br />
Die Einrichtung eines Beschwerdeweges im Falle der<br />
Beeinträchtigung von Rechten ist nur eine logische<br />
Folge in unserem Rechtssystem.<br />
Die ehrenamtliche Suchtkrankenhilfe als Teil eines<br />
Behandlungsverbundes arbeitet mit dem professionellen<br />
System partnerschaftlich, in der Regel gut<br />
zusammen. Wenn sie jetzt auch die Interessen der<br />
Betroffenen wahrnimmt, erhält sie eine neue Funktion.<br />
Die künftige Vertretung von Suchtpatienten, mit denen<br />
die Selbsthilfe Kontakt hat, ist für mich zwingend,<br />
wenn man die Situation des Suchtkranken betrachtet.<br />
In seiner Situation ist er oft gerade einmal fähig, die<br />
Kraft für die Entscheidung zur Abstinenz als Behandlungsvoraussetzung<br />
zu treffen.<br />
Die geforderte selbstverantwortliche Entscheidung zur<br />
individuellen Behandlungsform ist meiner Erfahrung<br />
nach nur im Rahmen einer verstärkten Motivationsarbeit<br />
möglich, den der professionelle Bereich im erforderlichen<br />
Maße nicht abdecken können wird. Wie<br />
bereits bemerkt werden Beratungsstellen immer mehr<br />
zu Behandlungsstellen.<br />
Der mündige Patient, den der Gesetzgeber will, muss<br />
erst in die Lage versetzt werden von diesem persönli-<br />
72 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 09/2002
Betroffenenorganisationen und ihre Erwartungen an ein Beschwerdemanagement<br />
chen Recht überhaupt Gebrauch machen zu können.<br />
Er soll sich auch nicht als Objekt der Behandlung<br />
fühlen.<br />
Ist die Akzeptanz der Ehrenamtlichen und ihrer Arbeit<br />
durch die professionellen Mitarbeitenden gelegentlich<br />
jetzt schon schwierig, wird die Funktion der Interessenvertretung<br />
möglicherweise zum Störfaktor einer<br />
Zusammenarbeit. Ehrenamtliche als „Kritiker” oder<br />
„Kontrolleure”, ist das überhaupt denkbar?<br />
Unsere Einwände und Hinweise auf Unzulänglichkeiten<br />
in der Entwicklung der Suchtkrankenhilfe wurden<br />
in der Vergangenheit wenig ernst genommen. Die Auswirkungen<br />
der Therapiezeitverkürzung auf Selbsthilfe<br />
und Ehrenamt wurden einfach zugemutet. Das Ehrenamt<br />
hatte sich darauf einzustellen.<br />
Die ehrenamtliche Suchtkrankenhilfe hat in den vergangenen<br />
Jahren begonnen, sich verbandsübergreifend<br />
zu formieren, um das entstandene politische Gewicht<br />
durch Lobbyarbeit und Resolutionen einzusetzen.<br />
Die Arbeitstherapie zum Beispiel sollte in der stationären<br />
Behandlung gestrichen werden. Eine Resolution<br />
der fünf großen Selbsthilfe- und Abstinenzverbände<br />
wandte sich dagegen und hatte mit zur Folge, dass die<br />
Bedeutung der arbeitstherapeutischen Anteile in der<br />
Ergotherapie rechtlich unterstrichen wurde.<br />
Wird der Suchtkranke oder die Selbsthilfe als echter<br />
Partner anerkannt, dürfte die Beteiligung der Selbsthilfe<br />
im Beschwerdeweg keine Störung bedeuten. Es<br />
gibt in der Vergangenheit allerdings genügend Erfahrungen,<br />
wie ein Bemühen um eine gemeinsame Sache<br />
letztlich an der fehlenden Akzeptanz gegenüber der<br />
„erlebten Kompetenz” scheiterte.<br />
6. Chance und Erwartungen<br />
Das Aufgabenfeld der Selbsthilfe hat sich erweitert.<br />
Die Selbsthilfe hat gesellschaftspolitische Aufgaben<br />
und Verantwortung übernommen.<br />
Sie nimmt Stellung zu Fragen der Gesundheits- und<br />
Sozialpolitik auf allen Ebenen. Suchterkrankungen<br />
sind nicht nur das Problem der Betroffenen, der Angehörigen,<br />
der Freunde, sondern ebenso ein gesellschaftliches<br />
und ökonomisches Problem.<br />
Die Fachleute sind sich weiter darüber einig, dass es<br />
sich hinsichtlich der Ausgrenzung von Suchtkranken<br />
auch um ein ethisches Problem handelt. Das ist unser<br />
Ansatz. Ich komme darauf zurück.<br />
Die ehrenamtliche Suchtkrankenhilfe will ernst genommen<br />
werden. Mit der ihr eigenen, erlebten Kompetenz<br />
will sie rechtzeitig im Meinungsbildungsprozess<br />
berücksichtigt werden.<br />
Die frühe Mitsprache und Mitwirkung ist ein unabänderliches<br />
Muss bei der Erarbeitung von Konzeptionen<br />
oder entsprechender Arbeitsempfehlungen.<br />
Im Umgang mit „Beschwerden” können Personen, die<br />
am eigenen Leib die Auswirkungen von Behandlungswegen<br />
erfahren haben, wertvolle Hilfe leisten. Dieses<br />
Potenzial von Erfahrungen, das in der Selbsthilfe vorhanden<br />
ist, hilft auch die Qualität der sozialen Dienstleistungen<br />
zu sichern. Ohne Zweifel lassen sich dabei<br />
noch Kosten sparen.<br />
Der „Beschwerte” muss mit seiner Beschwerde ja<br />
nicht unbedingt Recht haben, aber er hat das Recht,<br />
ernst genommen zu werden.<br />
Zusammenhänge deutlich zu machen, unverständlich<br />
empfundene Maßnahmen zu erklären, ist mit erlebter<br />
Kompetenz der Selbsthilfe leichter möglich und hilft<br />
dem Patienten auch im Patient-Therapeuten-Verhältnis<br />
in der Suchtkrankenhilfe besser zurecht zu kommen.<br />
Die Freundeskreise für Suchtkrankenhilfe stehen für<br />
diakonische Hilfe.<br />
„Zuerst der Mensch” als Leitlinie im Verbandsleitbild<br />
für das Diakonische Werk Württemberg trifft unsere<br />
Vorstellung.<br />
Seine Bedürfnisse zu erkennen, sie ernst zu nehmen<br />
und nach Umsetzungsmöglichkeiten zu suchen, kommt<br />
der Vorstellung der christlichen Nächstenliebe in der<br />
Selbsthilfe am nächsten. In Liebe dem Anderen zu<br />
dienen, wie es Jesus Christus versteht, muss auch Mittelpunkt<br />
der Beteiligung der Selbsthilfe, muss die zentrale<br />
Überlegung im Beschwerdeweg sein.<br />
Die Gefahr, dass der Mensch zum Kostenfaktor reduziert<br />
wird und seine Krankheit und sein persönliches<br />
Schicksal in den Hintergrund tritt, ist groß. Die Selbsthilfe<br />
wird hier verstärkt Wächterfunktion übernehmen<br />
müssen.<br />
09/2002 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 73
Betroffenenorganisationen und ihre Erwartungen an ein Beschwerdemanagement<br />
Will man Selbsthilfe ernst nehmen, ist neben der<br />
frühzeitigen Beteiligung an der Entwicklung von<br />
Modellen, Konzeptionen oder Vereinbarungen zum<br />
Umgang mit Beschwerden auch Rücksicht darauf zu<br />
nehmen, dass sich die Selbsthilfe oder das Ehrenamt<br />
ohnehin schwer tut, in einem hauptsächlich professionell<br />
besetzten Gremium Gehör zu fi nden oder Recht<br />
zu bekommen.<br />
Hauptamtliche treffen sich zwangsläufi g häufi ger zum<br />
Austausch. Ehrenamtliche hinken den Informationen<br />
oft hinterher. Ehrenamtliche brauchen den Mut zur<br />
Lücke.<br />
Lassen Sie mich zum Schluss noch wenige grundsätzliche<br />
Erwartungen nennen:<br />
Eine Beschwerde darf keine Nachteile haben. Die<br />
Zuständigkeiten müssen klar artikuliert sein, transparent<br />
und nachvollziehbar, Verantwortung darf nicht<br />
„kreisen”. Der Informationsfl uss muss gewährleistet<br />
sein und Beteiligtengespräche regelmäßig vereinbart<br />
werden. Eine sehr zeitnahe, ja sogar unverzügliche<br />
Reaktion auf eine Beschwerde muss in einer Konzeption<br />
gewährleistet sein.<br />
Alle Erwartungen werden jedoch erst dann in der<br />
Praxis erfolgreich umgesetzt werden können, wenn<br />
im Umgang aller am Beschwerdeweg Beteiligten gilt,<br />
was ich im Verbandsleitbild des Diakonischen Werks<br />
Württemberg gefunden habe:<br />
„Alle Menschen sind ohne Einschränkungen und Voraussetzungen<br />
von Gott nach seinem Bilde geschaffen<br />
und von ihm geliebt. Schwäche und Hilfebedürftigkeit<br />
gehören zum Wesen des Menschen und können seine<br />
Würde nicht beeinträchtigen.”<br />
74 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 09/2002
Schlussfolgerungen<br />
Dr. Mechthild Wolff, Gretel Wildt:<br />
Schlussfolgerungen<br />
1. Es wurden unterschiedliche<br />
Beschwerdemanagement-Modelle<br />
vorgestellt:<br />
Beschwerdemanagement als eigenständiger Umsetzungs-<br />
und Umsteuerungsprozess, als eigenes Hand -<br />
buch, interne Schulungen, eigene personelle Ressourcen<br />
Beschwerdemanagement als Teilprozess von Qualitätsentwicklung<br />
und damit Bestandteil eines Handbuchs<br />
für Qualitätsentwicklung, integrierter Be -<br />
standteil des Qualitätsentwicklungs-Prozesses oder<br />
Qualitätsverantwortliche sind auch für Beschwerdemanagement<br />
zuständig<br />
Beschwerdemanagement als Beteiligungsthema, es<br />
ist Anlass für eine umfassende thematische innerbetriebliche<br />
Auseinandersetzung über die Effektivierung<br />
von Beteiligung und Partizipation<br />
2. Dabei zeigten sich insbesondere<br />
folgende günstige Bedingungen für<br />
die Umsetzung von Beschwerdemanagement:<br />
• Beschwerdemanagement wird implementiert als<br />
bottom-up-Modell, nicht als top-down-Modell. Für<br />
einen aktiven und kontinuierlichen Umgang mit<br />
Beschwerden braucht es Zeit und eine Beziehungskultur<br />
in der Einrichtung.<br />
• Beschwerdemanagement fügt sich in die Kommunikations-<br />
und Beteiligungskultur einer Einrichtung<br />
oder eines Dienstes ein und mündet nicht automatisch<br />
in die Präsenz von Qualität! Es bedarf<br />
insbesondere auch einer Beschwerdekultur für<br />
das Personal und eines zielgerichteten Umgangs<br />
mit Verbesserungsvorschlägen aus der Mitarbeiterschaft.<br />
Dies ist Voraussetzung für die erfolgreiche<br />
Einführung eines Beschwerdemanagements für die<br />
Nutzerinnen und Nutzer von Einrichtungen und<br />
Diensten.<br />
• Beschwerdemanagement ist der Motor für Veränderung<br />
und Innovation und ist gekoppelt an einen<br />
Prozess von Changemanagement. An der Entwicklung<br />
von Qualitätsstandards müssen alle beteiligt<br />
sein unabhängig vom Bereich, in dem sie tätig sind.<br />
Dabei sollten auch Kriterien für die Feststellung<br />
und Bewertung eines schädlichen Verhaltens im<br />
Sinne der Organisationsziele gemeinsam defi niert<br />
werden. Qualitätsentwicklungsprozesse, Handbücher<br />
u.ä. müssen im Gedächtnis der Organisation<br />
wachgehalten werden. Dies ist eine Leitungsaufgabe.<br />
• Beschwerdemanagement bezieht sich auf das Verhältnis<br />
zwischen Leitung und Mitarbeiterinnen und<br />
Mitarbeitern und auf das Verhältnis zwischen Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeitern und Klientinnen und<br />
Klienten.<br />
• Beschwerdemanagement wird als systematisch<br />
gesteuerter Kommunikationsprozess mit verbindlichen<br />
Verfahren umgesetzt. Systematische Behandlung<br />
und Auswertung von Beschwerden, sorgfältiger<br />
Umgang mit Rückmeldungen an die Beschwerde<br />
führenden Personen vermeidet Folgebeschwerden<br />
und eine eventuelle Eskalation.<br />
• Bezüglich der Wirtschaftlichkeit von Unternehmen<br />
kann das Beschwerdewesen Quelle für Aussagen<br />
zum Erfolg von Maßnahmen und zur Feststellung<br />
eines (zu ändernden) Bedarfs sein. Der Umgang<br />
mit Fremdleistungen in der eigenen Organisation<br />
bedarf besonderer Aufmerksamkeit, er ist häufi g<br />
anfällig für Beschwerden und entzieht sich unter<br />
Umständen der systematischen Kontrolle der Einrichtung.<br />
• Bei der Auswahl des passenden Instrumentes sollte<br />
an vorhandene Kulturen und Strukturen – wie zum<br />
Beispiel Hilfeplanverfahren, Elternarbeit, Heimbeirat<br />
oder Angehörigengruppe – angeknüpft werden,<br />
zum einen wegen der zu erwartenden größeren<br />
Akzeptanz der Regelungen beziehungsweise des<br />
Wiedererkennungscharakters, aber auch aus Kosten-<br />
09/2002 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 75
Schlussfolgerungen<br />
gründen, indem Entwicklungskosten und Zeit<br />
gespart werden können.<br />
• Ziele wie Teilhabe und Partizipation, gelebte Streitkultur<br />
können nur ernsthaft erreicht werden, wenn<br />
zu Beschwerden ermutigt wird, die Rechte der Nutzerinnen<br />
und Nutzer der Einrichtungen und Dienste<br />
gestärkt werden – auch in kodifi zierter Form –<br />
wenn Zivilcourage ausdrücklich erwünscht ist.<br />
Analyse, Refl exion und Kommunikation des Arbeitsalltags<br />
sind Wesensmerkmal professioneller<br />
sozialer Arbeit und müssen bei der Zeitbemessung<br />
für die Leistungserbringung und der Entgeltvereinbarung<br />
berücksichtigt werden.<br />
Die Fachkräfte sollten ein Bewusstsein davon<br />
haben, dass Beschwerden eine Form der kostenlosen<br />
Beratung zur Verbesserung der Qualität ihrer<br />
Arbeit und dass die Spannung zwischen erlernter<br />
und gelebter Kompetenz konstitutiver Bestandteil<br />
ihres alltäglichen Handelns ist.<br />
3. Seitens des Diakonischen Werkes<br />
der EKD und der Diakonischen Akade<br />
mie <strong>Deutschland</strong> wird bei der<br />
künftigen Formulierung von Fort-<br />
und Weiterbildungsmaßnahmen deshalb<br />
noch stärker berücksichtigt wer -<br />
den müssen Beschwerdemanagement<br />
als:<br />
• Querschnittsthema<br />
das heißt, als Modul in Führungsseminaren, die<br />
für Managementaufgaben befähigen (Organisationsentwicklung,<br />
Projektmanagement, Management<br />
in sozialer Organisationen etc.)<br />
• eigenständiger Weiterbildungsgang<br />
das heißt, als eigenständiges qualifi zierendes Wei -<br />
terbildungsangebot mit originären Modulen, mit<br />
dem Ziel der Vermittlung von Basiskompetenzen<br />
und Ausgabe eines Zertifi kats als „Beschwerdemanagerin/Beschwerdemanager”<br />
• Teilbereichsthema von Qualitätsentwicklung<br />
das heißt, als Teilmodul in der Weiterbildung zur<br />
Qua litätsentwicklung<br />
• Fortbildungsangebot (zwei- bis dreitägige einmalige<br />
Veranstaltung)<br />
das heißt, als kurzfristige Maßnahme in Form von<br />
Workshops, um verschiedene Modelle vorzustellen,<br />
als „Intro” zu einem längerfristigen Qualifi zierungsangebot<br />
• Inhouse-Angebot<br />
das heißt, als arbeitsfeld- und einrichtungsspezifi<br />
sches Angebot der Begleitung bei Implementierungsprozessen.<br />
Die nachfolgenden curricularen Bestandteile, wie sie<br />
aus dem Qualitätsmanagement bekannt sind, bleiben<br />
dabei unverzichtbar:<br />
• arbeitsfeldspezifi sche gesetzliche Grundlagen: Rechte<br />
von Kundinnen und Kunden<br />
• Führungskonzepte<br />
• Leitbildentwicklung<br />
• soziale Arbeit als Dienstleistung<br />
• soziale Arbeit und Kundenorientierung<br />
• Organisationsanalyse – Organisationsentwicklung<br />
– Steuerungsmodelle<br />
• Verfahrensentwicklung und Verfahrensimplementierung<br />
• Changemanagement<br />
• Beteiligungs- und Demokratisierungsformen in Einrichtungen<br />
und Diensten<br />
76 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 09/2002
Anhang<br />
Verzeichnis der Mitwirkenden, Autorinnen und Autoren<br />
Gerhard Benninghoff<br />
Ev. Altenheim<br />
Haus Abendfrieden<br />
Schulstr. 11<br />
45219 Essen-Kettwig<br />
Walter Gibis<br />
Bundesverband des Freundeskreises<br />
für Suchtkrankenhilfe<br />
Mörikestr. 7<br />
88085 Langenargen<br />
Thomas Herold<br />
Evang. Gesellschaft<br />
Theodor-Heuss-Str. 26<br />
70174 Stuttgart<br />
Joachim Krause<br />
St. Elisabeth-Stiftung<br />
Schönhauser Allee 141<br />
10437 Berlin<br />
Michaela Küpper<br />
Evang. Altenheim<br />
Haus Abendfrieden<br />
Schulstr. 11<br />
45219 Essen-Kettwig<br />
Katrin Markus<br />
Bundesinteressenvertretung der<br />
Altenheimbewohner e.V.<br />
Vorgebirgstr. 1<br />
53911 Swisttal-Heimerzheim<br />
Markus Nowara<br />
Siemens AG<br />
Richard-Strauß-Str. 76<br />
81679 München<br />
Karl Späth<br />
Diakonisches Werk der EKD<br />
Staffl enbergstr. 76<br />
70184 Stuttgart<br />
Horst Steinhilber<br />
Diakonisches Werk der EKD<br />
Staffl enbergstr. 76<br />
70184 Stuttgart<br />
Gerhard Tinnefeld<br />
Organisationspsychologische Fachberatung<br />
Friedrich-Harkert-Str. 32<br />
44799 Bochum<br />
Thomas Weghmann<br />
Diakonisches Werk Hamburg<br />
Ehe-, Partnerschaft-, Erziehungsund<br />
Lebensberatungsstelle<br />
Königstr. 54<br />
22767 Hamburg<br />
Cornelia Weber<br />
Diakonisches Werk der EKD<br />
Staffl enbergstr. 76<br />
70184 Stuttgart<br />
Gretel Wildt<br />
Diakonisches Werk der EKD<br />
Staffl enbergstr. 76<br />
70184 Stuttgart<br />
Dr. Mechthild Wolff<br />
Diakonische Akademie <strong>Deutschland</strong><br />
Heinrich-Mann-Str. 31<br />
13156 Berlin<br />
09/2002 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 77