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Beschwerdemanagement<br />

Störfaktor oder Chance?<br />

09/02<br />

Informationen und Materialien aus dem Diakonischen Werk<br />

der Evangelischen Kirche in <strong>Deutschland</strong><br />

Dokumentation


Impressum<br />

Diakonisches Werk der Evangelischen Kirche in <strong>Deutschland</strong> (EKD)<br />

Hausanschrift: Staffl enbergstr. 76, 70184 Stuttgart<br />

Verantwortlich für die Reihe:<br />

Andreas Wagner<br />

Abteilung Information und Kommunikation im Diakonischen Werk der EKD<br />

Postfach 10 11 42, 70010 Stuttgart<br />

Telefon (07 11) 21 59-4 54<br />

Telefax (07 11) 21 59-5 66<br />

E-Mail: redaktion@diakonie.de<br />

Internet: www.diakonie. de<br />

Kontakt:<br />

Gretel Wildt<br />

Abteilung Frauen, Jugend und Familie<br />

Telefon (0711) 21 59-2 65<br />

E-Mail: wildt@diakonie.de<br />

Klaus-Peter Stenzig<br />

Abteilung Gesundheit und Rehabilitation<br />

Telefon (0711) 21 59-5 30<br />

E-Mail: stenzig@diakonie.de<br />

Layout:<br />

Andrea Niebsch-Wesser<br />

Bestellungen:<br />

Zentraler Vertrieb des Diakonischen Werkes der EKD<br />

Karlsruher Str. 11, 70771 Leinfelden-Echterdingen<br />

Telefon (07 11) 9 02 16-50<br />

Telefax (07 11) 7 97 75 02<br />

E-Mail: vertrieb@diakonie.de<br />

Der Bezug von <strong>Diakonie</strong> Korrespondenz und <strong>Diakonie</strong> Dokumentation bis zu zehn Exemplaren ist kostenlos.<br />

Bei Bestellungen ab zehn Exemplaren stellen wir für jedes zusätzliche Exemplar einen Euro in Rechnung.<br />

Die Texte, die wir in <strong>Diakonie</strong> Korrespondenz und <strong>Diakonie</strong> Dokumentation veröffentlichen, sind im Internet<br />

unter www.diakonie.de frei zugänglich. Sie können dort zu nicht-kommerziellen Zwecken heruntergeladen<br />

und vervielfältigt werden.<br />

Druck: Zentraler Vertrieb des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in <strong>Deutschland</strong> (EKD),<br />

Karlsruher Straße 11, 70771 Leinfelden-Echterdingen<br />

2 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 09/2002


Inhaltsverzeichnis<br />

Vorwort .........................................................................................................................................................5<br />

Stärkung der Verbraucherrechte als diakonischer Auftrag - Von der Notwendigkeit der<br />

Einführung eines Beschwerdemanagements in diakonischen Einrichtungen und Diensten ................6<br />

Horst Steinhilber<br />

Konstruktives Beschwerdemanagement in der Altenhilfe - allgemeine Grundlagen, praktischer<br />

Nutzen und Herausforderungen für Mitarbeiter, Mitarbeiterinnen und Leitungskräfte ..................12<br />

Gerhard Tinnefeld<br />

Präsentation von Beschwerdemanagement-Modellen aus der Praxis<br />

Erfahrungsbericht über die Einführung und Anwendung eines<br />

Beschwerdemanagements in den stationären Pfl egeeinrichtungen .................................................28<br />

Joachim Krause<br />

Beschwerdemanagement als Einstieg ins Qualitätsmanagment ......................................................32<br />

Gerhard Benninghoff, Michaela Küpper<br />

Aufbau eines Beschwerdemanagements - Störfaktor oder Chance?...............................................35<br />

Thomas Herold<br />

Vom Umgang mit Beschwerden in der Erziehungsberatung ...........................................................40<br />

Thomas Weghmann<br />

Einführung von Beschwerdemanagement in die Kinder- und Jugendhilfe?! -<br />

Ein Arbeitsgruppenergebnis .....................................................................................................................41<br />

Karl Späth<br />

Beschwerdemanagement als fester Bestandteil von Dienstleistungen in einer<br />

Profi torganisation: Customer Service Center .........................................................................................43<br />

Markus Nowara<br />

Betroffenenorganisationen und ihre Erwartungen an ein Beschwerdemanagement<br />

Interessenvertretung von Altenheimbewohnerinnen und -bewohnern...........................................66<br />

Katrin Markus<br />

Beschwerden in der ehrenamtlichen Suchtkrankenhilfe - Störfaktor oder Chance? ....................70<br />

Walter Gibis<br />

Schlussfolgerungen ....................................................................................................................................75<br />

Dr. Mechthild Wolff, Gretel Wildt<br />

Anhang: Verzeichnis der Mitwirkenden, Autorinnen und Autoren......................................................77<br />

09/2002 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 3


Vorwort<br />

Cornelia Weber, Gretel Wildt:<br />

Vorwort<br />

Angesichts der aktuellen Diskussion um den Verbraucherschutz<br />

in sämtlichen Lebensbereichen, die in der<br />

Öffentlichkeit mit großem Interesse verfolgt wird,<br />

sind auch die sozialen Dienstleistungen verstärkt ins<br />

Blickfeld geraten. Insbesondere gewinnt die Frage,<br />

wie Menschen die von ihnen in Anspruch genommenen<br />

sozialen Dienstleistungen mitgestalten können, an<br />

Bedeutung. Ein Aspekt im Hinblick auf die Wahrung<br />

ihrer Rechte und Partizipation am Leistungsgeschehen<br />

ist der Umgang mit Beschwerden von den Leistungsanbietern.<br />

Die öffentlichen, freien und privaten Träger<br />

sozialer Dienstleistungen für alte oder pfl egebedürftige<br />

Menschen, Menschen mit körperlichen, psychischen<br />

oder geistigen Behinderungen, unterschiedlichsten<br />

Krankheiten, Schwierigkeiten und Benachteiligungen,<br />

wie auch für Kinder und Jugendliche, nehmen die<br />

neuen Herausforderungen auf sehr unterschiedliche<br />

Weise an.<br />

Dies hat das Diakonische Werk der EKD zum Anlass<br />

genommen, das Thema „Beschwerdemanagement in<br />

der <strong>Diakonie</strong>“ mit der Tagung „Beschwerden - Störfaktor<br />

oder Chance?“ aufzunehmen. Die Tagung wurde<br />

gemeinsam von den Abteilungen Frauen, Jugend und<br />

Familie, Gesundheit und Rehabilitation sowie der Diakonischen<br />

Akademie <strong>Deutschland</strong> verantwortet. Unser<br />

gemeinsames Anliegen war es, einen arbeitsfeldübergreifenden<br />

Diskurs anzuregen, Erfahrungen bereits<br />

erprobter Modelle aus den unterschiedlichsten Handlungsfeldern<br />

zu nutzen und damit einen Beitrag zur<br />

Qualitätsentwicklung in diakonischen Diensten und<br />

Einrichtungen zu leisten.<br />

09/2002 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 5


Stärkung der Verbraucherrechte als diakonischer Auftrag<br />

Horst Steinhilber:<br />

Stärkung der Verbraucherrechte als diakonischer Auftrag -<br />

Von der Notwendigkeit der Einführung eines Beschwerdemanagements<br />

in diakonischen Einrichtungen und Diensten<br />

1. Über den schwierigen Umgang mit<br />

Beschwerden in Kirche und <strong>Diakonie</strong><br />

Beschwerdemanagement ist eine Forderung unserer<br />

Zeit – eine neue Herausforderung für viele diakonische<br />

Einrichtungen. Zur Annäherung an das Thema erlaube<br />

ich mir einen kleinen Umweg. Er führt nicht in die<br />

Welt moderner Organisationen, die sich über Qualitätssicherung<br />

und Kundenbindung Gedanken machen,<br />

sondern an den Anfang der christlichen Überlieferung<br />

in die Welt Jesu: Auch in dieser Welt gibt es gravierende<br />

Beschwerden – und Jesus erzählt einmal eine<br />

Geschichte über den Sinn des Beschwerens.<br />

„Es war ein Richter in einer Stadt, der Gott nicht<br />

fürchtete und auf keinen Menschen Rücksicht nahm.<br />

In der gleichen Stadt lebte auch eine Witwe, die immer<br />

wieder zu ihm kam und sagte: Verschaffe mir Recht<br />

gegen meinen Feind! Lange wollte er davon nichts<br />

wissen. Dann aber sagte er sich: Ich fürchte zwar Gott<br />

nicht und nehme auch auf keinen Menschen Rücksicht,<br />

trotzdem will ich dieser Witwe zu ihrem Recht<br />

verhelfen, denn sonst lässt sie mich nicht in Ruhe.<br />

Sonst kommt sie am Ende noch und schlägt mir ins<br />

Gesicht. Und Jesus fügte hinzu: Bedenkt, was der<br />

ungerechte Richter sagt! Sollte Gott seinen Auserwählten,<br />

die Tag und Nacht zu ihm schreien, nicht<br />

zu ihrem Recht verhelfen, sondern zögern? Ich sage<br />

euch: Er wird ihnen unverzüglich ihr Recht verschaffen!”<br />

(Lukas 18, Verse 2-7)<br />

Dieses Gleichnis erzählt Jesus, um seine Anhängerinnen<br />

und Anhänger zu ermutigen, sich zu beschweren.<br />

Sie sollen nicht aufhören, das Unrecht, das ihnen<br />

geschieht, zur Sprache zu bringen, unaufhörlich und<br />

unüberhörbar. Sie sollen sich am Beispiel einer Frau<br />

orientieren, die sich ohne Mann durchs Leben schlagen<br />

muss und um ihr Recht kämpfen muss – bei einem<br />

Richter, der normalerweise keine Rücksicht auf Menschen<br />

nimmt: Eine scheinbar aussichtslose Situation,<br />

die sie nur durch Hartnäckigkeit überwindet.<br />

Für Jesus ist die hartnäckige Frau ein Vorbild beim<br />

Beten. Genauso hartnäckig sollen wir vor Gott bringen,<br />

was uns beschwert. Beten wird hier nicht als einvernehmliches<br />

Gespräch des Frommen mit Gott geschildert,<br />

sondern als inständige hartnäckige Beschwerde:<br />

Immer wieder – Tag und Nacht – soll Gott das Unrecht<br />

zu hören bekommen, unter dem die Menschen leiden,<br />

die sich an ihn wenden. Und es ist wohl wirklich das<br />

Gebet die allererste Beschwerdeinstanz. Nicht so sehr<br />

die Kirchengebete am Altar, sondern die unzähligen<br />

stillen Gebete der einzelnen Menschen, die Stoßseufzer,<br />

das „Ach Gott” und das „Ach Je”.<br />

Für Christen sind Beschwerden also eine wohlbekannte<br />

und geschätzte Einrichtung: Menschen kommen nicht<br />

zu ihrem Recht – und beschweren sich. Und wenn sie<br />

selbst nicht sprechen können, dann gibt es oft christliche<br />

Initiativen und diakonische Werke, die an ihrer<br />

Stelle die Ungerechtigkeit beim Namen nennen.<br />

Beschwerdemanagement – eine Initiative der Kirchen?<br />

Nun, wie Sie wissen, ist die Geschichte etwas anders<br />

verlaufen.<br />

Kirche und <strong>Diakonie</strong> haben sich in <strong>Deutschland</strong> im<br />

letzten Jahrhundert – im vorletzten Jahrhundert, also<br />

im 19. Jahrhundert verhielt es sich ganz anders – einen<br />

enormen Vertrauensvorschuss erworben. Empirische<br />

Untersuchungen über die Kirchenmitgliedschaft, die<br />

seit den 1960er Jahren angestellt werden, zeigten<br />

zunächst eine unglaublich hohe Zufriedenheit der Mitglieder<br />

mit der Institution Kirche: Unglaublich – für<br />

alle, die kirchlich engagiert sind und mit der Institution<br />

Kirche viel zu tun haben. So gab in den 1970er<br />

Jahren die Mehrzahl aller Kirchenmitglieder an, die<br />

Beziehung zu dem Pfarrer, der sie konfi rmierte, sei<br />

eine persönliche Beziehung gewesen. Und um ein<br />

anderes Beispiel zu geben: Die Mehrzahl der Kirchenmitglieder<br />

meint, Kirchensteuer vor allem für diakonische<br />

Zwecke zu zahlen.<br />

6 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 09/2002


Stärkung der Verbraucherrechte als diakonischer Auftrag<br />

Kirche – und <strong>Diakonie</strong> – wurden und werden also<br />

nicht nüchtern an ihren Leistungen gemessen, sondern<br />

als symbolische Größen betrachtet: der Pfarrer<br />

als Garant persönlicher Religiosität, die Kirche als<br />

Einrichtung auf der Seite der Armen und Kranken.<br />

Die Haltung der Kirchenmitglieder gegenüber Kirche<br />

und <strong>Diakonie</strong> war bislang ein „stillschweigendes Vertrauen”.<br />

Unter dieser Voraussetzung ist es nicht leicht, sich zu<br />

beschweren und Beschwerden anzuhören. Denn dazu<br />

muss das Schweigen gebrochen werden, ohne das<br />

Vertrauen zu zerstören. Für diejenigen, die sich ungerecht<br />

behandelt fühlen, ist das Schweigen wie eine<br />

Schwelle, die zu übertreten Mühe kostet. Für diejenigen,<br />

die eine der seltenen Beschwerden anhören, muss<br />

sie, weil es eine Ausnahme ist, wie ein Angriff auf die<br />

eigene Person und Professionalität wirken. Und so<br />

kommt es zu dem Paradox, dass ausgerechnet Kirche<br />

und <strong>Diakonie</strong>, die ihrer Umwelt durchaus kritisch und<br />

mit Beschwerden zum Beispiel über soziale Ungerechtigkeiten<br />

gegenübertreten, selbst so schlecht mit<br />

Beschwerden umgehen können.<br />

Das zeigt sich meines Erachtens auch daran, dass das<br />

Thema Beschwerdemanagement in der <strong>Diakonie</strong> noch<br />

eine eher untergeordnete Rolle spielt.<br />

Nun würde sicherlich mancher Einrichtungsträger<br />

sagen: Eine Beschwerde und der Umgang mit Be -<br />

schwerden ist nur die letzte Stufe bei auftretenden<br />

Dissonanzen; wir sind bereits im Vorfelde aktiv - etwa<br />

durch die Befragung von Bewohnerinnen und Bewohnern<br />

oder von Angehörigen durch Bedarfserhebungen<br />

und nachgehende Befragung zur Zufriedenheit mit<br />

der erhaltenen Leistung. Wer aber weiter nachforscht,<br />

wird auch bei der Suche nach Instrumentarien im Vorwege<br />

eines Beschwerdemanagements kaum fündig.<br />

Es wäre sicherlich sehr spannend, an dieser Stelle verschiedene<br />

Thesen für diese bisherige Zurückhaltung,<br />

ja Nichtbeachtung des Themas zusammenzutragen.<br />

Spannend deshalb, weil wir sehr schnell zu Fragen des<br />

Selbstverständnisses von Einrichtungen und Diensten<br />

oder zu Fragen des Verhältnisses zwischen Einrichtungen<br />

und Diensten einerseits und ihren Nutzern andererseits<br />

kommen.<br />

Folgende Aspekte will ich kurz vertiefen:<br />

1. Die Aufnahme insbesondere in eine stationäre<br />

Einrichtung (zum Beispiel der Behindertenhilfe)<br />

geschah und geschieht noch heute häufi g aus einer<br />

familiären Notsituation heraus. Angehörige unterlassen<br />

es in Konsequenz daraus, ein gewisses Maß<br />

an Forderungen und Erwartungen an die Einrichtungen<br />

zu stellen. Die Einrichtungen und Dienste<br />

sehen sich in ihrer Arbeit bestätigt; wie überhaupt<br />

in der Vergangenheit die Länge der Warteliste einer<br />

Einrichtung als primäres Indiz für die Qualität des<br />

Angebotes herangezogen wurde.<br />

2. Die Befragung von Nutzern bezüglich ihrer Zufriedenheit<br />

zum Beispiel mit der Beratung oder gar die<br />

Einführung eines Beschwerdemanagements könnte<br />

als Eingeständnis gelten, dass es überhaupt einen<br />

Anlass zu Beschwerden gibt.<br />

3. Insbesondere Angehörige tendieren dazu, ihre Situation<br />

und die Situation ihrer Söhne und Töchter<br />

isoliert wahrzunehmen. Im Falle von einzelnen<br />

Beschwerden besteht leicht die Tendenz, die Angehörigen<br />

(und auch die Menschen mit Behinderungen)<br />

als Querulanten hinzustellen. Der Anlass für<br />

die Beschwerde wird also eher in der Person als in<br />

der Institution gesucht.<br />

4. Diese Tendenz wird dadurch verschärft, dass Angehörige<br />

in der Regel keine „Zeugen des Alltags” sind.<br />

Sie können die Unzufriedenheit und die Anlässe<br />

für die Beschwerden nicht deutlich belegen, sondern<br />

sich nur an Äußerlichkeiten orientieren. So<br />

wird zwar zum Beispiel die unordentliche oder verschmutzte<br />

Kleidung des Sohnes oder der Tochter<br />

beklagt, gleichzeitig kann es als Indiz wahrgenommen<br />

werden für eine viel weitergehende Vernachlässigung<br />

durch das Personal, ohne dass dies belegt<br />

werden kann.<br />

5. Nach wie vor befürchten Eltern zum Beispiel im<br />

Kindergarten, dass ihre Beschwerden zu negativen<br />

Einstellungen gegenüber ihren Söhnen und Töchtern<br />

führen und negative Konsequenzen bedingen<br />

können.<br />

Aus diesen genannten und weiteren Beispielen entsteht<br />

für mich der Eindruck, dass die Einrichtungen<br />

und Dienste die positiven Effekte eines Beschwerdemanagements<br />

im Sinne einer Qualifi zierung der<br />

Arbeit, einer höheren Verbraucherfreundlichkeit und<br />

einer Verbesserung der Stellung auf dem Angebotsmarkt<br />

bisher kaum wahrgenommen haben.<br />

09/2002 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 7


Stärkung der Verbraucherrechte als diakonischer Auftrag<br />

Tatsächlich ist es nicht einfach, mit Beschwerden<br />

umzugehen. Vielfach empfi nden wir sie nicht als konstruktive<br />

Kritik, sondern persönlich verletzend. Natürlich<br />

kommt es auf den Ton an, in dem reklamiert<br />

wird. Auch gibt es notorische Nörgler, aber jede<br />

Organisation und Einrichtung sollte eine Beschwerde<br />

als Aufforderung verstehen, sich zu verbessern. Nur<br />

durch Rückmeldungen, die Unzufriedenheit, aber auch<br />

Zufriedenheit signalisieren können, kann sich Qualität<br />

entwickeln. Wenn Angehörige oder die Nutzer von<br />

Einrichtungen und Diensten selbst, aber auch Mitarbeitende<br />

mitteilen, dass im Ablauf, bei einer Behandlung,<br />

in der Beratung, im Tun der Organisation eben<br />

etwas nicht stimmt, dann gilt es, das ernsthaft zu<br />

prüfen und, wenn es sich als zutreffend erweist, abzustellen<br />

und zu verändern. Beschwerden sind eine Fehlerschlaufe,<br />

die zur Verbesserung der Qualität führen<br />

kann.<br />

Das scheint selbstverständlich, dennoch ist Beschwerdemanagement<br />

zur Zeit selten installiert - aus Unsicherheit,<br />

vermute ich. Wie begegne ich Kritik, wie<br />

nehme ich sie auf? Kann ich, wenn nötig, tatsächlich<br />

eine Änderung versprechen, obwohl es oft die objektiven<br />

Bedingungen nicht zulassen? Ein Konzept und<br />

Beratung bei der Einführung von Beschwerdemanagement<br />

sind erforderlich. Und die Beteiligung von Nutzern,<br />

Angehörigen und Mitarbeitenden, damit alle<br />

wissen, was sie erwarten können, welches Verfahren<br />

gilt und vor allem, dass Beschwerden die Möglichkeiten<br />

erweitern und zu einem besseren Miteinander<br />

führen können.<br />

2. Vom Umgang mit den Verbraucherrechten<br />

Ausgelöst durch die BSE-Krise und die Maul- und<br />

Klauenseuchen-Epidemie waren in den letzten Monaten<br />

Verbraucherschutz und Verbraucherrechte in aller<br />

Munde. Vom Bundesverband der Verbraucherzentralen<br />

wurden zum Beispiel Eckpunkte einer neuen verbraucherpolitischen<br />

Programmatik formuliert, die meines<br />

Erachtens durchaus auch auf die Erbringung sozialer<br />

Dienstleitungen bezogen werden können:<br />

- Ein Höchstmaß an Transparenz und der volle ungehinderte<br />

Zugang der Verbraucher zu Informationen<br />

über die Konzepte der Dienstleistungserbringer sind<br />

notwendig.<br />

- Die gleichberechtigte Berücksichtigung von Wirtschafts-<br />

und Verbraucherinteressen im politischen<br />

Prozess und im Marktgeschehen ist erforderlich.<br />

Einer vorsorgenden aktiven und dem Prinzip der<br />

Nachhaltigkeit verpfl ichteten Verbraucherpolitik<br />

kommt in dieser Situation eine doppelte Funktion<br />

zu. In dem sie dafür sorgt, dass die Nachfrageseite<br />

des Marktes zu einer eigenständigen Kraft wird,<br />

entlastet sie staatliche Politik bei der Aufgabe, nachteilige<br />

Folgen eines Wettbewerbes für die sozialen<br />

ökologischen und kulturellen Lebensbedingungen<br />

der Bevölkerung abzuwehren. Ferner wird die zivile<br />

Kraft der Verbraucher zu einem Verbündeten wohlverstandener<br />

Sozialpolitik.<br />

- Die Leitidee der Stärkung von Verbrauchern orientiert<br />

sich an der Souveränität und Freiheit, aber<br />

auch an der Verantwortung jedes Einzelnen. Diese<br />

Leitidee nimmt nicht nur die Leistungserbringer<br />

in die Pfl icht, sondern auch die Nutzer und ihre<br />

Interessenvertretungen.<br />

- Die Verbraucher sollten als aktive Partner im ge -<br />

meinsamen Prozess der Leistungserbringung verstanden<br />

werden, in der der Einzelne das Recht auf<br />

Schutz hat und die Möglichkeit zur Gegenwehr,<br />

sich aber zugleich auch die Auswirkungen seiner<br />

eigenen Nachfrage und Bedarfe bewusst ist und die<br />

Mitverantwortung für künftige soziale Entwicklungen<br />

übernimmt.<br />

- Wenn auch in der Sozialgesetzgebung eine nachhaltige<br />

Entwicklung eingeleitet werden soll, dann<br />

sind alle an der Erbringung von sozialen Dienstleistungen<br />

Beteiligten in ihrer jeweiligen Verantwortung<br />

zu sehen.<br />

Im Zentrum der Unterstützung der „Verbraucherrechte“<br />

steht für die <strong>Diakonie</strong> die unverwechselbare<br />

Würde jedes einzelnen Menschen. Wir legen Wert auf<br />

Freiheit, Mündigkeit und Selbstständigkeit der Hilfe<br />

suchenden Menschen und auf ihre Teilhabe am gesellschaftlichen<br />

Leben. Dies bedeutet, dass die Rechte<br />

der Nutzer, wo auch immer möglich, zu stärken sind.<br />

Deshalb begrüßen wir ausdrücklich die Zusammenschlüsse<br />

von Betroffenen und ihren Angehörigen,<br />

die uns wichtige Hinweise zur direkten Verbesserung<br />

unserer Dienstleistungsangebote geben können und<br />

uns zugleich unterstützen bei der sozialpolitischen<br />

Auseinandersetzung für gute Rahmenbedingungen in<br />

den Diensten und Einrichtungen.<br />

8 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 09/2002


Stärkung der Verbraucherrechte als diakonischer Auftrag<br />

Um dem eigenen Anspruch gerecht zu werden und<br />

sich an der derzeitigen Diskussion aktiv zu beteiligen,<br />

müssen wir in den einzelnen Arbeitsfeldern Positionen<br />

und Perspektiven zur Stärkung der Rechte der Betroffenen<br />

durch Beteiligung an Gesetzgebungsverfahren,<br />

bei der Planung und Ausgestaltung der Leistungen,<br />

wie bei der Einführung von Beschwerdemanagement<br />

als Teil der Qualitätsentwicklung und -sicherung entwickeln.<br />

Deshalb haben wir zum Beispiel ausdrücklich die Stärkung<br />

des Wunsch- und Wahlrechts von Menschen mit<br />

Behinderungen im gerade verabschiedeten SGB IX<br />

unterstützt. Das Anliegen mit diesem neuen Gesetz, die<br />

selbstbestimmte Teilhabe von Menschen mit Behinderung<br />

am gesellschaftlichen Leben zu gewährleisten<br />

und Hindernisse, die einer Chancengleichheit entgegenstehen,<br />

zu beseitigen, sind auch für uns zentrale<br />

Ziele unserer eigenen Anstrengungen.<br />

Im Sinne der Stärkung von „Verbraucherrechten“ ist<br />

es uns besonders bedeutsam, dass auch im SGB VIII,<br />

dem Kinder- und Jugendhilfegesetz, das Wunsch- und<br />

Wahlrecht der Leistungsberechtigten (§ 5) verankert<br />

ist, wie auch die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen<br />

an allen sie betreffenden Angelegenheiten im<br />

Gesetz festgeschrieben ist (§ 8). Auch die bedarfsgerechte<br />

Bereitstellung von Angeboten, zum Beispiel<br />

im Bereich Tageseinrichtungen für Kinder, verweist<br />

auf eine Nachfrageorientierung und stärkt die Stellung<br />

der Leistungsberechtigten im Gegenüber zu unseren<br />

Diensten und Einrichtungen. Das in § 36 des SGB<br />

VIII festgelegte Hilfeplanverfahren ist ebenfalls bei<br />

qualifi zierter Anwendung ein zentraler Baustein zur<br />

Stärkung der „Verbraucherrechte“. Meines Erachtens<br />

zeigt die Praxis, dass darüber hinaus die Notwendigkeit<br />

eines Beschwerdemanagements in den Einrichtungen<br />

und Diensten auch der Kinder- und Jugendhilfe<br />

sinnvoll und notwendig ist und das Hilfeplanverfahren<br />

dieses nicht ersetzen kann.<br />

Nicht zuletzt aufgrund einer langen öffentlichen Diskussion<br />

um Missstände und Mängel in Pfl egeheimen<br />

wurde das Pfl ege-Qualitätssicherungsgesetz (PQsG)<br />

und das Heimbewohnerschutzgesetz (HeimBSG) vorgelegt.<br />

Vorrangige Ziele beider Gesetze sind die Sicherung<br />

und Weiterentwicklung der Pfl egequalität und die<br />

Stärkung der Verbraucherrechte. Dies soll vor allem<br />

durch verstärkte Kontrollen durch die Heimaufsichtsbehörden<br />

und den Medizinischen Dienst der Pfl egekassen<br />

sowie durch erweiterte Mitwirkungsrechte der<br />

Bewohnerinnen und Bewohner erreicht werden, um<br />

die Würde sowie die Interessen und Bedürfnisse der<br />

Bewohnerinnen und Bewohner vor Beeinträchtigungen<br />

zu schützen. Bereits bei Abschluss des Heimvertrages<br />

sollen die Heimbewohnerinnen und Heimbewohner<br />

schriftlich und unter Hinweise auf Beschwerdestellen<br />

bei Mängeln der vom Heim erbrachten Leistungen hingewiesen<br />

werden. Auch durch die Einrichtung eines<br />

Heimbeirates sollen die Mitwirkungsrechte der Nutzer<br />

gestärkt werden.<br />

Der Gewinn eines systematischen Beschwerdemanagements<br />

im Rahmen der Qualitätsentwicklung/<br />

-sicherung einer sozialen Einrichtung liegt somit auf<br />

der Hand: Aus der Perspektive des Gesetzgebers und<br />

der Kostenträger wird dadurch ein hohes Maß an Fehlerprophylaxe<br />

und Verbraucherschutz gewährleistet.<br />

Allerdings sind vom Gesetzgeber - als Ergebnis<br />

hartnä ckiger Auseinandersetzungen - auch Ansätze<br />

aufgegriffen worden für die Einrichtung eigener<br />

Qualitäts sicherungskonzepte und Systeme, die dann<br />

zum Beispiel im Qualitätsrahmenhandbuch Gütesiegel<br />

Pfl ege die Vorstellungen der <strong>Diakonie</strong> zum Beschwerdemanagement<br />

und zur Umsetzung der Stärkung der<br />

Verbraucherrechte widerspiegeln.<br />

In den Einrichtungen werden durch die Einführung<br />

von Qualitätshandbüchern Fachdiskussionen angeregt<br />

und weiterführende Qualitätsstrategien entwickelt. Im<br />

Hinblick auf die Öffentlichkeit verbessert sich der gute<br />

Ruf der Dienste und Einrichtungen durch die erhöhte<br />

Zufriedenheit der Nutzer und ihrer Angehörigen. Ich<br />

bin gespannt, was im Rahmen der Diskussionen in<br />

dieser Tagung dazu an konkreten Vorschlägen erarbeitet<br />

wird. In der aktuellen Debatte um die Stärkung der<br />

Verbraucherrechte verweisen die Verbraucherschutzzentralen<br />

auf die Verantwortung von drei Akteuren:<br />

• Die Rolle der Politik ist es, die Rahmenbedingungen<br />

für einen vorsorgenden Verbraucherschutz zu<br />

gestalten. Hierzu gehört vor allem für ein wirksames<br />

Gleichgewicht der Interessen auf der Seite der<br />

Leistungserbringer (der Angebotsseite) und auf der<br />

Seite der Nutzer (der Nachfrager) sozialer Dienstleistungen<br />

Sorge zu tragen.<br />

• Die Rolle der Träger von Einrichtungen und Diensten<br />

ist eine wirksame Eigenkontrolle, die Sicherung<br />

der Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit, ihrer<br />

angebotenen Dienstleistungen sowie die Wahrhaf-<br />

09/2002 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 9


Stärkung der Verbraucherrechte als diakonischer Auftrag<br />

tigkeit in der Werbung für ihre Leistungen. Ihnen<br />

kommt dabei eine besondere Rolle und Verantwortung<br />

zu. Sie müssen die Wahlmöglichkeit der<br />

Nutzer durch ein diskriminierungsfreies Bereitstellen<br />

von Angeboten sicherstellen sowie durch eine<br />

faire „Preisgestaltung“.<br />

• Die Nutzer schließlich müssen erkennen, dass<br />

Rechte auch Pfl ichten einschließen, es gilt nicht nur<br />

den eigenen Vorteil zu maximieren, sondern sich<br />

bei der Nutzung von Leistungen auch über die sozialen<br />

und ökonomischen Auswirkungen der eigenen<br />

Entscheidung klar zu sein.<br />

3. Von der Zukunftsfähigkeit sozialer<br />

Dienstleistungen durch Einführung<br />

eines aktiven Beschwerdemanagements<br />

Wir haben die Notwendigkeit einer Auseinandersetzung<br />

mit Fragen des Beschwerdemanagements –<br />

insbesondere im Kontext von Diskussionen um Qualitätssicherung<br />

und -management – frühzeitig erkannt<br />

und in der Konsequenz wesentliche Impulse und Empfehlungen<br />

zur Bearbeitung des Themenkomplexes<br />

gegeben.<br />

Erste Überlegungen waren bereits im Jahr 1996 im<br />

Kontext der Umsetzung der Pfl egeversicherung erfolgt,<br />

als über die Einrichtung von Bürgerservice-Stellen –<br />

Anlaufstellen für Pfl egebedürftige und deren Angehörige<br />

mit den Funktionen Information, Beratung und<br />

Entgegennahme beziehungsweise Bearbeitung von<br />

Beschwerden – nachgedacht wurde. Damit sollte dem<br />

Interesse von Betroffenen Rechnung getragen werden,<br />

sich ohne Hürden beschweren zu können und die diakonischen<br />

Einrichtungen sollten bei der Entwicklung<br />

eines sachgerechten Beschwerdemanagements unterstützt<br />

werden.<br />

Weitere Anstöße gingen von der Diakonischen Konferenz<br />

und dem Diakonischen Rat aus. Grundsätze<br />

zur Sicherung und Verbesserung des betriebsinternen<br />

und überbetrieblichen Beschwerdemanagements in<br />

Einrichtungen der <strong>Diakonie</strong> sollten weiter bearbeitet<br />

werden. Letztendlich wurde „Beschwerdemanagement<br />

in der <strong>Diakonie</strong>“ mit der <strong>Diakonie</strong> Korrespondenz<br />

03/2001 vorgelegt.<br />

Dem Aufbau einer Beschwerdekultur in Einrichtungen<br />

und Diensten räumen wir höchste Priorität ein.<br />

Da hinter verbirgt sich die Intention, Bewusstseinsänderungen<br />

herbeizuführen und Beschwerden nicht<br />

als Kränkung, sondern als Chance und Anregung für<br />

anzugehende Veränderungen und Verbesserungen im<br />

betrieblichen Ablauf zu nutzen. Sie dienen zum einen<br />

der Entlastung von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen,<br />

zum anderen schaffen sie Transparenz für die in<br />

Einrichtungen und Diensten versorgten Personen und<br />

deren Angehörige und tragen zu qualitativen Verbesserungen<br />

in vielerlei Hinsicht bei.<br />

Ich meine, dass die Bereitschaft von Trägern und Mitarbeitern<br />

und Mitarbeiterinnen sozialer Einrichtungen<br />

und Dienste, sich der Kritik beziehungsweise den<br />

Beschwerden von Menschen, die ihre Dienstleistungen<br />

in Anspruch nehmen, zu stellen und sachgerecht<br />

zu bearbeiten, diese Einrichtungen und Dienste auszeichnet.<br />

Durch den offenen Umgang mit Kritik und<br />

Beschwerden sowie möglichen Fehlern leben die Einrichtungsleitung<br />

und ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen<br />

ein Verhalten vor, welches konstruktiven<br />

Um gang mit den geäußerten Beschwerden demonstriert<br />

und somit auch als Vorbild dient. Die positiven<br />

Folgen für Nutzer, ihre Angehörigen und Freunde,<br />

aber auch für die Mitarbeitenden sind die gemeinsame<br />

Arbeit an einer Verbesserung der Dienstleistungsqualität<br />

und somit auch der Atmosphäre einer Einrichtung<br />

sowie eine Steigerung der Zufriedenheit.<br />

Systematisches Beschwerdemanagement - verstanden<br />

als Teil der Qualitätsentwicklung - in sozialen kirchlich-diakonischen<br />

Einrichtungen und Diensten stärkt<br />

die Position der <strong>Diakonie</strong> im Wettbewerb der Leistungsanbieter<br />

und in der aktuellen politischen und<br />

öffentlichen Auseinandersetzung.<br />

Die Zeit des stillschweigenden Vertrauens der Mehrheit<br />

der Bürgerinnen und Bürger gehen für Kirche und<br />

<strong>Diakonie</strong> dem Ende zu. Heute wollen die Menschen<br />

genauer wissen, was in einem Kindergarten passiert<br />

und wie ihre Eltern im Pfl egeheim untergebracht sind.<br />

Sie wollen informiert werden – und sie bringen ihre<br />

Fragen, Anregungen und Beschwerden ein.<br />

Ihr Vertrauen in diakonische Einrichtungen muss,<br />

wenn nicht gewonnen, so doch bestätigt werden durch<br />

gute Arbeit und einen sorgfältigen und achtsamen<br />

Umgang mit ihren Beschwerden. Aus dem stillschweigenden<br />

Vertrauen muss also ein im Dialog begrün-<br />

10 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 09/2002


Stärkung der Verbraucherrechte als diakonischer Auftrag<br />

detes Vertrauen werden – und ein wichtiger Baustein<br />

für dieses Vertrauen im Dialog ist das Beschwerdemanagement.<br />

Im Beschwerdemanagement geht es nicht darum,<br />

Beschwerden zu beschwichtigen oder aus der Welt zu<br />

schaffen, sondern Beschwerden anzuregen. Denn mit<br />

der Beschwerde treten die Menschen in den Dialog<br />

mit uns ein. Es liegt im Interesse der Einrichtungen,<br />

dass dieser Dialog geführt wird – und nicht sofort<br />

wieder abgebrochen wird. Für den Dialog ist wichtig,<br />

dass die Menschen mit ihrem subjektiven Unbehagen<br />

und Unrechtsempfi nden ernst genommen werden.<br />

Beschwerdemanagement besteht also nicht nur darin,<br />

einer Beschwerde mit aller Fachkompetenz nachzugehen,<br />

sondern mit den Menschen im Gespräch zu bleiben,<br />

auch dann wenn ihre Bedürfnisse nicht befriedigt<br />

werden (können). Dass wir Menschen in ihren Bedürfnissen<br />

nicht entsprechen, kann ganz unterschiedliche<br />

Gründe haben: fachliche Gründe, Gewohnheiten, ökonomische<br />

Zwänge, Verwaltungsstrukturen etc. Manche<br />

dieser Gründe sind gut – und das subjektive Unrechtsempfi<br />

nden der Betroffenen ist nicht nachvollziehbar.<br />

Aber viele dieser Gründe sind fragwürdig und wir<br />

müssen uns fragen lassen, wenn wir an einem Vertrauen<br />

im Dialog bauen wollen. Deshalb müssen wir<br />

das, was Jesus uns in seinem Gleichnis sagt, nicht<br />

nur für das Gebet, sondern auch für die Praxis in unseren<br />

Einrichtungen gelten lassen: Hier können Sie sich<br />

beschweren!<br />

Ich habe meinen Beitrag mit einer Geschichte über<br />

den Sinn des Beschwerens aus Lukas 18, Verse 2 bis<br />

7, begonnen. Damit wollte ich auch zum Ausdruck<br />

bringen, dass kirchliches und diakonisches Handeln<br />

Gottes Wort und Jesu Handeln zur Grundlage hat.<br />

Beschwerdemanagement ist somit nach meinem Verständnis<br />

die zeitgerechte Form, unseren diakonischen<br />

Auftrag zum Schutz der Würde jedes Menschen zu<br />

achten. Dies beinhaltet selbstverständlich seine Klagen,<br />

seine Beschwernisse, seine Nöte, seine kritisch en<br />

Rückmeldungen wahr- und ernst zu nehmen. Wir<br />

haben in unserem Leitbildprozess in der These sechs<br />

formuliert: „Wir sind dort, wo uns Menschen brauchen.”<br />

In einem Umsetzungsprozess des Leitbildes<br />

<strong>Diakonie</strong> für die Hauptgeschäftsstelle, bei der hierarchieübergreifend<br />

alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />

einbezogen waren, haben wir für unser Haus – so<br />

zusagen als Profi lgestalt dieser These sechs – unter<br />

anderem formuliert:<br />

„Wir sind froh, einer weit verzweigten und vielfältigen<br />

Organisation anzugehören, die Menschen weltweit in<br />

ihren Lebensbezügen aufsucht und erreicht. Wir stärken<br />

das Verantwortungsbewusstsein für gemeinsame<br />

Zielsetzungen und Absprachen innerhalb der <strong>Diakonie</strong><br />

und sorgen für deren Umsetzung.<br />

Wir wollen in der täglichen Arbeit nicht den Verband,<br />

sondern den Menschen in den Mittelpunkt stellen.”<br />

09/2002 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 11


Konstruktives Beschwerdemanagement in der Altenhilfe<br />

Gerhard Tinnefeld:<br />

Konstruktives Beschwerdemanagement in der Altenhilfe –<br />

allgemeine Grundlagen, praktischer Nutzen und Herausforderungen<br />

für Mitarbeiter, Mitarbeiterinnen und Leitungskräfte<br />

Gerhard Tinnefeldt ist Organisationspsychologe und<br />

arbeitet seit ca. zehn Jahren als freier Berater schwerpunktmäßig<br />

im Bereich der Altenhilfe. Dabei kooperiert<br />

er im Rahmen der „Arbeitsgemeinschaft zur<br />

Bera tung von Diensten und Einrichtungen in der Altenhilfe”<br />

mit anderen Büros, die die Bereiche Organisation,<br />

Hauswirtschaft und Architektur abdecken. Seine<br />

Schwerpunktthemen liegen in den Bereichen Personalführung<br />

und Qualitätssicherung.<br />

1. Eine Blitzkarriere – vom Unwort<br />

zum Fachbegriff<br />

Zusammen mit meiner Kollegin Frau Ursula Mybes<br />

aus unserer Arbeitsgemeinschaft und dem Deutschen<br />

Evangelischen Verband für Altenarbeit und ambulante<br />

pfl egerische Dienste e.V. (DEVAP) habe ich mich<br />

bereits Ende 1999/Anfang 2000 in mehreren Veranstaltungen<br />

sehr grundlegend mit dem Thema „Beschwerdemanagement<br />

in der Altenhilfe” auseinander<br />

gesetzt.<br />

Das Interesse an dieser sperrigen Thematik war<br />

aufgrund der damaligen negativen Medienberichterstattung<br />

über die Altenhilfe und die sich abzeichnende<br />

Verschärfung der gesetzlichen Maßnahmen zum<br />

Schutz der Bewohnerinnen und Bewohner außerordentlich<br />

groß. Gleichzeitig löste allein der Begriff<br />

schon spürbares Unbehagen aus, das regelmäßig in<br />

der Frage seinen Ausdruck fand, ob sich für das<br />

ganze Thema nicht eine freundlichere Bezeichnung<br />

fi nden lasse, allein schon deshalb, um es dann leichter<br />

den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern präsentieren zu<br />

können. Da es aber an konstruktiven Gegenvorschlägen<br />

mangelte, blieb es bei dem nicht besonders sympathischen<br />

Begriff.<br />

Doch nicht nur der Begriff irritierte, die Skepsis<br />

gegenüber einer regelhaften Beschwerdebearbeitung<br />

wurde durch mangelnde Praxiserfahrungen verstärkt.<br />

Denn unabhängig davon, wie plausibel und begründet<br />

den meisten Teilnehmerinnen und Teilnehmern die<br />

Maßnahmen zum internen Beschwerdemanagement<br />

erschienen, es wurde immer wieder nach Einrichtungen<br />

gefragt, in denen die vorgeschlagenen Maßnahmen<br />

bereits realisiert würden. Es gab aber so gut wie<br />

keine Präzedenzfälle für ein internes Beschwerdemanagement<br />

in der Altenhilfe, es war schlicht Neuland.<br />

Um dieses Praxisdefi zit abzubauen, unterstützt die<br />

Robert Bosch Stiftung ein zweijähriges Pilotprojekt,<br />

in dessen Rahmen drei Heime ein umfassendes Be -<br />

schwerdemanagement einführen.<br />

Seit den ersten intensiven Diskussionen über das<br />

Thema „Beschwerdemanagement in der Altenhilfe”<br />

sind nun etwas mehr als zweieinhalb Jahre ins Land<br />

gegangen. Aus dem Unwort wurde ein gängiger Fachbegriff,<br />

der den meisten mittlerweile leicht über die<br />

Lippen geht. Jedoch sagt die Tatsache, dass der Begriff<br />

inzwischen in den allgemeinen Fachjargon übergegangen<br />

ist und in vielen Fort- und Weiterbildungsprogrammen<br />

als Standardangebot auftaucht, wenig oder<br />

gar nichts über die tatsächliche Umsetzung von systematischen<br />

Ansätzen zum Beschwerdemanagement in<br />

der Praxis aus.<br />

Die Umsetzung in der Praxis dauert immer wesentlich<br />

länger als die Meinungsbildung in der Fachöffentlichkeit.<br />

Letztere ist häufi g bereits abgeschlossen und<br />

hat sich neuen Themen zugewandt, wenn die ersten<br />

praktischen Erfahrungen zu ehemals heftig diskutierten<br />

Ansätzen vorliegen.<br />

Deshalb glaube ich, wäre es ein Fehler, das Beschwerdemanagement<br />

aus dem Blickfeld zu verlieren, nur<br />

weil es nach einer Blitzkarriere als schillernder Modebegriff<br />

seinen Zenit in der Fachdiskussion überschritten<br />

hat. Ich halte im Gegenteil den Zeitpunkt für genau<br />

richtig, um auf der Grundlage der vorliegenden Erfahrungen<br />

den Stellenwert des Beschwerdemanagements<br />

im Rahmen der Qualitätssicherung zu überprüfen und<br />

12 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 09/2002


Konstruktives Beschwerdemanagement in der Altenhilfe<br />

die beiden grundlegenden Fragen des Qualitätsmanagements<br />

zu stellen: „Mache ich das Richtige?”<br />

und: „Mache ich es richtig?” Oder um es konkreter zu<br />

formulieren:<br />

– Handelt es sich beim Umgang mit Beschwerden im<br />

Rahmen sozialer Dienstleistungen um einen Kernprozess<br />

der Leistungserstellung?<br />

Und wenn ja:<br />

– Wie gestalte ich den Prozess der Beschwerdebearbeitung<br />

möglichst effektiv und effi zient?<br />

Die erste Frage möchte ich sofort beantworten. Zu<br />

Beginn meiner Auseinandersetzung mit dem Thema<br />

Beschwerden habe ich es immer als Splitter eines<br />

umfassenden Qualitätsmanagements erlebt und auch<br />

so bezeichnet. Nach den bisherigen Erfahrungen im<br />

Rahmen des Robert Bosch Projektes bedarf diese<br />

Einschätzung doch einer Korrektur: Die Auseinandersetzung<br />

mit Beschwerden ist sicher mehr als ein<br />

Randaspekt. Zumindest handelt es sich um einen<br />

exemplarischen Prozess, der sich strikt und nachvollziehbar<br />

an den wesentlichen Forderungen der aktuellen<br />

Qualitätsdiskussion orientiert, indem er<br />

– das Prinzip der Prozessverantwortung für die Mitarbeiter<br />

und Mitarbeiterinnen greifbar macht,<br />

– Bearbeitungsabläufe schnittstellenübergreifend optimiert<br />

und darüber hinaus<br />

– qualitätsrelevante Informationen für die ständige<br />

Weiterentwicklung der eigenen Angebote liefert.<br />

2. Grundlagen des Beschwerdemanagements<br />

Nun zu den grundsätzlichen Überlegungen des Be -<br />

schwer demanagements:<br />

2.1 Ebenen der Beschwerdebearbeitung<br />

Die Bearbeitung von Beschwerden vollzieht sich auf<br />

drei unterschiedlichen Ebenen.<br />

Abgestufte Inanspruchnahme von Beschwerdeebenen<br />

siehe 1 Abbildung Seite 21<br />

Beschwerden können gegenüber Mitarbeitenden vor<br />

Ort geäußert werden, sie können über den Dienstweg<br />

an die Vorgesetzten weitergereicht werden oder sie<br />

können, wenn vorhanden, den Beschwerdestellen der<br />

Einrichtungen beziehungsweise des Trägers oder externen<br />

Beschwerdestellen beziehungsweise Ombudsmännern<br />

vorgelegt werden.<br />

Entscheidend ist, dass die Beschwerdehäufi gkeit von<br />

der untersten zur obersten Ebene abnimmt. Die eindeutig<br />

meisten Beschwerden erreichen die Mitarbeiter<br />

und Mitarbeiterinnen unmittelbar vor Ort, und<br />

nur ganz wenige gelangen zu Beschwerdestellen oder<br />

Ombudsleuten. Grundsätzlich sind diese Ebenen der<br />

Beschwerdebearbeitung miteinander kompatibel und<br />

ergänzen sich. Der von mir vorgestellte Ansatz konzentriert<br />

sich aber vor allem auf die Mitarbeiterebene,<br />

weil an dieser Stelle die meisten Beschwerden anfallen<br />

und sich damit zwangsläufi g auch die größten<br />

Optimierungspotenziale erschließen lassen.<br />

Ein weiteres Argument für diesen Ansatz liefert seine<br />

Unmittelbarkeit: Zeitnahe Beschwerdebearbeitungen<br />

vor Ort verlaufen in der Regel wesentlich unaufwendiger<br />

und befriedigender als Bearbeitungen auf den<br />

anderen Ebenen.<br />

2.2 Das Prozessmodell des Beschwerdemanagements<br />

in drei Schritten<br />

Damit das Beschwerdemanagement auf dieser Ebene<br />

greift, kann es sich nicht allein darauf beschränken,<br />

die Beschwerdebearbeitung effektiver zu gestalten, um<br />

die Zufriedenheit der Beschwerdeführer wiederherzustellen.<br />

Es muss auch den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen<br />

Hilfestellungen und Handlungssicherheit<br />

bieten, um ihnen den oft schwierigen Umgang mit<br />

Beschwerden zu erleichtern.<br />

Beschwerdemanangement in drei Schritten: Das<br />

Prozessmodell<br />

siehe Abbildung 2 Seite 22<br />

Das Prozessmodell des Beschwerdemanagements und<br />

jeder der drei Einzelschritte berücksichtigt diese beiden<br />

Zielgrößen, also die Zufriedenheit der Beschwerdeführer<br />

und die Handlungssicherheit der Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter, auch wenn letztlich das entscheidende<br />

Kriterium die Zufriedenheit und das Vertrauen<br />

der Bewohnerinnen und Bewohner und ihrer Angehörigen<br />

bleiben muss.<br />

09/2002 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 13


Konstruktives Beschwerdemanagement in der Altenhilfe<br />

Die Schritte Beschwerdestimulierung, Beschwerdeannahme,<br />

-bearbeitung und -reaktion sowie Beschwerdeauswertung<br />

liefern dabei den groben Bauplan für<br />

den Aufbau des Beschwerdemanagements; die Umsetzung<br />

erfolgt durch konkrete Maßnahmen und Verfahren.<br />

Beim letzten Schritt, der Beschwerdeauswertung,<br />

unterscheiden wir auf der einen Seite zwischen Informationen,<br />

die Hinweise geben auf das Funktionieren<br />

des Beschwerdebearbeitungsprozesses selbst, also belegen,<br />

ob tatsächlich die Beschwerdestimulierung noch<br />

aktiv betrieben wird, und andererseits den Informationen,<br />

die auf die Ergebnisqualität hinweisen.<br />

Hinweise zur Ergebnisqualität liefern logischerweise<br />

die Beschwerden, die häufi ger auftauchen oder immer<br />

wieder den gleichen Leistungsbereich betreffen, die<br />

also Schwachstellen – und damit Verbesserungspotenziale<br />

– im Prozess der Leistungserstellung aufdecken.<br />

Ich möchte die einzelnen Maßnahmen im Rahmen der<br />

drei Schritte zwar vollständig aber ohne detaillierte<br />

Erläuterungen vorstellen.<br />

Beschwerdestimulierung<br />

Zielsetzung des ersten Schrittes, der Beschwerdestimulierung,<br />

ist es, generell die Beschwerdebereitschaft<br />

zu fördern und Hemmschwellen abzubauen, damit<br />

Beschwerden zeitnah und ohne emotionalen Überdruck<br />

geäußert werden können. Es muss deutlich<br />

werden, dass Beschwerden nicht nur erlaubt, sondern<br />

erwünscht sind.<br />

Diese Zielbestimmung ist allgemein gültig, die folgenden<br />

konkretisierenden Maßnahmen orientieren sich<br />

an den Gegebenheiten der stationären Altenhilfe, sie<br />

können und sollen auf jeden Fall branchenspezifi sch<br />

modifi ziert werden.<br />

Maßnahmen zur Beschwerdestimulierung<br />

siehe Abbildung 3 Seite 22<br />

Vorstellung der Einrichtung<br />

Die beteiligten Einrichtungen, ihre Arbeitsbereiche<br />

und ihre einzelnen Mitarbeitenden stellen sich unaufgefordert<br />

vor, um für potenzielle Beschwerdeführer<br />

leichter ansprechbar zu sein. Im Eingangsbereich<br />

werden Groborganigramme ausgehängt, die die Einrichtung<br />

im Überblick zeigen. Die Bezeichnung der<br />

Leitungsstellen und die Namen der Leitungsstellen-<br />

inhaberinnen und Leitungstelleninhaber erleichtern<br />

Besuchern die Orientierung und helfen ihnen, bei<br />

Bedarf den richtigen Ansprechpartner zu fi nden.<br />

Das Gleiche gilt für die einzelnen Arbeitsbereiche,<br />

in denen ebenfalls an zentraler Stelle Detailorganigramme<br />

mit den Namen aller zurzeit beschäftigten<br />

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter platziert werden. Die<br />

Organigramme werden alle zwei Monate aktualisiert.<br />

Darüber hinaus tragen alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />

Namensschilder mit neutraler Tätigkeitsbezeichnung.<br />

Information der Bewohnerinnen und Bewohner<br />

und ihrer Angehörigen zum Beschwerderecht und<br />

Ermutigung zum offenen Umgang mit Beschwerden<br />

In den Heimverträgen wird ausdrücklich der Hinweis<br />

auf das Beschwerderecht aufgenommen, und es werden<br />

externe Ansprechpartner für Beschwerden benannt.<br />

Schließlich werden alle Bewohnerinnen und Bewohner<br />

und ihre Angehörigen über die Einführung des<br />

Beschwerdemanagements informiert und zur Äußerung<br />

von Beschwerden ausdrücklich ermutigt.<br />

Ansprache auf die Zufriedenheit mit den angebotenen<br />

Leistungen<br />

Mit einzelnen neuen Bewohnerinnen und Bewohnern<br />

oder deren Angehörigen werden regelmäßig ausführliche<br />

Bilanzgespräche über ihre Zufriedenheit mit<br />

den angebotenen Leistungen geführt. Für die Gespräche<br />

liegt ein Leitfaden vor, der eine systematische<br />

Gesprächsauswertung ermöglicht.<br />

Darüber hinaus werden regelmäßig in unterschiedlicher<br />

Form schriftliche Befragungen durchgeführt:<br />

Entweder als umfangreiche Fragebogenaktion oder,<br />

weniger aufwendig, im Rahmen des jährlichen Weihnachtsgrußes,<br />

dem eine Rückantwortkarte mit drei<br />

bis fünf Kernfragen zur wahrgenommenen Praxis der<br />

Beschwerdebearbeitung beigelegt wird.<br />

Maßnahmen Beschwerdeannahme, -bearbeitung<br />

und -reaktion<br />

siehe Abbildung 4 Seite 23<br />

Beschwerdeannahme, -bearbeitung und -reaktion<br />

Die Maßnahmen zur Beschwerdeannahme, -bearbeitung<br />

und -reaktion zielen auf eine verbindliche<br />

Beschwerdebearbeitung ab und sollen sicherstellen,<br />

14 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 09/2002


Konstruktives Beschwerdemanagement in der Altenhilfe<br />

dass die Beschwerdeführer und ihre Anliegen ernst<br />

genommen werden. Es soll verhindert werden, dass<br />

Beschwerden vergessen, nur diskutiert oder einfach<br />

weiterdelegiert werden.<br />

Um dies zu erreichen, werden folgende Maßnahmen<br />

vereinbart:<br />

Verpfl ichtung des größten Teils der Mitarbeiterschaft<br />

auf die Aufgaben und Verantwortlichkeiten eines<br />

Beschwerdeempfängers.<br />

Die Kernaufgabe eines Beschwerdeempfängers besteht<br />

dabei darin, auch dann für Beschwerden ansprechbar<br />

zu sein, wenn sie ihn oder seinen Arbeitsbereich nicht<br />

unmittelbar betreffen. Er verweist den Beschwerdeführer<br />

nicht weiter; sondern nimmt sich der Beschwerde<br />

an, versucht sie im Haus zu klären, und bleibt – bis auf<br />

genau defi nierte Ausnahmen – während des gesamten<br />

Prozesses der Beschwerdebearbeitung Ansprechpartner<br />

für den Beschwerdeführer.<br />

Fomulierung von Regeln für die innerbetriebliche<br />

Beschwerdebearbeitung<br />

Der Beschwerdeempfänger ist verpfl ichtet, dem Beschwerdeführer<br />

unabhängig vom Bearbeitungsstand<br />

im Rahmen einer festgesetzten Frist – in der Regel<br />

vier Kalendertage – eine Rückmeldung zu geben.<br />

Jeder Beschwerdeempfänger kann andere Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter, also auch Kolleginnen und<br />

Kollegen aus anderen Fachbereichen oder Vorgesetzte<br />

mit der Beschwerdebearbeitung beauftragen, wenn<br />

er selbst fachlich, zeitlich oder aus Gründen eingeschränkter<br />

Kompetenz nicht dazu in der Lage ist.<br />

Diese Beschwerdebearbeiter sind ebenfalls an Rückmeldefristen<br />

gebunden. Sie betragen in der Regel<br />

sieben Kalendertage. Ist dieser Bearbeitungszeitraum<br />

überschritten, wird die Beschwerde automatisch an<br />

die vorgesetzte Stelle des Beschwerdebearbeiters weitergereicht.<br />

Das Beschwerdemanagement setzt damit auf den<br />

kurzen Dienstweg und weist den Vorgesetzten bei der<br />

Beschwerdebearbeitung ausdrücklich eine nachrangige<br />

Rolle zu; Vorgesetzte greifen in der Regel erst<br />

nach Ablauf der internen Bearbeitungsfristen in den<br />

Prozess ein.<br />

Einführung von standardisierten Beschwerdeformularen<br />

und Dokumentationspfl icht<br />

Es sollen allerdings nur Beschwerden oder Anfragen,<br />

die nicht sofort gelöst werden können, oder Folgebeschwerden<br />

von den Beschwerdeempfängern<br />

dokumentiert werden. Die standardisierten Beschwerdeformulare<br />

sind als Schnelltrennsatz mit drei Blättern<br />

angelegt. Mithilfe der Durchschläge informiert<br />

der Beschwerdeempfänger die Beschwerdebearbeiter<br />

und erhält von ihnen Rückmeldung über die getroffenen<br />

Maßnahmen.<br />

Diese Form, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus<br />

anderen Bereichen bei der Bearbeitung von Beschwerden<br />

um Hilfe zu bitten, ist sehr effektiv. Statt im<br />

Haus herumzulaufen oder herumzutelefonieren, legt<br />

der Beschwerdeempfänger dem möglichen Beschwerdebearbeiter<br />

den Durchschlag ins Fach und erhält auf<br />

die gleiche Art und Weise eine Rückmeldung.<br />

Es wurde vorgeschlagen auf den „Papierkram” mit<br />

den Durchschlägen zu verzichten, weil er die Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter abschrecke. Um es vorwegzunehmen:<br />

In den Trainings erholen sich die<br />

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter relativ schnell von<br />

dem Schreck, wenn man ihnen Sinn und Zweck der<br />

Durchschläge erklärt. Denn gerade die Misserfolge<br />

bei schnittstellenübergreifenden Problembearbeitungen<br />

frustrieren die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.<br />

Deshalb erkennen sie unmittelbar nach der ersten<br />

Schrecksekunde die Chancen, die die Durchschläge<br />

für die Verbesserung der innerbetrieblichen Zusammenarbeit<br />

bieten.<br />

Beschwerdeformulare ohne Durchschläge bleiben<br />

Selbstzweck, reine Dokumentationsinstrumente ohne<br />

Hilfsmittelcharakter. Sie haben damit genau die Akzeptanzprobleme<br />

bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern,<br />

die man gemäß dem - in diesem Fall zu<br />

undifferenzierten - Motto: „Je weniger Papier, desto<br />

besser!” zu vermeiden suchte.<br />

Formulierung von praktischen Verhaltensempfehlungen<br />

Zum Abschluss der Maßnahmen zur Beschwerdeannahme,<br />

-bearbeitung und -reaktion werden eine<br />

Reihe von Verhaltensempfehlungen vereinbart, die<br />

den Beschwerdeempfängern beim Umgang mit besonders<br />

kritischen Beschwerden oder bei Gesprächen mit<br />

Beschwerdeführern mehr Handlungssicherheit geben.<br />

Rückblickend lässt sich sagen, dass der Punkt Beschwerdeformulare<br />

sowohl den größten Widerspruch<br />

als auch die heftigsten Aktivitäten ausgelöst hat. Einige<br />

09/2002 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 15


Konstruktives Beschwerdemanagement in der Altenhilfe<br />

erklärten ausdrücklich, auf jede Form der Dokumentation<br />

verzichten zu wollen, fanden aber zum Beispiel<br />

die Einführung von Namensschildern zumutbar und<br />

sinnvoll, andere reduzierten das Thema „Beschwerdemanagement”<br />

allein auf die Frage der Dokumentation.<br />

Letztere setzten sich an den PC, entwarfen<br />

Beschwerdeformulare - in der Regel natürlich ohne<br />

Durchschläge und verteilten sie in den Bereichen - in<br />

der Regel ohne Resonanz beziehungsweise nennenswerten<br />

Rücklauf.<br />

Die Dokumentation von Beschwerden wird nur dann<br />

funktionieren und auf Akzeptanz stoßen, wenn sie<br />

als ein sinnvoller und notwendiger Bestandteil eines<br />

umfassenden Maßnahmenpakets erlebt werden kann.<br />

Prozessverantwortung des Beschwerdeempfängers<br />

siehe Abbildung 5 Seite 23<br />

Die Logik des Beschwerdemanagements insgesamt<br />

erschließt sich vielleicht am besten, wenn man den<br />

Beschwerdeempfänger als Prozessverantwortlichen<br />

darstellt, als Dreh- und Angelpunkt zwischen internem<br />

Abstimmungsbedarf und dem Informationsbedürfnis<br />

des Beschwerdeführers.<br />

Beide Elemente einer erfolgreichen Beschwerdebearbeitung<br />

– die externe Information und die interne<br />

Koordination – werden durch die vereinbarten Fristen<br />

sichergestellt. Der Beschwerdeempfänger verpfl ichtet<br />

sich dem Beschwerdeführer gegenüber zur Rückmeldung;<br />

der Beschwerdebearbeiter ist gegenüber dem<br />

Beschwerdeempfänger in der Bringpfl icht.<br />

Auf diese Weise wird verhindert, dass die Beschwerdebearbeitung,<br />

wie so oft, auf halber Strecke abbricht<br />

und dann als Folgebeschwerde zwei Wochen später –<br />

dann sicher aber unter ungünstigeren Voraussetzungen<br />

– wieder neu angegangen werden muss.<br />

Bei ungeregelten, nur intuitiven Beschwerdebearbeitungen<br />

gelingt diese Koordination der nötigen Teilprozesse<br />

zu selten. Typischerweise scheitern oft Versuche,<br />

Kollegen als Beschwerdebearbeiter einzubinden oder<br />

es wird regelmäßig vergessen, die Beschwerdeführer<br />

auf dem Laufenden zu halten und die Bearbeitungsergebnisse<br />

zeitnah rückzumelden.<br />

3. Beschwerdemanagement in der<br />

praktischen Umsetzung<br />

Die praktische Umsetzung der vorgestellten Maßnahmen<br />

erfolgt in den am Projekt beteiligten Heimen in<br />

vier Phasen:<br />

Einführung des Beschwerdemanangements -<br />

Projektablauf Heim C<br />

siehe Abbildung 6 Seite 24<br />

In der ersten Phase wird im Rahmen von Arbeitsgruppen<br />

das „Handbuch zum Beschwerdemanagement”<br />

erarbeitet beziehungsweise an die spezifi schen Gegebenheiten<br />

der einzelnen Einrichtungen angepasst. An<br />

den Arbeitsgruppen sind Leitungsverantwortliche aus<br />

allen Bereichen beziehungsweise Teilbereichen der<br />

Einrichtungen sowie ein Vertreter oder eine Vertreterin<br />

der Mitarbeitervertretung (MAV) beteiligt.<br />

Die zweite Phase beginnt mir einer Mitarbeiterversammlung,<br />

auf der das Beschwerdemanagement und<br />

der Projektablauf in Grundzügen präsentiert werden.<br />

So zeitnah wie möglich folgt das erste Mitarbeitertraining,<br />

in dem die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />

anhand des Handbuchs mit den Maßnahmen des<br />

Beschwerdemanagements vertraut gemacht werden.<br />

Entsprechend dem Grundsatz, dass der Umgang mit<br />

Beschwerden keine Spezialistenaufgabe ist, wird konsequent<br />

versucht, das Beschwerdemanagement auf<br />

eine möglichst breite Basis zu stellen. Je nach Größe<br />

der Einrichtung werden etwa fünfunddreißig bis fünfzig<br />

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Kleingruppen<br />

geschult. Die Vertiefungstrainings, in denen auch<br />

die ersten Erfahrungen ausgetauscht werden können,<br />

folgen nach ca. drei bis sechs Wochen.<br />

In der anschließenden dritten Phase werden die<br />

dokumentierten Beschwerden gesammelt, die ersten<br />

Beschwerden ausgewertet und im Rahmen der Arbeitsgruppe<br />

Fallbesprechungen durchgeführt. Nach den<br />

bisherigen Erfahrungen erscheint es sinnvoll, dreimal<br />

im Jahr die Beschwerdeauswertung im Rahmen verlängerter<br />

Dienstbesprechungen auf die Tagesordnung<br />

zu setzen.<br />

Zum Abschluss dieser Phase werden die Bewohnerinnen<br />

und Bewohner und deren Angehörige in einem<br />

persönlichen Brief über die getroffenen Vereinbarungen<br />

und Regelungen zum Beschwerdemanagement<br />

informiert.<br />

16 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 09/2002


Konstruktives Beschwerdemanagement in der Altenhilfe<br />

In der vierten und letzten Phase, die zurzeit läuft und<br />

mit Ablauf des Projektes im Frühjahr 2002 endet, wird<br />

das Handbuch überarbeitet und die Beschwerdeauswertung<br />

sukzessive verbessert.<br />

Natürlich beschreibt dieser Zeitverlauf ein Modellprojekt,<br />

das sich auf Neuland begibt. Der Zeitaufwand<br />

lässt sich straffen, aber – um keine Fantasien aufkommen<br />

zu lassen – halbieren lässt er sich nicht, dazu sind<br />

die Prozesse innerhalb der an dem Projekt beteiligten<br />

Einrichtungen zu zielstrebig gelaufen. Man wird in der<br />

Regel immer zwischen drei viertel und einem Jahr mit<br />

dieser Aufgabe beschäftigt sein, wenn man es wirklich<br />

ernst meint. Und nur das macht Sinn.<br />

Insofern habe ich meine großen Zweifel, ob sich<br />

ein funktionierendes Beschwerdemanagement auf eine<br />

Verfahrensanweisung im Rahmen eines Qualitätshandbuches<br />

reduzieren lässt. Es ist ein Prozess, der Ressourcen<br />

kostet und der Prioritäten setzt und nicht<br />

nebenher erfolgreich umgesetzt werden kann.<br />

3.1 Mitarbeitertrainings und Akzeptanz des<br />

Beschwerdemanagements<br />

Bei den Einführungstrainings war meist der erste Punkt<br />

„Programmvorstellung und Klärung der Teilnehmererwartungen”<br />

der schwierigste und der letzte „Umgang<br />

mit den Beschwerdeformularen” der unproblematischs -<br />

te.<br />

Bei der Klärung der Teilnehmererwartungen tauchten<br />

regelmäßig Befürchtungen und Missverständnisse auf,<br />

die zuerst abgearbeitet werden mussten, bevor man<br />

sich dem eigentlichen Thema zuwenden konnte. So<br />

war es nicht selten, dass – auch wenn es ausdrücklich<br />

im Vorfeld anders angekündigt war – Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter das Stichwort „Beschwerdemanagement”<br />

als Gelegenheit oder Aufforderung missverstanden,<br />

eigene Beschwerden über die Einrichtung zu<br />

äußern. In diesen Fällen war es wirklich manchmal<br />

recht mühsam, in der relativ knappen Zeit die Veranstaltung<br />

wieder auf Kurs zu bringen.<br />

Um es klar zu sagen: Internes Beschwerdemanagement<br />

öffnet die innerbetrieblichen Kommunikationskanäle<br />

für Bewohnerinnen und Bewohner, ihre Angehörigen<br />

oder Besucher der Einrichtung. Die Kommunikationsmöglichkeiten<br />

für Anliegen der Mitarbeiterinnen und<br />

Mitarbeiter sind dagegen seit jeher gegeben. Schließlich<br />

kennen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre<br />

zuständigen Ansprechpartner, ihre Vorgesetzten und<br />

die MAV, und sie haben die Möglichkeit, sich im<br />

Rahmen des Besprechungssystems zu äußern, oder –<br />

soweit vorhanden – das innerbetriebliche Vorschlagswesen<br />

zu nutzen.<br />

Unproblematisch war dagegen der letzte Teil des Trainings,<br />

die Konfrontation der Mitarbeiterinnen und<br />

Mitarbeiter mit den Beschwerdeformularen: Bei den<br />

Übungen mit den Formularen waren die Teilnehmerinnen<br />

und Teilnehmer in der Regel voll bei der Sache.<br />

Sie vertieften sich in die Formulare, strichen durch,<br />

fragten nach einem neuen Blankoformular, tauschten<br />

sich untereinander aus, stellten Verständnisfragen und<br />

waren manchmal ratlos. Mit anderen Worten: Natürlich<br />

stellt die Auseinandersetzung mit dem Regelwerk<br />

des Beschwerdemanagements und den Formularen in<br />

gewisser Weise eine Zumutung für die Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter dar, aber man kann ihr Interesse<br />

wecken und Verständnis und Akzeptanz für diese<br />

Maßnahmen herstellen – man kann sie nur nicht voraussetzen.<br />

Für diese grundlegende Akzeptanz, die zum Ende der<br />

ersten Trainings hergestellt werden konnte, sind aus<br />

meiner Sicht unter anderem drei Punkte ausschlaggebend:<br />

• Die Regelungen des Beschwerdemanagements<br />

werden konsequent aus der Sicht der Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter dargestellt und entwickelt.<br />

Es wird pragmatisch argumentiert und nicht appelliert.<br />

• Neben dieser Form der Darstellung spielt es eine<br />

große Rolle, dass das Beschwerdemanagement als<br />

ein Maßnahmenbündel erkannt wird, das nicht nur<br />

einseitig die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in die<br />

Pfl icht nimmt. Mit der Erstellung und Verteilung<br />

der Namensschilder beziehungsweise der Organigramme<br />

sind ihre Vorgesetzen für sie erkennbar in<br />

Vorleistung gegangen.<br />

• Ebenfalls überzeugend wirkte die klare und stringente<br />

Choreographie des Projektablaufs. Alle vereinbarten<br />

Termine waren den Mitarbeitern vorher<br />

bekannt und wurden konsequent eingehalten. Dies<br />

zeigt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unmissverständlich,<br />

dass das Thema ernst zu nehmen ist<br />

und die Leitungsebene des Heimes hinter dem<br />

Beschwerdemanagement steht.<br />

09/2002 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 17


Konstruktives Beschwerdemanagement in der Altenhilfe<br />

Möglicherweise sind die geschilderten Eindrücke von<br />

den Trainings zu subjektiv, oder sie sind das Ergebnis<br />

einer Positivauswahl der an dem Projekt beteiligten<br />

Häuser oder nur überschätzte Kurzzeiteffekte. Zu den<br />

ersten zwei möglichen Erklärungen kann ich letztlich<br />

wenig sagen, zum Punkt Kurzzeiteffekt schon, denn<br />

dieser lässt sich anhand der Beschwerdeauswertungen<br />

leicht überprüfen.<br />

3.2 Beschwerdeauswertungen<br />

Eine erste interessante Frage lautet natürlich: Lassen<br />

sich die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in der Praxis<br />

auf die Dokumentation der Beschwerden ein?<br />

Die Antwort liefert die Auszählung der bearbeiteten<br />

Formulare in den drei an dem Projekt beteiligten<br />

Heimen.<br />

Monatliche Häufi gkeit der dokumentierten Be -<br />

schwerdevorgänge<br />

siehe Abbildung 7 Seite 24<br />

Die Abbildung zeigt die monatliche Zahl der bearbeiteten<br />

Beschwerdeformulare in den drei Einrichtungen.<br />

Dabei liegt der Startpunkt bei den Heimen A und B<br />

im November des Jahres 2000, der Startpunkt zum<br />

Beschwerdemanagement in Heim C im Februar 2001.<br />

Was aus der Statistik nicht deutlich wird ist, dass in<br />

einem Beschwerdeformular natürlich oft mehr als nur<br />

eine einzige Beschwerde erfasst wird. So beklagt zum<br />

Beispiel eine Angehörige, dass erstens der Rasierapparat<br />

des Bewohners vollkommen verschmutzt und<br />

damit nur eingeschränkt funktionstüchtig ist, zweitens<br />

dass das Gleiche für das Hörgerät gilt und dass drittens<br />

der Gehörgang des Bewohners beim Hals-Nasen-<br />

Ohren-Arzt gespült werden muss. Da alle drei Punkte<br />

den gleichen Leistungsbereich – also den Pfl egedienst<br />

auf dem Wohnbereich betreffen – werden sie regelgerecht<br />

auf einem Formular dokumentiert.<br />

Die interessante Frage, wie sich die einzelnen Beschwerdehäufi<br />

gkeiten vergleichen und bewerten lassen,<br />

werde ich später darstellen.<br />

Aber zuerst möchte ich Ihnen einige weitere Auswertungsmöglichkeiten<br />

aufzeigen, die die Prozesse der<br />

Beschwerdebearbeitung in den Einrichtungen etwas<br />

transparenter machen.<br />

Verteilung der Beschwerdeführer<br />

siehe Abbildung 8 Seite 25<br />

Diese Zwischenauszählung zeigt die Verteilung der<br />

Beschwerdeführer: Die Angehörigen stellen zwar in<br />

dieser Übersicht die größte Gruppe, sie dominieren<br />

jedoch das Beschwerdegeschehen in Einrichtungen<br />

nicht. Die Anzahl der Beschwerden, die unmittelbar<br />

von den Bewohnerinnen und Bewohnern vorgebracht<br />

wird, ist nicht wesentlich geringer.<br />

Verteilung betroffener Leistungsbereiche<br />

siehe Abbildung 9 Seite 25<br />

Die Auswertung der betroffenen Leistungsbereiche<br />

zeigt, dass sich die meisten Beschwerden, knapp 50<br />

Prozent, auf die Pfl ege beziehen. Dass die Pfl ege der<br />

am häufi gsten genannte Leistungsbereich ist, wird nun<br />

niemand verwundern. Aber die Auswertung sensibilisiert<br />

doch dafür, dass 50 Prozent eben auch nur die<br />

Hälfte ist, nur die eine Seite der Medaille, und dass die<br />

andere Hälfte der Beschwerden sich dann breit über<br />

das gesamte Angebotsspektrum der Einrichtung verteilt.<br />

Pauschalaussagen wie: „Es sind immer wieder<br />

die gleichen, die sich über das Gleiche beschweren”<br />

werden deshalb der Realität des Beschwerdegeschehens<br />

in Einrichtungen nicht gerecht und verfolgen einfach<br />

oft nur das Ziel, sich von der Auseinandersetzung<br />

mit eben dieser Realität zu entpfl ichten.<br />

Weitere Auswertungen zeigen beispielsweise, dass es<br />

sich bei etwa jeder fünften dokumentierten Beschwerde<br />

um eine Folgebeschwerde handelt, und dass in ca.<br />

drei viertel aller Fälle von dem Beschwerdeempfänger<br />

Beschwerdebearbeiter eingeschaltet werden.<br />

Diese Auswertungen können im Einzelfall ganz interessante<br />

Vergleichswerte liefern; wichtiger ist es, dass<br />

Auswertungsergebnisse auch konkrete Verbesserungspotenziale<br />

erschließen. Es fällt beispielsweise auf,<br />

dass zwar meist die Beschwerdebearbeitungen, nicht<br />

aber die Rückmeldungsprozesse an den Beschwerdeführer<br />

dokumentiert werden. Die Frage, ob es sich<br />

dabei nur um ein Dokumentationsversäumnis oder um<br />

ein echtes Versäumnis handelt, lässt sich nur vor Ort<br />

im Rahmen von Fallbesprechungen klären. Oft stellt<br />

sich dabei heraus, dass eben nicht die Dokumentation<br />

der Rückmeldung, sondern die Rückmeldung selbst<br />

vergessen wurde. Dazu ein Beispiel:<br />

18 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 09/2002


Konstruktives Beschwerdemanagement in der Altenhilfe<br />

Eine Angehörige bemerkt Urinspuren auf dem Boden<br />

im Zimmer ihrer Mutter und droht mit dem Gesundheitsamt.<br />

Die Pfl egemitarbeiterin, die dem Fall nachgeht,<br />

stellt fest, dass die Mitbewohnerin in der letzten<br />

Zeit zunehmend unter Inkontinenz leidet. Sie vereinbart<br />

mit der Objektleiterin des Fremdleisters die tägliche<br />

Reinigung des Zimmers und schließt damit den<br />

Vorgang ab.<br />

Die engagierte Mitarbeiterin reagiert prompt, verlässt<br />

sich dann aber darauf, dass die Beschwerdeführerin<br />

die Verbesserungen irgendwie mitbekommt. Aber die<br />

Erhöhung der Reinigungsfrequenz kann und wird das<br />

Problem, dass immer mal wieder Urinspuren auftauchen<br />

werden, nicht hundertprozentig lösen, und das<br />

sollte der Beschwerdeführerin erklärt werden, sonst<br />

drohen Missverständnisse. Spinnen wir den Fall einfach<br />

mal weiter: Die Angehörige wird nicht informiert.<br />

Sie kommt nach zwei Wochen ins Haus und<br />

stößt unvorbereitet natürlich wieder auf vereinzelte<br />

Urinspuren. Was würde die Angehörige in diesem<br />

Fall wohl über die Einrichtung denken und vor allen<br />

Dingen, was würde sie als Nächstes tun?<br />

Das Fazit dieses Fallbeispiels lautet: Viele Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter sind aktions- und nicht informationsorientiert.<br />

Sie verkaufen damit ihre Arbeit<br />

unter Wert. „Tue Gutes und rede darüber”, lautet der<br />

Grundsatz jeder guten Öffentlichkeitsarbeit. Das kann<br />

und sollte man jedem Mitarbeiter und jeder Mitarbeiterin<br />

vermitteln. Wie in diesem Beispiel bieten die<br />

Beschwerdeauswertungen also die Möglichkeit, Defi -<br />

zite zu beheben, die im laufenden Tagesgeschäft sonst<br />

wahrscheinlich gar nicht auffallen würden.<br />

Ich möchte nun auf die „Bewertung der Beschwerdehäufi<br />

gkeiten” zurückkommen. Die Tatsache, dass<br />

Beschwerdedokumentation natürlich monatlichen<br />

Schwankungen unterworfen ist, zeigt, dass die Verfahren<br />

zumindest von einigen Mitarbeiterinnen und<br />

Mitarbeitern, auch im Alltagsstress, akzeptiert und<br />

beherrscht werden. Aber wie sieht der Idealzustand<br />

eines lebendigen Beschwerdemanagements aus, und<br />

an welchem Punkt droht es einzuschlafen? Kommt<br />

zum Beispiel ein neuer Kollege ins Team und erklärt<br />

selbstsicher: „Beschwerden mit Angehörigen regele<br />

ich im persönlichen Gespräch. Dafür brauche ich keine<br />

Formulare, schließlich bin ich kein Beamter.” Und<br />

schon schwindet die Verbindlichkeit gemeinsam erarbeiteter<br />

Vereinbarungen.<br />

Gegen derartige Erosionserscheinungen braucht man<br />

ein Frühwarnsystem, das über den aktuellen Zustand<br />

des Beschwerdemanagements Auskunft gibt. Dieses<br />

Frühwarnsystem geht dabei von einer monatlich optimalen<br />

Beschwerdezahl aus. Diese ist natürlich einrichtungsspezifi<br />

sch und hängt von der Bewohnerzahl<br />

ab.<br />

Berechnung des monatlichen Beschwerdeindexes<br />

siehe Abbildung 10 Seite 26<br />

Sie errechnet sich aus der Anzahl der Bewohnerinnen<br />

und Bewohner geteilt durch zwölf Monate. Damit<br />

ergibt sich eine einrichtungsspezifi sche optimale<br />

Beschwerdezahl. Dieser Ansatz geht von der Annahme<br />

aus, dass im Rahmen des Beschwerdemanagements<br />

jeder Bewohner/jede Bewohnerin oder sein/ihr Angehöriger<br />

durchschnittlich einmal pro Jahr einen Wunsch<br />

oder eine Beschwerde äußern sollte beziehungsweise<br />

könnte, die dann auch dokumentiert wird.<br />

Konkret bedeutet das für die an dem Projekt beteiligten<br />

Heime, dass der monatliche Optimalwert für Heim<br />

A mit 79 Bewohnerinnen und Bewohnern bei 6,6 liegt,<br />

für Heim B mit 133 Bewohnerinnen und Bewohnern<br />

bei 11,1 und schließlich für Heim C mit 110 Bewohnerinnen<br />

und Bewohnern bei 9,2.<br />

Setzt man diesen Optimalwert für jedes Heim gleich<br />

1, ergibt sich ein monatlicher relativer Beschwerdeindex,<br />

der einen direkten Vergleich der Heime unabhängig<br />

von der Bewohnerzahl ermöglicht.<br />

Verläufe monatlicher Beschwerdeindizes<br />

siehe Abbildung 11 Seite 26<br />

Nach den bisherigen Erfahrungen lassen sich die vorliegenden<br />

Werte folgendermaßen interpretieren: Da<br />

ein Beschwerdeindex von 1 dem Optimalwert entspricht,<br />

weisen er und alle darüberliegenden Werte auf<br />

ein sehr gutes und aktives Beschwerdemanagement<br />

hin. Der Wert von 0,5 markiert die Untergrenze, er<br />

bezeichnet einen gerade noch ausreichenden Systemzustand.<br />

Und Beschwerdeindizes, die darunter liegen,<br />

müssen kritisch bewertet werden. Deshalb gilt die<br />

Regel, dass Leitungskräfte aktiv werden müssen, wenn<br />

der Beschwerdeindex über drei Monate unterhalb der<br />

0,5-Marke liegt.<br />

Oder anschaulicher gesagt, der Beschwerdeindex<br />

signalisiert nach dem Ampelschema den Zustand des<br />

09/2002 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 19


Konstruktives Beschwerdemanagement in der Altenhilfe<br />

Systems. Beschwerdeindizes von 1 oder darüber entsprechen<br />

dem grünen, Beschwerdeindizes zwischen<br />

0,5 und 1 dem gelben und Indizes unterhalb von 0,5<br />

dem roten Ampelsignal. Zurzeit befi nden sich alle drei<br />

Heime mit unterschiedlichen Vorzeichen im gelben<br />

Bereich. Das ist befriedigend aber nicht ideal.<br />

Bis zum Projektende wird zu klären sein, inwieweit<br />

sich die Anzahl der dokumentierten Beschwerden<br />

weiter stabilisiert, beziehungsweise im Einzelfall auch<br />

gesteigert werden kann.<br />

Die hier vorgestellten Auswertungen sind relativ aufwendig<br />

und können deshalb zurzeit noch nicht von<br />

den Einrichtungen selbst übernommen werden. Um<br />

diesen Aufwand zu reduzieren, wird ein Datenbankprogramm<br />

entwickelt, das die Dateneingabe und Auswertungen<br />

erleichtert und auch Vergleiche zwischen<br />

Einrichtungen ermöglicht.<br />

4. Übertragbarkeit der Erfahrungen<br />

aus der Altenhilfe<br />

Meine Erfahrung in der Beratung und Fortbildung<br />

zeigen mir, dass Überlegungen zum Beschwerdemanagement<br />

mit dem spezifi schen Schwerpunkt stationäre<br />

Altenhilfe in anderen Bereichen sozialer Arbeit<br />

nicht zwangsläufi g auf Akzeptanz oder gar besonderes<br />

Interesse stoßen müssen. Dabei werden gewisse<br />

Abgrenzungstendenzen bereits im Arbeitsfeld der<br />

ambulanten Dienste spürbar. Kategorischen Erklärungen:<br />

„Unsere Arbeit ist vollkommen anders als in der<br />

(stationären) Altenhilfe” und: „Da sind wir ja schon<br />

viel weiter als die (stationäre) Altenhilfe” erleichtern<br />

den Transfer praktischer Erfahrungswerte nicht.<br />

Beide Argumente, wenn man sie denn als solche<br />

bezeichnen möchte, treffen zwar für die stationäre<br />

Altenhilfe zu, nicht aber für das Beschwerdemanagement,<br />

dessen Geltungsbereich alle Dienstleistungsbranchen<br />

und nicht nur die sozialen umfasst.<br />

Selbstverständlich macht es Sinn, Beschwerdemanagementsysteme<br />

zwar nach einer gleichen Grundlogik<br />

aber doch branchenspezifi sch zu formulieren und<br />

dabei wesentliche Charakteristika der Leistungserstellung<br />

mit zu berücksichtigen. Dazu gehören beispielsweise<br />

der extrem hohe Zeitdruck bei den ambulanten<br />

Diensten, der hohe Anteil von Teilzeitkräften oder<br />

in der Behindertenhilfe, der, wiederum im Vergleich<br />

zur stationären Altenhilfe, hohe Anteil qualifi zierter<br />

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Und bei Letzteren,<br />

so wird befürchtet, stoßen Regeln im Umgang mit<br />

Beschwerden, die die persönliche Handlungsautonomie<br />

begrenzen, auf noch größere Akzeptanzprobleme<br />

als in der Altenhilfe.<br />

Damit kristallisiert sich aber eindeutig eine branchenübergreifende<br />

Gemeinsamkeit heraus: Die zentrale<br />

Bedeutung der Frage, wie und ob Mitarbeiterinnen und<br />

Mitarbeitern ein geregelter Prozess der Beschwerdebearbeitung<br />

zuzumuten ist. Die vorgestellten Zwischenergebnisse<br />

aus dem Modellprojekt sollten zumindest<br />

dazu ermutigen, vor dieser Herausforderung nicht<br />

schon im Vorfeld zu kapitulieren.<br />

Aber sicherlich macht Beschwerdemanagement nicht<br />

für jede Einrichtung und für jeden Bereich Sinn; ich<br />

möchte deshalb einige grundsätzliche Kriterien formulieren,<br />

die Systematisierungsbedarf beim Umgang<br />

mit Beschwerden nahe legen.<br />

Handlungsbedarf bei der Gestaltung der Beschwerdebearbeitungsprozesse<br />

siehe Abbildung 12 Seite 27<br />

Mir erscheint die Einführung eines systematischen<br />

Beschwerdemanagements – unabhängig von den konkreten<br />

Leistungsinhalten – dann sinnvoll, wenn<br />

1. bei der Bearbeitung von Beschwerden häufi g<br />

schnittstellenübergreifende Problembearbeitungen<br />

beziehungsweise -klärungen nötig sind.<br />

2. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit zu großer<br />

Selbstverständlichkeit über die Wichtigkeit beziehungsweise<br />

Unwichtigkeit einer Beschwerde und<br />

damit über ihre Bearbeitungswürdigkeit entscheiden<br />

und wenn zu ausgiebig über die Beweggründe<br />

der Beschwerdeführer spekuliert und diskutiert<br />

wird. Für den Bereich der Altenhilfe heißt das, es<br />

kann nicht darum gehen, den Angehörigen Schuldgefühle<br />

zu unterstellen, sondern schlicht und einfach<br />

darum, Beschwerden anzunehmen und zu<br />

bearbeiten. Handlungsbedarf ist auch dann erkennbar,<br />

wenn<br />

3. knapper werdende Ressourcen rationellere und<br />

effektive Beschwerdebearbeitungsprozesse erfordern.<br />

20 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 09/2002


4. im Rahmen des fachlichen Controllings handfeste<br />

Belege für die Servicequalität der angebotenen Leistungen<br />

benötigt werden und schließlich<br />

5. sich die Einrichtungen oder Dienste in einer Wettbewerbssituation<br />

befi nden beziehungsweise in absehbarer<br />

Zeit befi nden könnten.<br />

Es mehreren sich Anfragen von Trägern, die im<br />

Bereich der Altenhilfe mit dem Beschwerdemanagement<br />

in Berührung gekommen sind und die nun wissen<br />

wollen, ob beziehungsweise inwieweit sich die vorgestellten<br />

Regelungen auch auf die Bereiche Jugendhilfe,<br />

Psychiatrie oder Behindertenhilfe übertragen<br />

lassen.<br />

Gering<br />

Hoch<br />

Konstruktives Beschwerdemanagement in der Altenhilfe<br />

Abbildung 1<br />

Ich kann diese Frage noch nicht abschließend<br />

beantworten, bin aber sicher, dass man sich mit<br />

den Möglichkeiten eines geschäftsfeldübergreifenden<br />

Beschwerdemanagements auseinander setzen muss,<br />

denn isolierte Lösungen, wie stimmig sie im Einzelfall<br />

– also beispielsweise in der Altenhilfe – sein mögen,<br />

bleiben für Träger mit mehreren Leistungsbereichen<br />

relativ uninteressant. Ich suche deshalb auf der Grundlage<br />

der bisherigen Ergebnisse des Modellprojekts das<br />

Gespräch mit Fachleuten aus anderen Bereichen sozialer<br />

Arbeit. Bei diesem Dialog stehe ich noch am<br />

Anfang, aber ich werde ihn weiterverfolgen.<br />

Abgestufte Inanspruchnahme von Beschwerdeebenen<br />

Zahl der<br />

Beschwerden<br />

Stabsstellen oder externe<br />

Beschwerdestellen /<br />

Ombudsmänner:<br />

Beschwerdebearbeitung<br />

außerhalb der Linie<br />

Vorgesetzte:<br />

Beschwerdebearbeitung auf<br />

dem Dienstweg<br />

Mitarbeiter vor Ort:<br />

Internes<br />

Beschwerdemanagement<br />

09/2002 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 21


Konstruktives Beschwerdemanagement in der Altenhilfe<br />

Abbildung 2<br />

Abbildung 3<br />

Beschwerdemanagement in drei Schritten:<br />

Das Prozessmodell<br />

Beschwerdestimulierung<br />

Beschwerdeannahme<br />

-bearbeitung und<br />

-reaktion<br />

Beschwerdeauswertung<br />

Daten zur Prozessqualität <br />

Daten zur Ergebnisqualität<br />

Kundenzufriedenheit<br />

Kundenvertrauen<br />

Maßnahmen zur Beschwerdestimulierung<br />

Vorstellung der Einrichtung<br />

Groborganigramme der Gesamteinrichtung mit allen Arbeitsbereichen<br />

und zuständigen Leitungsstelleninhaber(n)/-innen<br />

Detailorganigramme mit Namen aller Mitarbeiter/-innen<br />

ausgesuchter (Teil)-Bereiche<br />

Namensschilder mit neutralen Tätigkeitsbezeichnungen für alle<br />

Mitarbeiter/-innen<br />

Information der Bewohner/-innen und ihrer<br />

Angehörigen zum Beschwerderecht und Ermutigung<br />

zum offenen Umgang mit Beschwerden<br />

Hinweis zum Beschwerderecht im Heimvertrag<br />

Persönliches Anschreiben an die Bewohner/-innen und<br />

Angehörigen zum Start des Beschwerdemanagements<br />

Ansprache auf die Zufriedenheit mit den<br />

angebotenen Leistungen<br />

Stichprobenartige Bilanzgespräche zur Leistungszufriedenheit<br />

(ggf. auch im Rahmen bewohnerbezogener Pflegevisiten)<br />

Allgemeine schriftliche Befragungen zur Angebotszufriedenheit<br />

Weihnachtsgruß und Rückantwortkarte für Angehörige und<br />

Bewohner/-innen mit Kernfragen zur Beschwerdebearbeitung<br />

22 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 09/2002


Konstruktives Beschwerdemanagement in der Altenhilfe<br />

Abbildung 4<br />

Abbildung 5<br />

Maßnahmen zur Beschwerdeannahme,<br />

-bearbeitung und -reaktion<br />

Klärung der Zuständigkeiten von<br />

Beschwerdeempfängern und<br />

Beschwerdebearbeitern<br />

Festlegung der Rückmeldefristen an den<br />

Beschwerdeführer und der Fristen für die interne<br />

Beschwerdebearbeitung<br />

Flankierende Regelungen für den Umgang mit<br />

kritischen Situationen<br />

Einführung standardisierter Beschwerdeformulare<br />

und einer geregelten Dokumentationspflicht<br />

Formulierung allgemeiner Verhaltensempfehlungen<br />

für den Umgang mit Beschwerdeführern<br />

Prozessverantwortung des Beschwerdeempfängers:<br />

Dreh- und Angelpunkt effektiver<br />

Beschwerdebearbeitung<br />

B.-Führer B.-Empfänger<br />

Dokumentation<br />

Externe Information Interne Koordination<br />

Rückmeldefrist<br />

extern (ca. 4 KT)<br />

Bearbeitungsfrist<br />

intern (ca. 7 KT)<br />

B.-Bearbeiter<br />

Der Beschwerdeempfänger verpflichtet sich gegenüber dem<br />

Beschwerdeführer zur fristgerechten Rückmeldung.<br />

Der Beschwerdeempfänger verpflichtet andere Mitarbeiter/-innen zur<br />

fristgerechten Bearbeitung.<br />

09/2002 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 23


Konstruktives Beschwerdemanagement in der Altenhilfe<br />

Abbildung 6<br />

Abbildung 7<br />

Einführung des Beschwerdemanagements:<br />

Überblick bisheriger Projektablauf (Heim C)<br />

Phase 1: Vorbereitungen und Grundlagen<br />

Arbeitsgruppen 1 - 3<br />

Erarbeitung und Diskussion des<br />

Handbuchs zum Beschwerdemanagement<br />

➨ 5. Oktober 2000<br />

➨ 6. November 2000<br />

➨ 16. Januar 2001<br />

Phase 2: Training und Umsetzung<br />

Mitarbeiterversammlung<br />

Mitarbeitertrainings<br />

Vertiefungstrainings<br />

➨ 30. Januar 2001<br />

➨ 12.-15. Februar 2001<br />

➨ 20./21. März 2001<br />

Phase 3: Erste Beschwerdeauswertungen und<br />

Information der Öffentlichkeit<br />

Arbeitsgruppen 4 - 6<br />

• Beschwerdeauswertungen /<br />

Fallbesprechungen<br />

• Festlegung des<br />

Auswertungsverfahrens<br />

• Interne Vertiefungstrainings<br />

• Zwischenbilanz und „Brief an<br />

die Öffentlichkeit“<br />

➨ 15. Mai 2001<br />

➨ 27. Juli 2001<br />

➨ August 2001<br />

➨ 16. Oktober 2001<br />

Monatliche Häufigkeit der dokumentierten<br />

Beschwerdevorgänge<br />

in den 3 Heimen des Projektes der Robert Bosch Stiftung zum systematischen Beschwerdemanagement<br />

30 Heim A Heim B Heim C<br />

20<br />

10<br />

0<br />

Nov Dez Jan Feb März April Mai Juni Juli Aug<br />

Heim C 4 9 3 2 7 5 4<br />

Heim B 9 6 6 4 7 4 1 10 8 2<br />

Heim A 5 5 2 5 9 1 1 6 9 6<br />

24 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 09/2002


Konstruktives Beschwerdemanagement in der Altenhilfe<br />

Abbildung 8<br />

Abbildung 9<br />

Verteilung der Beschwerdeführer<br />

Prozent<br />

N=99<br />

Bewohner/-innen 33,3 %<br />

Angehörige 40,4 %<br />

Betreuer/-innen 12,1 %<br />

Ärzt(e)/-innen 0,0 %<br />

Sonstige 14,1 %<br />

Gesamtsumme 99,9 %<br />

Verteilung betroffener<br />

Leistungsbereiche<br />

Prozent<br />

N=103<br />

Küche 12,6 %<br />

Leitung 4,9 %<br />

Pflege 47,6 %<br />

Reinigung 5,8 %<br />

Sozialdienst 1,0 %<br />

Technik 10,7 %<br />

Verwaltung 1,9 %<br />

Wäscherei 7,8 %<br />

Sonstige 7,8 %<br />

Gesamtsumme 100,1 %<br />

09/2002 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 25


Konstruktives Beschwerdemanagement in der Altenhilfe<br />

Der monatliche Beschwerdeindex =<br />

Optimale Beschwerdehäufigkeit im Verhältnis zur Bewohnerzahl<br />

in den 3 Heimen des Projektes der Robert Bosch Stiftung zum systematischen Beschwerdemanagement<br />

Abbildung 10<br />

Monatlicher Beschwerdeindex =<br />

Heim A = 6,6 Beschwerden =<br />

Heim B = 11,1 Beschwerden =<br />

Heim C = 9,2 Beschwerden =<br />

Anzahl der Bewohner/-innen<br />

12 Monate<br />

79 Bewohner/-innen<br />

12 Monate<br />

133 Bewohner/-innen<br />

12 Monate<br />

110 Bewohner/-innen<br />

12 Monate<br />

Monatlicher Beschwerdeindex: Häufigkeit der<br />

dokumentierten Beschwerdevorgänge im Verhältnis zur<br />

Bewohnerzahl<br />

in den 3 Heimen des Projektes der Robert Bosch Stiftung zum systematischen Beschwerdemanagement<br />

1,5<br />

1<br />

0,5<br />

0<br />

Abbildung 11<br />

Index A Index B Index C<br />

Nov Dez Jan Feb März April Mai Juni Juli Aug<br />

26 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 09/2002


Konstruktives Beschwerdemanagement in der Altenhilfe<br />

Abbildung 12<br />

Handlungsbedarf bei der Gestaltung der<br />

Beschwerdebearbeitungsprozesse besteht,<br />

wenn...<br />

1. bei der Beschwerdebearbeitung regelmäßig<br />

schnittstellenübergreifende Zusammenarbeit<br />

erforderlich wird.<br />

2. Mitarbeiter/-innen Beschwerden und<br />

Beschwerdeführer zu sehr bewerten statt sich allein<br />

auf die Klärung der Anliegen zu konzentrieren.<br />

3. knapper werdende Ressourcen rationellere,<br />

effektive Bearbeitungsprozesse erfordern.<br />

4. im Rahmen des fachlichen Controllings handfeste<br />

Belege für die Servicequalität der angebotenen<br />

Leistungen benötigt werden.<br />

5. sich die Einrichtungen oder Dienste in einer<br />

Wettbewerbssituation befinden bzw. in absehbarer<br />

Zeit befinden könnten.<br />

09/2002 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 27


Präsentation von Beschwerdemanagement-Modellen aus der Praxis<br />

Joachim Krause:<br />

Erfahrungsbericht über die Einführung und Anwendung<br />

eines Beschwerdemanagements in den stationären Pfl egeeinrichtungen<br />

Beschwerden gibt es bei uns nicht !<br />

Unsere Arbeit ist so gut geplant und wird so gut durchgeführt,<br />

dass es keinen Anlass zu Beschwerden gibt !<br />

Das waren die Worte eines Einrichtungsleiters, als<br />

ich mit ihm über die Entwicklung und Einführung<br />

eines Beschwerdemanagements ins Gespräch gekommen<br />

bin.<br />

Es ist natürlich nicht so.<br />

Ebenso wie in der Industrie oder in anderen Bereichen<br />

der Wirtschaft, gibt es auch in Dienstleistungsunternehmen,<br />

und unsere diakonischen Einrichtungen<br />

sind ja solche, immer wieder auch Beschwerden und<br />

Kritik. Das war so und das wird wohl nie ganz zu<br />

verhindern sein, auch wenn die Arbeit noch so gut<br />

geplant und organisiert sein mag.<br />

Besonders in unseren Pfl egeeinrichtungen defi niert<br />

sich die Qualität der Arbeit über die Beziehungen zwischen<br />

Menschen.<br />

• Beziehungen zwischen Mitarbeitern der einzelnen<br />

Arbeitsbereiche<br />

• Beziehungen zu den Kunden, das heißt, zu den<br />

Bewohnern, Patienten, Angehörigen und Betreuern<br />

• Beziehungen zu Institutionen, Sozialämtern, Pfl egekassen,<br />

Medizinischem Dienst der Krankenkassen<br />

usw.<br />

So können aus Beziehungspunkten manchmal Reibungspunkte,<br />

Kritikpunkte und Beschwerden werden.<br />

Was nun die Folgen dieser Beschwerden betrifft, was<br />

sie auslösen und letztendlich bewirken, hängt in ganz<br />

entscheidender Weise davon ab, wie mit Beschwerden<br />

umgegangen wird. Überlassen wir es dem Gutdünken,<br />

oder steuern wir es? Gehen wir defensiv mit<br />

Beschwerden um oder gehen wir offensiv mit den<br />

Beschwerden um?<br />

Wie wurde diese Frage nun in unserer Stiftung<br />

beantwortet ?<br />

Generell wurde in der Vergangenheit relativ offen mit<br />

Beschwerden umgegangen.<br />

Jedoch wurden Beschwerden immer als Einzelfall aus<br />

der Situation heraus behandelt.<br />

Konsequenzen beziehungsweise Veränderungen in der<br />

Arbeit waren jedoch häufi g davon abhängig, wie groß<br />

der Druck war, den die Beschwerde ausgelöst hatte<br />

beziehungsweise bei welcher Instanz die Beschwerde<br />

eingegangen war.<br />

Als Möglichkeit für die Äußerung von Kritik, Be -<br />

schwerde, Reklamation oder Anregung zur Verbesserung<br />

gab es in den Einrichtungen die üblichen Wege<br />

wie:<br />

• Kummerkasten<br />

• Beschwerdebuch<br />

• Persönliche Beschwerde bei der Heimleitung, Pfl egedienstleitung<br />

oder auch der Wohnbereichsleitung<br />

Beschwerden über das Essen konnten in der Küchenkommission,<br />

die in der Regel monatlich tagte, durch<br />

einen benannten Vertreter der Heimbewohner eingebracht<br />

werden.<br />

Eine systematische Behandlung und auch Auswertung<br />

von Beschwerden gab es jedoch nicht. Im Rahmen der<br />

Behandlung von Beschwerden, die direkt beim Träger,<br />

das heißt beim Direktor eingegangen sind, wurde festgestellt,<br />

dass häufi g Beschwerden, die im persönlichen<br />

Gespräch in den Pfl egebereichen eingebracht<br />

worden waren, nicht ausreichend behandelt wurden<br />

beziehungsweise im Tagesgeschäft teilweise wieder<br />

untergegangen sind.<br />

Kritik, Beschwerden oder Reklamationen wurden oft<br />

mehr als unliebsame Begleiterscheinung, als störend<br />

28 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 09/2002


Präsentation von Beschwerdemanagement-Modellen aus der Praxis<br />

empfunden und nicht so sehr als Möglichkeit zu einer<br />

Verbesserung der Bewohnerzufriedenheit.<br />

Im Rahmen der Diskussion um die Kundenzufriedenheit<br />

und die Qualitätssicherung wurde bereits 1995<br />

durch den Direktor der St. Elisabeth - Stiftung eine<br />

Initiative zu einem offensiven Umgang mit Kritik,<br />

Beschwerden und Reklamationen eingeleitet.<br />

In Vorträgen und Diskussionen wurde den Mitarbeitern<br />

unserer Einrichtungen folgende Punkte vermittelt:<br />

1. Im richtigen Umgang mit Kritik, Beschwerden und<br />

Reklamationen liegen für die qualitative Entwicklung<br />

der Einrichtung innovative Chancen, die wir<br />

uns nicht entgehen lassen sollten.<br />

2. Kritik, Beschwerden und Reklamationen sind Be -<br />

griffe, die in der Regel negativ besetzt sind und<br />

werden vom Mitarbeiter als Angriff oder Vorwurf<br />

empfunden. So müssen aber Kritik, Beschwerden<br />

und Reklamationen als hilfreich für das Erkennen<br />

von Fehlern beziehungsweise Defi ziten bewertet<br />

werden.<br />

3. Der Kritik, Beschwerden und Reklamationen Vortragende<br />

darf nicht als Störenfried oder Buhmann<br />

betrachtet werden.<br />

4. Kritik, Beschwerden und Reklamationen sind kein<br />

persönlicher Angriff auf den Mitarbeiter, sondern<br />

eine berechtigte Reaktion auf Unzulänglichkeiten<br />

in der Einrichtung.<br />

5. Ein aktiver Umgang mit Kritik, Beschwerden und<br />

Reklamationen führt zu zufriedenen Kunden und<br />

fördert den guten Ruf der Einrichtung so wie ein<br />

unzureichender Umgang mit ihnen den guten Ruf<br />

der Einrichtung schädigt.<br />

6. Methoden des Umganges mit Kritik, Beschwerden<br />

und Reklamationen sind:<br />

• die aktive Methode, die sich darin äußert, dass im<br />

Vorfeld von möglichen Kritiken, Beschwerden<br />

und Reklamationen der Kontakt zum Bewohner<br />

gesucht und die Zufriedenheit beziehungsweise<br />

Unzufriedenheit in geeigneter Weise erfragt<br />

wird.<br />

• die passive Methode, die angewendet wird, wenn<br />

es bereits zu Kritik, Beschwerden und Reklama-<br />

tionen gekommen ist. Hier kommt es darauf an,<br />

sie mit einem positiven Ergebnis sowohl für den<br />

Beschwerdeführer als auch für die Einrichtung<br />

zu bearbeiten.<br />

Im Rahmen diese Initiative wurde den Mitarbeitern<br />

und Mitarbeiterinnen unserer Einrichtungen die positive<br />

Seite des Beschwerens vermittelt und den Anregungen<br />

zum offensiven Umgang gegeben.<br />

Mit der Entwicklung eines Qualitätsmanagement in<br />

unseren Einrichtungen ab 1998, wurde dieser erste<br />

Ansatz dann weiterentwickelt. Im Rahmen der Entwicklung<br />

dieses Qualitätsmanagements wurden wir<br />

zwangsläufi g darauf gestoßen, dass im Bezug auf<br />

Fehlererkennung, Qualitätsverbesserung und Kundenzufriedenheit<br />

die Entwicklung eines Beschwerdemanagements<br />

als fester Bestandteil dieses Quali -<br />

tätsmanagements unumgänglich ist.<br />

Diese Entwicklung eines einheitlichen Beschwerdemanagements<br />

wurde im Herbst 1998 auf einer unserer<br />

Qualitätskonferenzen beschlossen.<br />

Zur Lösung dieser Aufgabe hatten wir einen einrichtungsübergreifenden<br />

Qualitätszirkel gebildet, in dem<br />

Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aller wesentlichen<br />

Arbeitsbereiche der Stiftung vertreten waren.<br />

Zum Beginn der Arbeit am Beschwerdemanagement<br />

wurden folgende Fragen geklärt :<br />

• Zu welchen Elementen des Qualitätsmanagements<br />

nach ISO 9001 bestehen Schnittstellen?<br />

- Element 4.14 Korrektur und Vorbeuge-<br />

maßnahmen<br />

- Element 4.13 Lenkung fehlerhafter Produkte<br />

- Element 4.16 Lenkung von Qualitätsaufzeichnungen<br />

- Element 4.5 Lenkung von Dokumenten<br />

und Daten<br />

- Element 4.1 Interne Audits<br />

- Element 4.20 Statistische Methoden<br />

• Welcher Personenkreis muss in das Beschwerdemanagement<br />

einbezogen werden?<br />

- Bewohner<br />

- Angehörige<br />

- Betreuer<br />

09/2002 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 29


Präsentation von Beschwerdemanagement-Modellen aus der Praxis<br />

- Kostenträger<br />

- Mitarbeiter<br />

- Unterlieferanten<br />

- Behörden<br />

• Welche Beschwerdemöglichkeiten sollten eingearbeitet<br />

werden?<br />

Grundsatz: Jede Beschwerde ist aufzunehmen,<br />

zu bewerten, zu bearbeiten, zu beantworten und<br />

auszuwerten. Keine Beschwerde darf untergehen.<br />

- Mündliche Beschwerden gegenüber Mitarbeitern.<br />

Jeder Mitarbeiter ist auch Ansprechpartner<br />

für Beschwerden. Die mündlich vorgetragenen<br />

Beschwerden sind von dem betreffenden Mitarbeiter<br />

gemäß Verfahrensanweisung zu bearbeiten.<br />

- Schriftliche Beschwerden (Briefe)<br />

- Schriftliche Beschwerden (Beschwerdevordrucke)<br />

- Beschwerdebriefkasten<br />

- Sorgentelefon<br />

• Wie sollte der Ablauf der Bearbeitung geregelt<br />

werden ?<br />

- Gegebenenfalls sind sofortige Korrekturmaßnahme<br />

einzuleiten<br />

- Die Beschwerde wird registriert (Vordruck)<br />

- Die Beschwerde wird geprüft und bewertet<br />

gemäß Verfahrensanweisung<br />

- Festgelegter Personenkreis wird informiert<br />

gemäß Verfahrensanweisung<br />

- Eingangsbestätigung gegenüber Beschwerdeführer<br />

- Die Beschwerde wird ausgewertet<br />

- gegebenenfalls werden Korrektur beziehungsweise<br />

Vorbeugemaßnahmen festgelegt<br />

- Durchführung der Maßnahmen gem. Schnittstelle<br />

„Korrekturmaßnahmen”<br />

- Die Beschwerde wird vom Mitarbeiter aufgenommen<br />

- Die Beschwerde wird beantwortet<br />

- Auswertung der Beschwerden im Rahmen von<br />

internen Audits<br />

Entsprechend dieser, im Rahmen unseres Qualitätszirkels<br />

beantworteten Fragestellungen wurde nun eine<br />

Verfahrensanweisung erarbeitet, die durch das Direktorium<br />

unserer Stiftung für alle Pfl egeinrichtungen als<br />

verbindlich erklärt wurde.<br />

Einführung des Beschwerdemanagement<br />

Nach der Freigabe der Verfahrensanweisung durch das<br />

Direktorium der St. Elisabeth-Stiftung erfolgten folgende<br />

Schritte zur Einführung:<br />

1. Im Rahmen einer Konferenz wurde die Verfahrensanweisung<br />

den Pfl egedienstleitenden sowie den<br />

Qualitätsbeauftragten der Pfl egeeinrichtungen vorgestellt.<br />

2. In den Pfl egeeinrichtungen erfolgte die Vorstellung<br />

der Verfahrensanweisung bei den Mitarbeitenden<br />

durch die Pfl egedienstleitung des Hauses.<br />

3. In einem persönlichen Schreiben an die Bewohner<br />

sowie im Rahmen von Angehörigenversammlungen<br />

wurden die Beschwerdemöglichkeiten benannt und<br />

um frühzeitige Mitteilung von Problemen gebeten.<br />

4. In der Geschäftsstelle der St. Elisabeth-Stiftung<br />

wurde eine zentrale Beschwerdestelle mit einem<br />

festen Ansprechpartner eingerichtet.<br />

5. Für die kostenfreie Möglichkeit einer telefonischen<br />

Beschwerde wurde ein zentrales kostenfreies<br />

Beschwerdetelefon eingerichtet.<br />

Erfahrungen seit der Einführung des Be -<br />

schwer de management<br />

Eine erste Auswertung, die nach einem Jahr durchgeführt<br />

wurde, hat Folgendes ergeben:<br />

1. Nutzung des zentralen kostenfreien Beschwerdetelefons.<br />

Hier wurde festgestellt, dass von dieser<br />

Möglichkeit einer Beschwerde kaum Gebrauch<br />

gemacht wurde. Innerhalb eines Jahres wurde diese<br />

Möglichkeit nur in 18 Fällen genutzt. Da diese<br />

geringe Nutzung in keinem Verhältnis zu den Kosten<br />

stand, die für den Träger damit verbunden waren,<br />

wurde die kostenfreie Telefonnummer abgeschafft.<br />

Weiterhin besteht jedoch die Möglichkeit einer<br />

telefonischen Beschwerde unter einer normalen<br />

Telefonnummer innerhalb der üblichen Geschäftszeiten.<br />

2. Im Rahmen von durchgeführten Audits wurde festgestellt,<br />

dass es bei der Umsetzung des Beschwerdemanagement<br />

Anlaufschwierigkeiten gibt und die<br />

Verfahrensanweisung nicht in allen Einrichtungen<br />

30 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 09/2002


Präsentation von Beschwerdemanagement-Modellen aus der Praxis<br />

dauerhaft und konsequent umgesetzt wurde. Gründe<br />

hierfür waren:<br />

- Die Sensibilisierung der Mitarbeiter für den<br />

Umgang mit Kritik, Beschwerden und Reklamationen<br />

war nicht in allen Bereichen gelungen.<br />

- Der Aufwand für die Dokumentation von<br />

Beschwerden wurde gescheut.<br />

- Die Analyse der dokumentierten Beschwerden<br />

wurde nicht in allen Einrichtungen entsprechend<br />

der Verfahrensanweisung durchgeführt beziehungsweise<br />

der Qualitätszirkel nicht einbezogen<br />

sowie die Mitarbeiter nicht über die Ergebnisse<br />

informiert. Das führte zu einer sinkenden Akzeptanz<br />

der Verfahrensanweisung bei den Mitarbeitern.<br />

3. Es konnte festgestellt werden, dass sich die Zahl der<br />

Beschwerden beim Träger verringert hatten, besonders<br />

bei den Einrichtungen, die die Verfahrensanweisung<br />

umgesetzt hatten.<br />

4. Bei der Auswertung der Beschwerden, die direkt<br />

beim Träger eingebracht worden waren, wurde festgestellt,<br />

dass häufi g im Vorfeld in der Pfl egeeinrichtung<br />

eingebrachte Beschwerden beziehungsweise<br />

Hinweise auf bestehende Mängel nicht ausreichend<br />

beachtet worden sind.<br />

Zusammenfassend kann Folgendes festgestellt<br />

werden:<br />

1. In den Einrichtungen, die die Verfahrensanweisung<br />

umgesetzt haben, hat die systematische Bearbeitung<br />

und Auswertung der Kritik, Beschwerden und<br />

Reklamationen zu wichtigen Hinweisen und Impulsen<br />

für die Arbeit der Qualitätszirkel im Rahmen<br />

der Qualitätsverbesserung geführt.<br />

2. In den Einrichtungen, die die Verfahrensanweisung<br />

umgesetzt haben, hat die Bearbeitung aller eingehenden<br />

Beschwerden sowie der damit verbundene<br />

Dialog mit Bewohnern, Angehörigen und Betreuern<br />

zu einer Steigerung der Kundenzufriedenheit<br />

geführt.<br />

3. Für die dauerhafte Umsetzung ist ein stetiger Dialog<br />

mit den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen über<br />

Beschwerden, die auslösenden Faktoren, die psychologischen<br />

Wirkungen und die richtigen Reaktionen<br />

notwendig. Wird dieser Aufwand gescheut,<br />

sinkt die Akzeptanz bei den Mitarbeitenden und<br />

damit der positive Effekt des Beschwerdemanagements.<br />

4. Als positiv hat sich der bereits angesprochene<br />

aktive Umgang mit Kritik, Beschwerden und Reklamationen<br />

im Zusammenhang mit dem Qualitätsmanagement,<br />

besonders der Elemente „Lenkung<br />

fehlerhafter Produkte” und „Korrektur und Vorbeugemaßnahmen”<br />

herausgestellt. In diesem Rahmen<br />

werden in einigen Einrichtungen neben den ständigen<br />

Befragungen der Kunden (Bewohner, Angehörige,<br />

Betreuer usw.), auch Erfassungsbögen zur<br />

Fehlererfassung geführt, in denen aufgetretene<br />

Fehler bereits vor einer eventuellen Beschwerde<br />

erfasst und ausgewertet werden. Diese Auswertungen<br />

fl ießen dann in die Arbeit der Qualitätszirkel<br />

ein und führen gegebenenfalls zu Maßnahmen der<br />

Fehlerkorrektur und -vorbeugung.<br />

09/2002 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 31


Präsentation von Beschwerdemanagement-Modellen aus der Praxis<br />

Gerhard Benninghoff, Michaela Küpper:<br />

Beschwerdemanagement als Einstieg ins Qualitätsmanagement<br />

1. Das Projekt und sein Rahmen<br />

Unser Leitgedanke ist, dass die Bewohnerinnen und<br />

Bewohner sich unsere Einrichtung ganz bewusst ausgesucht<br />

haben. Dieses Vertrauen wollen wir rechtfertigen:<br />

natürlich durch gute Leistungen, aber auch<br />

dadurch, das wir Fragen, Wünsche und schließlich<br />

Beschwerden erkennbar ernst nehmen, auch wenn<br />

wir nicht immer jedem Anliegen werden entsprechen<br />

können.<br />

Es mag in der heutigen Zeit seltener geworden sein,<br />

dass Bewohner noch in der Lage sind, sich eine Einrichtung<br />

ganz bewusst auszusuchen. Deshalb möchten<br />

wir zunächst etwas über die Lage und Besonderheit<br />

unseres Heimes berichten: Es liegt in Essen-Kettwig<br />

und ist durch seine Lage eingebunden in das Leben<br />

des Stadtteils und in das Gemeindeleben der evangelischen<br />

Kirchengemeinde Kettwig, die Träger des<br />

Hauses Abendfrieden ist. Viele Gemeindemitglieder<br />

engagieren sich auch ehrenamtlich in unserer Einrichtung.<br />

Aus diesem Umkreis rekrutieren sich 90 Prozent<br />

unserer Bewohner; sie kennen Haus Abendfrieden<br />

lange bevor sie sich anmelden und letztendlich einziehen.<br />

Haus Abendfrieden bietet 79 Heimplätze für Bewohnerinnen<br />

und Bewohner in allen Pfl egestufen. Aufnahmekriterium<br />

ist der Nachweis der Pfl egestufe 1.<br />

Dreizehn Bewohner beziehen noch keine Leistungen<br />

nach dem Pfl egeversicherungsgesetz, sie wohnen teilweise<br />

schon über 20 Jahre im Haus und sind nach<br />

wie vor nicht pfl egebedürftig. In der Pfl ege sind 23<br />

Vollzeitstellen von den Kostenträgern genehmigt, tatsächlich<br />

wurden im letzten Jahr 27 Stellen zur Bewohnerversorgung<br />

benötigt. Die Fachkraftquote liegt bei<br />

knapp über 50 Prozent.<br />

Aufgrund der exponierten Lage ist unser Haus häufi g<br />

Mittelpunkt öffentlichen Interesses. Angehörige und<br />

ehrenamtliche Mitarbeiter treffen sich in anderen Be -<br />

zügen (in den verschiedenen Gemeindegruppen oder<br />

beim Einkaufen auf dem Marktplatz) und schon sind<br />

erlebte Situationen positiv oder negativ Thema.<br />

In dieser Situation ist die Bearbeitung von Beschwerden,<br />

Anregungen und Wünschen Bestandteil unserer<br />

Arbeit geworden. In manchen Situationen konnten wir<br />

jedoch immer wieder beobachten, dass Beschwerden<br />

und Wünsche je nach Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />

unterschiedlich, zufällig und unsystematisch bearbeitet<br />

wurden.<br />

Auf einer Fachtagung des evangelischen Verbandes für<br />

Altenarbeit hörten wir im November 1999 erstmalig<br />

den Begriff „Beschwerdemanagement”. Bisher hatten<br />

wir nach einer Methode gesucht, die den Umgang mit<br />

Beschwerden für alle Beteiligten verbindlicher macht<br />

und die einen Einstieg ins Qualitätsmanagement liefert.<br />

Das von der Robert Bosch Stiftung geförderte Pilotprojekt<br />

zum Thema „Beschwerdemanagement” schien<br />

die Gelegenheit zu bieten, nach der wir gesucht hatten.<br />

Zu Beginn des Jahres 2000 entschied die Geschäftsleitung<br />

sich an diesem Projekt zu beteiligen. Die Chance,<br />

die wir uns für unsere Einrichtung durch die Teilnahme<br />

versprochen haben ist sicherlich zum einen die fachliche<br />

Kompetenz des Projektleiters Gerhard Tinnefeldt<br />

zu nutzen und zum anderen sich nicht selbstständig<br />

dieses neue Themenfeld erschließen zu müssen.<br />

2. Die Umsetzung des Beschwerdemanagements<br />

Die Teilnahme an dem Modellprojekt zum Beschwerdemanagement<br />

hat verdeutlicht, dass alle Hierarchieebenen<br />

für den Empfang und die Bearbeitung von<br />

Beschwerden verantwortlich sind. Keine Mitarbeiterin<br />

und kein Mitarbeiter kann sich dem Thema entziehen,<br />

nach dem Motto: „Dafür bin ich nicht zuständig.”<br />

Deshalb war und ist es wichtig, alle Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter in das Projekt einzubinden.<br />

32 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 09/2002


Präsentation von Beschwerdemanagement-Modellen aus der Praxis<br />

Konkret sind folgende Gremien beteiligt worden:<br />

• der Träger<br />

• alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />

• eine Arbeitsgruppe, bestehend aus allen Abteilungsleitungen<br />

und der MAV-Vorsitzenden, die maßgeblich<br />

mit für den Transport des Themas in die<br />

Organisation verantwortlich waren und sind<br />

• Fremdleister für Mahlzeitenservice und Reinigung<br />

Darüber hinaus wurde die Öffentlichkeit informiert.<br />

Im Frühjahr diesen Jahres sind die Heimverträge entsprechend<br />

geändert worden und in einem Anschreiben<br />

sind alle Bewohner und deren Angehörige über ihr<br />

Beschwerderecht informiert worden.<br />

Bei der Resonanz auf das Projekt muss man unterscheiden<br />

zwischen den einzelnen Beteiligten:<br />

• Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />

Die Resonanz bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern<br />

war insoweit groß, als dass man sich von<br />

diesem Verfahren mehr Handlungssicherheit auch<br />

in heiklen und emotional vorgebrachten Beschwerdesituationen<br />

versprochen hat. Das Einüben der<br />

Kommunikationsregeln und des Verfahrens innerhalb<br />

der Trainings war dazu sehr hilfreich. Im<br />

Arbeitsalltag muss das natürlich weiterhin eingeübt<br />

werden.<br />

• Bewohnerinnen und Bewohner sowie Angehörige<br />

Nach der Veröffentlichung des Projektes und die<br />

Aufnahme des Beschwerdemanagements als Be -<br />

standteil im Heimvertrag war eine Reaktion bei<br />

den Angehörigen zu beobachten. Manche nahmen<br />

Rücksprache, brachten direkt Beschwerden vor<br />

oder suchten nach einer Erklärung im persönlichen<br />

Gespräch. Dies ist bei den Bewohnerinnen und Be -<br />

wohnern ausgeblieben.<br />

• Träger<br />

Das Trägerinteresse wuchs, als das Projekt veröffentlicht<br />

werden sollte. Über die Art der Information<br />

an die Bewohnerschaft und die Formulierung<br />

des Briefes entbrannte eine Diskussion mit dem<br />

Aufsichtsrat.<br />

• Heimaufsicht<br />

Die Heimaufsicht zeigte sich sehr interessiert, da<br />

ein großes Aufgabengebiet der Heimaufsicht die<br />

Bearbeitung von Beschwerden ist. Sie nahm die<br />

Information auch als Anregung für andere Einrichtungen<br />

mit.<br />

3. Beschwerdeanlässe<br />

Als Beschwerdeanlässe möchte ich zwei Beispiele<br />

anhand der Beschwerdeformulare vorstellen:<br />

Fall 1: Abendessen ist in den Nachmittag gerutscht<br />

Auffällig am ersten Fall ist, das ohne die Beschwerde<br />

der Angehörigen es sicher erst viel später aufgefallen<br />

wäre, dass sich die Zeiten für das Abendessen schleichend<br />

immer weiter nach vorne schieben und gleichzeitig<br />

weiter verkürzen. Dadurch, das der Fremdleister<br />

für die Verteilung des Abendbrotes zuständig ist, fällt<br />

es den eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erst<br />

viel später auf. Auf die Rückmeldung von außen ist<br />

man in diesem Fall angewiesen.<br />

Fall 2: Suppe zu wässrig<br />

Im zweiten Fall ist das Thema in einer der nächsten<br />

Speiseplanbesprechungen noch einmal mit behandelt<br />

worden.<br />

Das System des Beschwerdemanagements liefert eine<br />

Verbindlichkeit für alle Beteiligten. Die Angehörigen<br />

09/2002 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 33


Präsentation von Beschwerdemanagement-Modellen aus der Praxis<br />

fühlen sich durch die verbindliche Bearbeitung, indem<br />

sie spätestens nach vier Kalendertagen eine Rückmeldung<br />

bekommen, ernst genommen. Den Mitarbeitern<br />

vermittelt der Ablauf Handlungssicherheit.<br />

Des Weiteren werden Themen aufgedeckt, die direkt<br />

und unmittelbar Einfl uss auf qualitätssichernde Maßnahmen<br />

nehmen.<br />

4. Beschwerdeauswertung<br />

* Die Zahlen bezeichnen die bearbeiteten Beschwerdeformulare<br />

mit bis zu jeweils vier Beschwerdeinhalten,<br />

die einen Leistungsbereich betreffen.<br />

Anhand des Beschwerdeindex ist die Beschwerdehäufi<br />

gkeit in unserer Einrichtung erkennbar. Es wird<br />

deutlich, dass ständig Handlungsbedarf besteht, damit<br />

das System nicht einschläft. Um dies zu erreichen<br />

sind zum einen punktuelle Einzelmaßnahmen, die eindeutige<br />

Akzente setzen, zum anderen Beständigkeit<br />

gefragt.<br />

Einzelmaßnahmen bestehen aus ein bis zwei jährlichen<br />

Schulungen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter:<br />

Kommunikationsregeln und Verhalten im Umgang<br />

mit Externen müssen ständig trainiert und das System<br />

sicher beherrscht werden.<br />

So wie die Notfallkompetenz eines Rettungssanitäters<br />

müsste die Gesprächskompetenz unserer Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter bei der Annahme und Bearbeitung<br />

von Beschwerden und Wünschen trainiert sein.<br />

Andererseits ist eine gewisse Hartnäckigkeit gefragt.<br />

Das Thema Beschwerdemanagement ist Tagesordnungspunkt<br />

einer jeden Besprechung. Aktuelle Be -<br />

schwerden sollen kurz in den Übergaben thematisiert<br />

werden, zurückliegende Beschwerden innerhalb von<br />

Teambesprechungen und Leitungskonferenzen ausgewertet<br />

und refl ektiert werden.<br />

Es ist ständig darauf zu achten, dass Maßnahmen der<br />

Beschwerdestimulierung, wie das Tragen der Namensschilder<br />

und das Aktualisieren von Organigrammen<br />

eingehalten werden.<br />

5. Ausblick<br />

Ob das System noch bei allen bekannt ist, wurde in<br />

einer kleinen Fragebogenaktion in der Mitarbeiterschaft<br />

getestet.<br />

Ob das System auch bei unseren Angehörigen an -<br />

kommt, wollen wir in diesem Jahr durch eine Weihnachtskarten-Aktion<br />

testen. Neben einem Gruß zu<br />

Weihnachten wollen wir fragen, ob die Angehörigen<br />

den Eindruck haben, sich offen mitteilen zu können,<br />

ob sie ihren Fragen und Wünschen hinterherlaufen<br />

müssen und ob sie zufrieden sind. Wir erhoffen uns<br />

dadurch unabhängig vom Alltag eine Rückmeldung<br />

über unsere Leistungen zu erhalten.<br />

34 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 09/2002


Präsentation von Beschwerdemanagement-Modellen aus der Praxis<br />

Thomas Herold:<br />

Aufbau eines Beschwerdemanagements<br />

Störfaktor oder Chance?<br />

Ich will aus der Erfahrungswelt eines Trägers der<br />

Kinder- und Jugendhilfe etwas beitragen: Ich werde<br />

dabei in mehrfacher Hinsicht die Frage nicht wirklich<br />

beantworten, sondern eher Störfaktoren, Chancen und<br />

Fragezeichen beim Aufbau eines Beschwerdemanagements<br />

darstellen können.<br />

Wir haben Beschwerdeverfahren, ob wir eine Einrichtung<br />

mit Beschwerdemanagement sind – da steht<br />

schon das erste Fragezeichen.<br />

Ein kurzer Blick auf die Einrichtung<br />

Die Evangelische Gesellschaft Stuttgart e.V. (eva)<br />

gehört zu den Komplex-Einrichtungen, vereinigt sie<br />

doch unter ihrem Dach sehr Vieles, was zur <strong>Diakonie</strong><br />

in der Großstadt gehört. Die Palette geht von der<br />

Kinder- und Jugendhilfe über Wohnungslosenhilfe,<br />

Sozialpsychiatrische Dienste, Suchtkrankenhilfe bis<br />

zu Hilfen für ältere Menschen mit besonderen sozialen<br />

Schwierigkeiten, um einige wichtige Aufgabenbereiche<br />

zu nennen.<br />

Im Weiteren ist ausschließlich von der Kinder- und<br />

Jugendhilfe die Rede.<br />

Kurzer Überblick über den Bereich Kinder- und<br />

Jugendhilfe anhand von Platzzahlen (der Bereich ist<br />

untergliedert in Teileinrichtungen/Dienststellen mit<br />

teilweise eigener Geschichte und Organisationskultur):<br />

Sozialraumorientierte fl exible Hilfen in einem Stuttgarter<br />

Stadtgebiet (ca. 200 Individuelle Hilfen p.a.)<br />

Stationäre Plätze in Innen- und<br />

Außenwohngruppen ca. 90<br />

Erziehungsstellen ca. 10<br />

Betreutes Jugendwohnen und ISE 80 ca.<br />

Tagesgruppen und soziale Gruppenarbeit ca. 38<br />

Sozialtherapeutische Gruppenarbeit ca. 40<br />

Betreutes Wohnen (§72 BSHG) ca. 20<br />

Mobile Jugendarbeit in Kooperationen in<br />

14 Stadtregionen<br />

Jugendberufshilfe, Schulsozialarbeit<br />

Ohne dass ich jetzt die Kinder- und Jugendhilfe der<br />

eva als besonders groß oder komplex bezeichnen will,<br />

ist doch meine Erfahrung, dass die Einführung und das<br />

Lebendig-Halten von Qualitätsmanagement in Einrichtungen<br />

dieser Struktur eine besondere Herausforderung<br />

darstellt.<br />

Eher dezentrale Kulturen von Teileinrichtungen und<br />

zentrale, das heißt gemeinsame Leitlinien im Sinne<br />

von Leitbild und Qualitäts-Standards sind Pole einer<br />

Einheit, wirken zuweilen auch als Gegensätze.<br />

Was sind nun unsere Beschwerdeverfahren<br />

als Modell eines Beschwerdemanagements?<br />

Beschwerdeverfahren als Teil des Qualitätsmanagement-Systems<br />

(QMS)<br />

Die eva-Kinder- und Jugendhilfe arbeitet mit einem<br />

QMS, das im Kern in den Jahren 1997 bis 1999 aufgebaut<br />

wurde und ständig weiterentwickelt wird.<br />

Die Beschwerdeverfahren sind Teil des QMS geworden.<br />

An diesem Prozess waren alle Leitungsebenen<br />

und ausgewählte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus<br />

den verschiedenen Bereichen beteiligt. Damit stehen<br />

die Beschwerdeverfahren in einem Gesamtzusammenhang.<br />

• Im Leitbild oder unserer Gesamtkonzeption ist<br />

die so genannte Kundenorientierung dargelegt und<br />

damit die Selbstverpfl ichtung, Rechte und Anliegen,<br />

Wünsche und Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen,<br />

der Eltern oder Personensorgeberechtigten<br />

(PSB) ernst zu nehmen und diese „Anspruchsgruppen”<br />

auch in ihrer Wahrnehmung von Rechten zu<br />

unterstützen.<br />

• Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind interne<br />

Kunden und somit den externen Kunden wie Eltern,<br />

Kindern und Jugendlichen gleichgestellt. Die Qualität<br />

ihres Tuns ist der wesentliche Wirkfaktor der<br />

erlebbaren Qualität der Jugendhilfe, die Zufriedenheit<br />

der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wiederum<br />

ist ein wesentlicher Wirkfaktor für die Arbeitsqualität,<br />

und Zufriedenheit ist auch davon abhängig, wie<br />

mit Anliegen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />

09/2002 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 35


Präsentation von Beschwerdemanagement-Modellen aus der Praxis<br />

an die Arbeit und ihren Rechten in der Organisation<br />

umgegangen wird.<br />

• Beschwerdemanagement muss meines Erachtens<br />

eingeordnet werden in die Themen der Beteiligungs-<br />

oder Mitwirkungsmöglichkeiten und -rechte<br />

der im engeren Sinne am Dienstleistungsprozess<br />

Kinder- und Jugendhilfe Beteiligten.<br />

Daher ein kurzer Blick auf die, die in der Kinder- und<br />

Jugendhilfe zusammenwirken:<br />

„Das Dienstleistungsviereck bei den Hilfen zur Erziehung“<br />

Jugendamt<br />

Freier Träger<br />

Ko-Produktion der Dienstleistung<br />

Eltern/Sorgeberechtigte<br />

Kind /Jugendliche<br />

Eine Aufgabe von QM ist es, sich immer wieder mit<br />

den berechtigten Erwartungen der am Jugendhilfeprozess<br />

Beteiligten zu beschäftigen. Eine Erweiterung auf<br />

andere Organisationen wie Schule oder Arbeitsstelle<br />

sind natürlich denkbar.<br />

Unsere Beschwerdeverfahren richten sich also an alle<br />

vier Ko-Produzenten, wobei das Beschwerdeverfahren<br />

für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die interne Perspektive<br />

des freien Trägers abbildet.<br />

Darstellung der Verfahren<br />

Eigentlich sollte mit der Darstellung des Beschwerdeverfahrens<br />

für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />

begonnen werden. Warum?<br />

Ich stelle die These in den Raum: Das Beschwerdeverfahren<br />

für die externen Ko-Produzenten, also Kinder,<br />

Jugendliche, Eltern und Kostenträger/Jugendämter<br />

wird sich nur dann zu voller Blüte entwickeln, wenn<br />

die von diesen Verfahren in erster Linie angesprochenen<br />

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter „an der Front<br />

der Jugendhilfe” selber durchweg positive Erfahrungen<br />

mit ihren eigenen Mitwirkungs- und eben auch<br />

Beschwerdemöglichkeiten gemacht haben und weiter<br />

machen.<br />

Im Folgenden wird allerdings auf die Beschwerdemöglichkeiten<br />

für die Nutzer/Adressaten fokussiert.<br />

Beschwerdeverfahren für Kinder/Jugendliche, El -<br />

tern und Jugendämter<br />

Im Sinne des oben beschriebenen Gesamtzusammenhangs<br />

zunächst ein Blick auf die Formen von<br />

Beteiligung/Mitwirkung oder Zusammenarbeit im<br />

Alltag der Kinder- und Jugendhilfe. Hierzu ein Blick<br />

auf die Prozesslandschaft des QMS:<br />

Leitbild<br />

Ziele<br />

Produkt-/<br />

Leistungsbeschr.<br />

Dokumentation<br />

Statistik<br />

Q- politik<br />

QM-System<br />

Audits<br />

QM-<br />

Bewertung<br />

Personal-<br />

Konzeption<br />

Einarbeitung<br />

Fortbildung<br />

Supervision<br />

Aufnahme Hilfeplanung Umsetzung Beendigung<br />

KundenundMAbefragungen<br />

Beschwerdeverfahren<br />

Q-Zirkel<br />

Im oberen Teil sind die Elemente zu sehen, die die<br />

Darstellung der Organisation betreffen, im unteren Teil<br />

die Elemente, die Unterstützungsfunktion hauptsächlich<br />

für die Weiterentwicklung haben, und in der Mitte<br />

die Elemente des „Hauptgeschäftsprozesses” (Begleitung,<br />

Betreuung, Erziehung).<br />

Die Beteiligungsmöglichkeiten für Kinder, Jugendliche,<br />

Eltern oder Personensorgeberechtigte (PSB) sind<br />

in den einzelnen Teilprozessen verankert und geregelt<br />

• Aufnahme<br />

• Hilfeplanung<br />

• Umsetzung (intern: als Beispiele: Gruppengespräche,<br />

Freizeitplanung, „Heimversamm lung”)<br />

• Beendigung<br />

Kundenbefragungen für Kinder/Jugendliche, Eltern/<br />

PSB und Jugendämter sind eine weitere Form der<br />

Beteiligung, die wir sukzessive aufbauen.<br />

Und schließlich das Beschwerdeverfahren, das auf den<br />

Seiten 38 und 39 im Anhang vollständig mit der so<br />

genannten Verfahrensanweisung und den Formularen<br />

wiedergegeben ist:<br />

Stand der Praxis beim Beschwerdeverfahren<br />

Das Verfahren für Kinder/Jugendliche und Jugendämter<br />

ist vor knapp zwei Jahren freigegeben und<br />

eingeführt worden – und zwar mit dem geringsten<br />

Aufwand.<br />

36 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 09/2002


Präsentation von Beschwerdemanagement-Modellen aus der Praxis<br />

Es erfolgte der Versand an 45 Handbuchstandorte mit<br />

der Anweisung, die Verfahren in die Handbücher einzusortieren<br />

und der damit verbundenen Aufforderung<br />

an die Dienststellenleiterinnen und -leiter, die Verfahren<br />

über normale Dienstbesprechungen bekannt zu<br />

machen und in die Benutzung einzuführen. Im Unterschied<br />

– so sei selbstkritisch angemerkt – zu anderen<br />

Bestandteilen des Hand buchs, die mit fl ächendeckend<br />

organisierten Workshops eingeführt wurden.<br />

Das Ergebnis eines ersten Aufrufs zur Auswertung<br />

eingegangener Beschwerden mit den Verfahren registrierter<br />

Eingänge brachte keine Resonanz.<br />

Zweites Ergebnis aus einem internen Audit zum Stand<br />

der eingeführten Prozesse in diesem Jahr: Die Verfahren<br />

sind nicht allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />

bekannt, die Informationen erfolgen nicht immer oder<br />

eher beiläufi g, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />

sind über Ziel, Zweck und die Folgen dieses „Offi ziellen<br />

Beschwerdewegs” eher verunsichert.<br />

Konsequenzen<br />

In der QM-Planung für das nächste Jahr wird dem<br />

Beschwerdemanagement eine vorrangige Stellung eingeräumt,<br />

Bestandteile sollten sein:<br />

• Deutliche Positionierung aller Leitungsebenen zum<br />

Thema einschließlich der Überle gungen, wie die<br />

Unternehmenskultur in Richtung Fehlerfreundlichkeit<br />

und lernende Organisation weiterentwickelt<br />

werden kann.<br />

• Geeignete Formen der Information der Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter mit Raum für Auseinanderset<br />

zung (Fragen, Anregungen, Befürchtungen,<br />

Chancen, Grenzen).<br />

• Einführungsworkshops mit „Trainingsmöglichkeiten”.<br />

Rückbesinnung und Nachbemerkung<br />

Die Diskussion bei der Erarbeitung der Beschwerdeverfahren<br />

war durchaus kontrovers:<br />

Der einen Position: „Wir müssen sofort einen Preis<br />

ausloben für die Dienststelle, bei der im nächsten<br />

Jahr die meisten Beschwerden eingehen“ stand kopfschüttelnd<br />

eine andere ge genüber: „Wozu brauchen<br />

wir Beschwerdemöglichkeiten, wir stehen doch mit<br />

den Kindern, Jugendlichen und Eltern eh in ständigem<br />

Kontakt“.<br />

Im Blick zurück war wohl eine verpasste Chance, dass<br />

dieser Diskussion nicht unmittelbar genü gend Raum<br />

gegeben wurde und eine konsensuelle „neue Haltung”<br />

zu diesem Thema nicht wirklich verankert werden<br />

konnte, denn Beschwerdemanagement braucht nicht<br />

nur Verfahren sondern Haltungen.<br />

Begleitung, Betreuung und Erziehung von Kindern und<br />

Jugendlichen ist ein äußerst dynamisches Geschäft, in<br />

dem das alltägliche und unmittelbare Zusammensein,<br />

ja auch das Zusammenleben mit gemeinsamem Arbeiten,<br />

Lachen und Streiten, das Meckern und Motzen<br />

ebenso wie das Klagen über Unveränderliches - Erziehung<br />

ist nicht nur Wunscherfüllung - Platz haben. Ein<br />

doch sehr erwachsen-rationales „Beschwerdeverfahren”<br />

- wo in familiären Kontexten gibt es so was? -<br />

braucht einen für alle Beteiligten stimmigen, handhabbaren<br />

und in der Abschätzung der Konsequenzen<br />

sicheren Rahmen und es ist zur Wahrung der Rechte<br />

von Kindern und Jugendlichen notwendig.<br />

Auch in der Zusammenarbeit mit den Eltern/PSB<br />

spielen (psycho-)dynamische Faktoren eine Rolle:<br />

Hilfe zur Erziehung, gleich ob in familienergänzender<br />

oder gar familienersetzender Form sind vom Willen<br />

oder dem „Zwang” zur Kooperation getragen, ist von<br />

Schuldgefühlen oder -zuweisungen und Konkurrenz<br />

nicht frei.<br />

Für die Etablierung eines unbestritten notwendigen<br />

Beschwerdeverfahrens gilt, dass auch hier die Souveränität<br />

der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der<br />

Schlüssel zum Erfolg ist und der Schlüssel hängt am<br />

tragfähigen Seil (oder seidenen Faden) der sicheren<br />

Einbettung in die lernende Organisation.<br />

09/2002 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 37


Präsentation von Beschwerdemanagement-Modellen aus der Praxis<br />

Verfahrensanweisung zum Umgang mit Beschwerden<br />

1. Ziel / Zweck<br />

Mit dieser Verfahrensanweisung soll erreicht werden,<br />

dass Beschwerden so gehandhabt werden,<br />

dass die Zufriedenheit des Beschwerdeführers<br />

wieder hergestellt wird. Dies wird dadurch<br />

erreicht, dass die Beschwerde ernst genommen<br />

und auf den Sachverhalt eingegangen wird. Nach<br />

der Feststellung, ob die Beschwerde berechtigt<br />

ist, wird der zur Beschwerde führende Sachverhalt<br />

abgestellt. Der Beschwerdeführer wird in<br />

die Bearbeitung durch Gespräch beziehungsweise<br />

Information einbezogen.<br />

2. Anwendungsbereich<br />

Diese Verfahrensanweisung gilt im gesamten Vorstandsbereich<br />

Kinder- und Jugendhilfe. Sie bezieht<br />

sich auf Beschwerden von Kindern, Jugendlichen,<br />

Personensorgeberechtigten und Leistungsträgern.<br />

3. Begriffsdefi nitionen<br />

- nicht belegt -<br />

4. Durchführung und Verantwortung<br />

• Alle jungen Menschen, Eltern und Leistungsträger<br />

werden bei der Aufnahme von der<br />

zuständigen Fachkraft schriftlich und mündlich<br />

darüber informiert, dass in den Hilfeangeboten<br />

des Vorstandsbereichs Kinder- und Jugendhilfe<br />

ein Be- schwerdeverfahren eingeführt wird. In<br />

den Informationsmaterialien des Vorstandsbereichs<br />

wird ebenfalls darauf hingewiesen.<br />

• Beschwerden können mündlich oder schriftlich<br />

vorgebracht werden. Der weitere Umgang<br />

mit der Beschwerde ist dem Beschwerdeführer<br />

unverzüglich mitzuteilen. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen<br />

übernehmen die Beschwerden,<br />

die „recht und billig sind” in das Beschwerdeformular.<br />

Der Dienststellenleiter oder sein Stellvertreter<br />

ist innerhalb von 24 Stunden über die Beschwerde<br />

zu informieren.<br />

• Die Beschwerde muss unverzüglich von der<br />

Person, die mit der Beschwerde angesprochen<br />

ist, bearbeitet werden. Gegebenenfalls ist der<br />

Vorgesetzte einzuschalten. Die Art der Bearbeitung<br />

ist dem Beschwerdeführer innerhalb<br />

von sieben Kalendertagen mitzuteilen.<br />

• Auf dem Beschwerdebeantwortungsformular<br />

ist festzuhalten, in welcher Form die Beschwerde<br />

bearbeitet worden ist.<br />

• Ist der Beschwerdeführer mit der Beschwerdebearbeitung<br />

nicht einverstanden, so wird der<br />

Vorgang an den/die nächst höhere/n Vorgesetzten<br />

weitergeleitet. Dieser hat nach Anhörung<br />

aller Beteiligten einen zweiten Versuch<br />

der Beschwerdebearbeitung innerhalb von<br />

drei Wochen dem Beschwerdeführenden, dem<br />

betroffenen Mitarbeiter und gegebenenfalls<br />

dem Dienststellenleiter schriftlich vorzulegen.<br />

• Beschwerdeformulare sind auf jeder Gruppe<br />

beziehungsweise von jeder sozialen Fachkraft<br />

vorzuhalten.<br />

• Das Beschwerdeformular wird nach Bearbeitung<br />

beim Dienststellenleiter aufbewahrt.<br />

Einmal jährlich werden die Beschwerden durch<br />

den Dienststellenleiter ausgewertet. Es erfolgt<br />

darüber eine Information an die Mitarbeiter und<br />

den/die Fachbereichsleiter/in. Dabei werden<br />

einzuleitende Maßnahmen oder Verbesserungsmöglichkeiten<br />

besprochen.<br />

5. Mitgeltende Unterlagen<br />

Formular Beschwerde-Eingang, Formular Be -<br />

schwerde-Bearbeitung<br />

siehe Seite 39<br />

38 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 09/2002


Präsentation von Beschwerdemanagement-Modellen aus der Praxis<br />

Beschwerde-Eingang<br />

Verfahrensanweisung<br />

Beschwerden<br />

EVA<br />

Kinder- und<br />

Jugendhilfe<br />

Beschwerdeführer: ______________________________<br />

Beschwerde aufgenommen am: ______________________________<br />

Aufgeschrieben von: ______________________________<br />

Vorfall am:<br />

Darstellung Sachverhalt:<br />

______________________________<br />

Welchen Wunsch oder Auftrag verbindet der Beschwerdeführer mit<br />

seiner Beschwerde?<br />

Sollen Personensorgeberechtigte / zuständiges Jugendamt informiert<br />

werden?<br />

Personensorgeberechtigte: Ja Nein <br />

Jugendamt: Ja Nein <br />

Information erfolgt am: .............................................................<br />

Durch: .............................................................<br />

_______________ ___________________________________<br />

Datum Unterschrift des Beschwerdeaufnehmenden<br />

Beschwerde-Bearbeitung<br />

Verfahrensanweisung<br />

Beschwerden<br />

Zusätzliche Informationen eingeholt bei:<br />

Andere Darstellungen des selben Vorfalls (wer sieht was anders?)<br />

Beschwerdebearbeitung in Form von:<br />

EVA<br />

Kinder- und<br />

Jugendhilfe<br />

Information Beschwerdeführer<br />

Telefonisch mitgeteilt am: .......................................................................<br />

Schriftlich informiert am: .......................................................................<br />

Beschwerdeführender mit Bearbeitung einverstanden: Ja Nein <br />

_________________ _________________ _________________<br />

BeschwerdeführerIn MitarbeiterIn DienststellenleiterIn<br />

09/2002 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 39


Präsentation von Beschwerdemanagement-Modellen aus der Praxis<br />

Thomas Weghmann:<br />

Vom Umgang mit Beschwerden in der Erziehungsberatung<br />

Die Beratungsstelle hat sich bereits 1993 aus aktuellem<br />

Anlass mit „Beschwerden” von Ratsuchenden<br />

auseinandergesetzt. Auslöser waren manifeste Fehler<br />

von Beraterinnen und Beratern in Beratungsstellen im<br />

allgemeinen, die öffentlich diskutiert wurden.<br />

Für die Nutzer der Einrichtungen waren das Führen<br />

einer Beschwerde, das Äußern einer Kritik aufgrund<br />

ihrer besonderen Lebenssituation und Abhängigkeit<br />

von der Unterstützung durch die Beratungsstelle<br />

besonders schwierig. Es bedurfte also nach Einsicht<br />

der Beratungsstelle eines geordneten erkennbaren Verfahrens<br />

im Umgang mit Kritik, Unzufriedenheit und<br />

Beschwerde.<br />

Die Leitung der Beratungsstelle hat die Einführung<br />

eines solchen Verfahrens zur Chefsache erklärt und<br />

ihre Verantwortung für gelingende Beratungsprozesse<br />

und die Beseitigung von Fehlern deutlich gemacht.<br />

Aufgrund dieses „Top-down”-Prozesses konnten dann<br />

die Mitarbeitenden für die systematische Einführung<br />

eines Beschwerdeverfahrens gewonnen werden, ihr<br />

Widerstand gegen eine Änderung bisher gängiger<br />

Praxis war im Vorfeld antizipiert und damit auch<br />

Gegenstand der Beratung bezüglich eines geeigneten<br />

Auswahlverfahrens und einer angemessenen Me -<br />

thode.<br />

Folgende Fragen wurden dabei angesprochen und<br />

bearbeitet:<br />

• Wer hat welche Rolle im Umgang mit den Klientinnen<br />

und Klienten? Zum Beispiel<br />

Leitung<br />

Therapeutische Fachkräfte<br />

Empfang<br />

Träger<br />

• Was ist ein schädigendes Verhalten seitens der<br />

Fachkräfte? Zum Beispiel<br />

Grundloser Therapieabbruch<br />

Unzuverlässigkeit<br />

Rollenverkehrung<br />

• Die Bedeutung von Refl exion und Supervision zum<br />

Erhalt der eigenen Professionalität<br />

• Die Einführung des transparenten, systematischen<br />

Verfahrens auch im Blick auf die Einarbeitung<br />

neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sorgt für<br />

vergleichsweise gleichbleibende Qualität und Beratung<br />

und ist damit ein zentraler Baustein der Qualitätsentwicklung<br />

des Dienstes.<br />

Das eingeführte Verfahren umfasst folgende Bausteine:<br />

• Protokoll des Betroffenen<br />

• Protokoll des die Beschwerde aufnehmenden Mitarbeitenden<br />

• Protokoll des Adressaten der Beschwerde<br />

Schematische Darstellung: Ablauf des Beschwerdeverfahrens<br />

a) Klientin/Klient kann sich richten an<br />

Anmeldesekretariat<br />

offene Sprechstunde<br />

b) Anmeldesekretariat<br />

oder erstellen Protokoll<br />

Sprechstunde<br />

Zwischeninfo an den Klienten<br />

c) Protokoll geht an Fachaufsicht<br />

Bei Honorarkräften/Praktikanten:<br />

Leitungsteam der Beratungsstelle<br />

Bei Hauptamtlichen:<br />

Hilfswerkvorsitzenden DW Hamburg<br />

40 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 09/2002<br />

informiert<br />

d) Darstellung der Beraterin/des Beraters<br />

e)<br />

Beraterin/Berater<br />

Bei Honorarbeauftragten/Praktikanten berät Leitungsteam auf Grundlage<br />

des Protokolls und der Darstellung des Beraters<br />

f) Beschluss in Textform geht an Klientin/Klient und Beraterin/Berater


Einführung von Beschwerdemanagement in die Kinder- und Jugendhilfe<br />

Karl Späth:<br />

Einführung von Beschwerdemanagement in die Kinder- und<br />

Jugendhilfe?! – Ein Arbeitsgruppenergebnis<br />

Das Thema institutionalisierte und formalisierte Verfahren<br />

zur Anregung und Bearbeitung von Beschwerden<br />

im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe hat bisher<br />

einen sehr geringen Stellenwert. Gleichzeitig wächst<br />

aber das Bewusstsein, dass hier ein Handlungsbedarf<br />

besteht. Allerdings gibt es noch große Unsicherheit<br />

darüber, wie eine Sensibilisierung und Aufgeschlossenheit<br />

für das Thema konstruktiv erreicht werden<br />

kann.<br />

Mögliche Gründe, die bisher dazu geführt haben, die<br />

Entwicklung einer Beschwerdekultur und transparenter<br />

Verfahren zur Bearbeitung von Beschwerden in den<br />

Einrichtungen und Diensten der Kinder- und Jugendhilfe<br />

zu erschweren oder zu verhindern, können unter<br />

anderem sein:<br />

• Die Entwicklung eines echten Dienstleistungsverständnisses<br />

steht in der Kinder- und Jugendhilfe<br />

noch am Anfang.<br />

• In der Kinder- und Jugendhilfe dominiert nach wie<br />

vor ein ausgeprägtes Samariterdenken, das heißt,<br />

die Fachkräfte gehen davon aus, dass sie „Gutes“<br />

tun und es deshalb eigentlich gar keine Beschwerdeanlässe<br />

geben darf.<br />

• Das Hilfeplanverfahren bietet den Kindern und<br />

Jugendlichen und ihren Angehörigen vielfältige<br />

Möglichkeiten zur Einbringung eigener Vorstellungen<br />

und zur Äußerung von Unzufriedenheit.<br />

• Die in der Kinder- und Jugendhilfe selbstverständliche<br />

Zusammenarbeit mit den Eltern bietet diesen<br />

vielfältige Möglichkeiten, Kritik und Beschwerden<br />

auf informelle Weise zu äußern.<br />

• Wenn ernsthafte Probleme auftreten, sind sie häufi g<br />

sehr komplex und betreffen meist auch die Ebene<br />

der Beziehungen, was dazu führt, dass die Probleme<br />

nicht offen angesprochen werden.<br />

• Im Unterschied zu anderen Arbeitsfeldern der Sozialarbeit<br />

gibt es in der Jugendhilfe bisher keine<br />

gesetzlichen Verpfl ichtungen zur Institutionalisierung<br />

von Beschwerdeverfahren.<br />

• Da es in der Kinder- und Jugendhilfe bisher in<br />

der Regel keine Betreuungsverträge zwischen der<br />

Einrichtung und den Sorgeberechtigten gibt, gibt<br />

es weniger objektive Bezugspunkte für Kritik und<br />

Unzufriedenheit.<br />

• Das Bewusstsein, dass Eltern und Kinder Rechte<br />

haben, die beachtet werden müssen, ist in der Kinder-<br />

und Jugendhilfe bisher wenig ausgeprägt und<br />

deshalb werden Rechtsverletzungen gar nicht wahrgenommen.<br />

• Im alltäglichen Zusammenleben bestehen vielfältige<br />

Möglichkeiten, auftretende Konfl ikte und Probleme<br />

einvernehmlich zu lösen, deshalb erscheinen<br />

institutionalisierte Beschwerdeverfahren verzichtbar.<br />

• Bisher ist die Kinder- und Jugendhilfe weitgehend<br />

von öffentlichen Skandalen, wie sie zum Beispiel<br />

im Pfl egebereich und in der Altenhilfe in der letzten<br />

Zeit wiederholt vorgekommen sind, verschont<br />

geblieben und deshalb gibt es kaum öffentlichen<br />

Druck zur Etablierung von Beschwerdemöglichkeiten.<br />

• Da zwischen den Einrichtungen und Diensten der<br />

Kinder- und Jugendhilfe bisher kaum ein echter<br />

Wettbewerb um die Kunden besteht, entfällt der<br />

Druck für die Einrichtungen, sich durch besonders<br />

ausgeprägte Kundenorientierung zu profi lieren.<br />

• Das Bewusstsein, dass Beschwerden eine Form<br />

kostenloser Vorschläge zur Verbesserung der Arbeit<br />

sein können, wird in der Kinder- und Jugendhilfe<br />

bisher kaum gesehen.<br />

Diese Zusammenstellung von möglichen Gründen,<br />

warum in der Kinder- und Jugendhilfe das Thema<br />

institutionalisierte Beschwerdemöglichkeiten bisher<br />

nur einen sehr geringen Stellenwert hat, zeigt zum<br />

09/2002 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 41


Einführung von Beschwerdemanagement in die Kinder- und Jugendhilfe<br />

einen, dass die Ausgangslage für die Etablierung von<br />

Beschwerdemanagement in der Kinder- und Jugendhilfe<br />

sich tatsächlich erheblich unterscheidet von anderen<br />

Arbeitsfeldern, zum Beispiel der Pfl ege oder<br />

der Alten- oder Behindertenhilfe. Zum anderen wird<br />

deutlich, dass eine Auseinandersetzung mit den eher<br />

unberechtigten Gründen für die Zurückhaltung und<br />

Ablehnung gegenüber institutionalisierten Beschwerdeverfahren<br />

dringend erforderlich ist und angeregt<br />

werden muss.<br />

Die Einführung von Beschwerdemanagement in der<br />

Kinder- und Jugendhilfe wäre sinnvoll, nötig und hilfreich,<br />

weil dadurch ein Professionalisierungsschub in<br />

Verbindung mit einer Erhöhung der Professionalisierung<br />

der Arbeit erreicht werden könnte. Außerdem<br />

muss davon ausgegangen werden, dass auch in der<br />

Kinder- und Jugendhilfe von den Fachkräften Fehler<br />

gemacht werden oder Fehlverhalten auftritt und deshalb<br />

für Kinder und Jugendliche und ihre Angehörigen<br />

immer wieder Anlass für Beschwerden besteht.<br />

Deshalb sollte auch ohne akuten Handlungsdruck<br />

darauf hingewirkt werden, in der Kinder- und Jugendhilfe<br />

die Bereitschaft für die Etablierung von Beschwerdemöglichkeiten<br />

zu wecken.<br />

Folgende Handlungserfordernisse und Handlungsmöglichkeiten<br />

zur Sensibilisierung der Verantwortlichen<br />

in der Kinder- und Jugendhilfe für die Notwendigkeit<br />

und den Nutzen von institutionalisierten Beschwerdeverfahren<br />

sind zu nennen:<br />

• Wenn die Ermöglichung von Beschwerden eine spezielle<br />

Form von Betroffenenbeteiligung ist, sollte in<br />

den Einrichtungen zunächst geprüft werden, welche<br />

Beteiligungsmöglichkeiten schon bestehen und wie<br />

die schon vorhandenen Beteiligungsmöglichkeiten<br />

in Richtung der Etablierung einer Beschwerdekultur<br />

weiterentwickelt werden können.<br />

• Die Leitungsebene von Einrichtungen und Diensten<br />

muss von der Notwendigkeit und dem Nutzen von<br />

institutionalisierten Beschwerdeverfahren überzeugt<br />

sein und dafür gewonnen werden, Beschwerdemanagement<br />

als einen wichtigen Aspekt von Quali -<br />

tätsmanagement anzuerkennen und für die Sensibilisierung<br />

ihrer Mitarbeiterschaft für dieses Thema<br />

und die Etablierung von Beschwerdeverfahren die<br />

Verantwortung zu übernehmen.<br />

• Im Rahmen von Fortbildungen, Workshops und<br />

Dienstbesprechungen sollte die Mitarbeiterschaft<br />

in Einrichtungen und Diensten der Kinder- und<br />

Jugendhilfe durch die Leitungsebene für die Notwendigkeit<br />

und den Nutzen einer Beschwerdekultur<br />

sensibilisiert werden.<br />

• Die Aktivierung von Beschwerdebereitschaft auf<br />

Seiten der „Kunden“ ist allerdings nur dann sinnvoll,<br />

wenn in der Mitarbeiterschaft die oben geforderte<br />

Sensibilisierung für Beschwerden erreicht<br />

und außerdem geklärt ist, wer für die Bearbeitung<br />

von Beschwerden zuständig ist. In diesem Zusammenhang<br />

muss dann auch sichergestellt werden,<br />

dass die für die Beschwerdebearbeitung zuständigen<br />

Personen oder Gremien die erforderlichen zeitlichen<br />

und sachlichen Ressourcen zur Verfügung<br />

haben.<br />

• Von Seiten der Spitzenverbände sollten Arbeitshilfen<br />

bereitgestellt werden, die für das Thema ‚Um -<br />

gang mit Beschwerden‘ sensibilisieren und Vorschläge<br />

zur Einführung von Beschwerdeverfahren<br />

enthalten.<br />

• Beschwerdekultur, Beschwerdeverfahren und Beschwerdemanagement<br />

sollten verstärkt Thema und<br />

Inhalt von Fortbildungsangeboten werden.<br />

• In den Verbandsgremien sollte das Thema Beschwerdekultur<br />

in den Einrichtungen und Diensten immer<br />

wieder auf die Tagesordnung gesetzt werden.<br />

42 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 09/2002


Das Modell „Customer Service Center“ bei der Siemens AG<br />

Markus Nowara:<br />

Beschwerdemanagement als fester Bestandteil von Dienstleistungen<br />

in einer Profi torganisation<br />

Markus Nowara von Siemens Customer Service Center<br />

erläutert anhand einer Reihe von Folien das Konzept<br />

des Corporate Mobility Service der Siemens AG.<br />

Die Tatsache, dass es sich bei dem vorgestellten<br />

Modell für Beschwerdemanagement innerhalb des<br />

Wirtschaftsunternehmens um einen Dienstleistungsbereich<br />

handelt, macht die Übertragung der Erfahrungen<br />

aus der Siemens AG für die Arbeit im sozialen<br />

Dienstleistungsbereich besonders anschaulich.<br />

Die Siemens AG als weltweit operierender Konzern<br />

hat ihre gesamten Erfordernisse bezüglich der Reisetätigkeit<br />

all ihrer weltweit operierenden Mitarbeiter<br />

an einen so genannten Customer Service abgegeben.<br />

Diese Tätigkeit, die wiederum sehr eng mit Fremdfi rmen<br />

zusammenarbeiten muss, wie Reisebüros, Autovermietung,<br />

Bahn und Fluggesellschaften, ist durch<br />

die Vielfältigkeit und die individuellen Erwartungen<br />

besonders störanfällig. Deshalb wurde von Beginn an<br />

in diese Dienstleistung auch ein Beschwerdemanagement<br />

eingebaut. Dabei ging die Organisation davon<br />

aus, dass Beschwerden ein kostenloser Ratschlag an<br />

den Dienstleister bedeuten und dass es sinnvoll ist,<br />

diese Beschwerden besonders ernst zu nehmen und<br />

aktiv zu bearbeiten.<br />

Bei der Organisation von Reisen wurde ausdrücklich<br />

das Beschwerdemanagement offensiv angeboten und<br />

das Verfahren transparent dargestellt.<br />

Auf den nachfolgenden Folien (Seiten 44 bis 65) wird<br />

deutlich, dass ein zentrales Kriterium bei der Einführung<br />

eines Beschwerdemanagements und seines<br />

Erfolges die Werbung für die Nutzung des Beschwerdemanagements,<br />

das offensive Bekanntmachen der<br />

Möglichkeiten und eine systematische Dokumentation<br />

der eingegangenen Beschwerden sind. Auch eine<br />

Dokumentation der Abhilfe von entstandenen Fehlern<br />

bei Dokumentation, der Auseinandersetzung mit der<br />

Kritik und ihrer Konsequenzen für künftige Verbesserungen<br />

der Dienstleistung sind Teil dieses Erfolges.<br />

Das Projekt macht deutlich, dass sich das Kosten-<br />

Nutzen-Verhältnis massiv zu Gunsten des betriebswirtschaftlichen<br />

Nutzens vom aktivem Umgang mit<br />

Beschwerden ausgewirkt hat.<br />

09/2002 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 43


Das Modell „Customer Service Center“ bei der Siemens AG<br />

Agenda<br />

Kurzvorstellung Siemens AG<br />

Ausgangs-Situation Siemens Travel Management<br />

Chancen durch die Einführung des Customer Services<br />

44 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 09/2002<br />

Realisierung des Customer Services<br />

Statistische Auswertungen des Customer Services<br />

Fazit<br />

Corporate Mobility Services<br />

Seite 2


Das Modell „Customer Service Center“ bei der Siemens AG<br />

Corporate Structure<br />

Corporate Executive Committee<br />

Corporate Departments<br />

Operating Groups<br />

Corporate<br />

Development<br />

Corporate<br />

Technology<br />

Corporate<br />

Personnel<br />

Corporate<br />

Finance<br />

Power<br />

Transmission and<br />

Distribution<br />

PTD<br />

Industrial<br />

Solutions and<br />

Services<br />

I&S<br />

Siemens<br />

Automotive AG<br />

Automation<br />

and Drives<br />

CD<br />

CT<br />

CF CP<br />

Corporate Centers<br />

AT*<br />

A&D<br />

Power<br />

Generation<br />

Infineon<br />

Technologies AG<br />

Chief<br />

Economist/<br />

Corporate<br />

Relations<br />

ECR<br />

Corporate<br />

Communication<br />

PG<br />

Infineon*<br />

Information &<br />

Communication<br />

Networks<br />

ICN<br />

Information and<br />

Communication<br />

Mobile<br />

ICM<br />

CC<br />

Management<br />

Consulting<br />

Personnel<br />

MCP<br />

Information<br />

& Knowledge<br />

Management<br />

IK<br />

Global<br />

Procurement<br />

and Logistics<br />

GPL<br />

e-Business<br />

eB<br />

Siemens Business<br />

Services<br />

GmbH & Co. OHG<br />

SBS*<br />

Siemens Production<br />

and Logistics<br />

Systems AG<br />

PL*<br />

OSRAM GmbH<br />

Medical Solutions<br />

09/2002 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 45<br />

Offices<br />

Corporate<br />

Security<br />

Osram*<br />

Med<br />

top+<br />

Chief Data<br />

Protection<br />

Officer<br />

Corporate<br />

Regional<br />

Offices<br />

Ref US<br />

ZV DSB<br />

ZV WR<br />

Transportation<br />

Systems<br />

Siemens Financial<br />

Services GmbH<br />

Siemens Building<br />

Technologies AG<br />

Shared Services<br />

TS<br />

SFS*<br />

SBT*<br />

Marketing<br />

Services<br />

Germany<br />

MSG<br />

Pension<br />

Services<br />

Germany<br />

PSG<br />

Legal<br />

Services<br />

Service<br />

Center<br />

Personnel<br />

SCP<br />

* Separate legal units<br />

LS<br />

International<br />

Delegation<br />

Center<br />

IDC<br />

I&C<br />

Corporate<br />

Account Mgt.<br />

IC CAM<br />

Corporate<br />

Mobility<br />

Services<br />

CMS<br />

Communication<br />

Services<br />

Germany<br />

CSG<br />

Siemens<br />

Management<br />

Consulting<br />

Siemens<br />

Qualification<br />

and Training<br />

SQT<br />

Siemens<br />

Procurement<br />

and Logistics<br />

Services<br />

SPLS<br />

Siemens<br />

Real Estate<br />

Siemens<br />

Professional<br />

Education<br />

SPE<br />

Accounting<br />

Services<br />

Regional Companies<br />

Representation Offices<br />

Siemens-Spokesmen<br />

Regional Offices<br />

SMC<br />

SRE<br />

AS


Das Modell „Customer Service Center“ bei der Siemens AG<br />

Gebündelte Kompetenz: das Beispiel Airport<br />

Information and Communications<br />

Passagierabfertigung und globale Platzreservierungen,<br />

Airport-Management-<br />

Systeme<br />

Lighting<br />

Vorfeldbeleuchtung,<br />

Beleuchtung im Terminal,<br />

Befeuerung auf den Startund<br />

Landebahnen<br />

Power<br />

Unterbrechungsfreie Stromversorgung<br />

einschließlich<br />

Notstrom-Betrieb<br />

Automation and Control<br />

Flugzeug-Rollführungssysteme,<br />

vollautomatische Gepäcksortieranlagen<br />

und Transportsysteme,<br />

Gebäudeautomation<br />

und -sicherheit<br />

Medical<br />

Notfallversorgung in der<br />

Unfallstation<br />

Transportation<br />

Anschlüsse mit Stadtbahnen und Zügen,<br />

Transportmöglichkeiten zwischen<br />

Parkplätzen und Terminals sowie<br />

zwischen Terminals, Parkleitsysteme<br />

Corporate Mobility Services<br />

Seite 4<br />

46 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 09/2002


Das Modell „Customer Service Center“ bei der Siemens AG<br />

Global Player: präsent in 198 Ländern<br />

Corporate Mobility Services<br />

Seite 5<br />

09/2002 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 47<br />

Vertrieb<br />

Fertigung<br />

Fertigungsstätten:<br />

Europa 327<br />

Amerika 152<br />

Asien/Pazifik 79<br />

Afrika, Naher und<br />

Mittlerer Osten, GUS 14


Das Modell „Customer Service Center“ bei der Siemens AG<br />

Siemens Zahlen und Fakten weltweit<br />

440.000 Mitarbeiter weltweit<br />

250.000 Geschäftsreisende weltweit<br />

1,7 Mrd. € Reiseausgaben im GJ 99/00 davon:<br />

Europa/Afrika: 887 Mio €<br />

Amerika: 331 Mio €<br />

Asien: 123 Mio €<br />

Bereiche mit eigener Rechtsform<br />

(Infineon, Osram, SBS und SBT): 400 Mio €<br />

Corporate Mobility Services<br />

Seite 6<br />

48 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 09/2002


Das Modell „Customer Service Center“ bei der Siemens AG<br />

Die Siemens AG wird in <strong>Deutschland</strong> von<br />

3 Travel Centern betreut<br />

Travelcenter Nord<br />

Hapag Lloyd -- Berlin<br />

Berlin,<br />

Neue Bundesländer,<br />

Schleswig-Holstein,<br />

Hamburg, Bremen,<br />

Niedersachsen,<br />

Nordrhein-Westfalen,<br />

Hessen-Nord<br />

Nordbayern (Reg. Bez. Ober-, Mittelund<br />

Unterfranken, Amberg),<br />

Hessen-Süd (Rhein-Main),<br />

Rheinland-Pfalz, Saarland, Mannheim<br />

Travelcenter Mitte<br />

CWT -- Erlangen<br />

Travelcenter Süd<br />

DER -- München<br />

Südbayern<br />

(Reg. Bez. Oberbayern, Niederbayern,<br />

Oberpfalz, Schwaben),<br />

Baden-Württemberg<br />

(ohne Mannheim)<br />

Corporate Mobility Services<br />

Seite 7<br />

09/2002 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 49


Das Modell „Customer Service Center“ bei der Siemens AG<br />

Jährlich fallen ca. 2,7 Mio Transaktionen bei<br />

Siemens Geschäftsreisen an<br />

Flugsektoren: ca. 862.000<br />

Hoteltransaktionen: ca. 900.000<br />

Mietwagenanmietungen: ca. 458.000<br />

Bahntransaktionen: ca. 445.000<br />

Corporate Mobility Services<br />

Seite 8<br />

50 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 09/2002


Das Modell „Customer Service Center“ bei der Siemens AG<br />

Was ist eine Beschwerde ?<br />

Eine Beschwerde ist jede Äußerung von Unzufriedenheit durch den Kunden<br />

Diese Äußerung kann gegenüber dem Unternehmen oder auch Dritten<br />

geäußert werden<br />

Eine Beschwerde ist das Delta zwischen Kundenerwartung und der vom<br />

Lieferanten erbrachten Leistung<br />

Ob sich der Kunde ungerecht behandelt fühlt, entscheidet einzig und allein<br />

er selbst, auch wenn der Tatbestand objektiv gesehen ein anderer ist<br />

Eine Beschwerde ist immer der Beginn<br />

einer intensiven Kundenbindung<br />

Corporate Mobility Services<br />

Seite 9<br />

09/2002 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 51


Das Modell „Customer Service Center“ bei der Siemens AG<br />

Was möchten wir mit dem Customer Service erreichen?<br />

Erhaltung und Wiederherstellung der Kundenzufriedenheit,<br />

Schaffung eines Klimas des Vertrauens und einer positiven Einstellung<br />

zu Travel Management bzw. zu Corporate Mobility Service<br />

Optimierung der Organisations- und Leistungsprozesse unserer<br />

Lieferanten durch Hinweise der Siemens-Geschäftsreisenden<br />

Corporate Mobility Services<br />

Seite 10<br />

52 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 09/2002<br />

Kritische Reflektion der Arbeit von Travel Management


Das Modell „Customer Service Center“ bei der Siemens AG<br />

Viele Schnittstellen ergeben sich im gesamten<br />

Reiseprozess innerhalb des Konzerns<br />

Travelcenter<br />

Nord/Mitte/Süd<br />

Besteller<br />

Reisender<br />

Corporate Mobility Services<br />

Seite 11<br />

09/2002 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 53<br />

Leistungsträger<br />

Travel Management<br />

Hotline<br />

kfm.<br />

Abwicklung


Das Modell „Customer Service Center“ bei der Siemens AG<br />

4 Prozessschritte garantieren eine systematische<br />

Abarbeitung<br />

Annahme<br />

Erfassung<br />

Weiterleitung<br />

Anregungen<br />

Beschwerden<br />

ggf. Umsetzung in<br />

einen kontinuierlichen<br />

Verbesserungsprozeß<br />

Bearbeitung<br />

und Lösung<br />

Kunde<br />

Zuständige Stelle<br />

Customer<br />

Service<br />

Rückmeldung<br />

Travel Management<br />

Siemens Travelcenter<br />

Reisekostenstelle<br />

Leistungsträger<br />

(z.B. Fluggesellschaften,<br />

Hotels, DB, Leasing-Firmen)<br />

Corporate Mobility Services<br />

Seite 12<br />

54 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 09/2002<br />

Information


Das Modell „Customer Service Center“ bei der Siemens AG<br />

Der Rollout für das Pilotprojekt betrug nur 4 Monate<br />

Software-Tool<br />

und<br />

Infrastruktur<br />

Information des<br />

Betriebsrates<br />

Erarbeitung des<br />

Konzeptes<br />

12.99<br />

Training im Customer Service,<br />

Einbindung der STC MA<br />

mit Kundenkontakt<br />

Einrichtung des<br />

Customer Services<br />

in der Hotline<br />

Präsentation des<br />

Projektes vor den<br />

Bereichsbeauftragten<br />

Pilotprojekt<br />

mit ICN 03.00<br />

Auswertung des<br />

Pilotprojektes<br />

und Modifizierung<br />

des Prozesses<br />

Schrittweise<br />

Zuschaltung der<br />

anderen Bereiche<br />

Breiteneinsatz<br />

für alle<br />

Bereiche 10/00<br />

Information an alle<br />

Beteiligten<br />

(Marketingaktion...)<br />

Aktive, kontinuierliche Einbindung<br />

der Bereichsbeauftragten<br />

in den gesamten Prozeß<br />

Corporate Mobility Services<br />

Seite 13<br />

09/2002 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 55


Das Modell „Customer Service Center“ bei der Siemens AG<br />

Darstellung des Customer Services auf unserer Homepage<br />

Corporate Mobility Services<br />

Seite 14<br />

56 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 09/2002


Das Modell „Customer Service Center“ bei der Siemens AG<br />

Auswertung - die ersten 6 Monate im Echtbetrieb<br />

Auswertung für den Zeitraum 01.10.00 bis 01.04.2001<br />

Anzahl Beschwerden aus ........<br />

davon<br />

98 % erledigt<br />

1534<br />

S Service<br />

SL Leistungsträger<br />

SL1 Erreichbarkeit<br />

SL2 Personalqualifikation<br />

SL3 Personalverhalten<br />

SS STC<br />

SS1 zu lange Zeit bis Rückmeldung<br />

SS2 Erreichbarkeit<br />

SS3 Personalqualifikation<br />

SS4 Personalverhalten<br />

T TravelNet<br />

T01 Benutzerfreundlichkeit<br />

T02 Verfahren<br />

T03 Verfügbarkeit des Systems<br />

T04 Zugang zum Netz<br />

T05 Unregelmäßigkeit in der STN-Buchung<br />

T06 Sonstiges<br />

T07 falsche Tarife hinterlegt<br />

Bei rund 40 % der eingegangenen Beschwerden<br />

betrug die Bearbeitungszeit weniger als 1 Tag<br />

X Sonstige Kriterien<br />

X01 unbefriedigendes Beschwerdemanagement<br />

X03 Anfragen<br />

X04 Anregungen<br />

X05 Lob<br />

X06 Ansprechpartner- / Informationssuche<br />

Corporate Mobility Services<br />

Seite 15<br />

09/2002 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 57


Das Modell „Customer Service Center“ bei der Siemens AG<br />

Beschwerdekriterien des Customer Services<br />

Zeitraum Echtbetrieb: 01.10.00 - 01.04.01<br />

387<br />

400<br />

366<br />

327<br />

350<br />

299<br />

davon davon<br />

300<br />

davon<br />

251<br />

Unregelmäßigkeit<br />

in STN-Buchung<br />

250<br />

Belastung AMEX<br />

Karte falsch/<br />

doppelt<br />

Rate zu hoch/<br />

falsch<br />

davon<br />

Gepäckprobleme<br />

Corporate Mobility Services<br />

Seite 16<br />

58 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 09/2002<br />

davon<br />

200<br />

Systemverfügbark.<br />

Rate zu hoch/<br />

Verfahren<br />

Fehler bei PAF falsch<br />

Fahrzeugmängel<br />

Gutschrift fehlt<br />

Zustellungsprobl.<br />

Mängel<br />

Rechnungen Benutzer-<br />

Überbuchung<br />

Ticket zu teuer<br />

Station hat kein Leistungsträger freundlichkeit<br />

keine<br />

Fahrzeug<br />

falsch<br />

Reservierung<br />

Flug nicht gebucht<br />

keine Buchung<br />

Rechnungen<br />

STC falsch<br />

Flug Hotel Mietwagen<br />

kfm. Abwicklung TravelNet<br />

150<br />

100<br />

50<br />

0


Das Modell „Customer Service Center“ bei der Siemens AG<br />

Das Kosten-Nutzenverhältnis ist immens im Rahmen<br />

von Supply Chain Management<br />

Nutzen<br />

alle Geschäftsprozesse, die sich wiederholt<br />

zu Fehlerquellen entwickelt haben, werden<br />

geändert<br />

Liefertreue und Lieferqualität der Geschäftspartner<br />

verbessern sich ständig<br />

Corporate Mobility Services<br />

Seite 17<br />

09/2002 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 59<br />

Kosten<br />

durch exaktes Datenmaterial ist die Überzeugungsarbeit<br />

im Unternehmen erleichtert<br />

worden<br />

... ... für Pilot (Software und Schulung) € 50.000,-<br />

... ... für das CS Team (4 (4 MA) anteilig jährlich € 150.000,- 150.000,


Das Modell „Customer Service Center“ bei der Siemens AG<br />

Die Schwachpunkte des Konzeptes in der Pilotphase<br />

wurden zügig abgebaut<br />

Unsere Kunden tolerieren Fehler, sofern wir gut und schnell reagieren<br />

Erkannte Beschwerdehäufungen führen zur rechtzeitigen Beseitigung<br />

von Problemen<br />

+<br />

Positive Resonanz unserer Kunden auf den Customer Service<br />

Der Prozeß ist eine Konzentration auf die Kernfelder und erspart allen<br />

Beteiligten (Lieferanten, Travelcenter, TM) zusätzlichen Abarbeitungsaufwand<br />

Corporate Mobility Services<br />

Seite 18<br />

60 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 09/2002<br />

Fehlende Nutzeneinschätzung des Customer Services<br />

Bekanntheitsgrad des Customer Services innerhalb der Bereiche<br />

-


Das Modell „Customer Service Center“ bei der Siemens AG<br />

Fazit<br />

Die Beschwerde als kostenlosen Rat der Kunden<br />

ernst zu nehmen und damit ihren deutlich artikulierten<br />

Erwartungen zu entsprechen, ist eine wichtige Aufgabe<br />

von Corporate Mobility Service<br />

Die Beschwerde zu ignorieren birgt die Gefahr,<br />

den Kunden zu verärgern und seine Akzeptanz<br />

zu verlieren<br />

Corporate Mobility Services<br />

Seite 19<br />

09/2002 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 61


Das Modell „Customer Service Center“ bei der Siemens AG<br />

Akzeptanz des Online Tickets<br />

% Anteil der Beschwerden zur Akzeptanz des Online Tickets an den<br />

gesamten Beschwerden zum Thema Bahn<br />

12/ 00 auf grund unserer Reklamat ionen<br />

st art et die B ahn eine A uf klärungsakt ion<br />

30<br />

Corporate Mobility Services<br />

Seite 20<br />

62 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 09/2002<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

Aug<br />

01<br />

Jul<br />

01<br />

Jun<br />

01<br />

Mai<br />

01<br />

Apr<br />

01<br />

Mrz<br />

01<br />

Feb<br />

01<br />

Jan<br />

01<br />

Dez<br />

00<br />

Nov<br />

00<br />

Okt<br />

00<br />

Sep<br />

00<br />

Aug<br />

00<br />

Jul<br />

00<br />

Jun<br />

00<br />

Mai<br />

00<br />

Apr<br />

00<br />

Mrz<br />

00<br />

Feb<br />

00


Das Modell „Customer Service Center“ bei der Siemens AG<br />

Benutzerfreundlichkeit von STN<br />

Beschwerden zur Benutzerfreundlichkeit von STN im Verhältnis zur gestiegenen<br />

Anzahl der Systemnutzer<br />

35<br />

70.000<br />

30<br />

60.000<br />

Beschwerden zur<br />

Benutzerfreundlichkeit<br />

25<br />

50.000<br />

Corporate Mobility Services<br />

Seite 21<br />

09/2002 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 63<br />

20<br />

40.000<br />

15<br />

30.000<br />

Benutzerzahl<br />

10<br />

20.000<br />

5<br />

10.000<br />

0<br />

0<br />

Feb 00 Mr z 00 Apr 00 Mai 00 Jun 00 Jul 00 Aug 00 Sep 00 Okt 00 Nov 00 Dez 00 Jan 01 Feb 01 Mr z 01 Apr 01 Mai 01 Jun 01 Jul 01<br />

Anzahl Nutzer Benutzerfreundlichkeit


Das Modell „Customer Service Center“ bei der Siemens AG<br />

Avis Schadensmeldungen<br />

% Anteil der Beschwerden zur AVIS Schadensmeldungen an den<br />

gesamten Beschwerden zum Thema Mietwagen<br />

07/01 aufgrund unserer Reklamationen ändert<br />

AVIS das interne Vorgehen bei Schadensfällen<br />

25<br />

Corporate Mobility Services<br />

Seite 22<br />

64 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 09/2002<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

Nov 00 Dez 00 Jan 01 Feb 01 M rz 01 Apr 01 M ai 01 Jun 01 Jul 01 Aug 01


Das Modell „Customer Service Center“ bei der Siemens AG<br />

Hotel Germania, München<br />

% Anteil der Beschwerden zum Hotel Germania, München an den<br />

gesamten Beschwerden zum Thema Hotel<br />

05/01 aufgrund unsere Reklamationen wurde das<br />

Hotel aus dem Siemens Hotelprogramm genommen<br />

14<br />

12<br />

10<br />

8<br />

6<br />

4<br />

2<br />

0<br />

Corporate Mobility Services<br />

Seite 23<br />

09/2002 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 65<br />

Jan 01 Feb 01 M rz 01 Apr 01 M ai 01 Jun 01 Jul 01


Betroffenenorganisationen und ihre Erwartungen an ein Beschwerdemanagement<br />

Katrin Markus:<br />

Interessenvertretung von Altenheimbewohnerinnen und<br />

-bewohnern<br />

1. Kundenerwartung<br />

Aus der Sicht der Betroffenen gehört der Umgang mit<br />

Beschwerden zu den Standards gut geführter Einrichtungen<br />

und Dienste.<br />

Dass diese Erkenntnis inzwischen auch in Einrichtungen<br />

der Altenhilfe mehr und mehr Fuß fasst, wird für<br />

die Betroffenen zunächst dadurch deutlich, dass sie<br />

nicht mehr nur als Hilfeempfänger betrachtet werden,<br />

sondern zunehmend in der Rolle des Kunden gesehen<br />

werden, dessen Rechte und Erwartungen in den Mittelpunkt<br />

unternehmerischer Strategien rücken.<br />

Wenn man mit Karla Kämmer Qualität defi niert als<br />

Grad der Übereinstimmung von Kundenerwartungen<br />

und der geleisteten Dienste unter Berücksichtigung<br />

der anerkannten fachlichen Standards in den jeweiligen<br />

Dienstleistungsbereichen, dann wird deutlich, dass<br />

die Kundenerwartungen bei der Qualitätsbeschreibung<br />

eine zentrale Rolle zu spielen haben.<br />

Uns geht es hier um die Kundenerwartungen an ein<br />

Beschwerdemanagement.<br />

2. Anspruch und Wirklichkeit<br />

Welche Bedeutung die Zufriedenheit der Kunden<br />

für das Unternehmen Sozialstation oder Altenheim<br />

in Bezug auf Entwicklung und Sicherung von Qualität,<br />

aber auch in Bezug auf die Marktstellung des<br />

Wirtschaftsbetriebes hat, ist bekannt. Auch welche<br />

Anstrengungen sich die Dienstleiter in dieser Hinsicht<br />

abzuverlangen haben.<br />

Aus der Sicht der Betroffenen geht es in diesem<br />

Zusammenhang um die Frage, wie sie Anspruch und<br />

Wirklichkeit erleben.<br />

Wer im Heim lebt oder ambulant betreut wird, steht in<br />

Abhängigkeit zum Dienstleister. Dies ist ein Faktum,<br />

an dem es nichts zu deuteln gibt. Diese Abhängigkeit<br />

betrifft auch die Angehörigen.<br />

Und wer abhängig ist, ist nicht frei und ungezwungen<br />

in der Artikulierung von Kritik.<br />

Marktstudien belegen, dass nur vier Prozent aller<br />

unzufriedenen Kunden aller Branchen (Waren und<br />

Dienstleistungen) ihre Unzufriedenheit auch äußern.<br />

Wenn dieser geringe Prozentsatz für alle Branchen<br />

gilt, lässt sich leicht nachvollziehen, wie verschwindend<br />

gering die Zahl der Kritiker aus den Reihen der<br />

ambulant und stationär betreuten älteren Menschen,<br />

die von der Hilfe anderer abhängig sind, ist.<br />

Selbstverständlich ist diese geringe Zahl nicht dadurch<br />

zu erklären, dass keine Kritik zu äußern wäre, das<br />

heißt, allseits Zufriedenheit herrsche. Sie macht vielmehr<br />

deutlich, dass <strong>Deutschland</strong> in diesem Bereich<br />

wohl noch als Entwicklungsland zu bezeichnen ist.<br />

Manche sprechen auch von Service-Wüste, in der das<br />

Einzige, was stört, der Kunde ist, eine Bewertung, die<br />

sicher nicht ganz unberechtigt ist.<br />

Hinzu kommt, dass wir es hier mit einer Personengruppe<br />

zu tun haben, die alters- und meist auch ge -<br />

sundheitsbedingt nicht mehr konfl iktbereit ist.<br />

Dazu ein paar Beispiele, die dies belegen:<br />

• Die Tochter, die ihre Mutter im Heim besucht,<br />

äußert gegenüber der Mitarbeiterin, die den Nachmittagskaffee<br />

hereinbringt, dass der Bildschirm des<br />

Fernsehers voller Staubpartikel sei. Er müsste mal<br />

gesäubert werden. Die Mitarbeiterin nimmt die Kritik<br />

wortlos entgegen, schimpft aber im Schwesternzimmer<br />

über die „alte Meckertante“, die immer et-<br />

was zu bemängeln habe. Sie könne den Bildschirm<br />

ja selber abwischen.<br />

• Die Ehefrau stellt beim Besuch ihres bettlägerigen<br />

Ehemannes fest, dass dieser seine Zahnprothese<br />

nicht im Mund hat. Auf Befragen wird von der<br />

zuständigen Altenpfl egerin erklärt, sie hätte schon<br />

erfolglos danach gesucht. Auf Nachfrage, was nun<br />

geschehen werde, wird geantwortet: „Wir kümmern<br />

uns nachher darum.“ Am nächsten Tag ist alles<br />

unverändert.<br />

66 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 09/2002


Betroffenenorganisationen und ihre Erwartungen an ein Beschwerdemanagement<br />

• Die Bewohnerin A beklagt sich darüber, dass<br />

ihre persönliche Wäsche nicht vollständig aus der<br />

Wäscherei zurückkomme und statt dessen fremde<br />

Kleidungsstücke in ihrem Schrank lägen. Die Mitarbeiterin<br />

antwortet, sie könne nichts dafür, die Wäsche<br />

werde außerhalb des Hauses gewaschen und<br />

sortiert.<br />

• Der Bewohner B, zu dem an jedem Montag Vormittag<br />

die Bewegungstherapeutin kommt und der<br />

an diesem Montag vergeblich auf sie gewartet hat,<br />

fragt eine Mitarbeiterin, wann die Bewegungstherapeutin<br />

heute komme. Er erhält zur Antwort: „Fragen<br />

Sie mich was Leichteres.“<br />

Das sind ganz wenige Beispiele, die wir aus Briefen<br />

und Gesprächen erfahren und es sind noch die „harmlosen“.<br />

Sie zeigen, dass Beschwerden in der täglichen Praxis<br />

nicht ernst genommen werden: Fragen werden abgewimmelt,<br />

Wünsche werden übergangen, Veränderungen<br />

werden verschwiegen, kurz: Beschwerden werden<br />

ignoriert.<br />

Dies ist die erlebte Diskrepanz zwischen Anspruch<br />

und Wirklichkeit.<br />

3. Beschwerdekultur<br />

Dabei dürfte es zwischenzeitlich allenthalben bekannt<br />

sein, dass ein kluges Beschwerdemanagement Veränderungsprozesse<br />

auslöst, von denen nicht nur die<br />

Kunden, sondern auch die Mitarbeiter profi tieren können.<br />

Irgendwo habe ich den treffenden Satz gelesen, dass<br />

Beschwerden der Kunden als „kostenlose Beratung“<br />

zu begreifen sind, was in Zukunft besser zu machen ist.<br />

Denn – auch dies habe ich gelesen – zufriedene Kunden<br />

erzählen von positiven Erfahrungen dreimal, unzufriedene<br />

Kunden hingegen klagen über Missstände<br />

neunmal. Diese „kostenlose Beratung“ sollte in einem<br />

Pfl egemarkt, in dem der Konkurrenzdruck allmählich<br />

auch spürbar wird, ernst genommen und genutzt<br />

werden.<br />

Soweit mir bekannt, gibt es keine systematische Erfassung<br />

und Erforschung des Umgangs mit Beschwerden<br />

aus der Sicht der Betroffenen. Es wird allenfalls<br />

wiedergegeben, wie die Betroffenen den Umgang der<br />

Leis tungsanbieter mit ihren Beschwerden erfahren.<br />

Die obigen Beispiele machen dies deutlich.<br />

Sehr wenig wurde bisher auch über notwendige Verhaltensänderungen<br />

bei den Betroffenen selbst, bei den<br />

Kunden also, benannt.<br />

Eine große Barriere, Kritik offen zu äußern, ist die<br />

Angst vor Repressalien. Wie oft bekommen wir zu<br />

hören: „Aber bitte nicht der Heimleitung, der Mitarbeiterin<br />

sagen!“ Auf unsere Frage, warum man Gespräche<br />

über Kritikwürdiges fürchte, wird regelmäßig geantwortet,<br />

man könne dies als unerwünschte Angriffe auf<br />

die verantwortliche Person werten und damit Nachteilen<br />

ausgesetzt sein. Solche Reaktionen entstehen nicht<br />

von selbst. Ihnen liegen Erfahrungen zugrunde, und<br />

zwar negative, wie<br />

• auf der einen Seite die Unfähigkeit, mit Beschwerden<br />

richtig umzugehen, das heißt, sie nicht als persönlichen<br />

Angriff oder als Nachweis der eigenen<br />

Unfähigkeit zu werten.<br />

• auf der anderen Seite fehlende Zivilcourage, sachlich<br />

und selbstbewusst, das heißt, ohne Aggressivität<br />

und Demutsgesten auf Mängel hinzuweisen.<br />

Aus der Sicht der Bundesinteressenvertretung der<br />

Altenheimbewohnerinnen und -bewohner als Interessenvertretung<br />

der Betroffenen wird es darum gehen<br />

müssen, die Beschwerdekultur dahin zu fördern, dass<br />

den Betroffenen Mut zur Kritik gemacht wird, indem<br />

deutlich gemacht wird, dass Kritik durchaus als etwas<br />

Konstruktives anzusehen ist, dass Kritik eben „kostenlose<br />

Beratung“ durch die Betroffenen ist mit dem<br />

Ziel einer Leistungsverbesserung, aus der beide Seiten<br />

ihren Nutzen ziehen:<br />

• der Einrichtungsträger durch die Verbesserung<br />

seines Leistungsangebots und damit einer Verbesserung<br />

seiner Marktstellung;<br />

• der Leistungsempfänger durch den Erhalt einer<br />

verbesserten Leistung und damit der Steigerung<br />

seines Wohlbefi ndens und seiner Zufriedenheit.<br />

4. Instrumente<br />

Die Instrumente, die zur Ermutigung zur Kritik,<br />

zur Kritikförderung zur Verfügung stehen, sind vielfältig<br />

und sollen hier nur stichwortartig wiedergeben<br />

werden:<br />

09/2002 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 67


Betroffenenorganisationen und ihre Erwartungen an ein Beschwerdemanagement<br />

• Befragungen (schriftlich oder mündlich) bieten die<br />

Chance, auf breiter Ebene – zum Beispiel aus dem<br />

Bereich der Leitung, der Verwaltung, der Hauswirtschaft,<br />

der Küche, dem Wohnen und der Betreu -<br />

ung – Informationen und Hinweise im Bezug auf<br />

kunden gerechte Leistungsangebote und Arbeitsabläufe<br />

zu erhalten. Vor allem anonymisierte Fragebögen<br />

erleichtern den Betroffenen offene, das heißt<br />

ehrliche Antworten.<br />

• Wichtig ist, dass die Betroffenen die Auswertung<br />

erfahren und über die Folgerungen aus den Antworten<br />

wie zum Beispiel konkrete Änderungsmaßnahmen<br />

und den Zeitrahmen informiert werden.<br />

• Bei mündlichen Beschwerden ist es oft Glücksache,<br />

wer wann und unter welchen Umständen mit<br />

Kritik konfrontiert wird und ob und wie er damit<br />

umgehen kann.<br />

• Hier wäre es im Rahmen eines systematischen Be -<br />

schwerdemanagements hilfreich, wenn eine Stelle<br />

zur Annahme von Beschwerden bestünde, die die<br />

Gewähr eines sachlichen und wertungsfreien Um -<br />

gangs mit den Beschwerden bietet, diese sammelt,<br />

dokumentiert und auswertet. Ferner ist ein System<br />

zu entwickeln, wie Fehlerquellen beseitigt und ihr<br />

erneutes Entstehen vermieden wird, das heißt, Lö -<br />

sungswege getroffen werden.<br />

• Der Zeitaufwand hierfür wird – auch dies zeigen<br />

Untersuchungen – den Zeitaufwand für die Begegnung<br />

mit immer wiederkehrenden Beschwerden bei<br />

weitem wett machen.<br />

• Die Betroffenen und/oder ihre Angehörigen sollten,<br />

ja müssen wissen, an wen sie sich mit einer Kompetenzgarantie<br />

in Beschwerdefällen wenden können.<br />

• Ältere Menschen unterliegen – im Vergleich zu<br />

Jüngeren – körperlichen und oftmals auch geistigen<br />

Einschränkungen. Sie brauchen Zeit, um sich<br />

zu artikulieren. Das bedeutet für den Dienstleister,<br />

sich ausreichend Zeit auch für Beschwerdegespräche<br />

zu nehmen.<br />

• Auch der äußere Rahmen muss stimmen. Weder die<br />

Hektik im Leitungsbüro mit häufi gen Telefonunterbrechungen,<br />

noch der Stehplatz im Flur schaffen<br />

die nötige ungestörte Gesprächsmöglichkeit.<br />

• Entscheidend ist auch die non-verbale Kommunikationsatmosphäre:<br />

Geduld, Höfl ichkeit, Interesse<br />

am Gesprächspartner, Ernstnehmen seines Anliegens,<br />

Verständnis für die Kritik, deutlich machen,<br />

dass man die Kritik nicht als persönlichen Angriff<br />

wertet, sondern dankbar ist für die Anregungen.<br />

• Es dürfen auch keine Versprechungen gemacht<br />

werden, die nicht eingehalten werden können, denn<br />

dies vernichtet Vertrauen. Die Betroffenen und/<br />

oder ihre Angehörigen merken dies sehr schnell.<br />

• Schließlich ist Rückkoppelung – und zuweilen auch<br />

Dank – wichtig, damit nicht der Eindruck entsteht,<br />

es geschehe doch nichts, Beschwerden lohnen sich<br />

nicht. Klare und eindeutige Reaktionen müssen<br />

selbstverständlich sein.<br />

Bei einem so verstandenen Beschwerdemanagement<br />

wird die Kritikbereitschaft der Betroffenen wachsen,<br />

werden sie ermutigt, nicht Angst vor Kritik zu haben,<br />

sondern Kritik positiv zu sehen im Sinne von Lebendigkeit,<br />

Wahrnehmen und Bewerten von Sachverhalten<br />

und Geschehensabläufen. Ihnen muss es leicht<br />

gemacht werden, sich zu beschweren – wie übrigens<br />

den Mitarbeitenden auch. Und ihnen muss deutlich<br />

gemacht werden, dass Kritiklosigkeit unerwünscht ist,<br />

weil dies gleich zu setzen ist mit Resignation, Selbstaufgabe,<br />

Frust, und weil dadurch die Gefahr besteht,<br />

dass Ventile in Form von Heimlichkeiten und unkontrollierbaren<br />

Unmutsäußerungen gegenüber Dritten<br />

entstehen, ein Vorgehen, das allen nur schadet.<br />

5. Heimgesetz<br />

Die Heimgesetz-Novelle räumt in § 5 Abs.10 für Heimbewohner<br />

ein gesetzlich verankertes Beschwerde recht<br />

ein. Danach sind sie bei Abschluss des Heimvertrages<br />

schriftlich auf ihr Recht hinzuweisen, Beschwerden<br />

unter anderem gegenüber dem Heimträger vorzubringen.<br />

Dieses nunmehr von der Heimaufsicht kontrollierte<br />

Beschwerderecht war vor dem Hintergrund<br />

bisheriger Entwicklungen und derzeitiger Zustände in<br />

den Heimen sicherlich geboten und soll die Stärkung<br />

der Rolle der Bewohner als Konsumenten betonen.<br />

Dafür hatten wir uns als Bundesinteressenvertretung<br />

der Altenheimbewohnerinnen und -bewohner auch<br />

eingesetzt.<br />

68 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 09/2002


Betroffenenorganisationen und ihre Erwartungen an ein Beschwerdemanagement<br />

Der Gesetzesbefehl selbst reicht aber nicht aus, um<br />

Veränderungen im Bezug auf das Vorbringen von<br />

Beschwerden und im Bezug auf den Umgang mit<br />

Beschwerden herbeizuführen.<br />

Das Verhalten muss sich ändern - auf beiden Seiten.<br />

Vorreiter aber haben die Leistungsanbieter zu sein. Sie<br />

sind der stärkere Teil der Partnerschaft. Sie haben die<br />

ersten Schritte zu tun, um das Klima zu ändern, Mut<br />

zu machen, zu stimulieren.<br />

Dies kann nur über ein systematisches internes Qualitätsmanagementsystem<br />

geschehen, dessen Strukturen<br />

und Prozessabläufe transparent zu machen sind, damit<br />

die Betroffenen erkennen können, welchen Platz sie<br />

hierin einnehmen, das heißt, ob sie auf die Hinterbänke<br />

verbannt sind oder in der ersten Reihe sitzen.<br />

Mit anderen Worten: Den Betroffenen muss bekannt<br />

gemacht werden, dass, in welcher Form und mit<br />

welchen Bearbeitungsschritten Beschwerden entgegen<br />

genommen und nach Lösungen gesucht wird.<br />

Für die Betroffenen muss offenkundig sein, dass es<br />

sich hierbei um ein Leistungspaket handelt, das ihnen<br />

vertraglich zusteht, das mit Teilen ihres Entgelts fi nanziert<br />

wird, auf das sie einen Rechtsanspruch haben<br />

und das kein Almosen ist. Fehlendes Beschwerdemanagement<br />

oder unqualifi zierter Umgang mit Beschwerden<br />

müsste bei einem solchen Rechtsverständnis zu<br />

Gewährleistungsansprüchen i.S.v. § 5 Abs.11 Heimgesetz-Novelle<br />

führen.<br />

Ältere Menschen können durchaus die Stärken und<br />

Schwächen in einem System erkennen und beurteilen,<br />

das nun zu ihrer Lebenswelt geworden ist. Dies<br />

wird oft missachtet. Die Urteile der Betroffenen sollten<br />

zur einrichtungsinternen Fachdiskussion und als Anregung<br />

zur Qualitätsverbesserung genutzt werden. Hierbei<br />

kann auch der Heimbeirat – vor allem künftig in<br />

seiner erweiterten Zusammensetzung – wertvolle Hilfe<br />

leisten. Es ist an Einrichtungsträgern, die Schwellen<br />

abzubauen und Schwellenängste zu nehmen. Wir<br />

werden auf diesem Weg gerne unterstützend mitwirken.<br />

09/2002 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 69


Betroffenenorganisationen und ihre Erwartungen an ein Beschwerdemanagement<br />

Walter Gibis:<br />

Beschwerden in der ehrenamtlichen Suchtkrankenhilfe<br />

Störfaktor oder Chance?<br />

1. Aus der Geschichte der Suchtkrankenhilfe<br />

- Selbsthilfe und Fremdhilfe<br />

So genannte „Rettungsorganisationen” für gefallene<br />

Menschen, organisierte Antialkoholbewegungen und<br />

Vereinigungen gegen den Missbrauch geistiger Ge -<br />

tränke gab es bereits im 18. Jahrhundert.<br />

Im 19. Jahrhundert entstanden Abstinenzverbände. Die<br />

Initiative haben hier nicht betroffene Menschen ergriffen,<br />

in der Regel aus dem kirchlichen Bereich. Sie<br />

leiste ten Hilfe für Menschen mit Alkoholproblemen.<br />

Sie bekämpften die Folgen des Alkoholmissbrauchs.<br />

Sie leisteten Fremdhilfe.<br />

Selbsthilfe dagegen hat sich oft dann entwickelt, wenn<br />

Menschen in Not gerieten, wenn Leidensdruck entstand,<br />

wenn Lebenssituationen bedrohlich wurden und<br />

sich die öffentliche Hand schwer tat eine Lösung zu<br />

fi nden. Wie uns die Sozialgeschichte zeigt, entstanden<br />

so in der Vergangenheit Kranken- und Sterbekassen.<br />

Solidargemeinschaften deckten Lebensrisiken ab. Die<br />

Selbsthilfe ergänzte bereits sehr früh wirkungsvoll die<br />

Leistungen des Staates und der freien Träger.<br />

Voraussetzung einer echten Selbsthilfe ist das Selbstbetroffensein,<br />

sei es als unmittelbar Betroffener oder<br />

zum Beispiel als Angehöriger, als Freund oder als Vorgesetzter.<br />

Vor 45 Jahren trafen sich entlassene Patienten im<br />

Schwabenland in den Wohnzimmern, um sich gegenseitig<br />

in der Bewältigung des Lebens nach der „Heilstätte”<br />

(heute: Fachkrankenhaus) zu helfen. Persön liche<br />

Beziehungen und Freundschaften, in einem Kreis von<br />

Freunden, sollten zur Stabilisierung der eigenen Persönlichkeit<br />

beitragen und damit die Grundlage zur Er -<br />

langung einer dauerhaften Abstinenz schaffen.<br />

So entstanden die Freundeskreise für Suchtkrankenhilfe<br />

als Selbsthilfegruppen für Alkoholiker.<br />

Suchtkrankheit betrifft immer die gesamte Familie,<br />

die Einbeziehung der Angehörigen wurde daher sehr<br />

bald wesentliches Merkmal der Freundeskreisarbeit.<br />

Freundeskreise sind konfessionell nicht gebunden,<br />

richten sich aber an christlichen Grundwerten aus.<br />

Zur Ausrichtung am christlichen Menschenbild im<br />

Rahmen der diakonischen Hilfe komme ich später.<br />

Freundeskreise entstanden bald in allen Teilen <strong>Deutschland</strong>s,<br />

gefördert noch durch den Ausbau der Beratungsstellen<br />

in den 70er Jahren. Sie verstanden sich<br />

zunehmend als Teil des Behandlungsverbundes in<br />

der Suchtkrankenhilfe, suchten die partnerschaftliche<br />

Zusammenarbeit mit Fachkliniken und Beratungsstellen<br />

und übernahmen damit Aufgaben in der Vorsorge<br />

und Motivation, begleiteten Suchtkranke und ihre<br />

Angehörigen zu Beratungsstellen und Fachkliniken.<br />

Die Begleitung in der Zeit der Behandlung ermöglichte<br />

den Anschluss an die Selbsthilfegruppe nach<br />

der stationären Behandlung und stellte damit auch die<br />

„Nachsorge” sicher.<br />

Mit diesem über den Selbsthilfeeinsatz hinausgehenden<br />

ehrenamtlichen Engagement tragen die Gruppen<br />

und Helfer dazu bei, dass dem Gemeinwesen für Prävention<br />

und Rehabilitation enorme Summen erspart<br />

bleiben. Für Dr. Friedhelm Repnik, Sozialminister<br />

des Landes Baden-Württemberg, ist die ehrenamtliche<br />

Suchtkrankenhilfe „ein wichtiger und inzwischen<br />

unverzichtbarer Baustein im Behandlungsverbund”.<br />

Ab dem Jahre 1967 entstanden die ersten Landesarbeitsgemeinschaften<br />

als Vorläufer der Landesverbände.<br />

Im Jahre 1978 wurde der Dachverband auf Bundesebene,<br />

die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freundeskreise,<br />

heute Bundesverband, mit Sitz in Kassel ge -<br />

gründet.<br />

Der Bundesverband wie die einzelnen Landesverbände<br />

sind eingetragene Vereine.<br />

Die Landesverbände sind Mitglieder des Diakonischen<br />

Werkes auf Landesebene. Der Bundesverband<br />

70 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 09/2002


Betroffenenorganisationen und ihre Erwartungen an ein Beschwerdemanagement<br />

ist Mitglied im Gesamtverband für Suchtkrankenhilfe<br />

im Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche in<br />

<strong>Deutschland</strong> e.V. und damit im Diakonischen Werk<br />

der Evang. Kirche in <strong>Deutschland</strong>.<br />

2. Zahlen<br />

Dem Bundesverband der Freundeskreise für Suchtkrankenhilfe<br />

gehören 15 Landesverbände an.<br />

Zur Zeit sind 876 Gruppen in diesen 15 Landesverbänden<br />

organisiert. Sie vertreten ca. 16.000 Gruppenteilnehmerinnen<br />

und -teilnehmer, wobei dem<br />

Bundesverband ca. 9.000 satzungsgemäße Mitglieder<br />

angehören.<br />

Höchst interessante Zahlen hierzu:<br />

Im Jahre 1999 benötigten von 28.996 Betroffenen<br />

in den Gruppen der ehrenamtlichen diakonischen<br />

Suchtkrankenhilfe (FKé und die beiden Blau-Kreuz-<br />

Verbän de) 38 Prozent oder 11.018 Betroffene keine<br />

professionelle Behandlung, das heißt, allein der An -<br />

schluss an die Selbsthilfegruppe führte bei ihnen zum<br />

Ausstieg aus dem Suchtverlauf.<br />

3. Suchtkrankenhilfe<br />

In der Folge von Untersuchungsergebnissen von Prof.<br />

Jellinek im Auftrag der Weltgesundheitsorganisation<br />

wurden ab 1960 neue Konzeptionen zur Behandlung<br />

von Menschen mit Alkoholproblemen entwickelt.<br />

Das Bundessozialgericht anerkannte 1968 Alkoholismus<br />

als Krankheit. Als Folge spricht man seit dieser<br />

Zeit auch von Suchtkrankenhilfe.<br />

Es folgten verschiedene Konzeptionen unter Einbeziehung<br />

der Psychotherapie, allerdings noch ohne<br />

Suchtspezifi zierung. Stationäre Behandlungsdauer da -<br />

mals grundsätzlich sechs Monate.<br />

Die Angebote der Suchtkrankenhilfe haben sich in den<br />

letzten Jahren stark verändert.<br />

So wurde zum Beispiel der Suchtkranke in den vergangenen<br />

15 Jahren als „Ware” entdeckt. Immer mehr<br />

und auch private Träger drängten sich auf diesen<br />

„Markt”, dabei wurde die Bettenzahl in der stationären<br />

Behandlung ständig erweitert. Durch das Wachstums-<br />

und Beschäftigungsförderungsgesetz erfolgte<br />

dann ein Bettenabbau bis hin zur Schließung von Einrichtungen.<br />

Wir haben einen Wettbewerb, eine Konkurrenzsituation,<br />

die dazu führt, dass neuerdings Marketingstrategien<br />

besonders im Klinikbereich eine große Rolle<br />

spielen.<br />

Kürzere Behandlungszeiten, auch mit der Zielsetzung,<br />

den Betroffenen schnellstmöglich wieder zum „Funktionieren“<br />

zu bringen, haben die Arbeit in den Fachkrankenhäusern<br />

verändert. Die Leistungsträger wollen<br />

Betroffene, die bald wieder in das Sozialversicherungssystem<br />

einzahlen können.<br />

Beratungsstellen sind Behandlungsstellen geworden.<br />

Die Leistungen werden abgerechnet. Zwangsläufi g<br />

kann die Frage entstehen: „Was bringt der Hilfesuchende?”<br />

Möglicherweise wird er sogar danach eingeordnet.<br />

Die ehrenamtliche Suchtkrankenhilfe wurde im Zuge<br />

der Behandlungszeitverkürzung zu erweiterten Aufgaben<br />

gezwungen. Die Zunahme anderer Süchte und<br />

die Öffnung der Gruppen dafür, auch für den illegalen<br />

Drogenbereich, verlangen eine hohe Flexibilität. Die<br />

Arbeit tut sich schwer, sie hat die Herausforderung<br />

aber aufgenommen.<br />

Der ehrenamtliche Partner im System wurde in der<br />

Enwicklung gezwungen weitere Pfl ichten zu übernehmen.<br />

Neu ist jetzt, dass er seine zugewiesenen Rechte<br />

wahrnimmt und dafür nach Regelungen und Lösungen<br />

suchen muss, bevor andere im System aus falsch verstandener<br />

„Fürsorge” dies mit übernehmen wollen.<br />

Der Umbruch im Gesundheitssystem, die deutliche<br />

Ausweisung der Selbsthilfe als eine der drei Säulen<br />

dieses Systems erfordert vom ehrenamtlichen Dienst<br />

eine erneute Einstellungsveränderung und Rollenklärung.<br />

Die Stärkung der Patientenrechte, die Selbstbeteiligung<br />

an Entscheidungen für eine Behandlung sowie<br />

die Festschreibung der Eigenverantwortung der Patienten<br />

erfordert neues Denken.<br />

Der Verbraucherschutz wird nun auch im Bereich der<br />

sozialen Dienstleistungen diskutiert.<br />

09/2002 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 71


Betroffenenorganisationen und ihre Erwartungen an ein Beschwerdemanagement<br />

4. Fazit<br />

Die Beschreibung der historisch gewachsenen Ausgangslage<br />

war erforderlich, um die Position und die<br />

Eigenart der Selbsthilfe als Betroffenenorganisation<br />

deutlich zu machen. Der ehrenamtliche Dienst wird<br />

herausgefordert, die zugewachsenen Rechte aufzunehmen<br />

und umzusetzen, bevor dies der professionelle<br />

Bereich ersatzweise tut.<br />

Die Veränderungen in der Suchtkrankenhilfe haben<br />

zwei Seiten: Die Qualität soll sich für den Patienten<br />

verbessern, sie soll individueller, differenzierter und für<br />

ihn einschätzbarer werden, aber auf der anderen Seite<br />

müssen zwangsläufi g zwischenmenschliche Beziehungen<br />

immer mehr zurückgehen, weil ihnen kein ausreichender<br />

Raum im Rahmen der Aufgabenerfüllung<br />

bleibt.<br />

Kostendruck, Effi zienzbetrachtung, Dokumentation,<br />

Qualitätssicherung und deren Kontrolle beherrschen<br />

die professionelle Arbeitswelt. Die menschliche Seite<br />

geht verloren. Der Mensch kann Nebensache werden,<br />

wird möglicherweise vergessen.<br />

Aus- und Fortbildungen sichern eine gute Selbsthilfearbeit,<br />

wesentlich wird aber auch künftig die Sicherung<br />

des zwischenmenschlichen Bereichs als dem<br />

Herzstücks der Selbsthilfequalität sein müssen. Dies<br />

ist unsere Stärke, so entwickelte sich unser Dienst.<br />

5. Störfaktor Beschwerde<br />

Die Suchtselbsthilfe hat sich bisher mit den Begriffen<br />

Beschwerdemanagement oder Patientenschutz nicht<br />

auseinandergesetzt. Es gibt daher auch noch keine entsprechenden<br />

Strukturen dafür.<br />

Überhaupt tut sich Selbsthilfe nach meiner Erfahrung<br />

sehr schwer mit Begriffen, die in der Diskussion der<br />

Fachdienste sind. Massive Abwehrreaktionen äußern<br />

sich in Erklärungen wie zum Beispiel „wir sind und<br />

wollen keine Profi s sein”. Wenn es aber gelingt,<br />

begriffsinhaltlich zu diskutieren, setzt sich auch sehr<br />

schnell die Erkenntnis durch „das machen wir doch<br />

schon in einer anderen Form”.<br />

Sucht hat immer mit Beziehungsstörungen des Betroffenen<br />

zu tun. Sucht ist Symptom eines missglückten<br />

Lebensentwurfs. Nicht das Suchtmittel ist schuld, die<br />

Ursache liegt im Menschen, der eine Veränderung<br />

braucht.<br />

Die Stärke der Selbsthilfe ist die Ebene der Freundschaft,<br />

der Kameradschaft, die Solidarität der Betroffenen.<br />

Auf dieser Grundlage bleibt der Kranke Subjekt<br />

der Hilfe. Er erhält Hilfe zur Selbsthilfe. Er muss<br />

lernen, sich selbst anzunehmen, an seiner Krankheit zu<br />

arbeiten, Verantwortung für seine Genesung zu übernehmen,<br />

jetzt dazu mit dem Recht, sich Leistungen<br />

selbst beschaffen zu können und so sein Leben neu zu<br />

ordnen.<br />

Die Veränderung in unserem Gesundheitssystem verlangt<br />

eine tiefgreifende Wandlung des Selbstverständnisses.<br />

Der Weg von der Versorgungshaltung in ein<br />

noch mehr selbst bestimmtes Leben wird Zeit und<br />

Kraft kosten.<br />

Diese Eigenverantwortlichkeit soll durch ein Wunsch-<br />

und Wahlrecht im Zusammenhang mit der Behandlung<br />

gestärkt werden.<br />

Die Einrichtung eines Beschwerdeweges im Falle der<br />

Beeinträchtigung von Rechten ist nur eine logische<br />

Folge in unserem Rechtssystem.<br />

Die ehrenamtliche Suchtkrankenhilfe als Teil eines<br />

Behandlungsverbundes arbeitet mit dem professionellen<br />

System partnerschaftlich, in der Regel gut<br />

zusammen. Wenn sie jetzt auch die Interessen der<br />

Betroffenen wahrnimmt, erhält sie eine neue Funktion.<br />

Die künftige Vertretung von Suchtpatienten, mit denen<br />

die Selbsthilfe Kontakt hat, ist für mich zwingend,<br />

wenn man die Situation des Suchtkranken betrachtet.<br />

In seiner Situation ist er oft gerade einmal fähig, die<br />

Kraft für die Entscheidung zur Abstinenz als Behandlungsvoraussetzung<br />

zu treffen.<br />

Die geforderte selbstverantwortliche Entscheidung zur<br />

individuellen Behandlungsform ist meiner Erfahrung<br />

nach nur im Rahmen einer verstärkten Motivationsarbeit<br />

möglich, den der professionelle Bereich im erforderlichen<br />

Maße nicht abdecken können wird. Wie<br />

bereits bemerkt werden Beratungsstellen immer mehr<br />

zu Behandlungsstellen.<br />

Der mündige Patient, den der Gesetzgeber will, muss<br />

erst in die Lage versetzt werden von diesem persönli-<br />

72 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 09/2002


Betroffenenorganisationen und ihre Erwartungen an ein Beschwerdemanagement<br />

chen Recht überhaupt Gebrauch machen zu können.<br />

Er soll sich auch nicht als Objekt der Behandlung<br />

fühlen.<br />

Ist die Akzeptanz der Ehrenamtlichen und ihrer Arbeit<br />

durch die professionellen Mitarbeitenden gelegentlich<br />

jetzt schon schwierig, wird die Funktion der Interessenvertretung<br />

möglicherweise zum Störfaktor einer<br />

Zusammenarbeit. Ehrenamtliche als „Kritiker” oder<br />

„Kontrolleure”, ist das überhaupt denkbar?<br />

Unsere Einwände und Hinweise auf Unzulänglichkeiten<br />

in der Entwicklung der Suchtkrankenhilfe wurden<br />

in der Vergangenheit wenig ernst genommen. Die Auswirkungen<br />

der Therapiezeitverkürzung auf Selbsthilfe<br />

und Ehrenamt wurden einfach zugemutet. Das Ehrenamt<br />

hatte sich darauf einzustellen.<br />

Die ehrenamtliche Suchtkrankenhilfe hat in den vergangenen<br />

Jahren begonnen, sich verbandsübergreifend<br />

zu formieren, um das entstandene politische Gewicht<br />

durch Lobbyarbeit und Resolutionen einzusetzen.<br />

Die Arbeitstherapie zum Beispiel sollte in der stationären<br />

Behandlung gestrichen werden. Eine Resolution<br />

der fünf großen Selbsthilfe- und Abstinenzverbände<br />

wandte sich dagegen und hatte mit zur Folge, dass die<br />

Bedeutung der arbeitstherapeutischen Anteile in der<br />

Ergotherapie rechtlich unterstrichen wurde.<br />

Wird der Suchtkranke oder die Selbsthilfe als echter<br />

Partner anerkannt, dürfte die Beteiligung der Selbsthilfe<br />

im Beschwerdeweg keine Störung bedeuten. Es<br />

gibt in der Vergangenheit allerdings genügend Erfahrungen,<br />

wie ein Bemühen um eine gemeinsame Sache<br />

letztlich an der fehlenden Akzeptanz gegenüber der<br />

„erlebten Kompetenz” scheiterte.<br />

6. Chance und Erwartungen<br />

Das Aufgabenfeld der Selbsthilfe hat sich erweitert.<br />

Die Selbsthilfe hat gesellschaftspolitische Aufgaben<br />

und Verantwortung übernommen.<br />

Sie nimmt Stellung zu Fragen der Gesundheits- und<br />

Sozialpolitik auf allen Ebenen. Suchterkrankungen<br />

sind nicht nur das Problem der Betroffenen, der Angehörigen,<br />

der Freunde, sondern ebenso ein gesellschaftliches<br />

und ökonomisches Problem.<br />

Die Fachleute sind sich weiter darüber einig, dass es<br />

sich hinsichtlich der Ausgrenzung von Suchtkranken<br />

auch um ein ethisches Problem handelt. Das ist unser<br />

Ansatz. Ich komme darauf zurück.<br />

Die ehrenamtliche Suchtkrankenhilfe will ernst genommen<br />

werden. Mit der ihr eigenen, erlebten Kompetenz<br />

will sie rechtzeitig im Meinungsbildungsprozess<br />

berücksichtigt werden.<br />

Die frühe Mitsprache und Mitwirkung ist ein unabänderliches<br />

Muss bei der Erarbeitung von Konzeptionen<br />

oder entsprechender Arbeitsempfehlungen.<br />

Im Umgang mit „Beschwerden” können Personen, die<br />

am eigenen Leib die Auswirkungen von Behandlungswegen<br />

erfahren haben, wertvolle Hilfe leisten. Dieses<br />

Potenzial von Erfahrungen, das in der Selbsthilfe vorhanden<br />

ist, hilft auch die Qualität der sozialen Dienstleistungen<br />

zu sichern. Ohne Zweifel lassen sich dabei<br />

noch Kosten sparen.<br />

Der „Beschwerte” muss mit seiner Beschwerde ja<br />

nicht unbedingt Recht haben, aber er hat das Recht,<br />

ernst genommen zu werden.<br />

Zusammenhänge deutlich zu machen, unverständlich<br />

empfundene Maßnahmen zu erklären, ist mit erlebter<br />

Kompetenz der Selbsthilfe leichter möglich und hilft<br />

dem Patienten auch im Patient-Therapeuten-Verhältnis<br />

in der Suchtkrankenhilfe besser zurecht zu kommen.<br />

Die Freundeskreise für Suchtkrankenhilfe stehen für<br />

diakonische Hilfe.<br />

„Zuerst der Mensch” als Leitlinie im Verbandsleitbild<br />

für das Diakonische Werk Württemberg trifft unsere<br />

Vorstellung.<br />

Seine Bedürfnisse zu erkennen, sie ernst zu nehmen<br />

und nach Umsetzungsmöglichkeiten zu suchen, kommt<br />

der Vorstellung der christlichen Nächstenliebe in der<br />

Selbsthilfe am nächsten. In Liebe dem Anderen zu<br />

dienen, wie es Jesus Christus versteht, muss auch Mittelpunkt<br />

der Beteiligung der Selbsthilfe, muss die zentrale<br />

Überlegung im Beschwerdeweg sein.<br />

Die Gefahr, dass der Mensch zum Kostenfaktor reduziert<br />

wird und seine Krankheit und sein persönliches<br />

Schicksal in den Hintergrund tritt, ist groß. Die Selbsthilfe<br />

wird hier verstärkt Wächterfunktion übernehmen<br />

müssen.<br />

09/2002 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 73


Betroffenenorganisationen und ihre Erwartungen an ein Beschwerdemanagement<br />

Will man Selbsthilfe ernst nehmen, ist neben der<br />

frühzeitigen Beteiligung an der Entwicklung von<br />

Modellen, Konzeptionen oder Vereinbarungen zum<br />

Umgang mit Beschwerden auch Rücksicht darauf zu<br />

nehmen, dass sich die Selbsthilfe oder das Ehrenamt<br />

ohnehin schwer tut, in einem hauptsächlich professionell<br />

besetzten Gremium Gehör zu fi nden oder Recht<br />

zu bekommen.<br />

Hauptamtliche treffen sich zwangsläufi g häufi ger zum<br />

Austausch. Ehrenamtliche hinken den Informationen<br />

oft hinterher. Ehrenamtliche brauchen den Mut zur<br />

Lücke.<br />

Lassen Sie mich zum Schluss noch wenige grundsätzliche<br />

Erwartungen nennen:<br />

Eine Beschwerde darf keine Nachteile haben. Die<br />

Zuständigkeiten müssen klar artikuliert sein, transparent<br />

und nachvollziehbar, Verantwortung darf nicht<br />

„kreisen”. Der Informationsfl uss muss gewährleistet<br />

sein und Beteiligtengespräche regelmäßig vereinbart<br />

werden. Eine sehr zeitnahe, ja sogar unverzügliche<br />

Reaktion auf eine Beschwerde muss in einer Konzeption<br />

gewährleistet sein.<br />

Alle Erwartungen werden jedoch erst dann in der<br />

Praxis erfolgreich umgesetzt werden können, wenn<br />

im Umgang aller am Beschwerdeweg Beteiligten gilt,<br />

was ich im Verbandsleitbild des Diakonischen Werks<br />

Württemberg gefunden habe:<br />

„Alle Menschen sind ohne Einschränkungen und Voraussetzungen<br />

von Gott nach seinem Bilde geschaffen<br />

und von ihm geliebt. Schwäche und Hilfebedürftigkeit<br />

gehören zum Wesen des Menschen und können seine<br />

Würde nicht beeinträchtigen.”<br />

74 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 09/2002


Schlussfolgerungen<br />

Dr. Mechthild Wolff, Gretel Wildt:<br />

Schlussfolgerungen<br />

1. Es wurden unterschiedliche<br />

Beschwerdemanagement-Modelle<br />

vorgestellt:<br />

Beschwerdemanagement als eigenständiger Umsetzungs-<br />

und Umsteuerungsprozess, als eigenes Hand -<br />

buch, interne Schulungen, eigene personelle Ressourcen<br />

Beschwerdemanagement als Teilprozess von Qualitätsentwicklung<br />

und damit Bestandteil eines Handbuchs<br />

für Qualitätsentwicklung, integrierter Be -<br />

standteil des Qualitätsentwicklungs-Prozesses oder<br />

Qualitätsverantwortliche sind auch für Beschwerdemanagement<br />

zuständig<br />

Beschwerdemanagement als Beteiligungsthema, es<br />

ist Anlass für eine umfassende thematische innerbetriebliche<br />

Auseinandersetzung über die Effektivierung<br />

von Beteiligung und Partizipation<br />

2. Dabei zeigten sich insbesondere<br />

folgende günstige Bedingungen für<br />

die Umsetzung von Beschwerdemanagement:<br />

• Beschwerdemanagement wird implementiert als<br />

bottom-up-Modell, nicht als top-down-Modell. Für<br />

einen aktiven und kontinuierlichen Umgang mit<br />

Beschwerden braucht es Zeit und eine Beziehungskultur<br />

in der Einrichtung.<br />

• Beschwerdemanagement fügt sich in die Kommunikations-<br />

und Beteiligungskultur einer Einrichtung<br />

oder eines Dienstes ein und mündet nicht automatisch<br />

in die Präsenz von Qualität! Es bedarf<br />

insbesondere auch einer Beschwerdekultur für<br />

das Personal und eines zielgerichteten Umgangs<br />

mit Verbesserungsvorschlägen aus der Mitarbeiterschaft.<br />

Dies ist Voraussetzung für die erfolgreiche<br />

Einführung eines Beschwerdemanagements für die<br />

Nutzerinnen und Nutzer von Einrichtungen und<br />

Diensten.<br />

• Beschwerdemanagement ist der Motor für Veränderung<br />

und Innovation und ist gekoppelt an einen<br />

Prozess von Changemanagement. An der Entwicklung<br />

von Qualitätsstandards müssen alle beteiligt<br />

sein unabhängig vom Bereich, in dem sie tätig sind.<br />

Dabei sollten auch Kriterien für die Feststellung<br />

und Bewertung eines schädlichen Verhaltens im<br />

Sinne der Organisationsziele gemeinsam defi niert<br />

werden. Qualitätsentwicklungsprozesse, Handbücher<br />

u.ä. müssen im Gedächtnis der Organisation<br />

wachgehalten werden. Dies ist eine Leitungsaufgabe.<br />

• Beschwerdemanagement bezieht sich auf das Verhältnis<br />

zwischen Leitung und Mitarbeiterinnen und<br />

Mitarbeitern und auf das Verhältnis zwischen Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeitern und Klientinnen und<br />

Klienten.<br />

• Beschwerdemanagement wird als systematisch<br />

gesteuerter Kommunikationsprozess mit verbindlichen<br />

Verfahren umgesetzt. Systematische Behandlung<br />

und Auswertung von Beschwerden, sorgfältiger<br />

Umgang mit Rückmeldungen an die Beschwerde<br />

führenden Personen vermeidet Folgebeschwerden<br />

und eine eventuelle Eskalation.<br />

• Bezüglich der Wirtschaftlichkeit von Unternehmen<br />

kann das Beschwerdewesen Quelle für Aussagen<br />

zum Erfolg von Maßnahmen und zur Feststellung<br />

eines (zu ändernden) Bedarfs sein. Der Umgang<br />

mit Fremdleistungen in der eigenen Organisation<br />

bedarf besonderer Aufmerksamkeit, er ist häufi g<br />

anfällig für Beschwerden und entzieht sich unter<br />

Umständen der systematischen Kontrolle der Einrichtung.<br />

• Bei der Auswahl des passenden Instrumentes sollte<br />

an vorhandene Kulturen und Strukturen – wie zum<br />

Beispiel Hilfeplanverfahren, Elternarbeit, Heimbeirat<br />

oder Angehörigengruppe – angeknüpft werden,<br />

zum einen wegen der zu erwartenden größeren<br />

Akzeptanz der Regelungen beziehungsweise des<br />

Wiedererkennungscharakters, aber auch aus Kosten-<br />

09/2002 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 75


Schlussfolgerungen<br />

gründen, indem Entwicklungskosten und Zeit<br />

gespart werden können.<br />

• Ziele wie Teilhabe und Partizipation, gelebte Streitkultur<br />

können nur ernsthaft erreicht werden, wenn<br />

zu Beschwerden ermutigt wird, die Rechte der Nutzerinnen<br />

und Nutzer der Einrichtungen und Dienste<br />

gestärkt werden – auch in kodifi zierter Form –<br />

wenn Zivilcourage ausdrücklich erwünscht ist.<br />

Analyse, Refl exion und Kommunikation des Arbeitsalltags<br />

sind Wesensmerkmal professioneller<br />

sozialer Arbeit und müssen bei der Zeitbemessung<br />

für die Leistungserbringung und der Entgeltvereinbarung<br />

berücksichtigt werden.<br />

Die Fachkräfte sollten ein Bewusstsein davon<br />

haben, dass Beschwerden eine Form der kostenlosen<br />

Beratung zur Verbesserung der Qualität ihrer<br />

Arbeit und dass die Spannung zwischen erlernter<br />

und gelebter Kompetenz konstitutiver Bestandteil<br />

ihres alltäglichen Handelns ist.<br />

3. Seitens des Diakonischen Werkes<br />

der EKD und der Diakonischen Akade<br />

mie <strong>Deutschland</strong> wird bei der<br />

künftigen Formulierung von Fort-<br />

und Weiterbildungsmaßnahmen deshalb<br />

noch stärker berücksichtigt wer -<br />

den müssen Beschwerdemanagement<br />

als:<br />

• Querschnittsthema<br />

das heißt, als Modul in Führungsseminaren, die<br />

für Managementaufgaben befähigen (Organisationsentwicklung,<br />

Projektmanagement, Management<br />

in sozialer Organisationen etc.)<br />

• eigenständiger Weiterbildungsgang<br />

das heißt, als eigenständiges qualifi zierendes Wei -<br />

terbildungsangebot mit originären Modulen, mit<br />

dem Ziel der Vermittlung von Basiskompetenzen<br />

und Ausgabe eines Zertifi kats als „Beschwerdemanagerin/Beschwerdemanager”<br />

• Teilbereichsthema von Qualitätsentwicklung<br />

das heißt, als Teilmodul in der Weiterbildung zur<br />

Qua litätsentwicklung<br />

• Fortbildungsangebot (zwei- bis dreitägige einmalige<br />

Veranstaltung)<br />

das heißt, als kurzfristige Maßnahme in Form von<br />

Workshops, um verschiedene Modelle vorzustellen,<br />

als „Intro” zu einem längerfristigen Qualifi zierungsangebot<br />

• Inhouse-Angebot<br />

das heißt, als arbeitsfeld- und einrichtungsspezifi<br />

sches Angebot der Begleitung bei Implementierungsprozessen.<br />

Die nachfolgenden curricularen Bestandteile, wie sie<br />

aus dem Qualitätsmanagement bekannt sind, bleiben<br />

dabei unverzichtbar:<br />

• arbeitsfeldspezifi sche gesetzliche Grundlagen: Rechte<br />

von Kundinnen und Kunden<br />

• Führungskonzepte<br />

• Leitbildentwicklung<br />

• soziale Arbeit als Dienstleistung<br />

• soziale Arbeit und Kundenorientierung<br />

• Organisationsanalyse – Organisationsentwicklung<br />

– Steuerungsmodelle<br />

• Verfahrensentwicklung und Verfahrensimplementierung<br />

• Changemanagement<br />

• Beteiligungs- und Demokratisierungsformen in Einrichtungen<br />

und Diensten<br />

76 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 09/2002


Anhang<br />

Verzeichnis der Mitwirkenden, Autorinnen und Autoren<br />

Gerhard Benninghoff<br />

Ev. Altenheim<br />

Haus Abendfrieden<br />

Schulstr. 11<br />

45219 Essen-Kettwig<br />

Walter Gibis<br />

Bundesverband des Freundeskreises<br />

für Suchtkrankenhilfe<br />

Mörikestr. 7<br />

88085 Langenargen<br />

Thomas Herold<br />

Evang. Gesellschaft<br />

Theodor-Heuss-Str. 26<br />

70174 Stuttgart<br />

Joachim Krause<br />

St. Elisabeth-Stiftung<br />

Schönhauser Allee 141<br />

10437 Berlin<br />

Michaela Küpper<br />

Evang. Altenheim<br />

Haus Abendfrieden<br />

Schulstr. 11<br />

45219 Essen-Kettwig<br />

Katrin Markus<br />

Bundesinteressenvertretung der<br />

Altenheimbewohner e.V.<br />

Vorgebirgstr. 1<br />

53911 Swisttal-Heimerzheim<br />

Markus Nowara<br />

Siemens AG<br />

Richard-Strauß-Str. 76<br />

81679 München<br />

Karl Späth<br />

Diakonisches Werk der EKD<br />

Staffl enbergstr. 76<br />

70184 Stuttgart<br />

Horst Steinhilber<br />

Diakonisches Werk der EKD<br />

Staffl enbergstr. 76<br />

70184 Stuttgart<br />

Gerhard Tinnefeld<br />

Organisationspsychologische Fachberatung<br />

Friedrich-Harkert-Str. 32<br />

44799 Bochum<br />

Thomas Weghmann<br />

Diakonisches Werk Hamburg<br />

Ehe-, Partnerschaft-, Erziehungsund<br />

Lebensberatungsstelle<br />

Königstr. 54<br />

22767 Hamburg<br />

Cornelia Weber<br />

Diakonisches Werk der EKD<br />

Staffl enbergstr. 76<br />

70184 Stuttgart<br />

Gretel Wildt<br />

Diakonisches Werk der EKD<br />

Staffl enbergstr. 76<br />

70184 Stuttgart<br />

Dr. Mechthild Wolff<br />

Diakonische Akademie <strong>Deutschland</strong><br />

Heinrich-Mann-Str. 31<br />

13156 Berlin<br />

09/2002 <strong>Diakonie</strong> Dokumentation 77

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