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Licht - EB Zürich

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<strong>Licht</strong> aus<br />

Ausgelöscht für eine Stunde<br />

Judith Brandsberg<br />

Heute Abend wird es in manchen<br />

Städten zweimal dunkel. Einmal,<br />

wenn die Sonne untergeht und ein<br />

zweites Mal um 20.30 Uhr, wenn<br />

weltweit für eine Stunde die <strong>Licht</strong>er<br />

gelöscht werden.<br />

Es geht nicht darum, in dieser einen<br />

Stunde möglichst viel Strom zu sparen.<br />

Das Ziel der WWF-Aktion «Earth<br />

Hour» ist, Aufmerksamkeit für den<br />

Klimaschutz zu schaffen. Die Idee hatte<br />

2007 der WWF Australien, der die<br />

Aktion erstmals lokal durchführte. 2011<br />

waren bereits 135 Länder dabei und für<br />

dieses Jahr werden noch mehr teilnehmende<br />

Länder erwartet.<br />

Weltweit wetten prominente Menschen<br />

mit einem persönlichen Einsatz für<br />

mehr Klimaschutz. Auch die Schweiz ist<br />

mit Bestsellerautorin Donna Leon, Nationalrat<br />

Bastien Girod, Kinderliederautor<br />

Andrew Bond dabei. Unternehmen<br />

unterstützen die Kampagne ebenfalls.<br />

Migros verlost zum Beispiel fünf Fahrräder,<br />

wenn 100 Menschen eine Woche<br />

lang mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren.<br />

Ikea ersetzt künftig den Rasenmäher in<br />

Spreitenbach durch sechs Schafe, wenn<br />

500 Personen zu Hause ihre Glühlampen<br />

Vater der<br />

Glühbirne<br />

1882 erfand Thomas Alva Edison<br />

die Glühbirne. Mittlerweile gehen<br />

die Meinungen auseinander, wer<br />

der wirkliche Erfinder war. Wie<br />

auch immer, die Glühbirne war<br />

eine fantastische Erfindung, denn<br />

sie russte nicht, stank nicht, musste<br />

nicht nachgefüllt werden, war einfach<br />

ein- und auszuschalten. Die ersten<br />

Glühlampen brannten nur 40 Stunden,<br />

bereits 3 Jahre später 1000 Stunden.<br />

1892 fusionierte Edison seine eigene<br />

Firma Edison General Electric<br />

Company mit der Thomson Houston<br />

Company zur General Electric<br />

Company (GE). – GE ist neben Osram<br />

und Philips noch heute eine der drei<br />

dominierenden Lampenfirmen der<br />

Welt. Thomas Alva Edison gilt als<br />

Vater unserer heutigen Glühbirnen.<br />

Nach seinem Namen werden heute<br />

noch die Sockel der Lampen benannt.<br />

Edison-Gewinde E14, E27 und so<br />

weiter.<br />

Blick vom Lindenplatz auf das Zürcher Grossmünster, bei vollem <strong>Licht</strong>.<br />

durch LED ersetzen. Der Wettbewerb ist<br />

einfach, die Teilnehmer müssen nur auf<br />

einen Button klicken und die Herausforderung<br />

annehmen.<br />

Beleuchtung hat Sparpotential<br />

Heute wird eine Stunde lang das <strong>Licht</strong><br />

ausgeschaltet. In dieser Zeit lässt sich<br />

effektiv nicht viel Strom sparen. Das<br />

Effizienz-Potential bei der Beleuchtung<br />

ist jedoch enorm. In der Schweiz verbrauchen<br />

wir heute 8.2 Milliarden Kilo-<br />

Brigitte Widmer<br />

Er ist Laufbursche, Chauffeur und<br />

zückt im richtigen Moment galant<br />

das Feuerzeug für sein Gegenüber.<br />

Er schreibt Medienberichte oder lädt<br />

die Crème de la Crème aus Politik<br />

und Wirtschaft zum Medientalk. Ivo<br />

Tuchschmid ist ein Tausendsassa auf<br />

dem Parkett der Zeitungsredaktion.<br />

Wer zum Chefredaktor der Aargauer<br />

Zeitung möchte, kommt an ihm nicht<br />

vorbei. Seit drei Jahren organisiert und<br />

koordiniert Tuchschmid sämtliche Termine<br />

von Christian Dorer. Er ist sein<br />

persönlicher Assistent.<br />

Kurz vor neun Uhr betritt er das AZ<br />

Mediencenter in Aarau. Freundlich ruft<br />

er den Damen ein «Guete Morge» zu.<br />

Es gibt Menschen, die suchen bewusst<br />

das Rampenlicht. Das gilt nicht für Ivo<br />

Tuchschmid. Für den gelernten Kaufmann<br />

ist es kein Problem einer anderen<br />

Person die Bühne zu überlassen. Dabei<br />

hat er nicht das Gefühl im Schatten zu<br />

stehen. «Rampenlicht», sagt er, hat für<br />

seine Arbeit keine Bedeutung. Ihm ist<br />

wichtig, dass die Person, welcher er assistiert,<br />

im richtigen <strong>Licht</strong> steht.<br />

wattstunden Strom für die Beleuchtung.<br />

Mit dem Einsatz von LED‘s, Stromsparlampen<br />

oder Leuchtstoffröhren könnten<br />

wir den Stromverbrauch halbieren - und<br />

somit mehr als das AKW Mühleberg<br />

einsparen, welches pro Jahr drei Milliarden<br />

KWh Strom produziert.<br />

Das Thema Energieeffizienz in der<br />

Beleuchtung ist Teil der Energiestrategie<br />

des Bundes. Seit 2009 ist die Glühlampe<br />

verboten, ab September 2012 werden<br />

auch in den Verkaufsregalen keine<br />

Glücklich ohne Rampenlicht<br />

Dienstleister mit Leib und Seele<br />

Tuchschmid beherrscht den Small Talk<br />

genauso wie Sachdiskussionen im Hintergrund<br />

einer Redaktionssitzung, und<br />

er kann bei Bedarf auch direkt werden.<br />

«Mit meinen Entscheidungen, der Prioritätensetzung<br />

und der Fernhaltung<br />

mancher Anfragen, schütze ich meinen<br />

Vorgesetzten», sagt er. Durch seine Arbeit<br />

entlastet er den Chefredaktor.<br />

Am Nachmittag begrüsst er Gäste für<br />

das TV Duell der Woche. Er will, dass<br />

sie sich wohl fühlen. Ivo Tuchschmids<br />

Tätigkeit besteht vorwiegend darin zu<br />

dienen. Das Wort «dienen» hat für ihn<br />

keinen negativen Beigeschmack. Im<br />

Gegenteil. «Meine Funktion beinhaltet<br />

Dienste zu leisten», erklärt er sachlich.<br />

Er ist sich nicht zu fein für gewisse Arbeiten.<br />

Nicht alle seine Tätigkeiten erfordern<br />

intellektuell eine hohe Herausforderung.<br />

Manchmal spielt er auch den<br />

Prellbock für andere.<br />

Gute Planung ist die halbe Miete<br />

Das Tagesgeschäft eines persönlichen<br />

Assistenten ist nicht planbar. «Ich weiss<br />

nie, was mich in der nächsten halben<br />

Stunde erwartet», sagt der 24-jährige<br />

Glühbirnen mehr zu finden sein. Was<br />

ist die Alternative? Im Angebot gibt es<br />

Energiesparlampen oder LED‘s (<strong>Licht</strong><br />

emittierende Dioden). Beide sparen<br />

60-80 Prozent Strom gegenüber einer<br />

Glühbirne, trotzdem gibt es wichtige<br />

Unterschiede.<br />

Energiesparlampe oder LED<br />

Die Energiesparlampe hat Nachteile: Sie<br />

muss relativ häufig ausgewechselt werden,<br />

hat lange Einschaltzeiten und - was<br />

am schlimmsten ist – sie beinhaltet giftiges<br />

Quecksilber.<br />

LED‘s schalten sofort ein, haben<br />

eine Lebensdauer von ca. 50‘000 Stunden<br />

und enthalten kein Quecksilber.<br />

Die technische Entwicklung ist so weit<br />

fortgeschritten, dass diese Leuchtmittel<br />

nicht mehr das typische kalte <strong>Licht</strong><br />

ausstrahlen - im Gegenteil, sie strahlen<br />

wärmer als eine Glühbirne. Der Bundesrat<br />

ist überzeugt, dass die Zukunft der<br />

Beleuchtung in der LED liegt. Aktuell<br />

ist der Preis noch höher als für andere<br />

Leuchtmittel, er wird aber immer mehr<br />

fallen. Ikea verkauft eine LED bereits<br />

für etwa zehn Franken.<br />

Die neuen effizienten <strong>Licht</strong>technologien<br />

stellen den Konsumenten vor<br />

Herausforderungen. Deshalb hat der<br />

WWF einen Ratgeber «<strong>Licht</strong>» geschaffen,<br />

der die Vor- und Nachteile der neuen<br />

<strong>Licht</strong>technologien aufzeigt. Wer sich<br />

noch genauer informieren möchte, findet<br />

im Faktenblatt «Viel <strong>Licht</strong> für wenig<br />

Strom» weitere Informationen.<br />

Heute Abend zeigt sich, wieviele<br />

<strong>Licht</strong>er gelöscht werden und wieviele<br />

Länder, Städte und Menschen mit der<br />

WWF-Aktion sympathisieren.<br />

gelassen. Exakt das ist der Reiz an seiner<br />

Arbeit. Selten schliesst er den Tag<br />

mit dem Gefühl ab, alles erledigt zu haben.<br />

Abends mit leerem Pendenzenheft<br />

heimzugehen habe nichts mit Erfolg<br />

zu tun, sondern mit einer Einstellung.<br />

Manchmal sei es gut, die Dinge nicht<br />

sofort zu erledigen. Vieles ändert sich<br />

rasch. Neue Infos erfordern andere Vorgehensweisen.<br />

In der Regel belastet ihn seine Arbeit<br />

nicht. Über gewisse Konzepte zerbricht<br />

er sich dennoch lange den Kopf. Viele<br />

Probleme treten durch ausgeklügelte<br />

Planung erst gar nicht auf. Mit Stress<br />

kann er gut umgehen. Man schafft das<br />

mit guter und organisierter Arbeitstechnik<br />

gepaart mit einer gesunden Portion<br />

positiver Einstellung.<br />

Nicht im Schatten eines anderen<br />

Ob im Büro oder nach Arbeitsschluss,<br />

Ivo Tuchschmid ist für den Chefredaktor<br />

jederzeit erreichbar. Notfallmässige<br />

Aufgebote halten sich jedoch in Grenzen.<br />

Wenn wirklich etwas los ist, erhält<br />

er eine SMS. «Privat werde ich nur in<br />

Ausnahmefällen angerufen», das sei<br />

Teil des Deals, erklärt er.<br />

«Happy Hour»<br />

ohne Wirkung<br />

Peter Inderbitzin<br />

31.3.2012<br />

Jetzt also das <strong>Licht</strong>. Vor vielen Jahren<br />

waren es die Friedensbewegten,<br />

gegen den Krieg, und kürzlich erst<br />

die Occupy-Aktivisten, gegen den<br />

Kapitalismus und anderes mehr. Und<br />

jetzt sind wieder die Klimaschützer<br />

dran, gegen die <strong>Licht</strong>verschmutzung<br />

und für den Klimaschutz.<br />

Der WWF ruft auch dieses Jahr<br />

zur «Earth Hour» auf, und alle sind<br />

dabei. Weltstädte von Singapur bis<br />

Pfyn, Parteien und Politiker, Models<br />

und Promis, Facebook und Twitter.<br />

Es schadet der Kampagne nur wenig,<br />

dass sie ausnahmsweise nicht<br />

von Sven Epiney moderiert wird und<br />

Dübendorf nicht mitmacht.<br />

Was erhoffen sich Teilnehmer<br />

und Veranstalter? Die «Earth Hour»<br />

sei ein Zeichen der Hoffnung, meint<br />

der CEO des WWF Schweiz. Sensibilisieren<br />

wolle man und zeigen, wie<br />

ernst es vielen Leuten sei. Letzteres<br />

darf man aber ernsthaft bezweifeln.<br />

Auch die «Happy Hour», pardon,<br />

«Earth Hour», wird keine Nachhaltigkeit<br />

erzeugen.<br />

Was auf freiwilliger Enthaltsamkeit<br />

beruht, wird stets so enden: Der<br />

andere soll doch damit beginnen,<br />

ich schau dann mal. Solange Staaten<br />

und deren Gesetze dem Klimaschutz<br />

nicht mehr Gewicht geben, wird die<br />

Jahresbilanz auch 2012 so aussehen:<br />

eine Stunde lang Energie sparen als<br />

Happening gegenüber 8759 Stunden<br />

der gewohnten Verschwendung.<br />

Spät abends checkt der ausgebildete<br />

Kaufmann daheim in Aarau nochmals<br />

die Mails. Nur auf äusserst Wichtiges<br />

reagiert er sofort. Das Meiste kann bis<br />

zum Morgen warten. Der Assistent sieht<br />

sich nicht im Schatten seines Vorgesetzten.<br />

Er geniesst seine privilegierte<br />

Stellung. Vielleicht liege es auch am<br />

Arbeitsgebiet. In der Medienbranche<br />

steht jeder ein bisschen auf der Bühne.<br />

«Ich bin sein persönlicher Mitarbeiter<br />

und ich schätze ihn als Mensch», erklärt<br />

Tuchschmid und ergänzt: «Ohne diese<br />

Voraussetzung kann man nicht derart<br />

eng zusammen arbeiten.»<br />

Ivo Tuchschmid ist persönlicher<br />

Assistent des Chefredaktors der AZ.


Der mit dem <strong>Licht</strong> zaubert<br />

Peter Inderbitzin<br />

Gerry Hofstetter ist ein Schweizer<br />

<strong>Licht</strong>künstler von Weltruf. Der ehemalige<br />

Banker setzt seine Visionen<br />

in spektakuläre <strong>Licht</strong>inszenierungen<br />

um. In zwei Wochen lässt er die<br />

Titanic nochmals mit einem Eisberg<br />

kollidieren. Durch <strong>Licht</strong>.<br />

Alles ist bereit: Die Projektoren, die<br />

Generatoren, die Helfer und der Schnee.<br />

Meterhoch liegt er im Sertigtal bei Davos.<br />

Das Gelände versinkt im Weiss<br />

und die kleine Kapelle strahlt Ruhe aus.<br />

Dann kommt der Mann, der die Vision<br />

hatte. Er hatte in den schneebedeckten<br />

Hängen keine Skipisten, sondern Projektionsflächen<br />

für seine <strong>Licht</strong>kunst<br />

gesehen.<br />

Wie immer ist alles militärisch<br />

durchdacht und organisiert. Einige kurze<br />

Anweisungen und die Projektoren werden<br />

angeworfen. Eine bekannte Christusfigur<br />

von 150 Metern Höhe blickt<br />

auf die beleuchtete Kapelle. Rio meets<br />

Sertig. Möglich gemacht durch die Kraft<br />

des <strong>Licht</strong>s und durch Gerry Hofstetter,<br />

den <strong>Licht</strong>zauberer aus Zumikon.<br />

Militärisch, sportlich, kreativ<br />

«Ich wollte als Kind immer Bauer oder<br />

Banker werden,» sagt Gerry Hofstetter.<br />

Kein Wunder, stammt doch seine libanesische<br />

Mutter aus einer Banker- und<br />

sein Vater aus einer Bauernfamilie.<br />

Nach einer KV-Lehre bei einer landwirtschaftlichen<br />

Genossenschaft bot er<br />

sich einer Schweizer Grossbank an, wo<br />

er schon bald Karriere machte. Auch<br />

im Sport und im Militär ging es rasch<br />

aufwärts. Als Kunstturner war Hofstetter<br />

Nachwuchs-Schweizermeister und<br />

als Gebirgsgrenadier brachte er es zum<br />

Hauptmann.<br />

Er tätigte Börsen- und Warentermingeschäfte,<br />

jettete für Kundenbesuche<br />

rund um die Welt, erwarb den Marketingplaner<br />

und andere Diplome. Er<br />

wusste, wie die grosse Welt funktioniert.<br />

«Wenn ich etwas gelernt habe und es beherrsche,<br />

dann interessiert es mich nicht<br />

mehr. Ausser, ich spüre ein leidenschaftliches<br />

Feuer,» meint Hofstetter. Er verliess<br />

die Bankenwelt und gründete eine<br />

eigene Marketing-, Event- und Design-<br />

Agentur. Hier konnte er endlich auch<br />

seine kreative Ader ausleben.<br />

Tageslicht aus der Steckdose<br />

Nathalie Cajacob<br />

Tageslichtmangel ist der Grund für physische und psychische Beschwerden.<br />

Depressionen, Schlafstörungen und Vitaminmangel sind nur einige davon. Mit<br />

biodynamischer Beleuchtung wollen <strong>Licht</strong>planer den Tagesverlauf in Räumen<br />

ohne Tageslicht imitieren.<br />

Alle Vorgänge im menschlichen<br />

Körper unterliegen einer inneren Uhr.<br />

Stoffwechsel-, Hormonfunktionen oder<br />

der Schlaf-wach-Zyklus werden ohne<br />

Tageslicht gestört. Auch Depressionen<br />

und Schizophrenie führen Fachleute auf<br />

einen gestörten Schlaf-wach-Rhythmus<br />

zurück. Sie diskutieren derzeit auch<br />

den Zusammenhang zwischen Tageslichtmangel<br />

und Krebs. Gerade bei<br />

Schichtarbeitern geht man von einem<br />

erhöhten Risiko aus. Elvira Abbruzzese,<br />

Assistentin am Psychologischen Institut<br />

der Universität <strong>Zürich</strong>: «Erhöhte<br />

Brustkrebsraten bei Krankenschwestern,<br />

die zwischen 20 und 30 Jahren im<br />

Schichtbetrieb tätig sind, werden auf<br />

Marijan Markotić<br />

Andrea Mühlhaupt Blaser ist von<br />

Geburt an blind. Sie erzählt, wie ein<br />

blinder Mensch die Umwelt und die<br />

Mitmenschen wahrnimmt und was<br />

die grössten Herausforderungen sind.<br />

Frau Blaser, Sie sind Mutter dreier<br />

Kinder und gleichzeitig berufstätig.<br />

Wie bewältigen Sie all das?<br />

Es ist eine Organisationsfrage. Ich bin<br />

froh, dass mich mein Mann voll unterstützt<br />

und ich habe eine Frau, die mir<br />

zweimal in der Woche im Haushalt hilft.<br />

Ich wollte schon immer berufstätig sein,<br />

weil ich als Sozialarbeiterin einen interessanten<br />

Beruf habe. Zudem sitze ich<br />

nicht gerne zu Hause und lasse mich<br />

einfach bedienen. Für mich ist das die<br />

ideale Mischung zwischen Familie und<br />

Beruf.<br />

Was ist die grösste Herausforderung<br />

für einen blinden Menschen?<br />

Die grösste Herausforderung für mich<br />

war die Suche einer Arbeitsstelle. Wenn<br />

ich mich bewerbe und – trotz guten<br />

Zeugnissen und Referenzen – immer<br />

wieder auf dem Absagen-Haufen lande,<br />

dann bin ich sehr enttäuscht. Meistens<br />

heisst es: «Ja, es tut uns leid, aber das<br />

geht nicht.» – Ich habe einen Computer<br />

mit Blindentastatur, einen Scanner kann<br />

Tageslichtmangel zurückgeführt.» Laut<br />

Abbruzzese sind die psychischen Folgen<br />

von Tageslichtmangel von verschiede-<br />

Zürcher Shopville – während 24 Stunden ohne Tageslicht.<br />

ich auch bedienen und bei Bedarf einen<br />

Vorleser organisieren. Ich frage mich also,<br />

wo das Problem ist.<br />

Wie nimmt ein blinder Mensch die<br />

Umwelt und die Mitmenschen wahr?<br />

Ich höre vor allem gut zu. Wenn Klienten<br />

in mein Büro hereinlaufen, dann<br />

spitze ich die Ohren. Ich schmecke auch<br />

vieles, was meine Kolleginnen und Kollegen<br />

sonst nicht schmecken. Wenn ich<br />

spüre, dass irgendetwas nicht stimmt,<br />

dann frage ich sofort nach. Ich helfe mir<br />

also mit allen anderen Sinnen.<br />

<strong>Licht</strong> ist Hoffnung<br />

Seine Firma organisierte Militärsport-<br />

Events und Modeschauen, entwarf Designs<br />

für Kampfjets oder den Globi-Comic.<br />

Und dann kam Gerry Hofstetter auf<br />

die Idee, die Gebäude eines Events nicht<br />

nur von innen, sondern auch von aussen<br />

zu gestalten. Dies war 1999 und seitdem<br />

ist seine <strong>Licht</strong>kunst in aller Auge. Er hat<br />

das Bundeshaus in Bern beleuchtet, das<br />

Matterhorn, die Pyramiden in Ägypten,<br />

die Kirchen von Venedig und die Kapelle<br />

im Sertig. Und immer wieder die Arktis<br />

und die Antarktis. Im UNO-Jahr des<br />

Wassers, 2003, beleuchtete er ein erstes<br />

Mal Eisberge in der Antarktis. Seither<br />

ist er fast jährlich an einem der Pole. Er<br />

macht dies nicht nur für sich, sondern<br />

will auch etwas bewegen.<br />

«Das Geniale ist, einen Ort durch<br />

<strong>Licht</strong> zu verwandeln und ihn dann den<br />

Leuten, die nicht selber dorthin kommen,<br />

zurückzubringen.» Hofstetter will<br />

nicht den Zeigefinger erheben, er will<br />

durch seine <strong>Licht</strong>kunst Emotionen auslösen.<br />

Er ist überzeugt: «Farbe ist Lebensfreude<br />

und <strong>Licht</strong> ist Hoffnung.»<br />

Vergänglich oder nachhaltig?<br />

Gerry Hofstetter funktioniert so: Er sieht<br />

ein Bild oder einen Text, und dann lässt<br />

es ihn nicht mehr los. «Das sind meine<br />

«Ich brauche meine Augen nicht, um meine Kinder wahrzunehmen.»<br />

Andrea geniesst mit «Cary» die Natur<br />

nen Faktoren abhängig. Auch das subjektive<br />

Empfinden spielt eine Rolle.<br />

Genaue Zahlen, wie viele Personen<br />

in der Schweiz ohne Tageslicht arbeiten<br />

müssen, gibt es nicht. Gemäss Christine<br />

Michel vom Zentralsekretariat der Gewerkschaft<br />

Unia hat sich gerade im Verkauf<br />

die Anzahl Arbeitsplätze ohne natürliche<br />

Beleuchtung in den letzten Jahren<br />

vervielfacht. Grund dafür ist die Zunahme<br />

von Verkaufslokalen an Bahnhöfen,<br />

Flughäfen oder grossen Einkaufszentren.<br />

Wenn Sie eines Ihrer drei Kinder umarmen,<br />

was empfinden Sie dabei?<br />

(lacht) Es ist ganz individuell und es berührt<br />

mich jedes Mal von Neuem. Denn<br />

ich spüre genau jedes Kind, ich höre jedes<br />

Kind, ich schmecke jedes Kind, ich<br />

kann sie mit den Händen antasten und<br />

umarmen. Dabei merke ich sofort, wenn<br />

sie zum Beispiel nicht sauber angekleidet<br />

sind oder schmutzige Hände haben.<br />

Ich brauche meine Augen nicht zwingend,<br />

um meine Kinder wahrzunehmen.<br />

«<strong>Licht</strong> aus, Sinne an!» –Was bedeutet<br />

dieser Satz für Ihre Erlebniswelt?<br />

Ich habe mitgeholfen, das Restaurant<br />

«Blinde Kuh» zu gründen. Ich merke<br />

auch, dass es eine andere Atmosphäre<br />

gibt, wenn es dunkel ist. Konkret, wie<br />

die Leute miteinander umgehen, ob sie<br />

einander zuhören. Das erfahren wir blinde<br />

Menschen oft am eigenen Leib.<br />

Welche «<strong>Licht</strong>er» sollte denn der<br />

heutige Mensch aus- und welche anmachen?<br />

Ich denke, alles Grelle, alles, was übertönt,<br />

sollte man ausmachen, dass man<br />

zur Ruhe kommen kann. Dabei sollten<br />

wir uns mehr Zeit für uns selber nehmen,<br />

unsere Sinne schärfen und aufeinander<br />

offen und ehrlich zugehen. Dann<br />

geht das <strong>Licht</strong> in und unter den Menschen<br />

an.<br />

Schnapsideen, die ich einfach machen<br />

muss. Wenn ich eine Vision habe, wird<br />

sie realisiert, sei es in einem Jahr oder in<br />

zwanzig. Ich muss es von der Festplatte<br />

löschen können, sonst habe ich Stress.»<br />

Als ihm ein Kapitän in der Arktis<br />

den Gletscher zeigte, von dem der Eisberg<br />

stammte, der die Titanic versenkte,<br />

war die Idee da. Hofstetter recherchierte<br />

zwei Jahre lang, sprach mit Experten<br />

und besorgte die Bilder. Nach genau 100<br />

Jahren wird der Eisberg wieder auf die<br />

Titanic treffen. Doch Hofstetter wird das<br />

Schiff dorthin bringen, wo der Eisberg<br />

Betroffene reagieren unterschiedlich<br />

Fragt man das Verkaufspersonal im Untergeschoss<br />

des Shopville im Zürcher<br />

Hauptbahnhof nach seinen Erfahrungen,<br />

sind die Antworten unterschiedlich.<br />

«Das ist reine Kopfsache», sagt Margrit<br />

Felici, stellvertretende Filialleiterin bei<br />

Krause Senn, «wenn man sich daran gewöhnt<br />

hat, spielt es keine Rolle, ob man<br />

bei Tages-oder Kunstlicht arbeitet.» Ihre<br />

Mitarbeiterin Bashar Joya sieht das anders.<br />

Seit fast anderthalb Jahren arbeitet<br />

die Verkäuferin in der Filiale am Hauptbahnhof.<br />

Seither leidet sie regelmässig<br />

unter Kopfschmerzen, teilweise gefolgt<br />

von Schwindelanfällen. «Sobald ich<br />

wieder draussen bin, ist es besser», so<br />

Joya. Für Hatice Gencer, seit fünf Jahren<br />

Geschäftsführerin der Import Parfümerie,<br />

war es vor allem anfangs schwierig:<br />

«Am Anfang ist es eine grosse Belastung.<br />

Aber man gewöhnt sich an alles».<br />

Den Tagesverlauf simulieren<br />

Tageslicht kann man nicht ersetzen. Eine<br />

Alternative ist biodynamisches <strong>Licht</strong>,<br />

welches von <strong>Licht</strong>planern je länger je<br />

mehr in Räumen ohne Tageslicht eingesetzt<br />

wird. Jennifer Sippel, <strong>Licht</strong>planerin<br />

bei der Reflexion AG: «Im Laufe<br />

eines Tages ändert sich der Sonnenstand<br />

und die Farbtemperatur des natürlichen<br />

<strong>Licht</strong>s. Biodynamische Beleuchtung bedient<br />

sich an diesem Prinzip.» Über eine<br />

intelligente Steuerungstechnik werden<br />

Lampen mit Leuchtmitteln unterschiedlicher<br />

<strong>Licht</strong>farbe eingesetzt. Die Steuerung<br />

mischt die <strong>Licht</strong>farben – morgens<br />

Kaltlicht, dann erfolgt der Übergang<br />

ins Warmlicht. Auch Jörg Krewinkel,<br />

Inhaber des <strong>Licht</strong>planungsbüros <strong>Licht</strong>kompetenz,<br />

verwendet biodynamisches<br />

<strong>Licht</strong> in Betrieben ohne Tageslicht oder<br />

mit Schichtbetrieb. So hat er das Prinzip<br />

in die Büroräume einer Zürcher Bank<br />

mit 24-Stunden-Betrieb angewendet.<br />

Wie gut dynamisches <strong>Licht</strong> langfristig<br />

wirklich ist, weiss man (noch) nicht.<br />

Die Nutzer scheinen jedoch zufrieden:<br />

«Mit der richtigen Beleuchtungs stärke<br />

und Farbintensität erzielen wir gute<br />

Resultate», so Krewinkel.<br />

Impressum<br />

Gerry Hofstetter an seinem Arbeitsplatz<br />

sich vom Gletscher löste und alles begann.<br />

Tausende von Bildern sind bereits<br />

vorbereitet und zwei Projektoren werden<br />

diese an einen Eisberg von 500 Metern<br />

Länge werfen. Nach kurzem Spektakel<br />

wird es auch hier heissen: «<strong>Licht</strong> aus!»<br />

Es sei manchmal für ihn hart, so Hofstetter,<br />

wenn er das Monument vor ihm<br />

bestaune, und dann auf einen Schlag das<br />

<strong>Licht</strong> ausgehe und die ganze Atmosphäre<br />

weg sei. Seine <strong>Licht</strong>kunst aber wird auf<br />

vielen Fotos und nachhaltig in unserem<br />

Gedächtnis erhalten bleiben.<br />

Dämmerung<br />

verleiht Flügel<br />

Christa Kostgeld<br />

Osho hatte seine Erleuchtung mit 21<br />

Jahren und meine beste Freundin, als<br />

sie nach der siebten Atemübung in höhere<br />

Sphären abdriftete. Bei mir selber<br />

will’s mit der absoluten Helligkeit<br />

einfach nicht so richtig klappen. Zu<br />

gerne lasse ich mich verführen: Vom<br />

schummrigen <strong>Licht</strong>, vom Weder-noch,<br />

vom Vor und Zurück. Stockdunkel<br />

muss es nicht sein, aber so eine Dämmerung,<br />

die hat’s in sich.<br />

Dämmerung – wenn es nicht mehr<br />

richtig hell ist, aber die Dunkelheit<br />

noch auf sich warten lässt. Bei der<br />

«Blue Hour» kann ich nach zwei leicht<br />

süffigen Drinks immer noch entscheiden,<br />

ob ich nun wirklich in die Sümpfe<br />

der Nacht eintauche oder es beim Flirt<br />

mit der Bar belasse. Die Atmosphäre in<br />

einem Haman gibt mir Wohlgefühl pur:<br />

Das vorteilhafte <strong>Licht</strong> lässt alle Dellen<br />

und Pölsterchen sanft und ästhetisch<br />

erscheinen. Das grelle Neonlicht in<br />

den Fitnesscentern – ein Graus. Der<br />

Sound der britischen Gothic-Band The<br />

Cure lösen in mir ein melancholisches,<br />

angenehm wohliges Gefühl aus – die<br />

hellen Töne meiner Yoga-CD habe ich<br />

vor drei Jahren zum letzten Mal «eingeatmet».<br />

Die Skandinavier mit ihrem<br />

Polarlicht und der Mär der ewigen<br />

Dunkelheit finde ich einiges reizvoller<br />

als die Südeuropäer mit ihrem ständig<br />

hell erleuchteten Himmel und der entsprechend<br />

guten Laune.<br />

In dunklen Lebensphasen wäre bei<br />

mir eine <strong>Licht</strong>therapie rausgeworfenes<br />

Geld. Dann viel lieber allabendlich im<br />

schummrigen Abendlicht das Tanzbein<br />

zu Tangomusik schwingen. Ganz<br />

nach dem Motto: Rein in die Dämmerung,<br />

Flucht nach vorne, <strong>Licht</strong> aus.<br />

Mein <strong>Licht</strong>, Dein <strong>Licht</strong> – ne, das ist nix<br />

für mich.<br />

Redaktion: Judith Brandsberg, Nathalie Cajacob,<br />

Peter Inderbitzin, Christa Kostgeld, Marijan Markotic,<br />

Brigitte Widmer<br />

Fotos: corbis.com (Edison), alle anderen Fotos stammen<br />

vom Redaktionsteam<br />

Kursleitung: Guido Stalder (Journalismus)

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