Erdinger Jazz Tage - Stadt Erding
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JAZZ TAGE-INTERVIEW ...<br />
<strong>Jazz</strong> <strong>Tage</strong>-Interview mit Markus Millan Müller<br />
Klezmer hat sich als Weltmusik etabliert<br />
Jiddischer Mambo, Latino-Klezmer und chassidischer Reggae, dazu<br />
kolumbianische Musik und die Texte kubanischer Juden aus den<br />
1920er Jahren – es gibt praktisch keine Musikrichtung und keine<br />
Gegend dieser Welt, für die sich Markus Millan Müller, der Bandleader<br />
der Global Shtetl Band, nicht interessiert: Die Klezmer-Gruppe spürt<br />
den vielfältigen Entwicklungen nach, die ihre Musik im Lauf des<br />
20. Jahrhunderts genommen hat, immer eng verknüpft mit den turbulenten<br />
Leben und wechselvollen Schicksalen vieler Menschen jüdischen<br />
Glaubens. Im Interview erklärt Müller, worauf es der Global<br />
Shtetl Band mit ihren Liedern und Texten ankommt.<br />
Herr Müller, was ist chassidischer Reggae?<br />
Markus Müller: Das ist eine musikalische Strömung, in der fromme<br />
Juden ihre Botschaften im Reggae-Stil nach außen tragen. Reggae<br />
ist überhaupt in Israel sehr populär. Das ist nur ein Beispiel von<br />
vielen, was wir mit der Global Shtetl Band aufgreifen – alles, was<br />
irgendwie zwischen den Stühlen sitzt.<br />
Wie wichtig ist der jüdische Glaube für die Klezmer-Musik?<br />
Markus Müller: Da gibt es die unterschiedlichsten Meinungen.<br />
Die einen – auch jüdische Musiker – trennen das völlig und sagen,<br />
die Religion hat mit der Musik nichts zu tun. Ich glaube dagegen,<br />
es bringt für die Musik sehr viel, wenn man die religiösen Hintergründe<br />
versteht. Klezmer ist ja auch aus dem Gesang in der<br />
Synagoge entstanden, das war Alltagsmusik, weil Glaube und<br />
Synagoge fest zum Alltag vieler Juden gehörten. Deswegen setze<br />
ich mich mit dem Judentum auseinander.<br />
Was zeichnet Klezmer-Musik heute aus?<br />
Markus Müller: Sie hat sich als eine Strömung von Weltmusik fest<br />
etabliert. Und das bleibt auch, glaube ich, obwohl es noch vor wenigen<br />
Jahren nicht danach ausgesehen hat. Klezmer-Musik, die heute<br />
gemacht wird, ist sehr professionell und hat ein hohes Niveau.<br />
Immer mehr Musiker trauen sich auch, Grenzen zu überwinden.<br />
In New York zum Beispiel experimentieren einige mit Rockmusik.<br />
... GLOBAL SHTETL BAND<br />
Worauf legen Sie in Ihren Texten Wert?<br />
Markus Müller: Mir ist wichtig, eigene Geschichten zu erzählen.<br />
Das können Erlebnisse sein, wenn man Musik vor jüdischem<br />
Publikum macht. Oder die Erfahrungen einer Polen-Reise, die<br />
noch nicht lange her ist. Die waren sehr intensiv.<br />
Wie sieht das Global Shtetl der Zukunft aus?<br />
Markus Müller: Das Internet ist ein großes Geschenk fürs Shtetl,<br />
weil sich jetzt alle, die sich für jiddische Kultur interessieren, vernetzen<br />
können. Da sind schon vor einigen Jahren interessante<br />
Diskussionsrunden entstanden. Da werden unter anderem neue<br />
jiddische Wörter beraten. Einen jiddischen Begriff für „Handy“<br />
gab es zum Beispiel lange nicht.<br />
Und was macht die Global Shtetl Band in Zukunft?<br />
Markus Müller: Ich hoffe, wir erforschen immer neue Stile, jetzt zum<br />
Beispiel beschäftigen wir uns mit kolumbianischer Musik. Und dann<br />
interessieren mich immer die Geschichten jüdischer Auswanderer.<br />
Erst jetzt bin ich auf jiddische Texte aus Kuba gestoßen, die aus den<br />
20er Jahren stammen und perfekt auf kubanische Lieder passen.<br />
18 <strong>Jazz</strong><strong>Tage</strong> <strong>Erding</strong> 2 | 3 | 4. November 2012 <strong>Jazz</strong><strong>Tage</strong> <strong>Erding</strong> 2 4 | 3 5 | 4. 6. November 2012<br />
2011 13 19<br />
Interview: Christian Wanninger