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§ 15 Nr. 4/20<strong>12</strong> Jg. 20<strong>12</strong> EStG<br />
Gewerbesteuerliche Infektion einer zahnärztlichen Gemeinschaftspraxis<br />
§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Nr. 1, § 18 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 Satz 2 EStG<br />
DStP EStG Jg. 20<strong>12</strong> § 15 Nr. 4/20<strong>12</strong><br />
A. Grundsätzliche Anmerkungen<br />
An eine freiberufliche Tätigkeit wer<strong>de</strong>n für eine Abgrenzung zu Einkünften aus<br />
Gewerbebetrieb feste Voraussetzungen gestellt. Die Beschäftigung qualifizierter<br />
Mitarbeiter im Angestelltenverhältnis ist nur dann unschädlich hinsichtlich<br />
einer gewerbesteuerlichen Infektion, wenn <strong>de</strong>r Berufsträger weiterhin leitend<br />
und eigenverantwortlich seiner Tätigkeit nachkommt. Die Beurteilung eines<br />
Sachverhalts hinsichtlich <strong>de</strong>r Einhaltung dieser Kriterien hängt stark vom Einzelfall<br />
ab. Unabhängig davon sind aber in je<strong>de</strong>m Fall sorgfältige Vorkehrungen<br />
sowohl hinsichtlich <strong>de</strong>r Organisation <strong>de</strong>r Arbeitsabläufe im Unternehmen als<br />
auch <strong>de</strong>r Nachweisdokumentation zu treffen.<br />
B. Sachverhalt und Fragestellung<br />
I. Sachverhalt<br />
Eine zahnärztliche Gemeinschaftspraxis mit zwei Gesellschaftern, die jeweils<br />
zur Hälfte am gemeinschaftlichen Vermögen beteiligt sind, ist an zwei ca. 30 km<br />
von einan<strong>de</strong>r entfernten Standorten ansässig. Je<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n Gesellschafter<br />
betreut jeweils einen <strong>de</strong>r Standorte als Zahnarzt in Vollzeit. Die Verwaltungstätigkeit<br />
nimmt nur untergeordnete Be<strong>de</strong>utung an. Der am Standort A tätige<br />
Zahnarzt verfügt zusätzlich über einen Master-Abschluss im Fachbereich Implantologie.<br />
An diesem Standort soll nun eine weitere Zahnärztin als Angestellte<br />
arbeiten, welche einen Master-Abschluss im Fachbereich Kieferorthopädie erworben<br />
hat.<br />
II. Fragestellung<br />
Führt die Aufnahme <strong>de</strong>s neuen Geschäftsfelds Kieferorthopädie durch eine<br />
angestellte Zahnärztin zu einer Gewerbesteuerpflicht <strong>de</strong>r freiberuflichen Zahnarztpraxis?<br />
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EStG Jg. 20<strong>12</strong> Nr. 4/20<strong>12</strong> § 15<br />
C. Stellungnahme<br />
Eine gesetzliche Definition <strong>de</strong>s Begriffs <strong>de</strong>r selbständigen Arbeit ist im EStG 1<br />
nicht vorgesehen; § 18 EStG zählt lediglich die Tätigkeiten auf, die zu Einkünften<br />
aus selbständiger Arbeit führen. Unter an<strong>de</strong>rem sind dies die freiberuflichen<br />
Tätigkeiten gem. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG, wozu auch die sog. Katalogberufe wie<br />
bspw. Arzt, Zahnarzt, Rechtsanwalt o<strong>de</strong>r Ingenieur zählen, die eine bestimmte<br />
Berufsqualifikation erfor<strong>de</strong>rn. Hieraus lässt sich jedoch ableiten, dass unter<br />
einer selbständigen Arbeit eine Tätigkeit zu verstehen ist, mit <strong>de</strong>r ein Steuerpflichtiger<br />
auf eigene Rechnung und Gefahr und ohne Weisungsabhängigkeit<br />
von an<strong>de</strong>ren vorwiegend durch persönlichen Arbeitseinsatz nachhaltig (dauernd<br />
o<strong>de</strong>r vorübergehend) Gewinn erzielen will. Steuersystematisch erfolgt<br />
die Zuordnung einer selbständig mit Gewinnerzielungsabsicht ausgeübten Tätigkeit<br />
zu <strong>de</strong>r gewerblichen Tätigkeit <strong>de</strong>rgestalt, dass zunächst eine Prüfung<br />
erfolgt, ob die betreffen<strong>de</strong> Tätigkeit unter eine selbständige Tätigkeit i.S.d.<br />
§ 18 EStG subsumiert wer<strong>de</strong>n kann. Ist dies nicht <strong>de</strong>r Fall, sind die Einkünfte<br />
als gewerbliche i.S.d. § 15 EStG einzuordnen. Denn wie <strong>de</strong>r Gewerbebetrieb<br />
erfor<strong>de</strong>rt die selbständige Arbeit Selbständigkeit, Nachhaltigkeit, Gewinnerzielungsabsicht<br />
und in <strong>de</strong>r Regel auch Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen<br />
Verkehr. Maßgeben<strong>de</strong>s Abgrenzungskriterium ist die Art <strong>de</strong>r Tätigkeit. 2 Auch<br />
ein Freiberufler, <strong>de</strong>r die Qualifikation einer <strong>de</strong>r klassischen Katalogberufe <strong>de</strong>s<br />
§ 18 EStG inne hat, muss nicht zwingend Einkünfte aus selbständiger Arbeit<br />
erzielen. Unabdingbare Voraussetzungen sind vielmehr, dass <strong>de</strong>r Steuerpflichtige<br />
die für diesen Beruf typischen Leistungen erbringt und diese Leistungen<br />
höchstpersönlich, also auf eigene Gefahr und auf eigene Rechnung, und eigenverantwortlich<br />
ausübt. Erst dann ist eine Tätigkeit als selbständig zu qualifizieren.<br />
Nach <strong>de</strong>r Rechtsprechung ist die tatsächliche Ausübung freiberuflicher<br />
Tätigkeiten als gewerblich anzusehen, wenn <strong>de</strong>m Ausüben<strong>de</strong>n die entsprechen<strong>de</strong><br />
Ausbildung o<strong>de</strong>r entsprechen<strong>de</strong> Kenntnisse sowie die ggf. erfor<strong>de</strong>rliche<br />
Berufszulassung fehlen. 3<br />
1 Einkommensteuergesetz (EStG) i.d.F. <strong>de</strong>r Bekanntmachung v. 8.10.2009, BGBl. I 2009,<br />
3366, ber. BGBl. I 2009, 3862.<br />
2 Vgl. Hutter in Blümich, EStG, KStG, GewStG, Kommentar, § 18 EStG Rz. 10, 19, 30,<br />
51; Siewert in Frotscher, EStG, Kommentar, § 18 Rz. 4.<br />
3 Vgl. BFH, Urt. v. 14.3.1975 – IV R 207/72, BStBl. II 1975, 576; Urt. v. 7.7.1976 – I R<br />
218/74, BStBl. II 1976, 621; Urt. v. 13.2.1980 – I R 17/78, BStBl. II 1980, 303; Urt. v.<br />
18.6.1980 – I R 109/77, BStBl. II 1981, 118; Urt. v. 18.6.1980 – I R 113/78, BStBl. II<br />
1981, <strong>12</strong>1; Urt. v. 9.10.1986 – IV R 235/84, BStBl. II 1987, <strong>12</strong>4; Urt. v. 10.<strong>12</strong>.1987 – IV<br />
R 176/85, BStBl. II 1988, 273; Schulz in Möckershoff (Hrsg.), Handbuch Freie Berufe im<br />
Steuerrecht, 1998, 38f.; Brandt in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, KStG, Kommentar,<br />
§ 18 EStG Rz. 16.<br />
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§ 15 Nr. 4/20<strong>12</strong> Jg. 20<strong>12</strong> EStG<br />
Eine zahnärztliche Gemeinschaftspraxis wird in <strong>de</strong>r Rechtsform einer sog.<br />
Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) betrieben, bei <strong>de</strong>r sich die Gesellschafter<br />
gegenseitig auf die Erreichung eines gemeinsamen Zwecks verpflichten<br />
(§ 705 BGB 4 ). Die GbR stellt die Grundform <strong>de</strong>r Personengesellschaften dar<br />
und ist die typische Rechtsform, in <strong>de</strong>r Freiberufler gemeinschaftlich Einkünfte<br />
aus selbständiger Arbeit erzielen. Sofern ihre Gesellschafter steuerrechtlich als<br />
Mitunternehmer zu qualifizieren sind, wird die GbR nicht nur von § 18 Abs. 1<br />
Nr. 1 EStG, son<strong>de</strong>rn über § 18 Abs. 4 Satz 2 EStG auch von § 15 Abs. 1 Satz 1<br />
Nr. 2 EStG erfasst. 5 Mitunternehmer sind nach <strong>de</strong>r Rechtsprechung <strong>de</strong>s BFH<br />
solche Personen, die aufgrund eines zivilrechtlichen Gesellschaftsverhältnisses<br />
o<strong>de</strong>r eines damit vergleichbaren Gemeinschaftsverhältnisses Mitunternehmerinitiative<br />
entfalten können und Mitunternehmerrisiko tragen. 6 Bei<strong>de</strong> Merkmale<br />
brauchen nicht gleich stark ausgeprägt zu sein, müssen aber vorliegen. Die<br />
geringere Ausprägung eines Merkmals kann im Rahmen <strong>de</strong>r Gesamtbeurteilung<br />
<strong>de</strong>r Umstän<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Einzelfalls durch eine stärkere Ausprägung <strong>de</strong>s an<strong>de</strong>ren<br />
Merkmals ausgeglichen wer<strong>de</strong>n. 7 In diesem Zusammenhang be<strong>de</strong>utet Mitunternehmerinitiative<br />
die Teilhabe an unternehmerischen Entscheidungen, Mitunternehmerrisiko<br />
die Teilhabe an Erfolg o<strong>de</strong>r Misserfolg <strong>de</strong>s Betriebs. 8 Dass im<br />
vorliegen<strong>de</strong>n Fall die Gesellschafter <strong>de</strong>r freiberuflichen GbR als Mitunternehmer<br />
einzustufen sind, kann angenommen wer<strong>de</strong>n. 9 Aus <strong>de</strong>m Gesamtzusammenhang<br />
ist abzuleiten, dass es sich um eine steuerrechtliche Mitunternehmerschaft<br />
han<strong>de</strong>lt. Und da diese Mitunternehmerschaft sich mit einer <strong>de</strong>r in § 18<br />
Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 aufgezählten freiberuflichen Tätigkeiten beschäftigt, nämlich<br />
mit <strong>de</strong>r selbständigen Berufstätigkeit <strong>de</strong>r Zahnärzte, vermittelt sie ihren<br />
Gesellschaftern Einkünfte aus selbständiger Arbeit gem. § 2 Abs. 1 Satz 1<br />
Nr. 3 EStG.<br />
Vorteil einer Freiberufler-Personengesellschaft wie <strong>de</strong>r zahnärztlichen Gemeinschaftspraxis<br />
ist naturgemäß, dass sie nicht von § 2 Abs. 1 GewStG erfasst wird<br />
und insofern keine Gewerbesteuer auf die Einkünfte zu zahlen ist. 10 Problematisch<br />
wird die Qualifikation <strong>de</strong>r Einkünfte, sobald die Gesellschaft als solche<br />
4 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.d.F. <strong>de</strong>r Bekanntmachung v. 2.1.2002, BGBl. I 2002,<br />
42, ber. 2909 und BGBl. I 2003, 738.<br />
5 Vgl. Hutter, a.a.O., § 18 EStG Rz. 8, 70.<br />
6 Vgl. BFH, Beschl. v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751; Urt. v. 14.8.1986 – IV R<br />
131/84, BStBl. II 1987, 60; Beschl. v. 3.5.1993 – GrS 3/92, BStBl. II 1993, 616.<br />
7 Vgl. BFH, Urt. v. 14.4.2005 – XI R 82/03, BStBl. II 2005, 752.<br />
8 Vgl. BFH, Urt. v. 1.8.1996 – VIII R <strong>12</strong>/94, BStBl. II 1997, 272; Urt. v. 16.<strong>12</strong>.1997 –<br />
VIII R 32/90, BStBl. II 1998, 480.<br />
9 Dass dies nicht zwangsläufig so ist, zeigt BFH, Urt. v. 14.4.2005, a.a.O.<br />
10 Vgl. Hutter, a.a.O., § 18 EStG Rz. 6.<br />
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EStG Jg. 20<strong>12</strong> Nr. 4/20<strong>12</strong> § 15<br />
auch Tätigkeiten ausführt, die steuerlich nicht mehr als freiberufliche Tätigkeit<br />
eingeordnet wer<strong>de</strong>n können. Denn nach <strong>de</strong>r sog. Abfärbe- o<strong>de</strong>r Infektionstheorie,<br />
die gesetzlich in § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG kodifiziert ist, gilt die gesamte<br />
Tätigkeit einer Personengesellschaft als gewerbliche Tätigkeit, sobald diese Gesellschaft<br />
auch irgen<strong>de</strong>ine gewerblich zu qualifizieren<strong>de</strong> Betätigung ausführt,<br />
und sei es auch nur durch einen Gesellschafter. 11 Diese Rechtsfolge gilt auch<br />
dann, wenn die Tätigkeiten trennbar sind. <strong>12</strong> Hintergrund dieser Regelung ist<br />
insbeson<strong>de</strong>re die Sicherung <strong>de</strong>s Gewerbesteueraufkommens, aber auch eine<br />
Vereinfachung bei <strong>de</strong>r Gewinnermittlung von Personengesellschaften. 13 Dabei<br />
spielt <strong>de</strong>r Gedanke aus <strong>de</strong>m Gesellschaftsrecht eine Rolle, wonach eine Personengesellschaft<br />
nur eine einheitliche Tätigkeit ausüben könne und diese insgesamt<br />
gewerblich sei, selbst wenn die Voraussetzung nur teilweise erfüllt<br />
wird. 14<br />
Da für eine freiberufliche Tätigkeit die persönliche Arbeitsleistung und Eigenverantwortung<br />
wesentlich sind, wäre <strong>de</strong>ren I<strong>de</strong>al die alleinige persönliche<br />
Dienstleistung. Selbst bei klassischen freien Berufen ist jedoch mittlerweile<br />
die Mithilfe qualifizierter Mitarbeiter oftmals erfor<strong>de</strong>rlich, es stellt sich daher<br />
die Frage, ab wann die Schwelle zur Gewerblichkeit überschritten ist. 15 Nach<br />
Aufgabe <strong>de</strong>r restriktiven Auffassung in <strong>de</strong>r sog. Vervielfältigkeitstheorie durch<br />
das Steuerän<strong>de</strong>rungsgesetz 1960 16 ist ein Angehöriger eines Freien Berufs nunmehr<br />
auch dann noch selbständig tätig, wenn er sich <strong>de</strong>r Mithilfe fachlich<br />
vorgebil<strong>de</strong>ter Arbeitskräfte bedient. Dies allerdings nur unter <strong>de</strong>r Voraussetzung,<br />
dass er aufgrund eigener Fachkompetenz leitend und eigenverantwortlich<br />
tätig wird, § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG. 17 Bei<strong>de</strong> Merkmale haben eine eigen-<br />
11 Vgl. Wehrheim/Brodthage, DStR 2003, 485.<br />
<strong>12</strong> Vgl. BFH, Urt. v. 11.8.1999 – XI R <strong>12</strong>/98, BStBl. II 2000, 229. Völlig untergeordnete<br />
Nebentätigkeiten sollen nach dieser Rechtsprechung nicht mehr zu einer <strong>de</strong>rartigen<br />
Abfärbung führen. Vgl. insgesamt dazu auch Geerling/Ismer, DStR 2005, 1596; Hutter,<br />
a.a.O., § 18 EStG Rz. 84.<br />
13 Vgl. Seer/Drüen, BB 2000, 2176.<br />
14 Vgl. BFH, Urt. v. 13.11.1997 – IV R 67/96, BStBl. II 1998, 254; Güroff in Littmann/<br />
Bitz/Pust, ESt, Kommentar, § 18 Rz. 275.<br />
15 Vgl. Stuhrmann in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, Kommentar, § 18 Rz. B 172.<br />
16 Gesetz zur Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Einkommensteuergesetzes, <strong>de</strong>s Körperschaftsteuergesetzes,<br />
<strong>de</strong>s Gewerbesteuergesetzes und <strong>de</strong>s Wohnungsbau-Prämiengesetzes (Steuerän<strong>de</strong>rungsgesetz<br />
1960) v. 30.7.1960, BGBl. I 1960, 616.<br />
17 Vgl. st. Rechtsprechung <strong>de</strong>s BFH, Urt. v. 29.7.1965 – IV 61/65 U, BStBl. III 1965, 557;<br />
Urt. v. 10.6.1988 – III R 118/85, BStBl. II 1988, 782; Urt. v. 20.<strong>12</strong>.2000 – XI R 8/00,<br />
BStBl. II 2002, 478; Stuhrmann, a.a.O., § 18 Rz. B 173ff.; Wacker in Schmidt, EStG,<br />
Kommentar, 31. Aufl., § 18 Rz. 23.<br />
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§ 15 Nr. 4/20<strong>12</strong> Jg. 20<strong>12</strong> EStG<br />
ständige und sich ergänzen<strong>de</strong> Be<strong>de</strong>utung und müssen in Bezug auf die gesamte<br />
Tätigkeit <strong>de</strong>s Berufsträgers gegeben sein. 18 Bei Vorliegen dieser Voraussetzungen<br />
ist gewährleistet, dass die eigene Tätigkeit <strong>de</strong>s Freiberuflers weiterhin auf<br />
seiner persönlichen Arbeitsleistung beruht. 19 Auf die Tatbestandsmerkmale <strong>de</strong>r<br />
leiten<strong>de</strong>n und eigenverantwortlichen und auf die eigenen Fachkenntnisse gestützten<br />
Tätigkeit kommt es nicht an, wenn <strong>de</strong>r Freiberufler Arbeitskräfte ohne<br />
fachliche Vorbildung mit Aufgaben beschäftigt, die ihren Kenntnissen entsprechen<br />
und von untergeordneter Be<strong>de</strong>utung sind. 20<br />
Nach <strong>de</strong>r Rechtsprechung <strong>de</strong>s BFH 21 liegt eine leiten<strong>de</strong> Tätigkeit dann vor,<br />
wenn <strong>de</strong>r Berufsträger die Grundzüge für die Organisation <strong>de</strong>s Tätigkeitsbereichs<br />
und für die Durchführung <strong>de</strong>r Tätigkeiten festlegt, die Durchführung<br />
<strong>de</strong>r Tätigkeiten überwacht und grundsätzliche Fragen selbst entschei<strong>de</strong>t. Im<br />
Einzelnen gehören hierzu die Organisation <strong>de</strong>s Sach- und Personalbereichs,<br />
Arbeitsplanung und -verteilung, Aufsicht über Mitarbeiter und <strong>de</strong>ren Anleitung<br />
sowie die stichprobenweise Überprüfung <strong>de</strong>r Ergebnisse. Eigenverantwortlich<br />
ist die Tätigkeit, wenn er seine Arbeitskraft in einer Weise einsetzt, die es ihm<br />
tatsächlich ermöglicht, uneingeschränkt die fachliche Verantwortung auch für<br />
die von seinen Mitarbeitern erbrachten Leistungen zu übernehmen. Grundsätzlich<br />
muss die Ausführung je<strong>de</strong>s einzelnen Auftrags in fachlicher Hinsicht<br />
<strong>de</strong>m Berufsträger und nicht seinen qualifizierten Mitarbeitern zuzurechnen sein.<br />
Damit setzt Eigenverantwortlichkeit voraus, dass die Tätigkeit durch <strong>de</strong>n unmittelbaren,<br />
individuellen Einsatz <strong>de</strong>s Berufsträgers geprägt wird. Die Tätigkeit<br />
<strong>de</strong>r Mitarbeiter muss <strong>de</strong>n „Stempel <strong>de</strong>r Persönlichkeit“ <strong>de</strong>s Berufsträgers tragen<br />
18 Vgl. BFH, Urt. v. 25.11.1975 – VIII R 116/74, BStBl. II 1976, 155; Siewert, a.a.O., § 18<br />
Rz. 86.<br />
19 Vgl. Hutter, a.a.O., § 18 EStG Rz. 56.<br />
20 Vgl. BFH, Urt. v. 10.6.1988, a.a.O.; Urt. v. 21.3.1995 – XI R 85/93, BStBl. II 1995, 732;<br />
Urt. v. 8.6.1995 – IV R 80/94, BStBl. II 1995, 776; Güroff, a.a.O., § 18 Rz. 240; Stuhrmann,<br />
a.a.O., § 18 Rz. B 179.<br />
21 Vgl. BFH, Urt. v. 25.10.1963 – IV 373/60 U, BStBl. III 1963, 595; Urt. v. 29.7.1965,<br />
a.a.O.; Urt. v. 11.9.1968 – I R 173/66, BStBl. II 1968, 820; Urt. v. 25.11.1975, a.a.O.;<br />
Beschl. v. 7.10.1987 – X B 54/87, BStBl. II 1988, 17; Urt. v. 20.4.1989 – IV R 299/83,<br />
BStBl. II 1989, 727; Urt. v. 1.2.1990 – IV R 140/88, BStBl. II 1990, 507; Urt. v. 21.3.<br />
1995, a.a.O.; Urt. v. 8.6.1995, a.a.O.; Urt. v. 5.6.1997 – IV R 43/96, BStBl. II 1997, 681;<br />
Urt. v. 30.9.1999 – V R 56/97, BFH/NV 2000, 284; Urt. v. 20.<strong>12</strong>.2000, a.a.O.; Urt. v.<br />
22.1.2004 – IV R 51/01, BStBl. II 2004, 509; Urt. v. 14.3.2007 – XI R 59/05, BFH/NV<br />
2007, 1319.<br />
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EStG Jg. 20<strong>12</strong> Nr. 4/20<strong>12</strong> § 15<br />
(sog. Stempeltheorie). 22 Dessen fehlen<strong>de</strong> Mitarbeit am einzelnen Auftrag muss<br />
auf Ausnahmen, Vertretungsfälle und Routinearbeiten beschränkt bleiben, nur<br />
gelegentliche fachliche Überprüfungen <strong>de</strong>r Mitarbeiter genügen nicht. 23 Vielmehr<br />
ist fachliche Verantwortung <strong>de</strong>s Berufträgers erfor<strong>de</strong>rlich; es ist damit<br />
nicht ausreichend, dass <strong>de</strong>r Arbeitgeber die Verantwortung <strong>de</strong>s Angestellten<br />
bzw. die Haftung gegenüber <strong>de</strong>m Auftraggeber trägt, es wird seine Mitarbeit<br />
verlangt. Dies erfor<strong>de</strong>rt Fachkenntnisse <strong>de</strong>s Berufsträgers, die sich auf <strong>de</strong>n<br />
gesamten Bereich <strong>de</strong>r Berufstätigkeit erstrecken. 24 Die Eigenverantwortlichkeit<br />
tritt in <strong>de</strong>m Maße zurück, in <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r unternehmerische und <strong>de</strong>r organisatorische<br />
Teil <strong>de</strong>r Tätigkeit zunehmen und <strong>de</strong>shalb nicht mehr die eigene Leistung<br />
<strong>de</strong>s Freiberuflers im Vor<strong>de</strong>rgrund steht, son<strong>de</strong>rn die Bereitstellung von einen<br />
wesentlichen Teil <strong>de</strong>r Tätigkeit übernehmen<strong>de</strong>n Arbeitskräften. In solchen Fällen<br />
kann ein Unternehmen zwar nach wie vor weitgehend von <strong>de</strong>r Grün<strong>de</strong>r-<br />
Persönlichkeit geprägt sein, es verselbständigt sich jedoch in wachsen<strong>de</strong>m Umfang,<br />
so dass seine Leistungen als solche <strong>de</strong>s Unternehmens und nicht mehr <strong>de</strong>s<br />
eigentlichen Berufsträgers in Erscheinung treten und damit ein Gewerbebetrieb<br />
vorliegt. 25<br />
Leitend und eigenverantwortlich ist <strong>de</strong>r Freiberufler tätig, wenn er über die<br />
Festlegung <strong>de</strong>r Grundzüge <strong>de</strong>r Organisation und die dienstliche Überwachung<br />
hinaus die Planung und Überwachung <strong>de</strong>r Auftragsbearbeitung übernimmt und<br />
die Kompetenz zur Entscheidung in Zweifelsfällen hat. 26 An die leiten<strong>de</strong> und<br />
eigenverantwortliche Tätigkeit können aber in Abhängigkeit von <strong>de</strong>r Art <strong>de</strong>s<br />
freien Berufs unterschiedliche Inhalte geknüpft, d.h. unterschiedlich hohe An-<br />
22 Die Stempeltheorie wird in <strong>de</strong>r Literatur dahingehend beurteilt, dass sie auf <strong>de</strong>r einen<br />
<strong>Seite</strong> durchaus Spielräume für eine großzügige Beurteilung öffnet, aber gleichzeitig <strong>de</strong>m<br />
Umstand Rechnung trägt, dass <strong>de</strong>r Umfang einer freiberuflichen Praxis nicht beliebig<br />
vergrößert wer<strong>de</strong>n kann, vgl. Güroff, a.a.O., § 18 Rz. 250; Stuhrmann, a.a.O., § 18 Rz. B<br />
188; Brandt, a.a.O., § 18 EStG Rz. 231, 236; Wacker, a.a.O., § 18 Rz. 25f.<br />
23 Vgl. BFH, Urt. v. 25.11.1975, a.a.O.; Urt. v. 7.10.1987, a.a.O.; Urt. v. 20.4.1989, a.a.O.;<br />
Urt. v. 1.2.1990, a.a.O.; Urt. v. 21.3.1995, a.a.O.; Urt. v. 5.6.1997, a.a.O.; Urt. v. 30.9.<br />
1999, a.a.O.; Urt. v. 20.<strong>12</strong>.2000, a.a.O.<br />
24 Vgl. BFH, Urt. v. 4.10.1966 – I 249/63, BStBl. III 1966, 685; Urt. v. 5.<strong>12</strong>.1968 – IV R<br />
<strong>12</strong>5/66, BStBl. II 1969, 165; Urt. v. 6.11.1969 – IV R <strong>12</strong>7/68, BStBl. II 1970, 214; Urt.<br />
v. 13.<strong>12</strong>.1973 – I R 138/71, BStBl. II 1974, 213; Stuhrmann, a.a.O., § 18 Rz. B 181f.<br />
25 Vgl. BFH, Urt. v. <strong>12</strong>.<strong>12</strong>.2001 – XI R 56/00, BStBl. II 2002, 202; Stuhrmann, a.a.O., § 18<br />
Rz. B 183.<br />
26 Vgl. BFH, Urt. v. 1.4.1982 – IV R 130/79, BStBl. II 1982, 589; Urt. v. 15.<strong>12</strong>.2010 – VIII<br />
R 50/09, BStBl. II 2011, 506.<br />
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for<strong>de</strong>rungen gestellt sein. 27 Gera<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Begriff <strong>de</strong>r Eigenverantwortlichkeit ist<br />
nach <strong>de</strong>n jeweiligen beson<strong>de</strong>ren Merkmalen eines Berufszweigs auszulegen.<br />
Dabei ist nicht die Stan<strong>de</strong>sauffassung, son<strong>de</strong>rn die tatsächlich ausgeübte berufstypische<br />
Tätigkeit maßgebend. 28 So ist konkret bei einem Arzt nur dann von<br />
einer eigenverantwortlichen Tätigkeit auszugehen, wenn er – von einfachen<br />
Routinefällen abgesehen – seine Patienten grundsätzlich selbst untersucht,<br />
u.z. zu einer Zeit, zu <strong>de</strong>r diese Untersuchung noch maßgebend für die Behandlung<br />
sein kann. 29 In einer Rechtsanwaltskanzlei kann es zu einer gewerblichen<br />
Infektion <strong>de</strong>r Einkünfte kommen, wenn ein angestellter Rechtsanwalt nach<br />
außen hin und nach <strong>de</strong>r inneren Struktur <strong>de</strong>r Kanzlei/Sozietät in gleicher Weise<br />
wie sein Arbeitgeber tätig ist, also die Mandate überwiegend selbständig und in<br />
eigener Verantwortlichkeit bearbeitet, jedoch bspw. die familienrechtlichen Fälle<br />
betreut, während die Sozien vornehmlich im Han<strong>de</strong>ls und Gesellschaftsrecht<br />
tätig sind. Unter fachlicher Leitung <strong>de</strong>s Arbeitgeberanwalts können <strong>de</strong>m Mitarbeiter<br />
durchaus Arbeitsbereiche zur selbständigen Bearbeitung übertragen<br />
wer<strong>de</strong>n, die Grenze zur Gewerblichkeit wird aber überschritten, sobald sich<br />
<strong>de</strong>r Arbeitgeberanwalt nur noch um beson<strong>de</strong>rs wichtige o<strong>de</strong>r schwierige<br />
Aufgaben selbst kümmert. Für <strong>de</strong>n Arbeitgeberanwalt wird daher geraten,<br />
zur Verhin<strong>de</strong>rung einer gewerblichen Infektion seiner Einkünfte Vorkehrungen<br />
sowohl hinsichtlich <strong>de</strong>r Organisation <strong>de</strong>r Mandatsbearbeitung als auch <strong>de</strong>r<br />
Nachweisdokumentation zu treffen. D.h., die Mandate dürfen nicht am Arbeitgeberanwalt<br />
vorbeilaufen und die Arbeitsorganisation und Teilnahme an <strong>de</strong>r<br />
Bearbeitung <strong>de</strong>r Mandate müssen sich nachweisen lassen. Dies kann bspw.<br />
dadurch umgesetzt wer<strong>de</strong>n, dass die Dokumentation <strong>de</strong>r praktischen Bearbeitung<br />
die allgemeine fachliche Anleitung <strong>de</strong>s angestellten Rechtsanwalts belegt<br />
und in <strong>de</strong>r einzelnen Akte die Einwirkung <strong>de</strong>s Arbeitgeberanwalts auf die Mandantenarbeit<br />
wie<strong>de</strong>rgegeben wird. 30<br />
Sind diese Voraussetzungen nicht eingehalten, hat dies zur Folge, dass eine an<br />
sich als selbständige Tätigkeit einzuordnen<strong>de</strong> freiberufliche Arbeit aus steuerrechtlicher<br />
Sicht nunmehr als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu behan<strong>de</strong>ln ist.<br />
Zu<strong>de</strong>m ist aber auch eine wesentliche Än<strong>de</strong>rung in <strong>de</strong>r Rechtsprechung <strong>de</strong>s BFH<br />
zu verzeichnen: Bislang musste sich die leiten<strong>de</strong> und eigenverantwortliche Tätig-<br />
27 Vgl. BFH, Urt. v. 29.7.1965, a.a.O.; Urt. v. 7.10.1987, a.a.O.; Urt. v. 20.4.1989, a.a.O.;<br />
Beschl. v. 7.7.2005, XI B 227/03, BFH/NV 2006, 55.<br />
28 Vgl. Stuhrmann, a.a.O., § 18 Rz. B 182.<br />
29 Vgl. Güroff, a.a.O., § 18 Rz. 247a.<br />
30 Vgl. Clausen, BRAKMagazin 05/2007, <strong>12</strong>.<br />
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EStG Jg. 20<strong>12</strong> Nr. 4/20<strong>12</strong> § 15<br />
keit auf die Gesamttätigkeit erstrecken. 31 Es genügte nicht, wenn <strong>de</strong>r Berufsträger<br />
seine leiten<strong>de</strong> und eigenverantwortliche Tätigkeit auf einen Teil <strong>de</strong>r Gesamttätigkeit<br />
beschränkt, im Übrigen diese Leitung und Eigenverantwortlichkeit einem<br />
Dritten überträgt o<strong>de</strong>r tatsächlich nicht bewältigen kann. 32 Nach einem Urteil aus<br />
<strong>de</strong>m Jahr 2008, welches allerdings zu einer gemischten Tätigkeit in einem freiberuflichen<br />
Einzelunternehmen mit einem angestellten qualifizierten Mitarbeiter<br />
(Ingenieure) ergangen ist, kommt es nunmehr nicht auf die Gesamttätigkeit an,<br />
son<strong>de</strong>rn allein die Durchführung <strong>de</strong>s jeweiligen Auftrags sei entschei<strong>de</strong>nd. 33 Nach<br />
diesem Urteil wäre aber ggf. eine getrennte Beurteilung anzustellen; es ist theoretisch<br />
<strong>de</strong>nkbar, dass aus Grün<strong>de</strong>n mangeln<strong>de</strong>r Eigenverantwortlichkeit nur<br />
Teile <strong>de</strong>s Unternehmens – u.U. auch nur für einen örtlich abgegrenzten Bereich<br />
– als gewerblich, die übrigen jedoch noch als freiberuflich einzustufen sind. 34<br />
Das VÄndG 35 , mit <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Gesetzgeber Liberalisierungen und Flexibilisierungen<br />
<strong>de</strong>s ärztlichen Berufsrechts umgesetzt hat, ist zum 1.1.2007 in Kraft getreten.<br />
So ist aus zahnärztlicher Sicht die Bildung zahnärztlicher und nicht<br />
ärztlicher Kooperationen, die Anstellung von Zahnärzten und die Bildung<br />
zahnärztlicher Filialen sowie die Gründung Medizinischer Versorgungszentren<br />
(MVZ) ermöglicht bzw. erleichtert wor<strong>de</strong>n. Vertragszahnärzte können nun<br />
beispielsweise grundsätzlich unbeschränkt an<strong>de</strong>re Ärzte mit abgeschlossener<br />
Facharztausbildung anstellen. Der anstellen<strong>de</strong> und <strong>de</strong>r angestellte Arzt müssen<br />
dabei nicht <strong>de</strong>rselben Fachgruppe angehören. Außer<strong>de</strong>m wird es je<strong>de</strong>m zugelassenen<br />
Zahnarzt ermöglicht, neben seinem Vertragszahnarztsitz auch an weiteren<br />
Orten zahnärztlich tätig zu sein, soweit dies die Versorgung <strong>de</strong>r Versicherten<br />
an <strong>de</strong>n weiteren Orten verbessert und die ordnungsgemäße Versorgung <strong>de</strong>r<br />
Versicherten am Ort <strong>de</strong>s Vertragszahnarztsitzes nicht beeinträchtigt wird. Der<br />
Vertragszahnarzt kann die Leistungen an <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Orten insbeson<strong>de</strong>re auch<br />
durch angestellte Zahnärzte erbringen lassen. Aus steuerrechtlicher Sicht können<br />
sich jedoch sowohl bei ärztlichen Kooperationen als auch bei <strong>de</strong>r Anstel-<br />
31 Vgl. BFH, Urt. v. 25.11.1975, a.a.O.; Urt. v. 19.10.1995 – IV R 11/95, BFH/NV 1996,<br />
464.<br />
32 Vgl. Güroff, a.a.O., § 18 Rz. 241.<br />
33 Vgl. BFH, Urt. v. 8.10.2008 – VIII R 53/07, BStBl. II 2009, 143; Siewert, a.a.O., § 18<br />
Rz. 90; Brandt, a.a.O., § 18 EStG Rz. 233.<br />
34 Vgl. hierzu die kritischen Stimmen in <strong>de</strong>r Literatur bei Güroff, a.a.O., § 18 Rz. 240ff.;<br />
Lin<strong>de</strong>nau sieht die Grundaussagen <strong>de</strong>s Urteils auch auf ähnliche Fälle einer ärztlichen<br />
Einzelpraxis als übertragbar an. Die Rechtsprechung könne sich <strong>de</strong>m durch das VÄndG<br />
gewan<strong>de</strong>lten Berufsbild <strong>de</strong>s Arztes kaum verschließen, Anm. v. 1.3.2009, LEXinform<br />
04080 23. S. a. Brandt, StBp 2009, 60.<br />
35 Gesetz zur Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Vertragsarztrechts und an<strong>de</strong>rer Gesetze (Vertragsarztrechtsän<strong>de</strong>rungsgesetz<br />
– VÄndG) v. 22.<strong>12</strong>.2006, BGBl. I 2006, 3439.<br />
42<br />
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§ 15 Nr. 4/20<strong>12</strong> Jg. 20<strong>12</strong> EStG<br />
lung von Ärzten und Zahnärzten unter Umstän<strong>de</strong>n Probleme im Hinblick auf<br />
eine gewerbesteuerliche Infizierung <strong>de</strong>r Einkünfte ergeben. 36<br />
Zum einen stellt sich im vorliegen<strong>de</strong>n Sachverhalt die Frage, ob die für eine<br />
leiten<strong>de</strong> und eigenverantwortliche Tätigkeit erfor<strong>de</strong>rliche Überwachung <strong>de</strong>r<br />
Tätigkeiten eines angestellten Zahnarztes und die Übernahme <strong>de</strong>r fachlichen<br />
Verantwortung auch dann möglich ist, wenn dieser an einem räumlich weiter<br />
entfernten Ort tätig wird. Da die bei<strong>de</strong>n Gesellschafter <strong>de</strong>r hier untersuchten<br />
Gemeinschaftspraxis jeweils an einem Standort vollzeitlich tätig sind und damit<br />
ihre Angestellten vor Ort überwachen können, ist diesbezüglich vorliegend kein<br />
Problem zu erkennen. Schließen sich mehrere Berufsträger zur gemeinsamen<br />
Ausübung <strong>de</strong>r freiberuflichen Tätigkeit zu einer Personengesellschaft zusammen,<br />
so ist es nicht erfor<strong>de</strong>rlich, dass je<strong>de</strong>r von ihnen für <strong>de</strong>n gesamten Tätigkeitsbereich<br />
<strong>de</strong>r Gesellschaft leitend und eigenverantwortlich tätig wird, son<strong>de</strong>rn<br />
es genügt dies im jeweiligen Arbeitsbereich. Sofern ein Gesellschafter diese<br />
Voraussetzungen jedoch nicht erfüllt, kann auch die Tätigkeit <strong>de</strong>r übrigen Gesellschafter<br />
im Rahmen <strong>de</strong>r Gesellschaft nicht mehr als freiberuflich angesehen<br />
wer<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn die gesamte Tätigkeit ist als Gewerbebetrieb einzustufen. 37<br />
Eine weitere Schwierigkeit könnte darin liegen, die Anfor<strong>de</strong>rung an eine leiten<strong>de</strong><br />
und eigenverantwortliche Tätigkeit <strong>de</strong>s Praxisinhabers zu gewährleisten,<br />
wenn <strong>de</strong>r angestellte Arzt einem an<strong>de</strong>ren Fachgebiet angehört. Konkret stellt<br />
sich hier die Frage, ob ein Zahnarzt die zahnärztliche Tätigkeit eines Kieferorthopä<strong>de</strong>n<br />
überwachen und die Verantwortung für seine Tätigkeit übernehmen<br />
kann. Die OFD Frankfurt/M. nimmt hierzu in einer Verfügung zum<br />
Thema <strong>de</strong>r steuerlichen Behandlung neuer Organisationsformen ärztlicher Betätigung<br />
wie folgt Stellung 38 :<br />
„Beschäftigt ein nie<strong>de</strong>rgelassener Arzt einen an<strong>de</strong>ren Arzt, bedient er sich <strong>de</strong>r Mithilfe fachlich<br />
vorgebil<strong>de</strong>ter Mitarbeiter. Der nie<strong>de</strong>rgelassene Arzt erzielt in diesem Fall nur dann Einkünfte aus<br />
freiberuflicher Tätigkeit, wenn er weiterhin leitend und eigenverantwortlich tätig wird. Dies<br />
erfor<strong>de</strong>rt grundsätzlich eine persönliche Teilnahme <strong>de</strong>s arbeitgeben<strong>de</strong>n Arztes an <strong>de</strong>r praktischen<br />
Arbeit <strong>de</strong>s angestellten Arztes in ausreichen<strong>de</strong>m Umfang. Entschei<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r angestellte Arzt<br />
hingegen allein und eigenverantwortlich über die medizinische Versorgung <strong>de</strong>r Patienten, erzielt<br />
<strong>de</strong>r arbeitgeben<strong>de</strong> Arzt grundsätzlich Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 15 Abs. 1 Nr. 1<br />
EStG. Insbeson<strong>de</strong>re bei <strong>de</strong>r Anstellung fachfrem<strong>de</strong>r Ärzte kann von einer Eigenverantwortlichkeit<br />
<strong>de</strong>s Praxisinhabers nicht ausgegangen wer<strong>de</strong>n. Maßgebend für eine endgültige Bestimmung<br />
<strong>de</strong>r Einkunftsart sind jedoch immer die Gesamtumstän<strong>de</strong> <strong>de</strong>s jeweiligen Einzelfalls.“<br />
36 Vgl. Fischer, Dental Magazin 03/2007, 86; Fuhrmann, StB 2007, 207.<br />
37 Vgl. BFH, Urt. v. 20.4.1989, a.a.O.; Siewert, a.a.O., § 18 Rz. 91; Brandt, a.a.O., § 18 EStG<br />
Rz. 231.<br />
38 Vgl. OFD Frankfurt/M., Rundvfg. v. 16.6.2008 – S 2246 A - 33 - St 210, DB 2008,<br />
2109.<br />
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EStG Jg. 20<strong>12</strong> Nr. 4/20<strong>12</strong> § 15<br />
Von Be<strong>de</strong>utung scheint damit für eine Vermeidung einer gewerbesteuerlichen<br />
Infektion <strong>de</strong>r Einkünfte zu sein, dass <strong>de</strong>r Gesellschafter an Standort A die<br />
zukünftigen Patienten <strong>de</strong>r angestellten Kieferorthopädin mit betreut und in<br />
die Behandlung dokumentationsfest involviert ist bzw. diese auch fachlich beaufsichtigt.<br />
Fraglich ist dabei aus berufsrechtlicher und ausbildungstechnischer<br />
Sicht zuerst einmal, ob ein Zahnarzt rein fachlich in <strong>de</strong>r Lage ist, die Arbeit eines<br />
Kieferorthopä<strong>de</strong>n zu beurteilen. Laut Zahnheilkun<strong>de</strong>gesetz 39 ist es einem approbierten<br />
Zahnarzt offensichtlich erlaubt, auch kieferorthopädische Behandlungen<br />
durchzuführen:<br />
§ 1<br />
(1) Wer im Geltungsbereich dieses Gesetzes die Zahnheilkun<strong>de</strong> dauernd ausüben will, bedarf<br />
einer Approbation als Zahnarzt nach Maßgabe dieses Gesetzes. Die Approbation berechtigt<br />
zur Führung <strong>de</strong>r Bezeichnung als „Zahnarzt“ o<strong>de</strong>r „Zahnärztin“. (…)<br />
(3) Ausübung <strong>de</strong>r Zahnheilkun<strong>de</strong> ist die berufsmäßige auf zahnärztlich wissenschaftliche Erkenntnisse<br />
gegrün<strong>de</strong>te Feststellung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten.<br />
Als Krankheit ist je<strong>de</strong> von <strong>de</strong>r Norm abweichen<strong>de</strong> Erscheinung im Bereich <strong>de</strong>r Zähne, <strong>de</strong>s<br />
Mun<strong>de</strong>s und <strong>de</strong>r Kiefer anzusehen, einschließlich <strong>de</strong>r Anomalien <strong>de</strong>r Zahnstellung und <strong>de</strong>s<br />
Fehlens von Zähnen.<br />
Da es sich hierbei jedoch um eine medizinrechtlich vorzunehmen<strong>de</strong> Beurteilung<br />
han<strong>de</strong>lt, können wir nicht abschließend zu <strong>de</strong>r Frage Stellung nehmen, ob ein<br />
Zahnarzt, <strong>de</strong>r keine zusätzliche Qualifikation als Kieferorthopä<strong>de</strong> inne hat,<br />
einen speziell ausgebil<strong>de</strong>ten – unter Umstän<strong>de</strong>n auch in Abhängigkeit von<br />
<strong>de</strong>r Art <strong>de</strong>s Abschlusses – Kieferorthopä<strong>de</strong>n fachlich überwachen kann. Dieser<br />
Punkt sollte daher separat von geeigneter Stelle geprüft wer<strong>de</strong>n.<br />
Bereits vor Einführung <strong>de</strong>s VÄndG haben allerdings auch mehrere Finanzgerichte<br />
im Jahr 2006 zur Frage <strong>de</strong>r Voraussetzungen für eine gewerbliche Infektion<br />
<strong>de</strong>r Einkünfte bei Ärzten Stellung genommen. Das FG Sachsen-Anhalt<br />
hatte in einem Fall geurteilt, in <strong>de</strong>m ein Zahnarzt einen weiteren approbierten<br />
Zahnarzt in seiner Praxis befristet angestellt hatte, dass eine gewerbliche Qualifikation<br />
<strong>de</strong>r zahnärztlichen Tätigkeit durch das Berufsbild begrün<strong>de</strong>t wird,<br />
welches sich vor allem durch die Größe und Organisation <strong>de</strong>r Praxis bestimmt.<br />
Der Praxisinhaber müsse Bezugsperson und Anlaufstelle <strong>de</strong>s Patienten bleiben<br />
und für die medizinische Betreuung immer zur Verfügung stehen, um weiterhin<br />
eigenverantwortlich tätig zu sein. 40<br />
39 Gesetz über die Ausübung <strong>de</strong>r Zahnheilkun<strong>de</strong> (ZHG) v. 31.3.1952, BGBl. I 1952, 221.<br />
40 Vgl. FG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 24.8.2006 – 1 K 30035/02, EFG 2007, 587, rkr. In<br />
diesem Fall sah das Gericht das Bild <strong>de</strong>s selbständig tätigen Zahnarztes weiterhin als<br />
gewahrt an.<br />
44<br />
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§ 15 Nr. 4/20<strong>12</strong> Jg. 20<strong>12</strong> EStG<br />
In einem zeitgleichen Urteil stufte das Gericht eine Praxis für Anästhesiologie<br />
als Gewerbebetrieb ein, weil Arbeiten an mehrere angestellte bzw. freiberuflich<br />
tätige Ärzte <strong>de</strong>legiert wor<strong>de</strong>n sind. Es begrün<strong>de</strong>te seine Auffassung in diesem<br />
Fall damit, dass durch die räumliche Trennung <strong>de</strong>r angestellten o<strong>de</strong>r freiberuflichen<br />
Ärzte keine leiten<strong>de</strong> und eigenverantwortliche Tätigkeit <strong>de</strong>r Praxisinhaber<br />
mehr gegeben war. 41 Eine Entscheidung <strong>de</strong>s FG Münster zeigt, dass es auch<br />
bei hohen Fallzahlen auf die Verhältnisse <strong>de</strong>s Einzelfalls ankommt. Bei einer<br />
pathologischen Gemeinschaftspraxis müsse je<strong>de</strong>r einzelne Auftrag einem <strong>de</strong>r<br />
Gesellschafter-Pathologen noch zurechenbar sein, was sich an <strong>de</strong>r effektiv für<br />
<strong>de</strong>n einzelnen Fall zur Verfügung stehen<strong>de</strong>n Zeit abmessen lasse. 42 Diese Urteile<br />
lassen sich dahingehend zusammenfassen, dass die Zahl <strong>de</strong>r Aufträge o<strong>de</strong>r<br />
Untersuchungen sowie <strong>de</strong>r qualifizierten Mitarbeiter nur eine Indizwirkung<br />
dafür hat, dass eine leiten<strong>de</strong> und eigenverantwortliche Tätigkeit nicht mehr<br />
in ausreichen<strong>de</strong>m Maße entfaltet wer<strong>de</strong>n kann; eine allgemein gültige Grenze<br />
für die Zahl <strong>de</strong>r Aufträge und Mitarbeiter gibt es jedoch nicht, sie richtet sich<br />
nach <strong>de</strong>n jeweiligen Verhältnissen <strong>de</strong>s Einzelfalls. 43 Der BFH 44 hat in mehreren<br />
Urteilen festgestellt, dass ein medizinischer Berufsträger, <strong>de</strong>r sich in größerem<br />
Umfang auf technische Einrichtungen und qualifizierte Mitarbeiter stützt (Laboratoriumsmedizin),<br />
seine Tätigkeit nur dann noch eigenverantwortlich durchführt,<br />
wenn er<br />
• <strong>de</strong>n einzelnen Untersuchungsauftrag nach Inhalt und Fragestellung zur<br />
Kenntnis nimmt,<br />
• die Bearbeitung durch die zuständigen Organisationseinheiten sowie die<br />
Auswahl und Anwendung <strong>de</strong>r Untersuchungsmetho<strong>de</strong> kontrolliert und<br />
• die Plausibilität <strong>de</strong>s Ergebnisses (Befun<strong>de</strong>rhebung und -auswertung) nachprüft.<br />
Die bloße Unterschrift bspw. eines Laborarztes unter <strong>de</strong>n einzelnen Befundbericht<br />
belegt in<strong>de</strong>ssen nicht die konkrete, persönliche Mitwirkung am einzelnen<br />
Auftrag.<br />
41 Vgl. FG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 24.8.2006 – 1 K 982/03, EFG 2006, 1916, rkr.<br />
42 Vgl. FG Münster, Urt. v. 31.5.2006 – 1 K 2819/04 G, EFG 2006, 1913, rkr.<br />
43 Vgl. BFH, Urt. v. 1.2.1990, a.a.O.; Urt. v. 19.10.1995, a.a.O.; Beschl. v. 29.4.2002 – IV B<br />
29/01, BStBl. II 2002, 581; Urt. v. 15.<strong>12</strong>.2010, a.a.O.; BMF, Schr. v. <strong>12</strong>.2.2009 – IV C 6 -<br />
S 2246/08/10001, BStBl. I 2009, 398; Römermann, BB 2000, 2394; Kempermann, FR 1996,<br />
514; Güroff, a.a.O., § 18 Rz. 248a.<br />
44 Vgl. BFH, Urt. v. 7.10.1987, a.a.O.; Urt. v. 1.2.1990, a.a.O.; Urt. v. 27.7.1994 – XI R<br />
53/91, BFH/NV 1995, 1048; Urt. v. 21.3.1995, a.a.O.; Urt. v. 19.10.1995, a.a.O.; s.a.<br />
FG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 24.8.2006 – 1 K 30035/02, a.a.O.<br />
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D. Fazit<br />
Die Anstellung eines Kieferorthopä<strong>de</strong>n in einer zahnärztlichen Gemeinschaftspraxis<br />
führt zur gewerbesteuerlichen Infektion <strong>de</strong>r Einkünfte, sofern nicht<br />
sichergestellt und ausreichend dokumentiert ist, dass die Gesellschafter <strong>de</strong>r<br />
Praxis weiterhin leitend und eigenverantwortlich tätig sind. Die rein medizinische<br />
Beurteilung hinsichtlich <strong>de</strong>r Fähigkeit eines Zahnarztes zur Überwachung<br />
<strong>de</strong>r Tätigkeit eines ausgebil<strong>de</strong>ten Kieferorthopä<strong>de</strong>n sollte zu<strong>de</strong>m<br />
von an<strong>de</strong>rer geeigneter Stelle zusätzlich vorgenommen wer<strong>de</strong>n.<br />
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