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Zur Angemessenheit von Optionspreisen - ESCP Europe

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<strong>ESCP</strong>-EAP Working Paper<br />

Nr. 4<br />

Dezember 2003<br />

<strong>Zur</strong> <strong>Angemessenheit</strong> <strong>von</strong> <strong>Optionspreisen</strong><br />

Ergebnisse einer empirischen Überprüfung<br />

des Black/Scholes-Modells<br />

Ulrich Pape<br />

Andreas Merk<br />

Autoren: Herausgeber:<br />

Prof. Dr. Ulrich Pape <strong>ESCP</strong>-EAP<br />

Dipl.-Kfm. Andreas Merk Europäische Wirtschaftshochschule Berlin<br />

Lehrstuhl für Finanzierung und Heubnerweg 6<br />

Investition 14059 Berlin<br />

<strong>ESCP</strong>-EAP Deutschland<br />

Europäische Wirtschaftshochschule Berlin T: ++49(0)30 / 32007 147<br />

Heubnerweg 6 F: ++49(0)30 / 32007 108<br />

14059 Berlin workingpaper-berlin@escp-eap.net<br />

Deutschland www.escp-eap.de<br />

T: ++49(0)30 / 32007 134<br />

F: ++49(0)30 / 32007 110<br />

upape@escp-eap.net<br />

ISSN 1619-7658


Zusammenfassung: Die kontroverse Diskussion hinsichtlich der Bilanzierung aktienbasierter<br />

Vergütungsregelungen verweist auf die unverändert hohe praktische<br />

Bedeutung der Optionsbewertung. Nach dem Standardentwurf des IASB zur Bilanzierung<br />

aktienbasierter Vergütungen sollen Aktienoptionen erfolgswirksam erfasst<br />

werden, wobei der Wert dieser Optionen mittels anerkannter Optionsbewertungsmodelle<br />

ermittelt werden soll, sofern kein Marktwert existiert. Die Frage nach der <strong>Angemessenheit</strong><br />

der mit Bewertungsmodellen wie dem Black/Scholes-Modell berechneten<br />

Optionspreise ist insofern <strong>von</strong> herausragendem Interesse für die empirische<br />

Kapitalmarktforschung. Probleme beim Vergleich <strong>von</strong> theoretischen <strong>Optionspreisen</strong><br />

mit realisierten Marktpreisen entstanden in der Vergangenheit vor allem aufgrund der<br />

unzureichenden Datenbasis. So nutzen einschlägige empirische Studien überwiegend<br />

Aktien-Schlusskurse, um die theoretischen Optionspreise zu berechnen. Diese<br />

rechnerischen Optionspreise werden den im Laufe des Tages beobachteten <strong>Optionspreisen</strong><br />

gegenübergestellt, die sich allerdings mehrheitlich nicht auf die Aktien-<br />

Schlusskurse beziehen. Folglich kommen die Studien zu widersprüchlichen Ergebnissen.<br />

Angesichts dieser Problematik nutzt die vorliegende Arbeit sekundengenaue<br />

Daten, um die Marktpreise <strong>von</strong> 1.250 Optionsnotierungen der drei liquidesten deutschen<br />

Aktien mit den korrespondierenden theoretischen <strong>Optionspreisen</strong> zu vergleichen.<br />

Nach den Ergebnissen unserer Untersuchung liefert das Black/Scholes-Modell<br />

systematische Fehlbewertungen hinsichtlich Laufzeit und Ausübungspreis. Zusätzlich<br />

gibt es Indizien dafür, dass der deutsche Optionsmarkt nicht vollkommen effizient ist.<br />

Schlüsselwörter: Optionsbewertung, Optionspreistheorie, Black/Scholes-Modell,<br />

Kapitalmarkteffizienz, empirische Kapitalmarktforschung, aktienbasierte Vergütungen,<br />

Bilanzierung <strong>von</strong> Aktienoptionen<br />

Abstract: This study examines whether the underlying assumptions of the Black/<br />

Scholes model to price <strong>Europe</strong>an stock options hold in reality. For this purpose we<br />

calculate the theoretical values of 1,250 options under the Black/Scholes assumptions<br />

and compare them with market prices. The input for calculating the option<br />

prices is most accurate as we attribute each option the exact share price at the very<br />

moment of trading. We find that the Black/Scholes model systematically misprices<br />

options with respect to exercise price and time to maturity. The study also examines<br />

the efficiency of the German option market.<br />

Key Words: Option pricing, Black/Scholes model, efficient capital markets, empirical<br />

capital market research, stock option plans, stock option valuation


III<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

1. Einleitung .................................................................................................... 1<br />

2. Das Black/Scholes-Modell ......................................................................... 2<br />

3. Empirische Studien zum Black/Scholes-Modell...................................... 4<br />

4. Kritische Diskussion der Modellprämissen ............................................. 8<br />

5. Empirische Überprüfung des Black/Scholes-Modells ............................ 9<br />

5.1 Beschreibung der Daten ............................................................................... 9<br />

5.2 Explorative Datenanalyse............................................................................ 11<br />

5.3 Überprüfung der Modellprämissen .............................................................. 12<br />

5.4 Methodik zur Modellüberprüfung................................................................. 13<br />

5.5 Resultate der Modellüberprüfung ................................................................ 14<br />

5.5.1 Wahrscheinlichkeit <strong>von</strong> Fehlbewertungen ........................................ 14<br />

5.5.2 Höhe <strong>von</strong> Fehlbewertungen ............................................................. 16<br />

5.5.3 Statistischer Test der Nullhypothese ................................................ 18<br />

5.5.4 Indizien für die Ineffizienz des Optionsmarktes ................................ 19<br />

5.6 <strong>Zur</strong> Bilanzierung <strong>von</strong> Aktienoptionen nach ED 2......................................... 20<br />

6. Fazit............................................................................................................ 21


IV<br />

Abbildungsverzeichnis<br />

Abbildung 1: Sensitivitätsanalyse des Optionspreises ............................................ 3<br />

Abbildung 2: Einordnung des Black/Scholes-Modells in die Literatur...................... 7<br />

Abbildung 3: Negative Korrelation <strong>von</strong> DAX und Volatilität ..................................... 9<br />

Abbildung 4: Dichtefunktion des DAX.................................................................... 11<br />

Abbildung 5: Quantil-Quantil-Diagramm des DAX................................................. 11<br />

Abbildung 6: Theoretische versus empirische logarithmierte Dichtefunktion<br />

des DAX ........................................................................................... 12<br />

Abbildung 7: Volatilität des DAX............................................................................ 12<br />

Abbildung 8: Abweichungen der rechnerischen Optionspreise <strong>von</strong> den<br />

Marktpreisen..................................................................................... 14<br />

Abbildung 9: Wahrscheinlichkeiten für Über- bzw. Unterbewertungen.................. 15<br />

Abbildung 10: Wahrscheinlichkeit der Überbewertung in Abhängigkeit <strong>von</strong><br />

Laufzeit und Ausübungspreis ........................................................... 16<br />

Abbildung 11: Abweichungen zwischen rechnerischen <strong>Optionspreisen</strong> und<br />

Marktpreisen..................................................................................... 17<br />

Abbildung 12: Höhe der durchschnittlichen Überbewertung in Abhängigkeit <strong>von</strong><br />

Laufzeit und Ausübungspreis ........................................................... 18<br />

Abbildung 13: Unterschiedliche Marktpreise trotz Quasi-Konstanz der Parameter . 19


V<br />

Abkürzungs- und Symbolverzeichnis<br />

C Preis der Call-Option<br />

CAPM Capital Asset Pricing Model<br />

CEV Constant Elasticity of Variance<br />

DAX Deutscher Aktienindex<br />

∆ Delta (Veränderung)<br />

e Basis des natürlichen Logarithmus<br />

ED Exposure Draft<br />

H0<br />

Nullhypothese<br />

H-Statistik Kruskal-Wallis-Test<br />

IASB International Accounting Standards Board<br />

IFRS International Financial Reporting Standards<br />

ln Natürlicher Logarithmus<br />

n Anzahl<br />

N(.) Kumulative Normalverteilungsfunktion (<br />

1<br />

∫ e<br />

−∞<br />

2π<br />

P Wahrscheinlichkeit<br />

p-Wert statistische Signifikanz<br />

r sicherer Anlagezinssatz<br />

ρ Spearman-Pearsonscher Korrelationskoeffizient<br />

S Aktienkurs<br />

σ konstante Volatilität des Aktienkurses<br />

sec. Sekunden<br />

T Laufzeit<br />

U-Statistik Mann-Whitney-Test<br />

WPI Wertpapierinformationssystem<br />

W-Statistik Wilcoxon-Rank-Test<br />

X Ausübungspreis<br />

1<br />

x − y<br />

2<br />

2<br />

dy )


1. Einleitung<br />

- 1 -<br />

Die kontroverse Diskussion hinsichtlich der Bilanzierung aktienbasierter Vergütungsregelungen<br />

verweist auf die unverändert hohe praktische Bedeutung einer korrekten<br />

Optionsbewertung. 1 Der Standardentwurf des IASB zur Bilanzierung aktienbasierter<br />

Vergütungen sieht in diesem Zusammenhang vor, Aktienoptionen erfolgswirksam zu<br />

erfassen, 2 so dass das Bewertungsergebnis einen direkten Einfluss auf die Darstellung<br />

der unternehmerischen Ertragslage hat. Sofern kein Marktwert existiert, soll der<br />

Wert dieser Optionen mit anerkannten Optionsbewertungsmodellen wie beispielsweise<br />

dem Black/Scholes-Modell ermittelt werden. 3 Vor diesem Hintergrund stellt<br />

sich die Frage nach der <strong>Angemessenheit</strong> der mit dem Black/Scholes-Modell ermittelten<br />

theoretischen Optionspreise.<br />

Die Bewertung <strong>von</strong> Optionen ist seit über einhundert Jahren ein zentraler Gegenstand<br />

der Finanzierungsliteratur. Bereits im Jahr 1900 legte Bachelier durch seine<br />

Feststellung, dass der stochastische Prozess <strong>von</strong> Aktienkursen zufällig ist, den<br />

Grundstein für alle folgenden analytischen Modelle. 4 Optionsbewertungsmodelle<br />

können differenziert werden in analytische Modelle (Bachelier (1900), Black/Scholes<br />

(1973)), numerische Modelle (Boyle (1977)), Differenzialmodelle (Schwartz (1977)<br />

und Courtadon (1982)) sowie Binomialmodelle (Cox/Ross/Rubinstein (1979) und<br />

Ho/Lee (1986)). Mittlerweile hat sich das auf Arbitrage-Argumenten aufbauende<br />

Black/Scholes-Modell als Standardverfahren zur Optionsbewertung durchgesetzt. 5<br />

Die große Beliebtheit und weite Verbreitung des Black/Scholes-Modells rühren<br />

daher, dass vier der fünf zur Optionspreisberechnung erforderlichen Variablen<br />

unmittelbar beobachtet werden können – lediglich die zukünftige Standardabweichung<br />

der Aktienkurse muss geschätzt werden. 6 Andererseits erwecken die restriktiven<br />

Prämissen des Black/Scholes-Modells Zweifel an der generellen Eignung des<br />

Modells zur Bewertung <strong>von</strong> Optionen.<br />

Eine empirische Überprüfung des Black/Scholes-Modells kann durch den Vergleich<br />

der theoretischen Optionspreise mit den tatsächlich an der Börse realisierten<br />

<strong>Optionspreisen</strong> erfolgen. Bislang existieren erst relativ wenige empirische Studien zur<br />

Überprüfung des Black/Scholes-Modells (Black/Scholes (1972), MacBeth/Merville<br />

(1980), Beckers (1980), Ball/Torous (1985), Rubinstein (1985)). Daher bestehen –<br />

trotz aller theoretischen Fortschritte – noch erhebliche Lücken hinsichtlich der empirischen<br />

Erkenntnisse zum Black/Scholes-Modell. Problematisch sind beispielsweise<br />

die widersprüchlichen Ergebnisse der bisherigen empirischen Studien, die nicht<br />

1<br />

Vgl. z. B. Döring (2003), S. 8; Kuckelkorn (2003) S. 1; Becker (2003), S. 11; Merk (2003a), S. 8;<br />

Merk (2003b), S. 11 sowie Schildbach (2003), S. 893-898.<br />

2<br />

Siehe IASB (2002a).<br />

3<br />

ED 2.19 anerkennt, dass in der Regel für aktienbasierte Vergütungen keine Marktwerte existieren.<br />

Für die Bestimmung des Optionswertes werden in ED 2.20 explizit das Black-Scholes-Modell sowie<br />

das Binomialmodell genannt. Vgl. IASB (2002a).<br />

4<br />

Vgl. Bachelier (1900), S. 21-86; Bacheliers Formel enthält allerdings auch unrealistische Annahmen<br />

wie beispielsweise die Existenz negativer Aktienkurse.<br />

5<br />

Vgl. Rubinstein (1985), S. 455 sowie IASB (2002b), S. 76.<br />

6<br />

Siehe zu den fünf Variablen Black/Scholes (1973), S. 644; zur Popularität des Modells siehe Black<br />

et al. (1992), S. 21.


- 2 -<br />

zuletzt aus der teilweise unzureichenden Datenbasis dieser Studien resultieren. So<br />

bemängelt Rubinstein beispielsweise die geringe Aussagekraft <strong>von</strong> Untersuchungen,<br />

die theoretische Optionspreise auf Basis <strong>von</strong> Aktien-Schlusskursen berechnen und<br />

diese Optionswerte dann mit variablen <strong>Optionspreisen</strong> vergleichen. 7 Mit Bezug auf<br />

die Daten der vorliegenden Untersuchung lässt sich diese Kritik verdeutlichen: für<br />

einen September-Call (at-the-money) auf die Deutsche Bank ergab sich z. B. am<br />

24.7.2002 um 16:02 Uhr 4 sec. unter Verwendung des zeitgleichen Aktienkurses ein<br />

rechnerischer Optionspreis <strong>von</strong> 4,59 Euro, während der theoretische Optionspreis<br />

auf Schlusskursbasis bei 8,71 Euro lag. Angesichts der teilweise erheblichen innertäglichen<br />

Aktienkurs-Schwankungen greifen wir daher die Kritik <strong>von</strong> Rubinstein auf<br />

und verwenden zur Überprüfung des Black/Scholes-Modells variable, sekundengenaue<br />

Options- und Aktiennotierungen.<br />

2. Das Black/Scholes-Modell<br />

1973 leiteten Fischer Black und Myron Scholes ihre Formel zur Bewertung europäischer<br />

Call-Optionen ab. 8 Das Black/Scholes-Modell basiert auf Arbitrageüberlegungen.<br />

Hierzu wird die zugrunde liegende Aktie gekauft, während gleichzeitig so viele<br />

Call-Optionen verkauft werden, dass das Portfolio <strong>von</strong> Änderungen des Aktienkurses<br />

unabhängig wird (Delta-neutrale Position). 9 Das Duplikationsportfolio ist risikofrei und<br />

besteht ausschließlich aus Zerobonds. Im Marktgleichgewicht kann ein abgesichertes<br />

Portfolio (Hedge) daher keine höhere Rendite generieren als die Verzinsung risikofreier<br />

Anlagen. Folglich muss sich ein Optionspreis ergeben, der den Marktteilnehmern<br />

keine Arbitragemöglichkeit bietet. 10 Nach dem Black/Scholes-Modell errechnet<br />

sich der Optionspreis, der keine Arbitrage zulässt, folgendermaßen:<br />

C<br />

N(.)<br />

E<br />

S<br />

2<br />

⎛<br />

⎞<br />

⎜<br />

⎛ S ⎞ ⎛ σ ⎞<br />

ln⎜<br />

⎟ + ⎜r<br />

+ ⎟T<br />

⎟<br />

⎜ ⎝ X ⎠ ⎝ 2 ⎠ ⎟<br />

C = S⋅N<br />

⎜<br />

⎟ − X⋅<br />

e<br />

⎜<br />

σ T<br />

⎟<br />

⎜<br />

⎟<br />

⎝<br />

⎠<br />

= Preis der Call Option<br />

= kumulative Normalverteilungsfunktion<br />

= Basis des natürlichen Logarithmus<br />

= Aktienkurs<br />

−rT<br />

X<br />

T<br />

r<br />

σ 2<br />

2<br />

⎛<br />

⎞<br />

⎜<br />

⎛ S ⎞ ⎛ σ ⎞<br />

ln⎜<br />

⎟ + ⎜r<br />

− ⎟T<br />

⎟<br />

⎜ ⎝ X ⎠ ⎝ 2 ⎠ ⎟<br />

⋅N<br />

⎜<br />

⎟<br />

⎜<br />

σ T<br />

⎟<br />

⎜<br />

⎟<br />

⎝<br />

⎠<br />

= Ausübungspreis<br />

= Restlaufzeit<br />

= risikoloser Zinssatz<br />

= konstante Varianz des Aktienkurses<br />

7<br />

Vgl. Rubinstein (1985), S. 456f.<br />

8<br />

Vgl. Black/Scholes (1973), S. 637-659.<br />

9<br />

Vgl. Hull (2000), S. 311 und Black/Scholes (1973), S. 641; siehe ähnlich auch Mason in Black et al.<br />

(1992), S. 33.<br />

10<br />

Vgl. Black/Scholes (1972), S. 400; den Beweis, zur Duplizierung der Auszahlungsströme einer<br />

Option mit dem Basiswert und der risikolosen Anlage siehe auch Merton (1973).


- 3 -<br />

Die Höhe des Optionspreises ist <strong>von</strong> den folgenden fünf Variablen abhängig:<br />

1. dem Aktienkurs (S),<br />

2. dem Ausübungspreis (X),<br />

3. der Restlaufzeit (T),<br />

4. dem risikolosen Zinssatz (r) und<br />

5. der Varianz des Aktienkurses (σ 2 ).<br />

Mit Ausnahme der Erwartung des Marktes hinsichtlich der zukünftigen Aktienvolatilität<br />

(σ) während der Laufzeit der Option können die Variablen direkt beobachtet werden.<br />

11 Im Gegensatz zu anderen Bewertungsmodellen wie z. B. dem Capital Asset<br />

Pricing Model (CAPM) üben die Risikoeinstellung des Investors sowie die erwartete<br />

Aktienrendite keinen Einfluss auf den Optionspreis aus, weil die in der Black/Scholes-<br />

Gleichung verwendeten Variablen unabhängig <strong>von</strong> Risikopräferenzen sind. 12 Der<br />

Optionspreis hängt damit lediglich <strong>von</strong> der durchschnittlichen Höhe der Aktienkursschwankungen<br />

(Volatilität) ab, nicht aber <strong>von</strong> der Richtung dieser Schwankungen.<br />

Abbildung 1: Sensitivitätsanalyse des Optionspreises<br />

In Abbildung 1 ist dargestellt, wie stark der rechnerische Optionspreis ceteris paribus<br />

auf die Änderung einer Variablen (∆S, ∆σ, ∆T, ∆r) reagiert. Ausgangspunkt ist eine<br />

11 Vgl. Schmalensee/Trippi (1978), S. 129.<br />

12 Zum CAPM siehe Sharpe (1964), S. 425-442 sowie Lintner (1965), S. 613-637.


- 4 -<br />

Call-Option mit einem Ausübungspreis <strong>von</strong> 65 Euro und einer Restlaufzeit <strong>von</strong> 122<br />

Tagen. Der aktuelle Kurs der zugrunde liegenden Aktie beträgt 50 Euro, die<br />

geschätzte Volatilität des Aktienkurses 58% und der risikofreie Zinssatz 4,0%. Nach<br />

dem Black/Scholes-Modell hat diese Option einen rechnerischen Wert <strong>von</strong> 2,50 Euro.<br />

Der Zinssatz übt nur einen geringen Einfluss auf den Optionspreis aus: In dem vorliegenden<br />

Beispiel sinkt der Optionspreis selbst bei einem Zinssatz <strong>von</strong> 0% nur <strong>von</strong><br />

2,50 Euro auf 2,35 Euro, während der Optionspreis bei einem Zinssatz <strong>von</strong> 10%<br />

lediglich auf 2,74 Euro ansteigt. 13 Bei Änderungen der anderen Variablen reagiert der<br />

Optionspreis demgegenüber deutlich stärker. Allerdings lässt sich die mit der Sensitivitätsanalyse<br />

verbundene Ceteris-paribus-Annahme angesichts der Interdependenzen<br />

zwischen den einzelnen Variablen nicht aufrecht erhalten. So induziert beispielsweise<br />

ein sinkender Aktienkurs (d. h. ceteris paribus ein sinkender Optionspreis) in<br />

der Regel eine höhere Volatilität (d. h. ceteris paribus einen steigenden Optionspreis),<br />

löst also diametral entgegengesetzte Effekte auf den Optionspreis aus.<br />

3. Empirische Studien zum Black/Scholes-Modell<br />

Angesichts der mit den Annahmen des Black/Scholes-Modells verbundenen Anwendungsprobleme<br />

wurde das Modell bereits frühzeitig empirischen Tests unterzogen.<br />

Darüber hinaus finden sich in der einschlägigen Literatur alternative Modelle zur<br />

Optionsbewertung. Die erste empirische Überprüfung erfolgte durch die Begründer<br />

des Modells selbst – noch vor Veröffentlichung ihrer Formel. 14 In ihrer Untersuchung<br />

vergleichen Black/Scholes theoretisch errechnete Optionspreise mit Over-thecounter-<strong>Optionspreisen</strong>.<br />

Als Schätzung für die künftige Volatilität verwenden sie die<br />

historische Volatilität und halten diese ebenso wie den kurzfristigen Zinssatz auf<br />

Basis sechsmonatiger Commercial Papers über die Laufzeit konstant. Ihre Schlussfolgerung<br />

lautet, dass das Black/Scholes-Modell<br />

1. Aktien mit einer hohen (geringen) Volatilität überbewertet (unterbewertet),<br />

2. Out-of-the-money-Optionen unterbewertet bzw. In-the-money-Optionen überbewertet<br />

3. Optionen mit einer Laufzeit <strong>von</strong> weniger als drei Monaten überbewertet.<br />

Die Aussagekraft der Ergebnisse leidet allerdings darunter, dass die Zeitgleichheit<br />

<strong>von</strong> Optionspreis und zugeordnetem Aktienkurs nicht gewährleistet ist. Black/Scholes<br />

vergleichen die Optionspreise eines Händlerbuches mit den Schlusskursen der<br />

zugrunde liegenden Aktien, obwohl sich die Over-the-counter-Optionspreise nicht<br />

zwingend auf die Aktien-Schlusskurse beziehen. 15<br />

13 Siehe auch Cox/Ross (1976), S. 145-166 sowie MacBeth/Merville (1979), S. 1174.<br />

14 Vgl. Black/Scholes (1972), S. 399-417 sowie Black (1975), S. 36-72.<br />

15 Diese Problematik wird erstmals <strong>von</strong> Rubinstein (1985) thematisiert.


- 5 -<br />

Im Vergleich zu Black/Scholes gelangen MacBeth/Merville zu diametral entgegengesetzten<br />

Ergebnissen. 16 Sie schlussfolgern, dass<br />

1. das Black/Scholes-Modell In-the-money-Optionen unterbewertet und Out-of-themoney-Optionen<br />

überbewertet 17 , und dass<br />

2. die Unterbewertung (Überbewertung) umso größer ausfällt, je mehr die Option inthe-money<br />

(out-of-the-money) liegt. Mit Verkürzung der Restlaufzeit nimmt die<br />

Fehlbewertung ab. Von dieser Gesetzmäßigkeit ausgenommen sind In-themoney-Optionen<br />

mit weniger als 90 Tagen Restlaufzeit.<br />

MacBeth/Merville berücksichtigen in ihrer Untersuchung Dividenden und aktualisieren<br />

darüber hinaus den risikofreien Zinssatz wöchentlich, wobei die Autoren jedoch<br />

konzedieren, dass die wöchentliche Aktualisierung des Zinssatzes aufgrund der<br />

geringen Sensitivität für die Höhe des Optionspreises nicht erforderlich gewesen<br />

wäre. In jedem Fall leidet die Studie <strong>von</strong> MacBeth/Merville ebenso wie diejenige <strong>von</strong><br />

Black/Scholes unter der Verwendung <strong>von</strong> Aktien-Schlusskursen. Da die Mac-<br />

Beth/Merville-Studie Optionen auf lediglich sechs verschiedene Aktien einbezieht,<br />

kritisiert Beckers deren fehlende Repräsentativität. 18 Hierzu bemerkt Rubinstein<br />

jedoch, dass ohnehin nahezu alle Aktien die gleichen Resultate hervorbringen, so<br />

dass die Repräsentativität auch mit sechs Aktien gewährleistet sei. 19<br />

In einem Vergleich des Black/Scholes-Modells mit dem Modell <strong>von</strong> Merton (1976)<br />

stellen Ball/Torous fest, dass die Abweichungen zwischen beiden Modellen für Outof-the-money-Optionen<br />

am größten und für In-the-money-Optionen am geringsten<br />

sind. 20 In einer weiteren Studie kommt Beckers (1980) zu dem Ergebnis, dass das<br />

Black/Scholes-Modell In-the-money-Optionen niedriger bewertet als das <strong>von</strong><br />

Cox/Ross (1976) entwickelte Constant-Elasticity-of-Variance-Modell (CEV-Modell),<br />

während Out-of-the-money-Optionen höher bewertet werden als im CEV-Modell. 21<br />

Das CEV-Modell modifiziert die Volatilität durch eine zum Aktienkurs inverse Funktion,<br />

so dass die Volatilität mit steigendem Aktienkurs sinkt und mit sinkendem<br />

Aktienkurs steigt. 22 Somit trägt das CEV-Modell der empirisch belegten negativen<br />

Korrelation zwischen Aktienkurs und Volatilität Rechnung. 23<br />

Die Studie <strong>von</strong> Rubinstein (1985) geht in Umfang und Datenpräzision erheblich über<br />

die vorangegangenen Arbeiten hinaus. Als erste Untersuchung ordnet Rubinstein<br />

den beobachteten <strong>Optionspreisen</strong> exakt zeitgleiche Aktienkurse zu. Da sich die beiden<br />

für die Überprüfung der rechnerischen Optionspreise notwendigen Kursdaten auf<br />

den gleichen Zeitpunkt beziehen, wird das Black/Scholes-Modell durch Rubinstein<br />

erstmals auf Basis vergleichbarer Daten überprüft. Die Ergebnisse werden mittels<br />

16 Vgl. MacBeth/Merville (1979), S. 1173-1186.<br />

17 Vgl. MacBeth/Merville (1980), S. 287.<br />

18 Vgl. Beckers (1980), S. 669.<br />

19 Vgl. Rubinstein (1985), S. 478.<br />

20 Vgl. Ball/Torous (1985), S. 171.<br />

21 Vgl. Beckers (1980), S. 670.<br />

22 Vgl. Cox und Ross (1976), S. 145-166. Das CEV-Modell definiert die Varianz der prozentualen<br />

Aktienkursveränderung als:<br />

2<br />

σ<br />

2−α<br />

23 Vgl. z. B. MacBeth/Merville (1980), S. 299.<br />

S<br />

.


- 6 -<br />

nichtparametrischer Tests ausgewertet. Rubinstein kommt zu dem Ergebnis, dass<br />

das Black/Scholes-Modell Out-of-the-money-Optionen mit kurzer Laufzeit relativ zu<br />

At-the-money-Optionen mit mittlerer Laufzeit überbewertet. 24<br />

Latané/Rendleman (1976) sehen schließlich einen möglichen Grund für die Abweichungen<br />

zwischen theoretischen und tatsächlichen <strong>Optionspreisen</strong> in der unterschiedlichen<br />

Bedeutung der Volatilität für verschiedene Ausübungspreise. Wenn die<br />

Prämissen des Black/Scholes-Modells erfüllt und der Optionsmarkt effizient wäre,<br />

würden sämtliche Optionen auf eine bestimmte Aktie mit der gleichen monatlichen<br />

Standardabweichung bewertet. Dies ist jedoch selbst in einem annähernd effizienten<br />

Markt nicht wahrscheinlich, 25 da verschiedene Optionen in unterschiedlichem Maße<br />

<strong>von</strong> der exakten Spezifizierung der Standardabweichung abhängig sind. Bei Optionen,<br />

die tief im Geld liegen und nur noch eine geringe Restlaufzeit haben, spielt die<br />

Höhe der Standardabweichung kaum eine Rolle, da die Ausübung praktisch sicher<br />

ist. Für die Bewertung <strong>von</strong> Optionen, bei denen die Ausübung sehr unsicher ist, ist<br />

die exakte Höhe der Standardabweichung jedoch <strong>von</strong> großer Bedeutung.<br />

Die nachfolgende Abbildung 2 gibt einen Überblick über die Literatur zur empirischen<br />

Überprüfung des Black/Scholes-Modells sowie zu alternativen Optionspreismodellen.<br />

26<br />

24 Vgl. Rubinstein (1985), S. 455.<br />

25 Vgl. Latané/Rendleman (1976), S. 371.<br />

26 An dieser Stelle werden nur die analytischen Modelle betrachtet und keine eigenständigen numerischen<br />

Modelle wie die Monte-Carlo-Simulation (Boyle (1977)), Differenzialmodelle (Schwartz (1977)<br />

und Courtadon (1982)) oder Binomialmodelle (Cox/Ross/Rubinstein (1979) und Ho/Lee (1986)).


Zeit<br />

1990<br />

1985<br />

1982<br />

1980<br />

1976<br />

1973<br />

1900<br />

Analytische Modelle und<br />

wesentliche Verbesserungen<br />

Jarrow/Rudd (1982)<br />

Einführung <strong>von</strong> Korrekturfaktoren zur Behebung<br />

<strong>von</strong> Schiefe und Kurtosis der wahren Aktienkursveränderung<br />

Cox/Ross (1976)<br />

Konstantes Varianzelastizitätsmodell: Die<br />

Varianz ist selbst ein stochastischer Prozess<br />

Folge: Berücksichtigung der negativen<br />

Korrelation zwischen Aktienkurs und Volatilität;<br />

indirekte Kritik an konstanter Volatilität im<br />

Black/Scholes Modell<br />

Black/Scholes (1973)<br />

Optionspreis in Abhängigkeit <strong>von</strong> fünf Variablen<br />

Risikoeinstellung <strong>von</strong> Investoren ohne<br />

Bedeutung<br />

Restriktive Annahmen, insbesondere Log-<br />

Normalverteilung und konstante Volatilität<br />

Bachelier (1900)<br />

Stochastischer Prozess <strong>von</strong> Aktienkursen<br />

Aktueller Preis ist beste Schätzung für<br />

künftigen Aktienkurs<br />

Theoretische und empirische Untersuchungen<br />

zum Black/Scholes-Modell<br />

Black (1990)<br />

Stärkere Gewichtung aktueller Volatilitäten<br />

Problem: Kompromiss zwischen historischer<br />

Datenlänge und Relevanz neuerer Volatilitäten<br />

Beckers (1980)<br />

Unterbewertung <strong>von</strong> In-the-money-Optionen<br />

durch Black/Scholes relativ zum CEV-Modell<br />

Überbewertung <strong>von</strong> Out-of-the-money-Optionen<br />

durch Black/Scholes relativ zum CEV-Modell<br />

MacBeth/Merville (1979)<br />

Unterbewertung <strong>von</strong> In-the-money-Optionen<br />

durch Black/Scholes<br />

Überbewertung <strong>von</strong> Out-of-the-money-Optionen<br />

durch Black/Scholes<br />

Problem: Weiterhin restriktive Annahmen;<br />

Studie auf Schlusskursbasis <strong>von</strong> sechs Aktien<br />

Ingersoll (1976)<br />

Einführung <strong>von</strong> Dividendensteuern<br />

Folge: relative Verteuerung <strong>von</strong> Optionen<br />

Merton (1976); auch Ball/Torous (1985)<br />

Sprünge in Aktienkursen: implizite Kritik an der<br />

Black/Scholes Annahme der Stetigkeit<br />

Dividenden vermindern Wert der Option<br />

Merton (1973)<br />

Stochastischer Prozess <strong>von</strong> Zinsen<br />

Abbildung 2: Einordnung des Black/Scholes-Modells in die Literatur<br />

Rubinstein (1985)<br />

Verwendung variabler Aktienkurse und explizite<br />

Kritik an bisherigen empirischen Studien wegen<br />

unpräzisen Dateninputs<br />

MacBeth/Merville (1980)<br />

Negative Korrelation zwischen Aktienkurs und<br />

Volatilität infolge technologischer Verbesserungen<br />

und Mergers & Acquisitions<br />

Implizite Volatilität variiert systematisch für Unterschiede<br />

in Restlaufzeit und Ausübungspreis<br />

Problem: Geringer Datenumfang<br />

Latané/Rendleman (1976)<br />

Berechnung der impliziten Volatilität statt<br />

Schätzung aus historischen Daten<br />

Problem: Verwendung <strong>von</strong> Schlusskursen<br />

Merton (1976)<br />

Unterbewertung aller nicht At-the-money-<br />

Optionen durch Black/Scholes<br />

Black (1975)<br />

Unterbewertung <strong>von</strong> Out-of-the-money-<br />

Optionen durch Black/Scholes<br />

Überbewertung <strong>von</strong> In-the-money-Optionen<br />

durch Black/Scholes<br />

Symbolbedeutung:<br />

Widerspruch<br />

Kritik an<br />

(Pfeilspitze)


- 8 -<br />

4. Kritische Diskussion der Modellprämissen<br />

<strong>Zur</strong> Herleitung ihres Optionsbewertungsmodells treffen Black/Scholes die folgenden<br />

Annahmen: 27<br />

1. Kapitalaufnahme zum risikofreien Zinssatz, der über die Laufzeit der Option<br />

konstant bleibt,<br />

2. keine Dividendenzahlungen,<br />

3. keine Steuern,<br />

4. keine Transaktionskosten,<br />

5. Möglichkeit des Leerverkaufs,<br />

6. konstante Volatilität des Aktienkurses sowie<br />

7. zufälliger und stetiger log-normaler Verlauf des Aktienkurses.<br />

Angesichts der sehr geringen Sensitivität des Optionspreises auf die Höhe des Zinssatzes<br />

ist Annahme (1) unbedenklich. 28 Annahme (2) kann relativ unproblematisch<br />

aufgehoben werden, indem die während der Laufzeit fälligen Dividenden in die<br />

Bewertungsformel einbezogen werden. 29 Entsprechendes gilt für Annahme (3), da<br />

sich auch Steuern in die Black/Scholes-Formel integrieren lassen. 30 Durch Integration<br />

<strong>von</strong> Transaktionskosten kann Annahme (4) ebenfalls aufgehoben werden.<br />

Schließlich lässt sich nach der Modifikation <strong>von</strong> Merton (1976) auch ein unstetiger<br />

Verlauf des Aktienkurses in das Modell integrieren. 31 Sieht man <strong>von</strong> der für das rechnerische<br />

Ergebnis nicht relevanten Annahme (5) ab, so verbleiben die konstante<br />

Volatilität und der log-normale Verlauf der Aktienkurse als restriktive Annahmen des<br />

Modells.<br />

Die Annahme der bekannten und konstanten Volatilität ist problematisch, da die<br />

zukünftige Volatilität der Aktie zum Bewertungszeitpunkt nicht bekannt ist und da<br />

zudem die Volatilität während der Restlaufzeit regelmäßig auch nicht konstant ist.<br />

Nach empirischen Erkenntnissen ist die Volatilität vielmehr negativ mit dem Aktienkurs<br />

korreliert (siehe beispielhaft Abbildung 3). 32<br />

27<br />

Vgl. Black/Scholes (1973), S. 640.<br />

28<br />

Vgl. Cox/Ross (1976), S. 145-166 sowie MacBeth/Merville (1979), S. 1174.<br />

29<br />

Vgl. Merton (1973), S. 141-183.<br />

30<br />

Vgl. Ingersoll (1976), S. 83-123.<br />

31<br />

Vgl. Merton (1976), S. 125-144.<br />

32<br />

Diesen Zusammenhang berücksichtigen Cox/Ross (1976) in ihrem CEV-Modell; siehe auch<br />

MacBeth/Merville (1980), S. 299.


- 9 -<br />

Abbildung 3: Negative Korrelation <strong>von</strong> DAX und Volatilität<br />

ρ1.1.02-31.10.02 = -96,9%<br />

n = 214 Handelstage<br />

Abbildung 3 illustriert die negative Korrelation <strong>von</strong> Aktienkurs und Volatilität im Zeitraum<br />

Januar bis Oktober 2002. 33 Die Berechnung des Spearman-Pearsonschen Korrelationskoeffizienten<br />

(ρ) über zwei verschiedene Zeiträume ergibt zudem, dass die<br />

Korrelation nicht konstant ist. Im Zeitraum Januar bis Oktober 2002 war die negative<br />

Korrelation mit -0,97 fast perfekt (vgl. Grafik), während die Korrelation im Zeitraum<br />

Oktober 1998 bis Oktober 2002 bei nur -0,70 lag.<br />

Um auf die Annahme der konstanten Volatilität verzichten zu können, haben<br />

Cox/Ross (1976), Geske (1979) und Rubinstein (1983) jeweils konkurrierende Alternativen<br />

vorgeschlagen. 34 Die weiterhin verbleibende restriktive Annahme der lognormalen<br />

Verteilung der Aktienkurse versuchen Jarrow/Rudd (1982) durch Erweiterung<br />

der Formel um Korrekturfaktoren aufzuheben. 35<br />

5. Empirische Überprüfung des Black/Scholes-Modells<br />

Die beiden problematischen Modellprämissen sind die Annahmen der konstanten<br />

Volatilität sowie der log-normalen Verteilung der Aktienkurse. Nachfolgend soll daher<br />

untersucht werden, ob diese beiden Annahmen zu restriktiv sind, um das<br />

Black/Scholes-Modell sinnvoll zur Bewertung <strong>von</strong> Optionen anwenden zu können.<br />

5.1 Beschreibung der Daten<br />

Eine wesentliche Schwäche bisheriger empirischer Studien zur Überprüfung des<br />

Black/Scholes-Modells (z. B. MacBeth/Merville (1979), MacBeth/Merville (1980),<br />

Beckers (1980)) liegt in der Verwendung <strong>von</strong> Schlusskursdaten. MacBeth/Merville<br />

(1980) entnehmen sowohl die Optionspreise als auch die Aktienkurse für ihre Studie<br />

33 Quelle: Deutsche Börse AG; eigene Berechnungen.<br />

34 Vgl. Cox/Ross (1976), S. 145-166; Geske (1979), S. 63-81 bzw. Rubinstein (1983), S. 213-217.<br />

35 Vgl. Jarrow/Rudd (1982), S. 347-369.


- 10 -<br />

dem Wall Street Journal. Beckers (1980) gibt für die <strong>von</strong> ihm verwendeten Daten<br />

keine Quelle an. 36<br />

Optionspreise beziehen sich jedoch nicht zwingend auf den Schlusskurs der<br />

zugrunde liegenden Aktie, denn Optionen werden ebenso wie Aktien kontinuierlich<br />

gehandelt und Optionspreise sowie Aktienkurse ändern sich fortlaufend. 37 Die Verwendung<br />

<strong>von</strong> Aktien-Schlusskursen zur Berechnung des theoretischen Optionspreises<br />

stellt eine häufig vernachlässigte Fehlerquelle empirischer Studien zur Optionsbewertung<br />

dar. Entsprechend bemängelt auch Rubinstein die Verwendung nicht<br />

korrespondierender Daten: „Most empirical work designed to test [the Black/Scholes<br />

model] has suffered from a number of deficiencies including (…) severe limitations<br />

created by use of closing option and stock prices (…).” 38 Black bezieht sich ebenfalls<br />

auf die Bedeutung variabler Options- bzw. Aktiennotierungen, wenn er als Fehlerquelle<br />

bei der Überprüfung des Black/Scholes-Modells angibt: „The stock price may<br />

be observed at a different time from the option price.“ 39 Basieren dagegen sowohl<br />

Aktienkurse als auch Optionspreise auf variablen Notierungen, kann jeder Option<br />

genau der zeitlich passende Aktienkurs zugeordnet werden. Bei der ausschließlichen<br />

Verwendung <strong>von</strong> Aktien-Schlusskursen wird demgegenüber die tatsächliche Volatilität,<br />

die sich aufgrund der innertäglichen Wertschwankungen ergibt, nicht berücksichtigt<br />

und damit vermutlich unterschätzt. Somit wird das Ziel konterkariert, das<br />

Black/Scholes-Modell auf Validität zu überprüfen.<br />

In der vorliegenden Studie werden die Preise <strong>von</strong> 1.250 Call-Optionen auf die Aktien<br />

<strong>von</strong> Deutscher Telekom, Siemens und Deutscher Bank analysiert. Diese drei Werte<br />

haben einen Anteil <strong>von</strong> 30% am Deutschen Aktienindex (DAX), der die 30 bedeutendsten<br />

und umsatzstärksten deutschen Aktien umfasst und ca. 70% der gesamten<br />

Marktkapitalisierung inländischer börsennotierter Gesellschaften repräsentiert. 40 Die<br />

drei untersuchten Aktienwerte machen damit rund ein Fünftel der Marktkapitalisierung<br />

sämtlicher inländischen börsennotierten Gesellschaften aus. Der Untersuchungszeitraum<br />

läuft vom 2. September bis 30. September 2002. In diesem Zeitraum<br />

wurden bei Siemens 285, bei der Deutschen Telekom 451 und bei der Deutschen<br />

Bank 514 Optionspreise analysiert. Insgesamt wurden somit die rechnerischen<br />

Preise zu 1.250 Optionsnotierungen berechnet und mit den tatsächlich am Markt<br />

zustande gekommenen <strong>Optionspreisen</strong> verglichen.<br />

Um das zeitliche Auseinanderfallen <strong>von</strong> Optionspreis und Aktienkurs zu vermeiden,<br />

werden sekundengenaue Aktien- und Optionsnotierungen verwendet, wobei jeder<br />

Option der jeweils passende Aktienkurs zugeordnet wird. Sowohl die Optionsnotierungen<br />

als auch die Aktienkurse stammen <strong>von</strong> der Deutschen Börse. Die variablen<br />

Aktienkurse auf Xetra wurden über das Wertpapierinformationssystem (WPI) der<br />

Börsen-Zeitung bezogen. Je nach Aktie und Handelsvolumen handelt es sich um ca.<br />

5.000 bis 10.000 tägliche Kursnotierungen.<br />

36 Vgl. MacBeth/Merville (1980), S. 287 sowie Beckers (1980), S. 663.<br />

37 Vgl. Rubinstein (1985), S. 456f.<br />

38 Rubinstein (1985), S. 456.<br />

39 Black et al. (1992), S. 51.<br />

40 Vgl. Deutsche Börse (2002), S. 3.


5.2 Explorative Datenanalyse<br />

- 11 -<br />

Für die Anwendung der korrekten Testverfahren ist es notwendig, die Eigenschaft<br />

der zu untersuchenden Daten zu kennen, weil klassische Methoden der inferenziellen<br />

Statistik auf den Annahmen beruhen, dass die Daten<br />

1. normalverteilt,<br />

2. seriell unkorreliert sind und<br />

3. keine Ausreißer haben.<br />

Einige ungewöhnlich hohe Aktienkurse im Zeitraum 2.1.1997 bis 31.10.2002 führen<br />

zu einer leicht rechtsschiefen Dichtefunktion des DAX. Die Verteilung ist bimodal und<br />

platykurtisch und entspricht nicht annähernd einer Normalverteilung (siehe Abbildung<br />

4).<br />

0.0004<br />

0.0003<br />

0.0002<br />

0.0001<br />

0.0<br />

0.0000<br />

2000 4000 6000 8000<br />

2000 4000 Dax-Stand (Xetra-Schlusskurse)<br />

6000 8000<br />

µ-2σ µ-σ µ µ+σ µ+2σ<br />

Dax-Stand<br />

8000<br />

6000<br />

4000<br />

2000<br />

-4 -2 0 2 4<br />

Normalverteilung<br />

Abbildung 4: Dichtefunktion des DAX Abbildung 5: Quantil-Quantil-Diagramm<br />

des DAX<br />

Das Quantil-Quantil-Diagramm für den Zeitraum vom 2.1.1997 bis 31.10.2002 verläuft<br />

insbesondere wegen der Baisse an den Aktienmärkten, in deren Folge der DAX<br />

am 9.10.2002 mit 2.519 Punkten ein Sechs-Jahrestief erreichte, nicht linear auf der<br />

Winkelhalbierenden. Die starken Abweichungen <strong>von</strong> der Winkelhalbierenden im<br />

untersuchten Zeitraum lassen den Schluss zu, dass die empirische Verteilung nicht<br />

normalverteilt ist und dass Ausreißer auftreten (vgl. Abbildung 5). Auch nach der<br />

Value-at-Risk-Methode treten Extremwerte (über 4,16%) signifikant häufiger auf, als<br />

es nach der Normalverteilungshypothese der Fall sein dürfte.<br />

Der Autokorrelationskoeffizient erster Ordnung liegt bei 0,51%, während auf dem<br />

95%-Konfidenzniveau serielle Korrelation erst bei 5,21% vorläge. Das heißt, die<br />

Kursveränderungen erfolgen nicht nach einem systematischen Muster, sondern sind<br />

<strong>von</strong>einander unabhängig.<br />

Als Ergebnis der explorativen Datenanalyse kann festgehalten werden, dass auf die<br />

vorliegenden Daten keine parametrischen Verfahren angewendet werden können, da<br />

die Normalverteilungshypothese abgelehnt wird und darüber hinaus Ausreißer auftreten.


- 12 -<br />

5.3 Überprüfung der Modellprämissen<br />

Es wurde bereits gezeigt, dass das Black/Scholes-Modell auf die Aufhebung der<br />

Annahmen hinsichtlich Zinssatz, Dividende, Steuern und Transaktionskosten robust<br />

reagiert. Als problematische Modellprämissen verbleiben daher die Annahmen der<br />

log-normalen Aktienkursverteilung sowie der konstanten Volatilität. Aus diesem<br />

Grund wird nachfolgend überprüft, ob diese Annahmen so stark <strong>von</strong> der Realität<br />

abweichen, dass das Black/Scholes-Modell nicht mehr sinnvoll angewendet werden<br />

kann.<br />

Die <strong>von</strong> Black/Scholes angenommene Normalverteilung <strong>von</strong> Aktienkursveränderungen<br />

stützt sich auf eine lange Tradition in der Finanzierungsliteratur, deren Ursprung<br />

man Bachelier zuschreiben kann. 41 Wie Abbildung 6 allerdings zeigt, folgen die logarithmierten<br />

Aktienkurse im Zeitraum 2.1.1997 bis 31.10.2002 nicht annähernd einer<br />

Log-Normalverteilung. Marktteilnehmer, die Optionen mit dem Black/Scholes-Modell<br />

bewerten, unterschätzen offensichtlich die Häufigkeit extremer Wertänderungen.<br />

Abbildung 6: Theoretische versus empirische<br />

logarithmierte Dichtefunktion des DAX<br />

Abbildung 7: Volatilität des DAX<br />

Die Annahme einer konstanten Volatilität erscheint für den Zeitraum vom 2.1.1997<br />

bis 31.10.2002 aufgrund der hohen Schwankungen zweifelhaft (siehe Abbildung 7)<br />

und wird in der H-Statistik auf dem 99%-Konfidenzniveau abgelehnt. Die Volatilität ist<br />

für keinen Sechsmonatszeitraum innerhalb dieser Periode konstant. Die Modellprämissen<br />

der konstanten Volatilität sowie der log-normalen Aktienkursverteilung müssen<br />

aufgrund der empirischen Ergebnisse als problematisch angesehen werden.<br />

41 Vgl. Bachelier (1900), S. 21-86.


5.4 Methodik zur Modellüberprüfung<br />

- 13 -<br />

In der vorliegenden Untersuchung werden theoretische Optionspreise nach dem<br />

Black/Scholes-Modell berechnet und mit den korrespondierenden Marktpreisen verglichen,<br />

um eventuell vorhandene Fehlbewertungen aufzudecken. Grundsätzlich entspricht<br />

die Methodik derjenigen <strong>von</strong> Black/Scholes (1972). 42 Im Unterschied zu<br />

Black/Scholes verwendet die vorliegende Studie allerdings zeitgleiche Daten. Damit<br />

wird dem beobachteten Optionspreis die Aktiennotierung zugeordnet, die sich exakt<br />

zum Zeitpunkt der Feststellung des Optionspreises ergeben hat. 43 Die zukünftige<br />

Volatilität der Aktie wird aus den Kursbewegungen der vorangegangenen 30 Handelstage<br />

abgeleitet.<br />

In Anlehnung an Rubinstein (1985) werden die Optionen in drei Laufzeitkategorien<br />

unterteilt: 44<br />

1. kurze Laufzeit (T ≤ 120 Tage)<br />

2. mittlere Laufzeit (121 ≤ T ≤ 221 Tage)<br />

3. lange Laufzeit (> 221 Tage)<br />

Hinsichtlich des Ausübungspreises wurden die Optionen ebenfalls in drei verschiedene<br />

Kategorien eingeteilt (Ausübungspreis im Verhältnis zum Aktienkurs):<br />

1. out-of-the money (< 95%)<br />

2. at-the-money (95-105%)<br />

3. in-the-money (> 105%)<br />

Aus der Kombination der unterschiedlichen Laufzeiten mit den verschiedenen Ausübungspreisen<br />

ergeben sich neun unterschiedliche Datenreihen, anhand derer überprüft<br />

wird, ob es zu systematischen Abweichungen zwischen den theoretischen<br />

<strong>Optionspreisen</strong> und den korrespondierenden Marktpreisen kommt.<br />

42 Vgl. Black/Scholes (1972), S. 399-417.<br />

43 Auch Rubinstein (1985) nimmt eine vergleichbare sekundengenaue Zuordnung vor.<br />

44 Vgl. Rubinstein (1985), S. 466.


5.5 Resultate der Modellüberprüfung<br />

- 14 -<br />

5.5.1 Wahrscheinlichkeit <strong>von</strong> Fehlbewertungen<br />

Die Überprüfung des Black/Scholes-Modells fördert für die untersuchten Aktien systematische<br />

Preisabweichungen zu Tage. 45 Für die 1.250 untersuchten Optionsnotierungen<br />

wurden die prozentualen Abweichungen der mit dem Black/Scholes-Modell<br />

errechneten theoretischen Optionspreise <strong>von</strong> den tatsächlichen <strong>Optionspreisen</strong><br />

ermittelt und hinsichtlich Ausübungspreis und Laufzeit systematisiert (siehe<br />

Abbildung 8).<br />

Kurze Laufzeit<br />

Minimum<br />

Maximum<br />

Mittelwert<br />

Median<br />

Standardabweichung<br />

Mittlere Laufzeit<br />

Minimum<br />

Maximum<br />

Mittelwert<br />

Median<br />

Standardabweichung<br />

Lange Laufzeit<br />

Minimum<br />

Maximum<br />

Mittelwert<br />

Median<br />

Standardabweichung<br />

In-the-money At-the-money Out-of-the-money<br />

187 Optionen<br />

-15,68%<br />

26,77%<br />

3,49%<br />

0,88%<br />

8,59%<br />

30 Optionen<br />

-13,12%<br />

30,65%<br />

7,68%<br />

4,83%<br />

13,57%<br />

31 Optionen<br />

-10,54%<br />

17,39%<br />

5,49%<br />

5,43%<br />

7,55%<br />

241 Optionen<br />

-20,84%<br />

435,67%<br />

20,68%<br />

10,73%<br />

41,07%<br />

33 Optionen<br />

-12,50%<br />

53,31%<br />

15,09%<br />

14,02%<br />

13,60%<br />

21 Optionen<br />

-6,14%<br />

46,16%<br />

20,85%<br />

23,52%<br />

14,53%<br />

524 Optionen<br />

-98,12%<br />

3.352,83%<br />

123,61%<br />

67,11%<br />

252,93%<br />

102 Optionen<br />

-14,48%<br />

181,35%<br />

49,40%<br />

48,41%<br />

44,62%<br />

81 Optionen<br />

-5,50%<br />

195,61%<br />

60,49%<br />

61,77%<br />

42,15%<br />

Abbildung 8: Abweichungen der rechnerischen Optionspreise <strong>von</strong> den Marktpreisen<br />

45 Rubinstein kommt ebenfalls zu dem Ergebnis, dass systematische Preisabweichungen nicht<br />

aktienspezifisch sind, sondern für alle Werte existieren; vgl. Rubinstein (1985), S. 478.


- 15 -<br />

Die Wahrscheinlichkeit einer Fehlbewertung (Über- bzw. Unterbewertung) hängt<br />

systematisch mit der Änderung der Variablen Laufzeit und Ausübungspreis zusammen.<br />

Angesichts der (teilweise deutlich) positiven Mediane besteht nach dem<br />

Black/Scholes-Modell eine höhere Wahrscheinlichkeit für die Überbewertung einer<br />

Option als für deren Unterbewertung. 46 Die Wahrscheinlichkeiten für Über- bzw.<br />

Unterbewertungen sind in Abbildung 9 hinsichtlich unterschiedlicher Ausübungspreise<br />

und Laufzeiten zusammengefasst.<br />

Kurze Laufzeit<br />

Überbewertung<br />

Unterbewertung<br />

Mittlere Laufzeit<br />

Überbewertung<br />

Unterbewertung<br />

Lange Laufzeit<br />

Überbewertung<br />

Unterbewertung<br />

In-the-money At-the-money Out-of-the-money<br />

187 Optionen<br />

59,7%<br />

40,3%<br />

30 Optionen<br />

70,0%<br />

30,0%<br />

31 Optionen<br />

80,6%<br />

19,4%<br />

241 Optionen<br />

75,1%<br />

24,9%<br />

33 Optionen<br />

90,1%<br />

9,9%<br />

21 Optionen<br />

90,5%<br />

9,5%<br />

Abbildung 9: Wahrscheinlichkeiten für Über- bzw. Unterbewertungen<br />

524 Optionen<br />

89,1%<br />

10,9%<br />

102 Optionen<br />

80,4%<br />

19,6%<br />

81 Optionen<br />

96,3%<br />

3,7%<br />

In insgesamt 81,2% der Fälle (gewichteter Durchschnitt sämtlicher untersuchten<br />

Optionen) bewertet das Black/Scholes-Modell europäische Optionen zu hoch. Die<br />

Wahrscheinlichkeit einer Überbewertung liegt im Intervall <strong>von</strong> [59,7%; 96,3%] in<br />

Abhängigkeit <strong>von</strong> Ausübungspreis und Laufzeit. Abbildung 10 veranschaulicht den<br />

Zusammenhang zwischen den Variablen Restlaufzeit und Ausübungspreis und der<br />

Wahrscheinlichkeit einer Überbewertung durch das Black/Scholes-Modell.<br />

46 Das folgt aus der Definition des Medians z = x[(n+1)/2] für ungerade n bzw. z = ½ (x[n/2] + x[n/2+1])<br />

für gerade n, vgl. z. B. Schweitzer (1999), S. 48 oder Rönz (2001), S. 45f.


100,00%<br />

90,00%<br />

80,00%<br />

70,00%<br />

60,00%<br />

50,00%<br />

40,00%<br />

30,00%<br />

20,00%<br />

10,00%<br />

0,00%<br />

In-themoney<br />

At-the<br />

money<br />

- 16 -<br />

Out-of-the<br />

money<br />

lange Laufzeit<br />

mittlere Laufzeit<br />

kurze Laufzeit<br />

Abbildung 10: Wahrscheinlichkeit der Überbewertung in Abhängigkeit <strong>von</strong> Laufzeit und<br />

Ausübungspreis<br />

Nach Abbildung 10 ist eine Überbewertung durch das Black/Scholes-Modell umso<br />

wahrscheinlicher, je weiter die Option aus dem Geld liegt und je länger die Laufzeit<br />

ist. Nur jede zweite Option mit positivem innerem Wert und kurzer Laufzeit wird<br />

überbewertet, während nahezu alle Out-of-the-money-Optionen mit langer Laufzeit<br />

überbewertet werden.<br />

5.5.2 Höhe <strong>von</strong> Fehlbewertungen<br />

Die sehr hohen Maximalabweichungen zwischen theoretischen und tatsächlichen<br />

<strong>Optionspreisen</strong> sowie die im Vergleich zum Median überwiegend hohen Mittelwerte<br />

verweisen auf die Tendenz des Black/Scholes-Modells zur Überbewertung der<br />

Optionen. Dagegen fällt die Unterbewertung – abgesehen <strong>von</strong> einem Fall und auf die<br />

große Anzahl <strong>von</strong> 1.250 untersuchten <strong>Optionspreisen</strong> bezogen – mit minus 20,84%<br />

moderat aus. 47<br />

Beim Vergleich der Mittelwerte ist ein Anstieg der Abweichung mit zunehmenden<br />

Ausübungspreisen zu beobachten. Während die Abweichung für In-the-money-<br />

Optionen gering ist (5,6%), ist sie für At-the-money-Optionen (18,9%) und Out-of-themoney-Optionen<br />

(77,8%) deutlich größer. Je weiter die Option aus dem Geld liegt,<br />

desto höher ist die prozentuale Preisabweichung. Zusätzlich steigt die Höhe der<br />

Preisabweichung mit der Länge der Laufzeit. Die gewichtete Überbewertung beträgt<br />

65,35%, wobei die mit der Höhe des Ausübungspreises ansteigenden Überbewertungen<br />

für alle untersuchten Einzelwerte zu beobachten sind.<br />

47 Die extreme Unterbewertung <strong>von</strong> 98% bezieht sich auf einen Deutsche Bank Call mit einem<br />

Ausübungspreis <strong>von</strong> 70 Euro bei einem Aktienkurs <strong>von</strong> 51,24 Euro und ist so hoch, weil der<br />

Marktpreis mit 0,01 Euro absolut gesehen sehr tief liegt.


- 17 -<br />

Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Fair-Value-Bewertung, die eng mit den für<br />

kapitalmarktorientierte Konzerne ab 2005 verpflichtend anzuwendenden International<br />

Financial Reporting Standards (IFRS) verbunden ist, 48 ist die Frage interessant, wieviel<br />

Prozent aller Optionen durch das Black/Scholes-Modell „akzeptabel“ bewertet<br />

werden. Da eine akzeptable Bewertung nur subjektiv definiert werden kann, werden<br />

in Abbildung 11 diejenigen Optionen dargestellt, deren betragsmäßige Abweichung<br />

zwischen rechnerischem Optionswert und Marktpreis jeweils maximal 5%, 10% bzw.<br />

20% beträgt.<br />

Abweichung<br />

(in %)<br />

Kurze Laufzeit<br />

+/− 5%<br />

+/− 10%<br />

+/− 20%<br />

Mittlere Laufzeit<br />

+/− 5%<br />

+/− 10%<br />

+/− 20%<br />

Lange Laufzeit<br />

+/− 5%<br />

+/− 10%<br />

+/− 20%<br />

In-the-money At-the-money Out-of-the-money<br />

Anzahl<br />

(absolut)<br />

88<br />

132<br />

182<br />

9<br />

13<br />

23<br />

12<br />

20<br />

31<br />

Anteil<br />

(prozentual)<br />

47,06%<br />

70,59%<br />

97,33%<br />

30,00%<br />

43,33%<br />

76,67%<br />

38,71%<br />

64,52%<br />

100,00%<br />

Anzahl<br />

(absolut)<br />

60<br />

104<br />

148<br />

3<br />

10<br />

26<br />

2<br />

5<br />

9<br />

Anteil<br />

(prozentual)<br />

24,90%<br />

43,15%<br />

61,41%<br />

9,09%<br />

30,30%<br />

78,79%<br />

9,52%<br />

23,81%<br />

42,86%<br />

Anzahl<br />

(absolut)<br />

40<br />

67<br />

123<br />

9<br />

21<br />

31<br />

7<br />

9<br />

16<br />

Anteil<br />

(prozentual)<br />

7,63%<br />

12,79%<br />

23,47%<br />

8,82%<br />

20,59%<br />

30,39%<br />

8,64%<br />

11,11%<br />

19,75%<br />

Abbildung 11: Abweichungen zwischen rechnerischen <strong>Optionspreisen</strong> und Marktpreisen<br />

Wenn man eine Abweichung zwischen rechnerischem Wert und Marktpreis <strong>von</strong><br />

maximal 5% akzeptiert, liegt der Anteil akkurat bewerteter In-the-money-Optionen mit<br />

kurzer Laufzeit bei 47,06%, während er für Out-of-the-money-Optionen bei nur<br />

7,63% liegt. Bei einer tolerierten Abweichung <strong>von</strong> maximal 5% bewertet das<br />

Black/Scholes-Modell im gewichteten Durchschnitt nur knapp ein Fünftel (18,40%)<br />

sämtlicher Optionen akkurat. Bei 10%-Fehlertoleranz beträgt der Anteil akkurat<br />

bewerteter Optionen 30,48% und bei 20%-Toleranz 47,12%. In Abbildung 12 ist die<br />

Höhe der durchschnittlichen Überbewertung in Abhängigkeit <strong>von</strong> Laufzeit und Ausübungspreis<br />

der zugrunde liegenden Optionen dargestellt.<br />

48 Europäisches Parlament (2002), S. 1-4.


140,00%<br />

120,00%<br />

100,00%<br />

80,00%<br />

60,00%<br />

40,00%<br />

20,00%<br />

0,00%<br />

In-the<br />

money<br />

- 18 -<br />

At-the<br />

money Out-of-the<br />

money<br />

lange Laufzeit<br />

mittlere Laufzeit<br />

kurze Laufzeit<br />

Abbildung 12: Höhe der durchschnittlichen Überbewertung in Abhängigkeit <strong>von</strong> Laufzeit<br />

und Ausübungspreis<br />

Die Fehlbewertung durch das Black/Scholes-Modell ist nach diesen Ergebnissen<br />

umso höher, je weiter die Option aus dem Geld liegt (Abbildung 12). Hinsichtlich<br />

Laufzeit und Fehlbewertung ist dagegen kein so eindeutiger Zusammenhang feststellbar.<br />

Für In-the-money- und At-the-money-Optionen führt eine Änderung der<br />

Laufzeit nicht zu systematischen Fehlbewertungen. Bei Out-of-the-money-Optionen<br />

wird die Fehlbewertung dagegen durch eine kurze Laufzeit tendenziell erhöht.<br />

5.5.3 Statistischer Test der Nullhypothese<br />

Um den Aussagegehalt der mit dem Black/Scholes-Modell errechneten Optionspreise<br />

zu ermitteln, wurde die Nullhypothese (H0: „die theoretischen Optionspreise<br />

entsprechen den tatsächlichen <strong>Optionspreisen</strong>“) empirisch getestet. Die Überprüfung<br />

der Hypothese erfolgte mit dem nichtparametrischen Wilcoxon-Rank-Test (W-Statistik).<br />

Im Rahmen der Überprüfung wurde für die Nullhypothese ein Wert <strong>von</strong> „0“<br />

errechnet.<br />

Das Ergebnis der empirischen Untersuchung lautet daher, dass die Hypothese „die<br />

Black/Scholes-Preise entsprechen den Marktpreisen“ für die untersuchten Optionspreise<br />

mit annähernd sicherer Wahrscheinlichkeit abgelehnt wird. Auf Basis der<br />

durchgeführten statistischen Untersuchung kann somit nicht bestätigt werden, dass<br />

das Black/Scholes-Modell Optionen „korrekt“ (d. h. zu Marktpreisen) bewertet. Die<br />

auf Basis des Black/Scholes-Modells errechneten Optionspreise weichen so stark<br />

<strong>von</strong> den Marktpreisen ab, dass die Nullhypothese praktisch auf jedem Konfidenzniveau<br />

abgelehnt wird. Dieses eindeutige Untersuchungsergebnis war aufgrund der<br />

Voruntersuchung zu erwarten, weil der Datenumfang <strong>von</strong> 1.250 <strong>Optionspreisen</strong> groß<br />

genug ist, um statistisch aussagefähig zu sein und die Preisabweichung zwischen


- 19 -<br />

theoretischen und tatsächlichen <strong>Optionspreisen</strong> im gewichteten Durchschnitt 65,35%<br />

beträgt.<br />

Unter der Voraussetzung, dass die einbezogenen Untersuchungsdaten zutreffend<br />

sind, lässt sich aus dem vorliegenden Ergebnis ableiten, dass entweder (a) die<br />

mathematische Struktur der Black/Scholes-Formel nicht korrekt ist bzw. dass die<br />

Modellprämissen in der Realität nicht zutreffen, oder dass (b) der Optionsmarkt ineffizient<br />

ist. 49 Im Folgenden wird untersucht, ob auf dem Optionsmarkt Ineffizienzen zu<br />

beobachten sind.<br />

5.5.4 Indizien für die Ineffizienz des Optionsmarktes<br />

Kapitalmärkte gelten als arbitragefrei, wenn gleichwertige Wertpapiere mit äquivalenten<br />

Zahlungsstrukturen den gleichen Preis aufweisen. An der deutschen Terminbörse<br />

ließen sich dagegen im Untersuchungszeitraum unterschiedliche Preise für<br />

gleichwertige Optionen beobachten. Obwohl das Black/Scholes-Modell für zwei<br />

Optionen mit quasi-gleichen Parametern den gleichen Preis ermittelt, traten an der<br />

Terminbörse unterschiedliche Preise auf. Diese Beobachtung könnte ein Hinweis<br />

darauf sein, dass das Nicht-Arbitrage-Argument, auf dem das Black/Scholes-Modell<br />

basiert, nicht zutrifft. Mit anderen Worten: am Markt bestehen Arbitragemöglichkeiten.<br />

Ein gutes Beispiel hierfür ist die Call-Option auf die Aktie der Deutschen Telekom mit<br />

Laufzeit November 2002 und einem Ausübungspreis <strong>von</strong> 12,00 Euro. Diese Option<br />

hatte am 11.9.02 um 13:13 Uhr 25 sec. einen Marktpreis <strong>von</strong> 0,64 Euro. Am 12.9.02<br />

um 10:35 Uhr 23 sec. lag der Marktpreis der gleichen Option bei lediglich 0,58 Euro,<br />

obwohl der zugrunde liegende Aktienkurs (S) in beiden Fällen exakt 10,70 Euro<br />

betrug. Auch die übrigen Parameter, insbesondere die Volatilität (σ) mit 71,6% bzw.<br />

71,9% sowie die Laufzeit (T) mit 80 bzw. 79 Tagen, waren annähernd unverändert.<br />

Deutsche Telekom November 02 Call<br />

Datum X S σ T B/S-Preis Marktpreis<br />

11.9.2002 12 € 10,70 € 71,6% 80 0,97 € 0,64 €<br />

12.9.2002 12 € 10,70 € 71,9% 79 0,97 € 0,58 €<br />

Abbildung 13: Unterschiedliche Marktpreise trotz Quasi-Konstanz der Parameter<br />

Bei Quasi-Konstanz <strong>von</strong> X, S, σ, T und r kam es zu einer nicht unerheblichen Marktpreisdifferenz<br />

<strong>von</strong> 10%. Das Black/Scholes-Modell kann diese Preisschwankung<br />

nicht erklären und berechnet einen theoretischen Optionspreis <strong>von</strong> jeweils 0,97 Euro.<br />

Bei einer offenen Position wäre ein durch das Modell nicht erklärbarer Verlust <strong>von</strong><br />

10% entstanden. Alternativ wäre es möglich gewesen, durch einen Verkauf des<br />

Telekom-Calls (Short-Position) am 11.9.02 und den Rückkauf der gleichen Option<br />

am 12.9.02 eine Rendite <strong>von</strong> 3.600% p. a. zu realisieren.<br />

49 Sehr ähnlich auch Rubinstein (1985), S. 457.


- 20 -<br />

Ein weiteres Beispiel für Preisdifferenzen ist eine Call-Option auf die Deutsche Telekom<br />

mit Fälligkeit Dezember 2002 und einem Ausübungspreis <strong>von</strong> 13,00 Euro. Am<br />

18.9.02 um 11:46 Uhr 36 sec. lag der Marktpreis dieser Option bei 0,38 Euro und am<br />

19.9.02 um 11:27 Uhr 36 sec. bei 0,45 Euro. Nach dem Black/Scholes-Modell ergeben<br />

sich genau umgekehrte rechnerische Optionspreise <strong>von</strong> 0,47 € für den ersten<br />

Fall und <strong>von</strong> 0,38 Euro für den zweiten Fall.<br />

Diese für einen vollkommenen Markt paradoxen Beobachtungen sprechen dafür,<br />

dass entweder die Annahmen des Black/Scholes-Modells in der Realität nicht vorliegen<br />

oder dass der Optionsmarkt möglicherweise nicht vollkommen effizient ist. Black<br />

vermutet Ineffizienzen des Optionsmarktes. 50 Eine Folge dieser Ineffizienzen ist die<br />

Existenz <strong>von</strong> Arbitragemöglichkeiten, die in den oben erwähnten Beispielen allerdings<br />

nicht genutzt wurden. Damit ergeben sich Probleme bei der Nutzung <strong>von</strong> Absicherungsstrategien,<br />

da der Optionsmarkt infolge <strong>von</strong> Marktunvollkommenheiten kein<br />

perfektes Hedging ermöglicht.<br />

5.6 <strong>Zur</strong> Bilanzierung <strong>von</strong> Aktienoptionen nach ED 2<br />

Die mit dem Black/Scholes-Modell verbundenen Probleme bei der Bewertung <strong>von</strong><br />

Optionen werfen die Frage auf, ob mit der systematischen Fehlbewertung auch praktische<br />

Implikationen auf die Darstellung der Ertragslage <strong>von</strong> Unternehmen bei Bilanzierung<br />

nach IFRS verbunden sind, wenn Aktienoptionen unter Bezug auf den Exposure<br />

Draft (ED) 2 unter Anwendung des Black/Scholes-Modells bewertet werden. 51<br />

Aus finanzierungstheoretischer Sicht ergeben sich zwei wesentliche Probleme aufgrund<br />

der im Black/Scholes-Modell angenommenen konstanten (unbekannten) Volatilität<br />

in Verbindung mit dem im ED 2 vorgesehenen Bewertungszeitpunkt, der auf<br />

den Zeitpunkt der Gewährung <strong>von</strong> Aktienoptionen abstellt. Einerseits steht zum Zeitpunkt<br />

der Gewährung noch nicht fest, welche Volatilität die Aktie während der Laufzeit<br />

der Option aufweisen wird. Andererseits ist auch die Dynamik der Volatilität im<br />

Zeitablauf unbekannt (siehe auch Abbildung 3). Sofern kein stochastischer Prozess<br />

für die Volatilität angenommen wird, muss diese auf Basis <strong>von</strong> Vergangenheitsdaten<br />

geschätzt werden. Der ED 2 lässt aber sowohl offen, über welchen Zeitraum diese<br />

Volatilität geschätzt werden soll, als auch aufgrund welcher Datendichte. Je längerfristig<br />

das Aktienoptionsprogramm angelegt ist, desto stärker fällt die Volatilität ins<br />

Gewicht. Allein durch unterschiedliche Vorgehensweisen zur Berechnung der Volatilität<br />

eröffnet der ED 2 damit weitgehende bilanzpolitische Spielräume bei der<br />

Bewertung <strong>von</strong> Aktienoptionen.<br />

Auch die dem Modell inhärente Prämisse der Normalverteilung <strong>von</strong> Aktienkursveränderungen<br />

spiegelt offensichtlich nicht die Realität wider (siehe auch Abbildung 6).<br />

Wird das Black/Scholes-Modell ohne eine Modifikation der Volatilität verwendet, werden<br />

bei 5%-Fehlertoleranz 81,6% aller Optionen fehlbewertet. Da somit nur ein<br />

50<br />

Vgl. Black (1972), S. 413-415; Black schließt jedoch Arbitragegewinne nach Berücksichtigung <strong>von</strong><br />

Transaktionskosten aus.<br />

51<br />

An dieser Stelle soll keine Würdigung des ED 2 hinsichtlich buchhalterischer Probleme<br />

vorgenommen werden, wie etwa dem Verstoß gegen das pagatorische Prinzip durch die<br />

erfolgswirksame Erfassung realer Optionen selbst bei deren ausübungslosem Verfall.


- 21 -<br />

geringer Anteil <strong>von</strong> Optionen mit dem Marktpreis bewertet wird, bietet das<br />

Black/Scholes-Modell grundsätzlich keine Gewähr für eine verlässliche Darstellung<br />

der Ertragslage.<br />

6. Fazit<br />

Um das Black/Scholes-Modell empirisch zu überprüfen, wurden 1.250 rechnerisch<br />

ermittelte Optionswerte (theoretische Optionspreise) mit den zeitlich exakt korrespondierenden<br />

Marktpreisen dieser Optionen verglichen. Die Nullhypothese der Preisgleichheit<br />

<strong>von</strong> theoretischen Preisen und Marktpreisen wurde in der W-Statistik abgelehnt.<br />

Die Studie hat folgende Kernresultate hervorgebracht:<br />

1. Das Black/Scholes-Modell bewertet Optionen mit einer Wahrscheinlichkeit <strong>von</strong><br />

81,2% zu hoch. Die Wahrscheinlichkeit der Fehlbewertung nimmt zu, je mehr die<br />

Option aus dem Geld notiert und je länger die Laufzeit ist.<br />

2. Die Höhe der Überbewertung steigt, je mehr die Option aus dem Geld notiert.<br />

Zwischen Restlaufzeit und Fehlbewertung besteht zumindest für In-the-moneyund<br />

At-the-money-Optionen kein eindeutiger Zusammenhang.<br />

3. Die dem Black/Scholes-Modell zugrunde liegenden Annahmen sind in der Realität<br />

offensichtlich nicht vollständig erfüllt. Darüber hinaus gibt es Hinweise, dass<br />

der Optionsmarkt nicht vollkommen effizient ist.<br />

Die Ergebnisse der vorliegenden Studie decken sich grundsätzlich mit den Resultaten<br />

der Studien <strong>von</strong> MacBeth/Merville (1980) sowie Rubinstein (1985). Einschränkend<br />

bleibt jedoch festzuhalten, dass die generelle Überbewertung <strong>von</strong> Optionen<br />

durch das Black/Scholes-Modell mit der außergewöhnlich hohen Volatilität im September<br />

2002 zusammenhängen kann. So haben auch Black/Scholes (1972) bei stark<br />

schwankenden Aktien eine beträchtliche Überbewertung <strong>von</strong> Optionen durch das<br />

Black/Scholes-Modell festgestellt. 52<br />

Vergleichbar der vorliegenden Studie stellen auch MacBeth/Merville (1979) fest, dass<br />

die Fehlbewertung steigt, je mehr die Option aus dem Geld liegt, während die Fehlbewertung<br />

mit kürzerer Laufzeit abnimmt. 53 Black (1975) konstatiert ebenfalls Fehlbewertungen<br />

− allerdings mit dem Unterschied, dass das Black/Scholes-Modell tief<br />

im Geld liegende Optionen überbewertet und tief aus dem Geld liegende Optionen<br />

unterbewertet. 54<br />

Trotz seiner Schwächen ist das Black/Scholes-Modell aus empirischer Perspektive<br />

zur Bewertung <strong>von</strong> Optionen nicht vollkommen ungeeignet. Zumindest jede fünfte<br />

Option wird akkurat bewertet (bei einer tolerierten Abweichung <strong>von</strong> +/- 5%). Hierzu<br />

bemerkt Black im Jahr 1992: „Because the formula is so popular, because so many<br />

traders and investors use it, option prices tend to fit the model even when they<br />

shouldn’t.“ 55<br />

52<br />

Vgl. Black (1972), S. 408.<br />

53<br />

Vgl. MacBeth/Merville (1979), S. 1185.<br />

54<br />

Vgl. Black (1975), S. 36-72.<br />

55<br />

Black (1992), S. 21.


- 22 -<br />

Aus theoretischer Sicht resultieren Zweifel an den mit dem Black/Scholes-Modell<br />

errechneten <strong>Optionspreisen</strong> infolge der unrealistischen Modellannahmen. Problematisch<br />

ist zum einen die im Zeitablauf schwankende Volatilität, deren Bedeutung für<br />

die Höhe des Optionswertes zudem <strong>von</strong> der Restlaufzeit und dem inneren Wert der<br />

Option abhängig ist. Zum anderen ist die Annahme log-normalverteilter Aktienkurse<br />

problematisch, da das Black/Scholes-Modell hierdurch die Häufigkeit <strong>von</strong> Extremwerten<br />

unterschätzt.<br />

Neunzehn Jahre nach Veröffentlichung seiner revolutionären Formel fasst Fischer<br />

Black die empirische Kritik am Black/Scholes-Modell zusammen: „When we calculate<br />

option values using the Black-Scholes model, and compare them with option prices,<br />

(...) it is rare that the value of an option comes out exactly equal to the price at which<br />

it trades on the exchange. Given the multitude of variables, it is remarkable that<br />

option formulae even occasionally get close to matching market values.” 56<br />

In Bezug auf die Bilanzierung <strong>von</strong> Aktienoptionen nach Exposure Draft (ED) 2 bleibt<br />

festzuhalten, dass das Black/Scholes-Modell bei der Ermittlung <strong>von</strong> Optionswerten<br />

für Bilanzierungszwecke weitgehende bilanzpolitische Spielräume eröffnet. Sofern<br />

die für die Bewertung anzusetzenden Variablen nicht näher präzisiert werden<br />

(können), besteht bei unreflektierter Anwendung der Black/Scholes-Formel die<br />

Gefahr einer unzutreffenden Darstellung der Ertragslage des bilanzierenden Unternehmens.<br />

56 Black et al. (1992) S. 51f.


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Working Paper Series<br />

<strong>ESCP</strong>-EAP Europäische Wirtschaftshochschule Berlin<br />

ISSN 1619-7658<br />

Bisher sind folgende Beiträge erschienen:<br />

Nr. 1 Jacob, Frank (2002): Kundenintegrations-Kompetenz: Konzeptionalisierung,<br />

Operationalisierung und Erfolgswirkung.<br />

Nr. 2 Schmid, Stefan (2003): Blueprints from the U.S.? <strong>Zur</strong> Amerikanisierung der<br />

Betriebswirtschafts- und Managementlehre.<br />

Nr. 3 Festing, Marion/Hansmeyer, Marie Christine (2003): Frauen in<br />

Führungspositionen in Banken - Ausgewählte Ergebnisse einer empirischen<br />

Untersuchung in Deutschland.<br />

Nr. 4 Pape, Ulrich/Merk, Andreas (2003): <strong>Zur</strong> <strong>Angemessenheit</strong> <strong>von</strong> <strong>Optionspreisen</strong> -<br />

Ergebnisse einer empirischen Überprüfung des Black/Scholes-Modells.

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