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8 Experimentelle Spieltheorie - Economic Theory (Prof. Schmidt)

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<strong>Spieltheorie</strong> (Winter 2008/09) 8-1 <strong>Prof</strong>. Dr. Klaus M. <strong>Schmidt</strong><br />

8 <strong>Experimentelle</strong> <strong>Spieltheorie</strong><br />

Literaturhinweise zu Kapitel 8:<br />

Fehr, Ernst und Simon Gächter, Fehr, E. and Gaechter,<br />

S., “Fairness and Retaliation: The <strong>Economic</strong>s of Reciprocity”,<br />

Journal of <strong>Economic</strong> Perspectives 14 (2000),<br />

159-181.<br />

Fehr, Ernst und Klaus M. <strong>Schmidt</strong>, “A <strong>Theory</strong> of Fairness,<br />

Competition and Cooperation”, Quarterly Journal<br />

of <strong>Economic</strong>s 114 (1999), 817-868.<br />

Fehr, Ernst und Klaus M. <strong>Schmidt</strong>, “Theories of Fairness<br />

and Reciprocity: Evidence and <strong>Economic</strong> Applications”,<br />

in: M. Dewatripont et.al., Advances in <strong>Economic</strong>s<br />

and Econometrics, Eight World Congress of the Econometric<br />

Society, Vol. 1, 208-257, Cambridge University<br />

Press 2003.<br />

8.1 Einleitung<br />

In den letzten Jahren ist verstärkt versucht worden, die Vorhersagen<br />

der <strong>Spieltheorie</strong> empirisch zu überprüfen. Grundsätzlich<br />

zwei Möglichkeiten:<br />

© Klaus M. <strong>Schmidt</strong> 2007


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1. Feldstudien: Analyse von Daten aus realen Entscheidungssituationen<br />

(z.B. Auktionen, bestimmte Märkte,<br />

etc.)<br />

Vorteile:<br />

Es handelt sich um reale Daten aus der wirklichen<br />

Welt.<br />

Nachteile:<br />

Datenbeschaffung oft schwierig.<br />

Wichtige Parameter der Spielsituation (z.B. die “Beliefs”<br />

der Spieler) sind grundsätzlich nicht beobachtbar.<br />

Die betrachteten Entscheidungssituationen sind oft<br />

zu kompliziert.<br />

Die Strategienräume und die Zeitstruktur sind oft<br />

nicht klar definiert.<br />

Die Daten können von vielen Effekten beeinflußt sein,<br />

die der betrachtende Ökonom nicht kontrollieren kann.<br />

2. Experimente: Man läßt Versuchspersonen im “Labor”<br />

gegeneinander spielen.<br />

Vorteile:<br />

Der Spielleiter kann die Spielregeln, die Auszahlungen,<br />

die Zeitstruktur, und die Kommunikationsmög-


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lichkeiten der Spieler nach Belieben festlegen und<br />

kontrollieren.<br />

DieSpielekönnen so gestaltet werden, daß man verschiedene<br />

Hypothesen gezielt gegeneinander testen<br />

kann.<br />

Nachteile:<br />

Die Situation ist künstlich und die Versuchspersonen<br />

verhalten sich vielleicht anders als im wirklichen Leben.<br />

Es wird typischerweise um relativ kleine Geldbeträge<br />

gespielt. Dabei ist nicht klar, ob die Versuchspersonen<br />

Ihr erwartetes monetäres Einkommen maximieren<br />

wollen. Sie können auch versuchen,<br />

– zu experimentieren, um das Spiel “spannender” zu<br />

machen,<br />

– den Spielleiter zu ärgern oder zu beeindrucken,<br />

– bestimmten moralischen oder sonstigen Normen<br />

zu folgen (Fairness, etc.)<br />

Das Standard Modell der <strong>Spieltheorie</strong> nimmt an, dass<br />

alle Spieler rational sind<br />

alle Spieler nur an ihrer eigenen monetären Auszahlung<br />

interessiert sind.


<strong>Spieltheorie</strong> (Winter 2008/09) 8-4 <strong>Prof</strong>. Dr. Klaus M. <strong>Schmidt</strong><br />

Die Vorhersagen dieses Standard-Modells werden in einigen<br />

Experimenten bestätigt. Besonders eindrucksvoll sind<br />

Marktspiele (Doppel-Auktionen), die auch bei wenigen Teilnehmern<br />

sehr schnell zum kompetitiven Gleichgewicht konvergieren.<br />

Es gibt aber auch zahlreiche Experimente, in denen diese<br />

Vorhersagen klar widerlegt werden.


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8.2 Eingeschränkte Rationalität<br />

Zahlreiche Experimente von Psychologen und Ökonomen<br />

zeigen, dass es systematische Abweichungen von rationalem<br />

Verhalten gibt.<br />

Beispiele:<br />

Verlust-Aversion<br />

Framing- (Verpackungs-)Effekte<br />

Zeitinkonsistenz<br />

Selbstüberschätzung<br />

Probability Matching<br />

Allais-Paradox<br />

etc.


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8.3 Soziale Präferenzen<br />

Einige Spiele sind so einfach, dass sie auch von Spielern<br />

mit eingeschränkter Rationalität verstanden werden sollten.<br />

Trotzdem beobachten wir hier systematische Abweichungen<br />

von den Vorhersagen der traditionellen <strong>Spieltheorie</strong>.<br />

8.3.1 Das Diktator Spiel<br />

Beschreibung des Spiels<br />

Spieler 1 entscheidet, welchen Betrag s ∈ [0, 10] er Spieler<br />

2 anbietet.<br />

Spieler 2 kann das Angebot nicht ablehnen.<br />

Monetäre Auszahlungen:<br />

x1 =10− s<br />

x2 = s<br />

Sie haben eine leicht modifizierte Version gespielt, in der der<br />

Diktator zwischen der Allokation (10,0) und (x,x) wählen<br />

konnte, wobei x die Werte 1, 3, 5, 7 und 9 angenommen<br />

hat.


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8.3.2 Das Ultimatum Spiel<br />

Beschreibung des Spiels:<br />

Stufe 1: Spieler 1 schlägt einen Betrag s ∈ [0, 10] vor,<br />

den Spieler 2 erhalten soll.<br />

Stufe 2: Spieler 2 akzeptiert oder lehnt ab.<br />

Monetäre Auszahlungen<br />

x1 =<br />

⎧<br />

⎪⎨<br />

⎪⎩<br />

x2 =<br />

10 − s falls 2 akzeptiert<br />

0 falls 2 ablehnt<br />

⎧<br />

⎪⎨<br />

⎪⎩<br />

s falls 2 akzeptiert<br />

0 falls 2 ablehnt<br />

Überraschend ist vor allem, dass so viele Versuchspersonen<br />

bereit sind, Angebote abzulehnen, die ihnen nur einen kleinen<br />

Anteil des Kuchens geben. Gegeben dieses Verhalten,<br />

ist es auch aus Sicht eines eigennützigen Spieler 1 vernünftig,<br />

Spieler 2 einen großen Anteil abzugeben.<br />

Die experimentellen Resultate des Ultimatumspiels sind sehr<br />

robust. Sie sind weitgehend unabhängig von Alter, Geschlecht<br />

und sozialer Herkunft der Versuchspersonen, sind für viele<br />

entwickelte Länder bestätigt worden, gelten auch bei hohen<br />

Geldbeträgen, etc. Aber: In Naturvölkern gibt es deutliche<br />

Verhaltensunterschiede.


<strong>Spieltheorie</strong> (Winter 2008/09) 8-8 <strong>Prof</strong>. Dr. Klaus M. <strong>Schmidt</strong><br />

8.3.3 Das Öffentliches-Gut-Spiel<br />

Beschreibung des Spiels<br />

Es gibt 4 Spieler von denen jeder eine Anfangsausstattung<br />

von 10 Euro hat.<br />

Jeder Spieler i entscheidet, welchen Betrag si ∈ [0, 10]<br />

er zum öffentlichen Gut beiträgt:<br />

Auszahlungen:<br />

xi = 10− si +0, 3 · (s1 + s2 + s3 + s4)


<strong>Spieltheorie</strong> (Winter 2008/09) 8-9 <strong>Prof</strong>. Dr. Klaus M. <strong>Schmidt</strong><br />

8.3.5 Das Vertrauensspiel<br />

Beschreibung des Spiels<br />

Es gibt zwei Spieler, von denen jeder eine Anfangsausstattung<br />

von 10 Euro hat.<br />

Stufe 1: Spieler 1 entscheidet, ob er seine Anfangsausstattung<br />

an Spieler 2 transferiert. Wenn er das tut, wird<br />

der Geldbetrag vom Spielleiter vervierfacht und Spieler<br />

2erhält 40 Euro. Wenn er das nicht tut, ist das Spiel zu<br />

Ende und jeder hat 10 Euro.<br />

Stufe 2: Spieler 2 entscheidet, ob er Spieler 1 25 Euro<br />

zurück gibt, oder ob er alles für sich behält.<br />

Monetäre Auszahlungen:<br />

x1 =10− s1 + s2<br />

x2 =10+4s1 − s2<br />

Dabei ist s1 ∈{0, 10} und s2 ∈{0, 25}.


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8.3.6 Das Motivationsspiel (Gift Exchange)<br />

Beschreibung des Spiels Es gibt zwei Spieler, ein Unternehmen<br />

und einen Arbeiter.<br />

Stufe 1: Das Unternehmen bietet Lohn w an.<br />

Stufe 2: Der Arbeiter nimmt an/lehnt ab.<br />

Stufe 3: Der Arbeiter wählt sein Anstrengungsniveau e,<br />

was ihm monetäre Kosten c(e) =e verursacht, 1 ≤ e ≤<br />

10.<br />

Monetäre Auszahlungen:<br />

xu =10+3· e − w<br />

xa =10+w − e


<strong>Spieltheorie</strong> (Winter 2008/09) 8-11 <strong>Prof</strong>. Dr. Klaus M. <strong>Schmidt</strong><br />

8.4 Erklärungsansätze<br />

In den letzten Jahren sind einige Modelle entwickelt worden,<br />

um dieses Verhalten zu erklären:<br />

Altruismus (Andreoni und Miller, 2000): Der Nutzen der<br />

Versuchspersonen steigt nicht nur mit ihrem eigenen<br />

Einkommen, sondern auch mit dem der anderen Spieler<br />

ab.<br />

Ungleichheitsaversion (Fehr und <strong>Schmidt</strong>, 1999), Bolton<br />

und Ockenfels, 2000): Einige Spieler sind ungleichheitsavers,<br />

d.h., sie sind bereit, auf eigenen Ressourcen zu<br />

verzichten, um andere Spieler besser zu stellen, wenn<br />

es ihnen selbst besser geht, aber auch um andere Spieler<br />

schlechter zu stellen, wenn es ihnen selbst schlechter<br />

geht. Population ist heterogen: Einige Spieler sind<br />

überwiegende eigennützig, andere achten sehr stark auf<br />

Fairness<br />

Reziprozität (Rabin, 1993): Die Nutzenfunktion der Spieler<br />

hängt nicht nur von den materiellen Ergebnissen ab,<br />

sondern auch von ihren Beliefs über die Motivation der<br />

anderen Spieler (psychologische <strong>Spieltheorie</strong>, multiple<br />

Gleichgewichte).


<strong>Spieltheorie</strong> (Winter 2008/09) 8-12 <strong>Prof</strong>. Dr. Klaus M. <strong>Schmidt</strong><br />

Ein interessantes Experiment, dass zwischen den drei Theorien<br />

unterscheiden kann, ist das Mini-Ultimatumspiel:<br />

Treatment 1: Spieler 1 muss eine der beiden Allokationen<br />

(8,2) und (5,5) vorschlagen.<br />

Treatment 2: Spieler 1 muss eine der beiden Allokationen<br />

(8,2) und (2,8) vorschlagen.<br />

Vorhersagen der verschiedenen Theorien:<br />

Altruismus: Spieler 2 sollte alle Angebote immer annehmen.<br />

Ungleichheitsaversion: Wenn Spieler 2 das “unfaire´´Angebot<br />

in Treatment 1 ablehnt, sollte er es auch in Treatment<br />

2 ablehnen und umgekehrt.<br />

Reziprozität: Spieler 2 sollte das unfaire Angebot in Treatment<br />

1 ablehnen, nicht aber in Treatment 2.<br />

Das Experiment zeigt, dass sowohl Ungleichheitsaversion als<br />

auch Reziprozität eine wichtige Rolle spielen.

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