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Sozialpädagogische Intensivgruppe - Albert Schweitzer Kinderdorf ...

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Konzeption<br />

<strong>Sozialpädagogische</strong> <strong>Intensivgruppe</strong><br />

für sexuell grenzverletzende<br />

Jungen<br />

Am Pedro-Jung-Park 1<br />

63450 Hanau


<strong>Sozialpädagogische</strong> <strong>Intensivgruppe</strong><br />

Integratives Behandlungsmodell für sexuell grenzverletzende Jungen*<br />

Wohngruppe und ergänzende deliktbezogene Gruppe<br />

O Präambel<br />

Die sozialpädagogische <strong>Intensivgruppe</strong> ist ein stationäres Hilfeangebot für Jungen, die<br />

sexuelle Gewalt ausüben. Sexuell gewalttätige Kinder und Jugendliche werden bisher in der<br />

Jugendhilfe zu wenig beachtet. Manchmal werden sie stigmatisiert und von Einrichtung zu<br />

Einrichtung verlegt, ohne dass sie eine pädagogisch/therapeutische Hilfe bekommen. Das<br />

Risiko einer längerfristigen, pädosexuellen „Täterkarriere“ wird dadurch erhöht und die<br />

Chancen einer frühen Korrektur des sexuell übergriffigen Verhaltens vertan. Die<br />

Symptomatik verweist jedoch auf einen speziellen Hilfebedarf der Kinder und Jugendlichen<br />

und ist sehr ernst zu nehmen.<br />

Wir möchten mit unserem Hilfeangebot den Kreislauf von Tabuisierung, Verleugnung und<br />

Abschiebung durchbrechen. Die Jungen erhalten in der sozialpädagogischen <strong>Intensivgruppe</strong><br />

eine Chance, in einem beschützten Rahmen ihre Probleme zu bearbeiten und einen<br />

konstruktiven Weg zu gehen.<br />

1 Zielgruppe<br />

Das Angebot richtet sich an Jungen im Aufnahmealter von 6 bis 13 Jahren, die wegen sexuell<br />

gewalttätiger Verhaltensweisen auffällig geworden sind. Die Grenze des Aufnahmealters mit<br />

dem 13. Lebensjahr, also vor dem Erreichen der Strafmündigkeit, ist bewusst so gesetzt, weil<br />

die unterschiedlichen Rahmenbedingungen strafunmündiger und strafmündiger<br />

Minderjähriger in der Gruppenzusammensetzung und in der Arbeitsweise berücksichtigt<br />

werden müssen.<br />

* (Fußnote) Ein Wort in eigener Sache: Wir beschränken unser Jugendhilfeangebot auf<br />

Jungen im Aufnahmealter bis zu 13 Jahren. Auch sexuell gewalttätige Mädchen brauchen<br />

Hilfe. Das Ausblenden sexueller Gewalt bei Mädchen schützt diese nicht, sondern bewahrt<br />

eher die professionellen Helfer vor der Auseinandersetzung. Wir scheuen derzeit das<br />

Belegungsrisiko, sind aber überzeugt, dass es auch für Mädchen einen Bedarf gibt.<br />

Kontaktieren Sie uns, wenn sie Hilfe für sexuell gewalttätige Mädchen suchen.<br />

2


2. Problembeschreibung<br />

Wir sprechen von sexueller Gewalt bei Kindern und Jugendlichen, wenn diese sexuell getönte<br />

Handlungen an einem Kind gegen dessen Willen ausüben. Die Grenze zwischen<br />

entwicklungsspezifischem sexuellem Neugierverhalten und sexuell aggressivem Verhalten<br />

kann durchaus fließend sein. In Abgrenzung zu altersgemäßem Sexualverhalten, sexuellem<br />

Neugierverhalten und Doktorspielen sprechen wir von sexueller Gewalt vor dem<br />

14. Lebensjahr, wenn<br />

• sie gegen den Willen des Opfers geschieht<br />

• das Opfer keine Entscheidungsfreiheit hat<br />

• Zwang, Gewaltanwendung, Penetration oder eine Verletzung vorliegt<br />

• Bestechung durch Geschenke erfolgt ist<br />

• ein Altersunterschied von fünf Jahren besteht<br />

(vgl. Romer, Bange)<br />

Wenn Kinder und Jugendliche ihre Sexualität gewalttätig ausagieren, ist dies ein Hinweis<br />

darauf, dass ihr sexuelles Empfinden an ein Trauma oder eine zurückliegende Belastung<br />

gekoppelt sein kann. Bei der Entstehung dieser Symptomatik spielen sexualisierte<br />

Traumatisierung (eigene erlebte sexuelle Gewalt, Zeuge von sexueller Gewalt sein,<br />

Aufwachsen in einem Milieu grenzenloser Sexualität) und/oder andere Formen von<br />

körperlicher und/oder psychischer Misshandlung und Vernachlässigung eine große Rolle. In<br />

jedem Fall geht damit eine massive Gefährdung der Entwicklung und in Folge eine extreme<br />

Beschädigung der Persönlichkeit einher.<br />

Kinder, die sexuelle Gewalt ausüben, haben in der Grenzüberschreitung einen Weg gefunden,<br />

um Spannung abzuführen, Ängste zu überwinden und ein schlechtes Selbstwertgefühl zu<br />

neutralisieren. Sie versuchen damit vor allem Macht über andere zu gewinnen. Die Techniken<br />

des „Overpowering“ sind für sie zwar riskant aber durchaus funktional. Sexualisierte<br />

Fantasien und Denkmuster bestimmen den Ablauf von Kontaktaufnahme und Beziehungen.<br />

Die Möglichkeiten der Jungen zu positiven Bindungserfahrungen sind eingeschränkt. Auch<br />

ihre Beziehungen zu anderen Kindern sind sexuell getönt und von Missachtung geprägt.<br />

Diese verfestigten Verhaltensweisen und Beziehungsmuster haben oft den Charakter von<br />

Überlebensstrategien. Gleichzeitig ist den sexuell gewalttätigen Jungen bewusst, dass ihr<br />

Handeln ein schwerwiegender Regelverstoß ist. Die sexuelle Gewalt ist also sowohl ein<br />

Symptom als auch ein Delikt.<br />

Sexuelle Gewalt durch Minderjährige tritt nicht als isolierte Verhaltensauffälligkeit auf. Sie<br />

ist in der Regel der spektakuläre Hinweis auf eine komplexe Problemlage und beinhaltet<br />

folgende Merkmale:<br />

• Negatives und defizitäres Selbstwertgefühl<br />

• Übernahme der Rolle des „Symptomträgers“ im Herkunftssystem und die<br />

Wiederholung dieser Rolle in der Herstellung von Beziehungen<br />

3


• Verinnerlichte Umwertung von sexualisierten Handlungen bereits im<br />

Herkunftssystem<br />

• Defizite in der Wahrnehmung und im adäquaten Umgang mit Grenzen und zwar<br />

sowohl in Bezug auf die eigenen Grenzen als auch auf die Grenzen anderer<br />

• Mangel an sozialen Kompetenzen, schnelle Überforderung in Gruppensituationen<br />

• Mangel an sozialer Intimität und Überforderung beim Gestalten von Beziehungen<br />

• Fehlende Selbst- und Impulskontrolle<br />

• Verlagerung von Verantwortung auf Dritte, Verweigerung der Verantwortung für<br />

die Folgen des eigenen Handelns<br />

• Kognitiv verzerrte Selbst- und Fremdbilder, verzerrte sexuelle Bilder,<br />

Omnipotenzfantasien<br />

Sexualisierte Gewalt von Minderjährigen ist ernst zu nehmen:<br />

• Das Risiko einer Chronifizierung pädosexueller Strukturen ist erheblich.<br />

• Sie ist ein prognostisch schwerwiegender Risikofaktor für die weitere<br />

Persönlichkeitsentwicklung.<br />

• Eine „Täterkarriere“ und damit eine sehr schlechte Perspektive für das Leben als<br />

Erwachsener können entstehen.<br />

• Sexualisierte Gewalt bedeutet für die Opfer massive psychische und körperliche<br />

Schädigungen und Traumatisierung.<br />

Sexualisierte Gewalt hat also verschiedene Bedeutungen<br />

(Re)Traumatisierung<br />

des Opfers<br />

Sexualisiert<br />

gewalttätiger<br />

Minderjähriger<br />

Risikofaktor für die<br />

Prognose der<br />

Minderjährigen<br />

Symptom der<br />

eigenen<br />

Belastung/<br />

Traumatisierung<br />

4


3. Ziele<br />

Durch das Jugendhilfeangebot erhalten sexuell gewalttätige Jungen für den Zeitraum von<br />

zwei Jahren einen sicheren und geschützten Wohn- und Lebensraum, in dem folgende auf das<br />

Problemverhalten bezogene Ziele erreicht werden sollen:<br />

• die frühe Korrektur des sexuell gewalttätigen Handlungsschemas<br />

• Übernahme von Selbstverantwortung<br />

• Prävention von Straftaten und Verminderung von Rückfällen<br />

• Opferschutz<br />

Darüber hinaus dient die sozialpädagogische <strong>Intensivgruppe</strong> der ganzheitlichen Förderung<br />

und Stabilisierung der Persönlichkeit und der Entwicklung von Beziehungsfähigkeit und<br />

sozialen Kompetenzen. In der individuellen Hilfeplanung für die Jungen unterscheiden wir<br />

zwischen entwicklungsbezogenen und deliktbezogenen Ziele.<br />

Entwicklungsbezogene Ziele und Arbeitsinhalte:<br />

• Bearbeitung der eigenen (passiven) Gewalterfahrungen<br />

• Entwicklung eines realistischen Selbstbildes und Stärkung des Selbstwertgefühls<br />

• Erarbeitung realistischer Erwartungen an Beziehungen<br />

• Verbesserung der Frustrationstoleranz<br />

• Korrektur der Wahrnehmung eigener und fremder Grenzen<br />

• Wahrnehmung eigener und fremder Emotionen und Bedürfnisse<br />

• Verringerung von Selbst- und Fremdabwertung<br />

• Entwicklung einer konstruktiven Geschlechts- und Rollenidentität, z. B. eines<br />

positiven Männer- und Frauenbildes<br />

• Respektvolle Umgangsformen<br />

Deliktbezogene Ziele und Arbeitsinhalte sind:<br />

• Akzeptanz der externen Kontrolle<br />

• Entwicklung einer nicht abwertenden Sprache in Bezug auf Sexualität<br />

• Bearbeitung des persönlichen Missbrauchs- und Gewaltzyklus<br />

• Reflexion von persönlichen Manipulations- und Kontrollstrukturen<br />

• Entwicklung von Problemeinsicht in Bezug auf sexuelle Gewalt und sexualisiertes<br />

Handeln<br />

• Auflösung von Verzerrungen und Mythen über männliche und weibliche<br />

Sexualität<br />

• Übernahme von Selbstverantwortung für das eigene Handeln und die eigene<br />

Sexualität<br />

• Entwicklung von Opferempathie<br />

• Beendigung von Isolation und Selbstabwertung<br />

5


Deliktbezogene<br />

Ziele<br />

Deliktbezogene<br />

Gruppe<br />

4 Arbeitsweisen der sozialpädagogischen <strong>Intensivgruppe</strong><br />

4.1 Aufnahmeverfahren<br />

Wohngruppe<br />

Entwicklungsbezogene Ziele<br />

Psychotherapie<br />

(bei Bedarf)<br />

Obwohl die Aufnahme der sexuell gewalttätigen Jungen vor dem Hintergrund von<br />

Opferschutz und Gruppen- bzw. Familiendynamik unter Zeit- und Handlungsdruck steht, sind<br />

eine genaue Auftragsklärung und eine sorgfältige Diagnostik unerlässlich. Das<br />

Aufnahmeverfahren gliedert sich in mehrere Schritte von der ersten Anfrage bis zur<br />

Entscheidung über die Aufnahme im ersten Hilfeplangespräch. Ziel ist es, eine für alle<br />

Beteiligten qualifizierte, transparente und tragfähige Entscheidung zu treffen.<br />

Vorgeschaltete Informationsgespräche, Vorgespräche, Helferkonferenzen, Gespräche in der<br />

Herkunftsfamilie und mit dem Jungen dienen dazu, die Aufnahmemöglichkeit unter<br />

Berücksichtigung der besonderen Indikation der dokumentierten sexuellen Gewalt und evt.<br />

Ausschlusskriterien zu prüfen und zu erörtern. Im Aufnahmegespräch muss sich der Junge<br />

verbindlich für die Mitarbeit an der sozialpädagogischen Diagnostik festlegen, die noch vor<br />

der Aufnahme ambulant durchgeführt wird. Parallel dazu wird eine externe Kontrollinstanz<br />

(Jugendamt, Erziehungsberechtigte) eingerichtet. Die Entscheidung über die Aufnahme<br />

erfolgt im ersten Hilfeplangespräch, in das erste diagnostische Ergebnisse einfließen. Ziele<br />

und konkrete Absprachen über die Aufnahme in die Gruppe, die Verweildauer und die<br />

Teilnahme an der deliktorientierten Gruppe werden dabei in einem verbindlichen Kontrakt<br />

schriftlich festgehalten.<br />

6


Verkürztes Aufnahmeverfahren:<br />

Wenn eine schnelle Aufnahme stattfinden muss, ist die Unterbringung des Jungen während<br />

der Diagnostik im erweiterten Verbund des <strong>Albert</strong>-<strong>Schweitzer</strong>-<strong>Kinderdorf</strong>s (Inobhutnahme,<br />

Einzelbetreuung in Zusammenarbeit mit dem ambulanten Dienst) möglich. Kommt der Junge<br />

aus einer Einrichtung, hat diese die Verantwortung für die erste Konfrontation.<br />

Erst nach der Diagnostik durch die fachliche Leitung wird in einem ersten Hilfeplangespräch<br />

über die zeitnahe Aufnahme (oder Nichtaufnahme) entschieden.<br />

Aufnahmekriterien<br />

• Aufnahmealter von 6 bis 13 Jahren<br />

• Dokumentierte sexuelle Gewalttätigkeit<br />

• Beschulbarkeit<br />

• Minimale Fähigkeit zur Selbstkontrolle und Eigenverantwortung<br />

• Ausreichende kognitive Fähigkeiten und zur Entwicklung von Reflexion<br />

• Bereitschaft zur Mitarbeit<br />

Ausschlusskriterien:<br />

• Massive Verleugnung des Deliktes, die in der Anfangsphase nicht überwunden<br />

werden kann<br />

• Verweigerung der Mitarbeit.<br />

• Gravierender Mangel an Gruppenfähigkeit<br />

• Schwere psychische Störungen<br />

• Regelmäßiger Drogenkonsum (auch Alkohol)<br />

<strong>Sozialpädagogische</strong> Diagnose:<br />

• Möglichst vollständige Abklärung von Ausmaß und Intensität der sexualisierten<br />

Gewalt<br />

• Einschätzung zum Rückfallrisiko<br />

• Umfassende Anamnese: biographisch, familiär, Sexualität, Verhaltensauffälligkeiten<br />

• komplettes Bild über das Familiensystem inkl. der wichtigen Beziehungsstrukturen<br />

(Abwertung, Verschiebung von Verantwortung, Bagatellisierung von Problemen etc.)<br />

und der sozialen Kompetenzen<br />

• Analyse der sozialen Kompetenzen des Minderjährigen<br />

• Analyse der Beziehungsfähigkeit und der Art der Beziehungsangebote des<br />

Minderjährigen<br />

• Abklärung von therapeutischem Bedarf<br />

• Abklärung der Notwendigkeit einer psychiatrischen Diagnostik<br />

7


4.2 Gruppenpädagogik<br />

Die Gruppenpädagogik in der sozialpädagogischen <strong>Intensivgruppe</strong> orientiert sich an den<br />

pädagogischen Standards von Wohngruppen im <strong>Albert</strong>-<strong>Schweitzer</strong>-<strong>Kinderdorf</strong>. Sie<br />

unterscheidet sich in zentralen Merkmalen von diesen Wohngruppen durch:<br />

• die homogene Zusammensetzung in Bezug auf eine gemeinsame<br />

Verhaltensauffälligkeit der Jungen, die dokumentierte sexuelle Gewalttätigkeit<br />

• das Ziel, die Jungen als „Täter“, „Mittäter“ und „Opfer“ vor sexuellen Übergriffen,<br />

Rückfällen und ggf. vor Straffälligkeit zu schützen<br />

• die besondere pädagogisch-therapeutische Hilfeform durch die Verknüpfung der<br />

Deliktorientierten Gruppe mit der Wohngruppe und durch die externe Kontrolle<br />

• die intensiv strukturierende und begleitende Gruppenpädagogik als<br />

Wachstumschance<br />

• die Betreuungsintensität mit dem Personalschlüssel 1:1, die erhöhte Sicherheit und<br />

Kontrolle ermöglicht.<br />

Rahmenbedingungen, Strukturen und Regeln, räumliche und personelle Ressourcen,<br />

Angebote und Methoden der Gruppenpädagogik berücksichtigen und reflektieren die doppelte<br />

Zielsetzung von entwicklungs- und deliktbezogenen Zielen im Alltag. In die<br />

sozialpädagogische <strong>Intensivgruppe</strong> werden sieben Jungen aufgenommen.<br />

Räume<br />

• Einzelzimmer für die Jungen<br />

• Gruppenräume<br />

• Räume für körperliche und kreative Tätigkeiten und Projekte<br />

• Therapieraum<br />

Personelle Ressourcen<br />

Der Personalschlüssel von 1:1 ermöglicht eine Dienstplangestaltung mit regelmäßigem<br />

Doppeldienst sowie verstärkte Kontrolle. Die Organisation von Begleitung der Jungen nach<br />

außen (externe Kontrolle), Arbeit mit Kleingruppen, Krisenintervention, Einzelangebote,<br />

abendliche Gruppensitzung mit doppelter Besetzung, enge Kooperation mit den Schulen und<br />

den Herkunftsfamilien wird damit gewährleistet. Jeder Junge hat einen verantwortlichen<br />

pädagogischen Mitarbeiter, der u. a. ein wöchentliches Einzelangebot macht und für<br />

Biografiearbeit zuständig ist.<br />

8


Das gemischtgeschlechtliche Mitarbeiterteam setzt sich zusammen aus erfahrenen<br />

SozialpädagogInnen. Zum Anforderungsprofil gehören Fortbildungen im Umgang mit<br />

sexueller Gewalt, Jungenarbeit, Täterarbeit und Sexualpädagogik. Der bewusste und<br />

kontrollierte Umgang mit Nähe und Distanz, mit Spaltungstendenzen und Übertragungen<br />

durch die Jungen stellt hohe Anforderungen an das Reflexionsvermögen und das<br />

Handlungsrepertoire der Pädagogen. Diesen besonderen Anforderungen tragen wir Rechnung,<br />

indem wir der Gruppenleitung und dem Team eine fachliche Leitung zur Seite stellen.<br />

Regelmäßige Fallbesprechungen und Supervision unterstützen und begleiten die fachliche<br />

pädagogische Arbeit.<br />

Tages- und Wochenstruktur<br />

Die Tages- und Wochenstrukturen innerhalb der sozialpädagogischen <strong>Intensivgruppe</strong> richten<br />

sich nach normalen Alltagsabläufen mit alters- und entwicklungsgemäßen Anforderungen an<br />

Übernahme von Verantwortung. Jedoch handelt es sich um eine „arrangierte Normalität“, in<br />

der durch eine straffere Gestaltung des Alltags und der Freizeitangebote Überschaubarkeit,<br />

Sicherheit und die Möglichkeit persönlichen Wachstums für die Jungen bereitgestellt werden.<br />

„Leerlauf“ ist für diese Kinder nicht hilfreich und entspannend, sondern eine Gefahr, von<br />

Ängsten und anderen bedrängenden Gefühlen wie Ohnmacht oder Selbsthass überwältigt zu<br />

werden. Klare und transparente Abläufe dienen der Sicherheit der Jungen. Die bewusste<br />

Kontrolle und die Gruppenregeln schaffen ein Milieu, in dem die Umsetzung der<br />

entwicklungsbezogenen und deliktbezogenen Ziele erst möglich ist. Das beinhaltet, dass die<br />

Notwendigkeit der Kontrolle, die Gruppenregeln und die pädagogischen Interventionen mit<br />

den Jungen transparent und verstehbar erörtert werden.<br />

Tagesstruktur<br />

• Gemeinsames Frühstück<br />

• Schulbesuch (mit Begleitung auf dem Schulweg)<br />

• Gemeinsames Mittagessen<br />

• Lern- und Hausaufgabenzeit<br />

• Strukturiertes Freizeitangebot<br />

• Gruppendienste<br />

• Gemeinsames Abendessen<br />

• Gruppensitzung mit Tagesreflexion und Feedback<br />

Wochenstruktur<br />

• Täglich wechselnde Freizeitangebote (Sport, kreative Angebote,<br />

Erlebnispädagogik, Kochen, etc.)<br />

• Deliktbezogene Gruppe (einmal pro Woche)<br />

• Themenbezogene, längerfristige Projekte und Freizeiten<br />

• Wochenend-Projekte: 1x im Monat eine Out-Door-Aktivität<br />

9


Beziehungsangebot der SozialpädagogInnen<br />

Das verlässliche Beziehungsangebot der SozialpädagogInnen ist getragen von Respekt,<br />

Wertschätzung und Annahme und durch klare Grenzsetzung und Kontrolle. Diese Haltungen,<br />

Werte und Normen dominieren das Beziehungsklima der Gruppe und schaffen damit die<br />

Basis für die Entwicklung von Vertrauen, Halt, Sicherheit und Orientierung. Im Sinne der<br />

doppelten Hilfestellung von entwicklungsbezogenen und deliktbezogenen Zielen ist der<br />

Blickwinkel der Pädagogen einerseits auf eine breite Förderung der Persönlichkeit und auf die<br />

Entwicklung alternativer Verhaltensweisen und Beziehungsmuster der Kinder und anderseits<br />

auf Kontrolle und Verhinderung erneuter sexueller Übergriffe gerichtet. Dabei werden die<br />

Jungen nicht auf ihre Symptome und Probleme reduziert, sondern mit ihren emotionalen und<br />

sozialen kindlichen Bedürfnissen und mit vielen Stärken und Potenzialen wahrgenommen.<br />

Eine schrittweise Erprobung neuer sozialer Kompetenzen geschieht im Aufbau von stabilen<br />

und korrigierenden Beziehungen zu Erwachsenen. Respektvoller und wertschätzender<br />

Umgang und das klare Einhalten von Grenzen wird von den Pädagogen vorgelebt. Durch die<br />

Entwicklung tragfähiger Beziehungen zu den pädagogischen MitarbeiterInnen werden neue<br />

Wege gangbar, die ein emotionales und kognitives Nachreifen ermöglichen. Sie bieten<br />

alternative Verhaltens- und Rollenmodelle an und üben diese mit den Jungen im Alltag.<br />

Soziales Lernen in der Gruppe<br />

Die Jungen kommen oft aus einer Umgebung, in der Abwertung, Beleidigung und<br />

Missachtung prägend waren. Deshalb ist der Aufbau neuer Kommunikationsformen und<br />

gewaltfreier Beziehungen zentrales Ziel. Die SozialpädagogInnen unterstützen und fördern<br />

einen wertschätzenden Umgang und eine positive Selbstwahrnehmung. Sie sensibilisieren die<br />

Jungen in der Wahrnehmung und Akzeptanz eigener und fremder Grenzen. Über die<br />

Fähigkeit zum Perspektivenwechsel und zur -übernahme kann sich allmählich Empathie<br />

entwickeln. Gelungene Formen der Beziehungsgestaltung werden verstärkt Verbale<br />

Abwertung und abschätziges Verhalten werden dagegen sofort gestoppt und reglementiert.<br />

Die schnellen Rückmeldungen der SozialpädagogInnen haben auch die Funktion, die<br />

Verzerrung von Selbst- und Fremdwahrnehmung abzubauen und realistischere Sichtweisen zu<br />

fördern. In den abendlichen Gruppensitzungen spielt die Selbstreflexion, die verbale<br />

Artikulation von Gefühlen und Standpunkten und das Feedbackgeben und -annehmen eine<br />

wichtige und stabilisierende Rolle. Methodisch werden außerdem u. a. Livespace-Interview,<br />

Einzelgespräche, Skulpturen, Rituale, Rollenspiele und das Phasenmodell eingesetzt.<br />

Die Beziehungen der Jungen untereinander stellen ein wichtiges soziales Lernfeld dar. Die<br />

Jungen sollen ihre legitimen Bedürfnisse nach Kontakt, Nähe, Angenommensein und<br />

Wertschätzung erleben und ausleben, ohne dabei sexuelle und körperliche Gewalt und Macht<br />

auszuüben. Die gleiche Symptomatik und die eigene Kenntnis von sexuell gewalttätigen<br />

Beziehungskonstellationen erhöht die Chance gegenseitiger Aufmerksamkeit und Korrektur.<br />

Die gruppendynamischen Prozesse und Rückmeldungen sind als wertvolles Korrektiv nicht<br />

hoch genug zu bewerten. Selbst- und Fremdwahrnehmung der Jungen werden in den<br />

Interaktionen geformt und verändert. Eingebettet in Alltagssituationen und über das<br />

Stufenmodell üben die Jungen Selbstkontrolle und die Übernahme von Eigenverantwortung.<br />

10


Die Entwicklungsprozesse der Jungen in der Wohngruppe und in der deliktbezogenen Gruppe<br />

werden in den wöchentlichen Fallgesprächen ausgetauscht und koordiniert. (siehe auch<br />

deliktbezogene Gruppe und Stufenmodell)<br />

Erlebnis- und freizeitpädagogische Angebote<br />

Ängste und Misserfolgserwartungen bestimmen das schlechte Selbstwertgefühl und das<br />

Verhalten der Jungen. Im besonderen Maße muss ihre Frustrationstoleranz gesteigert werden.<br />

Deshalb sind sehr starke Anreize erforderlich, um ihnen attraktivere Formen der<br />

Bedürfnisbefriedigung und motivierende Erfolgserlebnisse zu schaffen. Es ist für die Jungen<br />

eine qualitativ neue Erfahrung, Spaß, Entspannung, Lust und Selbstbestätigung entkoppelt<br />

von Sexualität zu erleben. Das tägliche Freizeitangebot, längerfristige themenbezogene<br />

Projekte und Out-Door-Aktivitäten am Wochenende und bei Ferienfreizeiten eröffnen ihnen<br />

alternative emotionale und soziale Erfahrungs- und Erlebensräume (Fitness, Sport, Spiel,<br />

Klettern, Radfahren, Wandern, Kanufahren, kreative und kulturelle Angebote).<br />

Erfolgserlebnisse dienen dabei dem Abbau von Ängsten, der Stabilisierung des<br />

Selbstwertgefühls und der Erweiterung konstruktiver Handlungskompetenzen. Mit<br />

zunehmender Übernahme von Selbstkontrolle wird eine schrittweise Integration und<br />

Orientierung außerhalb des geschützten Rahmens der sozialpädagogischen <strong>Intensivgruppe</strong><br />

erprobt und gefestigt.<br />

Geschlechtsspezifische Pädagogik<br />

Ein weiterer Schwerpunkt der Gruppenarbeit ist die geschlechtsspezifische Pädagogik. Die<br />

Auseinandersetzung mit Geschlechtsrolle und –identität findet neben der deliktorientierten<br />

Gruppe situativ im Alltag und in der Projektarbeit statt. Jungenarbeit im Rahmen der sozial<br />

therapeutischen Wohngruppe bedeutet nicht, Jungen von einem bestimmten Lebensentwurf zu<br />

überzeugen, sondern vielmehr sie bei einer bewussten und eigenverantwortlichen<br />

Auseinandersetzung mit der eigenen Geschlechtsrolle zu unterstützen.<br />

4.3 Externe Kontrolle: Ausgang und Besuchskontakte<br />

Die externe Kontrolle ist ein Bestandteil der Außenstrukturierung. Sie ist eine unterstützende<br />

Hilfe zur Erreichung der Selbstkontrolle. Sie soll<br />

• Hilfe bieten hinsichtlich fehlender Selbst- und Impulskontrolle, d.h. vor direkter<br />

Fortsetzung sexueller oder anderer Gewalthandlungen (Opferschutz und Selbstschutz)<br />

• Schutz vor schädigenden Außenkontakten bieten<br />

• die Entwicklung eines realitätsgerechten Umganges mit äußeren Regeln fördern, die den<br />

spontanen Bedürfnissen entgegen stehen<br />

• die Entwicklung eines verantwortlichen Umgangs mit Absprachen und allgemein von<br />

Selbstverantwortung unterstützen<br />

11


Stufen der externen Kontrolle<br />

Die externe Kontrolle bezieht sich auch auf die Gestaltung der Außenkontakte, d.h. der<br />

Ausgangs- und der Besuchskontakte. Es gibt verschiedene aufeinander folgende Stufen:<br />

Stufe 1: kein unbegleiteter Ausgang, soziale Kontakte begleitet und/oder kontrolliert,<br />

kein Handy und keine unkontrollierten Telefonkontakte<br />

Stufe 2: zeitlich befristeter zielgerichteter unbegleiteter Ausgang nach Absprache<br />

(definierter Ort und definierte Zeitbegrenzung), Pünktlichkeitskontrolle. Falls<br />

möglich und erwünscht: Familienbesuche am Tag unter diesen<br />

Rahmenbedingungen. Die zeitliche Befristung ist zu Beginn dieser Stufe eng<br />

und kann dann nach Einschätzung ausgeweitet werden.<br />

Stufe 3: Zeitlich befristeter freier Ausgang nach Absprache, sonst wie Stufe 2.<br />

Stufe 4: Freier Ausgang nach Absprache Wenn Rückführung in die Familie oder in die<br />

Herkunftseinrichtung geplant: Gelegentliche Wochenendbesuche in der<br />

Familie bzw. in der Einrichtung während der letzten 6 Monate des Aufenthaltes<br />

in der Gruppe.<br />

Übergang in die nächste Stufe<br />

Jedes Kind durchläuft die Stufen in dieser Reihenfolge. Vor dem Wechsel in die nächste Stufe<br />

findet eine gemeinsame Fallbesprechung mit dem pädagogischen Team, dem Team der<br />

deliktbezogenen Gruppe und ggfs. der Einzeltherapeutin/ dem Einzeltherapeuten (beratend)<br />

statt. Die fachlichen Bedenken gegen den Wechsel werden dokumentiert und es wird ein<br />

Zeitraum vereinbart, nach dem erneut über den Wechsel beraten wird.<br />

Wird in der Fallbesprechung die Höherstufung befürwortet, wird dies dem Jungen zuerst in<br />

einem Einzelgespräch mitgeteilt und begründet. Danach wird der Wechsel in die nächste<br />

Stufe in der deliktspezifischen Gruppe besprochen, um den Jungen einen Rahmen für<br />

gegenseitige konstruktive Rückmeldungen zu geben.<br />

Die Zeitdauer der einzelnen Stufen ist nicht festgelegt, sondern richtet sich nach der<br />

individuellen Entwicklung des einzelnen Minderjährigen. In den Stufen 1 und 2 wird<br />

regelmäßig überprüft, ob eine Veränderung des Rahmens innerhalb der Stufe möglich ist.<br />

Wenn sich ein Minderjähriger länger als 3 Monate in Stufe 1 oder 2 befindet, muss dazu eine<br />

Fallbesprechung stattfinden. Bei einem Wechsel in eine andere Stufe oder einem<br />

überdurchschnittlich langen Verbleib in einer Stufe ist das Jugendamt mit einzubeziehen<br />

(Hilfeplanung).<br />

12


Kriterien für eine Höherstufung<br />

• Zuverlässigkeit<br />

• Verbesserung der Beziehungsfähigkeit<br />

• Verantwortungsübernahme für das eigene Handeln<br />

• Respekt für Bedürfnisse und vor Grenzen anderer<br />

• Verminderung sexualisierten Verhaltens<br />

• Offener Umgang mit dem Delikt<br />

Rückstufung in eine frühere Stufe<br />

Bei Regelverstößen, die sich auf den Ausgang beziehen, bei Gewalthandlungen während des<br />

Ausgangs und bei der Wiederholung sexueller Gewalthandlungen kann in einer<br />

Fallbesprechung die Rückstufung in eine frühere Stufe beschlossen werden. Entscheidende<br />

Kriterien für eine Rückstufung sind Sicherheitsrisiken, Überforderungssituationen und<br />

pädagogische Aspekte. Eine Rückstufung ist keine Strafmaßnahme. Das Procedere entspricht<br />

dem des Wechsels in die nächste Stufe mit folgender Ausnahme: Ist hinsichtlich der<br />

Rückstufung in der Fallkonferenz kein Konsens zu erreichen, entscheiden die Fachleitung und<br />

die Bereichsleitung über die Rückstufung. In diesem Fall kann, falls erforderlich, die<br />

Fachleitung das Einzelgespräch führen. Bei Rückstufungen werden die Begründungen, aber<br />

nicht die Entscheidungen in der Gruppe diskutiert.<br />

4.4 Die Deliktbezogene Gruppe<br />

•<br />

Entsprechend der oben beschriebenen Zielsetzungen wird mit den Minderjährigen in der<br />

Gruppe sowohl deliktorientiert als auch entwicklungsorientiert gearbeitet. Beide Blickwinkel<br />

sind, ebenso wie beide Geschlechter, in einer doppelten Gruppenleitung repräsentiert. Die<br />

Gruppe arbeitet mit einer Frequenz von 1 Doppelstunde pro Woche. Die Verweildauer in der<br />

Gruppe beträgt 2 Jahre. Fragestellungen, bei denen die Minderjährigen einen Anspruch auf<br />

einen Rahmen haben, der ihre Intimität schützt, (z. Bsp. Masturbationsphantasien), können in<br />

Einzelgesprächen bearbeitet werden.<br />

Alle Regeln für die Teilnahme an der Gruppe müssen den teilnehmenden Minderjährigen<br />

verständlich sein und ihnen schriftlich zur Verfügung stehen. Dies gilt auch für die<br />

Konsequenzen, die Regelverstöße nach sich ziehen. In der Deliktbezogenen Gruppe werden<br />

die Einstufungen diskutiert.<br />

Selbst- und fremdgefährdende Inhalte Unterliegen nicht der Vertraulichkeit. Sie werden<br />

gegenüber den Eltern sowie ggfs. dem Jugendamt transparent behandelt. Alle nicht<br />

deliktrelevanten Aspekte werden von der Gruppenleitung vertraulich behandelt.<br />

13


Methoden in der Gruppenarbeit:<br />

•<br />

• schriftliche Vereinbarungen (altersgemäß)<br />

• Tatrekonstruktion<br />

• Fragebögen<br />

• konfrontative Spiegelungen<br />

• Rollenspiele<br />

• Tagebücher und Arbeitsblätter<br />

• Empathietraining<br />

4.5 Umgang mit Rückfällen<br />

•<br />

• Gültig sind die allgemeinen Richtlinien des ASK <strong>Kinderdorf</strong>es Hanau im Umgang mit<br />

sexuell übergriffigen Jungen und Mädchen. Rückfälle führen nicht zwangsläufig zum<br />

Ausschluss aus der Gruppe. Folgende Arbeitsschritte werden eingeleitet:<br />

•<br />

• Die Sicherheit des Opfers wird zuverlässig sichergestellt.<br />

• Für das Opfer zuständige Institutionen und Personen werden informiert.<br />

• Hilfeplanung und Auflagen müssen überprüft und ggf. verändert werden.<br />

• Unterschiede zu den Delikten vor der Teilnahme an der Gruppe müssen genau<br />

bewertet werden (z. B. Steigerung der Intensität, sadistische Tönung etc.)<br />

• Der Rückfall muss in der Gruppe Gleichaltriger hinsichtlich auslösender und<br />

begünstigender Faktoren sowie vorausgehender Warnsignale als Kontrolle und<br />

Unterstützung bearbeitet werden. Dabei spielt die Frage „Was hättest Du anders<br />

machen können?“ eine wichtige Rolle.<br />

• Der Rückfall muss im Team hinsichtlich auslösender und begünstigender Faktoren<br />

sowie vorausgehender Warnsignale als Kontrolle und Unterstützung bearbeitet werden<br />

• Die Einstufung muss überprüft werden.<br />

•<br />

5. Elternarbeit<br />

Die Arbeit mit der Herkunftsfamilie und die Einbindung des familiären Umfeldes sind in<br />

dieser Gruppe von folgenden Komponenten besonders abhängig:<br />

• Einbindung der Eltern in die Dynamik der sexuellen Gewalt<br />

• Erreichbarkeit und räumliche Nähe<br />

• Bereitschaft der Eltern, das Delikt ihres Sohnes als Tatsache zu akzeptieren<br />

• Mitwirkung der Eltern bei der externen Kontrolle im Rahmen von Besuchen in der<br />

Einrichtung und bei Wochenendbeurlaubungen.<br />

Die Eltern von Jungen, die sexuelle Gewalt ausüben, sind in einem besonderen Dilemma, weil<br />

sie sich einerseits loyal ihrem Sohn gegenüber fühlen und verhalten, sich aber anderseits klar<br />

zum Delikt des Sohnes positionieren müssen, d. h. es als Tatsache akzeptieren und weder<br />

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agatellisieren noch verdrängen sollen. Nicht selten sind sie selbst verstrickt und/oder fühlen<br />

sich schuldig, ihre elterliche Verantwortung nicht angemessen ausgeübt zu haben. Die<br />

innerfamiliäre Dynamik wird besonders brisant, wenn ein Geschwister Opfer der<br />

Grenzverletzung geworden ist und der Opferschutz in der Familie garantiert werden muss.<br />

Bei innerfamiliärem sexuellem Missbrauch sind Besuche der Eltern abhängig vom<br />

Fallverlauf.<br />

Formen und Inhalte der Elternarbeit werden auf den individuellen Fall abgestimmt und tragen<br />

den möglichen Entfernungen Rechnung (Besuchstage etc.). Die Ziele und Inhalte der<br />

Elternarbeit sind verknüpft mit den Stufen der externen Kontrolle (Telefonate, Besuche) und<br />

den Inhalten in der deliktorientierten Gruppe.<br />

Arbeit mit der Herkunftsfamilie beginnt in den Einzelgesprächen im Rahmen der Abklärung<br />

und Anamnese und ist während des zweijährigen Aufenthaltes der Jungen notwendig. Das<br />

wichtigste Ziel der Elternarbeit ist es, von den Eltern die implizite Erlaubnis zu erhalten, dass<br />

der Junge in der sozialpädagogischen <strong>Intensivgruppe</strong> bleiben darf. Dabei wird an folgenden<br />

Teilzielen mit den Eltern gearbeitet<br />

• Akzeptieren der Tatsache des Deliktes der sexuellen Gewalt<br />

• Überwindung kognitiver Verzerrung in Bezug auf das sexualisiert gewalttätige<br />

Verhalten des Minderjährigen und auf die Folgen des Deliktes. Beendigung von<br />

Bagatellisierung, Umdeutung und Schuldverlagerung.<br />

• Akzeptieren der externen Kontrolle der Minderjährigen durch Institutionen und<br />

Bereitschaft ggf. selbst Kontrolle auszuüben.<br />

• Akzeptieren, dass die Teilnahme an der Gruppe für die Minderjährigen nicht<br />

Bestrafung, sondern konstruktive Hilfe ist. Bestärken der Minderjährigen, in der<br />

Gruppe aktiv mitzuarbeiten.<br />

Bei Besuchen der Eltern in der Einrichtung (ab Stufe 2) und bei Beurlaubungen im Falle einer<br />

Rückführung werden weitere langfristige Ziele verfolgt:<br />

• Reflexion der Hintergründe des sexuell gewalttätigen Verhaltens des Minderjährigen 1 .<br />

• Reflexion der Auswirkungen des Deliktes auf das Selbstbild als Eltern<br />

Bei einer Rückführung wird die Elternarbeit intensiviert und in enger Kooperation mit dem<br />

zuständigen Jugendamt abgestimmt. Kooperative Aufteilung und Ergänzung der Elternarbeit<br />

durch regionale Institutionen ist bei weiteren Entfernungen der Herkunftsfamilien sinnvoll.<br />

Ein vierteljährliches Angebot von Elternwochenenden durch die Fachkräfte der<br />

sozialpädagogischen <strong>Intensivgruppe</strong> dient der zusätzlichen Unterstützung der Eltern. Themen<br />

sind Aufklärung, Reflexion und der Austausch zwischen den Eltern. Damit können ebenfalls<br />

Eltern erreicht werden, die größere Entfernungen überwinden müssen<br />

1 Dazu gehören auch missbrauchsbegünstigende Strukturen im Herkunftssystem der Minderjährigen.<br />

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Elternarbeit hat immer dann ihre Grenzen, wenn Eltern die Teilnahme an Gesprächen und<br />

jede Kooperation verweigern. Dies gilt auch, wenn sie aktiv die Arbeit mit den<br />

Minderjährigen sabotieren, z.B. durch Bestärken der Verleugnungstendenzen des<br />

Jugendlichen. Traumatogene Einflüsse und Schädigungen durch die Herkunftsfamilie stellen<br />

den Erfolg der Maßnahme in Frage und sollen vermieden werden, ggf. auch durch klare<br />

Regelungen über das Vormundschaftsgericht<br />

6. Kooperationen<br />

Neben der engen Kooperation mit dem Jugendamt, den Eltern, Schulen und/oder abgebenden<br />

Jugendhilfeeinrichtungen werden zu folgenden Kooperationspartnern regelmäßige Kontakte<br />

aufgebaut:<br />

• Psychotherapeuten<br />

• Ambulanz der Kinder- und Jugendpsychiatrie<br />

• Ärzte<br />

• Polizei<br />

• Staatsanwaltschaft<br />

• Fachstellen wie Drogenberatung, Hanauer Hilfe<br />

• Arbeitskreise sexuelle Gewalt<br />

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