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Andacht _______________________________________ 4 Gerhard Richter: Kerze … den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen ... Was kann eine Kerze schon ausrichten? Ein Luftzug, eine falsche Bewegung – und die Flamme ist erloschen. Das konnte man zum Beispiel beim Kirchentag in Dresden erleben. Vielleicht haben Sie es in den Medien gesehen oder waren selbst dabei: Am „Abend der Begegnung“ gab es ein Lichtermeer auf beiden Seiten der Elbe. Tausende von Kerzen brannten und erleuchteten das Elbufer. Immer wieder kam an diesem Abend Wind auf. Ständig wurden Kerzen ausgeweht. Aber immer wieder wurden sie an ande- Jesaja 42, 3 ren Kerzen angezündet. Es konnte noch so windig sein – einzelne Kerzen konnten verlöschen, aber das Licht der Kerzen insgesamt setzte sich gegen den Wind in der Dunkelheit durch. Kerzen sind empfindliche Lichtquellen. Eine Taschenlampe oder eine fest installierte Lampe sind da in der Regel zuverlässiger. Aber dennoch ist Kerzenlicht etwas Besonderes. Es macht schon einen Unterschied, ob ich eine Lampe einschalte oder eine Kerze anzünde. Das Licht der Kerze ist lebendig. Die Flamme flackert – mal mehr,
mal weniger. Sie leuchtet, aber sie blendet nicht. Sie ist verletzbar, hat aber trotzdem große Kraft. Schließlich weiß man, dass bereits ein Funke genügt, um ein verheerendes Feuer zu entfachen. Eigentlich würden wir ja heute keine Kerzen mehr benötigen. Das Licht kommt auf Knopfdruck, per Bewegungsmelder oder Dämmerungsschalter. Aber wer möchte schon in einer Kirche eine Glühbirne oder ein anderes „Leuchtmittel“ in Gedenken an einen lieben Menschen anknipsen. Da ist das Anzünden einer Kerze doch etwas ganz anderes. Die Lebendigkeit, Helligkeit und Wärme der Flamme ist ein starkes Symbol für die Liebe. Und wenn ich Nähe, Freundschaft oder Liebe ausdrücken möchte, kann ich das besser mit einer Kerze als mit dem statischen Leuchten einer Lampe – auch wenn die Technik heute vieles möglich macht. Bei vielen Demonstrationen und Lichterketten vertraut man immer wieder auf die Symbolkraft von Kerzen, die – wie gesagt – einzeln leicht zu löschen sind, aber in ihrer Fülle doch auf die Kraft hinweisen, die in ihnen steckt. Bei den Demonstrationen in der damaligen DDR haben wir es erlebt: die Kraft der Kerzen und die Kraft der gewaltlosen Proteste. Es ist also vielleicht doch kein Wunder, dass das Bild einer einzelnen brennenden Kerze des Malers Gerhard Richter einem Käufer vor einigen Wochen annähernd 12 Millionen Euro wert war. Vor der Wende in der DDR gemalt, ist dieses Bild auch ein Symbol für das, was damals mit Kerzen in den Händen erreicht wurde. „Es werde Licht. Und es ward Licht.“ Das ist die erste Schöpfungstat Gottes in 1. Mose 1. Gott will Licht statt Dunkelheit. Das zieht sich durch die ganze Bibel. Und Gott will dafür sorgen, dass das Licht niemals verlöscht. Bei Jesaja heißt es im 42. Kapitel in Vers 3: „…den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen.“ Gott achtet auf alle kleinen Anfänge und steht ihnen bei. Es kommt nicht nur auf die großen Wunder der Schöpfung an, die niemand als Gott allein leisten kann. Es kommt auch auf die kleinen Wunder an, die wir immer wieder an allen Orten bewirken können. Wenn wir auf Geburtstagskuchen, in Kirchen, in Trauerhallen, auf Gräbern, bei Taufen oder am Adventskranz Kerzen anzünden, dann wird es in unserer unmittelbaren Umgebung ein wenig – und manchmal kaum wahrnehmbar – heller und wärmer. Aber es wird auch in uns und in anderen Menschen sehr deutlich wärmer und heller. Herzlichst Ihr 5
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