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von Frauen und Männern - Evangelisch-Theologische Fakultät

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Wahrnehmung<br />

4_3_2 Geme inschafi: <strong>von</strong><br />

<strong>Frauen</strong> <strong>und</strong> <strong>Männern</strong><br />

In der <strong>Evangelisch</strong>en Kirche in Deutschland ist mittlerweile eine juristische<br />

Gleichstellung <strong>von</strong> <strong>Frauen</strong> <strong>und</strong> <strong>Männern</strong> erreicht. Sie zeigt sich auch darin,<br />

dass Pastorinnen zum selbstverständlichen Bild in Kirchengemeinden gehören.<br />

Dennoch bleibt die Frage, wie d ie Art <strong>und</strong> Weise der Gemeinschaft<br />

<strong>von</strong> <strong>Männern</strong> <strong>und</strong> <strong>Frauen</strong> in der Kirche zu verstehen ist, bis heute umstritten.<br />

Dieses spiegelt sich unter anderem in unterschiedlichen Partizipationsmöglichkeiten<br />

wider. In kirchlichen Leitungsämtern sind <strong>Frauen</strong> bis heute<br />

unterrepräsentiert, während in der ehrenamtlichen Tätigkeit d ie Zahl der<br />

<strong>Frauen</strong> deutlich überwiegt. 7' Ehrenamt, S. 671<br />

Orientierung<br />

1. Die urchristlichen Anfänge<br />

Die Gemeinschaft <strong>von</strong> <strong>Frauen</strong> <strong>und</strong> <strong>Männern</strong> fand im Lauf der Geschichte<br />

der Kirche sehr unterschiedliche Ausdrucksformen. Die Anfange waren zunächst<br />

verheißungsvoll: Paulus knüpfte in seiner Auffassung <strong>von</strong> der Kirche<br />

sowohl an jüdische als auch an griechische Vorstellungen an. So verstand er<br />

die Hausgemeinden in Analogie zur Vollversamm.lung der freien männlichen<br />

Bürger einer Stadt als ekklesia. Er übernahrn damit sowohl Bezeichnung<br />

als auch Idee für die frühchristliche Kirche aus dem ihn umgebenden<br />

griechischen Kulturraum. Zugleich wurden in den paulinischen Gemeinden<br />

die mit der Zugehörigkeit zur ekklesia verb<strong>und</strong>enen Rechte aber nich.t nur<br />

<strong>von</strong> <strong>Männern</strong>, sondern auch <strong>von</strong> <strong>Frauen</strong> <strong>und</strong> Sklaven wahrgenommen. Alle<br />

waren gleichberechtigte Vollbürger der ekklesia Gottes. In den Voll versamlnlungen<br />

stand <strong>Frauen</strong> Rederecht zu. Den einclrücklichsten Beleg für<br />

diese egalisierend-demokratische Sozialstruktur der Urchristenheit findel<br />

sich in Gal 3,28. Dort heißt es: »Denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft<br />

seid, habt Christus angezogen. Hier ist nicht Jude noch Grieche. hier ist<br />

nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt<br />

einer in Christus.« Alle Menschen, die ihre Identität zuvor daraus be-<br />

Gemeinschaft <strong>von</strong> <strong>Frauen</strong> <strong>und</strong> M8nnern 445


zogen, einer bestimmten Ethnie, einer bestimmten Schicht oder einem bestimmten<br />

Geschlecht zuzugehören, sind durch die Taufe »einer in Christus«.<br />

Alle bisherigen Standesunterschiede <strong>und</strong> »natürlichen« Privilegien fallen<br />

damit dahin. Ein neues Miteinander <strong>von</strong> Menschen, <strong>von</strong> <strong>Frauen</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Männern</strong>, ist hier im Entstehen begriffen.<br />

Die neutestamentliche Wissenschaft legt großen Wert darauf, dass der programmatische<br />

Spitzensatz <strong>von</strong> Galater 3,28 nicht ei nfach nur Ausdruck<br />

einer Utopie war, sondern tatsächlich in den <strong>von</strong> Paulus gegründeten<br />

Gemeinden praktiziert wurde. Auch das Bild vom Leib Christi (1 Kor 12)<br />

veranschaulicht die Asymmetrien sprengende urchristliche Sozialität. Für<br />

Paulus wird elie Praxis der ekklesia zum zentralen Kriterium der Glaubwürdigkeit<br />

des Christusbekenntnisses. Hier entscheidet sich, ob die gesellschaftlich<br />

vorgegebenen Muster <strong>und</strong> Stigmatisierungen in der Zugehörigkeit<br />

zu Christus überw<strong>und</strong>en werden <strong>und</strong> eine neue Schöpfung in Christus<br />

erfahrbar wird oder nicht. Die gesellschaftlichen Asymmetrisierungen <strong>von</strong><br />

Juden <strong>und</strong> Griechen, <strong>von</strong> Herren <strong>und</strong> Sklaven, <strong>von</strong> <strong>Männern</strong> <strong>und</strong> <strong>Frauen</strong><br />

werden souverän ignoriert. Entscheidend ist eine an individuellen Charismen<br />

orientierte Gemeinschaft der Getauften. Denn die ekklesia ist Ausdruck<br />

der neuen Schöpfung <strong>und</strong> damit zugleich sichtbare <strong>und</strong> gelebte Kritik<br />

der zeitgenössischen (römischen) Gesellschaft.<br />

Doch auch Paulus hält diese Sichtweise nicht immer durch. Man spürt etlichen<br />

Auseinandersetzungen in den Paulusbriefen ab, wie mühsam <strong>und</strong> konfliktreich<br />

es war, sich <strong>von</strong> traditionellen paternalistischen Rollenmustern zu<br />

lösen. Die paulinischen Briefe bleiben deshalb ambivalent im Hinblick auf<br />

die Rolle der <strong>Frauen</strong> in Kirche <strong>und</strong> Gemeinde. Nicht jede patriarchalische<br />

Stelle in den Paulusbriefen, die heute zu Recht als frauen feindlich empf<strong>und</strong>en<br />

wird, ist allerdings Paulus selbst zuzuschreiben. So ist sich die neutestamentliche<br />

Forschung heute weitgehend einig, dass die Aufforderung, dass<br />

<strong>Frauen</strong> in den Gemeindeversammlungen schweigen sollten (1 Kor 14.,33b-<br />

36), nicht <strong>von</strong> Paulus selbst stammt, sonder eine später eingefügte Glosse<br />

darstellt. Ganz selbstverständlich geht Paulus <strong>von</strong> Mitarbeiterinnen in leitenden<br />

Tätigkeiten aus, wie beispielsweise die Grußliste des Römerbriefes<br />

zeigt (Röm 16,lft). Phöbe wird dort als Diakonin (Vorsteherin beim Abendmahl)<br />

der Gemeinde <strong>von</strong> Kenchreä genannt, Priska als Mitarbeiterin (die<br />

zusammen mit Aquila »für mein Leben ihren Hals hingehalten« haben,<br />

wie Paulus an anderer Stelle formuliert) <strong>und</strong> Junia als Apostelin (Röm 16,7)<br />

bezeichnet. Alle drei <strong>Frauen</strong> bekleideten demnach höchste leitende Ämter,<br />

Junia im Apostolat dem Apostel Paulus völlig gleichgestellt. Er scheint sich<br />

mit ihnen auch bestens zu verstehen. Weil das später nicht mehr vorstellbar<br />

war, wurde aus der Diakonin eine Frau »im Dienst der Gemeinde« <strong>und</strong> aus<br />

Junia, die »berühmt ist unter den Aposteln«, seit dem Mittelalter Junias, ein<br />

Mann. Eine neutestamentliche Studie über Amtsträgerinnen im frühen<br />

Christentum aus dem Jahr 1996 bestätigt, dass <strong>Frauen</strong> in Hausgemeinden<br />

446 Leben in der Welt: Ethik<br />

selbstverständlich predigten, auf Missionsreisen gingen <strong>und</strong> Apostel genannt<br />

wurden. Sie leiteten Gemeinden <strong>und</strong> unterrichteten <strong>Frauen</strong>, Kinder<br />

<strong>und</strong> vermutlich auch Männer in der neuen Lehre. So lehrte Priscilla den<br />

späteren Apostel Apollo, einen Mitarbeiter des Paulus. Ein Christengegner<br />

behauptete sogar, die Kirche sei <strong>von</strong> <strong>Frauen</strong> beherrscht <strong>und</strong> <strong>Frauen</strong> verteilten<br />

die kirchlichen Ämter.<br />

Wie kam es zu dieser wichtigen Stellung <strong>von</strong> <strong>Frauen</strong> in den urchristlichen<br />

Gemeinden <strong>und</strong> zu dieser einzigartigen geschlechtergerechten Gemeinschaft<br />

<strong>von</strong> <strong>Frauen</strong> <strong>und</strong> <strong>Männern</strong> in der frühen Kirche? Die Ursache hierfür<br />

liegt in der Botschaft Jesu vom Reich Gottes, das keinen ausschließt, sondern<br />

alle gleichberechtigt an Gottes Güte teilhaben lässt, <strong>und</strong> nicht zuletzt<br />

in seinem eigenen Umgang mit <strong>Frauen</strong>. Jesus hatte Tischgemeinschaft mit<br />

<strong>Frauen</strong> <strong>und</strong> unterhielt sich mit ihnen über seine Lehre. Marta <strong>und</strong> Maria<br />

sind hier besonders prominent zu nennen. Das Johannesevangelium<br />

schreibt, dass Jesus die beiden sehr gern mochte <strong>und</strong> oft bei ihnen zu Gast<br />

war. Sie waren ganz offensichtlich in der frühen Gemeinde bekannt, <strong>und</strong> die<br />

Art. wie Marta beschrieben wird, deutet darauf hin. dass sie eine wichtige<br />

Rolle in der frühchristlichen Gemeinde innehatte. In Johannes 11 (Joh 11)<br />

wird ihre Glaubensstärke <strong>von</strong> Jesus als beispielhaft herausgestellt. Besonders<br />

das Lukasevangelium erzählt darüber hinaus <strong>von</strong> der Existenz <strong>von</strong><br />

(wohlhabenden) Jüngerinnen. Das' Markusevangelium berichtet wiederum<br />

<strong>von</strong> einer unbekannten Frau, die ]esus vor seinem Tod salbt. Die Salbung:<br />

steht am Anfang der Passion ]esli. Jesus rühmt die Frau, die mit ihrem Handeln<br />

erhebliche Irritationen bei den Jüngern auslöste. weil sie als einzige<br />

erkannt hatte, welch schwerer Weg ihm bevorstand. Alle Evangelien berichten<br />

übereinstimmend, wie die Jünger Jesus aus Angst verließen, als er<br />

gekreuzigt wurde. Petrus hat Jesus dreimal verleugnet. Judas ihn sogar verraten.<br />

Die Jüngerinnen hingegen hielten Jesus auch in dieser hoch brisanten<br />

Situation die Treue. Sie standen unter dem Kreuz <strong>und</strong> wurden zu den ersten<br />

Zeuginnen des leeren Grabes am Ostermorgen. Sie wurden damit zu den<br />

Urheberinnen der christlichen Kirche.<br />

Leider hat sich die egalitäre Gemeinschaft <strong>von</strong> <strong>Männern</strong> <strong>und</strong> <strong>Frauen</strong> der<br />

frühchristlichen Kirche nicht lange gehalten. Schon im Neuen Testament<br />

zeichnen sich Anpassungsprozesse an die patriarchalen Ordnungsmuster<br />

des römischen Reiches ab. In einer sich etablierenden Kirche. die nicht<br />

mehr primär auf Charismen, sondern auf Strukturen <strong>und</strong> Ämter setzte,<br />

wurden die <strong>Frauen</strong> nach <strong>und</strong> nach aus den leitenden Rollen verdrängt. So<br />

verbieten schon späte Briefe der neutestamentlichen Briefliteratur in scharfem<br />

Ton die Lehre durch <strong>Frauen</strong> <strong>und</strong> sahen die Hauptaufgabe <strong>von</strong> <strong>Frauen</strong><br />

im Heiraten <strong>und</strong> Kinder gebären (1 Tim 2,12ft).<br />

Gemeinschaft <strong>von</strong> <strong>Frauen</strong> <strong>und</strong> <strong>Männern</strong> 447


2. Von der Alten Kirche bis in die Gegenwart<br />

In der Alten Kirche waren <strong>Frauen</strong> <strong>von</strong> der männlichen Ämterhierarchie<br />

ausgeschlossen. konnten aber als Prophetinnen <strong>und</strong> Missionarinnen weiterhin<br />

an der Verbreitung des Christentums mitwirken. Während der Cl1ristenverfolgungen<br />

wurden etliche zu Märtyrerinnen, die man später als Heilige<br />

verehrte. Zugleich wurde theologisch festgehalten, dass <strong>Frauen</strong> den<br />

<strong>Männern</strong> untergeordnet <strong>und</strong> (aufgr<strong>und</strong> <strong>von</strong> Evas Sündenfall) moralisch unterlegen<br />

sind. Im Mittelalter verschlechterte sich die Stellung der <strong>Frauen</strong> in<br />

der Kirche noch. Sie konnten kaum noch öffentlich-lehrend wirksam sein.<br />

Eine Gleichstellung <strong>von</strong> <strong>Frauen</strong> wurde <strong>von</strong> Thomas <strong>von</strong> Aquin explizit<br />

abgelehnt. Trotzdem gab es immer wieder <strong>Frauen</strong>, die ihren Weg in der<br />

Kirche als aktive Mitgestalterinnen fanden. Genannt seien berühmte Mystikerinnen<br />

wie Hildegard <strong>von</strong> Bingen <strong>und</strong> Mechthild <strong>von</strong> Magdeburg, Katharina<br />

<strong>von</strong> Siena oder auch so manche Äbtissin, die mit Lehr- <strong>und</strong> J urisdiktionsvollmacht<br />

ausgestattet war.<br />

In der Anfangszeit der Reformation beteiligten sich auffallend viele <strong>Frauen</strong><br />

an der Neugestaltung <strong>von</strong> Lehre <strong>und</strong> Leben in der Kirche wie z. B. Katharina<br />

Zell <strong>und</strong> Argula <strong>von</strong> Grumbach. Sie bezogen sich auf Martin Luthers Lehre<br />

vom Allgemeinen Priestertum <strong>und</strong> sahen hier die Gr<strong>und</strong>lage, sich in der<br />

Kirche neue Betätigungsfelder zu erschließen. Doch versandeten diese Impulse<br />

mit der Etablierung <strong>von</strong> Ämtern. die ausschließlich <strong>von</strong> <strong>Männern</strong> besetzt<br />

wurden, weitgehend.<br />

Auch die Neubewertung der Ehe durch die Reformation hatte ambivalente<br />

Folgen: Sie sorgte zum einen für eine Aufwertung <strong>von</strong> Sexualität, Geburt,<br />

der Erziehung <strong>von</strong> Kindern <strong>und</strong> damit <strong>von</strong> Erfahrungen, die für den Lebenskontext<br />

der meisten <strong>Frauen</strong> prägend waren. Besonders bemerkenswert sind<br />

in diesem Zusammenhang die Seelsorge an Schwangeren <strong>und</strong> Gebärenden<br />

in Trostschriften der Reformation <strong>und</strong> die Aufvvertung des Hebammenberufes,<br />

der über Kirchenordnungen (vor allem durch den Refonnator Johannes<br />

Bugenhagen) nicht nur besondere Aufmerksamkeit fand. sondern auch<br />

durch Fortbildung verbessert werden sollte. Zugleich ändert sich nichts an<br />

der rechtlichen Unterordnung der <strong>Frauen</strong>. Die Auflösung <strong>von</strong> <strong>Frauen</strong>ldöstern<br />

bedeutete nicht nur eine Befreiung, sondern auch einen herben Verlust.<br />

weil damit ein wichtiges innerkirchliches Residuum <strong>und</strong> Handlungsfeld<br />

für <strong>Frauen</strong> verloren ging. Ein sehr wichtiger reformatorischer Impuls<br />

war, dass auch Mädchen, nicht nur Jungen an Bildung beteiligt werden sollten.<br />

Doch leider konnten sich die neu eingerichteten Mädchenschulen<br />

nicht lange halten. Mit dem Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) gingen sie<br />

vollends unter.<br />

Die pietistische Bewegung (Beginn im 17. Jahrh<strong>und</strong>ert) hat mit ihrer Kritik<br />

am hierarchischen Amt <strong>und</strong> ihrer Orientierung am Urchristentum starke<br />

Impulse für eine Beteiligung <strong>von</strong> <strong>Frauen</strong> am kirchlichen Leben mit sich ge-<br />

448 Leben in der Welt: Ethik<br />

bracht. <strong>Frauen</strong> waren in der pietistischen Bewegung in den Konventikeln<br />

aktiv, wurden schriftstellerisch tätig <strong>und</strong> veröffentlichten Abhandlungen.<br />

In der Herrnhuter Brüdergemeine übernahmen sie auch Ämter, allerdings<br />

wurden ihnen die wichtigsten Funktionen vorenthalten.<br />

1m 19. Jahrh<strong>und</strong>ert entdeckten <strong>Frauen</strong> im Zuge der Bewegung der Inneren<br />

Mission vor allem diakonische <strong>und</strong> missionarische Al


logischen Ausbildung zu ermöglichen <strong>und</strong> die <strong>Frauen</strong>ordination zu unterstützen.(( Auch<br />

wenn es immer noch Kirchen im L WB gibt. die die <strong>Frauen</strong>ordination ablehnen. so wird<br />

ihre Zahl doch stetig kleiner. l' Amt. S. 650 f.<br />

Der zunehmende Anteil <strong>von</strong> Pastorinnen an der pastoralen Berufsgruppe<br />

hat das Gesicht des Pfarrberufs verändert <strong>und</strong> die Kirche herausgefordert,<br />

über die Konstruktion <strong>von</strong> Männlichkeit <strong>und</strong> Weiblichkeit in Theologie<br />

<strong>und</strong> Praxis nachzudenken.<br />

3. Gegenwärtige Denkmodelle zur Verhältnisbestimmung <strong>von</strong><br />

<strong>Frauen</strong> <strong>und</strong> <strong>Männern</strong><br />

a) Gleichheit in Verschiedenheit in konservativer Lesart<br />

Als erste Denkrichtung seien die (teilweise modernisierten) Traditionalisten<br />

genannt. die bis auf wenige Ausnahmen zwar akzeptieren. dass <strong>Frauen</strong> die<br />

Kirche auch als Pfarrerinnen <strong>und</strong> Synodenpräsidentinnen mitgestalten.<br />

aber ansonsten daran festhalten, dass <strong>Frauen</strong> »ganz anders« sind, dass die<br />

weiblichen Tugenden primär im rücksichtsvollen Verhalten <strong>und</strong> weniger in<br />

Führungsqualitäten bestehen <strong>und</strong> die gr<strong>und</strong>sätzliche Verschiedenheit <strong>von</strong><br />

<strong>Männern</strong> <strong>und</strong> <strong>Frauen</strong> anzuerkennen sei. Männer stehen demnach eher für<br />

Unterscheidungs-, Urteils- <strong>und</strong> Orientierungsfahigkeit, während <strong>Frauen</strong><br />

insbesondere Empathie- <strong>und</strong> Hingabefahigkeiten zugeschrieben werden.<br />

Darüber hinaus geht diese Gruppe da<strong>von</strong> aus, dass die heterosexuelle Ehe<br />

aus der göttlichen Schöpfungsordnung abzuleiten ist. Gott hat den Menschen<br />

als Mann <strong>und</strong> Frau geschaffen, <strong>und</strong> das heißt, er hat sie zur Einheit<br />

in. der Ehe geschaffen. Ohne die »andere Hälfte« sind beide jeweils defizitär.<br />

Zugleich sind damit aber auch alle anderen Formen des Zusammenlebens<br />

wie homosexuelle Partnerschaften als mindestens defizitär, wenn nicht<br />

sündhaft einzustufen, weil sie nicht die Verschiedenheit <strong>von</strong> Mann <strong>und</strong><br />

Frau zum Ausdruck bringen. Im Hintergr<strong>und</strong> wirkt hier noch die Theorie<br />

der Komplementarität (Ergänzung) nach, die vor allem während des<br />

19. Jal1rh<strong>und</strong>erts entwickelt wurde <strong>und</strong> zum dominierenden Deutungsmuster<br />

für Männlichkeit <strong>und</strong> Weiblichkeit in der Moderne wurde. Mann <strong>und</strong><br />

Frau sind demnach durch Bestimmung auf Ergänzung hin angelegt. Demgemäß<br />

ist es einem einzelnen Menschen unmöglich, sich zu einer harmonischen<br />

Persönlichkeit zu entwickeln. Der reformierte Theologe Kar! Barth<br />

(1886-1968) hat diese Theorie besonders prominent rezipiert <strong>und</strong> theologisch<br />

mit Nachdruck versehen. Bei Barth zeigt sich zugleich sehr deutlich,<br />

dass die Ergänzungstheorie faktisch immer ein androzentrisches Gefalle<br />

hat: Sie behauptet Gleichwertigkeit, wirkt aber auf Ungleichheit hin <strong>und</strong><br />

begünstigt eine traditionelle Rollenaufteilung <strong>von</strong> Mann <strong>und</strong> Frau in Ehe<br />

<strong>und</strong> Beruf. in privater <strong>und</strong> öffentlicher Sphäre.<br />

450 Leben in der Welt: Ethik<br />

b) Gleichheit in Verschiedenheit in feministischer Lesart<br />

Die zweite Deutungsmöglichkeit haben die Feministischen Theologinnen<br />

vorgelegt. Erstaunlicherweise unterscheiden sich die Feministischen Theologinnen<br />

nicht so f<strong>und</strong>amental <strong>von</strong> der ersten Gruppe. wie man annehmen<br />

sollte. Denn auch die Feministinnen gehen in der Regel <strong>von</strong> der prinzipiellen<br />

Differenz der Geschlechter, <strong>von</strong> der Gleichheit in Verschiedenheit aus.<br />

Für sie ist diese Gleichheit in Verschiedenheit aber nicht Basis <strong>von</strong> Ausschluss,<br />

sondern <strong>von</strong> Einschluss: Die Ergänzungstheorie wird hier zum<br />

Ausgangspunkt, nun erst recht den »anderen weiblichen« Stil einzuklagen<br />

- also die Teilnahme <strong>von</strong> <strong>Frauen</strong> in allen gesellschaftlichen wie kirchlichen<br />

Bereichen zuzulassen <strong>und</strong> zu fördern. <strong>Frauen</strong> werden hier nicht selten als<br />

die bessere Hälfte der Menschheit verstanden. Allerdings hat diese Idealisierung<br />

<strong>von</strong> <strong>Frauen</strong> ihren Preis: Sie signalisiert eine Distanz zum »schmutzigen<br />

Geschäft« der Macht <strong>und</strong> der verantwortlichen Gestaltung <strong>von</strong> Kirche<br />

<strong>und</strong> Gesellschaft.<br />

Es ist das Verdienst der Feministischen Theologie, die wissenschaftliche<br />

Theologie <strong>und</strong> die Kirche auf ihre blinden Flecke hingewiesen <strong>und</strong> deutlich<br />

gemacht zu haben, dass zwar oft vom Menschen geredet wird, aber faktisch<br />

nur der Mann gemeint ist. Auch die implizite Vennännlichung des Gottesbildes<br />

hat die Feministische Theologie zum Thema gemacht <strong>und</strong> die revolutionären,<br />

befreiungstheologischen Schätze der biblischen Tradition wieder<br />

entdeckt. 1m Zusalnmenhang der feministischen Bewegung ist auch die<br />

»Bibel in gerechter Sprache« entstanden, eine Bibelübersetzung, die die implizite<br />

Präsenz <strong>von</strong> <strong>Frauen</strong> in der Bibel explizit zu machen sucht.<br />

Vor wenigen Jahrzehnten wurde der Gr<strong>und</strong>stein für ei ne neue Gemeinschaft<br />

<strong>von</strong> <strong>Frauen</strong> <strong>und</strong> <strong>Männern</strong> in der evangelischen Kirche gelegt. In<br />

Bad Krozingen verabschiedete die EKD-Synode 1989 weitreichende Beschl<br />

üsse für eine geschlechtergerechte Zukunft der Kirche. Die Leipziger<br />

Synode des BUl1des der <strong>Evangelisch</strong>en Kirchen (BEK) befasste sich ein Jahr<br />

später mit demselben Thema. Die Beschlüsse brachen endgültig mit kulturellen<br />

<strong>und</strong> religiös begründeten Traditionen, die die Diskriminierung <strong>von</strong><br />

<strong>Frauen</strong> in Kirche <strong>und</strong> Gesellschaft über viele Jahrhul1derte hinweg legitimiert<br />

hatten. Mit ihren Beschlüssen stellten die Synoden ldar, dass die Gemeinschaft<br />

der Gläubigen nicht ohne Geschlechtergerechtigkeit gelebt werden<br />

kann.<br />

Die Beschlüsse zeigen, dass die evangelische Kirche nicht länger gewillt is t,<br />

<strong>Frauen</strong> zu marginalisieren <strong>und</strong> als sek<strong>und</strong>äre Hilfskräfte zu betrachten.<br />

<strong>Frauen</strong> sollen vielmehr ihre Erfahrungen <strong>und</strong> Fähigkeiten <strong>und</strong> ihre geistliche<br />

Begabung in der Kirche angemessen zur Geltung bringen. »<strong>Frauen</strong><br />

<strong>und</strong> Männer soHen einander ergänzen <strong>und</strong> sich wechselseitig bereichern«.<br />

so heißt es in einem der Synodenbeschlüsse. Deutlich kommt hier die Ergänzungstheorie<br />

zum Ausdruck, sie findet lediglich in gänzlich anderer Absicht<br />

Verwendung als bei denjenigen, die ursprünglich mit derselben Theo-<br />

Gemeinschaft <strong>von</strong> <strong>Frauen</strong> <strong>und</strong> <strong>Männern</strong> 451


ie den Ausschluss <strong>von</strong> <strong>Frauen</strong> <strong>von</strong> kirchlicher Leitung (dem Pfarramt) zu<br />

begründen suchten.<br />

cl Das Geschlechterverhältnis in konstruktivistischer Lesart<br />

Die dritte Denkrichtung bezieht sich schließlich auf die Gruppe, die an die<br />

Feministische Bewegung anschloss <strong>und</strong> zugleich den Wandel <strong>von</strong> der <strong>Frauen</strong>-<br />

zur Geschlechterforschung vollzog. So untersucht die sozialwissenschaftliehe<br />

<strong>und</strong> theologische Geschlechterforschung gegenwärtig nicht<br />

mehr nur ausschließlich »<strong>Frauen</strong>«, sondern interessiert sich priInär für die<br />

interaktive Dynamik zwischen den Geschlechtern. <strong>Frauen</strong> kommen damit<br />

nicht mehr nur als »Opfer«, sondern auch als Akteurinnen <strong>und</strong> als Mittäterinnen<br />

in den Blick.<br />

Die Pluralisierungs- <strong>und</strong> Individualisierungsprozesse der letzten Jahrzehnte<br />

führten deutlich vor Augen. dass weder <strong>Frauen</strong> noch Männer auf eine bestimmte<br />

Seinsweise festgelegt werden können. Sobald man zu bestimmen<br />

sucht, was eine Frau iIn Unterschied zu einem Mann ausmacht, wird offensichtlich,<br />

dass solche Beschreibungen nicht ohne Klischees auskommen<br />

<strong>und</strong> niemals alle Personen einer Geschlechtergruppe einschließen. Nicht<br />

nur im Hinblick auf <strong>Frauen</strong> ist mittlerweile eine große Verschiedenheit an<br />

Lebensstilen <strong>und</strong> -auffassungen zu beobachten, sondern auch im Hinblick<br />

auf Männer, die sich nicht mehr homogen n1it einem reinen »BerufsmenschentuIn«<br />

oder der Rolle des »Ernährers« identifizieren, sondern zunehmend<br />

auch aktive Väter sein <strong>und</strong> ihr »zivilisatorisches Defizit« (Pasero) in<br />

Sachen Fürsorge kompensieren wollen. Deshalb unterscheidet diese Denkrichtung<br />

zwischen dem körperlichen Geschlecht , (eng!.: sex) <strong>und</strong> dem sozialen<br />

Geschlecht (eng!.: gender).<br />

Das führt zu der Frage, warun1 die Differenz zwischen <strong>Männern</strong> <strong>und</strong> <strong>Frauen</strong><br />

trotzdem nach wie vor sehr scharf <strong>und</strong> strikt gezogen wird. Natürlich gibt<br />

es körperliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Doch ist evident,<br />

dass unsere westliche Kultur die Polarisierung der Geschlechter weit über<br />

die biologischen Fakten hinausgetrieben hat. In der Natur gibt es fließende<br />

Übergänge, Überlappungen <strong>und</strong> Uneindeutigkeiten, in unserer Kultur hingegen<br />

gibt es nur ein starres Entweder-Oder, das <strong>von</strong> Geburt an gilt, unverlierbar<br />

zu sein scheint <strong>und</strong> als absolut gleichbleibend, unveränderlich <strong>und</strong><br />

psychisch unumkehrbar gedacht wird. Das physiologische Angebot der Natur<br />

wird gleichsam perfektionistisch überzogen. Gerade diese Art der strengen<br />

Einordnung zeigt, dass wir es mit einer sozialen Klassifikation <strong>und</strong> nicht<br />

einfach mit »Natur« zu tun haben. In der Gegenwart weist nicht zuletzt die<br />

lang geleugnete Existenz <strong>von</strong> körperlich Intersexuellen auf die Wirkmacht<br />

der polaren Geschlechterordnung hin.<br />

Für Intersexuelle ist es äußerst schwierig <strong>und</strong> schmerzlich, sich nicht zuordnen zu können<br />

<strong>und</strong> gleichsan"l ))nichts« zu sein. Ihre ))Zwischenstellung« wird nicht akzeptiert, sie<br />

452 Leben in der Welt: Ethik<br />

werden vielmehr als defizitäre Mängelwesen oder gar als Kranke betrachtet oder schlicht<br />

ignoriert.<br />

Wie schmerzlich <strong>und</strong> repressiv die Schöpfungserzählung nachwirken kann, zeigt der Fall<br />

einer intersexuellen Kantorin. Auf der Orgelbank sitzend, leidet sie jedes Mal, wenn Gen<br />

1,27 bei einer Trauung zitiert wird. Sie fragt sich: Wenn Gott den Menschen ausschließlich<br />

als Mann <strong>und</strong> Frau geschaffen hat - hat er sie dann etwa nicht geschaffen <strong>und</strong> gewollt?<br />

Doch nicht nur der enorme psychische Druck, der daraus resultiert, nicht dazuzugehören,<br />

nicht ganz Mensch zu sein, ist ein gravierendes Problem. Darüber hinaus sehen<br />

sich viele als intersexuell eingestufte Menschen auch noch genötigt. sich aus mediz inischer<br />

Sicht schwerwiegenden Behandlungen <strong>und</strong> chirurgischen Eingriffen zu unterziehen,<br />

nur um ihr Geschlecht zu ))vereindeutigen« <strong>und</strong> der gescllsch;:J.ftlichen Norm zu<br />

entsprechen.<br />

Aber nicht nur das Phänomen der Intersexualität, auch die Rückwirkungen<br />

der Kultur auf den menschlichen Körper <strong>und</strong> die menschliche Körpererfahrung<br />

weisen auf den Rigorisn1us der uns vertrauten Geschlechterordnung<br />

hin. Die duale Geschlechterordnung verstärkt offenbar signifikant die Feminisierung<br />

<strong>und</strong> Maskulinisierung <strong>von</strong> Körpern, Personen, Körperhaltungen<br />

<strong>und</strong> -erfahrungen, Wahrnehmungsschemata, Gefühlen <strong>und</strong> Empfindungen.<br />

Damit stellt sich die Frage, ob es überhaupt sinnvoll ist. <strong>von</strong> einern<br />

weiblichen oder männlichen Wesen <strong>und</strong> <strong>von</strong> universell geltenden Charaktereigenschaften,<br />

die scheinbar über alle Zeiten <strong>und</strong> Lebensbedingungen<br />

hinweg unveränderbar sind, zu sprechen, zumal sich erst mit der Moderne<br />

die Vorstellung <strong>von</strong> )ontologischen« Wesensmerkmalen, bei denen sich<br />

<strong>Frauen</strong> <strong>und</strong> Männer dialnetral wie zwei Pole gegenüberstehen, entwickelt<br />

hat. Auf diesem Hintergr<strong>und</strong> ist es sehr problematisch, die Verschiedenheit<br />

der Geschlechter mit der biblischen Schöpfungserzählung zu begründen.<br />

Folgt man den Erkenntnissen der neueren Exegese, geht es der Schöpfungserzählung<br />

nicht darum, wesenslnäßige Geschlechterdifferenzen zu markieren<br />

oder festzuschreiben. Die Rede <strong>von</strong> der Gottebenbildlichkeit <strong>von</strong> Mann<br />

<strong>und</strong> Frau (Gen 1,27) will vielmehr betonen, dass alle Menschen Gott in der<br />

Welt repräsentieren <strong>und</strong> die Welt nach seinem Willen gestalten können -<br />

nicht nur, wie in der altorientalischen Königsideologie, der Pharao.<br />

Diese Erkenntnisse setzen im günstigsten Fall eine große Begabungsvielfalt<br />

<strong>von</strong> Menschen frei, die jenseits gesellschaftlicher Zuschreibungen <strong>und</strong> Normen<br />

ihre Fähigkeiten <strong>und</strong> verborgenen Charismen entdecken. Zugleich<br />

sind sie für das Alltagsverständnis ungewohnt <strong>und</strong> irritierend. Was bedeuten<br />

sie für Theologie <strong>und</strong> Kirche? Die Kirche muss sich in jedem Fall bewusst<br />

machen, dass mit den Gendernormen für nicht wenige Menschen<br />

erhebliche Repressionen, Stigmatisierungen <strong>und</strong> psychischen Deformationen<br />

einhergehen, nicht nur für <strong>Frauen</strong>, auch für Männer. die der Norm<br />

nicht entsprechen, für Homosexuelle, Intersexuelle <strong>und</strong> solche Menschen,<br />

die unter der polarisierenden Geschlechterunterscheidung leiden. Da die<br />

Kirche als Kirche der Freiheit dazu verpflichtet ist, Unterdrückung <strong>und</strong> Dis-<br />

Gemeinschaft <strong>von</strong> <strong>Frauen</strong> <strong>und</strong> <strong>Männern</strong> 453


kriminierung entgegen zu wirken <strong>und</strong> nicht etwa ihrerseits noch einmal zu<br />

verstärken, stellt sich an diesem Punkt die Frage nach ihrer eigenen Glaubwürdigkeit.<br />

Gestaltung<br />

Der Wechsel <strong>von</strong> der <strong>Frauen</strong>- zur Geschlechterforschung macht deutlich,<br />

dass das Geschlecht nicht nur eine Frage <strong>von</strong> <strong>Frauen</strong>, sondern aller Menschen<br />

ist. Daraus ergeben sich Herausforderungen für die Kirche, die auch<br />

nach der rechtlichen Gleichstellung <strong>von</strong> <strong>Frauen</strong> nicht an Bedeutung verloren<br />

haben. Drei seien abschließend beispielhaft genannt:<br />

1. Genderspezifische Angebote<br />

Die Kirche versucht, genderspezifische Bildungsangebote für <strong>Frauen</strong> <strong>und</strong><br />

Männer, für Mädchen <strong>und</strong> Jungen zu machen, um geschützte Räume anzubieten,<br />

in denen Erwartungen <strong>und</strong> Enttäuschungen offen kommuniziert<br />

<strong>und</strong> Menschen reflektiert begleitet werden können. Dies geschieht in der<br />

Erwachsenenbildung <strong>und</strong> iIn Konfirmanden- <strong>und</strong> Religionsunterricht, aber<br />

auch in der Seelsorge. Insbesondere für Heranwachsende ist es elementar,<br />

sich mit den unterschiedlichen MännliFhkeits- <strong>und</strong> Weiblichkeitsbildern<br />

unserer Kultur kritisch auseinanderzusetzen <strong>und</strong> ihre eigenen Vorstellungen<br />

<strong>von</strong> einem Zusamlnenleben der Geschlechter diskutieren zu können.<br />

2. Vereinbarkeit <strong>von</strong> Familie <strong>und</strong> Beruf<br />

Ein wichtiges Thema der Geschlechtergerechtigkeit ist die Frage, wie die<br />

Vereinbarkeit <strong>von</strong> Familie <strong>und</strong> Beruf gefördert werden kann. Dabei geht es<br />

nicht nur darum, <strong>Frauen</strong> zu ermutigen, ihre <strong>von</strong> Gott geschenkten Charismen<br />

<strong>und</strong> Gaben für Kirche <strong>und</strong> Gesellschaft einzusetzen, sondern auch darum,<br />

<strong>Männern</strong> die Möglichkeit zu geben, aktive Väter zu sein <strong>und</strong> ihre emotionalen<br />

Seiten auszuleben. Praktisch bedeutet dies für die evangelische<br />

Kirche, Ganztagsbetreuungen in Krippen, Kindergärten <strong>und</strong> Schulen zu<br />

fördern <strong>und</strong> selbst verstärkt anzubieten. Werden Familien nachhaltiger<br />

<strong>und</strong> spürbarer unterstützt, führt dies zugleich dazu, dass IGnder in Uf?.serer<br />

Gesellschaft mehr als bisher willkommen sind <strong>und</strong> Familien in ihrer elementaren<br />

Bedeutung für die Zukunft der Gesellschaft offensiver gewürdigt<br />

<strong>und</strong> geschätzt werden. Überdies fördert eine verbesserte Vereinbarkeit <strong>von</strong><br />

454 leben in der Welt: Ethik<br />

Familie <strong>und</strong> Beruf auch das Zusammenleben <strong>von</strong> <strong>Frauen</strong> <strong>und</strong> <strong>Männern</strong> in<br />

der Ehe. Untersuchungen zeigen, dass mit symmetrischen Partnerschaften<br />

längerfristig eine deutlich höhere Zufriedenheit einhergeht als mit asymmetrischen<br />

Ehe-Konstellationen. Die Kirche würde mit ihrem Beitrag zu<br />

einer verbesserten Vereinbarkeit <strong>von</strong> Beruf <strong>und</strong> Familie insofern auch ihr<br />

Ideal der lebenslangen Ehe konkret <strong>und</strong> effektiv fördern.<br />

l' Eltern <strong>und</strong> Kinder, S. 357 ff.<br />

3. Die Ehe als Leitbild <strong>und</strong> die homosexuelle Partnersch aft<br />

Die evangelische Kirche steht uneingeschränkt zum Leitbild der heterosexuellen<br />

Ehe. Dabei geht es der Kirche primär um das Ideal der Treue,<br />

der Verbindlichkeit, der Fürsorglichkeit, der Partnerschaftlichkeit <strong>und</strong> Liebe<br />

in einer monogamen, lebenslangen Partnerschaft. Vor dem Hintergr<strong>und</strong><br />

der dargestellten Erkenntnisse <strong>und</strong> auf der Basis des urchristlichen Ethos<br />

egalitärer Gemeinschaft stellt sich in dieseln Zusammenhang die Frage,<br />

wie Homosexualität theologisch zu bewerten ist <strong>und</strong> wie in der kirchlichen<br />

Praxis mit der Segnung <strong>von</strong> homosexuellen Partnerschaften umzugehen ist.<br />

Homosexualität wird in der evangelischen Kirche mittlerweile weithin als<br />

menschliche Disposition akzeptiert <strong>und</strong> nicht mehr, wie in der Vergangenheit,<br />

als Sünde oder Krankheit abqualifiziert. Einige Kirchen bekennen sich<br />

explizit dazu, Homosexualität genauso wie Heterosexualität als Gottes gute<br />

Schöpfungsgabe zu betrachten <strong>und</strong> sind dementsprechend bereit, homosexuelle<br />

Paare, die dies wünschen, kirchlich zu segnen. Andere sehen durch<br />

eine solche Praxis das Leitbild der heterosexuellen Ehe gefahrdet. Im Hinblick<br />

darauf geben Befürworter einer Segnung folgendes zu bedenken:<br />

Gleichgeschlechtliche Paare sind wie heterosexuelle Paare auf eine förderliche<br />

soziale Umgebung angewiesen, um ihre Partnerschaften dauerhaft<br />

<strong>und</strong> verbindlich leben zu können. Die bisherige gesellschaftliche Ausgrenzung<br />

<strong>und</strong> kirchlichen Abwertung haben die Entwicklung tragfahiger gleichgeschlechtlicher<br />

Partnerschaften erschwert. Soll die Person würde gleichgeschlechtlich<br />

orientierter Menschen geachtet werden, ist ihnen eine<br />

konkrete gemeinsarne Lebensführung zu ermöglichen. Dazu bedarf es ein<br />

Klima der Offenheit <strong>und</strong> der öffentlichen Akzeptanz. Gerade aufgr<strong>und</strong> der<br />

Erfahrungen <strong>von</strong> Nichtakzeptanz, Ablehnung <strong>und</strong> Ausgrenzung wünschen<br />

sich auch homosexuelle Paare Gottes Zuspruch <strong>und</strong> Schutz auf dem gemeinsamen<br />

Weg. Sie wollen zudem Freude <strong>und</strong> Dankbarkeit für Liebe <strong>und</strong><br />

Partnerschaft öffentlich zeigen <strong>und</strong> im Segensgottesdienst vor Gott mit Familie<br />

<strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>en zum Ausdruck bringen.<br />

Die christliche Trauung hat nach evangelischer Überzeugung primär darin<br />

ihren Gr<strong>und</strong>, dass zwei Menschen ihre Entscheidung füreinander <strong>und</strong> damit<br />

für eine auf Dauer angelegte Gemeinschaft öffentlich vor Gott be-<br />

Gemeinschaft <strong>von</strong> <strong>Frauen</strong> <strong>und</strong> <strong>Männern</strong> 455

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