Predigt von Peter Scheffler - Evangelische Kirche von Westfalen
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<strong>Predigt</strong> Superintendent <strong>Peter</strong> <strong>Scheffler</strong>, Bochum<br />
Landessynode 2011<br />
Liebe Schwestern, liebe Brüder<br />
Von dem skandinavische Schriftsteller Eric Fosnes Hansen stammt folgende Geschichte:<br />
Die <strong>Kirche</strong> San Luca al Mare ist in einem beklagenswerten Zustand.<br />
Ihre Glanzzeit ist vorbei. Es brennen kaum noch Kerzen vor den Heiligenbildern.<br />
Die Kapellen und Altäre verstauben. Die Familien, die sich früher um all das gekümmert haben,<br />
halten das Gotteshaus schon lange nicht mehr instand. Noch vor zehn Jahren brannten Kerzen vor<br />
jedem Altarbild, jetzt sind nur noch ein paar Flämmchen übrig. Es gibt auch keine Prozessionen und<br />
Umzüge mehr und fast alle Priester haben sich aus dem Staub gemacht. Es ist eine Arme – Leute -<br />
<strong>Kirche</strong> geworden, eine <strong>Kirche</strong> für die Ärmsten des Viertels, für Bettler, Obdachlose und alte Weiber.<br />
Die Zeit <strong>von</strong> San Luca al Mare ist um, sie verfügt nur über alte Altarbilder, auf Gips gemalt.<br />
Nichts ist hier zu finden <strong>von</strong> der Pracht benachbarter Gotteshäuser, keine neuen, lebensnahen<br />
Ölbilder voll Licht, Luft und Tiefenwirkung. Die Bilder in San Luca al Mare sind steif und<br />
altertümlich.<br />
Jetzt herrschen neue Zeiten, es gibt soviel interessanten Zeitvertreib in diesen Jahren und die<br />
Menschen haben neue Götter gefunden. Wissenschaft und Schönheit sind ihre Namen. Die Priester<br />
fliehen vor ihren Pflichten und vernachlässigen sie, und selbst am Hof des Papstes spricht man mehr<br />
über Cicero und Ovid als über Petrus und Paulus. Aber, reden wir nicht da<strong>von</strong>.<br />
Aber dann eines Tages ist vor dieser <strong>Kirche</strong> eine kleine Menschenmenge versammelt. Der Erzähler<br />
wird neugierig und geht in die <strong>Kirche</strong>. Drinnen ist alles unverändert, dieselbe dunkle Ärmlichkeit in<br />
allen Ecken, bis auf eine Ausnahme: Vor dem Altar einer Seitenkapelle brennen zahlreiche Kerzen<br />
und viele Menschen liegen auf den Knien. Hauptsächlich alte Frauen, aber auch ein paar jüngere,<br />
einige Huren und sogar der eine oder andere Mann aus dem Viertel, meist einfache Handwerker.<br />
Allerdings sieht man auch einen Bankherren und einen Schreiber auf dem schmutzstarrenden Boden<br />
vor dem Altar.<br />
Was mag hier geschehen sein? Auf dem Altar ist nicht mehr zu sehen als eine ziemlich schlichte<br />
Madonna mit dem Kinde, gemalt im alten Stil, nicht besonders hübsch oder gar bemerkenswert. Ein<br />
schlechtes Bild, da wären wir uns alle einig.
Schließlich erzählt der Priester: die Menschen kommen, um die Madonna anzubeten, sie tut Wunder,<br />
und sie macht keinen Unterschied nach Geburt und Stand. Sie ist die beste Medizin der Armen,<br />
gegen große wie kleine Plagen.<br />
Der Erzähler betrachtet das Bild und fragte sich: Was hat dieses schlecht gemalte Bild, diese<br />
ärmliche Madonna an sich, dass Leute <strong>von</strong> nah und fern zu ihr kommen? Wieso kommen sie zu ihr,<br />
damit sie ihnen gegen Entzündungen und Niednägel, gegen Liebeskummer und Kinderlosigkeit<br />
beisteht? Ganz offensichtlich hat diese Madonna, die Seelen der armen Gläubigen so berührt, dass<br />
sie geheilt werden.<br />
soweit Eric Fosnes Hansen.<br />
Liebe Gemeinde,<br />
Die Seelen der Menschen berühren, Gottes Spuren erfahren, Gottes Gegenwart spüren. Wäre es nicht<br />
schön, solche Erfahrungen öfter auch in unseren <strong>Kirche</strong>n und Gemeindehäusern zu machen. Wenn<br />
das geschähe, Ja dann bräuchten wir uns über die Zukunft unserer <strong>Kirche</strong> keine Sorgen zu machen.<br />
Aber wir haben solche Begegnungen nunmal nicht in der Hand. Auch in unserer Geschichte<br />
erfahren wir nicht, warum und wieso eines Tages <strong>von</strong> diesem Bild eine solche Kraft ausgeht.<br />
Ich jedenfalls wünsche mir solche Berührungen. Ich wünsche sie mir für uns, die wir oftmals<br />
tief verunsichert sind und Angst vor der Zukunft haben. Für uns, die wir immer wieder neu, die<br />
eigene Endlichkeit erahnen, die Brüchigkeit des Alltags und unserer anscheinend so tragfähigen<br />
Systeme erfahren. Für uns, die wir uns auch in unserer <strong>Kirche</strong> oft genug fühlen wie in einem<br />
Hamsterrad, ständig erreichbar, immer dabei, das eigene Leben und unserere Arbeit noch weiter zu<br />
optimieren. Für uns, mit unserer Sehnsucht nach Halt, nach Beständigkeit, nach Liebe und<br />
Angenommensein.<br />
Gewiß der Glaube ist ein Geschenk, eine Gabe des Heiligen Geistes und Gottes Gegenwart bleibt<br />
unverfügbar. Und doch, vielleicht könnten wir es dem Heiligen Geist etwas leichter machen, den<br />
Weg zu uns Menschen zu finden. Denn was vermitteln wir den Menschen, die uns aufmerksam<br />
beobachten.<br />
Was kommunizieren wir, mit all dem, was wir als <strong>Kirche</strong> tun und auch mit dem was wir nicht tun?<br />
Was haben wir den Menschen zu sagen? Lohnt es sich zu uns zu kommen, uns zuzuhören oder<br />
sollten sie lieber auf dem Markt der Möglichkeiten zu einem der vielen anderen gehen,?<br />
„Es gibt viele Gründe an eine bessere Welt zu glauben“, sagt Coca Cola<br />
2
Die Mächtigen zum Frieden und zu mehr Gerechtigkeit ermahnen, das tun auf ihre Weise auch<br />
Organisationen wie amnesty und Human rights watch. Haben wir den Menschen etwas zu sagen,<br />
etwas was sie berührt, bewegt, sie die Nähe Gottes erahnen lässt? Oder sollten sie lieber doch auf<br />
einen anderen warten?<br />
Und Johannes rief zwei seiner Jünger zu sich und sandte sie zum Herrn und ließ ihn fragen:<br />
Bist Du es, der da kommen soll oder sollen wir auf einen anderen warten? Und Jesus antwortete und<br />
sprach zu ihnen: Geht und verkündet Johannes, was ihr gesehen und gehört habt: Blinde sehen,<br />
Lahme gehen, Aussätzige werden rein, Taube hören, Tote stehen auf, Armen wird das Evangelium<br />
gepredigt .<br />
Liebe Gemeinde,<br />
was gibt es hier nicht alles an Wunderbarem zu sehen und zu hören.<br />
In der kleinen und armseligen Welt der Fischer und Handwerker, mitten in der Provinz,<br />
aus der eigentlich nichts Gutes kommen kann, ist der Himmel auf die Erde gekommen, ist das Reich<br />
Gottes mitten unter den Menschen erschienen.<br />
Und der Evangelist Johannes schreibt:<br />
Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit<br />
als des eingeborenen Sohnes vom Vater voller Gnade und Wahrheit. (Joh.1,14)<br />
Mit dem Blick auf Jesus Christus wird Gottes Reich greifbar, erfahrbar, seine Herrlichkeit unter uns<br />
sichtbar. Aber sehen wir diese Herrlichkeit auch? Sehen wir nicht vielmehr den Demographischen<br />
Wandel, die sinkende Finanzkraft, den drohenden Theologenmangel, einen möglichen<br />
Bedeutungsverlust, die Säkularisierung unserer Gesellschaft, usw. usw.<br />
Wie gut hatten es da doch die Schwestern und Brüder, die vor 20 oder 30 Jahren in den Ruhestand<br />
gingen, die konnten noch etwas vorweisen: <strong>Kirche</strong> saniert, Gemeindehaus gebaut, Kindergarten<br />
erweitert, Jugendmitarbeiterin eingestellt.<br />
Und heute? Da gibt es einen Pfarrer in meinem <strong>Kirche</strong>nkreis, der geht nach 38 Jahren Dienst in<br />
seiner Gemeinde in den Ruhestand. Und er wird gefragt nach seiner Bilanz. Und so mag sie für ihn<br />
aussehen:<br />
Er selber schwer krank,<br />
die Gemeinde auf 1200 Seelen geschrumpft,<br />
die Gemeinde hat Schulden <strong>von</strong> mehreren 100 000 Euro,<br />
der <strong>Kirche</strong> und dem Gemeindehaus drohen der Abriß,<br />
3
die Gemeinde wird über kurz oder lang ihre Selbständigkeit verlieren.<br />
Was für eine Bilanz nach 38 Jahren Dienst in einer Gemeinde.<br />
Aber sieht so düster und desmotivierend die ganze Wirklichkeit aus?<br />
Dabei haben wir <strong>von</strong> den globalen Bedrohungen für diese Welt noch gar nicht gesprochen,<br />
noch kein Wort ist gefallen zur Finanzkrise, zum Klimawandel, zu Armut und Hunger. Predige ich<br />
jetzt vielleicht den vertröstenden Blick zum Himmel, um das Elend dieser Welt nicht mitansehen<br />
nicht aushalten zu müssen.<br />
Gewiß nicht.<br />
Wir können und dürfen vor dieser Wirklichkeit unsere Augen nicht verschließen, müssen uns mit ihr<br />
auseinandersetzen, uns Ziele setzen und Maßnahmen ergreifen.<br />
Wir tragen Verantwortung für die Menschen und die Güter, die uns anvertraut sind, Verantwortung<br />
für all unsere Schwestern und Brüder in der einen Welt.<br />
Aber gelingt es uns auch über diese graue Wirklichkeit hinauszusehen?<br />
Die Menschen in unserer Geschichte, in der <strong>Kirche</strong> San Luca al Mare, sehen mit den Augen des<br />
Glaubens mehr als nur ein armseliges, altmodisches und schlecht gemaltes Bild, sie sehen ein Stück<br />
vom Himmel.<br />
Und wir, sehen wir mit den Augen des Glaubens nicht auch mehr als eine <strong>Kirche</strong>, die besorgt ihren<br />
Weg in die Zukunft sucht? Sehen wir nicht mehr als eine Gesellschaft, die gleich auf mehrere globale<br />
Katastrophen zugleich zusteuert?<br />
Ich denke noch einmal an den Pfarrer aus meinem <strong>Kirche</strong>nkreis und an seine Bilanz.<br />
In den 38 Jahrens seines Dienstes: War da nur der steinige Weg des Rück -und Abbaus, war da nicht<br />
auch mehr. Wieviele Menschen mag er in den 38 Jahren besucht, getröstet, unterstützt und begleitet<br />
haben und wieviele Männer und Frauen, Junge und Alte haben auch durch sein Wirken Spuren<br />
Gottes in ihrem Leben erfahren.<br />
Ja liebe Gemeinde, wodurch lassen wir unsere Blickrichtung bestimmen? Was gibt uns Kraft und<br />
Mut, Hoffnung und Zuversicht? Was berührt unsere Seele und was kann die Seele der Menschen<br />
berühren?<br />
4
Es ist der Blick auf seine Herrlichkeit. Auf die Herrlichkeit Gottes, die sichtbar wird in einem<br />
armseligen Stall und in einem Kind in einer Futterkrippe. Es ist der Blick auf Gott selbst,wie er am<br />
Kreuz leidet und stirbt und <strong>von</strong> dem der Hauptmann sagt: Dieser Mensch ist wahrhaftig Gottes Sohn<br />
gewesen. Es ist der Blick auf eine Herrlichkeit, die wir eben nicht staunend und uns im Sessel<br />
zurücklehnend andächtig betrachten, sondern wir sehen seine Herrlichkeit, die verbunden ist mit der<br />
Hoffnung auf sein Reich, mit dem Abwischen aller Tränen, mit Gerechtigkeit und Frieden, mit dem<br />
täglichen Brot für jeden auf dieser Erde verbunden ist mit einem Leben im Einklang mit Gottes<br />
Schöpfung?<br />
Ein Blick, der verbunden ist mit unseren Versuchen schon hier und jetzt ein wenig <strong>von</strong> seiner Welt<br />
erfahrbar werden zu lassen. Mit den Augen des Glaubens sehen wir diese Wirklichkeit, auch wenn es<br />
oft genug bei dem Versuch bleibt, diese Wirklichkeit zu sehen.<br />
Wir richten unseren Blick auf Gottes neue Welt und versuchen, das zu beschreiben , an das wir<br />
glauben auch wenn wir es mit unseren Augen nicht sehen. Und ab und zu leuchtet diese andere Welt<br />
ja unter uns auf , begegnen wir Gottes Spuren In anderen Menschen, in der Musik, im Wort, im Bild,<br />
und in der Tat.<br />
Und wenn dieser Blick in diese andere Welt unsere Seele berührt, dann können wir da<strong>von</strong> auch<br />
erzählen, so erzählen, dass andere selbst in ihrer tiefen Verunsicherung über den Weg in die Zukunft,<br />
in all ihren Ängsten und Unsicherheiten, Hoffnung gewinnen und vielleicht auch selber erfahren, wie<br />
ihre Seele <strong>von</strong> Gottes Gegenwart berührt wird.<br />
Verlange ich nicht zu viel <strong>von</strong> uns? Lege ich uns jetzt nicht noch bei allem, was wir an<br />
Kommunikationsprozessen,Ziel - und Strukturdebatten in unser <strong>Kirche</strong> zu leisten haben, noch ein<br />
Päckchen oben auf, nämlich die Bitte, über diese Welt hinaus, hin auf Gottes Herrlichkeit zu blicken.<br />
Ich glaube nicht. Ich glaube, dass ich und viele <strong>von</strong> uns, viel mehr in der Gefahr stehen, im<br />
alltäglichen Geschäft die Übersicht zu verlieren, uns runter ziehn zu lassen und unter zu gehen in all<br />
dem, was getan werden muss und was man noch alles tun könnte.<br />
Damit dieser Teil der alltäglichen Wirklichkeit uns und andere nicht gefangen nimmt,<br />
darum ist es so wichtig, die ganze Wirklichkeit zu sehen, auch die Wirklichkeit des Glaubens.<br />
Das ist wichtig für uns selbst<br />
wichtig um der Menschen willen, mit denen wir es zu tun haben.<br />
5
Und so ermutige ich uns, unseren Blick bei alldem was vor uns liegt, immer wieder neu auf den zur<br />
richten, der uns und unsere <strong>Kirche</strong> letztlich die Lebenskraft gibt.<br />
Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit<br />
als des eingeborenen Sohnes vom Vater voller Gnade und Wahrheit. (Joh.1,14)<br />
Amen.<br />
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