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Predigt über Matthäus 28, 16-20 - Evangelische Kirche von Westfalen

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<strong>Predigt</strong> im Berliner Dom am 6. So n. Trinitatis 31. Juli <strong>20</strong>11 (Alfred Buß, Präses der<br />

<strong>Evangelische</strong>n <strong>Kirche</strong> <strong>von</strong> <strong>Westfalen</strong>)<br />

Text: <strong>Matthäus</strong> <strong>28</strong>, <strong>16</strong>-<strong>20</strong><br />

Anrede<br />

Matthäi am Letzten: Taufgebot unseres Herrn. Geht nun hin und macht alle Völker<br />

zu Jüngern. Tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen<br />

Geistes... Tauft sie...!<br />

Ostermontag <strong>20</strong>11: großes Tauffest im Freilichtmuseum Hagen/<strong>Westfalen</strong>. Im<br />

weiten Tal zwischen alten Handwerkshäusern - mit Schmiedefeuern,<br />

Papiermühlen, Ölpressen, Blaufärbern, Besenmachern, Löffelschnitzern und vielem<br />

mehr - werden 1<strong>20</strong> Menschen getauft. Bei strahlendem Sonnenschein an Bächen<br />

und Seen.<br />

Der dortige Superintendent ist sich sicher: die allermeisten wären nicht zur Taufe<br />

in eine <strong>Kirche</strong> gekommen. Warum nicht? Zwei Gründe liegen obenauf. Zum einen:<br />

sie haben keine intakte Familie vorzuweisen, sind alleinerziehend oder leben in<br />

Patchwork-Familien. Sie fühlen sich in der <strong>Kirche</strong> nicht willkommen. Zum anderen:<br />

Taufe gilt als teures Fest. Das können sich die meisten nicht leisten.<br />

Tauft sie! Familienrealität oder knappes Geld darf doch kein Hindernis sein. So hat<br />

der <strong>Kirche</strong>nkreis zum Tauffest eingeladen. Eintritt, Essen, Trinken gratis. Spötter<br />

mögen einwenden: da ist es kein Wunder, dass 1500 Gäste kommen. Tatsächlich<br />

haben sich noch viel mehr angemeldet. <strong>20</strong>0 wollten sich taufen lassen. Doch bei<br />

1<strong>20</strong> Täuflingen wurde ein Schnitt gemacht. Warum? Tauft sie! Aber Taufe ist keine<br />

Massenabfertigung. Bei der Taufe geht es um jeden Einzelnen. Jede und jeder soll<br />

mit allen Sinnen erfahren: Fürchte dich nicht... ich habe dich bei deinem Namen<br />

gerufen; du bist mein.<br />

Und wie die Einzelnen bei der Sache sind! Im Taufgespräch, bei der Bestellung der<br />

Paten, bei der Ausgestaltung der Feier. In den Taufgesprächen kommt ein Thema<br />

auffällig oft vor: die Verletzlichkeit des Lebens, Krankheit und Verlust, und auch der<br />

Tod. Das erzählen viele, die im Jahr der Taufe <strong>20</strong>11 Tauffeste vorbereiten an<br />

unzähligen Orten in <strong>Westfalen</strong> und der <strong>Evangelische</strong>n <strong>Kirche</strong> in Deutschland:<br />

in den Gesprächen spielen die existentiellen Fragen eine auffallend wichtige Rolle,<br />

gerade auch die Gefährdungen und dunklen Seiten des Lebens. Kein Wunder.<br />

War doch die Taufe seit den Tagen der ersten Christen ein einschneidendes Erlebnis:<br />

Dreimal wurden sie untergetaucht, mit dem ganzen Körper: bis zur Atemnot, zur<br />

Einsamkeit und Desorientierung.<br />

Das Taufgebot Christi steht Matthäi am Letzten. Matthäi am Letzten sagen wir,<br />

wenn etwas zu Ende geht, wenn es aus zu sein scheint und keine Hoffnung mehr<br />

besteht. Ja, das Kapitel Matthäi am Letzten schließt so: Welt Ende. Diese Welt wird<br />

ein Ende haben - wie auch jede und jeder Einzelne <strong>von</strong> uns.<br />

Das symbolisiert die Taufe hautnah: Dreimal wurden sie untergetaucht...


2<br />

Doch dann wurden sie emporgeholt: gerettet bist du durch Christus – sie schöpfen<br />

neuen Atem, wiedergeboren zum Leben mit Christus.<br />

Sie haben die Drohung des Todes gespürt, den Abgrund, das Schweigen-<br />

Und dann den neuen Atem, die Fülle der göttlichen Gnade – wie neu geboren.<br />

Und deshalb steht Matthäi am Letzten in Wahrheit auch kein Drohwort, sondern<br />

die beste Aussicht, die es für unser Leben, für die Menschheit und für die ganze<br />

Welt nur gibt: Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende. Ja, Matthäi<br />

am Letzten steht Welt Ende. Aber siehe, sieh genau hin: ich bin bei euch alle Tage!<br />

Ich bin bei euch. Was die Jünger Matthäi am Letzten hören, ist uralter<br />

Gottesklang. Ich bin bei euch. Wo andere Religionen sich Gottesbilder und Altäre<br />

aufbauten, genügte Israel der Name, Gottes unaussprechlicher Name. Mose fragt<br />

am brennenden Dornbusch: Wie ist sein Name? Und hört diesen Klang: Äjäh<br />

aschär äjäh – (kaum <strong>über</strong>setzbar; etwa so:) Ich bin, der ich bin; Ich werde da sein; Ich<br />

werde bei euch sein... Ich bin bei euch – der uralte Gottesklang.<br />

Dieser Gottesklang findet sich auch am Anfang des <strong>Matthäus</strong>evangeliums zu Jesu<br />

Geburt: Siehe, eine Jungfrau wird schwanger sein und einen Sohn gebären und sie<br />

werden ihm den Namen Immanuel geben, das heißt <strong>über</strong>setzt: Gott mit uns.<br />

Immanuel: Gott ist bei uns. So auch im letzten Vers des Evangeliums: Siehe, ich<br />

bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.<br />

Christus sagt: Ich werde da sein, wo du bist. Das wird einem jeden Menschen,<br />

klein oder groß in der Taufe zugesagt: was immer geschieht, du gehörst zu<br />

Christus.<br />

Das lässt sich nun gründlich missverstehen nach dem Motto: nichts und niemand<br />

kann mir etwas anhaben. Nein, die Taufe behütet nicht vor dem Leben mit all<br />

seinen Risiken und Unwägbarkeiten, die Taufe ist weder Schutzimpfung noch<br />

airbag und macht den Menschen nicht unverletzbar. Aber die Taufe sagt Christi<br />

Nähe zu sowohl auf den Gipfelpunkten des Lebens als auch in seinen tiefen,<br />

dunklen Tälern.<br />

<strong>Matthäus</strong> ist der Evangelist der Berggeschichten. Berggeschichten sind highlights.<br />

Sprichwörtlich dafür ist Jesu Bergpredigt. Aber der Blick vom Gipfel ins weite Land<br />

kann auch höchst verführerisch sein. Auch da<strong>von</strong> erzählt <strong>Matthäus</strong>: Der Teufel<br />

führt Jesus auf einen sehr hohen Berg; zeigt ihm alle Reiche der Welt und ihre<br />

Herrlichkeit. Sagt zu Jesus: Das alles will ich dir geben, wenn du niederfällst und<br />

mich anbetest. Der Teufel verspricht ein Leben auf dem Gipfelpunkt als<br />

andauerndes highlight. Darauf setzt der Teufel: auf die verlockende, sich<br />

unersättlich selbst begehrende Macht.<br />

Da sprach Jesus zu ihm: Weg mit dir, Satan.<br />

Als – viel später - Jesu Jünger - Petrus, Jakobus und Johannes – ihren Herr auf<br />

einem Berg in seiner ganzen Herrlichkeit sehen - sein Gesicht leuchtet wie die<br />

Sonne, seine Kleider sind weiß wie das Licht - wollen die Jünger diesen


3<br />

himmlischen Gipfelpunkt des Lebens festhalten. Petrus, wie meistens, vorneweg:<br />

Herr, hier ist gut sein! Willst Du, so will ich hier ... Hütten bauen. Ein highlight.<br />

Steht auf, entgegnet Jesus und fürchtet euch nicht! Und dann steigt er wieder mit<br />

ihnen hinab in die Mühen des Alltags, geht dorthin, wo’s wehtut.<br />

Die Taufe behütet nicht vor dem Leben, sie ist Zusage im Leben mit seinen Höhen<br />

und Tiefen. Christi Zusage - ich bin bei euch alle Tage – gilt gerade dort, wo<br />

Menschen sich wie Matthäi am Letzten fühlen.<br />

Am Ende ruft der auferstandene Christus - Matthäi am Letzten – seine<br />

verbliebenen elf Jünger zusammen - nach Galiläa auf einen Berg. Und als sie ihn<br />

sahen, fielen sie vor ihm nieder, etliche aber zweifelten... Und Jesus trat herzu und<br />

sprach zu ihnen: Mir ist gegeben alle Gewalt/ alle Macht/alle Vollmacht (ἐξουσία) im<br />

Himmel und auf Erden...<br />

Etliche aber zweifelten... Die Begegnung des Auferstandenen mit seinen Jüngern<br />

ist kein Wiedersehen unter alten Bekannten, kein Rückblick in gute, alte Zeiten,<br />

sondern Ausblick ins Künftige.<br />

Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden... Wer hat da nicht Grund zu<br />

zweifeln?! Schauen oder hören wir Nachrichten, lesen wir Zeitung: Fast <strong>über</strong>all<br />

rufen die Mächte des Verderbens ein vielstimmiges, lautes: Uns ist gegeben alle<br />

Gewalt. Der Gewalttätigkeit ist gegeben alle Gewalt - das scheint ein realistischer<br />

Satz zu sein – angesichts der Bilder aus Oslo und der ermordeten jungen<br />

Menschen auf der Insel Utøya. Die Gewalt in allen ihren widerwärtigen Spielarten<br />

paktiert mit dem Tod. In dieser Welt ist der Tod gegenwärtig, unverschämt<br />

gegenwärtig, dieser scheinbar Allmächtige, dessen Namen wir im Grunde nicht<br />

kennen, vielleicht einen Herzschlag lang ahnen, <strong>von</strong> dessen herannahender, uns<br />

anwehender Kälte wir aber schrecklich genau wissen. Der Tod scheint bei uns zu<br />

sein alle Tage bis an der Welt Ende. Auch still und schleichend wie in der Dürre<br />

<strong>von</strong> Somalia – ausbleibender Regen wegen des Klimawandels – Folge unseres<br />

Lebensstils. In dieser Welt ist der Tod gegenwärtig...<br />

Etliche aber zweifelten... Zweifel ist ja nicht einfach Unglaube; Zweifel ist Teil des<br />

Glaubens. Das deutsche Wort zweifeln drückt trefflich aus, was gemeint ist: die<br />

Zwiespältigkeit, das In-sich-gespalten-Sein des Menschen, das Hin-und<br />

Hergerissensein im Glauben: Matthäi am Letzten zu sein und doch den uralten<br />

Gottesklang zu vernehmen: Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.<br />

Hin- und Hergerissensein: Am Anfang des <strong>Matthäus</strong>evangeliums lockt der Teufel<br />

Christus: greif zu, ich geb’ dir die Macht, ich gebe dir die sich unersättlich selbst<br />

begehrende Macht auf Erden. Am Ende des Evangeliums sagt der auferstandene<br />

Christus: Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden... Alle Macht/alle<br />

Gewalt – im Himmel und auf Erden?! Was ist da zwischenzeitlich geschehen?<br />

Es kommt wohl alles darauf an, das Wesen der Vollmacht Christi anzuschauen.<br />

Christus lebte Gerechtigkeit, Barmherzigkeit, Nächsten- und Feindesliebe. Heil<br />

machen, Schuld vergeben, sich dem Verlorenen zuwenden, Frieden stiften... Liebe


4<br />

kann sich nur liebevoll durchsetzen - und wie! Denn ich bin hungrig gewesen, und<br />

ihr habt mir zu essen gegeben. Ich bin durstig gewesen, und ihr habt mir zu<br />

trinken gegeben. Ich bin ein Fremder gewesen, und ihr habt mich aufgenommen.<br />

Und Liebe ist allem schutzlos ausgeliefert, was nicht Liebe ist. Sie ist verletzbar,<br />

und wie! Ich bin ein Fremder gewesen, und ihr habt mich nicht aufgenommen. Ich<br />

bin nackt gewesen, und ihr habt mich nicht gekleidet. Ich bin krank und im<br />

Gefängnis gewesen, und ihr habt mich nicht besucht.<br />

Das kann nur der gekreuzigte und auferstandene Herr <strong>von</strong> sich sagen: Mir, der<br />

Macht der Liebe, ist gegeben alle Vollmacht im Himmel und auf Erden. Das sagt<br />

der, der sich der Gewalt schutzlos ausgelieferte bis in die Gottverlassenheit... Nun<br />

gibt es keinen gott-losen Ort mehr auf Erden, keinen Ort, wo der Christus Gottes<br />

nicht zu finden ist. Siehe, ich bin bei euch alle Tage...<br />

Geht hin. Geht hin, sagt dies Evangelium allem Volk und allen Völkern. Geht hin in<br />

die vielen Lebenswelten der Gegenwart: In die hellen Welten der Fröhlichkeit und<br />

der Pracht, die uns manchmal den Atem verschlägt. Und geht auch in die<br />

Unterwelten, in die Nachtgedanken und Müdigkeiten, in die tiefen Ängste der Zeit.<br />

Tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.<br />

Sagt den Menschen zu: Wohin ihr auch gelangen mögt - ausgesetzt den<br />

Gipfelträumen eurer Herzen oder verloren im Gewimmel der Ebenen - wie<br />

gefährlich der Weg, wie schwindelerregend die Klüfte, welche Enttäuschung euch<br />

bevorstehen mag, welcher Verzicht, welche Müdigkeit, welches Klinikzimmer: Er<br />

wird bei euch sein, in Wort und Sakrament - im Wasser der Taufe und in der<br />

Wegzehrung <strong>von</strong> Brot und Wein.<br />

Wie lange wird er bei uns bleiben? Bis an der Welt Ende. Denn am Ende der Welt<br />

und der Zeit wird er da sein, wo du bist.<br />

Auf diesem Weg bewahre der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, unsere<br />

Herzen und unsere Sinne in Christus Jesus. Amen

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