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16.04.2008<br />

Farben <strong>als</strong> Ausdruck des Lebens und der Seele<br />

Der Maler Vincent van Gogh schuf in seinen Bildern ein Abbild seiner Religiosität und seiner Gefühlswelt<br />

Vincent van Gogh startete <strong>als</strong> Autodidakt. Er lernte, indem er die Bilder alter Meister nachmalte. Mit den Jahren entwickelte er seinen<br />

ganz eigenen Stil mit dem für ihn typischen Pinselstrich und den pastös aufgetragenen Farben. Vor allem durch seine Farbauswahl und<br />

-kombination brachte er seine Bilder zum Leuchten. Van Gogh wollte nicht weniger <strong>als</strong> das Leben selbst, die Seele malen.<br />

Geboren am 30. März 1853 <strong>als</strong> Sohn eines Pfarrers im holländischen Örtchen<br />

Zundert, war Vincent Van Gogh tief religiös. Kunst und Religion verschmolzen für<br />

ihn. Später waren Schrift, Unterhaltung, Malerei für ihn eins, fügten sich für ihn<br />

selbst die Pinselstriche aneinander wie die Worte eines Gesprächs: "Ich sehe,<br />

dass die Natur zu mir gesprochen hat, dass sie mir etwas gesagt hat, was ich in<br />

Schnellschrift aufgeschrieben habe. In meiner Schnellschrift mögen Worte sein, die<br />

nicht zu entziffern sind – doch etwas ist geblieben von dem, was der Wald oder der<br />

Strand oder die Figur gesagt haben."<br />

Da er sich das Malen zum Großteil selbst beibrachte, indem er die Werke<br />

holländischer Künstler abmalte – wie Rembrandt und Frans H<strong>als</strong> –, beeinflusste<br />

deren Farbpalette und Arbeitsweise seine ersten Werke. Ebenso wie sie trug er die<br />

Ölfarben dick auf. Vor allem Braun-, Grau- und Schwarztöne bestimmten seine<br />

Palette. Dabei ging er von den erschwinglichen Tubenfarben aus, die er kaufen<br />

konnte: Er verwendete Ocker (Rot, Gelb, Braun), Kobalt- und Preußischblau,<br />

Neapelgelb, Terra di Siena, Schwarz und Weiß, außerdem in kleineren Tuben<br />

Karmin, Sepia, Zinnober, Ultramarin und Gummigutt (ein senfgelber Farbstoff aus<br />

Gummiharz).<br />

Das 1889 entstandene Bild 'Sternennacht' gehört zu den<br />

berühmtesten Werken Vincent van Goghs. Repro: Thebrid,<br />

wikipedia.de<br />

Seine Werke waren in den Anfangsjahren in Holland (1880 bis 1885) vor allem am Realismus ausgerichtet. Doch schon früh wollte er<br />

mehr <strong>als</strong> nur die Natur abmalen: "Und was ich dabei herauskriegen will, ist nicht, dass ich eine Hand zeichnen kann, sondern die Geste,<br />

nicht mathematisch genau einen Kopf, sondern die große Ausdrucksbewegung. Zum Beispiel, wenn einer beim Umgraben aufsieht, um<br />

den Wind einzuschnuppern; oder das Sprechen – kurz, das Leben." Der Vitalität der Dinge galt sein ganzes Bemühen <strong>als</strong> Künstler.<br />

Dabei beschäftigte ihn vor allem der Gedanke: Wie verhält sich das Motiv im Bild zu jenem in der Natur und daraus folgend, wann ist ein<br />

Gemälde fertig? Zudem: Welche Rolle spielt das Kolorit? Van Goghs Antwort auf die erste Frage war, dass ein Bild fertig ist, wenn es<br />

eine "Seele" hat – ein rein subjektiver Kunstbegriff und tief religiös verankert. Nicht ein menschlicher Kritiker, sondern nur die Natur kann<br />

das Werk korrigieren. Der Künstler hört dem Dialog zwischen Natur und Werk zu: "Man beginnt damit, sich fruchtlos abzuschinden, der<br />

Natur zu folgen, und alles geht schief, und man endet damit, still aus seiner Palette heraus zu schaffen, und die Natur stimmt damit<br />

überein, folgt darauf", beschreibt er seinem Bruder Theo seine ersten Auseinandersetzungen mit Farbe.<br />

Van Gogh schaffte sich eine eigene, neue Farbpalette, ein neues<br />

Farbsystem. Im November 1885 schrieb er seinem Bruder, wie er die<br />

Schwarz-Weiß-Skala mit den buntfarbigen Skalen vereinigte. Dabei sah er<br />

Schwarz <strong>als</strong> reine Dunkelheit und Weiß <strong>als</strong> reines Licht – beide <strong>als</strong> das<br />

jeweilige Ende seiner Farbenreihe. "Schwarz und Weiß haben ihren Grund<br />

und ihre Bedeutung; und wer sie unterschlägt, kommt nicht aus; beide <strong>als</strong><br />

das Neutrale zu betrachten, ist sicher das Logischste.... (Es ist) Weiß die<br />

äußerste Kombination aus dem hellsten Rot, Blau, Gelb; Schwarz die<br />

äußerste Kombination aus dem dunkelsten Rot, Blau, Gelb. Licht und<br />

Schatten nun, der Tonwert, stehen in einem direkten Zusammenhang mit<br />

der vierten Skala von Weiß und Schwarz. Man hat: Skala 1: von Gelb bis<br />

Violett; 2: von Rot bis Grün; 3: von Blau bis Orange; 4: von Weiß bis<br />

Schwarz. Ferner: Neutrale Töne von Rot, Blau, Gelb. Rot, Blau und Gelb<br />

<strong>als</strong> stärkstes Licht. Rot, Blau und Gelb <strong>als</strong> tiefstes Schwarz, so verstehe<br />

ich die verschiedenen Schwarz und Weiß."<br />

Bei den holländischen Webern entdeckte er 1885, wie sie heterogene<br />

Farben ins Gleichgewicht brachten: " Ein Grau, das aus roten, blauen,<br />

gelben, schmutzig weißen und schwarzen Fäden zusammengewebt wird;<br />

ein Blau, das ein grüner, ein orangener, ein roter oder gelber Farben bricht,<br />

wirken ganz anders <strong>als</strong> einfache Farben; sie flimmern nämlich mehr, und<br />

reine Farben werden hart und leblos daneben." Van Gogh entdeckte den<br />

In seinem 1888 entstandenen Werk 'Nachtcafé' wollte van Gogh "mit Rot<br />

und Grün die schrecklichen menschlichen Leidenschaften ausdrücken".<br />

Repro: Palladian, wikipedia.de<br />

Reiz der durch Komplementärfarben erzielten Mischtöne, die feiner, weicher und lebendiger erscheinen <strong>als</strong> die reinen Farben. Er vermied<br />

von da an mit steigender Raffinesse die reinen Palettenfarben.<br />

1886 zog er für zwei Jahre nach Paris und gewann durch den Impressionismus neue Erkenntnisse über Farben. Auch experimentierte er<br />

mit direkt nebeneinander gesetzten Farbflächen, -strichen oder -punkten, die erst mit einigen Metern Abstand den gewünschten<br />

Farbeindruck vermitteln – eine Technik, die heute additive Farbmischung genannt wird und vor allem im Druck und der Bildschirmtechnik<br />

noch Bedeutung hat.<br />

Mit der Zeit entwickelte van Gogh eine eigene Hierarchie, mit der er seine Arbeit mit Farbe kontrollieren wollte: "Diese Dinge, die sich auf<br />

die Komplementärfarben, auf Simultankontrast und die gegenseitige Aufhebung komplementärer Farben beziehen, diese Frage ist die<br />

erste und wichtigste; die nächste ist die wechselseitige Wirkung zweier gleichartiger, zum Beispiel eines Karmin auf ein Zinnober, eines<br />

Rosalila auf ein Blaulila. Die dritte Frage ist ein Hellblau gegen dasselbe Dunkelblau, ein Rosa gegen ein Braunrot usw. Aber die erste<br />

Frage ist die wichtigste." Dabei bestanden seine Komplementärfarben nicht nur aus den sich gegenseitig verstärkenden Blau und<br />

Orange, Rot und Grün, Gelb und Violett, sondern, im Einklang mit seinem früheren Farbverständnis, auch noch aus Schwarz und Weiß.<br />

Über all die Jahre und Änderungen des Ausdrucks hinweg blieb sein innerstes<br />

Anliegen jedoch die Emotion, die "Seele" des Bildes. Farbe und Emotion bedingten<br />

einander, das religiöse Urbedürfnis blieb erhalten: "In einem Bild möchte ich etwas<br />

Tröstliches sagen, wie Musik. Ich möchte Männer und Frauen mit diesem gewissen


Über all die Jahre und Änderungen des Ausdrucks hinweg blieb sein innerstes<br />

Anliegen jedoch die Emotion, die "Seele" des Bildes. Farbe und Emotion bedingten<br />

einander, das religiöse Urbedürfnis blieb erhalten: "In einem Bild möchte ich etwas<br />

Tröstliches sagen, wie Musik. Ich möchte Männer und Frauen mit diesem gewissen<br />

Ewigen malen, wofür früher der Heiligenschein das Symbol war und das wir durch<br />

Leuchten, durch das Zittern und Schwingen unserer Farben zu geben suchen."<br />

Dies erreichte van Gogh durch seine Farbauswahl und -kombination: Seine<br />

gemalten Gegenstände, Naturbilder und Personen kommen ohne Lichtquelle aus –<br />

dank der Farben scheinen sie von innen, aus sich selbst heraus zu leuchten.<br />

Und da van Gogh erkannte, dass Farben imstande waren, Gefühle hervorzurufen,<br />

nutzte er sie entsprechend für den Ausdruck seines eigenen Gefühlslebens,<br />

beziehungsweise des von ihm aufgefangenen Lebensgefühls seines Motivs: "Man<br />

muss die Liebe zweier Liebenden durch die Ehe zweier Komplementärfarben,<br />

durch die Mischung und durch ihre Ergänzung und die geheimnisvolle Vibration der<br />

verwandten Töne ausdrücken. Den Gedanken einer Stirn durch das Ausstrahlen<br />

eines hellen Tones auf einer dunklen Stirn ausdrücken; die Hoffnung durch<br />

irgendeinen Stern ausdrücken; die Glut des Wesens durch die Strahlen der<br />

untergehenden Sonne."<br />

Beim 'Sämann' (1888) ist die farbige Welt auf den Kopf gestellt:<br />

Der Himmel ist gelb, die Erde blau. AnnaLety, wikipedia.de<br />

Doch nicht nur das Gute und Schöne, vor allem auch das Einsame, Trostlose gab van Gogh gekonnt mit seinen Farbkompositionen<br />

wieder. So beschreibt er sein Bild Nachtcafé: "… Ich habe versucht, mit Rot und Grün die schrecklichen menschlichen Leidenschaften<br />

auszudrücken. Der Raum ist blutrot und mattgelb, ein grünes Billard in der Mitte, vier zitronengelbe Lampen mit orangefarbenen und<br />

grünen Strahlenkreisen. Überall ist Kampf und Antithese: in den verschiedensten Grüns und Rots, in den kleinen Figuren der schlafenden<br />

Nachtbummler, in dem leeren, trübseligen Raum, im Violett und Blau. Das Blutrot und das Gelbgrün des Billards kontrastieren mit dem<br />

zarten Louis-XV-Grün der Theke, auf der ein rosa Blumenstrauß steht. Die weiße Kleidung des Wirts, der in einer Ecke dieses Backofens<br />

wacht, wird zitronengelb, blassgrün und leuchtend."<br />

In seinem Bedürfnis, dem innersten Eindruck Ausdruck zu verleihen, hat sich Vincent van Gogh an seinem eigenen Seelenzustand<br />

orientiert, ihn immer mehr Oberhand über die reale Farbgebung der Natur gewinnen lassen. Seine Straßen waren nicht grau, sondern<br />

konnten türkis sein, sein Himmel musste nicht mehr nur blau oder schwarz sein, er konnte auch grün oder gar gelb sein. Wie in einem<br />

seiner Bilder vom Sämann. Hier scheint die Welt farblich auf den Kopf gestellt. Der Himmel ist gelb und das gepflügte Feld blau. Ein<br />

kräftiger Pinselstrich macht aus Erdklumpen gekräuselte Wellen eines Meeres.<br />

Doch der emotionale schöpferische Kraftakt blieb ohne Antwort, van Gogh einsam. Sein Leben lang war er auf die finanzielle<br />

Unterstützung seiner Familie angewiesen, die vor allem sein Bruder Theo übernahm. Van Gogh wurde psychisch krank, verbrachte viele<br />

Monate in Nervenheilanstalten. Erst lange nach seinem Selbstmord 1890 fand sein Kunst die Beachtung, die sie verdiente. (ab)<br />

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© Brillux GmbH & Co. KG (www.brillux.de)

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