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Bewegung als begleitende Intervention bei kindlicher Legasthenie ...

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Karl-Franzens-Universität Graz<br />

Institut für Sportwissenschaften<br />

<strong>Bewegung</strong> <strong>als</strong> <strong>begleitende</strong> <strong>Intervention</strong><br />

<strong>bei</strong> <strong>kindlicher</strong> <strong>Legasthenie</strong> und Dyskalkulie<br />

Diplomar<strong>bei</strong>t<br />

zur Erlangung des akademischen Grades<br />

eines Magisters der Naturwissenschaften an der Umwelt-,<br />

Regional- und Bildungswissenschaftlichen Fakultät<br />

der Karl-Franzens Universität Graz<br />

vorgelegt von:<br />

Stefan BEHAGHEL VON FLAMMERDINGHE<br />

am Institut für Sportwissenschaften<br />

Begutachterin: ao. Univ. Prof. Mag. Dr. Andrea Paletta<br />

Graz, 2. März 2010


Mit Dank an meine Eltern,<br />

die mich während meines gesamten Studiums tatkräftig unterstützten,<br />

sowie an Dr. Peter Drumbl, für die Möglichkeit der Fortbildungen im Rahmen<br />

seines Institutes und seinen fachkundigen Rat.<br />

Sowie an Frau ao. Univ. Prof. Mag. Dr. Andrea Paletta für ihre Zeit und Mühe<br />

<strong>bei</strong> der Betreuung und Begutachtung dieser Ar<strong>bei</strong>t.


Inhaltsverzeichnis<br />

Vorwort ................................................................................................................................. 1<br />

1 Einleitung............................................................................................................................... 3<br />

2 Definitionen............................................................................................................................ 7<br />

2.1 <strong>Legasthenie</strong> ..................................................................................................................... 7<br />

2.2 Dyskalkulie ....................................................................................................................12<br />

2.3 Weitere Begriffe..............................................................................................................15<br />

3 Kindliche Entwicklung.............................................................................................................22<br />

3.1 Physiologische kindliche Entwicklung.................................................................................22<br />

3.1.1 Kognitive Entwicklung nach Piaget............................................................................................ 23<br />

3.1.2 Meilensteine der motorischen Entwicklung................................................................................ 28<br />

3.1.3 Entwicklung des Körperschemas................................................................................................ 28<br />

3.2 Hauptbereiche der Entwicklungsrückstände ..........................................................................35<br />

3.2.1 Störungen der Motorik................................................................................................................ 35<br />

3.2.2 Störungen verschiedener Wahrnehmungsbereiche ..................................................................... 37<br />

3.2.3 Verhaltensauffälligkeiten............................................................................................................ 40<br />

4 Ursachen von <strong>Legasthenie</strong> und Dyskalkulie .................................................................................41<br />

4.1 Ursachen der <strong>Legasthenie</strong>..................................................................................................42<br />

4.1.1 Konstitutionelle Faktoren und Genetik (Vererbung) .................................................................. 42<br />

4.1.2 Störungen im Körperschema....................................................................................................... 43<br />

4.1.3 Wahrnehmungsstörungen ........................................................................................................... 44<br />

4.1.4 Schwächen in einzelnen Teilleistungsbereichen......................................................................... 47<br />

4.1.5 Störungen in der Entwicklung .................................................................................................... 50<br />

4.1.6 Dominanz einer Hand und funktionelle Lateralisation ............................................................... 50<br />

4.1.7 Erkrankungen oder Hirnfunktionsstörungen............................................................................... 52<br />

4.1.8 Familiäres Umfeld und schulische Faktoren............................................................................... 53<br />

4.2 Ursachen der Dyskalkulie..................................................................................................54<br />

5 Diagnostik der <strong>Legasthenie</strong> und Dyskalkulie ................................................................................58<br />

5.1 Erscheinungsformen der <strong>Legasthenie</strong>...................................................................................59<br />

5.2 Erscheinungsformen der Dyskalkulie...................................................................................64<br />

6 <strong>Intervention</strong> durch <strong>Bewegung</strong>....................................................................................................67<br />

6.1 Förderbereiche ................................................................................................................69<br />

6.2 Förderprinzipien..............................................................................................................74<br />

7 Exemplarische Beispiele aus dem <strong>Bewegung</strong>sprogramm ................................................................77<br />

8 Diskussion........................................................................................................................... 104<br />

9 Literaturverzeichnis............................................................................................................... 106<br />

1


Vorwort<br />

Dieser Ar<strong>bei</strong>t liegt der Gedanke zugrunde, die Unterstützung für Kinder, die von Lese-<br />

Rechtschreib-Schwäche oder/und Rechenschwäche betroffen sind, interessanter und<br />

motivierender zu gestalten. Die Förderung soll den Charakter eines „Nachsitzen müssen“<br />

verlieren, welcher dem zusätzlichen Zeitaufwand oft angekreidet wird. Häufig erleben Kinder<br />

und Jugendliche diesen zusätzlichen Lernaufwand derart. Das Thema liegt mir nahe, da ich<br />

neben dem Studium der Sportwissenschaften die Ausbildung zum <strong>Legasthenie</strong>- und<br />

Dyskalkulietrainer absolviert habe. Neben meinem Studium hatte ich die Möglichkeit, am<br />

Institut für angewandte Pädagogik (kurz I.F.A.P.), das auf diese Förderar<strong>bei</strong>t spezialisiert ist,<br />

mit Kindern zu ar<strong>bei</strong>ten. Ergänzend zu ihrem herkömmlichen Lese- und Schreibtraining<br />

ar<strong>bei</strong>te ich mit den Kindern auf spielerische Weise an Defiziten im <strong>bei</strong>spielsweise Bereich des<br />

Körperschemas, der Orientierung im Raum oder der Körperorientierung. Zusätzlich zu den<br />

Auffälligkeiten im Lese- und Schreibverhalten habe ich <strong>bei</strong> vielen Kindern jene<br />

Schwierigkeiten in der Motorik beobachtet, auf die ich in dieser Ar<strong>bei</strong>t eingehen werde. Die<br />

Ar<strong>bei</strong>t mit Kindern bereitet mir große Freude, so dass ich meine zukünftige Berufslaufbahn<br />

auch in der Ar<strong>bei</strong>t mit Kindern und Jugendlichen sehe. So entwickelte sich die Idee, mich<br />

nach meinem Abschluss <strong>als</strong> Magister, <strong>als</strong> Personal Coach für Kinder und Jugendliche, unter<br />

dem Titel www.dieSportfreunde.at, selbstständig zu machen. Ziel ist eine Kombination aus<br />

psychologischer Betreuung und <strong>Bewegung</strong>sprogrammen, die <strong>bei</strong> diversen Schwierigkeiten,<br />

wie zum Beispiel Mobbing in der Schule, den jungen Menschen auffangen soll und dazu<br />

dient, die Persönlichkeit zu formen und zu stärken. Mängel in den Teilleistungsbereichen<br />

sollen da<strong>bei</strong> ausgeglichen werden. Um auch im psychologischen Bereich Wissen zu erlangen,<br />

befinde ich mich derzeit in Ausbildung zum Lebens- und Sozialberater sowie zum Sozial- und<br />

Berufspädagogen. Außerdem konnte ich <strong>bei</strong> meiner langjährigen Ar<strong>bei</strong>t <strong>als</strong> Snowboardlehrer<br />

<strong>bei</strong> der Snowboardschule Blue-Tomato.at sowie <strong>bei</strong> Ferienjobs <strong>bei</strong> diversen Kinder-Sommer-<br />

Camps Erfahrung sammeln, wie z.B. zuletzt <strong>bei</strong> der Kinder-Uni der Karl-Franzens-<br />

Universität. Ich hoffe, ich kann durch diese Ar<strong>bei</strong>t weitere Einblicke vermitteln und es<br />

ergeben sich dadurch neue Ansätze für die Ar<strong>bei</strong>t mit legasthenen Kindern.<br />

2


1 Einleitung<br />

Das Erlernen der Sprache, sowohl in geschriebener <strong>als</strong> auch gesprochener Form, ist Teil<br />

nahezu jeder Kultur dieser Welt. Demnach stellen <strong>Legasthenie</strong> und Dyskalkulie ein<br />

weltweites Problem dar, das nur bedingt durch die unterschiedlichen Formen der Schrift, von<br />

Kultur zu Kultur variiert. So lassen sich die Probleme der Kinder in Österreich und auch der<br />

Kinder unserer Nachbarn in Deutschland, mit der „deutschen“ Schrift und Sprache, nicht eins<br />

zu eins mit denen der Kinder in <strong>bei</strong>spielsweise Japan oder China übereinanderlegen. Die<br />

asiatischen Schriften stellen mit ihren viel komplexeren, bildlicheren Schriftzeichen und für<br />

uns Europäer nahezu nicht erkennbaren Unterschieden in der Lautung und Betonung ganz<br />

andere Ansprüche <strong>als</strong> die europäischen Schriften. Dennoch haben die Kinder auch in diesen<br />

Ländern ihre Probleme <strong>bei</strong>m Schrift- und Spracherwerb, die der <strong>Legasthenie</strong> hiesiger Kinder<br />

ähneln. Die Lese- und Rechtschreibschwäche an sich, sowie die Rechenstörung, sind<br />

demnach ein globales Phänomen.<br />

Die Forschung zum Thema Lese- und Rechtschreibschwäche geht bis ins vorvorige<br />

Jahrhundert zurück. „Nach der Einführung der allgemeinen Schulpflicht im neunzehnten<br />

Jahrhundert wurde offenbar, dass einige die Kunst des Lesens und Schreibens bis zu einer<br />

gewissen Fertigkeit erlernen können, selbst wenn sie schwach begabt erscheinen. Erst dam<strong>als</strong><br />

konnte deutlich werden, dass es daneben Kinder gibt, die anscheinend extreme<br />

Schwierigkeiten zu haben scheinen.“ (LIPPITSCH 2007, S.12) Trotz der Eigenheiten unserer<br />

heutigen Gesellschaft, die unter dem Einfluss der Medienwirtschaft und des Internets steht,<br />

hat sich der Stellenwert des Schriftspracherwerbs nicht sonderlich verändert. „Auch in der<br />

neueren Zeit ist die Förderung von Schriftkenntnissen in der Bevölkerung eng mit der<br />

Vorstellung verbunden, damit eine Basis für den Fortschritt und für eine rationelle<br />

Lebensführung zu schaffen, da eine literale Kultur einer präliteralen oder oralen Kultur<br />

überlegen wäre…. Von Anfang an hatte somit das Erlernen des Lesens und Schreibens etwas<br />

mit einer rationalen Lebensführung, mit dem beruflichen Handeln und dem Fortschritt der<br />

Güterproduktion, aber auch mit der Gestaltung und der Teilnahme am gesellschaftlichen<br />

Leben zu tun.“ (KLICPERA 1995, S.4)<br />

Der Wissensstand über diese Thematik hat sich mit der Zeit wesentlich erweitert. Dennoch<br />

gibt es betreffend <strong>Legasthenie</strong> und Dyskalkulie immer noch viele verschiedene Meinungen<br />

3


und Auffassungen. Dadurch ist es für den Laien äußerst schwierig zwischen Irrtümern und<br />

Wahrheiten zu unterscheiden. NIEMEYER (1995, S.25) greift einige Botschaften aus der<br />

Vielfalt des aktuellen Verwirrungsangebotes heraus: „Es stellt sich <strong>bei</strong>spielsweise die Frage,<br />

wie gültig die Aussage des Amerikaners LEVINSTON ist, der <strong>bei</strong> einem Großteil der<br />

Legastheniker diskrete Gleichgewichtsstörungen <strong>als</strong> Hauptursache medikamentös behandeln<br />

will. Der Augenarzt PESTALOZZI sieht, im Hinblick auf verdecktes Schielen, eine wichtige<br />

Aufgabe <strong>bei</strong> der Rehabilitation von Legasthenikern, in der Indikationsstellung zur<br />

Verordnung von Prismenbrillen.“ Psychoanalytiker hingegen, vermuten phobische<br />

Reaktionen vor Buchstaben mit Sexu<strong>als</strong>ymbolgehalt <strong>als</strong> Lesestörfaktor oder verstehen<br />

Leistungsversagen in der Teilleistungsschwäche <strong>als</strong> Notsignal, das fehlende Zuwendung<br />

offenlegt und unbewusst Konflikte hervorrufen soll. Andere Psychoanalytiker begründen<br />

Leseversagen zum Teil mit der Angst vor dem Lernen in seiner Funktion des Erforschens der<br />

unheimlichen Welt. System- bzw. Familientherapeuten sehen Lernprobleme vor allem <strong>als</strong><br />

Symptome gestörter Mikro- und Mesosysteme und meinen damit Kleinsysteme wie Familie,<br />

Schulklasse, Nachbarschaft oder die Familie-Lehrkörper-Beziehung. Sie wollen die Lösung in<br />

der Aufhebung von Dysfunktionen der Systeme erkannt haben. (vgl. NIEMEYER 1995, S.25)<br />

Als weitere Therapiemethoden am Markt sind auch die Überkreuzbewegungen im Sinne einer<br />

Integration <strong>bei</strong>der Hirnhälften (aus der Kinesiologie), die Morphemmethode (vielfältige<br />

Wortaufgliederungübungen mit entsprechenden Segmentkombinationstrainings), sowie<br />

lautanalytische Therapiesysteme bekannt.<br />

Sowohl Interessant <strong>als</strong> auch provokant sind die gesellschaftskritischen Beiträge von LEY und<br />

HOCHSTRASSER. In der neomarxistischen Sicht, werden Ursachen des funktionalen<br />

Analphabetismus und der <strong>Legasthenie</strong>, in den Auswirkungen der heutigen<br />

kommunikationsarmen Konsumgesellschaft, sowie in der Vergnügungskultur des<br />

Fernsehkonsums und in der schulischen Reduktion des Lesens und Schreibens auf eine<br />

technische Dimension ohne spielerischen, phantasievollen und auch ideologiekritischen<br />

Umgang mit der Sprache gesehen. Als Lösung sehen LEY und HOCHSTRASSER eine<br />

politische Gesellschaftstherapie, die das schulische Lernen verändern und zur Prävention der<br />

beklagten Lernstörungen <strong>bei</strong>tragen soll. Sie sprechen von einer Systemtherapie, welche die<br />

Lust an der Sprache wieder herstellen müsste. (vgl. NIEMEYER 1995, S.26)<br />

Wir leben in einer Zeit, in der „Burn-Out“ nahezu jedem ein Begriff ist und Psychologie und<br />

Pädagogik einen hohen Stellenwert haben. Es gibt viele Menschen, die sich mit den<br />

Hintergründen heutiger Gesellschaftserscheinungen wie <strong>bei</strong>spielsweise „Burn-Out“ oder<br />

4


„Adipositas“ beschäftigen. Die <strong>Legasthenie</strong> wird, bedingt durch einen Mangel an adäquater<br />

<strong>Bewegung</strong> und sportlicher Tätigkeit und daraus resultierender Verzögerungen bzw. Lücken in<br />

der Entwicklung von Kindern, ebenfalls ein Thema sein, mit dem Pädagogen, Psychologen<br />

und auch Sportwissenschafter in der nächsten Zeit mehr und mehr konfrontiert werden.<br />

„Funktionale Basis und Ausgangspunkt allen Verhaltens des Individuums ist sein Körper<br />

(oder, um einer materialistisch orientierten Auffassung zuvorzukommen, sein Leib). Doch wie<br />

das Naheliegende oft zu wenig beachtet wird, fremd und unbekannt bleibt, ist wohl auch die<br />

eigene Leiblichkeit dem Menschen zu gewohnt, zu selbstverständlich, <strong>als</strong> dass der eigene<br />

Körper Objekt bewusster Aufmerksamkeit und Auseinandersetzung wäre. Zumeist erst <strong>bei</strong><br />

aktuellen funktionalen Beeinträchtigungen durch Verletzungen oder Erkrankungen werden<br />

Selbstverständlichkeiten wieder in Frage gestellt, wird der eigene Körper wieder <strong>als</strong><br />

bedeutsam wahr genommen.“ (BIELEFELD 1986, S.4)<br />

Durch die Reizüberflutung von Außen und die übermäßige Beanspruchung des visuellen und<br />

des auditiven Sinnes, die heute definitiv stattfinden, werden vor allem jene Sinne<br />

vernachlässigt, die uns Informationen aus dem Inneren unseres Körpers liefern.<br />

„In jungen Jahren bereits den Anforderungen der Schule gewachsen zu sein, setzt die<br />

Fähigkeit voraus, ein großes Angebot von Sinneseindrücken zu ordnen und zu verar<strong>bei</strong>ten,<br />

wo<strong>bei</strong> besonders Sinneseindrücke von den Augen und Ohren, aber auch vom<br />

Gleichgewichtssinn, vom Tastsinn und von den Rezeptoren der Tiefenwahrnehmung eine<br />

Rolle spielen.“ (AYRES 1998, S.181) Die visuelle Wahrnehmung ist in gewisser Weise auch<br />

von Körperwahrnehmung und Schwerkraftgefühlen abhängig. AYRES schreibt dazu weiter:<br />

„Wenn diese sensorischen Systeme nicht einwandfrei ar<strong>bei</strong>ten, ist die Verar<strong>bei</strong>tung optischer<br />

Eindrücke und damit die Fähigkeit zu lesen oft erschwert.“ (1998, S.181)<br />

Viele Legastheniker haben Schwierigkeiten mit der Verar<strong>bei</strong>tung bzw. dem Ordnen von<br />

Sinneseindrücken.<br />

In dieser Ar<strong>bei</strong>t werden sowohl die Ursachen und Symptomen der <strong>Legasthenie</strong>, <strong>als</strong> auch der<br />

Dyskalkulie behandelt werden. Um mehr Verständnis für die Wertigkeit der <strong>Bewegung</strong><br />

hinsichtlich der Entwicklung des menschlichen Individuums zu schaffen, wird sich ein<br />

Kapitel um die kindliche Entwicklung drehen. In diesem wird näher auf mögliche Störungen<br />

und Rückstände eingegangen und ausführlich versucht darzustellen, wie eine „normale“<br />

kindliche Entwicklung aussieht. Eltern sollen dadurch einen groben Überblick bekommen, ob<br />

5


ihr Kind für eine <strong>Legasthenie</strong> prädestiniert ist, oder ob diese Gefahr eher nicht besteht. Im<br />

Kapitel „<strong>Intervention</strong> durch <strong>Bewegung</strong>“ wird näher dargelegt werden, in welchen Bereichen<br />

ein <strong>Bewegung</strong>sprogramm ansetzen kann und ein solches auch sinnvoll ist. Nicht jede Form<br />

der <strong>Legasthenie</strong> findet ihre Ursachen in der Entwicklung des Kindes. Und nicht <strong>bei</strong> jeder<br />

<strong>Legasthenie</strong> führt ein <strong>Bewegung</strong>sprogramm auch zu einer Verbesserung des Lese- und<br />

Schreibverhaltens bzw. Rechenvermögens. Es gibt Formen der <strong>Legasthenie</strong>, <strong>bei</strong> denen man<br />

mit einem <strong>Bewegung</strong>sprogramm nichts bewirken kann. Prinzipiell ist zu sagen, dass jedes<br />

legasthene Kind individuelle Symptome und Ausprägungen zeigt, welche individuellen<br />

Ursachen zugrunde liegen. Bedauerlicher Weise gibt es auch „die“ entscheidende Ursache<br />

nicht. <strong>Legasthenie</strong> ist immer ein multikausales Problem.<br />

Weiters findet sich in dieser Ar<strong>bei</strong>t ein Kapitel, welches einige Beispiele für<br />

<strong>Bewegung</strong>sübungen enthält. Es wird genau beschrieben, in welchem Förderbereich die<br />

jeweilige Übung ansetzt, welche Materialien benötigt werden und wie die Übungen aussehen.<br />

Aus Gründen der Praktikabilität und besseren Lesbarkeit wird <strong>bei</strong> dieser Ar<strong>bei</strong>t jeweils nur<br />

die männliche oder weibliche Version von Begriffen benutzt. Es sind da<strong>bei</strong> jedoch stets <strong>bei</strong>de<br />

Geschlechter gemeint.<br />

6


2 Definitionen<br />

„Die Fertigkeiten des Lesens, Schreibens und Rechnens zählen zu den anspruchsvollsten<br />

Leistungen des menschlichen Gehirns. Voraussetzung dafür sind verschiedene Teilleistungen.<br />

Wenn komplexe Leistungen bzw. Funktionen wie Lesen, Schreiben, Rechnen nicht gebracht<br />

werden können, spricht man auch von Funktionsstörungen. Die Ursachen sind meist<br />

Entwicklungsrückstände bzw. Entwicklungsvariationen und die daraus resultierenden<br />

Teilleistungsschwächen.“ (DRUMBL 2009a, S.6) <strong>Legasthenie</strong> und Dyskalkulie sind demnach<br />

eigentlich keine Teilleistungsstörungen bzw. –schwächen, <strong>als</strong> welche sie oft in der<br />

Fachliteratur bezeichnet werden, da es sich <strong>bei</strong> den Tätigkeiten wie Lesen, Schreiben und<br />

Rechnen um höhere Leistungen bzw. Funktionen handelt. Es können aber entsprechende<br />

Störungen oder Fehlleistungen im Bereich der Teilleistungen zu <strong>Legasthenie</strong> und/oder<br />

Dyskalkulie führen, da die höheren Leistungen auf bestimmten Teilleistungen aufbauen. So<br />

schreibt DRUMBL (2009a, S.6) in seinem Skriptum weiters: „Da die Teilleistungen<br />

notwendige Voraussetzungen für die höheren intellektuellen Leistungen darstellen, sind<br />

Förderprogramme, die unmittelbar an den komplexen Funktionen – Lesen, Schreiben,<br />

Rechnen etc. – ansetzen, nicht zielführend.“ Es ist demnach nicht sinnvoll <strong>bei</strong> der Behandlung<br />

von Legasthenikern die Symptome zu bekämpfen, vielmehr geht es darum die Ursachen bzw.<br />

vorhandene Defizite herauszufinden und diese zu beheben.<br />

2.1 <strong>Legasthenie</strong><br />

Im DUDEN für Fremdwörter (1990) findet sich folgende Definition zu <strong>Legasthenie</strong>:<br />

Leg|asthe|nie [„Leseschwäche“] die; …ien: die Schwäche, Wörter u. zusammenhängende<br />

Texte zu lesen od. zu schreiben (<strong>bei</strong> Kindern mit normaler od. überdurchschnittlicher<br />

Intelligenz u. Begabung; Psychol., Med.).<br />

Das Wort setzt sich zusammen aus „legere“, das aus dem Lateinischen kommt, in der<br />

Bedeutung von lesen und dem griechischen „Asthenaia“, was soviel bedeutet wie Schwäche,<br />

Kraftlosigkeit, Unfähigkeit zu größeren physischen oder geistigen Anstrengungen, rasche<br />

Ermüdbarkeit. Demnach würde das Wort „<strong>Legasthenie</strong>“, eigentlich nur das Symptom der<br />

Lesestörung bezeichnen, jedoch werden „Lese-/Rechtschreibschwäche" (kurz LRS) und<br />

"<strong>Legasthenie</strong>" in den meisten Fällen synonym verwendet.<br />

7


Hier gibt es allerdings eine Menge Uneinigkeit unter den Experten. Der Dachverband<br />

<strong>Legasthenie</strong> Deutschland (DVLD) beharrt auf einer strikten Trennung von LRS und<br />

<strong>Legasthenie</strong>. Seine Mitglieder vertreten die Meinung letztere sei genetisch, erstere durch das<br />

Umfeld bedingt, während der deutsche Bundesverband für <strong>Legasthenie</strong> und Dyskalkulie<br />

(BVL) diese Unterscheidung nicht trifft. In Österreich und auch im World Wide Web verhält<br />

es sich ähnlich. Einige Fachleute bestehen auf eine Trennung zwischen <strong>Legasthenie</strong> und LRS,<br />

sehen die <strong>Legasthenie</strong> nur <strong>als</strong> Teilgebiet der Lese-Rechtschreibschwäche, andere verwenden<br />

die Begriffe synonym. Die Internationale Klassifikation psychischer Störungen (ICD-10) der<br />

Weltgesundheitsorganisation (WHO) legt nahe, dass die Unterscheidung zwischen LRS und<br />

<strong>Legasthenie</strong> nicht sinnvoll ist. Ebenso wie die meisten Autoren von Fachliteratur, die auf eine<br />

Unterscheidung zwischen <strong>Legasthenie</strong> und LRS verzichten. In dieser Ar<strong>bei</strong>t werde ich, aus<br />

Gründen der Praxisnähe, den Begriff „<strong>Legasthenie</strong>“ <strong>als</strong> Synonym für Lese-<br />

Rechtschreibschwäche verwenden.<br />

Die WHO definiert nach „ICD-10 Internationale Klassifikation psychischer Störungen“<br />

(DILLING, MOMBOUR, SCHMIDT 1999) Lese- und Rechtschreibstörung folgendermaßen:<br />

F81.0 Lese- und Rechtschreibstörung<br />

Das Hauptmerkmal ist eine umschriebene und eindeutige Beeinträchtigung in der Entwicklung der<br />

Lesefähigkeit, die nicht allein durch das Entwicklungsalter, durch Visus-Probleme oder<br />

unangemessene Beschulung erklärbar ist. Das Leseverständnis, die Fähigkeit, gelesene Worte wieder<br />

zu erkennen, vorzulesen und die Leistung <strong>bei</strong> Aufgaben, für welche Lesefähigkeit benötigt wird,<br />

können sämtlich betroffen sein. Mit Lesestörungen gehen häufig Rechtschreibstörungen einher. Diese<br />

persistieren oft bis in die Adoleszenz, auch wenn im Lesen einige Fortschritte gemacht wurden.<br />

Kinder mit einer umschriebene Lese- und Rechtschreibstörung haben in der Vorgeschichte häufig<br />

eine umschriebene Entwicklungsstörung. Eine sorgfältige Beurteilung der Sprachfunktion deckt oft<br />

entsprechende subtile gegenwärtige Probleme auf. Zusätzlich zum schulischen Misserfolg sind<br />

mangelhafte Teilnahme am Unterricht und soziale Anpassungsprobleme häufige Komplikationen,<br />

besonders in den späteren Hauptschul- und den Sekundärschuljahren. Die Störung wird in allen<br />

bekannten Sprachen gefunden, jedoch herrscht Unsicherheit darüber, ob ihre Häufigkeit durch die Art<br />

der Sprache und die Art der geschriebenen Schrift beeinflusst wird.<br />

8


Diagnostische Leitlinien:<br />

Die Leseleistungen des Kindes müssen unter dem Niveau liegen, das aufgrund des Alters, der<br />

allgemeine Intelligenz und der Beschulung zu erwarten ist. Dies wird am Besten auf der Grundlage<br />

eines individuell angewendeten standardisierten Testverfahrens zur Prüfung des Lesen, der<br />

Lesegenauigkeit und des Leseverständnisses beurteilt. Die spezielle Art des Leseproblems hängt vom<br />

erwarteten Niveau der Leseleistung, von der Sprache und vom Schrifttyp ab.<br />

In den frühen Stadien des Erlernens einer alphabetischen Schrift kann es Schwierigkeiten geben das<br />

Alphabet aufzusagen, die Buchstaben korrekt zu benennen, einfache Wortreime zu bilden und <strong>bei</strong> der<br />

Analyse oder der Kategorisierung von Lauten (trotz normaler Hörschärfe). Später können dann Fehler<br />

<strong>bei</strong>m Vorlesen auftreten, die sich zeigen <strong>als</strong>:<br />

a) Auslassen, Ersetzen, Verdrehen oder Hinzufügen von Wörtern und Wortteilen.<br />

b) Niedrige Lesegeschwindigkeit.<br />

c) Startschwierigkeiten <strong>bei</strong>m Vorlesen, langes Zögern oder Verlieren der Zeile im Text und<br />

ungenaues Phrasieren.<br />

d) Vertauschung von Wörtern im Satz oder Buchstaben in den Wörtern.<br />

Ebenso zeigen sich Defizite im Leseverständnis z.B. in:<br />

e) Einer Unfähigkeit Gelesenes wieder zu geben.<br />

f) Einer Unfähigkeit aus Gelesenem Schlüsse zu ziehen oder Zusammenhänge zu sehen.<br />

g) In der Verwendung allgemeinen Wissens <strong>als</strong> Hintergrundinformation anstelle von<br />

Information aus einer Geschichte <strong>bei</strong>m Beantworten von Fragen über die gelesene<br />

Geschichte.<br />

In der späteren Kindheit und im Erwachsenenalter sind die Rechtschreibprobleme meist größer <strong>als</strong> die<br />

Defizite in der Lesefähigkeit. Charakteristischerweise zeigen die Rechtschreibschwierigkeiten Fehler<br />

in der phonetischen Genauigkeit, und es scheint, dass Lese- wie Rechtschreibstörung sich zum Teil<br />

von einer Störung der phonologischen Analyse herleiten. Über die Natur und Häufigkeit von<br />

Rechtschreibfehlern <strong>bei</strong> Kindern, die in einer nicht phonetischen Sprache lesen, und über die<br />

Fehlertypen <strong>bei</strong> nicht-alphabetischen Schriften ist wenig bekannt.<br />

Umschriebenen Entwicklungsstörungen des Lesens geht meist eine Vorgeschichte von<br />

Entwicklungsstörungen des Sprechens oder der Sprache voraus. In anderen Fällen kann das Kind die<br />

Sprachentwicklung im normalen Alter durchlaufen haben, jedoch noch Schwierigkeiten <strong>bei</strong> der<br />

Informationsverar<strong>bei</strong>tung akustischer Reize haben, die sich in Problemen der Klangkategorisierung,<br />

<strong>bei</strong>m Reimen und möglicherweise in Defiziten der Sprach-Laut-Unterscheidung, <strong>bei</strong>m Behalten.<br />

9


akustischer Sequenzen und der akustischen Assoziation zeigen. In einigen Fällen können darüber<br />

hinaus Probleme <strong>bei</strong> der visuellen Informationsverar<strong>bei</strong>tung (der Buchstabenunterscheidung) und <strong>bei</strong><br />

der akustischen Differenzierung bestehen; jedoch sind solche Probleme <strong>bei</strong> Kindern, die gerade damit<br />

beginnen, lesen zu lernen, häufig, und aus diesem Grunde wahrscheinlich nicht ursächlich mit der<br />

mangelnden Lesefähigkeit verknüpft. Aufmerksamkeitsschwierigkeiten, oft begleitet von<br />

Überaktivität und Impulsivität, kommen ebenfalls häufig vor. Das genaue Muster von<br />

Schwierigkeiten in der Entwicklung im Vorschulalter variiert stark von Kind zu Kind, ebenso ihr<br />

Schweregrad; dennoch sind solche Probleme meist vorhanden.<br />

Begleitende emotionale Probleme und Verhaltensstörungen sind ebenfalls während des Schulalters<br />

vorhanden. Emotionale Probleme kommen häufiger während der frühen Schulzeit vor, Störungen des<br />

Sozialverhaltens und Hyperaktivitätssyndrome treten eher in der späteren Kindheit und in der<br />

Adoleszenz auf. Ein niedriges Selbstwertgefühl ist häufig, ebenso wie Anpassungsprobleme in der<br />

Schule und in der Beziehung zu Gleichaltrigen.<br />

Im Englischen wird die <strong>Legasthenie</strong> <strong>als</strong> „Dyslexie“ bezeichnet, welche ihr Hauptaugenmerk<br />

auf den Bereich des Erfassens, geistigen Aufnehmens und zusammenhängenden Vorlesens<br />

von Texten, <strong>bei</strong> normalem Seh- und Hörvermögen der betroffenen Person, hat. Sie bezeichnet<br />

demnach eine reine Lesestörung.<br />

Nach „DSM-IV Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen“ (SASZ,<br />

WITTCHEN, ZAUDING 1996) von der American Psychiatric Association (APA) wird<br />

Lesestörung folgendermaßen definiert:<br />

315.00 (F81.0) Lesestörung<br />

Diagnostische Merkmale<br />

Kriterium A: Das Hauptmerkmal der Lesestörung sind Leseleistungen (d.h. mit individuell<br />

durchgeführten standardisierten Tests gemessene Lesegenauigkeit, Lesegeschwindigkeit bzw.<br />

Leseverständnis), die wesentlich unter den Leistungen liegt, die aufgrund des Alters, der gemessenen<br />

Intelligenz und der altersgemäßen Bildung einer Person zu erwarten wären.<br />

Kriterium B: Die Lesestörung behindert deutlich die schulischen Leistungen oder die Aktivitäten des<br />

täglichen Lebens, <strong>bei</strong> denen Leseleistungen benötigt werden.<br />

Kriterium C: Ist ein sensorisches Defizit vorhanden, so sind die Leseschwierigkeiten größer.<br />

Auftretende neurologische oder medizinische Krankheitsfaktoren oder sensorische Defizite sollten<br />

10


auf Achse-III codiert werden. Bei Personen mit einer Lesestörung (auch <strong>als</strong> „Dyslexie“ bezeichnet)<br />

ist das Lesen gekennzeichnet durch Verdrehung, Substitutionen und Auslassungen. Für lautes wie für<br />

leises Lesen sind Langsamkeit und Verständnisfehler typisch.<br />

Besondere Geschlechtsmerkmale<br />

60-80% der Personen, <strong>bei</strong> denen eine Leseschwäche diagnostiziert wurde sind männlich.<br />

Erhebungsverfahren ermitteln häufig fälschlicherweise vorwiegend Jugen, da diese häufiger sozial<br />

störende Verhaltensweisen in Verbindung mit der Lernstörung zeigen. Bei sorgfältiger<br />

Diagnosestellung und Anwendung strenger Kriterien wurde eine gleichmäßige Verteilung zwischen<br />

Jungen und Mädchen gefunden <strong>als</strong> <strong>bei</strong> der Anwendung der traditionellen Schulgestützten Erhebungs-<br />

und Diagnoseverfahren.<br />

Prävalenz<br />

Es ist schwierig die Prävalenz der Lesestörung festzustellen, da viele Studien sich auf die Prävalenz<br />

von Lernstörungen konzentrieren und nicht sorgfältig zwischen Lese- oder Rechenstörungen bzw.<br />

Störungen des schriftlichen Ausdrucks unterscheiden. Eine Lesestörung, entweder allein oder in<br />

Verbindung mit einer Rechenstörung oder einer Störung des schriftlichen Ausdrucks, ist <strong>bei</strong> ungefähr<br />

4 von 5 Fällen für die Lernstörung verantwortlich. Prävalenzschätzungen der Lesestörung <strong>bei</strong><br />

Schulkindern in den USA liegen <strong>bei</strong> 4%. In Ländern mit strengeren Kriterien sind niedrigere<br />

Häufigkeits- und Prävalenzzahlen zu finden.<br />

Verlauf<br />

Symptome von Leseschwierigkeiten (wie <strong>bei</strong>spielsweise die Unfähigkeit zwischen einfachen<br />

Buchstaben zu unterscheiden oder einfache Laute mit Buchstaben in Beziehung zu setzen) können<br />

bereits in der Vorschule auftreten. Eine Lesestörung wird jedoch selten vor Ende der Vorschulzeit<br />

oder vor Beginn des ersten Schuljahres diagnostiziert, da formaler Unterricht im Lesen an den<br />

meisten Schulen gewöhnlich erst zu diesem Zeitpunkt beginnt. Besonders wenn die Lesestörung mit<br />

einem hohen IQ verbunden ist, kann das Kind in den ersten Schuljahren das Klassenniveau mehr oder<br />

weniger halten und die Lesestörung wird erst im vierten Schuljahr oder später offensichtlich. Bei<br />

frühzeitiger Erkennung und <strong>Intervention</strong> ist <strong>bei</strong> einem hohen Prozentsatz von Fällen eine gute<br />

Prognose zu stellen. Eine Lesestörung kann bis ins Erwachsenenalter fortbestehen.<br />

11


Familiäre Verhaltensmuster<br />

Lesestörungen treten innerhalb eine Familie gehäuft auf. Bei biologischen Verwandten ersten Grades<br />

mit Lernstörungen ist die Prävalenz höher.<br />

In den meisten Fällen treten Lese- und Rechtschreibstörung gemeinsam auf. Das scheint<br />

plausibel, denn wer Probleme hat Buchstaben zu erkennen oder ihnen eine Bedeutung<br />

zuzuordnen, wird sich auch schwer tun, sie sinngemäß niederzuschreiben. Dennoch ist es in<br />

Einzelfällen möglich, dass Lesestörung und Rechtschreibstörung getrennt voneinander<br />

auftreten. Hat ein Kind speziell Probleme im Bereich des graphemisch-phonemischen<br />

Kodierens, wird es Schwierigkeiten <strong>bei</strong>m Lesen haben, liegen die Defizite im phonemisch-<br />

graphemischen Kodieren, wird es eine reine Rechtschreibstörung zeigen.<br />

Ungeklärt ist das Verhältnis von <strong>Legasthenie</strong> zu Dyskalkulie. Diese können sowohl gekoppelt<br />

<strong>als</strong> auch einzeln voneinander auftreten. Für <strong>bei</strong>de gilt jedoch, dass die Bezeichnungen nur <strong>bei</strong><br />

mindestens normaler Intelligenz des Kindes gültig sind. Weiters darf nicht unzureichende<br />

Beschulung <strong>als</strong> Ursache zugrunde liegen. <strong>Legasthenie</strong> und Dyskalkulie sind keine Krankheit<br />

oder Behinderung. Die Begriffe „<strong>Legasthenie</strong>“ oder „Dyskalkulie“ sind nur dann zu<br />

verwenden, wenn die Intelligenz des Kindes durch einen Psychologen, oder Arzt, <strong>als</strong><br />

durchschnittlich oder überdurchschnittlich befunden wurde. Zusätzlich muss dem Kind eine,<br />

seinem Alter entsprechende, Schulausbildung zur Verfügung gestanden sein. Ein Kind, das<br />

<strong>bei</strong>spielsweise niem<strong>als</strong> eine Schule betreten hat, ist nicht <strong>als</strong> legasthen zu bezeichnen, sondern<br />

kann schlicht und einfach nicht lesen, schreiben und rechnen, weil es diese Fähigkeiten nie<br />

gelernt hat. L. RUF-BÄCHTIGER schreibt zur Definition von <strong>Legasthenie</strong>: „Für den<br />

praktischen Gebrauch kann <strong>Legasthenie</strong> definiert werden <strong>als</strong> das Unvermögen eines Kindes,<br />

Lesen und Schreiben trotz normaler Intelligenz und adäquaten Umweltbedingungen<br />

altersgerecht zu erlernen.“ (RUF-BÄCHTIGER 1995, S.58)<br />

2.2 Dyskalkulie<br />

Dyskalkulie ist eine Störung des mathematischen Denkens <strong>bei</strong> Kindern, Jugendlichen und<br />

kann auch noch im Erwachsenenalter vorhanden sein. Man kann sie auch <strong>als</strong><br />

„Arithmasthenie“ oder „Rechenschwäche“ bezeichnen. Die Silbe „Dys“ steht für schwer,<br />

schwierig während „kalkulie“ in seiner Bedeutung für die Rechenoperation steht. Die<br />

Betroffenen haben häufig Probleme mit der Erfassung von Mengen, im Zuordnen von Zahl<br />

12


und Symbol und tun sich <strong>bei</strong> Grundrechnungsarten schwer. „Der Rechenunterricht wird neben<br />

dem Lese-Schreib-Unterricht <strong>als</strong> das schullaufbahnentscheidende Fach in der Grundschule<br />

gesehen…“ schreiben LORENZ und RADATZ (1993, S.15) in ihrem „Handbuch des<br />

Förderunterrichts im Mathematikunterricht“, um weiter auszuführen: „…Während die<br />

<strong>Legasthenie</strong> sich ihres festen Platzes <strong>als</strong> Erklärung schulischen Misserfolges <strong>bei</strong> Lehrerinnen,<br />

Eltern und Schulpsychologinnen sicher sein kann, gilt dies für die Rechenschwäche nicht.<br />

Dies erscheint um so erstaunlicher, <strong>als</strong> nach Untersuchungen ca. 6% der Schüler <strong>als</strong> extrem<br />

rechenschwach zu klassifizieren sind und ca. 15% der Schüler eine mindestens<br />

förderbedürftige Rechenstörungen haben.“<br />

Nach „ICD-10 Internationale Klassifikation psychischer Störungen“ (DILLING,<br />

MOMBOUR, SCHMIDT 1999) der WHO wird Rechenstörung folgendermaßen definiert:<br />

F81.2 Rechenstörung<br />

Diese Störung besteht in einer umschriebenen Beeinträchtigung von Rechtfertigkeiten,<br />

die nicht allein durch eine allgemeine Intelligenzminderung oder eine unangemessene<br />

Beschulung erklärbar ist. Das Defizit betrifft vor allem die Beherrschung<br />

grundlegender Rechenfertigkeiten wie der Addition, Subtraktion, Multiplikation und<br />

Division, weniger die höheren mathematischen Fertigkeiten, die für Algebra,<br />

Trigometrie, Geometrie oder Differenzial- und Integralrechnung benötigt werden.<br />

Dagegen lautet die Beschreibung der Rechenstörungen nach „DSM-IV Diagnostisches und<br />

Statistisches Manual Psychischer Störungen“ (SASZ, WITTCHEN, ZAUDING 1996) der<br />

APA:<br />

Diagnostische Kriterien für 315.1 (F(81.2)) Rechenstörung<br />

Diagnostische Merkmale<br />

Kriterium A: Das Hauptmerkmal der Rechenstörung sind Rechenfähigkeiten – gemessen mit<br />

individuell durchgeführten standardisierten Tests für mathematisches Rechnen oder Denken -, die<br />

wesentlich unter denjenigen liegen, die aufgrund des Alters, der gemessenen Intelligenz und<br />

altersgemäßen Bildung einer Person zu erwarten wäre.<br />

Kriterium B: Die Rechenstörung behindert deutlich die schulischen Leistungen oder die Aktivitäten<br />

13


des täglichen Lebens, <strong>bei</strong> denen Rechenleistungen benötigt werden.<br />

Kriterium C: Liegt ein sensorisches Defizit vor, sind die Schwierigkeiten größer <strong>als</strong> diejenigen, die<br />

gewöhnlich damit verbunden sind. Ist ein neurologischer oder medizinischer Krankheitsfaktor bzw.<br />

ein sensorisches Defizit vorhanden, so sollte dies auf Achse III codiert werden.<br />

Mehrere verschiedene Fähigkeiten können <strong>bei</strong> Rechenstörung beeinträchtigt sein. Dazu gehören<br />

- „sprachbezogene“ Leistungen – wie z.B. das Verstehen und Benennen mathematischer<br />

Termini, Operationen und Begriffe sowie das Umsetzen von Textaufgaben in Mathematische<br />

Symbole,<br />

- „wahrnehmungsbezogene“ Leistungen – wie z.B. das Erkennen oder Lesen numerischer<br />

Symbole oder arithmetischer Zeichen, sowie das das Einteilen von Objekten in Zahlen oder<br />

Ziffern, das Übertragen und Addieren der „behaltenen Zahl“, sowie das Beachten von<br />

Rechenzeichen – und<br />

- „rechenbezogene“ Leistungen – wie z.B. das Beachten der Reihenfolge mathematischer<br />

Schritte, das Zählen von Objekten und das Erlernen des Einmaleins.<br />

Zugehörige Merkmale und Störungen<br />

Siehe unter „Zugehörige Merkmale und Störungen“ <strong>bei</strong> Lernstörungen (siehe S.82). Eine<br />

Rechenstörung tritt gewöhnlich zusammen mit einer Lesestörung oder einer Störung des schriftlichen<br />

Ausdrucks auf.<br />

Prävalenz<br />

Es ist schwierig, die Prävalenz der Rechenstörung festzustellen, da viele Studien sich auf die<br />

Prävalenz von Lernstörungen konzentrieren und nicht sorgfältig zwischen der spezifischen<br />

Lesestörung, Rechenstörung oder Störung des schriftlichen Ausdrucks unterscheiden. Die Prävalenz<br />

der reinen Rechenstörung (d.h., wenn sie nicht zusammen mit einer anderen Lernstörung auftritt)<br />

beträgt ungefähr ein Fünftel aller Lernstörungen. Prävalenzschätzungen der Rechenschwäche <strong>bei</strong><br />

Schulkindern in den USA liegen <strong>bei</strong> 1%.<br />

Verlauf<br />

Symptome der Rechenschwierigkeiten (wie z.B. Unklarheit <strong>bei</strong> Zahlenbegriffen oder unkorrektes<br />

Zählen) können bereits in der Vorschule oder in der ersten Grundschulklasse auftreten. Eine<br />

Rechenstörung wird jedoch selten vor Ende des ersten Schuljahres diagnostiziert, da formaler<br />

Mathematikunterricht in ausreichendem Maße an den meisten Schulen gewöhnlich nicht vor diesem<br />

14


Zeitpunkt erteilt worden ist. Üblicherweise wird eine Rechenstörung im zweiten oder dritten<br />

Schuljahr offensichtlich. Besonders wenn die Rechenstörung mit einem hohen IQ verbunden ist, kann<br />

das Kind in den ersten Schuljahren das Klassenniveau mehr oder weniger halten und die<br />

Rechenstörung wird erst im fünften Schuljahr oder später offensichtlich.<br />

Eine Dyskalkulie kann entweder gekoppelt mit einer <strong>Legasthenie</strong> auftreten oder <strong>als</strong> „isolierte“<br />

Dyskalkulie, <strong>als</strong> welche sie dann bezeichnet wird, wenn unabhängig von einer <strong>Legasthenie</strong>,<br />

Schwächen in der Erfassung von Mengen und in deren begrifflicher Zuordnung zu Zahlen<br />

auftreten. Gleich wie <strong>bei</strong> der <strong>Legasthenie</strong> gilt auch <strong>bei</strong> der Dyskalkulie, je früher etwas gegen<br />

das Defizit getan wird, desto leichter fällt es dem Kind, wieder mit den Mitschülern Schritt<br />

halten zu können. Sollte auf die Rückstände nicht schnellstmöglich eingegangen werden, wird<br />

die Kluft zwischen der Leistung des Kindes und denen seiner Vergleichsgruppe immer<br />

größer, und damit wird es immer schwieriger die Lücke zu schließen. Vergleichbar mit einem<br />

Marathonläufer, der von der Spitzengruppe abreißen lassen muss, genau so wird der Weg<br />

zurück an die Spitze immer weiter und beschwerlicher, was sich auch auf seine Psyche<br />

niederschlägt. Lehrer, die auf dem Gebiet der <strong>Legasthenie</strong> nicht ausgebildet sind, tätigen oft<br />

Aussagen wie: „Das wächst sich schon aus!“ oder „Machen Sie sich keine Sorgen. Das legt<br />

sich schon ganz von alleine wieder!“. Dieser Rat sollte nicht befolgt werden, denn je früher<br />

mit einer Förderung begonnen wird, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, das Problem in<br />

den Griff zu bekommen.<br />

2.3 Weitere Begriffe<br />

In diesem Kapitel werde ich kurz auf einige Begriffe eingehen, von denen im weiteren<br />

Verlauf dieser Ar<strong>bei</strong>t noch die Rede sein wird. Es soll dem Leser, für den das Gebiet der<br />

Lernstörungen und <strong>Bewegung</strong>swissenschaften Neuland ist, zu besserem Verständnis während<br />

des Lesens dieser Ar<strong>bei</strong>t verhelfen.<br />

Dyspraxie: Dyspraxie ist eine Beeinträchtigung der Körperbewegungen und -koordination.<br />

Sie führt oft zu Ungeschicklichkeit, Problemen <strong>bei</strong> der Sprache, sowie Lesen und Schreiben<br />

und tritt sowohl <strong>bei</strong> Jungen <strong>als</strong> auch <strong>bei</strong> Mädchen auf. Den Kindern, die darunter leiden, fällt<br />

es schwer ihre Extremitäten zu beherrschen und einfache <strong>Bewegung</strong>splanungen<br />

durchzuführen. Es ist ihnen <strong>bei</strong>spielsweise meist nicht möglich, einen Arm ruhig zu halten,<br />

15


während sie den anderen bewegen. Symmetrische <strong>Bewegung</strong>en zweier Gliedmaßen sind<br />

ihnen nicht so ohne Weiteres möglich. Auch Verwechslungen von: rechts - links, hinten -<br />

vorn, oben - unten, b - d, q - p ähneln der <strong>Legasthenie</strong>. Die Gründe sind bisher noch nicht<br />

ausreichend geklärt. Mögliche Ursachen sind aber Schädigungen entsprechender Bereiche des<br />

Gehirns durch Unfälle oder Sauerstoffmangel <strong>bei</strong> der Geburt. Die Beeinträchtigung kann<br />

durch Frühförderung in Form von Physio-, Moto-, Ergo- oder Beschäftigungstherapie<br />

behandelt werden, um die Motorik zu verbessern.<br />

(vgl. http://www.greenfacts.org/de/glossar/def/dyspraxie.htm)<br />

Frühkindliches Psycho-organisches Syndrom (POS): Der Begriff POS ist hauptsächlich in<br />

der Schweiz gebräuchlich, da sich die diagnostischen Kriterien nach der schweizerischen<br />

Invalidenversicherung richten. Er ähnelt einer Minimalen Cerebralen Dysfunktion (MCD)<br />

und wird oft auch synonym für das Hyperkinetische Syndrom (HKS), Aufmerksamkeits-<br />

Defizit-Syndrom (ADS, ADHS) gebraucht, wo<strong>bei</strong> sich diese Krankheitsbilder doch ein wenig<br />

unterscheiden. Das POS steht für ein Erscheinungsbild von Teilleistungsschwächen, deren<br />

Ursachen in der Veranlagung oder in der Entwicklung des Kindes zu finden sind. Minimale<br />

strukturelle Gehirnschädigungen können die Ursache sein. Bei einem POS sind drei Bereiche<br />

betroffen: Die Motorik, die Wahrnehmung und das Verhalten.<br />

Dies bedeutet aber nicht, dass ein POS zwingend zu Problemen in der Schule führen muss.<br />

Einige Kinder entwickeln geschickte Strategien, wie sie mit ihren Schwierigkeiten umgehen,<br />

so dass sie ihre schulischen Aufgaben gut lösen können. So bleibt den Pädagogen und Eltern<br />

oft verborgen, was ihre Schützlinge belastet.<br />

Teilleistungsschwächen/Teilleistungsstörungen: Diese Begriffe werden oft synonym<br />

gebraucht. Teilleistungsschwäche bedeutet, dass „Teile, der für die geforderte Leistung<br />

nötigen „funktionellen Hirnorgane“, nicht voll funktionieren. Eine Leistung kann zwar<br />

erbracht werden, jedoch nicht im erwarteten qualitativen oder quantitativen Ausmaß. Die<br />

erwartete Leistung ist empirisch messbar, <strong>bei</strong>spielsweise im Vergleich mit Gleichaltrigen.“<br />

(BANGERL 1987 zitiert in FEDRA/MIEHL 1995, S.11) Bei einer „Teilleistungsstörung“<br />

können die entsprechenden Hirnareale ihre Leistung nicht erbringen. „Einzelne Glieder des<br />

„funktionellen Hirnorganes“ können durch andere ersetzt werden. Dadurch ist die Fähigkeit<br />

zur Kompensation gegeben.“ (FREDA/MIEHL 1995, S.16) Näheres ist in Kapitel 4.1.4 zu<br />

16


finden, in dem auch näher auf die Teilleistungsschwäche <strong>als</strong> Ursache für <strong>Legasthenie</strong><br />

eingegangen werden wird.<br />

Motologie: SCHILLING definiert in seinem Buch „Grundlagen der Motopädagogik –<br />

Förderung entwicklungsgefährdeter und behinderter Heranwachsender“ die Motologie <strong>als</strong><br />

„Lehre von der Motorik <strong>als</strong> Grundlage der Handlungs- und Kommunikationsfähigkeit des<br />

Menschen, ihrer Entwicklung, ihrer Störungen und ihrer Behandlung.“ (SCHILLING 1981,<br />

S.187) Die Motologie stellt den Oberbegriff der Anwendungsbereiche Motopädagogik und<br />

Mototherapie dar.<br />

Motopädagogik: Motopädagogik kann bezeichnet werden <strong>als</strong>: „Ganzheitlich orientiertes<br />

Konzept der Erziehung durch Wahrnehmung, Erleben und Bewegen.“ (ZIMMER 1999, S.19)<br />

Im Vordergrund der Motopädagogik stehen <strong>Bewegung</strong>s- und Handlungskompetenz von<br />

vorwiegend Kindern, aber auch Jugendlichen und Erwachsenen, und ihrer Bedeutung für die<br />

Entwicklung der Person. Sie zielt vorwiegend auf Prävention ab.<br />

Mototherapie: SCHILLING (1986) beschreibt Mototherapie mit den Worten:<br />

„<strong>Bewegung</strong>sorientierte Methode zur Behandlung von Auffälligkeiten, Retardierungen und<br />

Störungen im psychomotorischen Verhalten und/oder Leistungsbereich.“ (S.728)<br />

Die Mototherapie kommt zum Unterschied von Motopädagogik erst dann zum Einsatz, wenn<br />

<strong>bei</strong> einem Kind schon Auffälligkeiten bzw. Defizite auftreten. Im Blickpunkt steht die<br />

Retardierung oder die Störung, weniger eine allgemeine Vorsorge.<br />

Sensorische Integrationsbehandlung: Der sensorischen Integration liegen Überlegungen<br />

über die Funktionsweisen des Zentralnervensystems und die Bedeutung sinnlicher<br />

Wahrnehmung <strong>bei</strong> der Auseinandersetzung mit der Umgebung zugrunde. Sie führen zu einer<br />

Theorie über die Entstehung und Behandlung von Lernstörungen und<br />

Verhaltensauffälligkeiten, <strong>bei</strong> der die Beziehung zwischen motorischen und sensorischen<br />

Systemen eine wichtige Rolle spielt. (vgl. ZIMMER 1999, S.43)<br />

SCHERLER (1975, S.35) erläutert den Begriff der Sensomotorik in seinem Buch<br />

“Sensomotorische Entwicklung und materiale Erfahrung“ und zitiert da<strong>bei</strong> nach PIAGET<br />

(1957): „Sensomotorisch nennt man die Aktivitäten, welche ausschließlich die<br />

17


Wahrnehmung, die Haltung (Tonus) und die <strong>Bewegung</strong> betreffen. Sensomotorische<br />

Intelligenz ist die Fähigkeit, vor dem Erscheinen der Sprache, praktische Probleme mittels<br />

solcher Aktivitäten zu lösen.“<br />

Eine der Hauptvertreterin der sensorischen Integration war die 1989 verstorbene,<br />

amerikanische Entwicklungspsychologin Anna Jean AYRES. Sie schreibt in ihrem Buch<br />

„Bausteine der kindlichen Entwicklung“ (1998, S.7):<br />

„Die Integration der Sinne ist das Ordnen der Empfindungen, um sie gebrauchen zu können.<br />

Unsere Sinne geben uns Information über den physikalischen Zustand unseres Körpers und<br />

über die Umwelt um uns herum. Empfindungen fließen in unser Gehirn, wie Ströme in einen<br />

See fließen. Zahllose „Bits“ sinnlicher Wahrnehmung erreichen in jedem Augenblick unser<br />

Gehirn, nicht nur von den Augen und Ohren her, sondern auch von jedem Teil unseres<br />

Körpers. Wir verfügen über einen besonderen Sinn, der es uns gestattet, den Zug der<br />

Schwerkraft und die <strong>Bewegung</strong>en unseres Körpers relativ zur Erdoberfläche zu bemerken.“<br />

Wie sich aus diesem Textabschnitt schon erahnen lässt, misst AYRES dem<br />

Gleichgewichtssinn eine besondere Bedeutung zu und sieht ihn <strong>als</strong> Schlüssel und Grundstein<br />

für die anderen Sinne der menschlichen Wahrnehmung. „Für das vestibuläre System besteht<br />

eine beträchtliche Möglichkeit, alle anderen sensorischen Erfahrungen zu beeinflussen.“<br />

(AYRES 1979, S.43)<br />

Selbstbild: „Im Selbstbild spiegeln sich die Erfahrungen wider, die es (das Kind; Anm.<br />

Autor) in der Auseinandersetzung mit seiner sozialen und materialen Umwelt gewonnen hat,<br />

ebenso auch die Erwartungen, die von der Umwelt an das Kind herangetragen worden sind.<br />

Es ist das Bild, das das Kind von sich selber hat.“ (ZIMMER 1999, S.51) Beim Selbstbild<br />

handelt es sich um die bewusste Visualisierung des „Was kann ich“, ohne sich da<strong>bei</strong> in<br />

Relation zu anderen zu sehen. Es handelt sich um „neutral beschreibbare Merkmale einer<br />

Persönlichkeit, wie <strong>bei</strong>spielsweise Fähigkeiten, Aussehen usw.“ (ZIMMER 1999, S.53), und<br />

verhält sich daher relativ stabil.<br />

Selbstkonzept: Das Selbstkonzept speist sich aus der Wahrnehmung des Kindes. Wissen über<br />

persönliche Eigenschaften und der Vergleich mit anderen aus der Gruppe, spielen ebenfalls<br />

eine entscheidende Rolle. „Die Erfahrungen, Kenntnisse und Informationen, die sich im<br />

Selbstbild widerspiegeln, münden ein in Einstellungen und Überzeugungen zur eigenen<br />

18


Person, die sich mit dem Begriff „Selbstkonzept“ fassen lassen.“ (ZIMMER 1999, S.51)<br />

Beim Selbstkonzept spielen auch Gefühle und andere unbewusste Parameter eine Rolle. Man<br />

kann sich am Montag super fühlen und am Dienstag fühle ich mich wie ein totaler Versager.<br />

Im Volksmund wird dies oft auch <strong>als</strong> "Tagesverfassung“ bezeichnet. Das Selbstkonzept zeigt<br />

demnach Schwankungen, der eine tiefere Ursache zugrunde liegt.<br />

Körperschema und Körperbild: Das Konzept des Körperschemas wurde von der klinischen<br />

und experimentellen Neurologie entwickelt. In der Folgezeit erfuhr es durch eine Fülle<br />

psychiatrischer und allgemeinpsychologischer Theoriebildungen eine erhebliche Erweiterung.<br />

Der Begriff „Körperschema“ wurde 1980 von PICK eingeführt. Er betonte, dass es mehrere<br />

Körperschemata für jede sensible Qualität des Körpers gibt. Unter ihnen soll das „optische<br />

Vorstellungsbild“ das wesentliche Gerüst für das Bewusstsein unserer Körperlichkeit bilden.<br />

Es ist das Konzept, der sich im Laufe des Lebens durch sensorische Information bildenden<br />

Raumbilder des Körpers, das PICK <strong>als</strong> Grundlage für die Erklärung klinischer Beobachtungen<br />

dient. (vgl. JORASCHKY 1983, S.17)<br />

EGGERT bezeichnet das Körperschema auch <strong>als</strong> „Bewusstsein des eigenen Körpers aufgrund<br />

multipler sensorischer Wahrnehmung zustande gekommener kognitiver Prozess“. (1997,<br />

S.87)<br />

P.F. SCHILDER unterschied in seinem Buch „The image and the appearance of the human<br />

body“, das 1935 in London und 1950 in New York erschien, zwischen Körperschema und<br />

Körperbild. Beide Begriffe wurden mit der Zeit weiter ausgear<strong>bei</strong>tet. „Das Körperschema ist<br />

die gefühlssichere Vorstellung von Körpergrenzen und Größenrelationen der Körperteile<br />

zueinander und zur Umgebung, die sichere Vorstellung vom Organismus <strong>als</strong> physikalischem<br />

Körper.“ (aus http://www.dpg-psa.de/an_ps_historie_05.htm)<br />

Letzteres gilt jedoch nur <strong>bei</strong> einem vollkommen entwickelten Körperschema. Abweichungen<br />

finden sich <strong>bei</strong> Entwicklungsverzögerungen oder wenn andere Störungen, z.B. neurologische<br />

Störungen, auftreten. Die einfachste Beeinflussung liegt zum Beispiel unter Stress vor. Steht<br />

der Mensch unter starker psychischer Belastung, kann es schnell einmal passieren, dass er<br />

sich an einem Türrahmen stößt, jemanden auf der Straße anrempelt, oder gegen eine<br />

Tischkante rennt. Es ist dies eine Folge einer momentanen Störung des Körperschemas durch<br />

Überforderung. Dem folgt auch die Redewendung: „Heute stehe ich irgendwie neben mir.“<br />

Sie bezeichnet eine vorübergehende Irritation der Orientierung über die einzelnen Körperteile,<br />

19


ihre Stellung im Raum, ihre Stellung zueinander und den jeweiligen Muskeltonus. Man kann<br />

es auch <strong>als</strong> Körpergefühl bezeichnen.<br />

„Das Körperbild ist hingegen Ausdruck der subjektiven Geschichte und der<br />

Beziehungserfahrungen des einzelnen Menschen im Hinblick auf seine Körperlichkeit; aus<br />

heutiger Sicht kann es zum Teil <strong>als</strong> Aspekt des Selbst verstanden werden, insofern es das<br />

Selbstwerterleben betrifft und die Konfrontation der eigenen, bewertenden<br />

Selbstwahrnehmung mit persönlichen und gesellschaftlichen Wertvorstellungen und<br />

Normen.“ (aus http://www.dpg-psa.de/an_ps_historie_05.htm)<br />

BIELEFELD sieht „Körperschema“ und „Körperbild“ <strong>als</strong> Unterbegriffe der<br />

„Körpererfahrung“. Die Auslegung und Definition von Körperbild und Körperschema sind<br />

ebenso zahlreich, wie es Autoren gibt. In Deutschland findet man zusätzlich zu<br />

„Körperschema“ und „Körperbild“ Ausdrücke wie „Körper-Ich“ oder „Körperbewusstsein“,<br />

während sich in angloamerikanischen Büchern die Begriffe noch stärker vermischen. „Body<br />

imagine“, „body schema“, „postural model“, „corporal awareness“, „body percept“, „body<br />

concept“, „body ego“, „somatopsyche“ und „somatognosie“ sind nur einige Beispiele.<br />

(vgl. JORASCHKY 1983, S.19)<br />

Das macht es besonders schwer eine genaue Definition dieser Begriffe zu liefern. Dies hält<br />

auch BIELEFELD (1986) in seinem Buch „Körpererfahrung – Grundlagen menschlichen<br />

<strong>Bewegung</strong>sverhaltens“ fest: „Aus der Fülle der Termini, die für Teilbereiche oder aber den<br />

Gesamtkomplex der Auseinandersetzung mit dem eigenen Körper Verwendung gefunden<br />

haben, ist fast jeder (von irgendeinem anderen Autor) auch im gegensätzlichen Sinne<br />

gebraucht worden.“ (S.13)<br />

BIELEFELD versucht sich sehr gelungen in einer Strukturierung des Gesamtkomplexes<br />

„Körpererfahrung“ welche auf der folgenden Seite abgebildet ist:<br />

20


KÖRPERERFAHUNG (BODY EXPERIENCE)<br />

- Die Gesamtheit aller, im Verlauf der individuellen wie<br />

gesellschaftlichen Entwicklung, erworbenen Erfahrungen<br />

mit dem eigenen Körper, die sowohl kognitiv wie<br />

affektiv, bewusst wie unbewusst sein können.<br />

KÖRPERSCHEMA (BODY SCHEME)<br />

- der neurophysiologische Teilbereich der<br />

Körpererfahrung, umfasst alle perceptivkognitiven<br />

Leistungen des Individuums<br />

bezüglich des eigenen Körpers.<br />

KÖRPERORIENTIERUNG (BODY<br />

ORIENTATION)<br />

Die Orientierung am und im eigenen Körper mit<br />

Hilfe der Extero- und Interozeptoren, d. h. der<br />

Oberflächen- und Tiefensensibilität, insbesondere<br />

der kinästhetischen Wahrnehmung.<br />

(das KÖRPERSCHEMA im engeren Sinne!)<br />

KÖRPERAUSDEHNUNG (BODY SIZE<br />

ESTIMATION)<br />

Das Einschätzen von Größenverhältnissen sowie<br />

der räumlichen Ausdehnung des eigenen Körpers.<br />

KÖRPERKENNTNIS (BODY KNOWLEDGE)<br />

Die faktische Kenntnis von Bau und Funktion des<br />

eigenen Körpers und seiner Teile einschließlich<br />

der Rechts-Links-Unterscheidung (auch<br />

KÖRPERBEGRIFF /<br />

KÖRPERVORSTELLUNG /<br />

KÖRPERWAHRNEHMUNG)<br />

KÖRPERBILD (BODY IMAGE)<br />

- der physiologisch-phänomenologische<br />

Teilbereich der Körpererfahrung, umfasst<br />

alle emotional-affektiven Leistungen des<br />

Individuums bzgl. des eigenen Körpers.<br />

KÖRPERBEWUSSTSEIN (BODY<br />

CONSCIOUSNESS)<br />

Die psychische Repräsentation des eigenen<br />

Körpers oder seiner Teile im Bewusstsein des<br />

Individuums, bzw. die auf den eigenen Körper<br />

gerichtete Aufmerksamkeit. (auch<br />

KÖRPERBEWUSSTHEIT / BODY<br />

AWARENESS)<br />

KÖRPERAUSGRENZUNG (BODY<br />

BOUNDARY)<br />

Das Erleben der Körpergrenzen, d.h. den<br />

eigenen Körper <strong>als</strong> deutlich von der Umwelt<br />

abgegrenzt zu erleben.<br />

KÖRPEREINSTELLUNG (BODY<br />

ATTITUDES)<br />

Die Gesamtheit der auf den eigenen Körper,<br />

insb. auf dessen Aussehen gerichtete<br />

Einstellung, spez. die (Un-)Zufriedenheit mit<br />

dem eigenen Körper. (auch BODY<br />

SATISFACTION / BODY CATHEXIS)<br />

Abb. 1: Versuch einer Strukturierung des Gesamtkomplexes „Körpererfahrung“<br />

(vgl. BIELEFELD 1986, S.17)<br />

21


3 Kindliche Entwicklung<br />

3.1 Physiologische kindliche Entwicklung<br />

Um Abweichungen der Motorik bzw. des Verhaltens <strong>bei</strong> einem Kind wahrnehmen zu können,<br />

gilt es zuerst einmal, die physiologische kindliche Entwicklung zu kennen.<br />

„Beim normal entwickelten Baby werden die Lebensvorgänge in den ersten Wochen<br />

weitgehend durch ein angeborenes Reflexverhalten gesteuert. In dieser Zeit überwiegen<br />

neuromotorische Automatismen in Form symmetrischer Massenbewegungen und reflexartige<br />

Gesamtreaktionen. Sie haben im Stammhirn ihren Ursprung. Die Pyramidenbahn von und zur<br />

Hirnrinde ist anfangs noch nicht funktionsfähig. Die Strampelbewegungen des Säuglings sind<br />

grob und unkoordiniert, die sensorische Kontrolle fehlt.“ (KIPHARD 1995, S.258)<br />

Zu den oben genannten Reflexen gehört z.B. der Greifreflex, der durch den sanften Druck auf<br />

die Hand- oder Fußinnenseite des Säuglings ausgelöst wird. Oder der Suchreflex, der bewirkt,<br />

dass das Kind <strong>bei</strong> einer Berührung des Mundwinkels seinen Kopf in Richtung der Berührung<br />

dreht. Ein weiteres Beispiel wäre der Steigreflex, <strong>bei</strong> dem, wenn man mit den Fußrücken des<br />

Säuglings an den Unterrand einer Tischkante hält, die Reflexantwort in einer Beugung des<br />

Beines und des Fußes besteht, <strong>als</strong> ob das Baby eine Stiege hochsteigen wollte.<br />

„Im Zuge der Sensibilisierung der optischen, aber auch der taktil-kinästhetischen<br />

Sinnesbahnen lernt der Säugling, sein Reflexverhalten allmählich abzubauen und Schritt für<br />

Schritt willkürmotorisches Verhalten zu lernen.“ (KIPHARD 1995, S.258)<br />

Dies ist ein entscheidender Prozess für die weitere Entwicklung des Kindes.<br />

„In den darauffolgenden Monaten verbessert sich nicht nur die Augen-Hand-Koordination.<br />

Durch das Erwachen der optischen Neugierde will der Säugling im zweiten Lebensjahr die<br />

engen Raumgrenzen seines Bettchens oder Laufstalles forschend und umwelterobernd<br />

überwinden. Dieser Drang unterstützt, wenn genügend Lebensraum gewährt wird, die<br />

Lernprozesse der Augen-Körper-Koordination. Damit vollzieht das Kind wichtige<br />

Entwicklungsschritte auf dem Weg zur späteren sozialen Selbstsicherheit.“ (KIPHARD 1995,<br />

S.258)<br />

Sollte das Kind in dieser Zeit aus irgendwelchen Gründen nicht genügend Raum zur<br />

<strong>Bewegung</strong>sentfaltung finden, kann sich später darin die Ursache für Lern- bzw.<br />

Verhaltensstörungen finden.<br />

„Der Aufbau des Selbstkonzeptes ist <strong>bei</strong>m Kind daher wesentlich geprägt von der Art und<br />

Weise, wie es sich über seinen Körper und seine Sinne die Umwelt aneignet und sich mit ihr<br />

22


auseinander setzt. Die über Körper und <strong>Bewegung</strong> gemachten Erfahrungen bilden damit auch<br />

die Grundlage der kindlichen Identitätsentwicklung.“ Schreibt ZIMMER in ihrem „Handbuch<br />

der Psychomototrik“ (1999, S.61)<br />

„In der weiteren sensomotorischen Entwicklung werden die <strong>Bewegung</strong>sfunktionen mehr und<br />

mehr zur Unterstützung und Ausbildung kognitiver Funktionen verwendet.“ (KIPHARD<br />

1995, S.259)<br />

Durch die neugewonnene Mobilität des Kindes ist es ihm nun besser möglich, Objekte zu<br />

erforschen, und durch seine Arme und Beine sich in eine „günstigere<br />

Wahrnehmungsposition“ zu bringen. Sein Horizont erweitert sich stetig.<br />

„Das Erreichen einer altersgemäßen Körperkontrolle und Körpergeschicklichkeit ist aber auch<br />

wesentlich für eine gesunde und harmonische emotional-soziale Entwicklung. Jedes Kind<br />

möchte sich im <strong>Bewegung</strong>sbereich bewähren. Es möchte mittun, sich an den Spielen der<br />

anderen beteiligen und sich zur Kindergemeinschaft dazugehörig fühlen. Dazu braucht es<br />

körperliche <strong>Bewegung</strong>sfähigkeit und Steuerungsfähigkeit. Ungeschickte Kinder werden in der<br />

Gemeinschaft Gleichaltriger meist nicht aufgenommen. Man akzeptiert sie nicht, stößt sie<br />

weg, demütigt sie und spottet über ihre funktionelle Minderwertigkeit.“ (KIPHARD 1995,<br />

S.259)<br />

3.1.1 Kognitive Entwicklung nach Piaget<br />

J. PIAGET und andere Wissenschafter wie H. GINSBURG oder S. OPPER beschäftigten<br />

sich mit der kognitiven Entwicklung des Menschen. PIAGET begründet in seinem<br />

Entwicklungsmodell vier Stadien der kognitiven Entwicklung.<br />

Im ersten Stadium, dem sogenannten „Sensomotorischen Stadium“, das etwa von der Geburt<br />

bis zum 2. Lebensjahr dauert, erwirbt das Kind „sensomotorische Koordination, praktische<br />

Intelligenz und Objektpermanenz“. Objektpermanenz bedeutet zu wissen, dass es einen<br />

Gegenstand weiterhin gibt, auch wenn ich ihn nicht sehe.<br />

Das zweite Stadium erstreckt sich ca. vom Ende des 2. bis zum 7. Lebensjahr und <strong>bei</strong>nhaltet<br />

<strong>als</strong> „Präoperationales Stadium“ den Erwerb des „Vorstellungs- und Sprechvermögens“.<br />

In den <strong>bei</strong>den weiteren Stadien dem „Konkretoperationalen Stadium“ (7.-11. Lebensjahr) und<br />

dem „Formaloperationalen Stadium“, das ab dem 12. Lebensjahr beginnt, dreht sich alles<br />

darum zu lernen die Aufmerksamkeit auf mehrere Merkmale eines Ereignisses zu lenken und<br />

diese in Beziehung zueinander zu setzen (Dezentrierung), sowie die Fähigkeit zu erlernen sich<br />

bestimmte Situationen vorzustellen und im Geiste auch wieder den ursprünglichen Zustand<br />

23


herzustellen, bzw. den „Erwerb der Fähigkeit zum logischen Denken und der Fähigkeit<br />

Operationen auf Operationen anzuwenden“. (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Jean_Piaget)<br />

Auch K. SCHERLER befasst sich mit dem Thema der kognitiven Entwicklung des Kindes.<br />

Entwicklung heißt für ihn „Wandel in den Erlebnisweisen des Körpers und in der Sinngebung<br />

der Dinge.“ (SCHERLER 1975, S.21) Er betont, dass vor allem zwischen dem motorischen<br />

Handel des Kindes und seiner kognitiven Entwicklung ein enger Zusammenhang besteht.<br />

Die vier Stadien nach PIAGET haben bestimmte Charakteristika, die sich in wiederum vier<br />

Punkte gliedern lassen. Anschließend folgen eine kurze Aufstellung der Charakteristika und<br />

eine nähere Beschreibung der vier Stadien der kognitiven Entwicklung.<br />

Charakteristika der vier Stadien der kognitiven Entwicklung nach J.Piaget:<br />

• die einzelnen Stadien folgen aufeinander; ein Stadium muss durchlaufen sein, bevor<br />

das nächste folgen kann<br />

• die Stadien sind universell, d.h. sie kommen in allen Kulturen vor<br />

• die Stadien sind durch qualitative, nicht nur durch quantitative Unterschiede<br />

voneinander abgegrenzt<br />

• in den Stadien wird durch die Prozesse Assimilation und Akkommodation eine bessere<br />

Anpassung der Person an die durch die Umwelt bedingten Gegebenheiten (Adaption)<br />

angestrebt. Insbesondere Akkommodation geschieht, wenn durch neue Erfahrungen<br />

ein Ungleichgewicht zwischen den bereits aufgebauten kognitiven Strukturen und<br />

realen Situationen festgestellt wird. Diese <strong>bei</strong>den Prozesse werden durch Reifung,<br />

durch Erfahrung und durch Erziehung angeregt und dies führt zum Durchlaufen der<br />

einzelnen kognitiven Stadien.<br />

Sensomotorisches Stadium (0–18 Monate)<br />

(vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Jean_Piaget)<br />

Sensomotorisches Handeln stellt die früheste Form der Auseinandersetzung des Kindes mit<br />

seiner Umwelt dar. Zunächst beruht diese nur auf einen durch <strong>Bewegung</strong> und Wahrnehmung<br />

erschlossenen Wirklichkeitsbereich. Aus diesem Handeln resultieren grundlegende Raum-,<br />

24


Zeit-, Gegenstands- und Kausalitätsbegriffe. Das Verhalten des Kindes zeigt sich <strong>als</strong> imitativ<br />

und spielerisch. SCHERLER betont, dass materiale Erfahrungen in einer Umgebung nicht<br />

möglich sind, die dem Kind weder Entscheidungs- noch Handlungsspielraum lassen.<br />

(vgl. SCHERLER 1975, S.22)<br />

PIAGETs Aufzeichnungen der ersten 18 Lebensmonate zeigen folgende Einteilung:<br />

• „0–1 Monat: Bei Geburt ist das Kind in einem Zustand des absoluten Egozentrismus<br />

eingeschlossen, es nimmt außer sich selbst nichts wahr. Das Kind beherrscht einfache<br />

Reflexe wie das Saugen, das Folgen von bewegten Objekten mit den Augen, das<br />

Schließen der Hand <strong>bei</strong> Berührung; aus diesen Reflexen werden willkürliche<br />

Aktionen.<br />

• 1–4 Monate: Neue Reaktionsmuster bilden sich durch zufällige Kombination<br />

primitiver Reflexe. Das Kind vereinigt getrennte Aktionen, z. B. mit der Hand zappeln<br />

und daran saugen<br />

• 4–8 Monate: Das Kind reagiert auf äußere Reize, aber Sehen und Greifen sind noch<br />

nicht koordiniert. Erste Versuche werden unternommen, um auf die Umgebung<br />

einzuwirken, z. B. durch das Erzeugen der Geräusche einer Rassel.<br />

• 8–12 Monate: Zielgerichtetes Verhalten entsteht. Ein Hindernis wird zur Seite<br />

geschoben, um einen Gegenstand zu greifen. Jetzt entsteht die Objektpermanenz. Neu<br />

tritt in diesem Alter auch die Acht-Monat-Angst (‚fremdeln‘) auf: das Kind kann nun<br />

unterscheiden, welche Personen ihm vertraut sind und welche Personen ihm fremd<br />

sind. Während es früher alle menschlichen Gesichter angelächelt hat, schenkt es jetzt<br />

nur noch den ihm vertrauten Personen ein Lächeln. Auf Gesichter, die ihm fremd sind,<br />

reagiert es abweisend.<br />

• 12–16 Monate: Gerichtetes Tasten, Hilfsmittel werden gebraucht, das Versuch-und-<br />

Irrtum-Verhalten ist auf ein Ziel gerichtet.<br />

• 16–18 Monate: Das Kind beginnt, sich geistig zu entwickeln. Die motorische Aktion<br />

wird 'nach innen' verlegt. Es gibt seinen egozentrischen Standpunkt auf der<br />

physischen, noch nicht auf der geistigen, Ebene auf.“<br />

25<br />

(http://de.wikipedia.org/wiki/Jean_Piaget)


Präoperationales Stadium (18 Monate – 7 Jahre)<br />

Das präoperationale Stadium entspricht weitgehend der Zeit des Kindergarten- und<br />

Vorschulalters. „Die Kinder sind nun schon in der Lage, über konkrete Ereignisse auf der<br />

Ebene der Vorstellung nachzudenken, sie werden damit immer unabhängiger von der direkten<br />

Beobachtung von Dingen und Vorgängen…“ schreibt ROSSMANN (1996, S.93) und weiter<br />

auszuführen: „…Die Kinder beginnen mit zunehmendem Maße, Symbole und Zeichen<br />

(mentale Repräsentationen, Worte, Gesten) in ihre Denkprozesse mit einzubeziehen. Piaget<br />

spricht vom „repräsentativen Denken“, das im Vergleich zur sensomotorischen Phase völlig<br />

neue Möglichkeiten eröffnet.“<br />

Sprachlicher Ausdruck und Bildvorstellungen werden immer weiter trainiert. Das Kind sieht<br />

sich selbst, mit seinen Bedürfnissen und Zwecken noch <strong>als</strong> den Mittelpunkt der Welt.<br />

„Der Egozentrismus des präoperationalen Kindes lässt es annehmen, dass jeder so denkt wie<br />

es selbst denkt und dass die ganze Welt seine Gefühle und Wünsche teilt. Dieses Gefühl des<br />

Einsseins mit der Welt führt im Kinde zu der Überzeugung seiner magischen Allmacht. Die<br />

Welt ist nur seinetwegen geschaffen. Aufgrund seines Egozentrismus ist das Kind nicht fähig,<br />

sich in andere Menschen hineinzudenken. Alle teilen vermeintlich seinen Standpunkt. Es<br />

kennt nur seine Perspektive. Das Kind glaubt, dass alles, was es für real hält (Worte, Namen,<br />

Bilder, Träume, Gefühle), auch wirklich existiert (Realismus). Auch auf der sprachlichen<br />

Ebene zeigt sich diese Egozentrizität. Das Kind ist nicht in der Lage, eine Geschichte so zu<br />

erzählen, dass sie für einen Zuhörer, der die Geschichte nicht kennt, verständlich ist.<br />

Ein weiterer Aspekt des egozentrischen Denkens ist der Animismus. Das Kind glaubt, dass die<br />

Dinge wie es selbst sind: belebt, bewusst und voller Absichten.<br />

Piaget unterscheidet vier Stadien in Bezug auf Animismus, die nacheinander durchlaufen<br />

werden:<br />

1. Jeder Gegenstand kann mit einem Zweck oder bewusster Aktivität geladen sein. Ein<br />

Ball kann sich weigern geradeaus zu fliegen.<br />

2. Nur Objekte, die sich bewegen, sind lebendig (z.B. Wolken).<br />

3. Nur Objekte, die sich spontan und aus eigener Kraft bewegen, sind lebendig.<br />

4. Nur Pflanzen und Tiere sind lebendig.<br />

Das Denken des präoperationalen Kindes beruht nicht auf Logik. Objekte und Vorgänge, die<br />

in einem raumzeitlichen Zusammenhang auftreten, werden in kausaler Beziehung gesehen,<br />

<strong>bei</strong>spielsweise der Donner macht den Regen.“ (http://de.wikipedia.org/wiki/Jean_Piaget)<br />

26


Konkretoperationales Stadium (7–12 Jahre)<br />

„Im Stadium der konkreten Operationen gewinnt das Denken erheblich an Flexibilität. Es ist<br />

zwar noch an konkrete Erfahrungen gebunden, die Kinder sind aber schon in der Lage,<br />

Erfahrungselemente im Zusammenhang zu sehen. Dies zeigt sich darin, dass Kinder mehr <strong>als</strong><br />

nur einen Aspekt eines Sachverhaltes sehen können und auch zeitliche Abfolgen können im<br />

Sinne von Ursache-Wirkungs-Abfolgen nachvollziehbar verstanden werden. Es wird erkannt,<br />

dass Zustände aus früheren Zuständen hervorgehen und dass die resultierenden Abfolgen<br />

teilweise auch rückgängig gemacht werden können. Hier spricht man von der Fähigkeit des<br />

reversiblen Denkens.“ (SIEGEL 2002, S.7)<br />

Abstraktionen sind in diesem alter noch nicht möglich. Das logische Denken ist noch nicht<br />

vollkommen entwickelt, sondern das Verhalten wird von der direkten Wahrnehmung<br />

beeinflusst und erfolgt intuitiv.<br />

Formaloperationales Stadium (ab 12 Jahre)<br />

Das Kind hat gelernt, im Sinne eines Erwachsenen logische Schlüsse zu ziehen. Dies<br />

ermöglicht ihm komplexere Beziehungen zwischen Sachverhalten zu erkennen bzw.<br />

herzustellen. „Die Periode ist charakterisiert durch abstraktes Denken und das Ziehen von<br />

Schlussfolgerungen aus vorhandenen Informationen.“<br />

(http://de.wikipedia.org/wiki/Jean_Piaget)<br />

27


3.1.2 Meilensteine der motorischen Entwicklung<br />

Welche Mutter erzählt nicht voller Stolz den Freunden und Bekannten, wenn der Nachwuchs<br />

seine ersten Schritte macht, oder welcher Vater fiebert nicht dem Moment entgegen, an dem<br />

sein Sohn zum ersten Mal einen Ball kickt, sofern es sich um einen Fußball begeisterten Vater<br />

handelt. So gibt es im Leben eines jeden Kindes gewisse Meilensteine, die sich zeitlich relativ<br />

genau festlegen lassen. Die folgende Tabelle zeigt einen kurzen Überblick darüber:<br />

Meilensteine der motorischen Entwicklung bis zur Schulreife nach KIPHARD 1995<br />

(S.268)<br />

Körperbeherrschung (Grobmotorik)<br />

Funktion Zeitraum<br />

Rollt von Bauch auf Rücken 2 Monate bis 5 Monate<br />

Sitzt frei 5 Monate bis 8 Monate<br />

Zieht sich zum Stand 6 Monate bis 10 Monate<br />

Steht frei, geht frei 10 Monate bis 17 Monate<br />

Geht rückwärts 13 Monate bis 19 Monate<br />

Geht Treppe rauf mit Geländer 14 Monate bis 22 Monate<br />

Kickt Fußball 14 Monate bis 24 Monate<br />

Schlusssprung am Ort, fährt Dreirad 21 Monate bis 3 Jahre<br />

Schlusssprung über 20 cm Weite 2 Jahre bis 3 ½ Jahre<br />

2 Ein<strong>bei</strong>nhüpfer, fährt Roller 3 Jahre bis 5 Jahre<br />

10 Sek. Ein<strong>bei</strong>nstand (nur 1 Bein) 3 Jahre bis 6 Jahre<br />

4 Schritte rückw., Seiltänzergang (Zehen an Ferse) 4 Jahre bis 6 ½ Jahre<br />

Über 5cm breite Latte balancieren (Schulreife)<br />

Schlagballwurf (Mädchen 5 m; Knaben 10 m) (Schulreife)<br />

Treppe frei und flüssig hinabgehen (Schulreife)<br />

20 m in 5 Sek. Laufen (= 4 m/Sek) (Schulreife)<br />

3.1.3 Entwicklung des Körperschemas<br />

Peter DRUMBL schreibt in seinem Skriptum zur Ausbildung zum <strong>Legasthenie</strong>trainer am<br />

Institut für angewandte Pädagogik folgendes über die Entwicklung des Körperschemas:<br />

„In den ersten Lebensjahren entwickeln sich <strong>bei</strong>m Kind grundlegende Fähigkeiten, auf denen<br />

später die höheren Leistungen des Intellekts aufbauen. Fünf Stadien der Entwicklung können<br />

<strong>als</strong> Körperbewusstsein oder Körperschema zusammengefasst werden. Diese fünf Bereiche<br />

stellen die Basis für die intellektuellen Leistungen in Form vielfacher Intelligenzen dar und<br />

sollten <strong>bei</strong> der Erstellung individueller Förderprogramme für <strong>Legasthenie</strong> und Dyskalkulie<br />

stets berücksichtigt werden.<br />

28


1. Die Fähigkeit der Wahrnehmung von Signalen der kinästhetischen<br />

Tiefensensibilität – Muskelspindel, Sehnenspindel und Gelenksrezeptoren –<br />

führt zum Verständnis für den funktionalen Aufbau des eigenen Körpers, damit<br />

zum Begreifen funktionaler Zusammenhänge und zur Entwicklung eines guten<br />

räumlichen Vorstellungsvermögens.<br />

2. Über die Rückmeldung der zum Hirn geleiteten Signale der Tiefensensibilität<br />

erlangt das Kind die Kontrolle über <strong>Bewegung</strong>smuster und es kommt zur<br />

Ausbildung komplexer und integrierter motorischer Aktionen.<br />

3. Die Fähigkeiten zur Wahrnehmung der eigenen Umgebung, zum Erleben der<br />

eigenen Person in dieser Umgebung und zum Erfassen von Objekten <strong>als</strong><br />

Gestalt und Funktion setzten Tiefensensibilität und die räumliche<br />

Vorstellungskraft voraus. Sie bilden die Basis für körperliche und geistige<br />

Beweglichkeit und für das bewusste Erleben des eigenen Ich im Kontext des<br />

gegenständlichen und sozialen Umfeldes.<br />

4. Das bewusste Wahrnehmen des eigenen Körpers und seiner Umgebung führt<br />

zum Erleben und zur Vorstellung vom eigenen Leistungsvermögen. So werden<br />

die Grundlagen für Selbstwert und das Vertrauen in die eigene<br />

Handlungsfähigkeit geschaffen.<br />

5. Die Wahrnehmung und Verar<strong>bei</strong>tung aller Emotionen, die im Zusammenhang<br />

mit den vorangegangenen Entwicklungsstufen auftreten, schließen das<br />

Körperschema ab. Eine stabile emotionale Stuktur ist dann zu erwarten wenn<br />

die anderen Bereiche des Körperschemas gut ausgebildet sind.“<br />

(DRUMBL 2009a, S.32)<br />

Die Auswirkungen <strong>bei</strong> Störungen oder Defiziten, in einem oder mehreren dieser Bereiche,<br />

können sich in verschiedenen Lebenssituationen bemerkbar machen.<br />

„Unsicherheiten in der Wahrnehmung und Interpretation von Reizen, <strong>bei</strong> der motorischen<br />

Planung und Kontrolle sowie Schwächen in der räumlichen Orientierung führen<br />

erfahrungsgemäß zu Kindern mit geringem Selbstvertrauen, instabilen Emotionen und mit<br />

geringer Belastbarkeit. Solche Personen können es nur schwer oder nicht vertragen, wenn sie<br />

<strong>bei</strong>m Spiel verlieren, zu wenig Aufmerksamkeit bekommen oder anderen Zugeständnisse<br />

machen müssen. Sie haben eine niedrige Frustrationsschwelle, wenig Frustrationstoleranz und<br />

sind manchmal extrem unflexibel.“ (DRUMBL 2009a, S.32)<br />

29


ZIMMER (1999) schreibt dazu in ihrem Handbuch zur Psychomotorik: „Psychomotorische<br />

Förderung verfolgt damit einerseits das Ziel, über <strong>Bewegung</strong>serlebnisse zur Stabilisierung der<br />

Persönlichkeit <strong>bei</strong>zutragen – <strong>als</strong>o das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten zu stärken -,<br />

andererseits soll jedoch auch eine Bear<strong>bei</strong>tung der motorischen Schwächen und Störungen,<br />

aber auch der Probleme des Kindes in der Auseinandersetzung mit sich selbst und seiner<br />

Umwelt ermöglicht werden.“ (S.22)<br />

Demnach profitiert das geförderte Kind nicht nur in jenen Bereichen, die gezielt verbessert<br />

werden sollen, denn zusätzlich wird eine breite Basis für den Fortlauf der Entwicklung<br />

geschaffen, die zu höheren kognitiven Leistungen führt.<br />

„Das Selbstvertrauen und die Risikobereitschaft sensomotorisch gut integrierter Kinder führt<br />

zu zunehmend komplexeren motorischen Aktionen, zu Ideenreichtum <strong>bei</strong> der Planung und<br />

Ausführung von Spielen, sowie zu einer sicheren Orientierung. Aufbauend auf den<br />

vorbewussten Leistungen des Körperschemas können sich die kognitiven Leistungen der<br />

Intelligenzen entwickeln. Kinder mit schwach integrierten oder fehlenden Teilleistungen<br />

vermeiden häufig Situationen, von denen sie sich überfordert fühlen und werden so in ihrer<br />

intellektuellen Entwicklung blockiert.“ (DRUMBL 2009a, S.33)<br />

In diesem Zusammenhang stellt sich jedem Elternteil natürlich die Frage: „Wie weit sollte<br />

mein Kind entwickelt sein? Und wie erkenne ich es, wenn mein Kind nicht dort ist, wo es<br />

seinem Alter entsprechend eigentlich sein sollte?“<br />

Im folgenden Text fasst A. GROLL für ein deutsches Kinder und Familienportal die<br />

Mindestanforderungen für Jungen und Mädchen nach halbjährlichem Verlauf zusammen. Es<br />

handelt sich da<strong>bei</strong> um einen sehr anschaulichen Überblick, der klar und einfach wesentliche<br />

Merkmale, Fähigkeiten und Verhalten einordnet. Natürlich entwickelt sich jedes Kind in<br />

seinem eigenen Tempo, deswegen sind die Kinder in dem einen oder anderen Bereich mal<br />

früher und mal später entwickelt. Sollten die Mindestanforderungen in mehreren Fällen aber<br />

nicht erreicht werden, rät A. GROLL zu einem Gespräch <strong>bei</strong>m jeweiligen Kinderarzt, da eine<br />

spezielle Förderung notwendig werden könnte.<br />

30


Kinder mit 18 Mon.<br />

Optische Wahrnehmung<br />

• Bevorzugt ein Spielzeug<br />

• Erkennt Eltern und Geschwister<br />

• Sieht rollendem Ball nach<br />

• Betrachtet sich im Spiegel<br />

• Besieht gern Bilderbuch<br />

• Erkennt Person von weit<br />

Handgeschick<br />

• Schlägt Dinge aneinander<br />

• Räumt Dinge aus und ein<br />

• Zeigt mit Zeigefinger<br />

• Wirft Dinge weg<br />

• Trinkt allein aus Tasse<br />

• Packt Eingewickeltes aus<br />

Körperkontrolle<br />

• Geht mit Halt an Möbeln<br />

• Schiebt Kinderwagen<br />

• Steht allein, geht allein<br />

• Hebt im Bücken Dinge auf<br />

• Steht ohne Hilfe auf<br />

• Treppenkrabbeln auf Bauch<br />

Sprache<br />

• kaut mühelos feste Nahrung<br />

• Laute <strong>als</strong> Wunschäußerung<br />

• Laute: a, o, u, m, b, p<br />

• Sagt zwei sinnvolle Worte<br />

• Ahmt zwei Tierlaute nach<br />

• Ahmt zwei Wörter nach<br />

Akustische Wahrnehmung<br />

• Blickt zur genannten Person<br />

• Mundbewegung <strong>bei</strong> "ham", "happa"<br />

• Befolgt: komm her, zu mir<br />

• Macht auf Geheiß "bitte"<br />

• Versteht: Mund auf<br />

• Reagiert auf seinen Namen<br />

Sozialkontakt<br />

• macht "winke, winke" nach<br />

• Klascht <strong>bei</strong> "backe, backe Kuchen"<br />

• reagiert auf Handhinstrecken<br />

• Hilft <strong>bei</strong>m Anziehen, holt Schuhe<br />

• Rollt Ball zurück<br />

• Zeigt sein Spielzeug her<br />

31<br />

Kinder mit 24 Mon.<br />

Optische Wahrnehmung<br />

• Ordnet Ding zum Ding<br />

• Schüttelt Kopf <strong>als</strong> Nein<br />

• Sieht Turmbau zu<br />

• Findet ausgetauschte Dose<br />

• Zeigt Körperteil an Puppe<br />

• Ordnet zwei Dinge zum Bild<br />

Handgeschick<br />

• Steckt Scheiben auf Stab<br />

• Baut Turm aus zwei Würfeln<br />

• Öffnet Reißverschluss<br />

• Steckt Rosine in Flasche<br />

• Kritzelt auf Papier<br />

• Zieht Kleidung aus<br />

Körperkontrolle<br />

• Hebt gehockt Dinge auf<br />

• Rennt 5 m ohne hinfallen<br />

• Geht rückwärts<br />

• Treppauf mit Geländer<br />

• Ersteigt Stuhl, fasst Lehne<br />

• Fußballstoß ohne umfallen<br />

Sprache<br />

• Einwortsatz <strong>als</strong> Wunsch<br />

• Laute: n, l, d, t, w, f<br />

• Verwendet 5 Worte<br />

• Benennt 3 Personen<br />

• Benennt 4 Dinge<br />

• Benennt 2 Tätigkeiten<br />

Akustische Wahrnehmung<br />

• Zeigt 2 benannte Personen<br />

• Zeigt 4 benannte Dinge<br />

• Zeigt benannten Körperteil<br />

• Versteht: Möchtest du...?<br />

• Versteht: eia und heia<br />

• Versteht: <strong>als</strong>, teita ( ausfahren )<br />

Sozialkontakt<br />

• Drückt und streichelt Stofftier<br />

• Kommt freudig entgegen<br />

• Kann sinnvoll allein spielen<br />

• Plappert <strong>bei</strong>m Bildbesehen<br />

• Ahmt Fegen, Kochen nach<br />

• Sagt, wenn es etwas möchte


Kinder mit 2,5 Jahren<br />

Optische Wahrnehmung<br />

• Ordnet 2 Größen zu<br />

• Ordnet 2 Farben zu<br />

• Ordnet 2 Formen zu<br />

• Kennt Nachbarn und Besuch<br />

• Sortiert Löffel und Gabel<br />

• Sortiert 2 Paar Lottobilder<br />

Handgeschick<br />

• Blättert Buchseiten um<br />

• Steckt Stock ins Rohr<br />

• Kippt Perle aus Flasche<br />

• Wirft Ball überkopf zu<br />

• Ißt allein mit Löffel<br />

• Baut Turm aus 4 Würfeln<br />

Körperkontrolle<br />

• Spielt in Kauerstellung<br />

• Frei treppauf, nachgesetzt<br />

• Treppab mit Geländer<br />

• Ersteigt drei Leitersprossen<br />

• Geht balanciersicher<br />

• Beid<strong>bei</strong>nsprung am Boden<br />

Sprache<br />

• Verwendet 10 Worte<br />

• Nennt sich <strong>bei</strong>m Vornamen<br />

• Sagt: da, weg, bitte, danke<br />

• Benennt 2 Eigenschaften<br />

• Spricht Zweiwortsatz<br />

• Verwendet der, die, das<br />

Akustische Wahrnehmungen<br />

• Kennt 20 Wortbedeutungen<br />

• Zeigt 8 benannte Dinge<br />

• Zeigt 4 benannte Personen<br />

• Versteht: wiedersehen, tschüss<br />

• Befolgt: Gib mir noch eins<br />

• Befolgt: Leg Puppe heia!<br />

Sozialkontakt<br />

• Hilft im Haushalt<br />

• Zeigt Zuneigung zu anderen<br />

• Nennt sich <strong>bei</strong>m Vornamen<br />

• Ist froh über neue Gerichte<br />

• Füttert Teddy oder Puppe<br />

• Bleibt tagsüber sauber<br />

32<br />

Kinder mit 3 Jahren<br />

Optische Wahrnehmung<br />

• Kennt seine Kleidung<br />

• Sortiert Tee und Esslöffel<br />

• Findet zwei verstecke Dinge<br />

• Erkennt Orte wieder<br />

• Erkennt Tätigkeit im Bild<br />

• Unterscheidet ein und viel<br />

Handgeschick<br />

• Steckt Kette ins Rohr<br />

• Reiht Perlen auf Draht<br />

• Holt Bonbon mit Rechengriff<br />

• Faltet Papier<br />

• Gießt von Becher zu Becher<br />

• Malt Rundformen<br />

Körperkontrolle<br />

• Geht 3 m auf Zehenballen<br />

• Frei treppab, nachgesetzt<br />

• Fußschlussstand, Augen zu<br />

• Rennt 15 m ohne Hinfallen<br />

• Anlaufsprung über Strich<br />

• Beid<strong>bei</strong>nsprung von Treppe<br />

Sprache<br />

• Sagt: noch, wieder, viel<br />

• Wiederholt Viersilbensatz<br />

• Fragt: was´n das?<br />

• Spricht Dreiwortsatz<br />

• Spricht mit Puppe, Teddy<br />

• Laute: r, s sch, x, z<br />

Akustische Wahrnehmung<br />

• Versteht doppelte Ortsangaben<br />

• Befolgt Doppelauftrag<br />

• Zeigt 6 benannte Körperteile<br />

• Zeigt Tätigkeit im Bild<br />

• Hört zwei Schläge heraus<br />

• Befolgt: gib mir eins / viele<br />

Sozialkontakt<br />

• Ist eifersüchtig auf andere<br />

• Wartet, bis es dran ist<br />

• Bringt gern andere zum Lachen<br />

• Führt gern Aufträge aus<br />

• Spielt gern Tierrollen<br />

• Spricht von sich <strong>als</strong> "ich"


Kinder mit 3,5 Jahren<br />

Optische Wahrnehmung<br />

• Sortiert Grundfarben<br />

• Sortiert 3 Längen<br />

• Sortiert 5 Paar Lottobilder<br />

• Räumt 5 Hohlwürfel ein<br />

• Setzt 5 Formen ein<br />

• Orientiert sich draußen<br />

Handgeschick<br />

• Zieht Kleidung an<br />

• Öffnet Zündholzschachtel<br />

• Wickelt Bonbon aus<br />

• Baut Turm aus 8 Würfeln<br />

• Zeichnet Kreis ab<br />

• Hält Stift mit zwei Fingern<br />

Körperkontrolle<br />

• Fährt Dreirad, Gokart<br />

• Kickt Ballon aus der Luft<br />

• Trägt Wasserglas 3 m weit<br />

• geht 3-m Streifen entlang<br />

• Springt 20 cm weit, 5 cm hoch<br />

• Frei treppab, Fußwechsel<br />

Sprache<br />

• Sagt: ich, du, mein, dein<br />

• Verwendet Mehrzahl<br />

• Benennt Tätigkeit im Bild<br />

• Nennt 5 Tiere<br />

• Berichtet spontan Erlebnis<br />

• Verwendet Vergangenheit<br />

Akustische Wahrnehmung<br />

• Zeigt größer und kleiner<br />

• Zeigt rechts / links (auch f<strong>als</strong>ch)<br />

• zeigt auf rote Farbe<br />

• Zeigt eckig und rund<br />

• Hört Geschichte gespannt zu<br />

• Hört Vokal "a" heraus<br />

Sozialkontakt<br />

• Ist stolz über Lob<br />

• Stellt viele Fragen<br />

• Ist froh über neue Kleidung<br />

• Macht gern etwas vor<br />

• Spielt gern mit anderen<br />

• Unterbricht Lärm auf Bitten<br />

33<br />

Kinder mit 4 Jahren<br />

Optische Wahrnehmung<br />

• Sortiert Autos und Tiere<br />

• Ordnet Menge 2 optisch zu<br />

• Findet 3 versteckte Dinge<br />

• Erkennt Junge und Mädchen<br />

• Ordnet Detail zum Ganzen<br />

• Puzzle aus zwei Teilen<br />

Handgeschick<br />

• Wäscht und trocknet Hände ab<br />

• Schraubt, dreht Schlüssel<br />

• Knetet Kugel und Schlange<br />

• Linie zwischen zwei Punkten<br />

• Knöpft auf und zu<br />

• Schneidet mit Schere<br />

Körperkontrolle<br />

• Geht mit Armschwung<br />

• Je Bein 2 Sek. balancieren<br />

• 1 Hüpfer auf einem Bein<br />

• 5 fortl. Schlusssprünge<br />

• Schlusssprung von Couch<br />

• Frei treppab, Fußwechsel<br />

Sprache<br />

• Laute: ch, ng, nt, schp, tr<br />

• Erklärt was es spielt<br />

• Wiederholt Kurzgeschichte<br />

• Gebraucht Nebensätze<br />

• Fragt: wer, wo, wann, warum<br />

• Nennt 2 Gegensätze<br />

Akustische Wahrnehmung<br />

• Kennt Daumen, Zeigefinger<br />

• Befolgt: Gib mir zwei<br />

• Versteht: morgens, abends<br />

• Legt etwas auf, unter<br />

• Versteht: müde, hungrig<br />

• Zeigt alles was fliegt<br />

Sozialkontakt<br />

• Hat spezielle Freunde<br />

• Sagt: ich hab dich lieb<br />

• Spielt allein draußen<br />

• Macht Kreisspiele mit<br />

• Gibt Süßigkeiten ab<br />

• Bleibt nachts trocken


Kinder mit 4,5 Jahren<br />

Optische Wahrnehmung<br />

• Ordnet 5 Tierpaare<br />

• Erkennt Verkleinerung<br />

• Imitiert Beiddaumstreckung<br />

Handgeschick<br />

• Legt Z mit 3 Hölzern<br />

• Schmiert Brot allein<br />

• Zeichnet Kreuz ab<br />

Körperkontrolle<br />

• 30 m Schnellauf, 15 Sek.<br />

• 5 x Seitensprünge über Linie<br />

• Standweitsprung, 50 cm<br />

Sprache<br />

• Wiederholt 5-Wortsatz<br />

• Sagt, was es heute tat<br />

• Bentwortet 3 Zweckfragen<br />

Akustische Wahrnehmung<br />

• Versteht: dünn/dick, gerade/krumm<br />

• Versteht: mehr/am Meisten<br />

• Merkt einstellige Zahl für 1 Minute<br />

Sozialkontakt<br />

• Isst völlig allein<br />

• Geht allein zu Nachbarn<br />

• Nennt Namen und Adresse<br />

34<br />

Kinder mit 5 Jahren<br />

Optische Wahrnehmung<br />

• Sortiert 3 Oberbegriffe<br />

• Setzt 10 Formen ein<br />

• Ordnet 6 Mannteile zu<br />

Handgeschick<br />

• Steckt 10 Perlen in Flasche<br />

• Scherenschneiden an Linie<br />

• Fädelt Nadel ein<br />

Körperkontrolle<br />

• Je Bein 5 Sek, balancieren<br />

• 2 Hüpfer auf einem Bein<br />

• Gerades Aufstehen über Sitz<br />

Sprache<br />

• Benennt 3 Farben<br />

• Spricht 4 Zahlen nach<br />

• Spricht 5-Wortsätze<br />

Akustische Wahrnehmung<br />

• Versteht: schief, rauh, flüssig<br />

• Zeigt 3 genannte Berufe<br />

• Hört Sinnwidriges heraus<br />

Sozialkontakt<br />

• Spielt gern Elternrollen<br />

• Achtet auf sein Eigentum<br />

• Zeigt Wetteifer im Spiel<br />

(aus: http://www.kinder.de/Die_kindliche_Entwicklung_im_tabellarischem_U.473.0.html


3.2 Hauptbereiche der Entwicklungsrückstände<br />

Die Reihenfolge von gewissen Entwicklungsschritten ist festgelegt. Die Schritte bauen<br />

aufeinander auf. So ist es zum Beispiel nicht möglich, dass ein Kind läuft, bevor es überhaupt<br />

gelernt hat zu sitzen, oder zu krabbeln. Aus dieser Perspektive scheint es klar, dass, sollte ein<br />

Entwicklungsschritt nicht vollständig vollzogen, oder gar ausgelassen werden, Lücken in der<br />

Kindesentwicklung entstehen. Diese Lücken haben zu einem späteren Zeitpunkt ihre<br />

Auswirkungen, wenn neue Erfahrungen auf der Kenntnis, die bereits bestehen sollte,<br />

aufbauen. Dann äußert sich der Mangel und es wird wichtig das Versäumte möglichst rasch<br />

nachzuholen. P. DRUMBL stellt in seinem Skriptum zur Ausbildung zum<br />

<strong>Legasthenie</strong>trainer/in, in Anlehnung an RUF-BÄCHTIGER, die Hauptbereiche der<br />

Entwicklungsrückstände dar. Er bringt diese, stellvertretend für alle auf<br />

Teilleistungsstörungen beruhenden Erscheinungsbilder, am Beispiel des frühkindlichen<br />

psycho-organischen Syndroms (POS) dar. Sie sind auch für <strong>Legasthenie</strong> und Dyskalkulie<br />

gültig. In den folgenden Abschnitten werde ich mich an seine Art der Darstellung anlehnen.<br />

3.2.1 Störungen der Motorik<br />

Die Motorik beschreibt die Fähigkeit sich zu bewegen. Sie ist enorm wichtig für Kinder, da<br />

<strong>Bewegung</strong> in den ersten Lebensjahren den Großteil der Tagesbeschäftigung der Jungen und<br />

Mädchen darstellt, oder diesen zumindest darstellen sollte. „Durch die Motorik erlebt, erfährt<br />

und erfaßt das Kind zunächst „seine“ Welt. Neue <strong>Bewegung</strong>en erschließen ihm einen neuen,<br />

größeren <strong>Bewegung</strong>s- und Erfahrungsraum.“ (SCHERLER 1975, S.20) Es geht darum die<br />

Umwelt und sich selbst, den eigenen Körper und die eigenen Fähigkeiten, zu erfahren,<br />

auszutesten und kennen zu lernen und schließlich mehr und mehr die Kontrolle über seinen<br />

Körper zu gewinnen. „Wenn die altersgemäße Willkürmotorik durch Reflexmotorik gestört<br />

wird, kommt es zu motorischen Koordinationsstörungen:<br />

• Gestörte Motorik des Mundes: Saug- und Schluckschwierigkeiten.<br />

• Haltungs- und Gleichgewichtsreaktionen: <strong>Bewegung</strong>sabläufe wirken plump,<br />

ungeschickt, hastig, steif, verlangsamt, schwerfällig oder unharmonisch.<br />

• Fortbewegungsmotorik verzögert oder ausgelassen: Schwierigkeiten <strong>bei</strong>m Sitzen,<br />

Krabbeln, Gehen, Treppensteigen, Laufen<br />

• Feinmotorische Tätigkeiten: teils nicht ausführbar, teils wenig präzise oder verzögert.<br />

• Differenzierte, koordinierte <strong>Bewegung</strong>en oft schwierig oder unmöglich:<br />

Dreiradfahren, Hüpfen, Ankleiden, Schuhe binden, Essen mit Besteck, Einschenken.<br />

35


• Störungen der Schreibmotorik: unterschiedliche Buchstabengröße, Abstände, Kind<br />

kann Linie nicht halten.<br />

• Turnen, Sport: Gymnastische Übungen sind mühsam, Überkreuzbewegungen,<br />

Gegenbewegungen unmöglich oder fehlerhaft, Schwierigkeiten treten auf, wenn ein<br />

vorgegebener Rhythmus auf die Schrittlänge übertragen werden soll.<br />

• Rhythmisches Klatschen: Takt und Rhythmus <strong>bei</strong>m Mitklatschen kann nicht gehalten<br />

werden.<br />

• Sprache: Störungen des Sprechens in Prosodie (rhythmische, dynamische und<br />

melodische Akzente der Sprache) und Artikulation.<br />

• Singen: Unreines und f<strong>als</strong>ches Singen mangels Stimmbandkontrolle.<br />

• Aktivierung: häufig Hyperaktivität od. <strong>Bewegung</strong>sunruhe, manchmal auch<br />

Hypoaktivität und Phlegma.“<br />

(RUF-BÄCHTIGER 1995 zitiert in DRUMBL 2009a, S.46)<br />

Die Wertigkeit der Motorik ist in jungen Jahren <strong>als</strong> sehr hoch anzusehen und spielt daher eine<br />

entscheidende Rolle in der Selbstreflexion der Jungen und Mädchen.<br />

„Bei Kindern sind es insbesondere körperliche und motorische Fähigkeiten, die sie für den<br />

Prozess der Selbstwahrnehmung und Selbstbewertung von Bedeutung sind.“ (ZIMMER 1999,<br />

S.55) Defizite in diesen Bereichen sind demnach besonders beeinträchtigend für das<br />

Selbstbild des Kindes. ZIMMER meint dazu weiters, dass das „Konzept“ von den eigenen<br />

Fähigkeiten, Begabungen und dem eigenen Können nicht ein genaues Abbild der<br />

tatsächlichen Leistung sein muss. Es entsteht vielmehr aus der Bewertung der eigenen<br />

Handlungen und Leistungen und kann dadurch Abweichungen erfahren. Die Einschätzung der<br />

eigenen Fähigkeiten kann <strong>als</strong>o zu einer „sich selbst erfüllenden Prophezeiung“ werden.<br />

Besonders betroffen sind hiervon Kinder, die <strong>Bewegung</strong>sbeeinträchtigungen oder körperliche<br />

Auffälligkeiten haben. Motorische Geschicklichkeit, körperliche Leistung oder motorische<br />

Fähigkeiten haben <strong>bei</strong> Kindern einen sehr hohen Stellenwert. Die Erfahrung körperlicher<br />

Unterlegenheit, Ängstlichkeit und Unsicherheit wirken sich daher schnell auf die<br />

Selbstwahrnehmung und damit auch auf das Selbstkonzept des Kindes aus. Gleichzeitig<br />

beeinflussen sie den sozialen Status und die Position in der Gruppe. (vgl. ZIMMER 1999,<br />

S.57)<br />

Fehlleistungen oder Störungen in der Motorik führen demnach in der Folge zu den<br />

unterschiedlichsten psychischen und psycho-sozialen Problemen. Weiters wird „durch die<br />

36


konkrete Erfahrung innerhalb der sensomotorischen Entwicklung die Fähigkeit von logischen<br />

und kognitiven Prozessen entwickelt. Sie wird auch zu einem späteren Zeitpunkt durch<br />

<strong>Bewegung</strong>s- und Wahrnehmungserfahrung, sowie im kindlichen Spiel kontrolliert, verbessert<br />

und erweitert. Während der Kulturtechniken wie Lesen, Schreiben und Rechnen im<br />

herkömmlichen Schulunterricht benötigt das Kind weiterhin gut funktionierende <strong>Bewegung</strong>s-<br />

und Wahrnehmungssysteme. Sie sind notwendige Voraussetzungen, um die Lerninhalte<br />

aufnehmen, unterscheiden, vergleichen und verstehen zu können, dem Wissen in der<br />

notwendigen Form Ausdruck verleihen zu können, genauso wie die Aufmerksamkeit<br />

uneingeschränkt oder ungeteilt dem momentanen Unterrichtsstoff widmen zu können.“<br />

(KÖCKENBERGER 1997, S.19)<br />

3.2.2 Störungen verschiedener Wahrnehmungsbereiche<br />

Als Wahrnehmung betrachtet man die Aufnahme von Reizen über Sinneszellen oder<br />

Sinnesorgane und deren Verar<strong>bei</strong>tung im Gehirn. ZIMMER bezeichnet Wahrnehmung <strong>als</strong><br />

„einen aktiven Prozess, <strong>bei</strong> dem sich das Kind mit allen Sinnen seine Umwelt aneignet und<br />

sich mit ihren Gegebenheiten auseinandersetzt.“ (1995, S.15) Sollte sie beeinträchtigt oder<br />

blockiert sein, hat das erheblich Folgen für die Entwicklung des Kindes. „Eine schlecht<br />

geordnete Körperwahrnehmung wirkt sich ungünstig <strong>bei</strong>m Schreiben, Malen mit Farben und<br />

Zeichnen aus. Sie führt auch dazu, dass das Kind auf dem Spielplatz tollpatschig und<br />

unkonzentriert wirkt.“ (AYRES 1998, S.181)<br />

Der Mensch verfügt über 6 Sinne, die noch zusätzlich etwas differenziert werden können. Auf<br />

die olfaktorische und gustatorische Wahrnehmung möchte ich hier nicht näher eingehen, da<br />

sie für das Thema der <strong>Legasthenie</strong> und Dyskalkulie wenig Auswirkung haben. Interessant<br />

sind vor allem die vestibuläre Wahrnehmung sowie die taktile Wahrnehmung und die<br />

Tiefensensibilität, da es hier Untersuchungen über eine fördernde Wirkung gibt, wenn an<br />

diesen Bereichen mit Legasthenikern gear<strong>bei</strong>tet wird.<br />

Wahrnehmungsbereiche:<br />

• Auditive Wahrnehmung / Gehörsinn: Hier<strong>bei</strong> handelt es sich um die Verar<strong>bei</strong>tung<br />

akustischer Reize über das Hörorgan.<br />

• Vestibuläre Wahrnehmung / Gleichgewichtssinn: Wichtig für den Bereich der<br />

Förderung <strong>bei</strong> <strong>Legasthenie</strong> und Dyskalkulie ist auch der Gleichgewichtssinn bzw. die<br />

vestibuläre Wahrnehmung, da das Gleichgewichtsorgan, das im Innenohr des<br />

37


Menschen liegt, verantwortlich ist für die Wahrung des Gleichgewichts und der<br />

Kontrolle von <strong>Bewegung</strong>en. Da<strong>bei</strong> spielen auch die Informationen der Rezeptoren des<br />

<strong>Bewegung</strong>sapparates (Muskelspindel, Sehnen- und Gelenksrezeptoren) sowie der<br />

visuellen Wahrnehmung eine Rolle.<br />

• Taktile Wahrnehmung / Tastsinn: Sie dient der Empfindung von Druck, Vibration<br />

und Temperatur und ist in der Haut lokalisiert. Die Haptische Wahrnehmung<br />

<strong>bei</strong>nhaltet das aktive Erkennen <strong>bei</strong>m Umfassen eines Körpers. Die Tiefensensibilität<br />

beruht auf den Informationen der Rezeptoren des <strong>Bewegung</strong>sapparates, die in<br />

Gelenken, Muskeln und Sehnen für die Reizaufnahme zuständig sind und wird auch<br />

propriozeptive Wahrnehmung genannt.<br />

• Visuelle Wahrnehmung / Gesichtssinn: Sie dient der Verar<strong>bei</strong>tung visueller Reize<br />

über den Sehapparat.<br />

• Olfaktorische Wahrnehmung / Geruch<br />

• Gustatorische Wahrnehmung / Geschmack<br />

Der Verlauf des Wahrnehmungsprozesses gliedert sich in sieben Abschnitte die hier kurz<br />

dargestellt werden sollen:<br />

1. Aufnahme des Reizes durch das entsprechende Sinnesorgan.<br />

2. Anschließend wird der Reiz über die Nervenbahnen an die entsprechenden<br />

sensorischen Zentren der Großhirnrinde weitergeleitet.<br />

3. Es erfolgt die Speicherung des Wahrgenommenen im Gehirn.<br />

4. Der neue Reiz wird da<strong>bei</strong> mit bisher Gespeichertem verglichen.<br />

5. Koordination der Einzelreize der verschiedenen sensorischen Zentren im Gehirn.<br />

6. Verar<strong>bei</strong>tung der Reize und Einordnung in die bisherigen Erfahrungen.<br />

7. Zum Schluss erfolgt die entsprechende Reaktion bzw. Reizbeantwortung. Absteigende<br />

Nervenfasern leiten die Impulse und Befehle des Gehirns zum ausführenden Organ.<br />

Die durch den Reiz in Gang gesetzten Reaktionen (motorischen Handlungen etc.) verursachen<br />

weiter Wahrnehmungen, die auch über die Qualität der Handlung Feedback geben.<br />

(vgl. ZIMMER1995, S.46)<br />

Ist die Verar<strong>bei</strong>tung von Sinneseindrücken gestört, spricht man von Wahrnehmungsstörungen.<br />

Diese können unterschiedliche Ursachen haben, die mit der Verbindung der Sinnessysteme<br />

untereinander und der Integration der Wahrnehmung (intermodale Störungen), oder mit der<br />

38


f<strong>als</strong>ch geordneten Abfolge <strong>bei</strong> der Verar<strong>bei</strong>tung von Reizen (seriale Störungen)<br />

zusammenhängen können. Auch <strong>bei</strong> der Aufnahme von Sinneseindrücken (mod<strong>als</strong>pezifische<br />

Störungen) kann es bereits zu Problemen kommen. Die folgende Tabelle gibt einen kurzen<br />

Überblick über mögliche Bereiche, die <strong>bei</strong> Funktionsstörungen der Wahrnehmung<br />

beeinträchtigt sein können und deren jeweilige Symptome bzw. Auswirkungen. DRUMBL<br />

bezieht sich da<strong>bei</strong> auf POS-Kinder, deren Symptome aber sehr denen legasthenischer Kinder<br />

ähneln und die Aussagen damit vergleichbar sind:<br />

Bereiche<br />

Symptome und Auswirkungen<br />

Reduzierte Erfassungsspanne: Bei POS-Kindern können ähnlich wie <strong>bei</strong> Kleinkindern nur geringe<br />

Informationsquellen behalten und verar<strong>bei</strong>tet werden, da die auditive<br />

Erfassungsspanne reduziert ist. Ähnliches gilt für die visuelle<br />

Verar<strong>bei</strong>tung. Komplexe bildliche und schriftliche Information führt zu<br />

Verwirrung und Orientierungslosigkeit.<br />

Buchstabenverar<strong>bei</strong>tung: Verwechslungen der Buchstaben untereinander oder Unvermögen, die<br />

Form der entsprechenden Lautbilder der Buchstaben aus dem<br />

Gedächtnisspeicher abzurufen. Auf Wortebene Weglassung von<br />

Buchstaben und Wortneubildungen.<br />

Orientierung im Raum: Desorientierung, Angst vor neuen Umgebungen, oft Verwirrung in<br />

großen Gruppen und <strong>bei</strong> Ansammlungen.<br />

Taktil-kinästhetisch: Unkoordinierte Motorik <strong>bei</strong> komplexen <strong>Bewegung</strong>sabläufen,<br />

mangelhafte Kraftdosierung.<br />

Kanalkapazität: Die simultane Verar<strong>bei</strong>tung verschiedener Reize kann deutlich<br />

eingeschränkt sein. Da von POS-Kindern <strong>bei</strong> anspruchsvollen Aufgaben<br />

wie Rechnen oder Schreiben die vollen Kanalkapazität erforderlich ist,<br />

wirken sich schon kleine Ablenkungen oder gedankliche<br />

Abschweifungen deutlich aus. Auch Mehrschrittaufgaben können durch<br />

die geringe Kanalkapazität zu Überforderung führen.<br />

Wahrnehmungsfilter: Die Reizfilter im Gehirn sind <strong>bei</strong> POS-Kindern oft nicht altersgemäß<br />

entwickelt. Bei zu niedriger Reizschwelle führen schon geringe<br />

Umgebungsreize zur Ablenkung, Übermüdung und Überreizung. Solche<br />

Kinder schrecken auch <strong>bei</strong>m Schlafen leicht hoch. Bei überhöhter<br />

Reizschwelle wirken die Kinder apathisch. Schlafen viel und lassen sich<br />

nicht aus der Ruhe bringen.<br />

39<br />

(vgl. DRUMBL 2009a, S.47)


3.2.3 Verhaltensauffälligkeiten<br />

Verhaltensauffälligkeiten sind am besten zu beschreiben mit „unspezifischen Störungen des<br />

Sozialverhaltens“ (STEINHAUSEN 2006, S. 43). Dazu gehören Verhalten, die sich auf den<br />

auslösenden Menschen selbst und/oder seine Umwelt belastend auswirken, oder in der<br />

Auswahl und Intensität, nach normalen kulturellen Vorstellungen, nicht der Situation<br />

angepasst erscheinen. Diese Verhalten wirken sich meist entwicklungsbehindernd für das<br />

Kind aus, da es dieses von den anderen Kindern abhebt und somit in eine Außenseiterrolle<br />

bringt. Dies sind nicht die einzigen Folgen, die aus auffälligem Verhalten resultieren können.<br />

P. DRUMBL geht in seinen Kursunterlagen auf einige Verhaltensauffälligkeiten ein:<br />

„Verzögerte psychosoziale Reifung hat ihre Ursachen in der verlangsamten Reifung<br />

verschiedener psychischer Funktionen, die dem Kind die Bewältigung der Probleme<br />

erschwert, welche aus den Schwächen der Motorik und der Wahrnehmung erwachsen.<br />

• Reife: In vielen Bereichen verhält sich das POS-Kind wie ein altersmäßig jüngeres<br />

Kind, wirkt naiv und ist in weiten Bereichen von der Mutter abhängig.<br />

• Kontaktverhalten: POS-Kinder zeigen oft Auffälligkeiten im Kontaktverhalten.<br />

Entweder die Phase des Fremdelns ist verzögert, was <strong>bei</strong>m Kindergarteneintritt zu<br />

Problemen führen kann, oder das Kind bleibt in der Phase vor dem Fremdeln stecken<br />

und zeigt überhaupt keine Scheu vor fremden Menschen. In diesem Fall sind die<br />

eingegangenen Beziehungen durch Oberflächlichkeit charakterisiert.<br />

• Trotzphase: Diese kann viel länger und heftiger verlaufen.<br />

• Impulskontrolle: Mit zunehmendem Alter lernen Kinder, ihre Impulse und Gefühle<br />

unter Kontrolle zu halten. Das POS-Kind ist noch im Schulalter seinen Gefühlen<br />

ausgeliefert. Es reagiert impulsiv, oft auch explosiv, kann nicht warten bis es an der<br />

Reihe ist und hat generell wenig Geduld.“<br />

(RUF-BÄCHTIGER 1995 zitiert in DRUMBL 2009a, S.48,)<br />

40


4 Ursachen von <strong>Legasthenie</strong> und Dyskalkulie<br />

„Die Fähigkeiten des Lesens und Schreibens (und auch des Rechnens; Anmerkung Autor)<br />

gehören zu den anspruchsvollsten Leistungen die das menschliche Gehirn zu verar<strong>bei</strong>ten hat.<br />

Entsprechend störanfällig sind die Prozesse, welche da<strong>bei</strong> ablaufen, und vielfältig die<br />

Einflüsse, welche sich störend auswirken können:<br />

• soziale bzw. familiäre Einflüsse (Lesekultur, Geschwisterreihe etc.)<br />

• Schwächen in einzelnen Teilleistungsbereichen<br />

• Konflikte in der Klassensituation<br />

• konstitutionelle Faktoren<br />

• schulische Faktoren<br />

Bei der zentralen Verar<strong>bei</strong>tung geschriebener Sprache zeigen sich zwei Schlüsselbereiche, die<br />

LRS hervorbringen:<br />

• Lautwahrnehmungsdifferenzierung und phonologische Rekodierungsfähigkeit<br />

• Räumliches und perspektivisches Denken<br />

So zählen zu den häufigsten Ursachen und primären Ansatzpunkten für eine Behandlung<br />

Störungen der Raumorientierung, mangelhaftes Körperschema und Schwächen in der<br />

Lautdifferenzierung.“ (DRUMBL 2009a, S.48)<br />

Ein gezieltes <strong>Bewegung</strong>sprogramm kann und sollte an den ersten zwei der eben genannten<br />

Punkte ansetzen. Sowohl Störungen der Raumorientierung <strong>als</strong> auch mangelhafte<br />

Körperschemata können mit Sport und <strong>Bewegung</strong> gefördert werden. Das vestibuläre Organ,<br />

das sich im Innenohr befindet, und das für den Gleichgewichtsinn, die Bestimmung der<br />

Richtung der Erdanziehungskraft und die Orientierung im Raum verantwortlich ist, reagiert<br />

auf Lage und Positionsveränderungen des Körpers. Lageveränderung und <strong>Bewegung</strong> fördert<br />

den Trainingseffekt für das vestibuläre System. Demnach gilt es dies gezielt einzusetzen, um<br />

Defizite in der Raumorientierung auszugleichen.<br />

Ein mangelhaftes Körperschema entsteht durch Störungen in der Wahrnehmung. Das<br />

propriozeptive System informiert unser Gehirn über seine Rezeptoren in Muskulatur,<br />

Gelenken, Sehnen und Bänder des <strong>Bewegung</strong>s- und Stützapparates über die <strong>Bewegung</strong> und<br />

Stellung unserer Körperteile. Funktioniert dieser Informationsfluss nicht, wie er eigentlich<br />

41


sollte oder wird er durch andere Signale gestört, hat dies Auswirkungen auf unser<br />

<strong>Bewegung</strong>sverhalten. Das einfachste Beispiel für eine vorübergehende Beeinflussung des<br />

Körperschemas, das bestimmt schon fast jeder im Alltag erlebt hat, zeigt sich, wenn der<br />

Mensch unter Stress steht. Die dadurch hervorgerufene Belastung wirkt sich kurzweilig auf<br />

das Körperschema aus, was sich darin offenlegt, dass man, wenn man unter starkem<br />

Stresseinfluss steht schon mal gegen einen Türrahmen rempelt, oder etwas umwirft bzw.<br />

umstößt. Wir wissen dann scheinbar nicht immer wo sich unsere Gliedmaßen im Raum<br />

gerade befinden, bzw. welche Distanz sie zu gewissen Gegenständen haben.<br />

4.1 Ursachen der <strong>Legasthenie</strong><br />

Es ist nicht einfach, die genauen Ursachen für eine <strong>Legasthenie</strong> zu bestimmen, da es sich <strong>bei</strong><br />

<strong>Legasthenie</strong> immer um ein multikausales Erscheinungsbild handelt. Das Vorhandensein einer<br />

Ursache, die <strong>bei</strong>m einen Kind zu einer <strong>Legasthenie</strong> führt, bedingt noch lange nicht das<br />

Auftreten einer LRS <strong>bei</strong> einem anderen Kind, das die selbe Auffälligkeit trägt. Ursachen für<br />

<strong>Legasthenie</strong> können sowohl in organischen Vorbedingungen liegen <strong>als</strong> auch graphomotorisch<br />

bedingt sein. Es ist aber fast immer ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren. Die genauen<br />

Ursachen sind wissenschaftlich noch nicht belegt. Es gibt einige Störungen und Schwächen,<br />

die das Risiko für eine LRS erhöhen.<br />

4.1.1 Konstitutionelle Faktoren und Genetik (Vererbung)<br />

Aus zahlreichen wissenschaftlich Untersuchungen ergibt sich, dass Kinder, die aus Familien<br />

stammen, in denen <strong>Legasthenie</strong> in früheren Generationen schon aufgetreten ist, eine höhere<br />

Wahrscheinlichkeit zeigen, ebenfalls unter den Symptomen der <strong>Legasthenie</strong> zu leiden.<br />

„Aktuelle Untersuchungen weisen auf genetische Ursachen hin, nämlich eine Mutation der<br />

Chromosomen 1, 2, 6 und 16. Dies hat Störungen der sprachlichen, visuellen und akustischen<br />

Informationsverar<strong>bei</strong>tung zur Folge.“ (aus: http://www.alf-ev.de/seiten/teilleist.html)<br />

Die Gene legen den Grundstein für das Talent des Kindes. „Kinder werden mit einer<br />

bestimmten motorischen Grundausstattung geboren, die besser oder schlechter sein kann.<br />

Manchmal ist sie so gestört, dass man das relativ bald wahrnehmen kann und je nach<br />

Möglichkeit Zusatztraining (zum Beispiel Säuglingsgymnastik) verschreibt, um ein Aufholen<br />

zu ermöglichen, oder von Behinderung sprechen muss. Daneben gibt es aber zahlreiche<br />

Kinder, deren motorische Grundausstattung zwar unauffällig, aber eben nur mäßig gut ist.<br />

42


Nun hängt es von den weiteren Gegebenheiten ab, ob sich eine schlechte motorische<br />

Ausstattung ausgleicht, sodass das Kind später zwar vielleicht kein Feinmechaniker oder kein<br />

Supersportler werden kann, aber auch keine besonderen Schwierigkeiten hat, oder ob sich<br />

besondere Schwierigkeiten entwickeln. Wichtige Faktoren können zum Beispiel sein, ob das<br />

Kind in den ersten zwei Lebensjahren genügend Anregungen aus seiner Umgebung bekam,<br />

um greifen, krabbeln, stehen und laufen zu wollen, und gleichzeitig genügend Freiheit, um<br />

das auch eigenständig zu trainieren.“ (MANN/ODERLÄNDER/SCHEID 2001, S.197)<br />

Näheres zur motorischen Entwicklung findet sich in Kapitel 3, das sich genauer mit der<br />

Entwicklung des Kindes beschäftigt. Die Problematik besteht darin, dass sich die Folgen erst<br />

mit fortgeschrittenem Alter offenbaren, da erst die Leistungsanforderungen in der Schule<br />

diverse Defizite aufzeigen. Der Grundstein für diese Leistungen wird aber schon früher<br />

gelegt. „In den nächsten vier Lebensjahren spielt es für die motorische Entwicklung sicher<br />

eine Rolle, ob das Kind viel draußen in einem interessanten Gelände mit natürlichen<br />

Unebenheiten und Hindernissen und vielfältigen Spiel- und <strong>Bewegung</strong>smöglichkeiten spielen<br />

kann und dafür auch Anregung bekommt, oder ob es mit viel Fernsehen in einer Wohnung<br />

und auf öden genormten Spielplätzen seine Zeit verbringen muss.“<br />

(MANN/ODERLÄNDER/SCHEID 2001, S.198)<br />

Die heutige Zeit mit ihrer Mediengesellschaft, <strong>bei</strong> der rund um die Uhr Fernsehprogramme<br />

auf vielen unterschiedlichen Kanälen, Playstation und PC, vorherrschen, lädt Kinder geradezu<br />

dazu ein zu Hause sitzen zu bleiben und motorisch zu veröden. Das Interesse, die Vorzüge des<br />

Spielens in Wald und Wiese in Anspruch zu nehmen wird immer geringer. Zum einen, da die<br />

vorgegebenen interaktiven Welten schillernder und phantastischer zu sein scheinen, <strong>als</strong> die<br />

der freien kindlichen Imagination, zum anderen, da die Möglichkeiten und Freiräume gerade<br />

für Kinder in Ballungsräumen immer begrenzter werden.<br />

4.1.2 Störungen im Körperschema<br />

Die neu gewonnenen Möglichkeiten Abenteuer zu Hause im Wohnzimmer vor der<br />

Flimmerkiste zu erleben, ohne da<strong>bei</strong> nur einen Fuß vor die Tür zu setzen und Schmutz und<br />

Anstrengung in Kauf zu nehmen, ist natürlich eine große Verlockung, hat aber ihre<br />

Auswirkungen auf das Körperschema der heutigen Kinder. Die Orientierung am eigenen<br />

Körper, für die das Körperschema steht, ändert sich entsprechend den Informationen aus<br />

Körper und Umwelt und speist sich aus Wahrnehmung, Motorik, räumlicher Orientierung,<br />

Emotionen und Selbstkonzept. Auf Letzteres möchte ich in der Folge noch genauer eingehen.<br />

43


„Das Selbstvertrauen und die Risikobereitschaft sensomotorisch gut integrierter Kinder führt<br />

zu zunehmend komplexeren motorischen Aktionen, zu Ideenreichtum <strong>bei</strong> der Planung und<br />

Ausführung von Spielen sowie zu einer sicheren Orientierung. Aufbauend auf den<br />

vorbewussten Teilleistungen des Körperschemas können sich die kognitiven Leistungen der<br />

Intelligenz entwickeln.“ (DRUMBL 2009a, S.33)<br />

Durch den Vorzug von für den <strong>Bewegung</strong>sapparat und das vestibuläre System nahezu<br />

reizlosen Aktivitäten, entsteht ein Mangel an Körpergefühl und <strong>Bewegung</strong>serfahrung.<br />

Zusätzlich stumpft die Wahrnehmungsfähigkeit ab. Das Körperschema kann sich nicht<br />

ausreichend entwickeln, was dazu führt, dass diese Kinder häufig Situationen vermeiden, von<br />

denen sie sich überfordert fühlen. Dadurch werden die Kinder um wichtige<br />

Entwicklungsschritte gebracht, die wiederum die Grundlage für intellektuelle Leistungen sind.<br />

Das Selbstkonzept spielt da<strong>bei</strong> eine entscheidende Rolle. „Bei Kindern sind körperliche und<br />

motorische Fähigkeiten entscheidend für den Prozess der Selbstwahrnehmung und<br />

Selbstberwertung.“ (DRUMBL 2009a, S.35)<br />

Nach ZIMMER (1999, S.62) baut sich das Selbstkonzept aus folgenden Informationsquellen<br />

auf.<br />

• Informationen über die Sinnessysteme, „sensorisches Selbst“, „somatisches Selbst“<br />

• Erfahrungen der Wirksamkeit des eigenen Verhaltens.<br />

• Folgerungen aus dem Sichtvergleich mit anderen.<br />

• Zuordnung von Eigenschaften durch andere.<br />

4.1.3 Wahrnehmungsstörungen<br />

Ist der Informationsfluss über die Sinnessysteme gestört oder fällt es dem Kind schwer die<br />

Sinneseindrücke zu verar<strong>bei</strong>ten, so handelt es sich um Wahrnehmungsstörungen. Diese<br />

Störungen können ebenfalls einen großen Einfluss auf das Erlernen von Schrift und Sprache<br />

haben.<br />

„Kognitive Entwicklung kann <strong>als</strong> zunehmende Differenzierung und Strukturierung von<br />

Erfahrung durch den aktiven Austausch von Subjekt (Kind) und personalen bzw. materialen<br />

Objekt (Umwelt) gesehen werden. So besitzen Wahrnehmungs- und <strong>Bewegung</strong>serfahrung<br />

(Sensomotorik) eine entscheidende Bedeutung für die gesamte Persönlichkeit und<br />

Intelligenz.“ (KÖCKENBERGER 1997, S.15)<br />

44


Die Ursachen für Störungen im Bereich der Wahrnehmung können in Problemen <strong>bei</strong> der<br />

Aufnahme von äußeren Reizen, in der Weiterleitung dieser Sinneseindrücke zum Gehirn oder<br />

in der Verar<strong>bei</strong>tung in unserer obersten Schaltzentrale liegen.<br />

„Als Basis dienen die basalen Wahrnehmungssysteme (vestibulär, kinästhetisch und taktil),<br />

die gemeinsam jegliche <strong>Bewegung</strong>, Gleichgewichts- und Lageveränderung kontrollieren<br />

sowie über die Haut die Umwelteindrücke begreifen. Sie werden für den Aufbau der<br />

<strong>Bewegung</strong>smuster und anderer sensorischer Systeme benötigt,“ schreibt H.<br />

KÖCKENBERGER in seinem Buch „Bewegtes Lernen“ (1997, S.18), um dann noch<br />

auszuführen: „Handlungsplanung entsteht <strong>als</strong>o durch Wahrnehmung, aktiven Eingriff und<br />

Veränderung, durch Ordnung und Gliederung der Umgebung. Genauso schafft die konkrete<br />

Erfahrung und Koordination von Handlungsplänen im sensorischen Raum die Voraussetzung<br />

für räumliches Denken.“ (S.19)<br />

A. J. AYRES schreibt dazu: „Verhaltensweisen und die Lernfähigkeit ihres Kindes sind der<br />

sichtbare Ausdruck unsichtbarer Aktivitäten in seinem Nervensystem. Lernen und Verhalten<br />

sind sichtbare Aspekte der Wahrnehmungsverar<strong>bei</strong>tung von Sinnesreizen.“ (1998, S.45)<br />

A. Jean AYRES war eine amerikanische Entwicklungspsychologin. Sie beschäftigte sich mit<br />

neurologischen Auffälligkeiten und hat da<strong>bei</strong> das Verfahren der sensorischen Integration <strong>als</strong><br />

Behandlungsmethode begründet. In ihrem Buch „Bausteine der kindlichen Entwicklung“<br />

schreibt sie über die Bedeutung der sensorischen Integration bzw. über die entscheidende<br />

Rolle des Lernprozesses des Nervensystems, Empfindungen miteinander zu verknüpfen.<br />

„Ein Kind geht in die Schule, um zu lernen, doch tatsächlich hat sein Nervensystem bereits<br />

begonnen, lange vor seiner Geburt, etwas zu lernen. In der Schule lernt das Kind ganz<br />

spezifische Lernstoffe kennen. Wesentlich früher in seinem Leben bereits hatte das Gehirn die<br />

Voraussetzungen und Fähigkeiten zum Erlernen spezifischer Dinge, wie Lesen und Rechen,<br />

entwickelt. Ein großer Teil dieser Lernvoraussetzung und -fähigkeit ist die Möglichkeit<br />

sinnliche Wahrnehmung in der richtigen Weise miteinander zu verbinden, d. h. sensorische<br />

Information zu integrieren.“ (AYRES 1998, S.76)<br />

AYRES ist der Meinung, dass kein anderes Sinnesorgan einen solch breit gestreuten Einfluss<br />

hat wie das Gleichgewichtssystem, das <strong>bei</strong>m Menschen im Hörsystem lokalisiert ist, welches<br />

sich wiederum interessanterweise, zu Urzeiten, aus dem Gleichgewichtsorgan d. Fische<br />

entwickelt hat.<br />

„Kinder mit Lernschwierigkeiten, die durch eine schlechte Verar<strong>bei</strong>tung der vom<br />

Gleichgewichtssystem ausgehenden Erregung bedingt sind, haben oft Schwierigkeiten<br />

45


Gegenstände, die sich vor ihren Augen hin und her bewegen, zu verfolgen und oftm<strong>als</strong> auch<br />

von sich aus Schwierigkeiten, ihre Augen von einem Fleck zu einem anderen hinzubewegen.<br />

Statt sich gleichmäßig zu bewegen, bleiben die Augen etwas zurück und bewegen sich dann<br />

abrupt, um den Gegenstand dann wieder einzufangen. Das macht für viele Kinder das<br />

Ballspielen, das Ziehen einer Linie mit Kreide an der Wandtafel oder auch das Lesen einer<br />

Linie mit Druckbuschstaben sehr schwierig.“ (AYRES 1998, S.122)<br />

Dies kann jedoch auch in Zusammenhang mit Problemen <strong>bei</strong> der visuellen Wahrnehmung<br />

stehen. „Kinder, <strong>bei</strong> denen die Funktion der Augenmuskeln mangelhaft ausgebildet ist,<br />

können trotz normaler Sehschärfe <strong>bei</strong> folgendem Probleme haben:<br />

- Fixieren eines ruhenden Objektes mit den Augen<br />

- rascher Blickwechsel von einem Ort zum anderen<br />

- kontinuierliches Verfolgen eines bewegten Objektes<br />

- Abtasten einer Reihe ruhender Punkte“<br />

(AKADEMIE f. LEHRERFORTBILDUNG DILLINGEN 2001, S.10)<br />

Es handelt sich folglich um Auffälligkeiten, die sich nicht nur <strong>bei</strong>m Lese- und Schreibprozess<br />

zeigen, sondern die auch im <strong>Bewegung</strong>s-, Spiel- und Sportverhalten des Kindes zu erkennen<br />

sein sollten. AYRES schreibt weiter über die Entwicklung der Sinnessysteme: „Einfache<br />

vestibuläre und retikuläre Tätigkeiten waren bereits lange vorhanden, bevor sich die<br />

entsprechenden Systeme für Muskeln, Gelenke und die komplexeren auditiven und visuellen<br />

Wahrnehmungssysteme entwickelten. Diese jüngeren Systeme bilden sich aus dem älteren<br />

retikulären Kern heraus. Da<strong>bei</strong> hat das vestibuläre System einen großen Einfluss auf die<br />

Evolution der jüngeren Systeme ausgeübt, und dieser prägende Einfluss ist auch heute noch in<br />

unserem Gehirn wirksam. Das ist einer der Gründe, warum eine Behandlung, die sich mit<br />

vestibulären Stimulierungen befasst, zur Verbesserung von Sprache und Lesen <strong>bei</strong>tragen<br />

kann.“ (1998, S.130)<br />

Training des vestibulären Systems fördert Fähigkeiten wie Orientierung im Raum und<br />

Koordination. Es besteht eine Wechselwirkung.<br />

„Die Sinneswahrnehmungen aus dem Gleichgewichtsorgan werden gemeinsam mit<br />

denjenigen aus Muskeln und Gelenken sowie vom Sehorgan in unserer Großhirnrinde<br />

verar<strong>bei</strong>tet, damit wir erkennen, wo wir uns im Raum befinden. Diese Kenntnis wird zu den<br />

motorischen Regionen in der Hirnrinde weitergeleitet, die unsere Körperbewegungen und<br />

46


Hantierungen von Gegenständen bestimmen. Ein Kleinkind mit Störungen des<br />

Gleichgewichtssinns kann Schwierigkeiten haben, ein Stück Papier mit einem anderen<br />

zusammen zu kleben, weil sein Gehirn diese <strong>bei</strong>den Papierstücke im Raum nicht zuordnen<br />

kann. Ein älteres Kind mit ähnlichen Beschwerden ist vielleicht nicht in der Lage, die<br />

Buchstaben, die es schreibt, richtig anzuordnen.“ (AYRES 1998, S.133)<br />

4.1.4 Schwächen in einzelnen Teilleistungsbereichen<br />

Teilleistungen bilden die Grundvoraussetzung für die höheren Leistungen, zu denen Lesen,<br />

Schreiben und Rechnen definitiv gehören. Sie bilden quasi die Grundbausteine für unser<br />

„Haus“. Und so, wie es <strong>bei</strong>m Hausbau nicht sinnvoll ist, einige Steine wackelig oder gar<br />

auszulassen, so verhält es sich auch <strong>bei</strong> den Teilleistungen. Alle höheren Leistungen bauen<br />

auf ihnen auf.<br />

LEDL fasst die einzelnen Teilleistungen in folgendem Überblick zusammen:<br />

a) Fokussierung der Aufmerksamkeit (Figur-Grund-Differenzierung)<br />

Als Fokussierung der Aufmerksamkeit bezeichnet man die Fähigkeit des Kindes, von<br />

all den Geräuschen, Lauten und Bildern, die gleichzeitig auf das Kind eintreffen,<br />

diejenigen herauszufiltern, die gerade wichtig sind.<br />

b) Optische und akustische Differenzierung und Gliederung<br />

Optische und akustische Differenzierung und Gliederung ist die Fähigkeit, Dinge, die<br />

einander ähnlich, aber nicht gleich sind, <strong>als</strong> ungleich zu erkennen und ein komplexes<br />

Bild oder Wort bzw. eine komplexe Lautgestalt in seine Einzelteile zu zerlegen.<br />

c) Intermodale Kodierung<br />

Intermodale Kodierung nennt man die Fähigkeit, Inhalte aus einem Sinnesgebiet mit<br />

Inhalten aus einem anderen Sinnesgebiet zu verbinden. Wenn wir ein Ding benennen<br />

wollen, müssen wir das Bild, das wir sehen, mit dem Wort, das wir hören, verbinden<br />

und uns die Verbindung merken. Im Unterricht ist diese Fähigkeit wichtig, um<br />

Buchstaben zu erlernen (die Gestalt des Buchstabens muß mit dem Klang des Lautes,<br />

der zu diesem Buchstaben gehört, verbunden werden).<br />

47


d) Merk und Speicherfähigkeit<br />

Merk und Speicherfähigkeit ist die Fähigkeit, sich wahrgenommene (gehörte und<br />

gesehene) Lerninhalte zu merken, <strong>als</strong>o das Gedächtnis (akustische und optische Kurz-<br />

und Langzeitspeicherung) einzusetzen.<br />

e) Serialität<br />

Als Serialität wird die Fähigkeit bezeichnet, eine Serie von Einzelerlebnissen in eine<br />

(sinnvolle) Reihenfolge zu bringen. Nur wenn es dem Kind gelingt eine Reihenfolge<br />

richtig wahrzunehmen und zu behalten, ist es möglich vorauszuplanen und zu<br />

koordinieren. So muss das Schulkind <strong>bei</strong>m Erlernen des Schreibens die Buchstaben in<br />

eine richtige Reihenfolge bringen oder <strong>bei</strong>m Rechen die Reihenfolge der Zahlen<br />

beachten.<br />

f) Raumorientierung (Motorik)<br />

Raumorientierung ist die Fähigkeit, sich in der <strong>Bewegung</strong> an unserem Körper zu<br />

orientieren (Körperschema), sich im Raum zu orientieren (Raumorientierung) und die<br />

räumliche Beziehung von Dingen zueinander zu erfassen und damit umzugehen<br />

(<strong>Bewegung</strong>s und Handlungsplanung).<br />

(LEDL 1994, S.57)<br />

Praxisnahe zeigen sich betreffende Schwächen in den Teilleistungen häufig in folgenden<br />

Bereichen:<br />

• Propriozeptive Wahrnehmung<br />

• Vestibuläre Reizverar<strong>bei</strong>tung<br />

• Intermodale Reizverar<strong>bei</strong>tung<br />

• <strong>Bewegung</strong>skontrolle: Grob- und Feinmotorik<br />

• Senso-motorische Integration<br />

• Räumliche Wahrnehmung<br />

• Raumerfassung und Orientierung im Raum<br />

• Rechts-Links / Oben- Unten / Vorne-Hinten Unterscheidung<br />

• Bild-/Mustererkennung und –unterscheidung<br />

• Serialitätsvermögen<br />

48


• Lautwahrnehmungsunterscheidung<br />

• Aufmerksamkeit<br />

• Impulskontrolle<br />

(DRUMBL 2009a, S.41)<br />

Teilleistungsstörungen können unterschiedliche Ursachen haben. Zum einen können sie<br />

Folgen einer Deprivation (= Anregungs- und Übungsmangel) in der Entwicklung des Kindes<br />

sein, zum anderen können sie <strong>als</strong> Folge einer minimalen cerebralen Dysfunktion (MCD)<br />

entstehen.<br />

„Als Voraussetzung für das Zustandekommen komplexer Leistungen gelten relativ stabile<br />

Verbindungen zwischen den einzelnen Arealen des Gehirns. Diese entstehen, durch das<br />

wiederholte Trainieren eines bestimmten Vorgangs…. Diese relativ stabilen Verbindungen<br />

zwischen den einzelnen Arealen im Gehirn werden <strong>als</strong> funktionelles Hirnorgan bezeichnet…<br />

Solche „funktionellen Hirnorgane“ entwickeln sich <strong>bei</strong> einzelnen Kindern unterschiedlich und<br />

sind abhängig vom Entwicklungsprozess und den ihm zugrunde liegenden speziellen<br />

Bedingungen.“ (LEONTJEW 1973 zitiert in FREDA/MIEHL 1995, S.16)<br />

Fällt es einem Kind <strong>bei</strong>spielsweise schwer, Handlungsabläufe zu automatisieren, kann dies<br />

daran liegen, dass die Verbindungen zwischen den einzelnen Hirnarealen nicht adäquat oder<br />

gar nicht gebildet sind.<br />

„Einzelne Glieder des „funktionellen Hirnorganes“ können durch andere ersetzt werden.<br />

Dadurch ist die Fähigkeit zur Kompensation gegeben.“ (FREDA/MIEHL 1995, S.16)<br />

Dazu muss das Kind diese mittels <strong>Bewegung</strong> trainieren.<br />

„Die Behandlung von Teilleistungsschwächen zählt zu den häufigsten und vordringlichsten<br />

Aufgaben der Lernberatung. 12-20% der Kinder in Deutschland und Österreich zeigen<br />

Schwächen in den Teilleistungen. Da<strong>bei</strong> stellen diese das Fundament für das Selbstkonzept<br />

und die persönliche Leistungsfähigkeit einer Person dar. Eine Schwäche oder ein<br />

Entwicklungsrückstand in diesem Bereich führt ohne geeignete Fördermaßnahmen in der<br />

Regel zu Funktionsstörungen in wichtigen intellektuellen Bereichen: Lese-<br />

Rechtschreibschwäche, Rechenschwäche, Denk-, Formulierungs- und<br />

Kommunikationsschwächen, Einschränkungen im planvollen Handeln und strategischem<br />

Denken etc.. Die Auswirkungen können sich bis ins Erwachsenenalter hineinziehen.“ (vgl.<br />

DRUMBL 2009a, S.40)<br />

49


4.1.5 Störungen in der Entwicklung<br />

Auf das Thema der kindlichen Entwicklung und ihren möglichen Störungen wurde in Kapitel<br />

3 schon ausführlich eingegangen. Es wird hier nur aus Gründen der Übersicht und<br />

Vollständigkeit kurz angeführt. Mechthild FIRNHABER (1996) schreibt in ihrem Buch<br />

„<strong>Legasthenie</strong> und andere Wahrnehmungsstörungen“ über Entwicklungsstörungen:<br />

„Oft „verdanken“ unsere Kinder ihre Lernprobleme „nur“ ihrer <strong>Bewegung</strong>sarmut. Wenn man<br />

sie mit einem sportlichen Programm (psychomotorische Übungen) fördert, verliert sich ihr<br />

Entwicklungsrückstand recht schnell (Willimczik u. a.). Auch eine solche Ursache muss <strong>als</strong>o<br />

in Betracht gezogen werden.“ (S.42)<br />

4.1.6 Dominanz einer Hand und funktionelle Lateralisation<br />

Es ist ein weitreichender Irrtum, dass Linkshändigkeit einen zusätzlichen Risikofaktor für<br />

<strong>Legasthenie</strong> darstellt. EGGERT schreibt in einer Studie zu <strong>Legasthenie</strong>: „Im Bereich der<br />

Lateralität, d.h. der Seitigkeit von Leistungen des Auges und der Extremitäten, ergaben sich<br />

ebenfalls keine Unterschiede zwischen lese-rechtschreibschwachen und Vergleichskindern. In<br />

<strong>bei</strong>den Gruppen traten gleich häufig Linkshänder, Linksäuger und Fälle von gekreuzter<br />

Dominanz (z.B. Linksäuger-Rechtshänder-Linksfüßer) auf.“ (1997, S.37) Linkshändigkeit hat<br />

demnach keinen Einfluss auf die Ausprägung, jedoch zeigen jene Kinder Auffälligkeiten, <strong>bei</strong><br />

denen die Spezialisierung für eine Seite des Gehirns noch nicht ausgeprägt ist. „Der<br />

Evolutionsprozeß verlief in Richtung auf die Lokalisation und Spezialisierung der<br />

Kortikalfunktionen, was auf die Dominanz einer Hemisphäre bezüglich bestimmter<br />

Funktionen und die Dominanz der anderen Hemisphäre bezüglich anderer Funktionen<br />

hinauslief.“ (AYRES 1979, S.187) Zahlreiche wichtige Leistungen des menschlichen<br />

Intellekts weisen daher eine starke funktionelle Lateralisation in der Großhirnrinde auf. So<br />

sind die Sprachzentren nur in einer der <strong>bei</strong>den Hirnhälften – man spricht in diesem<br />

Zusammenhang von Hemisphärendominanz – ausgebildet. Auf anderen Gebieten ist<br />

wiederum die nicht dominante Hirnhälfte der dominanten überlegen. Die subdominante<br />

Hemisphäre hat im Laufe der Phylogenese des Menschen einige visuelle Funktionen<br />

übernommen, die <strong>bei</strong> anderen Primaten noch nicht lateralisiert sind. Dazu zählen neben der<br />

Verar<strong>bei</strong>tung von räumlichen Signalen auch die räumlich konstruktiven und die visuell<br />

gestalterischen Fähigkeiten des Menschen.<br />

Die Verbindungsfaser zwischen den <strong>bei</strong>den Hemisphären ermöglicht im normalen Gehirn<br />

einen kontinuierlichen Informationsaustausch zwischen rechter und linker Hemisphäre. In<br />

50


Fällen, wo diese Verbindungen aus therapeutischen Gründen getrennt werden („split brain“),<br />

zeigen sich Funktionsausfälle, die ein anschauliches Bild von den Leistungen der einzelnen<br />

Hirnhälften geben. „Bei Kindern mit Lern- und Verhaltensproblemen sind Störungen der<br />

Lateralitätsentwicklung häufig, <strong>bei</strong> denen die Informationsübertragung zwischen den<br />

Hemisphären beeinträchtigt ist. Motorische Lateralitätsstörungen zeigen sich oft in einer<br />

verzögerten Dominanzentwicklung der Händigkeit und Füßigkeit und in Schwierigkeiten <strong>bei</strong><br />

der Ausführung von <strong>Bewegung</strong>smustern, die die Körpermitte überschreiten.“<br />

(ROSENKÖTTER 1997, S.60)<br />

Wie schon erwähnt ist es nicht korrekt, dass Linkshändigkeit die Wahrscheinlichkeit für<br />

<strong>Legasthenie</strong> erhöht oder gar eine LRS bedingt. Linkshändigkeit resultiert aus einer genetisch<br />

bedingten Dominanz der rechten Hirnhälfte und diese ist angeboren. „10 Prozent der<br />

Menschen sind Linkshänder. Linkshändigkeit ist <strong>bei</strong> Knaben etwas häufiger zu beobachten <strong>als</strong><br />

<strong>bei</strong> Mädchen und tritt <strong>bei</strong> Kindern von Linkshänder(inne)n mit einer stark erhöhten<br />

Wahrscheinlichkeit auf. Wenn ein Elternteil Linkshänder ist, sind im Schnitt 20 Prozent der<br />

Kinder ebenfalls Linkshänder; wenn <strong>bei</strong>de Eltern Linkshänder sind, zeigen sogar mehr <strong>als</strong> 40<br />

Prozent der Kinder Linkshändigkeit.“ (ROSSMANN 1996, S.101)<br />

Im Alter von ein bis zwei Jahren ist meist eine recht konstante Bevorzugung einer Seite<br />

erkennbar, spätestens bis zum Schuleintritt und dem Beginn des Erlernens von Lesen,<br />

Schreiben und Rechnen sollte die Händigkeit im Allgemeinen festgelegt sein. Sollte dies nicht<br />

der Fall sein, ist es ratsam, einen Arzt zu konsultieren. Aus einem linkshändigen Kind kann<br />

kein Rechtshänder gemacht werden, auch wenn man es mit rechts schreiben lehrt oder <strong>bei</strong><br />

anderen Tätigkeiten auf die Benützung der rechten Hand besteht. Ein Umlernen kann zu<br />

weitreichenden Problemen der Psyche führen und eventuell auch <strong>Legasthenie</strong> zur Folge<br />

haben. Sollte aber keine Präferenz einer Seite erkennbar sein, ist dies eine besondere<br />

Auffälligkeit, die es zu beachten gilt, da diese Kinder später meist mit Störungen im Bereich<br />

des Lesens, Schreibens und Rechnens zu kämpfen haben.<br />

(vgl. http://www.linkshaenderseite.de/unterst.html)<br />

Das Überschreiten/greifen der Mittellinie stellt für einige Kinder ein großes Hindernis dar.<br />

Einige Kinder verweigern dies im Alltag gänzlich und greifen stets mit der Hand nach einem<br />

Gegenstand, welcher auf der entsprechenden Seite gelagert ist. An der gedachten Mitte<br />

angekommen, wird dann die Hand gewechselt. Der Fähigkeit des Überschreitens der<br />

Mittellinie wird vor allem in der Edu-Kinestetik große Bedeutung zugemessen. Sie steht für<br />

51


die Verbindung der <strong>bei</strong>den Hirnhälften und gilt <strong>als</strong> Voraussetzung für vernetztes Denken.<br />

Dem Kind sollte ein uneingeschränkter Wechsel zwischen den <strong>bei</strong>den Hirnhälften, die ja<br />

jeweils für den gegenüberliegenden Körperbereich verantwortlich sind, möglich sein.<br />

4.1.7 Erkrankungen oder Hirnfunktionsstörungen<br />

Minimale Cerebrale Dysfunktion (oder auch POS) kann eine weitere Ursache für <strong>Legasthenie</strong>,<br />

Dyskalkulie, Teilleistungsstörungen, und Auffälligkeiten im Bereich der Wahrnehmung sein.<br />

Sie kann auch zu ADS bzw. ADHS führen, wo<strong>bei</strong> Kinder, die unter diesen<br />

Verhaltensstörungen leiden, wiederum oft Symptome der <strong>Legasthenie</strong> zeigen. Minimale<br />

Störungen, die mitunter auch weder sichtbar noch spürbar sind, können pränatal, perinatal<br />

oder postnatal entstehen.<br />

Die folgende Aufstellung aus dem Buch Teilleistungsstörungen – Möglichkeiten zur<br />

Früherkennung von D. FREDA und S. MIEHL aus dem Jahr 1995 zeigt mögliche Ursachen<br />

der Schädigung:<br />

Pränatale Schädigung (vor der Geburt)<br />

Die Schwangerschaft kann rein äußerlich durchwegs unauffällig verlaufen, obwohl eine<br />

Schädigung stattgefunden hat. Je leichter sie ist, desto schwerer ist ihre Feststellung. Oftm<strong>als</strong><br />

zeigen sie sich nur andeutungsweise in den ersten Lebensjahren, häufig erst zu einem späteren<br />

Zeitpunkt, <strong>bei</strong>spielweise zum Schuleintritt.<br />

Mögliche Ursachen einer Schädigung:<br />

- Störungen des Stoffwechsels<br />

- virale, bakterielle oder parasitäre Infektion der Mutter<br />

- interoplazentare Durchblutungsstörungen<br />

- chemische Präparate<br />

- Mangelkrankheiten der Mutter<br />

- Röntgenstrahlen u.a.<br />

Perinatale Schädigung (Phase während der Geburt)<br />

<strong>bei</strong>spielsweise durch:<br />

- langen Geburtsvorgang<br />

- Frühgeburt (unter 1600g)<br />

- Nabelschnurkomplikationen<br />

52


- Aspiration von Fruchtwasser<br />

- Sauerstoffmangel<br />

Postnatale Schädigung (von der Geburt bis zum 6. Lebensjahr – unterschiedlich je nach<br />

Autor) hervorgerufen durch:<br />

- eine schwere Infektionserkrankung<br />

- Impfungen<br />

- Endokrine Störungen (Drüsenerkrankung)<br />

- Hirntraumen<br />

- Unfälle<br />

(SCHENK-DANZINGER 1984 zitiert in FREDA/MIEHL 1995, S.22,)<br />

Schädigungen des Gehirns können große Beeinträchtigungen auf das Leben des Menschen<br />

haben. „Eine Lernschwierigkeit oder ein Verhaltensproblem, das durch eine Minderleistung<br />

des Gehirns verursacht wird, ist genauso <strong>als</strong> körperliches Leiden aufzufassen wie ein<br />

gebrochenes Bein oder eine Infektionskrankheit.“ (AYRES 1998, S.279)<br />

4.1.8 Familiäres Umfeld und schulische Faktoren<br />

„Der Einfluss der sozialen Bedingungen, in denen die Kinder aufwachsen, auf das Erlernen<br />

des Lesens und Schreibens ist beträchtlich. Die soziale Situation der Kinder beeinflusst<br />

sowohl die kognitiven und motivationalen Lernvoraussetzungen <strong>bei</strong> Schuleintritt, <strong>als</strong> auch den<br />

weiteren Lernfortschritt in der Schule.“ (KLICPERA 1995, S.235)<br />

Die Einflüsse des häuslichen Umfeldes spiegeln sich wieder in der sozialen Herkunft, dem<br />

Einkommen der Eltern und der damit verbunden Wohnsituation. Ein Kind mit eigenem<br />

Zimmer und damit verbundenen ruhigen Lernbedingungen, liegt im Vorteil gegenüber<br />

Kindern, die sich ihr Zimmer mit Geschwistern oder anderen Familienmitgliedern teilen<br />

müssen. Eltern unterer sozialer Schichten bieten in der Regel auch kein gutes Vorbild, da sie<br />

meist kaum bis gar nicht Lesen, Schule und Erfolg <strong>bei</strong>m Lernen weniger wichtig genommen<br />

wird und es daher an grundsätzlicher Unterstützung <strong>bei</strong>m Lernen fehlt. „Für die längerfristige<br />

Entwicklung der Schulleistungen kommt den Leistungserwartungen der Eltern eine nicht<br />

unbeträchtliche Bedeutung zu. Die Erwartungen der Eltern bestimmen sowohl das Bild, das<br />

die Kinder von ihrer eigenen Leistungsfähigkeit haben, <strong>als</strong> auch die Leistungsmotivation der<br />

Kinder.“ (KLICPERA 1995, S.239)<br />

53


Die Eltern-Kind-Beziehung und das emotionale Klima in der Familie spielen da<strong>bei</strong> ebenfalls<br />

eine wichtige Rolle. „Die Kinder heutzutage erleben nur allzu hautnah die Relativität von<br />

Werten, die Diskrepanz zwischen Anspruch und Realität in der Welt der Erwachsenen. Die<br />

Desillusionierung der Kinder beginnt meist schon zu früh in der Familie. Die kindlichen<br />

Lebensvorstellungen werden nicht mehr von Leitfiguren bevölkert, die Geborgenheit,<br />

Identität und Struktur stiften, auch nicht mehr von Gott, zu dem vertrauensvoll gebetet werden<br />

könnte. In vielen Familien fehlt es an emotionaler Sicherheit und tragenden<br />

Beziehungsmustern, die zum Miteinander-Tun und Miteinander-Freuen einladen.“<br />

(MERTENS 2002, S.230)<br />

Positive Unterstützung, Wertschätzung der dargebrachten Leistung und Wärme in der Eltern-<br />

Kind-Beziehung sind von Bedeutung.<br />

„Die Untersuchungen der letzten 50 Jahre haben einen Zusammenhang zwischen dem<br />

Vorhandensein von <strong>Legasthenie</strong> und Schreibschwierigkeiten und ungünstigen sozialen<br />

Bedingungen in den Familien der Kinder nachgewiesen.“ (KLICPERA 1995, S.236)<br />

Die Frage, die sich stellt ist, ob es sie hier<strong>bei</strong> um wirkliche Ursachenbereiche für <strong>Legasthenie</strong><br />

handelt, oder ob es sich nur um verstärkende Faktoren handelt.<br />

Zwischen einzelnen Schulen, sowie aber auch zwischen einzelnen Parallelklassen, kann es zu<br />

gehörigen Unterschieden in den Fähigkeiten des Lesens und Schreibens der Schüler kommen.<br />

Diese begründen sich zum einen in den unterschiedlichen Einzugsgebieten der Schulen und<br />

den damit verbunden sozialen Unterschieden (betrifft jetzt nur die Unterschiede zwischen<br />

Schulen, nicht zwischen Parallelklassen), zum anderen spielt aber auch die Didaktik des<br />

einzelnen Klassenlehrers eine entscheidende Rolle. Manchen Lehrern gelingt es besser,<br />

manchen Lehren schlechter, den Wissenshunger in den Schülern zu wecken und so stellt es<br />

sich schließlich wieder <strong>als</strong> Frage der Motivation dar.<br />

Auch das Lehrer-Schüler Verhältnis sollte hier<strong>bei</strong> nicht außer Acht gelassen werden.<br />

Konflikte in der Klassengemeinschaft bzw. der Schüler untereinander können ebenfalls zu<br />

psychischer Belastung führen, welche sich negativ auf das Lernvermögen des Kindes<br />

auswirken können.<br />

4.2 Ursachen der Dyskalkulie<br />

Einer Dyskalkulie liegen ähnliche Ursachen zugrunde wie einer <strong>Legasthenie</strong>. <strong>Legasthenie</strong> und<br />

Dyskalkulie sind eng mit einander verstrickt, obwohl <strong>bei</strong>m Rechenprozess andere Bereiche<br />

des Gehirns betroffen sind <strong>als</strong> <strong>bei</strong>m Lesen und Schreiben. „So fassen viele Autoren die<br />

54


frühkindliche, insbesondere die motorische und taktil-kinästhetische Erfahrung <strong>als</strong><br />

wesentliche Determinante des gesamten Lernprozesses auf, die die Grundlage für die<br />

Entwicklung der visuellen Wahrnehmung, der Form-, Raum- und Zeitwahrnehmung bildet.<br />

Für die Entstehung von Rechenschwierigkeiten werden vor allem Faktoren angenommen wie<br />

- Störungen des Körperschemas<br />

- Visuo-motorische Integrationsstörung und<br />

- Räumlich-visuelle Erfassungs- und Vorstellungsschwäche.“<br />

(LORENZ und RADATZ 1993, S.19)<br />

Das Aufnehmen, Speichern und Wiederausdrücken von Information haben alle geistigen und<br />

intellektuellen Prozesse gemeinsam. Dies zeigt sich schon am Beispiel von Textaufgaben in der<br />

Mathematik. Für einen Legastheniker stellt schon das Lesen und Verstehen der Aufgabe eine<br />

erhöhte Anforderung dar. Der Großteil der Ursachen für eine <strong>Legasthenie</strong> kann daher genauso<br />

für den möglichen Ursprung einer Dyskalkulie, besonders wenn diese in Kombination mit<br />

einer <strong>Legasthenie</strong> auftritt, übertragen werden. Dennoch gibt es einige zusätzliche Faktoren,<br />

aus denen eine Rechenschwäche resultieren kann, die besonders dann genauer betrachtet<br />

werden sollten, wenn es sich um eine isolierte Dyskalkulie handelt.<br />

Eine der Voraussetzungen für mathematisches Denken ist ein gutes Vorstellungsvermögen für<br />

Raum und Zahlen. Nach LORENZ können sehr viele Schwierigkeiten in der Entwicklung<br />

mathematischer Konzepte auf Störungen in der Entwicklung visueller Vorstellungsbilder<br />

zurückgeführt werden. Eine Grundthese von LORENZ ist, dass es da<strong>bei</strong> primär auf visuelle<br />

Repräsentation, <strong>als</strong>o auf die internen Bilder des Schülers ankommt. (vgl. LORENZ 1992<br />

zitiert in NOLTE 2000, S.20)<br />

Eine gute Speicherfähigkeit des Gedächtnisses wird in der Fachliteratur, neben einem guten<br />

Vorstellungsvermögen, <strong>als</strong> wichtigste Grundlage für eine gute Rechenleistung gesehen. „Es<br />

besteht ein ständiger Zusammenhang zwischen Rechenoperationen und räumlichen<br />

Vorstellungs- und Begriffswerten:<br />

mehr<br />

größer <strong>als</strong><br />

dazugeben<br />

weniger<br />

kleiner <strong>als</strong><br />

55<br />

wegnehmen<br />

höher<br />

weiter<br />

oberhalb von<br />

zwischen“


am meisten verringern<br />

vergrößern tiefer<br />

vermehren enger<br />

am wenigsten unterhalb<br />

verkleinern<br />

(DRUMBL 2009c, S.6)<br />

Das Vorstellungvermögen sollte es dem Kind ermöglichen, abstrakte Bezüge zwischen dem<br />

Wort, oder auch einer Zahl, und seiner Bedeutung zu erstellen.<br />

„Offensichtlich stellt das schriftliche Rechnen zahlreiche Anforderungen an die<br />

Raumvorstellung:<br />

- Zahlengruppen mit mehreren Ziffern müssen horizontal von links nach rechts und<br />

räumlich gleichmäßig angeordnet werden.<br />

- Additionen werden normalerweise in senkrechten Reihen untereinander gesetzt, und<br />

das Ergebnis wird von der Dezimale nach links bestimmt, wo<strong>bei</strong> die Einer, Zehner,<br />

Hunderter und Tausender ihren Wert durch die räumliche Stellung erhalten.<br />

- Multiplikationen und Divisionen erfordern nicht nur horizontale und vertikale<br />

Gliederung, sondern auch eine schräge Gliederung nach links <strong>bei</strong> der Multiplikation<br />

und nach rechts <strong>bei</strong> der Division.“<br />

(GADDES 1991, S.435)<br />

Grundlage für eine gute Orientierung im Raum ist wiederum ein gesundes Körperschema. Ist<br />

dieses schlecht entwickelt, kann es Auswirkungen auf die mathematischen Fähigkeiten haben.<br />

Die Kinder haben dann, unter anderem, Probleme <strong>bei</strong>m Abziehen der kleineren von der<br />

größeren Zahl ohne Rücksicht auf deren Stellung (z.B. 44-18=34) oder <strong>bei</strong>m Dividieren und<br />

Multiplizieren in die richtige Richtung zu rechen. Beim Dividieren wäre das zum Beispiel das<br />

Beginnen mit den Einern.<br />

Schwierigkeiten der Auge-Hand-Koordination können ebenfalls eine weitere Ursache für<br />

<strong>Legasthenie</strong> darstellen. Graphomotorische Defizite erhöhen auch die Wahrscheinlichkeit<br />

Fehler <strong>bei</strong>m Abschreiben und Übertragen von Ergebnissen und Zwischenrechnungen zu<br />

machen. Die Kinder machen Fehler <strong>bei</strong>m Untereinanderschreiben und können manchmal ihre<br />

eigene Schrift nicht lesen.<br />

56


Was die psychische Komponente betrifft, spielt diese <strong>bei</strong> der Dyskalkulie vielleicht noch eine<br />

entscheidendere Rolle <strong>als</strong> <strong>bei</strong> der <strong>Legasthenie</strong>. Viele Kinder, auch Kinder, die nicht unter<br />

Dyskalkulie leiden, fühlen sich gerade vor Mathematik Schular<strong>bei</strong>ten besonders unwohl und<br />

ängstlich. „Aufgrund der kompromisslosen Struktur und Funktion scheint Rechnen den<br />

Schülern mehr Angst einzujagen <strong>als</strong> Lesen, Schreiben…“ (GADDES 1991, S.439)<br />

Wo sich <strong>bei</strong>m Lesen und Schreiben die Fehler nicht so gravierend auswirken, führt ein Fehler<br />

<strong>bei</strong> einer Rechenaufgabe zu einem f<strong>als</strong>chen Ergebnis, vergleichbar mit einem totalen<br />

Versagen. Es gibt keine Grauzone, sondern nur richtig oder f<strong>als</strong>ch.<br />

57


5 Diagnostik der <strong>Legasthenie</strong> und Dyskalkulie<br />

Die Ursachen, die zu <strong>Legasthenie</strong> bzw. Dyskalkulie führen können sind nun klar. Es stellt sich<br />

die Frage, wie erkannt werden kann, ob ein Kind legasthen ist. Viele Pädagogen und<br />

Therapeuten betonen die Wichtigkeit einer Früherkennung.<br />

Eine <strong>Legasthenie</strong> bzw. Dyskalkulie wird meist im Alter zwischen 7 und 9 Jahren bzw. im<br />

Grundschulalter diagnostiziert. „Das Erkennen von Lese- und Schreibschwierigkeiten ist<br />

bereits in den ersten Monaten nach der Einschulung möglich. Ein Großteil der Kinder, die zu<br />

diesem Zeitpunkt Probleme haben, dem Lese- und Schreibunterricht zu folgen, zeigen auch<br />

längerfristig Schwächen im Lesen und Schreiben.“ (DRUMBL 2009a, S.57)<br />

Dies ist damit zu begründen, dass in diesem Lebensabschnitt das Lernen des ABC’s, der<br />

Schrift und des Einmaleins, sowie der Grundrechenarten auf die Kinder zukommt.<br />

Desweiteren werden zum ersten Mal zählbare und mit anderen Kindern aus der Gruppe<br />

vergleichbare Leistungen von den Heranwachsenden erwartet. Schwere Beeinträchtigungen<br />

können schon vor der Schulzeit erkannt werden, doch je schwächer ein Defizit ausgeprägt ist,<br />

desto weniger wird es das Kind beeinträchtigen und somit erst später zum Vorschein<br />

kommen, wenn höhere, diffizilere Leistungen vom Kind verlangt werden.<br />

Mechthild FIRNHABER fasst in ihrem Buch „<strong>Legasthenie</strong> und andere<br />

Wahrnehmungsstörungen“ die wichtigsten Auffälligkeiten, die ein Anzeichen für eine spätere<br />

<strong>Legasthenie</strong> sein können, zusammen:<br />

a) Auffälligkeiten <strong>als</strong> Säugling und Kleinkind<br />

- Entwicklungsverzögerungen <strong>bei</strong>m Krabbeln<br />

- Starke Abwehr gegen Berührungen<br />

- Das Kind mag kein Barfußlaufen und vermeidet Fingerfarben, Moder, Kleister und -<br />

Sand.<br />

- Das Kind mag keine Berührung mit Kreide, Samt oder Schmirgelpapier.<br />

- Es fällt dem Kind schwer geometrische Formen in die entsprechenden Schlitze bzw.<br />

Behälter zu bringen.<br />

- Das Kind weiß nicht, wo Kinn oder Ellenbogen sind.<br />

- Es ist dem Kind <strong>bei</strong> geschlossenen Augen nicht möglich eine Berührung zu<br />

lokalisieren.<br />

- Ebenso zeigt es keine Unterscheidung von rechts, links, oben, unten.<br />

58


) Auffälligkeiten im Kindergarten<br />

- Das Kind erscheint <strong>bei</strong>m Spielen und im Alltag tollpatschig und ungeschickt.<br />

- Es zieht Schuhe und Kleider regelmäßig verkehrt herum an.<br />

- Tut sich schwer <strong>bei</strong>m Fangen und Spielen mit Bällen.<br />

- Das Kind hat Angst vorm Rutschen<br />

- Angst vor lauten Tönen<br />

- Weiter zeigt es Schwierigkeiten <strong>bei</strong>m Turnen sowie <strong>bei</strong>m Basteln und Malen<br />

- Eventuell Sprachschwierigkeiten<br />

c) Auffälligkeiten <strong>bei</strong> der Einschulung<br />

- Das Kind kann sich nicht selbst die Schuhbänder binden und tut sich schwer <strong>bei</strong><br />

Knöpfen.<br />

- Ist in seinen <strong>Bewegung</strong>en hektisch, tollpatschig, umgesteuert und zeigt Anzeichen<br />

eines sogenannten Unfallkindes<br />

- Kann Wichtiges nicht von Unwichtigem trennen.<br />

- Zeigt extreme Unordnung<br />

- Ist leicht ablenkbar<br />

- Hat Probleme mit der Sprache in Schrift und Laut<br />

- Hyperaktivität<br />

5.1 Erscheinungsformen der <strong>Legasthenie</strong><br />

(vgl. FIRNHABER 1996, S.51)<br />

Die im vorigen Kapitel genannten Auffälligkeiten können schon früh auf eine mögliche<br />

<strong>Legasthenie</strong> hinweisen, so dass rechtzeitig mit einem entsprechenden Förderprogramm<br />

begonnen werden kann. Doch wie zeigt sich eine <strong>Legasthenie</strong>, wenn sie einmal da ist?<br />

Oft erkennt man schon am Leseverhalten eines Kindes. Viele Kinder ringen geradezu mit<br />

jedem Wort, der ihnen vorgelegten, einfachen Texte. Frägt man sie aber anschließend nach<br />

dem Inhalt, schauen sie einen meist mit großen Augen an. „Wenn die Aufmerksamkeit eines<br />

Kindes sehr stark auf die Erkennung des Wortes gerichtet ist, diese <strong>als</strong>o nicht automatisiert<br />

abläuft, ist die Aufmerksamkeit an diesen Prozess gebunden und steht in geringerem Maße für<br />

die Bedeutungserfassung zur Verfügung.“ (NOLTE 2000, S.53) Textverständnis ist demnach<br />

auch ein wichtiger Parameter in vielen <strong>Legasthenie</strong>-Testungen.<br />

59


Dietrich EGGERT schreibt zum Bild des Legasthenikers in der Schule: Legastheniker sind im<br />

Lesen und im Rechtschreiben in ihren Schulleistungen auffällig unterdurchschnittlich, in den<br />

anderen Schulleistungen jedoch relativ dazu gut. Von ihrer Persönlichkeit her sind die Kinder<br />

weniger stabil (im Sinne von Störungen des sozialen und des Anpassungsverhaltens), sowie<br />

ängstlicher und erregter <strong>als</strong> andere Kinder.“ (1997, S.30)<br />

Morgens nach dem Waschen und Zähneputzen zieht sich Max erst einmal für die Schule an.<br />

Die Mama hat ihm neue Wintersocken gekauft, die er auch zum Skifahren verwenden kann.<br />

Auf einem steht ein großes „L“ für Links auf dem anderen ein „R“ für Rechts. „Das ist der<br />

Nachteil an diesen ergonomischen Supersocken, es ist nicht egal welchen Socken man über<br />

welchen Fuß zieht:“ ärgert sich Max. Er entscheidet sich schließlich, welchen Socken er über<br />

welchen seiner kalten Füße stülpt und geht, nachdem er noch schnell den Rest seiner<br />

Kleidung angezogen hat, zu seiner Mutter in die Küche, um zu frühstücken. „Guten Morgen“<br />

sagt die Mama „Hast du heute mal wieder den Pullover verkehrt herum angezogen?“ Erst<br />

jetzt fällt Max auf, dass der Zettel mit der Waschanleitung des Pullis ihn auf der Brust kratzt.<br />

Beim Versuch sich den Pullover über den Kopf zu ziehen, stößt Max mit seinem Ellenbogen<br />

leider so stark gegen den Tisch, dass das Milchpackerl umfällt, vom Tisch kippt und mit<br />

einem lauten Platscher am Küchenboden zerplatzt. Nachdem das Schlamassel in der Küche<br />

behoben war, und Max ein paar Scheiben Toastbrot statt der heiß geliebten Cornflakes<br />

gefrühstückt hat, holt er noch schnell seine Schultasche aus seinem Zimmer. Die Mama hilft<br />

ihm dann noch <strong>bei</strong>m Schuhe anziehen, weil er sich <strong>bei</strong>m Binden von diesen blöden Schlaufen<br />

immer noch schwer tut. Aber vorher muss er die Socken noch einmal neu anziehen, weil er<br />

wiedermal rechts mit links verwechselt hat. Max ist jetzt schon viel zu spät dran und die<br />

Mama ermahnt ihn an der Türe noch sich zu beeilen, doch das hat er nach wenigen Metern<br />

schon wieder vergessen. Zu ablenkend sind die vielen Geräusche und Sinneseindrücke auf<br />

dem Schulweg. Außerdem geht Max nicht besonders gerne in die Schule, noch dazu wo sie<br />

heute in den ersten <strong>bei</strong>den Stunden Deutschunterricht haben. Die Lehrerin schimpft immer so<br />

mit ihm, wenn sie seine Hausaufgabe kontrolliert. Er mache so blöde Fehler, vertauscht<br />

Silben, lässt Buchstaben aus und müsse endlich lernen sich besser zu konzentrieren. Die<br />

einzige auf die er sich in der Schule freut ist Anna. Sie ist schon ein bisschen älter <strong>als</strong> er und<br />

geht in die Klasse, die gegenüber von seiner liegt. Sie haben sich gestern in der Pause auf<br />

dem Schulhof kennengelernt. Als ihm sein Jausenbrot in die Pfütze gefallen ist, hat sie es für<br />

ihn aufgehoben, in den Müll geschmissen und dann ihre Jause mit ihm geteilt. Später hat sie<br />

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ihm auch noch ihre Nummer gegeben und ihn gefragt, ob er sie nicht am Nachmittag anrufen<br />

wolle. Max hat sich die Nummer auf sein Federpenal geschrieben, aber irgendwie hat er wohl<br />

die Zahlen vertauscht, weil <strong>als</strong> er am Nachmittag <strong>bei</strong> ihr anrufen wollte, hat nur ein schlecht<br />

gelaunter Herr Meier abgehoben, der nichts von einer kleinen Anna wusste. Annas Nachname<br />

war aber „Binder“. So, jetzt musste er sich aber wirklich beeilen, weil die erste Stunde war<br />

fast schon vor<strong>bei</strong>.<br />

So, oder so ähnlich könnte der Morgen eines jungen Legasthenikers aussehen. Eine<br />

<strong>Legasthenie</strong> kann sich in <strong>Bewegung</strong>sverhalten, Sozialverhalten und Lern- bzw.<br />

Ar<strong>bei</strong>tseinstellung des Kindes wiederspiegeln. Neben den oben schon erwähnten<br />

Auffälligkeiten in diesen Bereichen zeigen sich unterschiedliche Defizite im<br />

schriftsprachlichen Bereich. Natürlich zeigt nicht jeder Legastheniker jedes Erscheinungsbild<br />

und meist liegen die Schwierigkeiten nur in bestimmten Bereichen des Lesens und<br />

Schreibens. Es gibt verschiedene Erscheinungsbilder der <strong>Legasthenie</strong>, die hier kurz dargestellt<br />

werden sollen:<br />

a) Probleme <strong>bei</strong>m Buchstaben-/Worterkennen bzw. –reproduzieren:<br />

Räumliches Vorstellungsvermögen<br />

Bild-, Mustererkennen<br />

Re-li-Unterscheidung, Spiegelungen: d/b – p/q<br />

Drehungen, Oben-Unten-Spiegelungen: m/w – n/u – h/y<br />

Akustische Wahrnehmungsschwäche<br />

b) Reihenfolgevertauschung (Serialität):<br />

Buchstabenvertauschungen: die/die<br />

Silbenvertauschungen<br />

Wortvertauschungen<br />

Zahlenvertauschungen: 27/72<br />

c) Weglassungen:<br />

Satzzeichen<br />

Buchstaben am Wortende<br />

Buchstaben im Wort<br />

61


d) Wortneubildungen<br />

Schwierigkeiten auf Buchstaben- oder Serialitätsebene<br />

Unfähigkeit längerer Wörter zu verar<strong>bei</strong>ten, Probleme auf Silbenebene<br />

e) Rechtschreibung:<br />

Unkenntnis des Regelsystems<br />

Schwach ausgebildetes logogenes System (Anm. Autor: im logogenen System<br />

ist das Wissen über Formen von Wörtern gespeichert)<br />

Geringer Wortschatz<br />

Grammatikschwäche<br />

f) Sprachkompetenz:<br />

Mangelhaftes Wort-/Satzverständnis<br />

Formulierungsschwierigkeiten<br />

Eingeschränkter Wortschatz<br />

Unkorrekter grammatischer Aufbau<br />

g) Nichterkennen von Fehlern:<br />

Konzentrationsmangel<br />

Motivationsmangel<br />

Übungsmangel<br />

Unsystematisches Ar<strong>bei</strong>ten<br />

Langsame Ar<strong>bei</strong>tsgeschwindigkeit<br />

(DRUMBL 2009b, S.50)<br />

Dies sind die Erscheinungsbilder, die für eine <strong>Legasthenie</strong> sprechen. Die Ausprägung, Anzahl<br />

und Stärke der einzelnen Mängel unterscheidet sich jedoch extrem von Legastheniker zu<br />

Legastheniker. Manch einer zeigt vielleicht nur 3 oder 4 Anzeichen, ein anderer leidet<br />

vielleicht unter geradezu allen möglichen Schwächen. M. FIRNHABER schreibt dazu „Jedes<br />

Kind hat seine eigene <strong>Legasthenie</strong>.“ (FIRNHABER 1996, S.60)<br />

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FIRNHABER fasst ihrerseits vier Erscheinungsformen der <strong>Legasthenie</strong> zusammen:<br />

1) Die akustische (auditive) Erfassungsschwäche:<br />

Die akustische Erfassungsschwäche wird auch Lautnuancentaubheit genannt. Die<br />

Kinder hören die klanglichen Feinheiten eines Lautes nicht. Das bedeutet z.B., dass<br />

die Laute u-o, i-ü-ö-e, ä-e für den Legastheniker völlig gleich klingen. Weitere<br />

Schwierigkeiten finden sich <strong>bei</strong> Schärfungen („ck“ u. „Doppel-s“), Unterscheidung<br />

von kurzen und langen Lauten, sowie Endungen.<br />

2) Die visuelle (optische) Wahrnehmungs und Speicherschwäche<br />

Die visuelle Wahrnehmungs und Speicherschwäche wird auch <strong>als</strong><br />

Gestaltmerkschwäche bezeichnet. Wie die Form eines Buchstabens oder die einer Zahl<br />

oder eines Rechenzeichens (Anm. d. Autors: die letzten <strong>bei</strong>den beziehen sich auf eine<br />

Koppelung mit Dyskalkulie) aussieht, können sich die Kinder nicht einprägen. Auch<br />

ähnlich aussehende Buchstaben (z.B. „n“ und „m“) werden immer wieder verwechselt,<br />

was zu erheblichen Folgen in der Grammatik führt. Die Unsicherheit über die<br />

Buchstaben ist zudem einer der Hauptfaktoren der schwer lesbaren<br />

Legasthenikerschrift. Beim Schreiben entstehen immer wieder stärkere Zweifel, ob der<br />

Buchstabe nicht doch vielleicht anders aussehen müsste, <strong>als</strong>o wird er verändert.<br />

Auch ähnliche Zahlen (z.B. „7“ und „1“) sowie die Rechenzeichen (+,-, Division und<br />

Multiplikation) werden leicht verwechselt. (Anm. d. Autors: betrifft wieder<br />

Dyskalkulie)<br />

3) Die Leseschwäche und das mangelnde Leseverständnis<br />

Während die Legastheniker um jeden Buchstaben, jede Silbe und jedes Wort mühsam<br />

ringen müssen, begreifen sie den Textinhalt nicht oder nur ungenau. Erkennen und<br />

Begreifen des Geschriebenen brauchen eine lange Zeit und im Moment des Lesens<br />

wissen sie die Bedeutung des Wortes meist noch nicht. Die Kinder verlegen sich dann<br />

oft auf das Raten und so kann aus „Tipps für Verbraucher“ schnell einmal „Tipps für<br />

Verbrecher“ werden. Durch die Mühsamkeit des Leseprozesses entwickelt sich schnell<br />

eine „Lese-Unlust“.<br />

63


4) Die Raumlagelabilität mit der Störungsform der „willkürlichen Reihung“<br />

Hierunter fallen Schwierigkeiten mit der Unterscheidung von oben – unten, vorne –<br />

hinten und links – rechts, Probleme mit den Himmelsrichtungen und Probleme mit der<br />

Uhrzeit <strong>bei</strong> analogem Ziffernblatt. Besondere Erschwernis bildet die Raumlagelabilität<br />

<strong>bei</strong>m Merken von Telefonnummern und allen mehrstelligen Zahlen. Hohe<br />

Raumlagelabilität führt auch oft zu Rechenschwäche. Die Kinder haben Probleme, da<br />

ihnen das Vorstellungvermögen von Zahleneinheiten und Stellenwerten schwer fällt<br />

oder gänzlich fehlt. Das bedeutet, dass Umwandlungen von z.B. Kilometer in<br />

Zentimeter oder von Kilogramm in Gramm, ihnen jahrelang größte Probleme bereiten.<br />

Mit den Schwierigkeiten <strong>bei</strong> einer Rechenschwäche werden wir uns nun im nächsten<br />

Kapitel genauer beschäftigen.<br />

5.2 Erscheinungsformen der Dyskalkulie<br />

(vgl. FIRNHABER 1996, S.60-66)<br />

Ebenso wie die Fähigkeiten des Lesens und Schreibens den Menschen ein ganzes Leben lang<br />

begleiten, so kommt man auch nicht umhin, den Umgang mit Zahlen und Rechenzeichen für<br />

ein produktives und selbstständiges Leben zu lernen. „Um frei umherlaufen und ein normales<br />

Zusammenleben führen zu können, muss der Mensch zählen, relative Größen abschätzen und<br />

Abstände sofort einschätzen können, da die Fortbewegung im Raum eine dreidimensionale<br />

räumliche Erfassung der Welt voraussetzt.“ (GADDES 1991, S.433)<br />

Nun gibt es aber, wie wir bereits wissen, Kinder denen diese Rechenoperationen, aus<br />

Gründen, die ich in Kapitel 4.2 dargestellt habe, besonders schwierig fallen. Die Frage, mit<br />

der wir uns nun beschäftigen wollen, lautet: Wie wirkt sich eine Rechenschwäche aus und<br />

welche Fehler sind symptomatisch? Denn nicht jedes Kind, das sich hin und wieder mal<br />

verrechnet, leidet gleich an einer Dyskalkulie.<br />

DRUMBL nennt in seinem Skriptum zur Ausbildung zum <strong>Legasthenie</strong>trainer drei Formen der<br />

Dyskalkulie:<br />

• Verbal-learning-disability-syndorme (VLDS): Das VLDS ist vornehmlich<br />

auf eine Störung der akustischen Merkfähigkeit zurückzuführen oder auch <strong>als</strong><br />

Schwäche im Sprachverständnis.<br />

64


• Non-verbal-disability-syndrome (NVDS): Die Störungen in Form eines<br />

NVDS treten vor allem <strong>als</strong> isolierte Rechenstörung auf. Ihre Ursachen werden<br />

im mangelhaften mathematischen Verständnis in Zusammenhang mit einer<br />

Störung der nonverbalen Konzeptbildung gesehen. Die Rechenfehler, die die<br />

betroffenen machen, sind in der Regel zahlreicher und sehr verschiedenartig.<br />

Diese Form kommt seltener vor und hat einen ungünstigeren Verlauf.<br />

• Als weitere Form der Dyskalkulie kann das Developmental-Gerstmann-<br />

Syndrom, ein Symptom-Komplex, der erstm<strong>als</strong> von Josef Gerstmann (1924)<br />

beschrieben wurde, gesehen werden. Dieses umfasst 4 Symptome:<br />

- Störungen der Graphomotorik<br />

- Störungen der rechts-links-Unterscheidung<br />

- Fingeragnosie<br />

- Dyskalkulie<br />

(vgl. DRUMBL 2009c, S.9)<br />

Als Parameter <strong>bei</strong> der Unterscheidung der drei Formen spielen großteils ihre Ursachen eine<br />

Rolle, doch gibt es auch Unterschiede, die sich auf die Anzahl und Art der Fehler beziehen.<br />

Als prinzipielle Symptome einer Rechenschwäche treten häufig Schwierigkeiten in folgenden<br />

Bereichen auf:<br />

• Mengenerfassung<br />

• Erkennen gleicher oder unterschiedlicher Mengen<br />

• Zuordnen und Sortieren von Mengen<br />

• Zählen und Abzählen<br />

• Grundrechnungsarten<br />

• Zuordnen von Zahl und Symbol<br />

• Mündliches Rechnen in Folge mangelnder Gedächtnisleistung (auditive<br />

Speicherschwäche)<br />

(DRUMBL 2009c, S.2; Anm. d. Autors: Stellt eine überar<strong>bei</strong>tete Form der Einteilung von<br />

LEDL 1994 dar.)<br />

65


Noch genauer geht W. GADDES auf diese Thematik ein und bringt in seinem Buch über<br />

Lernstörungen und Hirnfunktion eine Aufzählung von Faktoren nach COHN (1968), die eine<br />

entwicklungsbedingte Dyskalkulie kennzeichnen:<br />

1) Missgebildete, häufig umgekehrte oder zu große Schriftzeichen<br />

2) Eine Dyslexie<br />

3) Eine Unfähigkeit, einzelne ganze Zahlen zu addieren<br />

4) Eine Unfähigkeit, Rechenzeichen und Dezim<strong>als</strong>tellen zu erkennen und anzuwenden<br />

5) Fehler <strong>bei</strong>m exakten Lesen des richtigen Wertes mehrstelliger Zahlen, da ihre<br />

Reihenfolge und Räumliche Anordnung nicht erkannt wird<br />

6) Schlechtes Gedächtnis für die Grundrechenarten<br />

7) Fehler, wenn Zahlen „im Sinn“ zu behalten sind<br />

8) F<strong>als</strong>che Anordnung und Platzierung von Zahlen <strong>bei</strong>m Multiplizieren<br />

(COHN 1968 zitiert in GADDES 1991, S. 440,)<br />

Es ist demnach ein wesentlicher Unterschied, ob sich ein Kind <strong>bei</strong>m Rechnen „nur“ schwer<br />

tut, oder ob die Schwierigkeiten dyskalkuliebedingt sind. Dyslektiker tun sich im Vergleich<br />

mit normal entwickelten Kindern einfach schwerer da<strong>bei</strong> zwei Wahrnehmungsbereiche zu<br />

integrieren (z.B. das Hinzeigen und das Benennen, die <strong>Bewegung</strong> und die Sprache), sich an<br />

die Folge in der Zahlenreihe zu erinnern, das Lesen der analogen Uhr zu lernen oder<br />

Mengenkonstanzen zu erkennen. Mengenkonstanzen bieten die Voraussetzung für die<br />

Entwicklung des Zahlenbegriffs. Jüngere Kinder, die Glasperlen aus einem Behälter in einen<br />

anderen mit einer anderen Form umfüllen mussten, glaubten, die Zahl der Perlen habe sich<br />

verändert, da sich die Höhe der Perlen im Gefäß geändert hatte. Siebenjährige Kinder<br />

verstanden, dass sich die Zahl der Perlen durch das Umfüllen nicht geändert hatte. (vgl. MILZ<br />

1999, S.55) Kindern, die an Dyskalkulie leiden, geht es wie den jüngeren Kindern, sie haben<br />

noch kein Verständnis für Mengenverhältnisse entwickelt.<br />

66


6 <strong>Intervention</strong> durch <strong>Bewegung</strong><br />

Ist eine Trainigsintervention zur Förderung <strong>bei</strong> <strong>Legasthenie</strong> und/oder Dyskalkulie gefragt, gilt<br />

es in erster Linie einmal jene Bereiche herauszufiltern, in denen die <strong>Legasthenie</strong> bzw.<br />

Dyskalkulie begründet liegt. Es gibt dazu eine Vielzahl an unterschiedlichen Tests und<br />

Untersuchungen, wie <strong>bei</strong>spielsweise das von DRUMBL am Institut für angewandte<br />

Pädagogik entwickelte „Profil I.F.A.P.“. Es ist natürlich nur ein Beispiel von vielen Modellen<br />

zur Testung <strong>bei</strong> <strong>Legasthenie</strong>, auf die hier nicht alle eingegangen wird. Entscheidend <strong>bei</strong> jeder<br />

Testung sollte nicht ein Ergebnis sein, das nur Aussagen darüber macht, ob das Kind<br />

<strong>Legasthenie</strong> hat und wie stark diese ausgeprägt ist, sondern, dass aus der Untersuchung klar<br />

aufscheint, in welchen Bereichen das Kind Defizite zeigt. DRUMBL meint dazu: „Um die<br />

Förderung auf die individuellen Schwierigkeiten der Schüler abzustimmen, ist das<br />

Identifizieren der spezifischen Art der Schwierigkeiten bzw. jener Teilprozesse, welche<br />

Schwierigkeiten bereiten oder <strong>als</strong> grundlegende Teilleistungen fehlen, notwendig.“<br />

(DRUMBL 2009b, S.57)<br />

Nur dann kann ein entsprechendes, individuell angepasstes Förderprogramm erstellt werden,<br />

das dem Kind da<strong>bei</strong> hilft, mit seinem Problem besser klar zu kommen. Das<br />

<strong>Bewegung</strong>sprogramm sollte nach Möglichkeit immer in Kombination mit einem<br />

herkömmlichen kognitiven <strong>Legasthenie</strong>training bzw. Dyskalkulietraining stattfinden. Ein rein<br />

körperliches Programm gänzlich ohne Verbindung zur Tätigkeit des Schreibens bzw.<br />

Rechnens zeigt wahrscheinlich weniger Wirkung <strong>als</strong> ein kombiniertes Programm, in dem alle<br />

Elemente vereinigt sind. Viele Bereiche, die <strong>als</strong> Ursache für eine <strong>Legasthenie</strong>/Dyskalkulie in<br />

Frage kommen, sind wiederum ohne entsprechende motorische Übungen nicht zu verbessern<br />

bzw. zu kompensieren. A. J. AYRES meint dazu im Sinne der sensorischen Integration: „Eine<br />

Therapie, die auf sensorischer Stimulation und der körperlichen Reaktion auf diese<br />

Stimulation aufgebaut ist, zeigt oftm<strong>als</strong> bessere Behandlungsergebnisse <strong>als</strong> Medikamente,<br />

Psychoanalyse oder das Versprechen von Belohnung, bzw. die Androhung von Strafen. Sie<br />

hilft dem schlecht funktionierenden Gehirn, seine mangelhafte Leistung aus sich heraus zu<br />

beseitigen.“ (AYRES 1998, S.232)<br />

AYRES schreibt zu diesem Thema weiters: „Seine (die des Kindes, Anm. d. Autor)<br />

Behandlung besteht nicht darin, spezifische Fähigkeiten wie z.B. Lesen oder Schreiben, zu<br />

lernen. Es soll lernen, sein Gehirn zu ordnen, so dass es besser ar<strong>bei</strong>ten kann. Das versetzt es<br />

67


wesentlich besser in die Lage, Lesen und Schreiben zu lernen und noch viele andere Dinge zu<br />

tun.“ (AYRES 1998, S.83)<br />

M. FIRNHABER schreibt über ein entsprechendes Programm für Kinder mit <strong>Legasthenie</strong>:<br />

„Damit normale Lernbedingungen geschaffen werden können und damit diese Kinder nicht an<br />

ihren vielfältigen Störungen scheitern, müssen sie in geeigneter Form behandelt werden.<br />

Maßnahmen, die nur an der oberen Ebene von Lesen und Schreiben ansetzen, können nichts<br />

bewirken. Erst durch Entwicklung und Stabilisierung der gestörten untergeordneten<br />

Wahrnehmungsbereiche ist eine sinnvolle <strong>Legasthenie</strong>therapie möglich.“ (FIRNHABER<br />

1996, S.53)<br />

Abhängig ist eine erfolgreiche Behandlung mit einem motorischen Programm natürlich von<br />

der jeweiligen „speziellen“ <strong>Legasthenie</strong> des Kindes. Leidet ein Kind an <strong>Legasthenie</strong> und/oder<br />

Dyskalkulie, die ihre Ursachen in Bereichen hat, die mit einem <strong>Bewegung</strong>sprogramm nicht<br />

gefördert werden können, so wird es aus diesem auch keinen Nutzen ziehen und die<br />

motorische Behandlungsform wäre bloße Zeit- und Geldverschwendung. Daher betone ich<br />

noch einmal die Wichtigkeit einer genauen Analyse der gezeigten Defizite mittels eines<br />

speziellen <strong>Legasthenie</strong>-Tests.<br />

Ein positiver Nebeneffekt eines <strong>Bewegung</strong>sprogramms ist der Einfluss auf die Psyche und das<br />

Selbstkonzept des Kindes. <strong>Bewegung</strong> und Aktivität vermitteln ein gutes Gefühl, und<br />

zusätzliche Entspannungsübungen können Alltagsstress und persönlichen Problemen<br />

entgegenwirken. Das Programm sollte da<strong>bei</strong> dem Vorbild der psychomotorischen Förderung<br />

folgen: „Ziel psychomotorischer Förderung ist es, die Eigentätigkeit des Kindes zu fördern, es<br />

zum selbstständigen Handel anzuregen, durch Erfahrungen in der Gruppe zu einer<br />

Erweiterung seiner Handlungskompetenzen und Kommunikationsfähigkeit <strong>bei</strong>zutragen.“<br />

(ZIMMER 1999, S.22) Wo<strong>bei</strong> sich, in Bezug auf die „Erfahrung in der Gruppe“, ein<br />

Einzeltraining in einem <strong>Legasthenie</strong>-Trainings-Programm oftm<strong>als</strong> eher empfiehlt. Die<br />

maximale Gruppengröße sollte die Zahl von fünf Kindern nicht überschreiten, damit<br />

ausreichend auf die einzelnen individuellen Bedürfnisse der Kinder eingegangen werden<br />

kann.<br />

„Psychomotorik kann sowohl im pädagogischen <strong>als</strong> auch im therapeutischen Rahmen<br />

stattfinden. Mit dem Anspruch auf eine ganzheitliche Förderung liegt sie an der Schnittstelle<br />

von Therapie und Pädagogik. Je nach Zielgruppe kann sie vorbeugen, fördern und heilen.“<br />

(ZIMMER 1999, S.12) Ähnlich verhält es sich mit dem <strong>Bewegung</strong>sprogramm für<br />

Legastheniker und Kinder mit Dyskalkulie. Erst durch das <strong>Bewegung</strong>sprogramm ar<strong>bei</strong>tet das<br />

68


Kind an den Grundvoraussetzungen, die für höhere intellektuelle Leistungen notwendig sind.<br />

In der heutigen Zeit ist der Mensch hauptsächlich visuellen und akustischen Reizen<br />

ausgesetzt. Taktile und andere Sinneseindrücke, vor allem aber der <strong>Bewegung</strong>ssinn und die<br />

Tiefensensibilität, werden durch diese Dominanz vernachlässigt. Dieses Ungleichgewicht<br />

verlangt nach Ausgleich. Ein Förderprogamm über <strong>Bewegung</strong> wirkt sowohl vorbeugend <strong>als</strong><br />

auch rückwirkend. Der Aufbau eines vorbeugenden Programms unterscheidet sich nur<br />

dadurch, dass möglicherweise die defizitären Bereiche noch nicht erkennbar sind und die<br />

Übungen daher im Sinne der Vermittlung einer „breiten Basis“ zusammengestellt werden.<br />

Allgemein gilt: „Der wiederholte Gebrauch einer Synapse für eine bestimmte sensorische<br />

oder motorische Funktion erzeugt ein „Nervengedächtnis“ für diese betreffende Funktion.“<br />

(AYRES 1998, S.166)<br />

6.1 Förderbereiche<br />

Eine allgemeine sportliche Grundausbildung sollte jedem Kind ermöglicht werden. Die<br />

Erfahrungen, die das Kind während des Spielens, im Speziellen während der <strong>Bewegung</strong>,<br />

macht, sind für eine gesunde Entwicklung und ein gutes Selbstkonzept unumgänglich.<br />

„Pädagogen und Psychologen haben bewiesen, dass die motorische Entwicklung in weit<br />

größerem Umfang die gesamte kindliche Persönlichkeitsentwicklung beeinflusst <strong>als</strong> nur die<br />

körperliche. Für Entwicklung und Lernprozesse sind vor allem <strong>Bewegung</strong>, Handlung und<br />

Wahrnehmung entscheidend.“ (HERM 1997, S.15)<br />

Auch für die Entwicklung des Selbstkonzeptes spielt die <strong>Bewegung</strong> eine große Rolle. „Der<br />

Aufbau des „Selbst“ ist <strong>bei</strong>m Kinde wesentlich geprägt von der Körpererfahrung, die es in<br />

den ersten Lebensjahren macht. Sie können damit auch <strong>als</strong> Grundlage der kindlichen<br />

Identitätsentwicklung angesehen werden.“ (ZIMMER 1993, S.24)<br />

Ein Förderprogramm ist dann von Nutzen, wenn das Kind, aus welchen Gründen auch immer,<br />

im Laufe seiner Entwicklung, nicht ausreichend <strong>Bewegung</strong>serfahrung sammeln konnte. Die<br />

spezielle Förderung mag dem alltäglichen Sport und Spielen ähneln, ist aber aufgrund seiner<br />

ausgewählten Thematik speziell auf die Bedürfnisse bzw. Defizite des Kindes ausgerichtet.<br />

Zusätzlich sollen, gleich wie in der Psychomotorik, „die Spiel und <strong>Bewegung</strong>sangebote den<br />

Kindern neue (<strong>Bewegung</strong>s- und Selbst-) Erfahrungen ermöglichen und ihnen bisher vielleicht<br />

ungewohnte Handlungs- und Erlebnisräume eröffnen. Sie sollen ermutigt werden, sich auf<br />

69


neue Erfahrungen einzulassen, vielleicht sogar das Bild von sich selbst in Frage zu stellen.“<br />

(Zimmer 1999, S.157)<br />

Das Erlernen spezieller sporttechnischer Fähigkeiten steht da<strong>bei</strong> eher nicht im Vordergrund,<br />

kann aber zu Zwecken der Motivation und Auflockerung der Einheiten durchaus in das<br />

Förderprogramm eingebaut werden. Der genaue Inhalt des Programms hängt immer von der<br />

„individuellen“ <strong>Legasthenie</strong> des Kindes, gekennzeichnet durch die ausgetesteten Defizite, ab.<br />

„Was Not tut, ist herauszufinden, welche Basisfunktionsstörung der <strong>Legasthenie</strong> jedes<br />

einzelnen Kindes zugrunde liegt. Denn nur, wenn man die Basisfunktionsstörung kennt, kann<br />

man gezielt therapeutisch intervenieren und in sinnvoller Weise die Wirksamkeit<br />

verschiedener therapeutischer <strong>Intervention</strong>en vergleichen.“ (RUF-BÄCHTIGER 1995, S.58)<br />

Im Folgenden wird einen grober Überblick über jene Förderbereiche dargelegt, <strong>bei</strong> denen eine<br />

Förderung mittels <strong>Bewegung</strong> und sportlichen Übungen für sinnvoll erachtet wird. Welche<br />

Bereiche stärker gefördert werden müssen und welche vernachlässigt bzw. gänzlich<br />

weggelassen werden können, variiert von Legastheniker zu Legastheniker. Die Bereiche sind<br />

natürlich in der Praxis nicht so klar voneinander zu trennen und zeigen fließende Übergänge<br />

untereinander.<br />

Körperschema und Orientierung am Körper<br />

Förderlich sind vor allem Übungen, in denen sich das Kind direkt mit seinem eigenen Körper,<br />

mit dem Körper eines anderen Kindes oder auch dem des Coaches bzw. Pädagogen<br />

beschäftigt. Kennenlernen der Körpergrenzen, körpereigener Fähigkeiten, aber auch<br />

Bezeichnung und Wissen über den Körper des Menschen stehen im Mittelpunkt.<br />

Raumorientierung<br />

Eine Verbesserung der Orientierung im Raum und auch für die Stellung des eigenen Körpers<br />

in Relation zum Raum (Abstände, Entfernungen), hilft dem Kind <strong>bei</strong>m Erkennen von oben<br />

und unten, links und rechts. Kinder, denen <strong>bei</strong>spielsweise in der Entwicklung nicht genügend<br />

<strong>Bewegung</strong>sraum zur Verfügung stand, haben damit oft Probleme. „Kinder, welche zu<br />

ungeordnet sind, um Klettern zu können, beginnen Möbel durch das ganze Haus zu bewegen<br />

– oftm<strong>als</strong> sehr zum Missvergnügen ihrer Mütter. Diese Kinder folgen ihrem inneren Zwang,<br />

den Raum zu erforschen, und lernen da<strong>bei</strong> die Beziehung zwischen ihrem Körper und dem<br />

Raum kennen.“ (AYRES 1998, S.132) Ein gutes räumliches Vorstellungsvermögen vermeidet<br />

70


auch Fehler wie das Verwechseln von d und b, sowie Probleme <strong>bei</strong>m Aufbau von<br />

Multiplikation, Division und komplizierteren Rechnungen.<br />

Muskeltonus und Koordination<br />

Das Training der Koordination kann man in zwei Bereiche gliedern. Zum einen in den<br />

Bereich, der die Feinmotorik anspricht und zum anderen in jenen, der Grobmotorik. Eine<br />

schlechte Feinmotorik wirkt sich unter anderem auf das Schriftbild des Kindes aus und mit<br />

einer Verbesserung dieser lassen sich Fehler vermeiden, die durch diese unleserliche Schrift<br />

bedingt sind. Zur Feinmotorik gehören z.B. auch die <strong>Bewegung</strong>en des Mundes und der Zunge<br />

und die damit verbundene Lautabgabe.<br />

Die Förderung der Grobmotorik wirkt sich vielseitig auf den Organismus aus. Edu-<br />

kinästhetische Übungen und andere Koordinationsübungen trainieren und fördern die<br />

Zusammenar<strong>bei</strong>t der <strong>bei</strong>den Hirnhälften. Gerade wenn es Probleme mit der Grobmotorik gibt,<br />

tritt sehr schnell ein Vermeidungsverhalten ein. Hier gilt es entgegen zu wirken und dem Kind<br />

eine gewisse <strong>Bewegung</strong>ssicherheit zu ermöglichen, damit es sich mit Zuversicht in das<br />

Erlernen neuer <strong>Bewegung</strong>shandlungen und -abläufe begibt.<br />

Der Tonus der Muskulatur ist abhängig von der Innervation durch das Nervensystem. Bei der<br />

<strong>Bewegung</strong> ist es wichtig, den Muskel zu aktivieren, der auch wirklich für die Handlung<br />

notwendig ist, und andere Muskelgruppen, vor allem den Antagonisten, entspannt zu lassen<br />

(„intermuskuläre Koordination“). Das gehört geübt, um eine gesunde Körperhaltung und<br />

einen optimalen <strong>Bewegung</strong>sablauf zu gewährleisten. Haltungsbedingte Schäden bzw.<br />

Krankheiten und Verletzungen durch gestörte <strong>Bewegung</strong>sabläufe werden dadurch vermieden.<br />

Auch die Kraftdosierung ist ein mögliches Thema.<br />

Gleichgewicht bzw. vestibuläre Wahrnehmung<br />

Speziell A. J. AYRES ist der Meinung, dass ein gut ausgebildeter Gleichgewichtssinn<br />

entscheidend für die Entwicklung eines Kindes sein kann. Sollte das Kind in diesem Bereich<br />

Entwicklungsdefizite zeigen, so geht es im Förderprogramm darum, das Gleichgewichtsorgan<br />

zu trainieren. Gereizt wird dieses im Innenohr sitzende Organ <strong>bei</strong> nahezu jeder<br />

Lageveränderung des Kopfes und durch die Trägheitskräfte, die unter anderem <strong>bei</strong>m Laufen,<br />

Springen, Rotieren oder Schaukeln auftreten. Bei besonders tollpatschig und ungeschickt<br />

wirkenden Kindern kann mit einer entsprechenden Förderung einiges bewirkt werden, da<br />

diese oft Schwierigkeiten mit ihrem Gleichgewichtssinn und dem Zurechtkommen mit der<br />

71


Schwerkraft haben. „Die Raumwahrnehmung verbessert sich unter Behandlung mit<br />

vestibulärer Stimulation. Kinder beginnen zu klettern und setzen sich in Beziehung zum<br />

senkrechten Raum.“ (AYRES 1998, S.132) Ein geschulter Gleichgewichtssinn dient<br />

sozusagen <strong>als</strong> Basis für alle weiteren <strong>Bewegung</strong>shandlungen.<br />

Verbesserung anderer Wahrnehmungsbereiche<br />

Taktile, optische und akustische Wahrnehmung sollten ebenfalls den Bedürfnissen des Kindes<br />

entsprechend geschult werden. Lautunterscheidung und Rhythmusgefühl sind <strong>bei</strong>spielhafte<br />

Förderelemente für die akustische Wahrnehmung. Verschiedene Fühlspiele, Gegenstände<br />

ertasten und Barfuß gehen im Wald bzw. auf unterschiedlichen Untergründen fördern die<br />

taktile Wahrnehmung (ebenso die haptische Wahrnehmung). Die taktile Wahrnehmung<br />

reagiert auf Berührungen, Vibrationen und Druck, sowie Temperatur und Schmerz.<br />

Die visuelle Wahrnehmung betreffend, liegen Störungen meist im Erkennen von Form und<br />

Gestalt sowie <strong>Bewegung</strong> und Räumlichkeit. So stellt das optische Verfolgen eines Ballfluges<br />

für viele Legastheniker große Schwierigkeiten dar.<br />

Konzentrationsfähigkeit und Fokussierung der Aufmerksamkeit<br />

Sowohl <strong>bei</strong>m Lernen <strong>als</strong> auch <strong>bei</strong>m Sport ist es wichtig, sich mit den Gedanken auf einen<br />

gewissen Moment zu konzentrieren oder sich auf bestimmte Ereignisse oder Gegenstände zu<br />

fokussieren und diesen Zustand auch über eine gewisse Zeitspanne aufrecht zu erhalten. Es<br />

gibt eine Menge an Situationen, die im Spiel und Sport die Konzentrationsfähigkeit trainieren.<br />

Wenn dies geübt wird, so wirkt sich das auch auf die Konzentrationsfähigkeit <strong>bei</strong>m Lesen und<br />

Schreiben aus.<br />

Planvolles Handeln und Serialitätsvermögen<br />

Das Serialitätsvermögen ist eine der Grundvoraussetzungen für das Lesen und Schreiben,<br />

sowie für das Rechnen. Serialitätsvermögen ist die Fähigkeit, die es dem Kind ermöglicht<br />

Reihenfolgen richtig zu behalten und wiederzugeben. Liegen Schwächen in diesem Bereich<br />

vor, fällt es schwer, Wörter richtig aufzuschreiben, da es dem Kind nicht oder nur schwer<br />

möglich ist, Buchstaben in der richtigen Reihenfolge wieder zu geben. Oft werden<br />

Buchstaben vertauscht oder gar ausgelassen.<br />

Planvolles Handeln besteht aus zwei Abschnitten. Als Erstes geht es darum zu lernen,<br />

Entscheidungen zu treffen und einen flexiblen Handlungsplan zu entwickeln. In zweiter Linie<br />

72


muss man sich damit beschäftigen, das Geplante umzusetzen, um das Ziel, welches man sich<br />

gesetzt hat, zu erreichen. Entscheidungen zu treffen ist etwas, das Kinder im Laufe ihrer<br />

Entwicklung aber erst lernen müssen. Durch besondere Umstände etwa, wenn die Eltern dem<br />

Kind jede Entscheidung abnehmen, kann es passieren, dass das Kind diese Entwicklung<br />

versäumt, und daraus entsteht Unsicherheit und mangelnde Handlungskompetenz. Im Spiel<br />

und Sport geht es ständig darum Entscheidungen zu treffen. Meistens werden einem <strong>bei</strong> einer<br />

f<strong>als</strong>chen Entscheidung, oder <strong>bei</strong> zu zögerlichem Verhalten auch schnell die Folgen aufgezeigt.<br />

Doch sind diese Folgen im Spiel und Sport nicht so schwerwiegend wie sie im wirklichen<br />

Leben möglicherweise wären. Sport und Spiel ist daher eine gute Plattform<br />

Handlungskompetenz und Entscheidungsfähigkeit zu trainieren.<br />

Personale Ressourcen<br />

Personale Ressourcen stellen die Basis des Selbstvertrauens einer Persönlichkeit dar. In ihnen<br />

vereint sich all jenes, auf das der Mensch zurückgreifen kann, wenn es ihm mal nicht gut geht,<br />

oder ein Misserfolg erlebt wird. Sie speisen sich aus den unterschiedlichsten Bereichen wie<br />

z.B. zwischenmenschliche Beziehungen, kognitive Entwicklung oder auch dem familiären<br />

Umfeld. Ebenso spielt das <strong>Bewegung</strong>sverhalten des Kindes da<strong>bei</strong> eine entscheidende Rolle.<br />

„Die Entfaltung der kindlichen Persönlichkeit (Gefühlsleben, kognitive Entwicklung,<br />

Sozialverhalten, Kommunikation) vollzieht sich vorwiegend über <strong>Bewegung</strong> und<br />

Wahrnehmung.“ (HERM 1997, S.15)<br />

Motivation und Ar<strong>bei</strong>tseinstellung<br />

<strong>Bewegung</strong>sunlust und Trägheit hängen oft zusammen mit einer f<strong>als</strong>chen Tagesgestaltung und<br />

übermäßigem Fernsehkonsum. Schlechte Ernährung und Mangelerscheinungen tragen das<br />

ihre dazu <strong>bei</strong>, dass den Kindern ihr angeborener <strong>Bewegung</strong>sdrang abhanden kommt. Es macht<br />

demnach Sinn, den Kindern Erkenntnisse über gesunde Ernährung und Essverhalten<br />

<strong>bei</strong>zubringen sowie die Eltern der Kinder mit dem Thema zu konfrontieren. Zu Beginn des<br />

Trainings empfiehlt es sich, die Stärken eines jeden Kindes aufzuspüren, da diese dem<br />

betreffenden Kind helfen im Spiel seine Schwächen zu vergessen sowie auch Mut und<br />

Vertrauen in den Trainer und sein Programm zu entwickeln. „Bezogen auf die Übungsinhalte<br />

bedeutet das zunächst konsequent – vor jeder Leistungsforderung – zum Abbau der<br />

resignativen Einstellung „ich kann nichts, ich kann mich mit niemandem messen“ zu<br />

gelangen. Da lustbetontes Agieren das beste Mittel ist, angehäufte Unlust zu bekämpfen,<br />

73


können wir uns hier die sanierenden Auswirkungen spielenden Übens zunutze machen,“<br />

schreibt EGGERT (1997, S.81) zum Thema Motivation. Zum anderen sollten die Übungen so<br />

geplant sein, dass Misserfolge weitgehend vermieden werden bzw. ausgeschlossen sind. Es<br />

soll niem<strong>als</strong> die Gefahr bestehen, dass ein Kind durch seine Ungeschicklichkeit den<br />

Gruppenerfolg gefährdet und dadurch zum Außenseiter werden kann.<br />

Erfolgserlebnisse und die damit verbundene Stärkung des Selbstwertgefühles durch Achtung<br />

und Anerkennung sollen jedem Kind möglich sein. Eine individuelle Zielstellung spielt da<strong>bei</strong><br />

eine große Rolle. Die Kinder sollen aber auch erfahren, welche Genugtuung es bereiten kann,<br />

Schwierigkeiten zu überwinden und Aufwand zu erbringen, um ein Ziel zu erreichen.<br />

6.2 Förderprinzipien<br />

Im Folgenden sind einige Richtlinien zusammengefasst, welche <strong>bei</strong> der Ar<strong>bei</strong>t mit<br />

legasthenischen Kindern und Kindern mit Dyskalkulie zu beachten sind. Sie sollen dem<br />

Pädagogen, Sportwissenschaftler oder Therapeuten, <strong>bei</strong> der Erstellung eines<br />

<strong>Bewegung</strong>sprogramms, sowie <strong>bei</strong> der Durchführung der Übungen, <strong>als</strong> Unterstützung und<br />

Orientierung dienen.<br />

Sorgfältige Auswahl der Übungen<br />

Die ausgewählten Übungen sollen den mittels entsprechender Testung festgelegten<br />

defizitären Bereichen entsprechen. Es empfiehlt sich in einer Einheit nicht auf einen<br />

Bereich zu fixieren, sondern mehrere unterschiedliche Schwerpunkte zu setzen und<br />

während einer Einheit zu variieren, um diese abwechslungsreich zu gestalten.<br />

Vom Leichten zum Schweren, vom Einfachen zum Komplexen<br />

So wie es in fast jedem Methodikbuch zur Vermittlung sportlicher Fähigkeiten<br />

nachzulesen ist, ist der Aufbau einer komplexen <strong>Bewegung</strong> durch Erlernen der<br />

Einzelschritte oder langsamen Aufbau durch bewegungsähnliche, aber einfachere<br />

Übungen mit Steigerung bis hin zur gewünschten Endbewegung auch <strong>bei</strong> der Ar<strong>bei</strong>t<br />

mit Legasthenikern sinnvoll.<br />

Optimaler Schwierigkeitsgrad<br />

Vorrangig ist darauf zu achten, dass die Komplexität der Übung dem derzeitigen<br />

Leistungsvermögen des Kindes angepasst ist. Eine Überforderung, die zwangsläufig<br />

74


zu Frustration führt, ist ebenso zu vermeiden, wie eine Unterforderung, die unter<br />

Umständen Gefühle der Langweile und Motivationsverlust <strong>bei</strong>m Kind hervorruft. Ein<br />

optimaler Schwierigkeitsgrad zeichnet sich dadurch aus, dass das Kind gefordert wird,<br />

sich all seiner Ressourcen zu bedienen, das Ziel aber niem<strong>als</strong> utopisch wirkt und stets<br />

in Reichweite des Kindes ist. Ein optimales Gefühl stellt sich dann ein, wenn ein Ziel<br />

erreicht wird und dafür auch ein erheblicher Aufwand betrieben wurde.<br />

Vorschnelle Hilfeleistung vermeiden<br />

Um die Eigenaktivität und das „Selbstständig sein“ des Kindes zu fördern, ist es<br />

wichtig, dem Kind nicht zu schnell Hilfestellung zu geben. Das Kind soll lernen,<br />

Wege zu finden, selbst mit der Situation zurechtzukommen, und die Probleme, die<br />

sich ihm stellen, auf seine Weise zu lösen.<br />

Spiel im Freien <strong>als</strong> wesentliches Element<br />

Das Bewegen in der Natur bringt viele Vorteile mit sich, die unter<br />

„Laborbedingungen“ im Turnsaal oder der Praxis schwer oder gar nicht zu simulieren<br />

sind. In Wald und Wiese finden sich Hindernisse aus natürlichen Oberflächen,<br />

unebener Untergrund, verschiedene Gerüche und andere Sinneseinflüsse, die vielen<br />

Kinder heutzutage viel zu wenig nahe gebracht werden. Durch Freiraum im Handeln<br />

und Denken soll den Kindern Kreativität und die Lust am Experimentieren vermittelt<br />

werden.<br />

Erlernen des planvollen Handeln<br />

Das Kind muss fähig sein, von einem Schritt zum nächsten planen und handeln zu<br />

können, und die Bedeutung von zusammenhängenden Handlungen zu erkennen. Das<br />

Erlernen des Umsetzens von planvollen Handlungen <strong>bei</strong>nhaltet auch die Prozesse des<br />

Prioritäten Setzen und des richtigen Handelns. Zusammenhänge zu erkennen, stellt<br />

eine der Grundvoraussetzungen für das Serialitätsvermögen des Kindes dar.<br />

Regelmäßiges Üben<br />

Eine regelmäßige Durchführung ist eine Voraussetzung für die Effektivität des<br />

Förderprogramms. Drei Einheiten in der Woche sind das Minimum an Aufwand,<br />

damit das Üben seine gewünschte Wirkung erzielt.<br />

75


Mentales Training und stresslösende Übungen<br />

Mentales Training kann eine wichtige Fördermöglichkeit für die Kinder darstellen.<br />

Entspannungsübungen helfen da<strong>bei</strong> Alltagsbelastungen auszugleichen und auch dem<br />

zusätzlichen Stressfaktor des <strong>Bewegung</strong>sprogramms etwas entgegen zu wirken.<br />

Gegenwärtig haben die meisten Kinder schon in jungen Jahren ein dichtgedrängtes<br />

Tagesprogramm. Angefangen von Schule über Sportverein bis hin zu Musikunterricht<br />

bleibt wenig Zeit zur freien Verfügung und Entspannung. Das <strong>Legasthenie</strong>training<br />

wird noch ein zusätzlicher Termin.<br />

76


7 Exemplarische Beispiele aus dem <strong>Bewegung</strong>sprogramm<br />

Die folgende Zusammenstellung soll einen kurzen Einblick geben, wie ein Förderprogramm<br />

über <strong>Bewegung</strong> für Legastheniker und Kinder mit Dyskalkulie aussehen kann. Die Übungen<br />

sind nach dem jeweiligen vorrangigen Förderbereich geordnet, sind da<strong>bei</strong> aber eine reine<br />

Beispielsammlung ohne Berücksichtigung des methodischen Aufbaus einer Übungsstunde,<br />

der in einer Praxiseinheit natürlich Beachtung finden sollte. Beschrieben werden das benötigte<br />

Material, der Übungsablauf sowie die weiteren Förderbereiche, welche die jeweilige Übung<br />

zusätzlich zum kategorisierenden Förderbereich anspricht. Weiters werden <strong>bei</strong> einigen<br />

Übungen noch Variationen aufgezeigt, mithilfe derer der Schwierigkeitsgrad verändert oder<br />

die Aufrechterhaltung des Lerneffekts erzielt werden kann. Die gezeigten Vorschläge sind<br />

teils aus unterschiedlicher Literatur zusammengetragen, teils aus dem <strong>Bewegung</strong>sprogramm,<br />

welches am Institut für angewandte Pädagogik praktiziert wird. Einige sind auch nur geplante<br />

Übungen und Ideen, die aufgrund des Materialaufwandes bis jetzt am I.F.A.P. noch nicht<br />

umgesetzt werden konnten.<br />

77


Körperschema Orientierung im Raum Konzentrationsfähigkeit<br />

Vestibuläre Wahrnehmung Andere<br />

Wahrnehmungsbereiche<br />

Körpergrenzen nachzeichnen<br />

Muskeltonus u.<br />

Koordination<br />

Förderbereiche: Körperschema, Taktile Wahrnehmung, Konzentration<br />

Benötigtes Material: Großer Bogen Papier, Kreide bzw. Stifte.<br />

Taktile Wahrnehmung<br />

Planvolles Handeln u.<br />

Serialität<br />

Übungsbeschreibung: Die Kinder gehen paarweise zusammen. Bei einer Einzelstunde<br />

stellt der Übungsleiter den Partner dar. Nun stellt sich eines der Kinder mit dem Rücken an<br />

die Wand, an der vorher der große Papierbogen befestigt wurde (man kann das Papier auch<br />

auf den Boden legen und das Kind legt sich darauf, oder wenn man kein Papier verwenden<br />

möchte und es Sommer ist, kann sich das Kind auch einfach auf den Asphalt legen. Das<br />

andere Kind fährt mit einem Stift (<strong>bei</strong> Asphalt Kreide) nun an den Körperkonturen entlang<br />

und zeichnet so ein Abbild des Partners auf die Unterlage. Ist ein Körper abgezeichnet,<br />

wechseln die Partner die Rollen. Die Bilder der Körper können nun bemalt werden, oder die<br />

Kinder sollen die Körperbezeichnungen hineinschreiben, oder die Körperteile hervorheben,<br />

die sie besonders an sich mögen.<br />

Variation: Für den Anfang können auch nur einzelne Körperteile wie Hände oder Füße<br />

abgepaust werden.<br />

78


Körperschema Orientierung im Raum Konzentrationsfähigkeit<br />

Vestibuläre Wahrnehmung Andere<br />

Wahrnehmungsbereiche<br />

Mumie<br />

Muskeltonus u.<br />

Koordination<br />

Taktile Wahrnehmung<br />

Planvolles Handeln u.<br />

Serialität<br />

Förderbereiche: Körperschema, vestibuläre Wahrnehmung, taktile Wahrnehmung<br />

Benötigtes Material: Elastische Binden oder auch Klopapier, das sich nicht all zu leicht<br />

abtrennen lässt.<br />

Übungsbeschreibung: Der Übungsleiter oder ein Partner hilft dem Kind, sich<br />

einzuwickeln. Der Partner hält eine Rolle Klopapier (oder Binde) während sich die Mumie<br />

dreht. Das Kind darf entscheiden, ob es Arme und Kopf (ohne Mund und Nase) auch<br />

einwickeln lassen will. Wenn elastische Binden verwendet werden, kann sich das Kind durch<br />

schnelles oder langsames Drehen befreien. Bei Klopapier kann es die Fesseln sprengen.<br />

Variation: Während die Kinder <strong>als</strong> Mumie verkleidet sind, können verschiedene<br />

<strong>Bewegung</strong>en gemacht werden, so wie Mumien bzw. Zombies sich bewegen. Es kann auch ein<br />

Mumien-Tanz einstudiert werden. (z.B. Thriller)<br />

(Idee aus MEIER und RICHLE 1997, S.65)<br />

79


Körperschema Orientierung im Raum Konzentrationsfähigkeit<br />

Vestibuläre Wahrnehmung Andere<br />

Wahrnehmungsbereiche<br />

Schaufensterpuppen<br />

Muskeltonus u.<br />

Koordination<br />

Taktile Wahrnehmung<br />

Planvolles Handeln u.<br />

Serialität<br />

Förderbereiche: Körperschema, Planvolles Handeln und Serialitätsvermögen, optische<br />

Wahrnehmung<br />

Benötigtes Material: Kleider bzw. irgendwelche anderen Gegenstände (Tücher, Hüte<br />

usw.), die möglichst doppelt vorhanden sind.<br />

Übungsbeschreibung: Der Übungsleiter oder ein Partner lässt sich vom Kind „formen“,<br />

d.h. die Arme zum Beispiel in die Höhe strecken, den Kopf zur Seite drehen usw. Nun ist es<br />

die Aufgabe des Kindes sich genau so hinzustellen – fertig ist die Schaufensterpuppe.<br />

Variation: Die Kinder können auch die Aufgabe erhalten, das nächste Mal wenn sie mit<br />

ihren Eltern durch die Stadt schlendern, vor den Auslagen die Haltung der<br />

Schaufensterpuppen zu imitieren.<br />

(Idee aus MEIER und RICHLE 1997, S.74)<br />

80


Körperschema Orientierung im Raum Konzentrationsfähigkeit<br />

Vestibuläre Wahrnehmung Andere<br />

Wahrnehmungsbereiche<br />

Höhlenklettern*<br />

Förderbereiche: Körperschema, Raumorientierung<br />

Benötigtes Material: Kletterwand, Klebeband<br />

Muskeltonus u.<br />

Koordination<br />

Taktile Wahrnehmung<br />

Planvolles Handeln u.<br />

Serialität<br />

Übungsbeschreibung: In einer Kletterwand werden mit dem Klebeband einige Kreise<br />

geklebt. Innerhalb der Kreise sollten sich genügend Griffe und Tritte befinden, so dass sich<br />

die Kinder gut festhalten können. Die Kreise können unterschiedlich groß sein, um<br />

verschieden Schwierigkeitsgrade zu bieten. Aufgabe der Kinder ist es nun, zu den Kreisen<br />

(Höhlen) hochzuklettern und sich so in der Höhle zu positionieren, dass kein Körperteil mehr<br />

über den Rand des Kreises hinausragt.<br />

*In der Übungssammlung sind einige Übungen aus dem Bereich des Klettersports angeführt. Es stellt sich die<br />

Frage, welches pädagogische bzw. therapeutische Potential der Klettersport mit sich bringt. Klettern ist ein<br />

koordinativ sehr anspruchsvoller Sport, <strong>bei</strong> dem ein Großteil der Muskulatur des menschlichen Körpers<br />

beansprucht wird. Haptische Wahrnehmung (<strong>bei</strong>m Griffe erkennen und Halt finden), vestibuläre Wahrnehmung<br />

(<strong>bei</strong>m Klettern unterschiedlicher Neigungsgrade), sowie Tiefensensibilität (Anspannen und Lösen der<br />

entsprechenden Muskelpartien) und Konzentration sind nur einige weitere Bereiche, die <strong>bei</strong>m Klettern<br />

beansprucht werden. Sportklettern und Bouldern (Kletter in geringer Höhe ohne Seil) hat in den letzten Jahren<br />

einen gewaltigen Aufschwung erlebt und hat sich zur Trendsportart der heutigen Zeit entwickelt. Der<br />

therapeutische Effekt dieser Sportart wurde bisweilen aber noch wenig beachtet.<br />

81


Körperschema Orientierung im Raum Konzentrationsfähigkeit<br />

Vestibuläre Wahrnehmung Andere<br />

Wahrnehmungsbereiche<br />

Griffe ansagen*<br />

Muskeltonus u.<br />

Koordination<br />

Taktile Wahrnehmung<br />

Planvolles Handeln u.<br />

Serialität<br />

Förderbereiche: Raumorientierung, Planvolles Handeln und Serialität, Koordination,<br />

Benötigtes Material: Kletterwand<br />

Übungsbeschreibung: Die Kinder suchen sich einen Partner. Ein Kind hängt in der Wand,<br />

während das andere Kind ihm den nächsten Griff der Route vorgibt. Die Griffe sind so zu<br />

wählen, dass diese für den Partner in der Wand gut erreichbar sind. Die Tritte darf der<br />

Kletternde selbst bestimmen. Von dieser Übung profitieren <strong>bei</strong>de Partner, da sie lernen<br />

welche Reichweite möglich ist. Für den Partner am Boden gilt es, diese richtig einzuschätzen.<br />

Variation: Es können natürlich auch die Tritte vom Partner vorgegeben werden, wo<strong>bei</strong> dann<br />

die Griffe frei zu wählen sind.<br />

Abb. 2<br />

82


Körperschema Orientierung im Raum Konzentrationsfähigkeit<br />

Vestibuläre Wahrnehmung Andere<br />

Wahrnehmungsbereiche<br />

Pedalo fahren<br />

Muskeltonus u.<br />

Koordination<br />

Förderbereiche: Raumorientierung, Muskeltonus u. Koordination, vestibuläre<br />

Wahrnehmung<br />

Benötigtes Material: Pedalo, Augenbinde<br />

Taktile Wahrnehmung<br />

Planvolles Handeln u.<br />

Serialität<br />

Übungsbeschreibung: Wenn das Kind zum ersten Mal mit einem Pedalo fährt, sollte es<br />

sich zuerst mit dem Gerät vertraut machen. Dazu bekommt es die Aufgabe im Raum umher<br />

zu fahren, zu versuchen rückwärts zu fahren, und es soll auch ausprobieren, wie es sich<br />

anfühlt, <strong>bei</strong>m Fahren die Augen zu schließen. Aufgabe ist es nun, von einem frei gewählten<br />

Startpunkt, blind bis zur exakten Mitte des Raumes zu fahren und dort anzuhalten. Man kann<br />

auch mit Klebestreifen einen Kreis auf dem Boden markieren, in welchem die Kinder zum<br />

Stillstand kommen sollen.<br />

Abb. 3<br />

83


Körperschema Orientierung im Raum Konzentrationsfähigkeit<br />

Vestibuläre Wahrnehmung Andere<br />

Wahrnehmungsbereiche<br />

Blinde Kuh<br />

Muskeltonus u.<br />

Koordination<br />

Förderbereiche: Raumorientierung, auditive Wahrnehmung<br />

Benötigtes Material: Augenbinde<br />

Taktile Wahrnehmung<br />

Planvolles Handeln u.<br />

Serialität<br />

Übungsbeschreibung: Im Prinzip läuft das Spiel wie Abfangen. Es gibt einen Fänger, dem<br />

vor Beginn des Spiels die Augen verbunden worden sind. Er versucht nun mittels Einsatz<br />

seiner übrigen Sinne, die anderen Kinder zu fangen. Wird ein Kind berührt und durch<br />

Abtasten erkannt, so wird dieses nun zur neuen „blinden Kuh“.<br />

Variation: Das Spiel heißt eigentlich „Knecht Jakob! Wo bist du?“. Zwei Kindern werden<br />

jeweils die Augen verbunden. Einer ist der Herr mit einem Polster (symbolisiert den<br />

Plumpsack) in der Hand, der andere spielt den Knecht Jakob, der vor seinem Herrn auf der<br />

Flucht ist. Der Herr ruft durchgehend: „Knecht Jakob! Wo bist du?“ worauf der Knecht mit<br />

einem Pfeifen antwortet. Der Herr muss nun versuchen den Knecht zu orten, um ihm mit<br />

einem Polster eins überzuziehen. Der Knecht versucht natürlich seinerseits genügend Abstand<br />

zu halten.<br />

Abb. 4<br />

84


Körperschema Orientierung im Raum Konzentrationsfähigkeit<br />

Vestibuläre Wahrnehmung Andere<br />

Wahrnehmungsbereiche<br />

Schwindelmemory<br />

Muskeltonus u.<br />

Koordination<br />

Förderbereiche: Konzentrationsfähigkeit, vestibuläres System<br />

Taktile Wahrnehmung<br />

Benötigtes Material: 2 Gymnastikstangen, 2 möglichst gleiche Memory-Spiele<br />

Planvolles Handeln u.<br />

Serialität<br />

Übungsbeschreibung: Zwei Kinder, oder zwei Gruppen treten gegeneinander an. Im<br />

Abstand von etwa 10-20 Metern zur Start/Ziellinie werden auf dem Boden die Memory-<br />

Spiele aufgelegt. Die Ausgangsstellung sieht folgendermaßen aus: Die Kinder legen ihre<br />

Hände auf das Ende des aufgestellten Stabes und legen ihre Stirn darauf, so dass sie nun in<br />

Richtung Boden schauen. In dieser Position drehen sie sich nun 10mal um die eigene Achse<br />

und versuchen dann zum Memory-Spiel zu gelangen. Da<strong>bei</strong> ist höchste Vorsicht geboten,<br />

dass keine gefährlichen Hindernisse (Ecken und Kannten) im Raum sind! Beim Memory<br />

angekommen dürfen sie zwei Karten aufdecken. Sind diese gleich, dürfen sie offen bleiben,<br />

ansonsten werden sie vom Trainer wieder umgedreht. Die Kinder laufen nun wieder zurück<br />

zur Gruppe, um mit dem nächsten abzuklatschen, der daraufhin beginnt sich einzudrehen,<br />

bzw. drehen sich selbst wieder ein. Spielen nur zwei Kinder gegeneinander, ist anzuraten, die<br />

Drehungen auf 5mal zu reduzieren und die Kinder anzuweisen, zwischen den Durchgängen<br />

die Richtung des Drehens abzuwechseln, um Übelkeit zu vermeiden.<br />

85


Körperschema Orientierung im Raum Konzentrationsfähigkeit<br />

Vestibuläre Wahrnehmung Andere<br />

Wahrnehmungsbereiche<br />

Dosenstange<br />

Muskeltonus u.<br />

Koordination<br />

Taktile Wahrnehmung<br />

Planvolles Handeln u.<br />

Serialität<br />

Förderbereiche: Konzentrationsfähigkeit, Muskeltonus u. Koordination, Planvolles<br />

Handeln und Serialität<br />

Benötigtes Material: Dosen, Wand<br />

Übungsbeschreibung: Ein Spieler versucht mit Hilfe seines Partners möglichst viele<br />

Dosen mit seinen Händen waagrecht zu einer Art Stange gegen eine Wand zu drücken. Da<strong>bei</strong><br />

dürfen die Dosen nur mit den Händen berührt werden. Anschließend muss die Dosenstange<br />

wieder alleine vom Spieler gehalten werden. Welches Team schafft es, die meisten Dosen<br />

einzuklemmen?<br />

Variation: Der Spieler versucht möglichst viele Dosen waagrecht zwischen den Händen<br />

einzuklemmen.<br />

(MERTENS 2005, S.78)<br />

86


Körperschema Orientierung im Raum Konzentrationsfähigkeit<br />

Vestibuläre Wahrnehmung Andere<br />

Wahrnehmungsbereiche<br />

Fuß-staffel<br />

Muskeltonus u.<br />

Koordination<br />

Taktile Wahrnehmung<br />

Planvolles Handeln u.<br />

Serialität<br />

Förderbereiche: taktile Wahrnehmung, Konzentrationsfähigkeit, Planvolles Handeln und<br />

Serialität<br />

Benötigtes Material: Unterschiedliche Alltagsgegenstände wie Zahnbürsten, Korken,<br />

Kugelschreiber, Waschlappen, Putzschwamm, alte Schlüssel usw.<br />

(Am besten alles in doppelter Ausführung.)<br />

Übungsbeschreibung: In einer Entfernung von fünf Metern von der Start-Ziellinie werden<br />

die Alltagsgegenstände auf einen Haufen gelegt. Es können nun entweder zwei Kinder<br />

gegeneinander antreten (dafür benötigt man jeden Gegenstand in doppelter Ausführung), oder<br />

der Trainer stoppt die Zeit eines Kindes, um es mit späteren Zeiten zu vergleichen. Auf<br />

Kommando rennen die Kinder los und holen sich von ihrem jeweiligen Haufen den ersten<br />

Gegenstand. Die Gegenstände dürfen jedoch nur mit den Füßen berührt werden ohne <strong>bei</strong>m<br />

Transport den Boden zu berühren. Kicken der Gegenstände ist nicht erlaubt. Die Gegenstände<br />

müssen nun einzeln über die Ziellinie transportiert und in einen bereitgestellten Behälter<br />

gelegt werden. Ist der erste Gegenstand abgelegt, läuft das Kind wieder los und holt den<br />

nächsten. Die Reihenfolge der Gegenstände darf das Kind selbst bestimmen.<br />

Variation: Als Variation gibt es auch die Möglichkeit den Haufen mit den Gegenständen mit<br />

einer Decke abzudecken, so dass das Kind die Gegenstände <strong>bei</strong>m Greifen mit den Füßen nicht<br />

sehen kann. Der Trainer gibt nun vor, in welcher Reihenfolge die Gegenstände transportiert<br />

werden sollen. Bei dieser Variante müssen die Kinder erfühlen, welcher der richtige<br />

Gegenstand ist.<br />

87


Körperschema Orientierung im Raum Konzentrationsfähigkeit<br />

Vestibuläre Wahrnehmung Andere<br />

Wahrnehmungsbereiche<br />

Jonglieren<br />

Muskeltonus u.<br />

Koordination<br />

Förderbereiche: taktile Wahrnehmung, Koordination, optische Wahrnehmung<br />

Benötigtes Material: Jonglierbälle<br />

Taktile Wahrnehmung<br />

Planvolles Handeln u.<br />

Serialität<br />

Übungsbeschreibung: Am Anfang werden leichte Fang- und Werfübungen mit einem Ball<br />

stehen. Doch zur Motivation kann man <strong>als</strong> Ziel der Übung das Erlernen des Jonglierens<br />

angeben. Das motiviert die Kinder, da sie dann etwas haben, das sie ihren Klassenkollegen<br />

zeigen können. Die einfachen Übungen am Anfang sehen folgendermaßen aus:<br />

• Ball mit einer Hand (Handrücken zeigt nach unten) hochwerfen und wieder fangen<br />

(mit Handwechsel)<br />

• Dasselbe ohne hinzusehen<br />

• Ball von einer Hand in die andere werfen<br />

• Ein Ball in jeder Hand. Hochwerfen und wieder fangen.<br />

• Dasselbe mit geschlossenen Augen.<br />

• Zu zweit zusammen gehen. Dem Partner einen Ball zuwerfen und die Hand benennen,<br />

mit der er den Ball fängt.<br />

• Ball mit einer Hand (Handrücken nach oben!) hochwerfen und wieder fangen<br />

• Dasselbe mit <strong>bei</strong>den Händen zugleich (zwei Bälle)<br />

• Einfaches Zirkulieren lassen von zwei Bällen (möglichst in <strong>bei</strong>de Richtungen)<br />

• Jonglieren mit drei Bällen<br />

88


Körperschema Orientierung im Raum Konzentrationsfähigkeit<br />

Vestibuläre Wahrnehmung Andere<br />

Wahrnehmungsbereiche<br />

Goldstaub abklopfen<br />

Förderbereiche: taktile Wahrnehmung, Körperschema<br />

Benötigtes Material: kein Material<br />

Muskeltonus u.<br />

Koordination<br />

Taktile Wahrnehmung<br />

Planvolles Handeln u.<br />

Serialität<br />

Übungsbeschreibung: Hier<strong>bei</strong> handelt es sich um eine Imaginationsreise. Das Kind<br />

schließt die Augen und stellt sich vor, dass es von einer riesigen Goldstaubwolke eingehüllt<br />

wird. Als die Wolke sich verzieht, ist das Kind von oben bis unten voll mit Goldstaub,<br />

welchen es abschütteln und abklopfen kann. Die gesamte Körperoberfläche, von den<br />

Fingerspitzen bis zu den Zehen, soll kräftig geklopft und abgestrichen werden. Solange bis<br />

das Kind das Gefühl hat, vollständig vom Goldstaub befreit zu sein.<br />

( Idee aus ZIMMERMANN 2001, S.75)<br />

Abb. 5<br />

89


Körperschema Orientierung im Raum Konzentrationsfähigkeit<br />

Vestibuläre Wahrnehmung Andere<br />

Wahrnehmungsbereiche<br />

Sich einen Hang hinabkugeln lassen<br />

Muskeltonus u.<br />

Koordination<br />

Förderbereiche: vestibuläre Wahrnehmung, Raumorientierung,<br />

Taktile Wahrnehmung<br />

Planvolles Handeln u.<br />

Serialität<br />

Benötigtes Material: Schmutzresistente Kleidung, ev. Plastiktonnen. Suchen Sie in der<br />

Umgebung einen Hügel mit unterschiedlicher Steigung und etwas Platz für den Auslauf<br />

Übungsbeschreibung: Die Kinder sollen sich selber aussuchen, von welcher Höhe<br />

gestartet wird. Dann legen sie sich mit etwas Sicherheitsabstand nebeneinander auf den Boden<br />

und auf Kommando rollen sie sich den Hang hinunter. Welches Kind <strong>als</strong> erstes wieder oben<br />

ist, hat gewonnen. Wer sich traut kann auch in einer Tonne den Hang hinunter rollen<br />

(Vorsicht!) oder sich von einem Freund durch die Gegend rollen lassen.<br />

Abb. 6<br />

90


Körperschema Orientierung im Raum Konzentrationsfähigkeit<br />

Vestibuläre Wahrnehmung Andere<br />

Wahrnehmungsbereiche<br />

Stehen auf einer Papprolle<br />

Muskeltonus u.<br />

Koordination<br />

Förderbereiche: vestibuläre Wahrnehmung, Muskeltonus u. Koordination<br />

Taktile Wahrnehmung<br />

Planvolles Handeln u.<br />

Serialität<br />

Benötigtes Material: eine stabile Papprolle, Durchmesser ca. 10-15 cm, Gymnastikstäbe<br />

Übungsbeschreibung: Das Kind versucht auf der Papprolle zu stehen. Die <strong>bei</strong>den Stäbe<br />

dienen wie Skistecken zum Abstützen. Am Anfang sollten die Stäbe vom Trainer bzw.<br />

Pädagogen fixiert werden, damit es nicht zu Unfällen kommt. Wenn das Stehen auf der<br />

Papprolle schon gut funktioniert, kann das Kind nun versuchen, sich auf der Papprolle stehend<br />

fortzubewegen.<br />

Variation: Als Vorstufe zu dieser Übung kann man auch auf einem Rollbrett stehend die<br />

Fortbewegung mit den Gymnastikstäben probieren. Da<strong>bei</strong> steht das Kind wie in der<br />

vorherigen Übung beschrieben auf dem Rollbrett. Die Stäbe werden in gleicher Höhe neben<br />

dem Rollbrett auf den Boden gesetzt und das Kind drückt sich mit den Stäben weg. Die<br />

Kinder sollen nun frei im Raum herumfahren. Es kann auch eine Rennstrecke aufgebaut<br />

werden.<br />

(Idee aus KESPER und HOTTINGER1997, S.181 / S.169)<br />

91


Körperschema Orientierung im Raum Konzentrationsfähigkeit<br />

Vestibuläre Wahrnehmung Andere<br />

Wahrnehmungsbereiche<br />

Modellwalk<br />

Muskeltonus u.<br />

Koordination<br />

Förderbereiche: vestibuläre Wahrnehmung, taktile Wahrnehmung, Koordination<br />

Taktile Wahrnehmung<br />

Planvolles Handeln u.<br />

Serialität<br />

Benötigtes Material: Ein Buch (für den Anfang genügt ein Lappen oder etwas Anderes,<br />

das nicht so schnell vom Kopf rutscht).<br />

Übungsbeschreibung: (Diese Übung ist eher für Mädchen geeignet, da Burschen diese<br />

Thema nicht so anspricht.) Das Kind legt sich das Buch auf den Kopf und muss sich jetzt so<br />

durch den Raum bewegen, dass das Buch auf dem Kopf liegen bleibt. Es können immer neue<br />

<strong>Bewegung</strong>en entworfen werden, <strong>bei</strong> denen das Buch aber nicht gehalten, bzw. runter fallen<br />

darf. Einige Beispiele:<br />

• Über einen Sessel steigen<br />

• Sich auf einen Stuhl setzen und wieder aufstehen<br />

• Stiegen steigen<br />

• Einen Hindernissparcours überwinden<br />

• Einen Ball hin und her werfen<br />

• Usw.<br />

92


Körperschema Orientierung im Raum Konzentrationsfähigkeit<br />

Vestibuläre Wahrnehmung Andere<br />

Wahrnehmungsbereiche<br />

Über Steine laufen<br />

Muskeltonus u.<br />

Koordination<br />

Förderbereiche: taktile Wahrnehmung, Koordination (Grobmotorik), vestibuläre<br />

Wahrnehmung, Raumorientierung<br />

Benötigtes Material: Bach mit Steinen (im Sommer), ansonsten einen Parcours<br />

nachbauen.<br />

Taktile Wahrnehmung<br />

Planvolles Handeln u.<br />

Serialität<br />

Übungsbeschreibung: Die Steine sollten ungefähr in Schrittlänge leicht versetzt liegen.<br />

Das Kind läuft von einer Seite des Baches über die Steine zum anderen Ende, ohne nass zu<br />

werden. (Man muss dies nicht wirklich an einem Bach machen, die Vorstellung genügt.)<br />

Variation: Um das Ganze zu steigern, soll das Kind versuchen, rückwärts wieder<br />

zurückzulaufen, bzw. mit verbundenen Augen den Bach zu überqueren.<br />

Abb. 7<br />

93


Körperschema Orientierung im Raum Konzentrationsfähigkeit<br />

Vestibuläre Wahrnehmung Andere<br />

Wahrnehmungsbereiche<br />

Griffe suchen*<br />

Förderbereiche: optische Wahrnehmung, Koordination<br />

Benötigtes Material: Kletterwand mit bunten Griffen<br />

Muskeltonus u.<br />

Koordination<br />

Taktile Wahrnehmung<br />

Planvolles Handeln u.<br />

Serialität<br />

Übungsbeschreibung: „Griffe suchen“ ist eine weitere Kletterübung, <strong>bei</strong> der mehrere<br />

Kinder - mit etwas Abstand - vor einer Kletterwand stehen. Der Spielleiter gibt jetzt<br />

<strong>bei</strong>spielsweise das Kommando: „Sucht euch mit der rechten Hand einen roten Griff“, worauf<br />

hin alle Kinder möglichst schnell bis zu einem roten Griff klettern müssen. Haben alle einen<br />

Griff gefunden, dürfen sie wieder auf die Ausgangsposition zurück. Der erste erhält einen<br />

Punkt. Wer <strong>als</strong> erstes zehn Punkte hat, ist Sieger.<br />

Variation: Ideal ist es auch, wenn die Griffe in der Kletterwand die Farben des<br />

Kinderspieles „Twister“ haben. Die Drehscheibe lässt sich dann super für dieses Spiel<br />

verwenden. Der jeweils Letzte des vorigen Durchgangs darf sie bedienen und erhält so einen<br />

kleinen Vorteil gegenüber den anderen Mitspielern.<br />

94


Körperschema Orientierung im Raum Konzentrationsfähigkeit<br />

Vestibuläre Wahrnehmung Andere<br />

Wahrnehmungsbereiche<br />

Klettern wie die Tiere*<br />

Muskeltonus u.<br />

Koordination<br />

Taktile Wahrnehmung<br />

Planvolles Handeln u.<br />

Serialität<br />

Förderbereiche: Muskeltonus u. Koordination, Körperschema, akustische Wahrnehmung<br />

Benötigtes Material: Kletterwand<br />

Übungsbeschreibung: Das Kind darf sich frei auf der Kletterwand bewegen und der<br />

Übungsleiter sagt dem Kind, welches Tier es darstellen soll.<br />

Beispiele:<br />

• Jetzt kletterst du langsam wie eine Schnecke.<br />

• Elegant wie ein Puma.<br />

• Du windest dich wie eine Schlange.<br />

• Wie ein Affe<br />

• Trampelnd wie ein Elefant<br />

• Leicht und flink wie eine Eidechse<br />

Variation: Man kann auch die verschiedenen Tiergeräusche über ein Radio einspielen. Dann<br />

müssen die Kinder auch erkennen, um was für ein Tier es sich handelt.<br />

95


Körperschema Orientierung im Raum Konzentrationsfähigkeit<br />

Vestibuläre Wahrnehmung Andere<br />

Wahrnehmungsbereiche<br />

Rollbrettball<br />

Muskeltonus u.<br />

Koordination<br />

Taktile Wahrnehmung<br />

Planvolles Handeln u.<br />

Serialität<br />

Förderbereiche: Muskeltonus u. Koordination, Planvolles Handeln, Raumorientierung,<br />

vestibuläre Wahrnehmung<br />

Benötigtes Material: mehrere Rollbretter, Ball<br />

Übungsbeschreibung: Zwei Mannschaften spielen gegeneinander auf zwei Tore (diese<br />

können auch in Form von Dosenpyramiden sein, welche umgeschossen werden müssen). Die<br />

Kinder liegen da<strong>bei</strong> bäuchlings auf den Rollbrettern und passen sich mit den Händen den Ball<br />

zu. Es darf nur angetaucht werden, wenn man ohne Ball ist. Erhält man den Ball, darf man nur<br />

noch ausrollen bzw. bremsen, um Kollisionen zu vermeiden. Sieger ist die Mannschaft, die in<br />

einer bestimmten Zeit die meisten Tore erzielt.<br />

Abb. 8<br />

96


Körperschema Orientierung im Raum Konzentrationsfähigkeit<br />

Vestibuläre Wahrnehmung Andere<br />

Wahrnehmungsbereiche<br />

Luftballon „gaberln“<br />

Muskeltonus u.<br />

Koordination<br />

Taktile Wahrnehmung<br />

Planvolles Handeln u.<br />

Serialität<br />

Förderbereiche: Koordination, vestibuläre Wahrnehmung, Konzentrationsfähigkeit,<br />

Planvolles Handeln und Serialität<br />

Benötigtes Material: Luftballons<br />

Übungsbeschreibung: Das Kind versucht einen Luftballon so lange wie möglich in der<br />

Luft zu halten. Anfangs mit <strong>bei</strong>den Händen, später kann man unterschiedliche Variationen<br />

praktizieren:<br />

• Sich auf den Boden setzten und wieder aufstehen, ohne dass der Ballon<br />

zu Boden fällt.<br />

• Nur mit einer Hand den Ballon berühren.<br />

• Nur mit dem Kopf…<br />

• Nur mit den Füßen…<br />

• Abwechselnd Fuß – Hand<br />

• Usw.<br />

Variation: Wie <strong>bei</strong> „Ich packe meinen Koffer“ wird eine Serie an unterschiedlichsten<br />

Ballonkontakten gestartet. Jedes Kind darf sich einen neuen Kontakt ausdenken und<br />

hinzufügen.<br />

97


Körperschema Orientierung im Raum Konzentrationsfähigkeit<br />

Vestibuläre Wahrnehmung Andere<br />

Wahrnehmungsbereiche<br />

Griffe zweimal greifen*<br />

Muskeltonus u.<br />

Koordination<br />

Förderbereiche: Muskeltonus und Koordination, Raumorientierung, vestibuläre<br />

Wahrnehmung<br />

Benötigtes Material: Kletterwand<br />

Taktile Wahrnehmung<br />

Planvolles Handeln u.<br />

Serialität<br />

Übungsbeschreibung: Das Kind darf sich die Route seiner Griffe und Tritte frei wählen.<br />

Es muss aber jeden neuen Griff/Tritt zuerst einmal antippen, dann mit der/dem Hand/Fuß<br />

wieder auf den alten zurück, bevor er sich am neuen Griff/Tritt festhält.<br />

Abb. 9<br />

98


Körperschema Orientierung im Raum Konzentrationsfähigkeit<br />

Vestibuläre Wahrnehmung Andere<br />

Wahrnehmungsbereiche<br />

Himmel und Hölle<br />

Muskeltonus u.<br />

Koordination<br />

Taktile Wahrnehmung<br />

Planvolles Handeln u.<br />

Serialität<br />

Förderbereiche: Planvolles Handeln und Serialität, Koordination (Grobmotorik),<br />

Raumorientierung<br />

Benötigtes Material: Einen paar Steine, Kreide und Untergrund, der bemalt werden kann.<br />

Übungsbeschreibung: Mit Straßenkreide wird das Spielfeld auf einen Platz gemalt<br />

(aneinandergereihte und durchnummerierte Rechtecke), die Kinder hüpfen von einer Nummer<br />

zur nächsten. Es gibt verschiedene Versionen, wie dieses Spiel gespielt werden kann. Bei<br />

dieser wirft das Kind zuerst den Stein, muss dann von einer Seite zur anderen und wieder<br />

zurückhupfen und da<strong>bei</strong> immer jenes Feld auslassen, in dem der Stein liegt.<br />

Variation: Variationen dieses Spiels gibt es viele. Eine Möglichkeit ist, dass mehrere Steine<br />

geworfen werden, eine andere wäre, mehrere Felder auch zweireihig zu machen und farblich<br />

vorzugeben, welcher Fuß in welches Feld muss. Zusätzlich soll das Kind noch benennen, mit<br />

welchem Fuß es gerade den Boden berührt.<br />

(Idee aus MEIER und RICHLE 1997, S.87)<br />

99


Körperschema Orientierung im Raum Konzentrationsfähigkeit<br />

Vestibuläre Wahrnehmung Andere<br />

Wahrnehmungsbereiche<br />

Routen verlängern*<br />

Muskeltonus u.<br />

Koordination<br />

Taktile Wahrnehmung<br />

Planvolles Handeln u.<br />

Serialität<br />

Förderbereiche: Planvolles Handeln und Serialität, Koordination, Raumorientierung<br />

Benötigtes Material: Kletterwand<br />

Übungsbeschreibung: Da<strong>bei</strong> handelt es sich um ein Spiel zur Steigerung der<br />

Merkfähigkeit. Die Kinder suchen sich wieder einen Partner. Im Sinne von „Ich packe meine<br />

Koffer“ wird der Route immer ein weiterer Griff hinzugefügt.<br />

Abb. 10<br />

100


Körperschema Orientierung im Raum Konzentrationsfähigkeit<br />

Vestibuläre Wahrnehmung Andere<br />

Wahrnehmungsbereiche<br />

Korkenwandern<br />

Muskeltonus u.<br />

Koordination<br />

Taktile Wahrnehmung<br />

Planvolles Handeln u.<br />

Serialität<br />

Förderbereiche: Planvolles Handeln und Serialität, taktile Wahrnehmung, vestibuläre<br />

Wahrnehmung<br />

Benötigtes Material: Korken<br />

Übungsbeschreibung: Eine Person steht auf einer hinreichenden Anzahl von Korken, so<br />

dass die Füße den Boden nicht berühren. Die Aufgabe besteht darin, sich nur auf den Korken<br />

stehend durch den Raum zu bewegen. Dazu werden immer einige Korken für den nächsten<br />

Schritt nach vorne gelegt oder mit dem Fuß geschoben und anschließend wird der Fuß<br />

daraufgestellt.<br />

(MERTENS 2005, S.131)<br />

Abb. 11<br />

101


Körperschema Orientierung im Raum Konzentrationsfähigkeit<br />

Vestibuläre Wahrnehmung Andere<br />

Wahrnehmungsbereiche<br />

Luftbett<br />

Muskeltonus u.<br />

Koordination<br />

Taktile Wahrnehmung<br />

Planvolles Handeln u.<br />

Serialität<br />

Förderbereiche: taktile Wahrnehmung, vestibuläre Wahrnehmung, Muskeltonus u.<br />

Koordination, Planvolles Handeln und Serialität<br />

Benötigtes Material: Luftballons<br />

Übungsbeschreibung: Es werden mehrere Luftballons aufgeblasen. Nun versucht eine<br />

Gruppe die Luftballone unter einem Kind so zu verteilen, dass es darauf liegen kann.<br />

Variation: Zur Erleichterung ist es auch möglich, die Luftballons wie auf der Abbildung<br />

gezeigt in ein großes Laken zu stecken. Dann fliegen sie nicht so leicht davon.<br />

Abb. 12<br />

102


Körperschema Orientierung im Raum Konzentrationsfähigkeit<br />

Vestibuläre Wahrnehmung Andere<br />

Wahrnehmungsbereiche<br />

Magneten<br />

Muskeltonus u.<br />

Koordination<br />

Taktile Wahrnehmung<br />

Planvolles Handeln u.<br />

Serialität<br />

Förderbereiche: Planvolles Handeln und Serialität, Muskeltonus u. Koordination,<br />

vestibuläre Wahrnehmung<br />

Benötigtes Material: Zeitungspapier, Wand<br />

Übungsbeschreibung: Eine Person drückt mit einem Knie und <strong>bei</strong>den Händen jeweils ein<br />

Zeitungsblatt an die Wand. Die drei Blätter sollen, ohne dass sie herunterfallen, eine<br />

vorgegebene Strecke an der Wand entlang bewegt werden.<br />

Variation: Zwei mit Seilen verbundene Personen müssen gleichzeitig mehrere<br />

Zeitungsblätter halten bzw. Bewegen.<br />

(MERTENS 2005, S.288)<br />

103


8 Diskussion<br />

Das Potential von <strong>Bewegung</strong> <strong>bei</strong> der Förderung von Kindern mit <strong>Legasthenie</strong> und<br />

Dyskalkulie ist unumstritten. Interessant wären empirische Untersuchungen zu diesem<br />

Thema, die sich genauer mit folgenden Aspekten beschäftigen:<br />

- Wie groß ist die Wirkung der Förderung mittels <strong>Bewegung</strong> in Relation zur<br />

herkömmlichen Förderung?<br />

- Wie groß sollte der Anteil an <strong>Bewegung</strong> während eines Förderprogrammes<br />

verhältnismäßig sein?<br />

- Ist eine Förderung die ausschließlich auf <strong>Bewegung</strong> und Sport beruht, <strong>als</strong>o ohne<br />

konventionelles Üben, sinnvoll und effektiv?<br />

Ungeklärt ist auch noch die Frage, bis zu welchem Alter Kinder von dieser Art der Förderung<br />

profitieren. Ob es ein Alter gibt, ab dem mit körperlicher Betätigung nicht mehr interveniert<br />

werden kann und ob eventuell auch für erwachsenen Legastheniker ein entsprechendes<br />

wirksames <strong>Bewegung</strong>sprogramm entworfen werden kann? Die Auswahl und der Aufbau der<br />

Übungen sollte natürlich für das Erwachsenentraining überar<strong>bei</strong>tet werden, da die in dieser<br />

Ar<strong>bei</strong>t angeführten Übungen speziell auf die Motivation und das <strong>Bewegung</strong>sverhalten von<br />

Kindern ausgerichtet sind.<br />

Eine zusätzliche Herausforderung stellt die Tatsache dar, dass <strong>Legasthenie</strong> und Dyskalkulie<br />

multikausal bedingte Phänomene sind. Eine Methode die <strong>bei</strong> einem Legastheniker zu<br />

Besserung führt, kann <strong>bei</strong> einem anderen Kind mit demselben Problem vollkommen ohne<br />

Wirkung bleiben. Keine <strong>Legasthenie</strong> ist wie die Andere! Eine genaue Testung bzw. Erhebung<br />

der Defizitären Bereiche, sowie ein individuelles Eingehen auf die Bedürfnisse des Einzelnen<br />

ist demnach das Um und Auf einer erfolgreichen Förderung <strong>bei</strong> <strong>Legasthenie</strong> und Dyskalkulie.<br />

Der Vorteil einer Förderung mittels <strong>Bewegung</strong> liegt im spielerischen Aufbau der Übungen.<br />

Dem Kind wird die Möglichkeit geboten seinem natürlichen <strong>Bewegung</strong>sdrang freien Lauf zu<br />

lassen, wogegen das Sitzen am Schreibtisch, <strong>bei</strong> den meisten Kindern Unlust und Unbehagen<br />

hervorruft. Ein <strong>Bewegung</strong>straining fördert zusätzlich auch andere psycho-soziale Ressourcen,<br />

die einen heranwachsenden Menschen im Verlauf seines zukünftigen Lebens von Nutzen sein<br />

werden. Dazu zählen <strong>bei</strong>spielsweise die Förderung der Persönlichkeitsentwicklung, die<br />

Stärkung des Selbstbewusstseins und auch die Verbesserung der Interaktion in der Gruppe.<br />

104


Ganz neben<strong>bei</strong> dient das körperliche Training der Verbesserung des Immun- und<br />

Herzkreislaufsystems und die Stärkung des <strong>Bewegung</strong>sapparates und der Beweglichkeit führt<br />

zu einem körpereigenen, besseren Schutz vor Verletzungen. In dieser Hinsicht sollte<br />

<strong>Bewegung</strong> <strong>als</strong> <strong>begleitende</strong> <strong>Intervention</strong> <strong>bei</strong> <strong>kindlicher</strong> <strong>Legasthenie</strong> und Dyskalkulie stets in<br />

Betracht gezogen werden.<br />

Schwierigkeiten <strong>bei</strong> der Ar<strong>bei</strong>t haben vor allem die unterschiedlichen Ausführungen und<br />

Meinungen der diversen Autoren bereitet. Gerade was Begriffe wie „Selbstbild“,<br />

„Selbstkonzept“ und „Körperschema“ betrifft, gibt es gewaltige Unterschiede in Verständnis<br />

und Definition dieser Bezeichnungen, welche von Autor zu Autor variieren. Auch <strong>bei</strong> den<br />

Definitionen von POS und MCD gibt es verschiedene Ansichten, die es erschweren, die<br />

wahren Ursachen und die Unterschiede der <strong>bei</strong>den Krankheitsbilder herauszufiltern.<br />

Die Tendenzen der heutigen Gesellschaft gehen mehr und mehr in Richtung Übergewicht und<br />

Adipositas. Übermäßiger Konsum von Fernsehen, Computerspielen, Internet und schlechte<br />

Ernährung nehmen immer mehr zu. Die Kinder vernachlässigen ihren natürlichen Drang zu<br />

<strong>Bewegung</strong> dermaßen, dass Spätfolgen im Jugend und Erwachsenenalter unumgänglich<br />

scheinen. Es liegt in der Verantwortung der Experten, Ärzte und Eltern für das Wohl unseres<br />

Nachwuchses zu sorgen. Denn Kinder sind die Zukunft!<br />

105


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http://www.alf-ev.de/seiten/teilleist.html Stand: 10.11.09<br />

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Abbildungsverzeichnis:<br />

Abb. 1: Bielefeld, J. (1986). Körpererfahrung - Grundlagen menschlichen<br />

<strong>Bewegung</strong>sverhaltens. Göttingen: Hogrefe<br />

Abb. 2: http://www.kletterwaende.info/img/Kinderkletterwand.jpg Stand: 26.02.10<br />

Abb. 3: http://www.easi-mobil.de/Bildarchiv/Radierungen/small/Luftpedalo_klein.jpg<br />

Stand: 26.02.10<br />

Abb. 4: http://www.geschichteinchronologie.ch/soz/pflichtelternkurs/CH-kinderspieled/blinde-kuh.gif<br />

Stand: 26.02.10<br />

Abb. 5: http://www.kist-maschinen.de/CMSFiles/home_goldmarie.jpg Stand: 25.02.10<br />

Abb. 6: http://www.labbe.de/zzzebra/schnee_&_eis/paar_rolle.gif Stand: 25.02.10<br />

Abb. 7: http://www.sport-tec.de/$WS/sport-tec/websale7_shop-sport Stand: 25.02.10<br />

Abb. 8: http://www.sport-tec.de/$WS/sport-tec/websale7_shop-sport-tec/produkte/<br />

medien/bilder/normal/02405.jpg Stand: 25.02.10<br />

Abb. 9: http://www.tura-bremen.de/files/angebote/kinder/Klettern_02.jpg Stand: 25.02.10<br />

Abb. 10: http://www.alpenverein.at/trofaiach/Home/TopNews/Titel_Boulderwand.jpg<br />

Stand: 26.02.10<br />

Abb. 11: http://www.bonn.de/imperia/md/images/umwelt-gesund-planen-bauenwohn/umwelt/abfallplaner/korken_204x136.jpg<br />

Stand: 25.02.10<br />

Abb. 12: http://www.nabu-nvp.de/kleiberschule/img/brutverhalten.jpg Stand: 26.02.10<br />

109

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