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Andreas B. Kilcher: Die Namen der Kabbala (PDF) - Zeitschrift für ...

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9 An-Ski: Der Dibbuk.<br />

Dramatische Legende in vier<br />

Bil<strong>der</strong>n, hg. v. Horst Bienek,<br />

Frankfurt/M. 1989, S. 48.<br />

<strong>Andreas</strong> B. <strong>Kilcher</strong>: <strong>Die</strong> <strong>Namen</strong> <strong>der</strong> <strong>Kabbala</strong><br />

Nicht Repräsentation, vielmehr Konstitution des Seins ist seine<br />

Funktion. <strong>Die</strong>ser Name, <strong>der</strong> zuerst Moses im brennenden Dornbusch<br />

in <strong>der</strong> elementaren Wendung ejeh ascher ejeh, «ich werde sein,<br />

<strong>der</strong> ich sein werde» (Exodus 3,14), verheißen wurde, ist von Grund<br />

aus eminent seinshaltig, schaffend und wirkend, ja mächtig. An<br />

diesem denkbar bedeutungsschweren sprachlichen Ort, in dieser<br />

aufs Äußerste verdichteten Urform aller Sprache und allen Seins<br />

ist – gemäß den Kabbalisten – Gott in all seiner schöpferischen<br />

Kraft gegenwärtig. Sein Name ist <strong>der</strong> Name, und <strong>der</strong> Name ist er<br />

selbst: ha-schem. Der Name jedoch, <strong>der</strong> jenseits dieser Metonymie<br />

liegt und aus dem elementaren «Ich-werde-sein-<strong>der</strong>-ich-sein-werde»<br />

hervorgegangen ist, ist zwar schreibbar, aber nicht aussprechbar:<br />

<strong>der</strong> vierbuchstabige Gottesname, <strong>der</strong> auch als schem ha-mephorasch<br />

bezeichnet wird, als «verborgen geoffenbarter Name», o<strong>der</strong><br />

als schem dalet otioth, als «vierbuchstabiger Name» – denn nichts<br />

an<strong>der</strong>es bedeutet das griechische Wort Tetragrammaton. Selbst unaussprechbar,<br />

muss dieser Name durch an<strong>der</strong>e substituiert und<br />

aussprechbar gemacht werden, etwa durch adonai («Herr») o<strong>der</strong><br />

kadosch baruch-hu («Heiliger, gelobt sei er») (Abb. 3).<br />

Wenn von den <strong>Namen</strong> <strong>der</strong> <strong>Kabbala</strong> die Rede ist, so geht es also<br />

auch um eine Vielfalt, ja ganze Systeme von Gottesnamen. Dabei<br />

lassen sich hauptsächlich zwei <strong>Namen</strong>stheorien unterscheiden:<br />

die <strong>der</strong> theosophischen und die <strong>der</strong> ekstatischen <strong>Kabbala</strong>. <strong>Die</strong><br />

theo sophische <strong>Kabbala</strong>, wie sie von den ersten Kabbalisten mit<br />

<strong>der</strong> Lehre <strong>der</strong> sefi roth um 1200 entwickelt wurde und dem Buch<br />

Sohar, dem «Buch des Glanzes», einem <strong>der</strong> bekanntesten Texte <strong>der</strong><br />

<strong>Kabbala</strong>, zugrunde gelegt ist, baut auf einer Topologie von zehn<br />

<strong>Namen</strong> auf, die in <strong>der</strong> «oberen Welt» eine innergöttliche Ordnung<br />

bilden und von da ausgehend alles Geschaffene in den «unteren<br />

Welten» durchdringen und formen. <strong>Die</strong> ekstatische <strong>Kabbala</strong> dagegen,<br />

die ihr Begrün<strong>der</strong> Abraham Abulafi a (1240 – ca. 1291) als kabbala<br />

schemot, als «<strong>Kabbala</strong> <strong>der</strong> <strong>Namen</strong>», bezeichnete, stellt die Gottesnamen<br />

noch weiter ins Zentrum ihrer Lehre. Dabei jedoch<br />

werden die <strong>Namen</strong> – auch auf die Gefahr <strong>der</strong> Häresie hin – nicht<br />

nur ausgesprochen bzw. rezitiert, son<strong>der</strong>n in kombinatorischen<br />

Schreibpraktiken zerlegt und umgebildet. <strong>Die</strong>se ekstatische Meditation<br />

von <strong>Namen</strong>, die an die surrealistische écriture automatique<br />

erinnert, ist dazu angetan, das Göttliche über seinen <strong>Namen</strong> zu<br />

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