02.09.2013 Aufrufe

«Ich bin Landwirt aus Überzeugung» - Sciencetext

«Ich bin Landwirt aus Überzeugung» - Sciencetext

«Ich bin Landwirt aus Überzeugung» - Sciencetext

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Nr. 20/2009 | diegrüne<br />

<strong>«Ich</strong> <strong>bin</strong> <strong>Landwirt</strong><br />

<strong>aus</strong> <strong>Überzeugung»</strong><br />

Die <strong>Landwirt</strong>e der jungen Generation haben ihren Beruf bewusst gewählt<br />

und glauben daran, dass ihr Hof ihnen eine Lebensgrundlage geben kann.<br />

Die Grüne hat vier solche Junglandwirte besucht und sich zeigen lassen, wie<br />

sie mit ihrem Hof in den momentan unsicheren Märkten bestehen wollen.<br />

Der Strukturwandel ist<br />

in vollem Gange: In<br />

den letzten zehn Jahren<br />

hat ungefähr einer von<br />

fünf Betrieben mit Bauern aufgehört.<br />

Junge <strong>Landwirt</strong>e sind<br />

gefordert: Haben sie erst einmal<br />

einen Hof übernommen,<br />

müssen sie sicherstellen, dass<br />

er ihnen einerseits langfristig<br />

ein gutes Auskommen ermöglicht,<br />

andererseits aber in den<br />

unsicheren Märkten anpassungsfähig<br />

bleibt. Verschiedene<br />

Strategien sind denkbar.<br />

Die vier von der «grünen»<br />

besuchten <strong>Landwirt</strong>e ver<strong>bin</strong>det<br />

eines: Sie sind zwischen<br />

23 und 32 Jahre alt und haben<br />

sich dafür entschieden, den<br />

elterlichen Hof weiter zu bewirtschaften.<br />

<strong>«Ich</strong> wollte immer<br />

schon <strong>Landwirt</strong> werden»,<br />

bestätigt Dominik Thürig <strong>aus</strong><br />

Eich LU auf 660 m ü. M. oberhalb<br />

des Sempachersees. Er<br />

hat den elterlichen Hof bereits<br />

vor acht Jahren übernommen.<br />

Der Hofübernahme folgt<br />

meist eine Neu<strong>aus</strong>richtung<br />

Direkt nach der Übernahme<br />

bewirtschaftete er den Hof<br />

noch wie sein Vater: Dieser<br />

umfasste Milchkühe für ein<br />

Kontingent von 75 000 Liter,<br />

ungefähr 90 Plätze für Mastschweine,<br />

15 Mutterschweine<br />

und 6,5 ha Land genutzt für<br />

Futterbau. Nach der Hofübernahme<br />

ersetzte Dominik<br />

Thürig zuerst einen Teil der<br />

Hochstammbäume durch eine<br />

Bilder: Claudia Frick<br />

gedeckte Obstanlage. Zudem<br />

konnte er 7,5 ha Ackerland zupachten.<br />

Eine Neu<strong>aus</strong>richtung<br />

des Hofs wurde dann durch<br />

die Schliessung der nahe gelegenen<br />

Käserei nötig. «Wir standen<br />

vor der Entscheidung, in<br />

einen Milchtank zu investieren<br />

oder die Kühe zu verkaufen»,<br />

blickt er zurück. Dominik<br />

Thürig entschied sich, die<br />

Kühe zu verkaufen und auf<br />

Mutterschweine umzustellen.<br />

«Mit 75 Mutterschweinen haben<br />

wir eine einigermassen<br />

konkurrenzfähige Grösse, was<br />

bei den Kühen nicht mehr der<br />

Fall war.»<br />

Nachdem die Kühe nicht<br />

mehr da waren, setzte er verstärkt<br />

auf Obst- und Beerenanbau<br />

für den Direktverkauf.<br />

Junglandwirte | MANAGEMENT<br />

In dem vor wenigen Jahren<br />

erbauten Wohnh<strong>aus</strong> ist deshalb<br />

auch ein grosser Hofladen<br />

integriert. Dieser wird<br />

von seiner Frau und seiner<br />

Mutter geführt. Eine der Motivationen<br />

für den Direktverkauf<br />

liege auch in den wenig<br />

absehbaren zukünftigen Entwicklungen<br />

innerhalb der<br />

<strong>Landwirt</strong>schaft, ergänzt Dominik<br />

Thürig: «Mit dem Direktverkauf<br />

sind wir bis zu einem<br />

gewissen Grad unabhängig<br />

von den Direktzahlungen<br />

und den Entwicklungen auf<br />

dem Weltmarkt.»<br />

Gemeinsam mit<br />

den Eltern umbauen<br />

Nicht immer erfolgt die Ausrichtung<br />

erst nach der Hof-<br />

9<br />

übernahme. Im Falle der Familie<br />

Richner in Unterkulm<br />

im Kanton Aargau baut momentan<br />

noch der Vater den<br />

Stall <strong>aus</strong>, um seinem Sohn<br />

Jürg einen modernen und<br />

tierschutzkonformen Betrieb<br />

übergeben zu können. Zuvor<br />

hatte der Vater den seit Jahrzehnten<br />

gepachtet Hof erworben.<br />

Zu den 20 ha Eigenland<br />

pachtete er noch 15 ha zusätzliches<br />

Land. Momentan umfasst<br />

der Bestand 35 Milchkühe<br />

und etwa ebenso viele<br />

Rinder. Zum Betrieb gehören<br />

auch 60 Mastschweine und<br />

100 Legehühner. Für Sohn<br />

Jürg war immer klar, dass er<br />

den Hof übernehmen möchte.<br />

Allerdings erst in ein paar<br />

Jahren, da er erst vor kurzem<br />

die Betriebsleiterschule begonnen<br />

hat. <strong>«Ich</strong> werde wie<br />

bereits mein Vater auch weiterhin<br />

auf Milchproduktion<br />

setzen», meint Jürg Richner.<br />

«Bei dem Land, das wir haben,<br />

Jürg Richner <strong>aus</strong> Unterkulm AG wird den Milchviehbetrieb seines Vaters in ein paar Jahren übernehmen.<br />

Zuvor legt er noch die Meisterprüfung ab.


Rita und Thomas Büeler bewirtschaften in Küssnacht SZ Grünland in<br />

Hanglage und halten Mutterkühe für die Produktion von Natura-Veal.<br />

ist dies das Beste, was wir<br />

machen können.»<br />

Der Hof liegt auf 600 m ü. M.<br />

in hügeligem Gelände, Ackerbau<br />

ist nur bedingt möglich.<br />

Zudem liegt das Interesse der<br />

Richners seit langem in der<br />

Holsteinzucht. «Milchproduktion<br />

ist derjenige Betriebszweig,<br />

der mich wirklich interessiert.<br />

Ich züchte gerne»,<br />

ergänzt Jürg Richner. Dieser<br />

Entscheid des Sohnes war<br />

auch der Grund, wieso der<br />

Vater den Betrieb nicht aufgibt,<br />

sondern mithilft, diesen<br />

zu modernisieren.<br />

<strong>«Ich</strong> glaube an die Zukunft»<br />

Auch Adrian Knuchel <strong>aus</strong> Bätterkinden<br />

wird nach der Hofübernahme<br />

nur wenig verändern.<br />

Wenn er ab nächstem<br />

Jahr zusammen mit seinem<br />

Vater eine Generationengemeinschaft<br />

eingeht, wird er<br />

Adrian Knuchel <strong>aus</strong> Bätterkinden wird nächstes Jahr mit seinem Vater<br />

eine Generationengemeinschaft bilden.<br />

den Hof weiterhin biologisch<br />

bewirtschaften. Sein Vater<br />

konnte vor kurzem einen kleinen<br />

Hof mit 5 ha Land <strong>aus</strong>serhalb<br />

des Dorfs erwerben, der<br />

den elterlichen Hof im Dorf<br />

nun ergänzt. Damit umfasst<br />

die Betriebsfläche 25 ha ebenes<br />

Ackerland auf 460 m ü. M.<br />

Zusätzlich gehören auch 2000<br />

Legehennen zum Betrieb.<br />

Die Kühe sind bereits vor 25<br />

Jahren von den Feldern der<br />

Knuchels verschunden. «Mein<br />

Vater hat damit aufgehört, als<br />

grosse Investitionen in der<br />

Milchviehhaltung nötig gewesen<br />

wären. Er war schon immer<br />

offen gegenüber Neuerungen,<br />

auch für ökologischen<br />

Landbau. Umgestellt<br />

auf Bio hat er aber erst vor<br />

drei Jahren», blickt Adrian<br />

Knuchel zurück.<br />

Diesen Entscheid habe der<br />

Vater mehr oder weniger alleine<br />

gefällt. Adrian Knuchel ist<br />

froh darum: «Wenn mein Vater<br />

noch nicht umgestellt hätte,<br />

hätte ich mir einen Wechsel<br />

sicher stark überlegt. Ich<br />

<strong>bin</strong> aber nicht sicher, ob ich<br />

wirklich den Mut gefunden<br />

hätte, direkt zu Beginn der<br />

Hofübernahme auch noch die<br />

Anbauform zu verändern.» Er<br />

wird ab nächstem Jahr zu 100<br />

Prozent im Betrieb einsteigen.<br />

«Für mich kommt eigentlich<br />

nur ein Vollerwerb in Frage.<br />

Denn ich habe diesen Beruf<br />

<strong>aus</strong> Freude an der Sache gewählt<br />

und auch, weil ich an<br />

unsere guten Produkte und<br />

damit an die Zukunft glaube.»<br />

Vollerwerb als Idealfall<br />

Thomas und Rita Büeler<br />

gehören zu denjenigen <strong>Landwirt</strong>en,<br />

die neben der <strong>Landwirt</strong>schaft<br />

noch einem Nebenerwerb<br />

nachgehen. Der im<br />

Jahr 2006 von den Eltern übernommene<br />

Betrieb liegt auf 600<br />

m ü. M. am Hang der Rigi oberhalb<br />

von Küssnacht SZ. Das<br />

Land umfasst zwei Grundstücke<br />

mit einer Fläche von total<br />

14 ha, bestehend <strong>aus</strong> Naturwiesen<br />

und Weiden sowie einigen<br />

Hochstammobstbäumen.<br />

diegrüne | Nr. 20/2009<br />

Thomas Büeler erzählt: «Mein<br />

Vater betrieb die <strong>Landwirt</strong>schaft<br />

im Haupterwerb und<br />

hatte 14 Milchkühe. Wegen<br />

anstehender hoher Investitionen<br />

im Milchviehstall entschieden<br />

wir uns, auf Mutterkuhhaltung<br />

umzustellen.<br />

Hätten wir zusätzliches Pachtland<br />

bekommen, wären wir<br />

gerne der Milchproduktion<br />

treu geblieben. Passende<br />

Pachtlandfläche in angrenzender<br />

Umgebung zu bekommen<br />

war aber leider nicht<br />

möglich. Deshalb grasen heute<br />

knapp 20 Mutterkühe für<br />

Natura-Veal und Natura-Beef<br />

auf unseren Weiden.»<br />

Dank der extensiveren Haltung<br />

bleibt etwas mehr Zeit,<br />

um <strong>aus</strong>wärts zu arbeiten.<br />

«Zwischendurch <strong>bin</strong> ich als<br />

ÖLN-Kontrolleur unterwegs,<br />

was mir eine grosse Abwechslung<br />

bietet.» Seine Frau Rita<br />

Büeler ist als Teilzeitlehrerin<br />

in Küssnacht angestellt.<br />

«Während sie unterrichtet,<br />

<strong>bin</strong> ich für unseren Sohn verantwortlich.<br />

Ich schätze die<br />

Erfahrung sehr, als Vater für<br />

mein Kind auch tagsüber da<br />

zu sein, es ist eine schöne Ergänzung<br />

zur Hofarbeit.» Die<br />

Büelers können wenn nötig<br />

auf die Unterstützung der<br />

Eltern zählen. «Wir sind in der<br />

glücklichen Lage, dass unsere<br />

Eltern auf dem Betrieb immer<br />

und überall mithelfen und<br />

dass wir ein sehr gutes Verhältnis<br />

mit ihnen pflegen», ergänzt<br />

Thomas Büeler.<br />

Zukunftspläne<br />

bei Adrian Knuchel<br />

Die Familie Büeler hat ihren<br />

Betrieb in den letzten Jahren<br />

so eingerichtet, dass er ihren<br />

Bedürfnissen und Möglichkeiten<br />

entspricht. Adrian Knuchel<br />

und seiner Partnerin<br />

steht diese Aufgabe noch bevor.<br />

Wenn er ab nächstem<br />

Jahr zu 100 Prozent auf dem<br />

Biobetrieb einsteigt, wird seine<br />

Partnerin Yvonne Leist<br />

weiterhin zu 60 Prozent als<br />

Tierärztin arbeiten «Irgendwann<br />

möchte ich eventuell


Nr. 20/2009 | diegrüne<br />

nur noch auf dem Hof tätig<br />

sein», erzählt sie. «Wir planen<br />

einen Direktverkauf auf unserem<br />

Hof. Da wir nach den<br />

Richtlinien des biologischen<br />

Landb<strong>aus</strong> produzieren, sind<br />

wir überzeugt, dass sich diese<br />

Produkte gut verkaufen lassen.<br />

Ich möchte neben selbst<br />

hergestellten Produkten wie<br />

Brot, Sirup oder Konfitüre<br />

auch Gemüse und Obst anbieten.»<br />

Noch ist der Hofladen nicht<br />

gebaut, doch die ersten Planungsarbeiten<br />

haben bereits<br />

begonnen. «Mit diesem Standbein<br />

zusammen mit dem Legehennen<br />

und dem Ackerbau<br />

sind wir etwas weniger abhängig<br />

von den Entwicklungen<br />

der Weltmarktpreise für landwirtschaftliche<br />

Produkte», ergänzt<br />

Adrian Knuchel.<br />

Auch Jürg Richner macht sich<br />

Gedanken über seine Zukunft<br />

als Milchbauer. Mit dem Ausbau<br />

des Stalls ist bereits ein<br />

grosser Schritt Richtung Zukunft<br />

gemacht. «Momentan<br />

ist die Milchproduktion in der<br />

Krise. Grundsätzlich habe ich<br />

aber keine übermässige Angst<br />

■ Was unterscheidet<br />

die heutige junge<br />

Generation <strong>Landwirt</strong>e<br />

von der Generation der<br />

Eltern?<br />

Evelin Matzinger: Wir kennen die<br />

staatlichen Abnahmegarantien<br />

nicht mehr. Deshalb sind wir uns<br />

eher gewohnt, kreativ zu sein<br />

und uns zu überlegen, wie das<br />

Einkommen erwirtschaftet werden<br />

kann und wo die Märkte sind.<br />

Wir richten den Betrieb auf die<br />

eigenen Stärken <strong>aus</strong> und sind<br />

damit erfolgreich.<br />

vor der Zukunft», meint er.<br />

<strong>«Ich</strong> <strong>bin</strong> aber sicher, dass wieder<br />

bessere Zeiten kommen<br />

und wir die Milch in der<br />

Schweiz zu einem vernünftigen<br />

Preis verkaufen können.<br />

Ich gehöre zu den <strong>Landwirt</strong>en,<br />

die zu 100 Prozent von<br />

ihrem Hof leben möchten. Ich<br />

hoffe deshalb, dass die landwirtschaftlichen<br />

Produkte in<br />

Zukunft einen guten Preis erhalten<br />

und nicht nur ökologische<br />

Leistungen bezahlt wer-<br />

■ Sie sind eine Junglandwirtin.<br />

Was ist für Sie und<br />

Ihre Berufskollegen und<br />

-kolleginnen wichtig?<br />

Matzinger: Wir Junglandwirte<br />

möchten von unseren Höfen<br />

leben können und dies im<br />

Vollerwerb. Wir wollen Unternehmer<br />

sein und nicht bloss<br />

Bezüger von Direktzahlungen.<br />

Wir lieben unseren Beruf und<br />

sind bereit, für einen gut funktionierenden<br />

Hof auch überdurchschnittliche<br />

Leistungen<br />

zu erbringen.<br />

Junglandwirte | MANAGEMENT<br />

den.» Sollte der Milchpreis<br />

weiterhin tief bleiben, so könne<br />

er allenfalls vermehrt<br />

Zucht- und Nutztiere vermarkten<br />

und verkaufen, ergänzt<br />

Jürg Richner.<br />

Für Thomas Büeler ist die<br />

Landschaftspflege für einen<br />

Betrieb in der Hügelzone sehr<br />

wichtig. «Die Direktzahlungen<br />

sind für diese Mehrarbeit<br />

berechtigt», ist er überzeugt.<br />

«Unsere Parzellen sind eher<br />

klein und oftmals durch einen<br />

«Wir Junglandwirte wollen<br />

Unternehmer sein»<br />

Evelin Matzinger ist Präsidentin der Schweizer<br />

Junglandwirtekommission. Diese Arbeitsgruppe<br />

nimmt zu politischen Themen Stellung und<br />

positioniert die Meinung der Junglandwirte.<br />

■ Interessieren sich die jungen<br />

<strong>Landwirt</strong>e für die Politik?<br />

Matzinger: Meiner Meinung nach<br />

interessieren und engagieren sich<br />

die jungen <strong>Landwirt</strong>e zu wenig für<br />

die Politik. Das hängt wohl mit der<br />

knappen Freizeit wegen des grossen<br />

Engagements auf dem Hof und<br />

in der Familie zusammen. Ich persönlich<br />

finde das schade, denn die<br />

Politik entscheidet zu einem<br />

grossen Teil über unsere Zukunft.<br />

Leider gibt es in der Schweiz keine<br />

Vereinigungen von Junglandwirten.<br />

Im umliegenden Ausland,<br />

11<br />

Bild: Dominik Thürig<br />

Dominik und Irmgard Thürig <strong>aus</strong> Eich LU haben die Milchkühe verkauft und legen den Schwerpunkt ihres Betriebs<br />

auf den Direktverkauf und Mutterschweine.<br />

Bach, ein Waldstück oder eine<br />

Geländestufe begrenzt. Die<br />

Arbeit ist deshalb arbeitsintensiver<br />

als in flachem Gelände.»<br />

Mit den Mutterkühen habe er<br />

nun eine ideale Form gefunden,<br />

dem Konsumenten ein<br />

hochwertiges, umweltschonend<br />

und <strong>aus</strong>schliesslich auf<br />

Grünlandflächen produziertes<br />

Fleisch anzubieten. Er und<br />

seine Frau sind mit der jetzigen<br />

Situation zufrieden. «Die<br />

Mutterkuhhaltung entspricht<br />

beispielsweise in Deutschland und<br />

Frankreich, gibt es starke und politisch<br />

sehr aktive Junglandwirteorganisationen.<br />

In der Schweiz<br />

scheint das Bedürfnis danach nicht<br />

zu bestehen.<br />

■ Denken Sie, dass die<br />

Junglandwirte Angst vor<br />

der Zukunft haben?<br />

Matzinger: Nein, das denke ich<br />

nicht. Die politischen und damit<br />

verbundenen wirtschaftlichen<br />

Entwicklungen beschäftigen die<br />

jungen <strong>Landwirt</strong>e natürlich: WTO-<br />

Verträge, Freihandelsabkommen,<br />

Billigdiscounter – was kommt da<br />

auf uns zu? Wir sind bereit, uns<br />

der Her<strong>aus</strong>forderung zu stellen<br />

und unser Bestes zu geben für eine<br />

leistungsfähige und nachhaltige<br />

<strong>Landwirt</strong>schaft als Grundpfeiler<br />

für eine gesunde Schweizer Wirtschaft.


12 diegrüne | Nr. 20/2009<br />

uns sehr, da diese Produktionsform<br />

dem natürlichen<br />

Verhalten des Rindviehs sehr<br />

nahe ist. Wir waren einer der<br />

Pilotbetriebe des neuen Labels<br />

Natura-Veal, das von<br />

Coop sehr erfolgreich vermarktet<br />

wird und freuen uns<br />

darüber.»<br />

Gut <strong>aus</strong>gebildete<br />

Junglandwirte<br />

Thomas Büeler ist Meisterlandwirt,<br />

Jürg Richner<br />

wird die Meisterprüfung bald<br />

ablegen. Mit dieser Ausbildung<br />

sind sie im Trend.<br />

Gemäss Jakob Rösch, Leiter<br />

Geschäftsbereich Bildung des<br />

Schweizerischen Bauernverbands<br />

(SBV), nimmt die höhere<br />

Berufsbildung an Bedeutung<br />

zu. Immer mehr <strong>Landwirt</strong>e<br />

besuchen die Betriebsleiterschulen<br />

und schliessen<br />

entweder mit der Berufs- oder<br />

Meisterprüfung ab. Allgemein<br />

sei momentan kein Rückgang<br />

in der Ausbildung zu <strong>Landwirt</strong>en<br />

zu erkennen. Die Anzahl<br />

der Lehrlinge hat sich in den<br />

letzten Jahren stabilisiert. Pro<br />

Jahr erhalten in der Schweiz<br />

jährlich zwischen 800 und 900<br />

Personen das landwirtschaftliche<br />

Fähigkeitszeugnis «Die<br />

Viele Junglandwirte setzen trotz Krise im Milchmarkt weiterhin auf die<br />

Milchwirtschaft, weil sie denken, dass die Zeiten wieder besser werden.<br />

Jungen wollen wieder <strong>Landwirt</strong><br />

lernen», ergänzt Jakob<br />

Rösch. Doch auch wer eine<br />

Ausbildung abgeschlossen<br />

hat, bildet sich weiter:<br />

«Die landwirtschaftlichen Bildungszentren<br />

bieten diverse<br />

Weiterbildungsmöglichkeiten<br />

an, die laufend den Bedürfnissen<br />

der <strong>Landwirt</strong>e angepasst<br />

werden.»<br />

Adrian Knuchel hat sich nach<br />

einer abgeschlossenen Lehre<br />

als Forstwart und <strong>Landwirt</strong><br />

zusätzlich für den Weg über<br />

die Schweizerischen Hochschule<br />

für <strong>Landwirt</strong>schaft<br />

(SHL) entschieden. Dort hat<br />

er dieses Jahr den Bachelor in<br />

Agronomie (ehemals Ingenieur<br />

Agronom SHL) abgeschlossen.<br />

Damit fühlt er sich<br />

gut gerüstet für die Zukunft.<br />

<strong>«Ich</strong> werde aber sicherlich immer<br />

wieder kleinere Weiterbildungen<br />

machen, beispielsweise<br />

Tagungen oder Messen<br />

für den biologischen Landbau<br />

oder Direktvermarktung besuchen»,<br />

ergänzt er.<br />

Dominik Thürig hat nach der<br />

landwirtschaftlichen Schule<br />

die Ausbildung zum Agrartechniker<br />

HF abgeschlossen.<br />

Damit hätte er sich auch extern<br />

eine Arbeit suchen können,<br />

falls der eigene Betrieb<br />

nicht rentabel gewesen wäre.<br />

Er und seine Frau haben ihren<br />

Hof unterdessen so <strong>aus</strong>gerichtet,<br />

wie sie ihn haben möchten.<br />

«So wie der Hof nun ist,<br />

entspricht er unseren Vorstellungen<br />

und Stärken. Unser<br />

Hofladen ist in Selbstbedienung<br />

die ganze Woche offen,<br />

Zwei Umfragen zeigen Zufriedenheit bei Jungbauern<br />

Im Jahr 2008 befragte das Bundesamt<br />

für <strong>Landwirt</strong>schaft und die<br />

Forschungsanstalt Agroscope<br />

Reckenholz-Tänikon (ART) 2000<br />

direktzahlungsberechtigte <strong>Landwirt</strong>e<br />

mit einem maximalen Alter<br />

von 35 Jahren zu ihrer Einschätzung<br />

der heutigen und zukünftigen<br />

<strong>Landwirt</strong>schaft und zu ihrer<br />

Lebenssituation und Befindlichkeit.<br />

Ausgewertet werden konnten<br />

1000 Antworten, die zudem<br />

mit Gruppengesprächen ergänzt<br />

wurden. Hier einige der Resultate<br />

der Umfrage:<br />

■ Vier von fünf Jungbauern verändern<br />

den Betrieb, nachdem sie<br />

ihn übernommen haben. Häufig<br />

wurden bauliche Anpassungen<br />

vorgenommen, ein Betriebszweig<br />

<strong>aus</strong>gebaut, in eine verbesserte<br />

Mechanisierung investiert oder<br />

ein neuer Betriebszweig eröffnet.<br />

■ 74 von 100 Befragten glauben,<br />

dass ihr Betrieb zukunftsfähig ist.<br />

18 wissen es nicht und 8 denken,<br />

dass ihr Betrieb nicht überleben<br />

wird.<br />

■ Rund 6 von 10 Befragten<br />

gehen einem Nebenerwerb nach.<br />

Auf 44 von 100 Betrieben ist der<br />

Partner (auch) <strong>aus</strong>serbetrieblich<br />

tätig.<br />

■ Gut 8 von 10 der Jungbauern<br />

und Jungbäuerinnen sind zufrieden<br />

mit dem Leben und fühlen<br />

sich wohl auf dem Betrieb.<br />

Eine frühere durchgeführte Umfrage<br />

hat zu ähnlichen Ergebnissen<br />

in Bezug auf die Hofnachfolge<br />

geführt. In den Jahren 2004 bis<br />

2006 befragten Wissenschaftler<br />

der ART ungefähr 700 <strong>Landwirt</strong>e<br />

mittels Umfragen, Diskussionen<br />

und Interviews, unter anderem<br />

zum Thema Hofnachfolge. Hier die<br />

wichtigsten Aussagen:<br />

■ Die Wahrscheinlichkeit, dass<br />

ein Hof übernommen wird, steigt<br />

mit der Anzahl Söhne. Söhne<br />

haben bei der Hofübernahme den<br />

Vortritt vor Töchtern. Töchter können<br />

den Hof meist nur übernehmen,<br />

wenn kein Sohn vorhanden<br />

ist oder dieser kein Interesse zeigt.<br />

■ Der Nachkomme, der den Hof<br />

übernimmt, ist meist bereits<br />

während der Kindheit bestimmt.<br />

Der Zeitpunkt der Hofübernahme<br />

hängt vor allem von der wirtschaftlichen<br />

Situation des Hofs<br />

und des Alters des aktuellen Be-<br />

und wir haben eine gute<br />

Stammkundschaft. Momentan<br />

haben wir kein Bedürfnis,<br />

etwas zu ändern.»<br />

Die Ausbildung habe ihm das<br />

Marketing-Denken mitgegeben<br />

und ihn motiviert, Neues<br />

<strong>aus</strong>zuprobieren, meint Dominik<br />

Thürig. So habe er eine Diplomarbeit<br />

über die Direktvermarktung<br />

per Internet geschrieben.<br />

Allerdings habe er<br />

dann feststellen müssen, dass<br />

es nicht ganz so einfach sei,<br />

sich innovativ auf den Markt<br />

<strong>aus</strong>zurichten, wie das von den<br />

<strong>Landwirt</strong>en vor dem Hintergrund<br />

der sich öffnenden<br />

Märkten gefordert werde.<br />

«Die <strong>Landwirt</strong>schaft ist sehr<br />

stark reglementiert, da bleibt<br />

nicht sehr viel Freiraum für<br />

Innovationen. Da hat man<br />

schon das Gefühl, dass einem<br />

Steine in den Weg geworfen<br />

werden», blickt er auf die letzten<br />

Jahre zurück. Zudem<br />

würden in der <strong>Landwirt</strong>schaft<br />

sofort grosse Investitionen<br />

nötig, wenn der Betrieb angepasst<br />

werden solle. Nichtsdestotrotz<br />

schaue er positiv in<br />

die Zukunft.<br />

| Claudia Frick<br />

Die Autorin ist freie Mitarbeiterin<br />

der «grünen».<br />

wirtschafters ab (Altersgrenze für<br />

Direktzahlungen).<br />

■ Ob ein Hof übernommen wird<br />

oder nicht, ist heute eine bewusste<br />

Entscheidung, die von der übernehmenden<br />

Generation unter<br />

Berücksichtigung der Vor- und<br />

Nachteile gefällt wird.<br />

■ Der wichtigste Grund für die<br />

Hofübernahme ist das Interesse<br />

an der <strong>Landwirt</strong>schaft und weniger<br />

materielle Gründe oder ein<br />

hohes gesellschaftliches Ansehen.<br />

Die Arbeit im Freien und die<br />

Arbeit mit Tieren ist eines der<br />

Hauptmotive für die Freude am<br />

Beruf.<br />

■ 39 Prozent der Befragten glauben,<br />

dass die nächste Generation<br />

auf dem Hof auf einen Nebenerwerb<br />

angewiesen sein wird.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!