«Ich bin Landwirt aus Überzeugung» - Sciencetext
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Nr. 20/2009 | diegrüne<br />
<strong>«Ich</strong> <strong>bin</strong> <strong>Landwirt</strong><br />
<strong>aus</strong> <strong>Überzeugung»</strong><br />
Die <strong>Landwirt</strong>e der jungen Generation haben ihren Beruf bewusst gewählt<br />
und glauben daran, dass ihr Hof ihnen eine Lebensgrundlage geben kann.<br />
Die Grüne hat vier solche Junglandwirte besucht und sich zeigen lassen, wie<br />
sie mit ihrem Hof in den momentan unsicheren Märkten bestehen wollen.<br />
Der Strukturwandel ist<br />
in vollem Gange: In<br />
den letzten zehn Jahren<br />
hat ungefähr einer von<br />
fünf Betrieben mit Bauern aufgehört.<br />
Junge <strong>Landwirt</strong>e sind<br />
gefordert: Haben sie erst einmal<br />
einen Hof übernommen,<br />
müssen sie sicherstellen, dass<br />
er ihnen einerseits langfristig<br />
ein gutes Auskommen ermöglicht,<br />
andererseits aber in den<br />
unsicheren Märkten anpassungsfähig<br />
bleibt. Verschiedene<br />
Strategien sind denkbar.<br />
Die vier von der «grünen»<br />
besuchten <strong>Landwirt</strong>e ver<strong>bin</strong>det<br />
eines: Sie sind zwischen<br />
23 und 32 Jahre alt und haben<br />
sich dafür entschieden, den<br />
elterlichen Hof weiter zu bewirtschaften.<br />
<strong>«Ich</strong> wollte immer<br />
schon <strong>Landwirt</strong> werden»,<br />
bestätigt Dominik Thürig <strong>aus</strong><br />
Eich LU auf 660 m ü. M. oberhalb<br />
des Sempachersees. Er<br />
hat den elterlichen Hof bereits<br />
vor acht Jahren übernommen.<br />
Der Hofübernahme folgt<br />
meist eine Neu<strong>aus</strong>richtung<br />
Direkt nach der Übernahme<br />
bewirtschaftete er den Hof<br />
noch wie sein Vater: Dieser<br />
umfasste Milchkühe für ein<br />
Kontingent von 75 000 Liter,<br />
ungefähr 90 Plätze für Mastschweine,<br />
15 Mutterschweine<br />
und 6,5 ha Land genutzt für<br />
Futterbau. Nach der Hofübernahme<br />
ersetzte Dominik<br />
Thürig zuerst einen Teil der<br />
Hochstammbäume durch eine<br />
Bilder: Claudia Frick<br />
gedeckte Obstanlage. Zudem<br />
konnte er 7,5 ha Ackerland zupachten.<br />
Eine Neu<strong>aus</strong>richtung<br />
des Hofs wurde dann durch<br />
die Schliessung der nahe gelegenen<br />
Käserei nötig. «Wir standen<br />
vor der Entscheidung, in<br />
einen Milchtank zu investieren<br />
oder die Kühe zu verkaufen»,<br />
blickt er zurück. Dominik<br />
Thürig entschied sich, die<br />
Kühe zu verkaufen und auf<br />
Mutterschweine umzustellen.<br />
«Mit 75 Mutterschweinen haben<br />
wir eine einigermassen<br />
konkurrenzfähige Grösse, was<br />
bei den Kühen nicht mehr der<br />
Fall war.»<br />
Nachdem die Kühe nicht<br />
mehr da waren, setzte er verstärkt<br />
auf Obst- und Beerenanbau<br />
für den Direktverkauf.<br />
Junglandwirte | MANAGEMENT<br />
In dem vor wenigen Jahren<br />
erbauten Wohnh<strong>aus</strong> ist deshalb<br />
auch ein grosser Hofladen<br />
integriert. Dieser wird<br />
von seiner Frau und seiner<br />
Mutter geführt. Eine der Motivationen<br />
für den Direktverkauf<br />
liege auch in den wenig<br />
absehbaren zukünftigen Entwicklungen<br />
innerhalb der<br />
<strong>Landwirt</strong>schaft, ergänzt Dominik<br />
Thürig: «Mit dem Direktverkauf<br />
sind wir bis zu einem<br />
gewissen Grad unabhängig<br />
von den Direktzahlungen<br />
und den Entwicklungen auf<br />
dem Weltmarkt.»<br />
Gemeinsam mit<br />
den Eltern umbauen<br />
Nicht immer erfolgt die Ausrichtung<br />
erst nach der Hof-<br />
9<br />
übernahme. Im Falle der Familie<br />
Richner in Unterkulm<br />
im Kanton Aargau baut momentan<br />
noch der Vater den<br />
Stall <strong>aus</strong>, um seinem Sohn<br />
Jürg einen modernen und<br />
tierschutzkonformen Betrieb<br />
übergeben zu können. Zuvor<br />
hatte der Vater den seit Jahrzehnten<br />
gepachtet Hof erworben.<br />
Zu den 20 ha Eigenland<br />
pachtete er noch 15 ha zusätzliches<br />
Land. Momentan umfasst<br />
der Bestand 35 Milchkühe<br />
und etwa ebenso viele<br />
Rinder. Zum Betrieb gehören<br />
auch 60 Mastschweine und<br />
100 Legehühner. Für Sohn<br />
Jürg war immer klar, dass er<br />
den Hof übernehmen möchte.<br />
Allerdings erst in ein paar<br />
Jahren, da er erst vor kurzem<br />
die Betriebsleiterschule begonnen<br />
hat. <strong>«Ich</strong> werde wie<br />
bereits mein Vater auch weiterhin<br />
auf Milchproduktion<br />
setzen», meint Jürg Richner.<br />
«Bei dem Land, das wir haben,<br />
Jürg Richner <strong>aus</strong> Unterkulm AG wird den Milchviehbetrieb seines Vaters in ein paar Jahren übernehmen.<br />
Zuvor legt er noch die Meisterprüfung ab.
Rita und Thomas Büeler bewirtschaften in Küssnacht SZ Grünland in<br />
Hanglage und halten Mutterkühe für die Produktion von Natura-Veal.<br />
ist dies das Beste, was wir<br />
machen können.»<br />
Der Hof liegt auf 600 m ü. M.<br />
in hügeligem Gelände, Ackerbau<br />
ist nur bedingt möglich.<br />
Zudem liegt das Interesse der<br />
Richners seit langem in der<br />
Holsteinzucht. «Milchproduktion<br />
ist derjenige Betriebszweig,<br />
der mich wirklich interessiert.<br />
Ich züchte gerne»,<br />
ergänzt Jürg Richner. Dieser<br />
Entscheid des Sohnes war<br />
auch der Grund, wieso der<br />
Vater den Betrieb nicht aufgibt,<br />
sondern mithilft, diesen<br />
zu modernisieren.<br />
<strong>«Ich</strong> glaube an die Zukunft»<br />
Auch Adrian Knuchel <strong>aus</strong> Bätterkinden<br />
wird nach der Hofübernahme<br />
nur wenig verändern.<br />
Wenn er ab nächstem<br />
Jahr zusammen mit seinem<br />
Vater eine Generationengemeinschaft<br />
eingeht, wird er<br />
Adrian Knuchel <strong>aus</strong> Bätterkinden wird nächstes Jahr mit seinem Vater<br />
eine Generationengemeinschaft bilden.<br />
den Hof weiterhin biologisch<br />
bewirtschaften. Sein Vater<br />
konnte vor kurzem einen kleinen<br />
Hof mit 5 ha Land <strong>aus</strong>serhalb<br />
des Dorfs erwerben, der<br />
den elterlichen Hof im Dorf<br />
nun ergänzt. Damit umfasst<br />
die Betriebsfläche 25 ha ebenes<br />
Ackerland auf 460 m ü. M.<br />
Zusätzlich gehören auch 2000<br />
Legehennen zum Betrieb.<br />
Die Kühe sind bereits vor 25<br />
Jahren von den Feldern der<br />
Knuchels verschunden. «Mein<br />
Vater hat damit aufgehört, als<br />
grosse Investitionen in der<br />
Milchviehhaltung nötig gewesen<br />
wären. Er war schon immer<br />
offen gegenüber Neuerungen,<br />
auch für ökologischen<br />
Landbau. Umgestellt<br />
auf Bio hat er aber erst vor<br />
drei Jahren», blickt Adrian<br />
Knuchel zurück.<br />
Diesen Entscheid habe der<br />
Vater mehr oder weniger alleine<br />
gefällt. Adrian Knuchel ist<br />
froh darum: «Wenn mein Vater<br />
noch nicht umgestellt hätte,<br />
hätte ich mir einen Wechsel<br />
sicher stark überlegt. Ich<br />
<strong>bin</strong> aber nicht sicher, ob ich<br />
wirklich den Mut gefunden<br />
hätte, direkt zu Beginn der<br />
Hofübernahme auch noch die<br />
Anbauform zu verändern.» Er<br />
wird ab nächstem Jahr zu 100<br />
Prozent im Betrieb einsteigen.<br />
«Für mich kommt eigentlich<br />
nur ein Vollerwerb in Frage.<br />
Denn ich habe diesen Beruf<br />
<strong>aus</strong> Freude an der Sache gewählt<br />
und auch, weil ich an<br />
unsere guten Produkte und<br />
damit an die Zukunft glaube.»<br />
Vollerwerb als Idealfall<br />
Thomas und Rita Büeler<br />
gehören zu denjenigen <strong>Landwirt</strong>en,<br />
die neben der <strong>Landwirt</strong>schaft<br />
noch einem Nebenerwerb<br />
nachgehen. Der im<br />
Jahr 2006 von den Eltern übernommene<br />
Betrieb liegt auf 600<br />
m ü. M. am Hang der Rigi oberhalb<br />
von Küssnacht SZ. Das<br />
Land umfasst zwei Grundstücke<br />
mit einer Fläche von total<br />
14 ha, bestehend <strong>aus</strong> Naturwiesen<br />
und Weiden sowie einigen<br />
Hochstammobstbäumen.<br />
diegrüne | Nr. 20/2009<br />
Thomas Büeler erzählt: «Mein<br />
Vater betrieb die <strong>Landwirt</strong>schaft<br />
im Haupterwerb und<br />
hatte 14 Milchkühe. Wegen<br />
anstehender hoher Investitionen<br />
im Milchviehstall entschieden<br />
wir uns, auf Mutterkuhhaltung<br />
umzustellen.<br />
Hätten wir zusätzliches Pachtland<br />
bekommen, wären wir<br />
gerne der Milchproduktion<br />
treu geblieben. Passende<br />
Pachtlandfläche in angrenzender<br />
Umgebung zu bekommen<br />
war aber leider nicht<br />
möglich. Deshalb grasen heute<br />
knapp 20 Mutterkühe für<br />
Natura-Veal und Natura-Beef<br />
auf unseren Weiden.»<br />
Dank der extensiveren Haltung<br />
bleibt etwas mehr Zeit,<br />
um <strong>aus</strong>wärts zu arbeiten.<br />
«Zwischendurch <strong>bin</strong> ich als<br />
ÖLN-Kontrolleur unterwegs,<br />
was mir eine grosse Abwechslung<br />
bietet.» Seine Frau Rita<br />
Büeler ist als Teilzeitlehrerin<br />
in Küssnacht angestellt.<br />
«Während sie unterrichtet,<br />
<strong>bin</strong> ich für unseren Sohn verantwortlich.<br />
Ich schätze die<br />
Erfahrung sehr, als Vater für<br />
mein Kind auch tagsüber da<br />
zu sein, es ist eine schöne Ergänzung<br />
zur Hofarbeit.» Die<br />
Büelers können wenn nötig<br />
auf die Unterstützung der<br />
Eltern zählen. «Wir sind in der<br />
glücklichen Lage, dass unsere<br />
Eltern auf dem Betrieb immer<br />
und überall mithelfen und<br />
dass wir ein sehr gutes Verhältnis<br />
mit ihnen pflegen», ergänzt<br />
Thomas Büeler.<br />
Zukunftspläne<br />
bei Adrian Knuchel<br />
Die Familie Büeler hat ihren<br />
Betrieb in den letzten Jahren<br />
so eingerichtet, dass er ihren<br />
Bedürfnissen und Möglichkeiten<br />
entspricht. Adrian Knuchel<br />
und seiner Partnerin<br />
steht diese Aufgabe noch bevor.<br />
Wenn er ab nächstem<br />
Jahr zu 100 Prozent auf dem<br />
Biobetrieb einsteigt, wird seine<br />
Partnerin Yvonne Leist<br />
weiterhin zu 60 Prozent als<br />
Tierärztin arbeiten «Irgendwann<br />
möchte ich eventuell
Nr. 20/2009 | diegrüne<br />
nur noch auf dem Hof tätig<br />
sein», erzählt sie. «Wir planen<br />
einen Direktverkauf auf unserem<br />
Hof. Da wir nach den<br />
Richtlinien des biologischen<br />
Landb<strong>aus</strong> produzieren, sind<br />
wir überzeugt, dass sich diese<br />
Produkte gut verkaufen lassen.<br />
Ich möchte neben selbst<br />
hergestellten Produkten wie<br />
Brot, Sirup oder Konfitüre<br />
auch Gemüse und Obst anbieten.»<br />
Noch ist der Hofladen nicht<br />
gebaut, doch die ersten Planungsarbeiten<br />
haben bereits<br />
begonnen. «Mit diesem Standbein<br />
zusammen mit dem Legehennen<br />
und dem Ackerbau<br />
sind wir etwas weniger abhängig<br />
von den Entwicklungen<br />
der Weltmarktpreise für landwirtschaftliche<br />
Produkte», ergänzt<br />
Adrian Knuchel.<br />
Auch Jürg Richner macht sich<br />
Gedanken über seine Zukunft<br />
als Milchbauer. Mit dem Ausbau<br />
des Stalls ist bereits ein<br />
grosser Schritt Richtung Zukunft<br />
gemacht. «Momentan<br />
ist die Milchproduktion in der<br />
Krise. Grundsätzlich habe ich<br />
aber keine übermässige Angst<br />
■ Was unterscheidet<br />
die heutige junge<br />
Generation <strong>Landwirt</strong>e<br />
von der Generation der<br />
Eltern?<br />
Evelin Matzinger: Wir kennen die<br />
staatlichen Abnahmegarantien<br />
nicht mehr. Deshalb sind wir uns<br />
eher gewohnt, kreativ zu sein<br />
und uns zu überlegen, wie das<br />
Einkommen erwirtschaftet werden<br />
kann und wo die Märkte sind.<br />
Wir richten den Betrieb auf die<br />
eigenen Stärken <strong>aus</strong> und sind<br />
damit erfolgreich.<br />
vor der Zukunft», meint er.<br />
<strong>«Ich</strong> <strong>bin</strong> aber sicher, dass wieder<br />
bessere Zeiten kommen<br />
und wir die Milch in der<br />
Schweiz zu einem vernünftigen<br />
Preis verkaufen können.<br />
Ich gehöre zu den <strong>Landwirt</strong>en,<br />
die zu 100 Prozent von<br />
ihrem Hof leben möchten. Ich<br />
hoffe deshalb, dass die landwirtschaftlichen<br />
Produkte in<br />
Zukunft einen guten Preis erhalten<br />
und nicht nur ökologische<br />
Leistungen bezahlt wer-<br />
■ Sie sind eine Junglandwirtin.<br />
Was ist für Sie und<br />
Ihre Berufskollegen und<br />
-kolleginnen wichtig?<br />
Matzinger: Wir Junglandwirte<br />
möchten von unseren Höfen<br />
leben können und dies im<br />
Vollerwerb. Wir wollen Unternehmer<br />
sein und nicht bloss<br />
Bezüger von Direktzahlungen.<br />
Wir lieben unseren Beruf und<br />
sind bereit, für einen gut funktionierenden<br />
Hof auch überdurchschnittliche<br />
Leistungen<br />
zu erbringen.<br />
Junglandwirte | MANAGEMENT<br />
den.» Sollte der Milchpreis<br />
weiterhin tief bleiben, so könne<br />
er allenfalls vermehrt<br />
Zucht- und Nutztiere vermarkten<br />
und verkaufen, ergänzt<br />
Jürg Richner.<br />
Für Thomas Büeler ist die<br />
Landschaftspflege für einen<br />
Betrieb in der Hügelzone sehr<br />
wichtig. «Die Direktzahlungen<br />
sind für diese Mehrarbeit<br />
berechtigt», ist er überzeugt.<br />
«Unsere Parzellen sind eher<br />
klein und oftmals durch einen<br />
«Wir Junglandwirte wollen<br />
Unternehmer sein»<br />
Evelin Matzinger ist Präsidentin der Schweizer<br />
Junglandwirtekommission. Diese Arbeitsgruppe<br />
nimmt zu politischen Themen Stellung und<br />
positioniert die Meinung der Junglandwirte.<br />
■ Interessieren sich die jungen<br />
<strong>Landwirt</strong>e für die Politik?<br />
Matzinger: Meiner Meinung nach<br />
interessieren und engagieren sich<br />
die jungen <strong>Landwirt</strong>e zu wenig für<br />
die Politik. Das hängt wohl mit der<br />
knappen Freizeit wegen des grossen<br />
Engagements auf dem Hof und<br />
in der Familie zusammen. Ich persönlich<br />
finde das schade, denn die<br />
Politik entscheidet zu einem<br />
grossen Teil über unsere Zukunft.<br />
Leider gibt es in der Schweiz keine<br />
Vereinigungen von Junglandwirten.<br />
Im umliegenden Ausland,<br />
11<br />
Bild: Dominik Thürig<br />
Dominik und Irmgard Thürig <strong>aus</strong> Eich LU haben die Milchkühe verkauft und legen den Schwerpunkt ihres Betriebs<br />
auf den Direktverkauf und Mutterschweine.<br />
Bach, ein Waldstück oder eine<br />
Geländestufe begrenzt. Die<br />
Arbeit ist deshalb arbeitsintensiver<br />
als in flachem Gelände.»<br />
Mit den Mutterkühen habe er<br />
nun eine ideale Form gefunden,<br />
dem Konsumenten ein<br />
hochwertiges, umweltschonend<br />
und <strong>aus</strong>schliesslich auf<br />
Grünlandflächen produziertes<br />
Fleisch anzubieten. Er und<br />
seine Frau sind mit der jetzigen<br />
Situation zufrieden. «Die<br />
Mutterkuhhaltung entspricht<br />
beispielsweise in Deutschland und<br />
Frankreich, gibt es starke und politisch<br />
sehr aktive Junglandwirteorganisationen.<br />
In der Schweiz<br />
scheint das Bedürfnis danach nicht<br />
zu bestehen.<br />
■ Denken Sie, dass die<br />
Junglandwirte Angst vor<br />
der Zukunft haben?<br />
Matzinger: Nein, das denke ich<br />
nicht. Die politischen und damit<br />
verbundenen wirtschaftlichen<br />
Entwicklungen beschäftigen die<br />
jungen <strong>Landwirt</strong>e natürlich: WTO-<br />
Verträge, Freihandelsabkommen,<br />
Billigdiscounter – was kommt da<br />
auf uns zu? Wir sind bereit, uns<br />
der Her<strong>aus</strong>forderung zu stellen<br />
und unser Bestes zu geben für eine<br />
leistungsfähige und nachhaltige<br />
<strong>Landwirt</strong>schaft als Grundpfeiler<br />
für eine gesunde Schweizer Wirtschaft.
12 diegrüne | Nr. 20/2009<br />
uns sehr, da diese Produktionsform<br />
dem natürlichen<br />
Verhalten des Rindviehs sehr<br />
nahe ist. Wir waren einer der<br />
Pilotbetriebe des neuen Labels<br />
Natura-Veal, das von<br />
Coop sehr erfolgreich vermarktet<br />
wird und freuen uns<br />
darüber.»<br />
Gut <strong>aus</strong>gebildete<br />
Junglandwirte<br />
Thomas Büeler ist Meisterlandwirt,<br />
Jürg Richner<br />
wird die Meisterprüfung bald<br />
ablegen. Mit dieser Ausbildung<br />
sind sie im Trend.<br />
Gemäss Jakob Rösch, Leiter<br />
Geschäftsbereich Bildung des<br />
Schweizerischen Bauernverbands<br />
(SBV), nimmt die höhere<br />
Berufsbildung an Bedeutung<br />
zu. Immer mehr <strong>Landwirt</strong>e<br />
besuchen die Betriebsleiterschulen<br />
und schliessen<br />
entweder mit der Berufs- oder<br />
Meisterprüfung ab. Allgemein<br />
sei momentan kein Rückgang<br />
in der Ausbildung zu <strong>Landwirt</strong>en<br />
zu erkennen. Die Anzahl<br />
der Lehrlinge hat sich in den<br />
letzten Jahren stabilisiert. Pro<br />
Jahr erhalten in der Schweiz<br />
jährlich zwischen 800 und 900<br />
Personen das landwirtschaftliche<br />
Fähigkeitszeugnis «Die<br />
Viele Junglandwirte setzen trotz Krise im Milchmarkt weiterhin auf die<br />
Milchwirtschaft, weil sie denken, dass die Zeiten wieder besser werden.<br />
Jungen wollen wieder <strong>Landwirt</strong><br />
lernen», ergänzt Jakob<br />
Rösch. Doch auch wer eine<br />
Ausbildung abgeschlossen<br />
hat, bildet sich weiter:<br />
«Die landwirtschaftlichen Bildungszentren<br />
bieten diverse<br />
Weiterbildungsmöglichkeiten<br />
an, die laufend den Bedürfnissen<br />
der <strong>Landwirt</strong>e angepasst<br />
werden.»<br />
Adrian Knuchel hat sich nach<br />
einer abgeschlossenen Lehre<br />
als Forstwart und <strong>Landwirt</strong><br />
zusätzlich für den Weg über<br />
die Schweizerischen Hochschule<br />
für <strong>Landwirt</strong>schaft<br />
(SHL) entschieden. Dort hat<br />
er dieses Jahr den Bachelor in<br />
Agronomie (ehemals Ingenieur<br />
Agronom SHL) abgeschlossen.<br />
Damit fühlt er sich<br />
gut gerüstet für die Zukunft.<br />
<strong>«Ich</strong> werde aber sicherlich immer<br />
wieder kleinere Weiterbildungen<br />
machen, beispielsweise<br />
Tagungen oder Messen<br />
für den biologischen Landbau<br />
oder Direktvermarktung besuchen»,<br />
ergänzt er.<br />
Dominik Thürig hat nach der<br />
landwirtschaftlichen Schule<br />
die Ausbildung zum Agrartechniker<br />
HF abgeschlossen.<br />
Damit hätte er sich auch extern<br />
eine Arbeit suchen können,<br />
falls der eigene Betrieb<br />
nicht rentabel gewesen wäre.<br />
Er und seine Frau haben ihren<br />
Hof unterdessen so <strong>aus</strong>gerichtet,<br />
wie sie ihn haben möchten.<br />
«So wie der Hof nun ist,<br />
entspricht er unseren Vorstellungen<br />
und Stärken. Unser<br />
Hofladen ist in Selbstbedienung<br />
die ganze Woche offen,<br />
Zwei Umfragen zeigen Zufriedenheit bei Jungbauern<br />
Im Jahr 2008 befragte das Bundesamt<br />
für <strong>Landwirt</strong>schaft und die<br />
Forschungsanstalt Agroscope<br />
Reckenholz-Tänikon (ART) 2000<br />
direktzahlungsberechtigte <strong>Landwirt</strong>e<br />
mit einem maximalen Alter<br />
von 35 Jahren zu ihrer Einschätzung<br />
der heutigen und zukünftigen<br />
<strong>Landwirt</strong>schaft und zu ihrer<br />
Lebenssituation und Befindlichkeit.<br />
Ausgewertet werden konnten<br />
1000 Antworten, die zudem<br />
mit Gruppengesprächen ergänzt<br />
wurden. Hier einige der Resultate<br />
der Umfrage:<br />
■ Vier von fünf Jungbauern verändern<br />
den Betrieb, nachdem sie<br />
ihn übernommen haben. Häufig<br />
wurden bauliche Anpassungen<br />
vorgenommen, ein Betriebszweig<br />
<strong>aus</strong>gebaut, in eine verbesserte<br />
Mechanisierung investiert oder<br />
ein neuer Betriebszweig eröffnet.<br />
■ 74 von 100 Befragten glauben,<br />
dass ihr Betrieb zukunftsfähig ist.<br />
18 wissen es nicht und 8 denken,<br />
dass ihr Betrieb nicht überleben<br />
wird.<br />
■ Rund 6 von 10 Befragten<br />
gehen einem Nebenerwerb nach.<br />
Auf 44 von 100 Betrieben ist der<br />
Partner (auch) <strong>aus</strong>serbetrieblich<br />
tätig.<br />
■ Gut 8 von 10 der Jungbauern<br />
und Jungbäuerinnen sind zufrieden<br />
mit dem Leben und fühlen<br />
sich wohl auf dem Betrieb.<br />
Eine frühere durchgeführte Umfrage<br />
hat zu ähnlichen Ergebnissen<br />
in Bezug auf die Hofnachfolge<br />
geführt. In den Jahren 2004 bis<br />
2006 befragten Wissenschaftler<br />
der ART ungefähr 700 <strong>Landwirt</strong>e<br />
mittels Umfragen, Diskussionen<br />
und Interviews, unter anderem<br />
zum Thema Hofnachfolge. Hier die<br />
wichtigsten Aussagen:<br />
■ Die Wahrscheinlichkeit, dass<br />
ein Hof übernommen wird, steigt<br />
mit der Anzahl Söhne. Söhne<br />
haben bei der Hofübernahme den<br />
Vortritt vor Töchtern. Töchter können<br />
den Hof meist nur übernehmen,<br />
wenn kein Sohn vorhanden<br />
ist oder dieser kein Interesse zeigt.<br />
■ Der Nachkomme, der den Hof<br />
übernimmt, ist meist bereits<br />
während der Kindheit bestimmt.<br />
Der Zeitpunkt der Hofübernahme<br />
hängt vor allem von der wirtschaftlichen<br />
Situation des Hofs<br />
und des Alters des aktuellen Be-<br />
und wir haben eine gute<br />
Stammkundschaft. Momentan<br />
haben wir kein Bedürfnis,<br />
etwas zu ändern.»<br />
Die Ausbildung habe ihm das<br />
Marketing-Denken mitgegeben<br />
und ihn motiviert, Neues<br />
<strong>aus</strong>zuprobieren, meint Dominik<br />
Thürig. So habe er eine Diplomarbeit<br />
über die Direktvermarktung<br />
per Internet geschrieben.<br />
Allerdings habe er<br />
dann feststellen müssen, dass<br />
es nicht ganz so einfach sei,<br />
sich innovativ auf den Markt<br />
<strong>aus</strong>zurichten, wie das von den<br />
<strong>Landwirt</strong>en vor dem Hintergrund<br />
der sich öffnenden<br />
Märkten gefordert werde.<br />
«Die <strong>Landwirt</strong>schaft ist sehr<br />
stark reglementiert, da bleibt<br />
nicht sehr viel Freiraum für<br />
Innovationen. Da hat man<br />
schon das Gefühl, dass einem<br />
Steine in den Weg geworfen<br />
werden», blickt er auf die letzten<br />
Jahre zurück. Zudem<br />
würden in der <strong>Landwirt</strong>schaft<br />
sofort grosse Investitionen<br />
nötig, wenn der Betrieb angepasst<br />
werden solle. Nichtsdestotrotz<br />
schaue er positiv in<br />
die Zukunft.<br />
| Claudia Frick<br />
Die Autorin ist freie Mitarbeiterin<br />
der «grünen».<br />
wirtschafters ab (Altersgrenze für<br />
Direktzahlungen).<br />
■ Ob ein Hof übernommen wird<br />
oder nicht, ist heute eine bewusste<br />
Entscheidung, die von der übernehmenden<br />
Generation unter<br />
Berücksichtigung der Vor- und<br />
Nachteile gefällt wird.<br />
■ Der wichtigste Grund für die<br />
Hofübernahme ist das Interesse<br />
an der <strong>Landwirt</strong>schaft und weniger<br />
materielle Gründe oder ein<br />
hohes gesellschaftliches Ansehen.<br />
Die Arbeit im Freien und die<br />
Arbeit mit Tieren ist eines der<br />
Hauptmotive für die Freude am<br />
Beruf.<br />
■ 39 Prozent der Befragten glauben,<br />
dass die nächste Generation<br />
auf dem Hof auf einen Nebenerwerb<br />
angewiesen sein wird.