Udo Lindenberg
Udo Lindenberg
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stadtgespräch:<br />
menarbeit und so. Und dann kann ich irgendwann<br />
zusammen mit Bono, Al Gore, Bob Dylan und sol-<br />
chen Leuten eine andere Art von Präsidenten stel-<br />
len für die Welt. Denn die Präsidenten, die es heut-<br />
zutage bringen, die bringen es ja nicht. Die kriegen<br />
die Welt ja nicht geregelt.<br />
Wie sieht’s aus mit Ihrer Nähe zur<br />
Sozialdemokratie?<br />
Ich bin ein Kind von Willy Brandt und Egon Bahr,<br />
Olof Palme. Natürlich hat mich das auch ein biss-<br />
chen geprägt. Und die Grünen natürlich, mit Joseph<br />
Beuys, die Links-SPD, diese Ansätze und wofür sie<br />
stehen, auch heute noch stehen sollten, kein Sozial-<br />
verrat. Ansonsten brauchen Politiker heute eine or-<br />
dentliche Erfrischungspritze, die sind ziemlich farb-<br />
los und profillos. Ziemlich langweilend stehen sie in<br />
der Gegend rum und sind eigentlich hauptsächlich<br />
dazu geeignet, Leute dazu zu bewegen, aus jedwe-<br />
dem politischen Interesse auszusteigen. Viele jungen<br />
Leute kennen doch gar keinen Politiker mehr, es gibt<br />
keine Visionäre, keinen mit Ideen für übermorgen.<br />
Für Ihre Verdienste um „die deutsche Sprache und<br />
das künstlerische Wort“ erhielten Sie Anfang des Jah-<br />
res die Carl-Zuckmayer-Medaille, den Literaturpreis<br />
des Landes Rheinland-Pfalz. Wie ist das für Sie?<br />
Ich nehme diesen Preis stellvertretend entgegen für<br />
die ganzen Straßenlyriker. Das finde ich ganz gut,<br />
dass die aus der sogenannten Hochkultur sich öff-<br />
10 stadtblatt: 2 | 2007 April-Mai<br />
nen für Begegnungen mit den Straßenexperten, mit<br />
den Rappern und Rockern. Gemeinsame Sache ma-<br />
chen, die Akademie und die Straße, Universitäten<br />
und der Arbeiterkampf, zusammen, darum geht es.<br />
Nicht nur elitäre Sektierermaßnahmen. So gesehen<br />
finde ich das gut mit dem Zuckmayer-Preis, weil es<br />
ein Zeichen setzt für Öffnung.<br />
Sie sind ja auch Maler. Von ihnen gibt es, sogar pa-<br />
tentiert, „Likörelle“, also mit Likör gemalte Bilder.<br />
Wie kommt man denn auf so eine Idee?<br />
Wenn man von Berufs wegen viel am Tresen sitzen<br />
muss, sich viel in Kneipen aufhält, dann nimmt man<br />
gelegentlich den ein oder anderen Drink zu sich.<br />
Und irgendwann denkt man dann: schöne Farben.<br />
Eierlikör – die goldene Farbe der Zukunft. Irgend-<br />
wann ist so ein Glas mal umgekippt, auf ein Auto-<br />
gramm drauf. Und dann dachte ich: geile Farbe, su-<br />
pergeil. Und das ist jetzt ein Likörell.<br />
Und die sind tatsächlich nur mit Likör gemalt?<br />
Ja, mit Blue Curacao, Grenadine, Peppermintgrün<br />
und Eierlikör. Manchmal auch ein bisschen Whis-<br />
ky. Sehr schöne Farben. Und die werden präpariert,<br />
siebenmal gesprayt, so dass sie mindestens tausend<br />
Jahre halten. Denn der Investor, der die jetzt kauft,<br />
will auch, dass das nicht in drei Jahren verblichenen<br />
der Wand hängt. Wir haben das jetzt so präpariert,<br />
dass das richtig schön leuchtet und von ewig Wert<br />
und Bestand ist. Denn heutzutage kaufen die Leute<br />
ja gerne Bilder. Früher haben sie Aktien gekauft<br />
oder Immobilien oder sonstigen Schrott, heutzuta-<br />
ge kauft man lieber Kunst. Und wenn man ganz<br />
schlau ist, kauft man sich gleich ein <strong>Lindenberg</strong>-Bild,<br />
weil es natürlich aberwitzige Wertsteigerungen hat.<br />
Bei Saturn gab es mal eine Serie, um die Malerei ein<br />
bisschen zu popularisieren. Jetzt aber gibt es nur<br />
noch Originale. Sie sind mal ein bisschen teurer, mal<br />
ein bisschen billiger. Wer keine Kohle hat, dem schen-<br />
ke ich auch eins, wenn er richtiger Fan ist. Er muss<br />
dann hundert Texte auswendig können. Ansonsten<br />
müssen die Leute lang bezahlen. Und wenn sie be-<br />
sonders reich sind, müssen sie auch besonders lang<br />
legen. Das ist unser Beitrag zur sozialen Gerechtig-<br />
keit, zum sozialen Ausgleich. Reste von Sozialismus.<br />
„Ich bin ein Kind von Willy Brandt und Egon Bahr, Olof Palme.<br />
Natürlich hat mich das auch ein bisschen geprägt.“<br />
Foto: Ralf Bindel<br />
Fotos: Peter Liffers<br />
Was verbindet Sie mit Joseph Beuys, den Sie ja noch<br />
persönlich kennengelernt haben?<br />
Das Entscheidende war ja der Spruch „Jeder ist Künst-<br />
ler“, du musst es gar nicht werden, du bist es einfach.<br />
Du ernennst dich selber zum praktizierenden Künst-<br />
ler und brauchst keine akademische Ausbildung. Es ist<br />
ein Privileg studieren zu können, nicht jeder kann das<br />
machen, nicht jeder hat Lust dazu. Es gibt Leute, die<br />
können viel besser erfinden, wenn sie gar nichts hören<br />
von irgendwelchen Gesetzen und Regeln. Man soll<br />
auch in der Kunst nach den eigenen Gesetzen vorge-<br />
hen. „Jede Hausfrau ist auch Künstlerin“ - ein Spruch<br />
von Beuys. Markus Lüpertz hat mir noch ein bisschen<br />
was beigebracht, auch Immendorf hat mir den einen<br />
oder anderen Trick erzählt. Und mein Bruder.<br />
Auf dem Garderobentisch steht eine Schale mit<br />
Weitrauben, zu denen <strong>Udo</strong> <strong>Lindenberg</strong> während<br />
des Gesprächs immer wieder greift.<br />
Bio? Ja klaa. n<br />
4 www.udo-lindenberg.de