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füR unS iSt umwEltSchutz<br />

EinE pRioRität<br />

Alexey Miller. Vorstandsvorsitzender Gazprom AG<br />

füR EinE zuvERläSSiGE unD “GRünE”<br />

vERSoRGunG mit DEm “blAuEn<br />

bREnnStoff”<br />

Alexander Medvedev. Stellv. Vorstandsvorsitzender der Gazprom AG und Generaldirektor von Gazprom export<br />

DiE GAzpRom-GRuppE SoRGt Sich<br />

um DiE umwElt<br />

Alexander Ischkov. Prof. Dr. chem., Stellv. Leiter des Departements für Transport,<br />

Untergrundspeicherung und Nutzung von Erdgas, Chef der Verwaltung Energieeinsparung und Umwelt der Gazprom AG<br />

DER hAnDEl mit co2-zERtifikAtEn<br />

AlS AnREiz füR co2-REDuktion<br />

unD DiE RollE von Gm&t<br />

Vitaliy Wassiliev. Generaldirektor der Gazprom Marketing & Trading Ltd. London<br />

klimApolitik iSt wiRtSchAftS-<br />

StRuktuRpolitik<br />

Klaus Töpfer. Prof. Dr. Dr. h.c. mult.<br />

06<br />

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ERDGAS iSt DER iDEAlE EnERGiEtRäGER,<br />

um DiE EntwicklunG ERnEuERbARER<br />

EnERGiEn zu flAnkiEREn unD mAcht<br />

DEn bAu von häuSERn mit GERinGEREm<br />

EnERGiEvERbRAch möGlich<br />

Marc Florette. Direktor der Abteilung für Forschung und Eutwicklung GAZ DE FRANCE<br />

nEuE wAchStumSchAncEn<br />

füR StAtoilhyDRo<br />

Margareth Øvrum. Mitglied des Vorstands, verantwortlich für den Geschäftsbereich Technologie und neue Energien<br />

ERDGAS unD SEinE GEopolitiSchE<br />

bEDEutunG füR EuRopA<br />

Phillippe Copinschi. Französischer Experte<br />

DiE oStSEE:<br />

ökoSyStEm in GEfAhR<br />

Professor Olof Lindén, Schweden<br />

DiE finAnzkRiSE unD ihRE AuSwiRkunG<br />

Auf DEn EnERGiEmARkt<br />

Coby van der Linde. Clingendael Internationales Energieprogramm (CIEP), Holland<br />

<strong>itAliEn</strong>: um DiE 570.000 GASfAhRzEuGE<br />

im JAhR 2008 – Ein EuRopäiSchER<br />

REkoRD Auf DEm GASfAhRzEuGmARkt,<br />

DER 2009–2010 wEitER AuSGEbAut wiRD<br />

Sergio A. Rossi. Italienischer Analytiker<br />

wARum StEllEn viElE AutofAhRER<br />

in <strong>itAliEn</strong> Auf GAS um?<br />

Angelantonio Rosato. Italienischer Journalist<br />

ERDöl- unD ERDGASGEwinnunG<br />

in DER ARktiS untER ökoloGiSchEn<br />

GESichtSpunktEn<br />

Anatolij Dmitriewskij. Mitglied der Russischen Akademie der Wissenschaften (RAW), Direktor des Instituts für Erdöl und Erdgas der RAW<br />

Wjatscheslaw Maximow. Stellv. Direktor des Instituts für Erdöl und Erdgas der RAW


fuR<br />

unS iSt<br />

umwElt-<br />

Schutz<br />

EinE<br />

pRioRitAt<br />

Alexey Miller<br />

Vorstandsvorsitzender Gazprom AG


Als eines der weltweit größten Energieunternehmen verfolgt<br />

Gazprom nicht nur das Ziel, eine möglichst hohe Produktionseffizienz<br />

zu erreichen, sondern ist auch daran interessiert, die langfristige<br />

Umweltverträglichkeit unserer Tätigkeit zu gewährleisten.<br />

Der Umweltschutz ist eine Priorität für Gazprom, und wir verfolgen<br />

breitgefächerte Zielsetzungen in diesem Bereich. Dies schließt die<br />

effiziente und kluge Nutzung der von uns geförderten Naturschätze<br />

ein, sowie die besondere Rücksichtnahme auf die Umwelt an allen<br />

Standorten, an denen wir präsent sind. Wir arbeiten hart daran, hohe<br />

Umweltstandards entlang unserer Wertschöpfungskette umzusetzen,<br />

einschließlich bei der Förderung und Verarbeitung sowie bei<br />

Transport und Lagerung von Erdgas. Darüber hinaus sehen wir es als<br />

eine Priorität an, ein sicheres und gesundes Arbeitsumfeld für unsere<br />

Mitarbeiter zu schaffen.<br />

Da Erdgas der ökologisch verträglichste aller verfügbaren<br />

fossilen Brennstoffe ist, laßt sich die durch Gazprom verursachte<br />

Umweltbelastung bereits als geringfügig bezeichnen. Dennoch setzen<br />

wir alles daran, die Auswirkungen unserer Tätigkeit auf die Umwelt weiter<br />

zu minimieren. Jedes Jahr führen wir neue umweltschonende und<br />

energiesparende Technologien ein, und verbessern unser Umweltmanagementsystem.<br />

Für diese Aufgaben stellen wir erhebliche finanzielle Mittel<br />

bereit. Im Jahr 2007 hat Gazprom insgesamt über 12 Milliarden<br />

Rubel für den Umweltschutz ausgegeben, und gleichzeitig “grüne”<br />

Investitionen im Wert von 1,5 Milliarden Rubel getätigt. Diese ernst<br />

zu nehmenden Ausgaben erlauben es, unsere kurz- und langfristigen<br />

Umweltziele auf effiziente Weise zu erreichen und alle international anerkannten<br />

Regeln und Standarts für Umweltschutz und Ressourcenmanagement<br />

einzuhalten.<br />

Das Umweltmanagementsystem von Gazprom ist über<br />

viele Jahre gereift. Mittlerweise verbindet es über 2000 Umweltspezialisten<br />

in praktisch allen Forschungs- und Entwicklungsabteilungen. Um<br />

das System weiter zu verbessern, hat Gazprom im Jahr 2007 ein Team<br />

von Umweltinspektoren sowie einen Koordinierungsausschuss für Umweltfragen<br />

eingerichtet. Eine unabhängige, ebenfalls im Jahr 2007<br />

durchgeführte Überprüfung unseres Umweltmanagementsystems hat<br />

die Effektivität unserer umfangreichen Maßnahmen zur Einhaltung von<br />

Umweltauflagen bestätigt. In Anbetracht dieser positiven Ergebnisse<br />

arbeitet Gazprom nun daran, eine ISO14001-Zertifizierung für unser<br />

Umweltmanagementsystem zu erhalten.<br />

Die Umweltschutzmaßnahmen von Gazprom werden durch<br />

ein spezielles Umweltkontrollsystem für industrielle Prozesse überwacht.<br />

Messgeräte an Abgasquellen zeichnen sämtliche unserer Emissionen<br />

auf und gleichen diese Informationen dann mit Daten der ökologischen<br />

Umgebung unserer Arbeitsstandorte ab. Dadurch können wir<br />

mit hoher Genauigkeit die Quellen und Ursachen von ungewöhnlichen<br />

Verschmutzungsaufkommen identifizieren.<br />

Das Bestreben, flächendeckend Energie einzusparen gehört<br />

zur allgemeinen Firmenpolitik von Gazprom. Eine Steigerung der<br />

Effizienz bei der Nutzung von Erdgas, Elektrizität, Wärme und unterschiedlichen<br />

Kraftstoffen, die für Gasversorgung benötigt werden, hilft<br />

zuverlässig Energie einzusparen. Energieeinsparungen sind vor allem<br />

wegen des hohen Kraftstoffverbrauchs wichtig, der bei der Gewinnung,<br />

dem Transport, sowie der Verarbeitung und Speicherung von Erdgas<br />

anfällt. Die Tatsache, dass unsere Erdgasförderung in immer entlegenere<br />

Regionen verlagert werden muss, die weit von unseren Endkunden<br />

entfernt liegen, verleiht der Frage der Energieeffizienz zusätzliche Bedeutung.<br />

Energieeinsparungen, insbesondere durch die Senkung des<br />

Erdgasverbrauches und -verlustes in der Förderung, können erheblich<br />

dazu beitragen, globale Emissionen zu reduzieren.<br />

Ein Zeichen für die Wichtigkeit, die unser Unternehmen<br />

dem Faktor Umwelt beimisst, ist das “Gazprom-Energieeinsparungsprogramm<br />

2007-2010”. Dieses Programm soll uns dazu verhelfen, in<br />

drei Jahren 9,3 Milliarden Kubikmeter Erdgas, 1 175 Millionen Kilowattstunden<br />

Strom und 1 294 000 Gigakalorien Wärmeenergie einzusparen.<br />

Die Umsetzung des Programms wird uns 8,5 Milliarden Rubel<br />

kosten, wobei wir von möglichen Einsparungen in Höhe von 16,4 Milliarden<br />

Rubel ausgehen.<br />

Kraftfahrzeuge sind mit als die größten Umweltverschmutzer<br />

bekannt. Es wäre falsch, wenn Gazprom als Lieferant des emissionsärmsten<br />

Treibstoffs dieses Thema missachten und nicht ansprechen<br />

würde. Schließlich ist Erdgas gegenwärtig der Treibstoff, der am ehesten<br />

gebrauchsfertig dazu in der Lage ist, Motortreibstoffe auf Erdölbasis<br />

zu ersetzen. Im direkten Vergleich mit Benzin hat Erdgas eine Reihe von<br />

entscheidenden Vorteilen – vor allem, dass es emmissionsärmer verbrennt<br />

und preiswerter ist.<br />

Heute fahren über 9,5 Millionen Kraftfahrzeuge mit<br />

Erdgas. Bezogen auf die Gesamtmenge ist das jedoch noch ein<br />

verschwindend geringer Anteil. Gazprom arbeitet konzentriert dar-<br />

8 9


an, dass dieser Anteil wächst, unter anderem im Rahmen des Programmes<br />

“Entwicklung des Erdgastankstellennetzes und erdgasbetriebener<br />

Fahrzeuge 2007-2015”. Das Projekt sieht unter anderem<br />

vor, an allen Autobahnen und Bundesstraßen in Russland 200 Erdgastankstellen<br />

zu errichten, die dabei helfen sollen, den Ausstoß<br />

von umweltschädlichem Kohlendioxid um 960 000 Tonnen jährlich<br />

zu senken. Natürlich begrüßen wir in diesem Zusammenhang auch<br />

internationale Bemühungen, wie beispielsweise das Projekt “Blauer<br />

Korridor” der UN-Wirtschaftskommission für Europa. Das Projekt ist<br />

dazu ausgelegt, den Güterverkehr in Europa überwiegend auf Erdgasfahrzeuge<br />

umzustellen.<br />

Bei Umweltbelangen ist es wichtig, dass sich Fachleute<br />

mit ihnen befassen, wie in anderen Bereichen auch. Manager und<br />

Spezialisten müssen systematisch geschult werden, um die nötige<br />

Expertise zu erlangen. Um die nötigen Voraussetzungen dafür zu<br />

schaffen, haben wir Weiterbildungs- und Umschulungslehrgänge<br />

zum Themenschwerpunkt Umweltschutz eingerichtet. Gazproms<br />

laufende Ausbildungsverfahren finden im Forschungsinstitut für<br />

Weiterbildung an der Staatlichen Russischen Gubkin-Universität für<br />

Erdöl und Erdgas in Moskau, im Ausbildungszentrum für industrielle<br />

Forschung und Entwicklung in Kaliningrad, und im firmeneigenen<br />

Institut statt.<br />

Gazpom versucht sich beim Umgang mit dem Umweltschutz<br />

nicht abzuschotten. Wir sind bereit, unser Wissen und unsere<br />

Erfahrungen mit allen interessierten Kreisen zu teilen. Wir sind aktive<br />

Teilnehmer an nationalen und internationalen Foren, Konferenzen und<br />

Ausstellungen, auf denen wir die Umweltaspekte unserer Arbeit vorstellen<br />

und versuchen, das Beste von dem zu übernehmen, was unsere<br />

Kollegen präsentieren.<br />

Als eines der ersten russischen Unternehmen haben wir<br />

1995 eine eigene Umweltpolitik formuliert, die im Jahr 2008 erweitert<br />

und erneuert wurde. In dem Maße, in dem Gazprom zu einem globalen<br />

Energiekonzern heranwächst, wächst auch die Verantwortung<br />

unseres Unternehmens dafür, die Umwelt zu schützen, umweltverträglich<br />

zu produzieren und unsere ökologischen und sozialen Verpflichtungen<br />

einzuhalten. Das stabile Wachstum unseres Konzerns<br />

ist untrennbar mit der Frage verbunden, unsere Ressourcen so effizient<br />

wie möglich zu nutzen und die Umwelt für kommende Generationen<br />

zu erhalten.<br />

10


fuR EinE<br />

zuvERlAS-<br />

SiGE unD<br />

“GRunE”<br />

vERSoRGunG<br />

mit DEm<br />

“blAuEn<br />

bREnnStoff”<br />

Alexander Medvedev<br />

Stellv. Vorstandsvorsitzender der Gazprom AG<br />

und Generaldirektor von Gazprom export


Erdgas ist der sauberste aller heute bekannten fossilen<br />

Brennstoffe. Wir alle, die wir im Gazprom – Konzern arbeiten, sind<br />

verpflichtet, Erdgas möglichst umweltfreundlich und vor allem zuverlässig<br />

zu fördern und zu transportieren. Seit nunmehr 40 Jahren<br />

lassen wir uns in unserem tagtäglichen Geschäft von dieser Prämisse<br />

leiten, und das vor allem auch bei der Verwirklichung unseres<br />

langfristigen Ziels – der Sicherung der globalen Energieversorgung<br />

und dem Erhalt unserer Umwelt.<br />

Laut Angaben der Internationalen Energieagentur IEA<br />

soll der europäische “Erdgasimport unaufhaltsam anwachsen und<br />

sich bis zum Jahr 2030 um mehr als zwei Drittel erhöhen”. Für die<br />

Vereinigten Staaten von Amerika stellt das Energieministerium die<br />

Prognose auf, dass der Verbrauch von Erdgas in den USA von 634<br />

Milliarden Kubikmetern in 2004 auf 733 Milliarden Kubikmeter in 2015<br />

ansteigen, also um mehr als 15% in die Höhe schießen könnte.<br />

Unser Konzern ist bereit, diese steigende Nachfrage zu<br />

befriedigen. Auf Rußland entfallen ein Drittel aller weltweit bekannten<br />

Erdgasreserven und zum gegenwärtigen Zeitpunkt ein Viertel<br />

der weltweiten Erdgasförderung. Gazprom ist der größte russische<br />

Konzern auf dem Erdgassektor und verfügt über 60% der erwiesenen<br />

russischen Erdgasvorräte. Dabei fördert Gazprom 85% des russischen<br />

Erdgases und kontrolliert 98% des russischen Erdgastransportnetzes.<br />

Nach russischem Gesetz hat ausschließlich Gazprom<br />

das Recht, Erdgas auszuführen, und so sind wir für ein Viertel der<br />

weltweiten Erdgasexporte verantwortlich.<br />

Während wir Erdgas fördern und an die Kunden in über<br />

20 Ländern exportieren, setzen wir alles daran, unseren Umweltschutzverpflichtungen<br />

gerecht zu werden. Das wesentliche strategische<br />

Ziel von Gazprom ist es, ein stabiles Wachstum zu sichern<br />

und gleichzeitig die Umwelt an all unseren Standorten zu schützen.<br />

Dabei werten wir kontinuierlich aus, wie sich unsere Projekte auf die<br />

Umwelt auswirken.<br />

Im Jahr 2007 gab Gazprom über 12 Milliarden Rubel,<br />

das sind 8,4% mehr als 2006, für den Naturschutz aus. Wir haben<br />

einen Koordinationsausschuss für Umweltschutz ins Leben gerufen,<br />

dessen Ziel es ist, in allen zur Gazprom-Gruppe gehörenden Unternehmen<br />

die Effizienz zu steigen und somit ihren Kohlendioxidausstoß<br />

zu verringern. 2007 konnten der Wasserverbrauch sowie die<br />

Abwasser- und Abfallmengen bei unseren Tochterfirmen um 2% bis<br />

3% reduziert werden. Der Ausstoß von Schadstoffen ist geringfügig<br />

um 1,6% angestiegen, gleichzeitig aber wurden die grenzwertüberschreitenden<br />

Emissionen um 70% gesenkt.<br />

Unsere Arbeit geht allerdings weit darüber hinaus. Während<br />

Gazprom neue Märkte erschließt und seine Geschäftsfelder<br />

erweitert, bleibt eine zuverlässige Belieferung mit Erdgas unsere<br />

höchste Priorität und dass der blaue Brennstoff so “grün” wie möglich<br />

ist.<br />

14 15


DiE<br />

GAzpRom-<br />

GRuppE<br />

SoRGt<br />

Sich um<br />

DiE<br />

umwElt<br />

Alexander Ischkov<br />

Prof. Dr chem., Stellv. Leiter des Departements Transport,<br />

Untergrundspeicherung und Nutzung von Erdgas,<br />

Chef der Verwaltung Energieeinsparung und Umwelt der Gazprom AG


Im September 2008 hat der Vorstand der Gazprom AG eine<br />

neue Umweltpolitik für das Unternehmen festgelegt.<br />

Tatsächlich hat Gazprom schon immer zur Verbesserung<br />

der ökologischen Situation nicht nur in Russland, sondern auch in anderen<br />

europäischen Ländern beigetragen. Bereits in den 80er Jahren erlebte<br />

Moskau als große Metropole und eine des wichtigsten Industriestädte<br />

Russlands eine spürbare Verbesserung durch den Übergang ihrer Energieversorgung<br />

von Kohle und Heizöl auf Erdgas.<br />

Die ersten Lieferungen von Erdgas nach Deutschland<br />

führten zu einer bemerkenswerten Reduzierung schädlicher Emissionen<br />

aus Wärmekraftwerken und trugen in der Folge zu einem verminderten<br />

Ausstoß von Treibhausgasen bei. Es fällt schwer, sich heutzutage<br />

die sehr lebenswerten Städte in Deutschland, Österreich, Italien<br />

und anderswo in Europa ohne russisches Gas vorzustellen. Wir haben<br />

uns immer nicht allein als Energielieferant betrachtet, sondern auch<br />

als Lieferant sauberer Luft. Das ist der Grund, weswegen Gazprom das<br />

Prinzip nachhaltiger Entwicklung zum Grundprinzip seiner Aktivitäten<br />

erklärt hat.<br />

Die Grundlage der Strategie unseres Unternehmens läßt<br />

sich vielleicht so zusammenfassen: Eine dynamische Wirtschaftsentwicklung<br />

bei optimaler und vernünftiger Nutzung der natürlichen Ressourcen<br />

und die Erhaltung einer gesunden Umwelt für zukünftige Generationen.<br />

Kosteneffiziente Ressourcennutzung und Energieeffizienz<br />

sind die wesentlichen Komponenten der Umweltpolitik unseres Unternehmens.<br />

Gazprom verringert jährlich den eigenen Verbrauch von Erdgas<br />

für den internen technischen Bedarf um 3–5%. Um den gleichen Prozentsatz<br />

wird jährlich der Verlust von Erdgas bei Förderung und Transport<br />

verringert. Nach der Ratifizierung des Kyoto-Protokolls war Gazprom<br />

eines der ersten russischen Unternehmen, das eine Bestandsaufnahme<br />

des eigenen Ausstoßes von Treibhausgasen durchgeführt hat. Wir haben<br />

damals ein Aktionsprogramm zur Energieeinsparung verabschiedet, das<br />

uns in die Lage versetzen wird, bis zum Jahr 2012 unsere Treibhausgasemission<br />

auf 165 Mio. Tonnen zu verringern.<br />

Ein strategisches Projekt von Gazprom ist die Nordeuropäische<br />

Erdgaspipeline, die über den Grund der Ostsee führt (Nord Stream).<br />

Nord Stream wird es möglich machen, pro Jahr zusätzliche<br />

55 Mrd Kubikmeter russischen Erdgases nach Europa zu exportieren,<br />

was den Erdgasanteil in der Energiebilanz vergrößern wird, und somit Europa<br />

helfen wird, die Verpflichtungen aus dem Kyoto-Protokoll zu erfüllen.<br />

Nord Stream ist die umweltfreundlichste Option für den Transport von<br />

russischem Erdgas. Bei einer Beförderung von Erdgas auf dem Landweg<br />

nach Deutschland würden 2,06 Mio Tonnen CO 2 entstehen, befördert als<br />

Flüssiggas wären es 14,48 Mio Tonnen, und durch eine Pipeline auf dem<br />

Meeresboden sind es nur 1,47 Mio Tonnen.*<br />

Ähnliche ökologische Kennziffern gelten auch für die geplante<br />

South Stream Pipeline. Neben erneuerbaren Energien ist russisches<br />

Gas, das durch dieses weitverzweigte Pipelinesystem geliefert wird, der<br />

einzig realistische Weg zur Verwirklichung aller ehrgeizigen Pläne für die<br />

Verminderung von Treibhausgasemissionen in Europa bis 2020.<br />

Neben dem Energiesektor wird auch die ökologische Situation<br />

in vielerlei Hinsicht vom Transport bestimmt. Die Gazprom-Gruppe arbeitet<br />

zielgerichtet auf die Umstellung verschiedener Verkehrsmittel auf Erdgas hin.<br />

In Russland ist der Preis für Gas, mit dem Kraftfahrzeuge betankt werden können,<br />

2–2,5 mal niedriger, als der für Benzin. Gazprom’s Planungen beinhalten<br />

den Bau von 200 Gastankstellen in Russland, was den Ausstoß von giftigen<br />

Emissionen um fast 1,5 Mio Tonnen verringern würde. Fahrzeuge, die Erdgas<br />

tanken, würden den Ausstoß von Treibhausgas sogar um 25% reduzieren.<br />

Alexey Miller, der Vorstandsvorsitzende von Gazprom, hat<br />

im Juni 2008 den europäischen Aktionären von Gazprom den Vorschlag<br />

unterbreitet, ein großflächiges Netzwerk von Gastankstellen für Kraftfahrzeuge<br />

in Europa zu schaffen. Die erste Phase dieses Plans könnte<br />

das Projekt “Blauer Korridor” von Rom bis Helsinki sein, durch den Erdgas<br />

verbreitet werden soll (siehe Karte).<br />

In der Zukunft wird es möglich sein, ähnliche solche “Korridore”<br />

entlang den europäischen Autobahnen zu schaffen. Dies könnte somit<br />

ein weiterer Faktor werden, um den europäischen Transport umweltfreundlicher<br />

zu gestalten, in erster Linie im Hinblick auf Lastkraftwagen und Busse.<br />

* Bei einer Betriebsdauer von 50 Jahren würde die Unterseeroute unter anderem eine Reduzierung der<br />

CO 2 -Emission um 200 Mio. Tonnen gegenüber der Uberlandroute bedeuten.<br />

Quelle: Wintershall, 2009, Nord Stream Eco-Efficiency Analisis, January 2009, S.12<br />

18 19


FlorENz<br />

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MUNCHEN<br />

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MoskaU<br />

Durch die Realisierung der ökologischen Strategie verringern<br />

wir ständig die negative Einwirkung aller Faktoren der wirtschaftlichen<br />

Tätigkeit auf die Umwelt. Die Gazprom AG ist der Vorreiter bei der<br />

Verwirklichung ökologischer Programme in Russland.<br />

Die jährlichen Aufwendungen für Umweltschutzmaßnahmen<br />

im Bereich der Förderung und Beförderung von Erdgas erreichen rund<br />

250 Mio. Euro. Bei neuen Projekten bilden die Umweltschutzmaßnahmen<br />

bis zu 5% der Gesamtkosten.<br />

Die großflächigen Programme zur Gasversorgung Ostsibiriens<br />

und des Fernen Ostens werden den Verbrauch von Heizöl und Diesel<br />

in diesen Regionen sowie den Ausstoß von Treibhausgasen bis 2020 auf<br />

25–30 Mio. Tonnen verringern. Die geplante Reduzierung giftiger Schadstoffemissionen<br />

ist auch für die verwundbaren und einzigartigen Ökosysteme<br />

Sibiriens und des Fernen Ostens von größter Bedeutung.<br />

Bis 2011 werden die Gazprom AG und die mit ihr verbundenen<br />

Unternehmen (in erster Linie die Tochtergesellschaft Gazprom Neft)<br />

die Nutzung von Erdöl- und Niederdruckgas auf 95% steigern, um endlich<br />

das Abfackeln dieses Gases überflüssig zu machen.<br />

Die Gazprom-Gruppe hat eine eigene Firma für die Entgasung<br />

der Kohlevorkommen im Kusnezker Becken gegründet. Damit kann<br />

die ökologische Situation in diesem Gebiet wesentlich verbessert werden,<br />

weil das abgesaugte Gas zur öffentlichen Gasversorgung und im<br />

Transport genutzt werden kann.<br />

Bei Gazprom arbeiten viele Fachökologen. Wir messen der<br />

Zusammenarbeit mit russischen und internationalen Nichtregierungsorganisationen<br />

eine hohe Bedeutung zu. Alle Projekte der Gazprom-Gruppe<br />

durchlaufen öffentliche Kosultationen auf verschiedenen Ebenen. Schon<br />

im Anfangsstadium des Projektmanagements werden die Meinungen internationaler<br />

und regionaler Umweltorganisationen berücksichtigt.<br />

Durch die Verbindung der mit dem Erdgas verbundenen<br />

ökonomischen und ökologischen Vorteile will Gazprom nicht nur ein internationales<br />

Energieunternehmen werden, sondern auch ein Vorreiter<br />

im Streben nach nachhaltiger Entwicklung.<br />

20 21


DER hAnDEl<br />

mit co2zERtifikAtEn<br />

AlS AnREiz<br />

fuR co2-<br />

REDuktion<br />

unD<br />

DiE RollE<br />

von Gm&t<br />

Vitaliy Wassiliev,<br />

Generaldirektor der Gazprom Marketing<br />

& Trading Ltd. London


Eine steigende Anzahl wissenschaftlicher Studien belegt<br />

den Einfluss menschlichen Handelns auf den Klimawandel, genauso wie<br />

den hohen wirtschaftlichen Preis, den unsere Gesellschaften bei Untätigkeit<br />

bezahlen müssen. Das hat Regierungen dazu gezwungen mit einem<br />

internationalen Vorgehen aufzuwarten mit dem Ziel, die negativen<br />

Auswirkungen des Klimawandels zu bekämpfen. Die daraus resultierenden<br />

Handelsaktivitäten mit CO 2 -Emissionsrechtezertifikaten wurden zu<br />

Begründern eines neuen ökologischen Marktes, von dem erwartet wird,<br />

dass er bis 2012 ein Volumen von €400 Milliarden erreicht.<br />

Das Kyoto-Protokoll, das die Regeln für diesen Markt<br />

aufgestellt hat, ist im Februar 2005 in Kraft getreten. Die wichtigste<br />

Funktion des Protokolls besteht darin, dass es für alle unterzeichnenden<br />

Staaten verbindliche Emissionsziele festsetzt, die in verschiedenen<br />

Ländern von -8% bis zu +10% der Emissionsmessungen von 1990<br />

reichen. Während des ersten Verpflichtungszeitraums von 2008–2012<br />

sollen diese Ziele dazu führen, die Gesamtemissionen um 5,2% des<br />

Niveaus von 1990 zu senken.<br />

Das Kyoto-Protokoll enthält drei Marktmechanismen mit<br />

dem Ziel, flexible Hilfsmittel bereitzustellen, um die CO 2 -Reduktionsziele<br />

zu erreichen. Die drei Marktmechanismen heißen: i) Internationaler<br />

Emissionsrechtehandel, ii) der Mechanismus für umweltverträgliche<br />

Entwicklung (Clean Development Mechanism, kurz: CDM) und iii) Gemeinschaftsreduktion<br />

(Joint Implementation, kurz: JI). Diese Mechanismen<br />

wurden entwickelt, um die kostengünstigsten Möglichkeiten<br />

zur Verringerung von Emissionen zu identifizieren, indem Investitionen<br />

in den Ländern ermöglicht werden, in denen die Kosten für das Vermeiden<br />

einer Tonne von CO 2 -Emissionen geringer als in den Industrie-<br />

ländern sind.<br />

Der CDM-Mechanismus unterstützt Entwicklungsländer<br />

in ihrer nachhaltigen Entwicklung, indem er Industrieländern erlaubt,<br />

Projekte zur Verminderung von Emissionen in Entwicklungsländern zu<br />

finanzieren. Der JI-Mechanismus funktioniert ähnlich, mit dem Unterschied,<br />

dass hier Investitionen in Ländern gewährt werden, die bereits<br />

feste Emissionsreduktionsziele haben. Zusätzlich müssen JI-Länder,<br />

die am Handel mit CO 2 -Emissionsrechtezertifikaten teilnehmen wollen,<br />

bestimmte Auswahlkriterien erfüllen, um die genaue Berechnung und<br />

Erfassung aller CO 2 -Emissionsverminderungen zu gewährleisten. Die<br />

entsprechenden Berechnungseinheiten werden in jedem Land in einem<br />

nationalen Register gespeichert und von den zugeteilten Einheiten (Assigned<br />

Amount Units, kurz: AAUs) des JI-Landes abgezogen.<br />

24<br />

DER Eu-EmiSSionShAnDEl<br />

unD DER ElEktRizitätSSEktoR<br />

Der Hauptantrieb für die Nachfrage nach Emissionsrechten<br />

ist das europäische Emissionshandelssystem (EU ETS),<br />

das weltweit größte Handelssystem dieser Art. Ein großer Anteil der<br />

Installationen mit dem größten CO 2 -Ausstoss – das sind Anlagen,<br />

deren CO 2 -Emissionen einem Anteil von 45% aller CO 2 -Emissionen<br />

in der EU entsprechen- haben ihre Emissionsrechte frei zugeteilt<br />

bekommen. Die Zuteilung einer begrenzten Anzahl an Emissionsrechten<br />

deckelt konsequenterweise die Menge der CO 2 -Emissionen,<br />

die in die Atmosphäre gelangen würden. Wenn man bedenkt,<br />

dass Energieproduktion und -verbrauch etwas über 80% aller<br />

Treibhausgasemissionen in der Europäischen Union (EU25) ausmachen,<br />

ist der Elektrizitätssektor der Sektor mit dem höchsten<br />

Reduktionspotential. Dazu gibt es dann verschiedene Möglichkeiten:<br />

Umstellen auf Brennstoffe mit einem niedrigeren CO 2 -Gehalt,<br />

wie beispielsweise Erdgas, oder energieeffizienzfördernde Maßnahmen<br />

an den Installationen durchzuführen, um den Verbrauch<br />

zu senken, und damit eben auch die CO 2 -Emissionen, die in die<br />

Atmosphäre gelangen.<br />

Alternativ müssten Teilnehmer des EU ETS zusätzliche<br />

Emissionszertifikate kaufen, bis zu einer Grenze, die vom jeweiligen<br />

Mitgliedstaat festgesetzt ist. Im Allgemeinen beeinflusst der<br />

Preis von CO 2 -Rechten die Investitionsentscheidungen der Elektrizitätsproduzenten,<br />

in der Hinsicht sauberen Brennstoff effizient<br />

zu verbrennen, und die verwendeten Technologien breiter zu fächern.<br />

RuSSlAnD unD DAS kyoto-pRotokoll<br />

Russlands Ratifizierung des Kyoto-Protokolls war der<br />

bisher wichtigste Meilenstein im weltweiten Vorgehen gegen den<br />

Klimawandel und ist bei weitem die wichtigste Errungenschaft heutiger<br />

Umweltpolitik, Wirtschaft und Umweltgesetzgebung. Um in<br />

Kraft zu treten, musste Kyoto von einer Anzahl von entwickelten<br />

Ländern ratifiziert werden, die für mindestens 55% der weltweiten<br />

Treibhausgasemissionen verantwortlich sind. Nachdem die USA<br />

aber vom Kyoto-Protokoll zurückgetreten waren, konnte diese Zahl<br />

nur mit der Unterstützung Russlands erreicht werden, nachdem<br />

Russland für 17% der weltweiten Treibhausgasemissionen verant-<br />

25


wortlich ist. Daher war die Ratifizierung durch Russland entscheidend<br />

dafür verantwortlich, dem Kyoto Protokoll und seinem Inhalt<br />

Rechtskraft zu verleihen.<br />

Die individuelle Zielsetzung für Russland im Rahmen<br />

des Kyoto-Protokolls besteht darin, Treibhausgasemissionen auf<br />

dem Niveau des Jahres 1990 bis in das Jahr 2012 zu halten. Allerdings<br />

muss man berücksichtigen, dass Jahre des wirtschaftlichen<br />

Verfalls und des Untergangs der Sowjetunion dazu geführt haben,<br />

dass das heutige Emissionsniveau niedriger als das von 1990 ist,<br />

wodurch Russland ein Überschuss von Emissionszertifikaten bleibt,<br />

besser bekannt unter dem Namen “heiße Luft”.<br />

Ohne weitere Maßnahmen oder politischen Einfluss<br />

liegt Russlands Überschuss an Zertifikaten im Geltungszeitraum<br />

von Kyoto bei 5.4Gt. Das bedeutet, dass Russland, sollte es in<br />

Zukunft mehr Treibhausgase emittieren als heutzutage, es wahrscheinlich<br />

auch noch 2012 mit dem Treibhausgasniveau von 1990<br />

im Einklang sein wird. Aber genauso könnte der Überschuss an<br />

Zertifikaten schnell “aufgefressen werden” durch die wachsende<br />

Wirtschaft, was keinen Handlungsspielraum für die Zukunft lassen<br />

würde. In Anbetracht dessen, dass der Energieverbrauch pro Einheit<br />

des Bruttoinlandsproduktes in Russland ungefähr dreimal so<br />

hoch ist wie in der EU-15, sollte Russland Energieeinsparungen<br />

fördern und ökomische Anreize für russische Firmen entwickeln,<br />

um die Verschwendung von Energieressourcen zu verhindern. Infolge<br />

dessen sollten sich im Rahmen der JI Finanzinvestoren von<br />

Russland angezogen fühlen, da sie hier die Implementierung von<br />

Technologien mit niedrigem CO 2 -Auststoß und von umweltfreundlichen<br />

Industrietechnologien voranbringen würden.<br />

DiE RuSSiSchEn Ji-pRoJEktE<br />

Am 28. Mai 2007 hat die russische Regierung eine erste<br />

Reihe von Verordnungen verabschiedet, die die Bewilligung von<br />

JI-Projekten und den Handel mit Emissionszertifikaten möglich machen.<br />

Doch diese Verordnungen sind bisher nicht umgesetzt worden,<br />

nachdem die russische Regierung bisher noch kein einziges<br />

JI-Projekt genehmigt hat. Ab dem 20. Juni 2008 hat Russland die<br />

Berechtigungskriterien für den Handel mit CO 2 -Emissionszertifikaten<br />

erfüllt. Aber ohne ein funktionsfähiges Genehmigungssystem<br />

können bisher keine Handelsverträge abgeschlossen werden.<br />

Ungeachtet dieser Hindernisse, kann Russland mit<br />

84 Projekten aufwarten, von denen erwartet wird, Emissionen von<br />

135 Millionen t CO 2 bis 2012 zu reduzieren. In Anbetracht der Rolle<br />

Russlands als führender weltweiter Gaslieferant, ist es kein Zufall,<br />

dass die Mehrheit der Projekte, sowohl nach Zahl als auch nach Umfang,<br />

mit Gas zu tun haben. Die Vermeidung von Methanverlusten<br />

in den Verteilungspipelines führt die Liste an mit anderen Plänen,<br />

wie das Verbrennen von Erdölgas, der Brennstoffwechsel von Kohle<br />

zu Erdgas und Energieeffizienzprojekte, die zur Modernisierung<br />

der Infrastruktur beitragen und zur Förderung von Technologien zur<br />

Energieeinsparung.<br />

Wenn 1.5 Milliarden t CO 2 von projektbasierten Emissionsverminderungen<br />

auf dem internationalen CO 2 -Zertifikatemarkt<br />

gehandelt würden, könnte die russische Industrie bis zu 30 Milliarden<br />

Euro einnehmen. Die Marktteilnehmer des CO 2 -Zertifikatemarktes,<br />

GM&T eingerechnet, beobachten genau die Entwicklung<br />

des JI-Marktes in Russland. Wir sind uns sicher, dass die russische<br />

Regierung Kapital aus den Möglichkeiten, die der JI-Mechanismus<br />

bietet, schlagen wird und alle notwendigen Schritte unternehmen<br />

wird, um diesen neu entstehenden Markt zu unterstützen und zu<br />

pflegen.<br />

DiE RollE von Gm&t<br />

im co 2 -zERtifikAtEmARkt<br />

Als Handelsarm von Gazprom strebt GM&T danach,<br />

den Wert des Angebots durch die Lieferung von konkurrenzfähigen<br />

und innovativen Produkten an unsere Energiekunden in liberalisierten<br />

Märkten zu maximieren. Durch unser britisches Einzelhandelsgeschäft<br />

waren wir das erste Unternehmen, das unseren Kunden<br />

CO 2 -neutrales Erdgas anbieten konnte. Die Stärke unseres Fundaments<br />

im Gasgeschäftsbereich ist für uns die Plattform für den<br />

Handel mit allen möglichen anderen Energiegütern. Wir setzen den<br />

Aufbau eines Handelsplatzes mit multiplen Produkten fort, an dem<br />

wir Gas, LNG, Elektrizität, CO 2 und Erdöl anbieten. Das wird unsere<br />

Konkurrenzfähigkeit weiter erhöhen.<br />

GM&T ist in der einzigartigen Lage, die Brücke zwischen<br />

der CO 2 -Lage seiner Kunden in Westeuropa und CDM-und<br />

JI-Projektmöglichkeiten im Upstreambereich zu bilden. GM&T kann<br />

an diese Projektmöglichkeiten über den Bestand an CO 2 -Projekten<br />

26 27


der Gazprom-Gruppe und durch die Geschäftspartner von Gazprom<br />

auf der ganzen Welt gelangen. Die Kombination seiner natürlichen<br />

Lage auf dem größten JI-Markt, zusammen mit gut entwickelten<br />

Kundennetzwerken in den Ländern, die sich hohe Ziele für Kyoto<br />

gesteckt haben, bringt GM&T in eine vorteilhafte Startposition zum<br />

weltweit führenden Händler von CO 2 -Zertifikaten zu werden.<br />

Wir erachten die Entwicklung der Verhandlungen für die<br />

Zeit nach 2012 für entscheidend, mit der festen Annahme, dass ein<br />

Konsens zwischen der entwickelten und sich entwickelnden Welt<br />

gefunden werden kann um eine nachhaltige Zukunft für kommende<br />

Generationen möglich zu machen.<br />

28


klimApolitik<br />

iSt wiRt-<br />

SchAftS-<br />

StRuktuRpolitik<br />

Klaus Töpfer<br />

Prof. Dr. Dr. h.c. mult.


1. Die Umweltpolitik, besonders die Verantwortung für<br />

eine mit konkreten, übergreifenden Zielen und einem wirksamen Maßnahmenbündel<br />

verbundene Politik gegen den Klimawandel – sie ist<br />

endlich dort angekommen, wo sie bereits lange Zeit hingehört hätte: in<br />

die Verhandlungen und Entscheidungen der Staats- und Regierungschefs.<br />

Was wurde in den letzten Jahren in Deutschland nicht alles zur<br />

“Chefsache” erklärt! Die Rentenentwicklung und die Kosten des Gesundheitssystems,<br />

die Mindestlöhne und die Krippenplätze. Die Liste<br />

ließe sich beliebig fortsetzen. Sicherlich alles wichtige, für die Zukunft<br />

bedeutsame Herausforderungen einer immer älter werdenden, gleichzeitig<br />

zahlenmäßig schrumpfenden Wohlstandsgesellschaft, die auch<br />

immer bunter wird als Konsequenz der Globalisierung und der weltweiten<br />

Migrationsbewegungen.<br />

Klimapolitik? Bestenfalls ein Top-Thema für Umweltminister<br />

und wissenschaftliche Experten. Immer argwöhnisch begleitet vom<br />

Wirtschaftsminister, von der Wirtschaft und auch den Gewerkschaften.<br />

Wird nicht, so wird immer wieder direkt oder indirekt gefragt, durch<br />

Klimapolitik die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes verschlechtert?<br />

Macht das nicht Einschränkungen, gar Verzicht der Bundesbürger erforderlich?<br />

Zumindest aber die Forderung: Erst dann handeln heißt die<br />

Devise, wenn alle weltweit in gleicher Weise eingebunden sind. Gänzlich<br />

unabhängig von den drastisch unterschiedlichen Ausgangsbedingungen.<br />

Jedes Land, so die populistische Forderung, bestens vertretbar<br />

an den Stammtischen der Nation, muss in gleicher Weise das Klimagas<br />

CO 2 vermeiden – unabhängig davon, ob das eine Land bereits über viele<br />

Jahre und Jahrzehnte hinweg massiv CO 2 in die Atmosphäre kostenlos<br />

entlassen hat und gegenwärtig über 20 Tonnen CO 2 pro Kopf und Jahr<br />

emittiert – das andere Land erst in jüngster Vergangenheit gut 3 Tonnen<br />

pro Kopf und Jahr emittiert und das dritte nur etwa 1 Tonne pro Kopf<br />

und Jahr der Atmosphäre zumutet. Dies sind aber genau die Fakten für<br />

die USA, für China und für Indien. So ist es nachvollziehbar, dass gerade<br />

die Entwicklungsländer, so auch Indien und China, immer wieder auf<br />

die bereits auf dem Erdgipfel in Rio de Janeiro 1992 akzeptierte Maxime<br />

verweisen: “A common, but differentiated responsibility”. Also eine<br />

für die globale Staatengemeinschaft gemeinsame, aber eben aufgrund<br />

der Unterschiede im Entwicklungsprozess der einzelnen Länder unterschiedliche<br />

Verantwortung der Nationen für den globalen Einsatz gegen<br />

den Klimawandel.<br />

2. Die Argumentation der hoch entwickelten Länder ist<br />

durch die Ergebnisse des Weltklima-Rates (IPCC) sehr brutal zerstört<br />

worden. Dieses allen Wissenschaftlern weltweit offene Forschungs-<br />

bündnis zur Erforschung der Ursachen und Wirkungen der Klimaveränderungen<br />

hat erdrückende wissenschaftliche Nachweise dafür<br />

geliefert, dass Kohlendioxid und Methan, dass Lachgas und andere<br />

Spurengase als Täter für die steigenden Temperaturen dingfest gemacht<br />

werden müssen. Gegenwärtig wird bereits ein Anstieg der globalen<br />

Mitteltemperaturen um etwa 0,8°C gemessen. Die Auswirkungen<br />

dieser noch vergleichsweise geringen Temperaturerhöhung sind<br />

bereits weltweit unübersehbar und konkret nachweisbar. Sie lassen erahnen,<br />

welche gravierenden Veränderungen der Lebensbedingungen<br />

für die Menschen auf dieser Welt eintreten, wenn dieser Klimaprozess<br />

nicht spätestens bei einem Anstieg der Temperatur von 2°C gestoppt<br />

werden kann. Das Abschmelzen der Gletscher weltweit, die drastische<br />

Verminderung des Polareises, die Veränderung der Vegetationsvoraussetzungen,<br />

das Voranschreiten von Wüstenbildungen, drastische<br />

Wetterereignisse, die in Zahl und Ausmaß zunehmen – alles bereits<br />

nachweisbare, messbare Auswirkungen eines Klimawandels, der von<br />

den Menschen verursacht wird.<br />

3. Darüber hinaus belegen die neuesten wissenschaftlichen<br />

Erkenntnisse, dass der gegenwärtig messbare Temperaturanstieg<br />

den bereits durch Klimagase verursachten Klimawandel deutlich unterschätzt.<br />

So ist die Tatsache, dass insbesondere die Luftbelastungen<br />

durch Partikel und Aerosole vornehmlich in Asien, in China und Indien vor<br />

allem, zu einer Abbremsung des Klimaeffekts führen. Eine erfolgreiche,<br />

für die menschliche Gesundheit in diesen Regionen zwingend notwendige<br />

Luftreinhaltepolitik wird somit gleichzeitig einen beschleunigten Temperatureffekt<br />

mit sich bringen. Berechnet man diesen Effekt, so zeigt sich<br />

sehr klar: Bereits gegenwärtig ist die Welt konfrontiert mit einer Belastung<br />

durch Klimagase, die einen Temperaturanstieg von knapp über 2°C<br />

begründet.<br />

4. Diese wissenschaftlichen Erkenntnisse machen eindeutig<br />

klar: Die Zeit der “Drei-D-Strategie” ist als völlig unverantwortlich entlarvt.<br />

Fakten nicht beachten – “Deny”,<br />

Handlungen und Maßnahmen auf die lange Bank schieben – “Delay”,<br />

und folglich nichts tun – “Do nothing”:<br />

Diese “Strategie” kann von den Menschen weltweit nicht<br />

mehr hingenommen werden. Eine derartige “Strategie” führt dazu,<br />

dass Klimaentwicklungen aus der Dimension heraus wachsen, in der<br />

32 33


sie von der Menschheit noch mit vertretbaren Kosten und mit technischen<br />

Möglichkeiten in den Griff bekommen werden können. Der ehemalige<br />

Chefökonom der Weltbank, Sir Nicholas Stern, hat in seiner,<br />

von der britischen Regierung in Auftrag gegebenen detaillierten Studie<br />

die dramatischen Kosten eines aus der Kontrolle geratenen Klimawandels<br />

vorgerechnet. Dabei muss jedoch auch klargestellt werden:<br />

Der bereits gegenwärtig nicht mehr gänzlich vermeidbare Klimawandel<br />

muss durch Maßnahmen zur Anpassung aufgefangen werden. Die<br />

Entwicklungsländer, die unter diesem nicht mehr vermeidbaren Klimawandel<br />

besonders leiden und weder finanzielle noch technische Möglichkeiten<br />

zur Anpassung haben, erwarten zu Recht die Unterstützung<br />

durch die hoch entwickelten Länder.<br />

5. Es ist somit absolut klar: Eine wirksame Klimapolitik<br />

kann nicht mehr aufgeschoben werden. Es gibt keine wie auch immer<br />

geartete wirtschaftliche Kalamität, die als Begründung für eine<br />

Verschiebung oder eine signifikante Abschwächung der Klimapolitik<br />

angegeben werden kann. Wirtschaftliche Krisen und Umbrüche,<br />

wie tief greifend diese auch immer sein mögen, sind stets korrigierbar,<br />

wenn auch oft mit erheblichen negativen Konsequenzen<br />

für viele Menschen. Ein fast mutwillig ruiniertes globales Finanzsystem<br />

kann, wie gegenwärtig demonstriert wird, mit Garantien<br />

von dreistelligen Milliardenbeträgen vor der Kernschmelze gerettet<br />

werden. Ein ruinierter Planet, ein aus dem Ruder laufender Klimaprozess<br />

kann aber nicht mehr in den Griff bekommen werden, wenn<br />

erst einmal “Tipping Points” des Klimaanstiegs überschritten sind.<br />

Die Konsequenzen für kommende Generationen und für viele Menschen<br />

in den Regionen, die den Klimafolgen in ganz besonderer<br />

Weise ausgesetzt sind, werden dann nicht mehr kalkulierbar sein.<br />

Der Klimaprozess wird dann auch zu einer massiven Destabilisierung<br />

von Gesellschaften und zu erheblichen Migrationsströmen in<br />

dieser Welt führen. Vor diesem Hintergrund ist eine erfolgreiche,<br />

glaubwürdige Klimapolitik eine der entscheidenden friedenssichernden<br />

Maßnahmen unserer Zeit.<br />

6. Erfolgreiche, konsequente Klimapolitik ist somit als<br />

Sicherung der Lebensbedingungen der Menschen und für deren<br />

friedliche Zukunft unumgänglich notwendig. Eine der Klimapolitik<br />

hilfreiche Energiepolitik ist aber auch gleichzeitig eine wirtschaftlich<br />

hoch rentierliche Zukunftsinvestition. Die weiterhin deutlich steigende<br />

Energienachfrage einer zahlenmäßig wachsenden Weltbevölkerung,<br />

auch einer Weltwirtschaft, die für die Überwindung von Armut in den<br />

Entwicklungsländern zwingend wirtschaftliche Entwicklung realisieren<br />

muss, kann nicht mehr allein mit den fossilen Energieträgern Kohle,<br />

Mineralöl und Gas alleine befriedigt werden. Dies ist gegenwärtig jedoch<br />

der Fall, da über 70% der globalen Energienachfrage auf diese<br />

fossilen Energieträger entfällt.<br />

Bereits in den vergangenen Jahren hat sich zunehmend<br />

gezeigt, dass die Nachfrage nach Energie deutlich schneller ansteigt,<br />

als das Angebot folgen kann. Die aktuellen Preisentwicklungen für fossile<br />

Energien können nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich diese<br />

Angebots-Nachfrage-Situation in Zukunft eher noch weiter verschärfen<br />

wird. Erhebliche Konsequenzen für die Versorgungssicherheit und<br />

für die Wettbewerbsfähigkeit der Energieversorgung der verschiedenen<br />

Volkswirtschaften sind die Folgen. Weiteres wirtschaftliches<br />

Wachstum im globalen Maßstab setzt deswegen voraus, dass das<br />

Angebot von Energien erweitert wird und dass in besonderer Weise<br />

die Energieeffizienz geradezu revolutionär erhöht wird. Beide Handlungsfelder<br />

sind nur erfolgreich zu bearbeiten, wenn technologische<br />

Fortschritte mit Durchbrüchen auf den Energiemärkten verwirklicht<br />

werden können. Es ist daher ein zwingendes Gebot jeder Klimapolitik,<br />

die Investitionen in die Erforschung und die Anwendung nicht fossiler<br />

Energieträger, vor allem in die erneuerbaren Energien massiv zu<br />

erhöhen. Dies gilt in gleichem Maße für die breite Erforschung einer<br />

Erhöhung der Energieeffizienz.<br />

Dieser Forschungsschwerpunkt muss auch den Transport<br />

von Energie, insbesondere von Strom, umfassen. Neue technologische<br />

Lösungen etwa in der Hochspannungs-Gleichstrom-Technologie<br />

eröffnen neue Perspektiven für einen weit gehend verlustarmen<br />

Transport von Strom über weite Entfernungen. Eine stärker auf dezentrale<br />

Erzeugung ausgerichtete Stromproduktion macht andere Anforderungen<br />

an die Leitungsnetze erforderlich als diejenigen, die mit<br />

dem gegenwärtigen Netz sichergestellt werden müssen. Erforderlich<br />

wird auch eine massive Stärkung der Forschung im Bereich der Speicherung<br />

von Energie, insbesondere bei Batterien und bei der Erzeugung,<br />

Speicherung und Nutzung von Wasserstoff. Darüber hinaus wird<br />

es notwendig sein, durch eine intelligente Einbindung der IT-Technologie<br />

eine direkte Verbindung zwischen Verbraucher und Erzeuger von<br />

Energie herzustellen. Die unter dem Stichwort “Smart Grid” erfassten<br />

Forschungs- und Entwicklungsmaßnahmen haben höchste Priorität.<br />

Diese sind bereits gegenwärtig technologisch soweit verfügbar, dass<br />

umfassende Pilotverfahren in Angriff genommen worden sind. Die<br />

flächendeckende Realisierung spart Energie und Kosten und schafft<br />

gleichzeitig neue Chancen für die Arbeitsmärkte.<br />

34 35


7. Ein klimafreundliches, CO 2 -ärmeres Energieangebot<br />

und eine die Effizienz entscheidend steigernde Energienachfrage<br />

eröffnen große Perspektiven für den Standort Deutschland. Die<br />

Marktdurchdringung mit neuen Energieträgern und eine technologische<br />

Führungsrolle bei der Energieeffizienz werden in der Zukunft<br />

verstärkt neue Produktionslinien eröffnen und damit Arbeitsplätze<br />

schaffen. Die Förderung dieser energiepolitischen Neujustierung<br />

auf der Angebots- und der Nachfrageseite des Energiemarktes<br />

erweist sich damit als wirksames Instrument zur Überwindung von<br />

wirtschaftlichen Krisensituationen. Dies ist auch von entscheidender<br />

Bedeutung im globalen Zuschnitt. Es ist unübersehbar, dass<br />

diese Welt noch dramatisch geteilt ist mit Blick auf das Wohlstandsniveau<br />

der Menschen. Bereits auf dem Erdgipfel 1992 in Rio de<br />

Janeiro ist in den “Rio Principles” das “Recht auf Entwicklung” aller<br />

Nationen und aller Menschen auf dieser Welt festgeschrieben<br />

worden. Die gegebenen großen Unterschiede im Wohlstand müssen<br />

beseitigt werden, Armut muss überwunden werden – wenn ein<br />

friedlicher Entwicklungsprozess dieser Welt gewährleistet werden<br />

soll. “Entwicklung ist der neue Begriff für Frieden” – dies hat bereits<br />

Papst Paul VI in seiner Enzyklika “Populorum Progressio” visionär<br />

herausgestellt.<br />

Zu Recht haben die Nobelpreisträger, die von Prof. Dr.<br />

Schellnhuber nach Potsdam in das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung<br />

(PIK) eingeladen worden sind, auf diese doppelte Herausforderung<br />

mit besonderem Nachdruck hingewiesen. Der Klimawandel<br />

ist zu vermeiden, ohne dass dadurch die Unterentwicklung des überwältigenden<br />

Teils der Weltbevölkerung festgeschrieben werden muss.<br />

Beide Ziele miteinander zu verbinden, ist somit die große Herausforderung<br />

dieser Welt.<br />

8. In dem Übergangsprozess von einer Energieversorgungsstruktur,<br />

die weltweit auf weit über 70% fossiler Energieträger<br />

aufbaut, zu einer kohlenstoffärmeren Energieversorgung müssen<br />

die einzelnen Energieträger unterschiedliche Beiträge leisten. Es ist<br />

gänzlich unstrittig, dass von den drei fossilen Energieträgern das Gas<br />

die günstigsten Voraussetzungen mit Blick auf die mit der Energieerzeugung<br />

verbundenen CO 2 -Emissionen aufweist. Daher ist rational<br />

zu klären, inwieweit gezielte Minderung der CO 2 -Emissionen dadurch<br />

möglich werden, dass Gas in hoch effizienten Anlagen für die Energieversorgung<br />

genutzt wird. Dabei ist eine sehr enge Zusammenarbeit<br />

mit der Kraftwerkswirtschaft und den Kraftwerksbauern unumgänglich<br />

erforderlich. Neue Dimensionen des Wirkungsgrades sind<br />

bereits realisiert worden. Der Wirkungsgrad wird technologisch weiter<br />

zu erhöhen sein, vornehmlich durch die konsequente Nutzung der<br />

Kraft-Wärme-Kopplung.<br />

Zu unterstreichen ist auch, dass Gas in der stofflichen<br />

Nutzung vor allem in der Chemieindustrie eine hohe Wertschöpfung<br />

hat. Investitionen in eine gesicherte Gasversorgung und in die Effizienz<br />

in der Energienutzung sowohl energetisch als auch stofflich haben<br />

daher für die Klimapolitik gerade in der Übergangsphase zu einer<br />

wirklich nachhaltigen Versorgungsstruktur höchste Bedeutung.<br />

Dabei kann Gas sicherlich auch bei einer Perspektive für die “Clean<br />

Coal”-Technologie umfassende Bedeutung gewinnen. Die saubere<br />

Nutzung der Kohle wird allein aus Gründen der Verfügbarkeit von<br />

Kohle in schnell wachsenden Entwicklungsländern intensive Forschungsbemühungen<br />

und entsprechende Anwendungstechnologien<br />

in den hoch entwickelten Ländern zwingend erforderlich machen.<br />

Wiederum kann eine intensive Nutzung der verschiedenen fossilen<br />

Energieträger einen wichtigen Beitrag zu einer Übergangsphase der<br />

Klimapolitik und zur Sicherung wirtschaftlicher Stabilität in dieser<br />

Welt leisten.<br />

36 37


ERDGAS<br />

iSt DER iDEAlE<br />

EnERGiEtRAGER,<br />

um DiE<br />

Marc Florette<br />

Direktor der Abteilung für Forschung und Erneuerung GAZ DE FRANCE<br />

EntwicklunG<br />

ERnEuERbARER<br />

EnERGiEn zu<br />

flAnkiEREn unD<br />

mAcht DEn bAu<br />

von hAuSERn<br />

mit GERinGEREm<br />

EnERGiEvERbRAch<br />

moGlich


In Frankreich verbrauchen Gebäude 42,5% der gesamten<br />

Energie und produzieren 23% aller ausgestoßenen Treibhausgase.<br />

Der Wohnungsbausektor eröffnet ein riesiges Potential,<br />

den Verbauch zu ökonomisieren, und die Politik strengt sich an, die<br />

Nachfrage nach Energie zu bändigen um Faktor 4 möglich zu machen.<br />

Während Neubauten mit immer strengeren Anforderungen im<br />

Wärmebereich reguliert werden, werden diese Regelungen erst seit<br />

kurzer Zeit auch bei Altbauten angewendet. Dem Renovierungsmarkt<br />

kommt dabei besondere Bedeutung zu, weil er 99% des gesamten<br />

Gebäudebestands darstellt, 3/4 der Gebäude sind dabei bereits miteingeschlossen.<br />

Dabei sind die technischen Anforderungen bei bereits<br />

bestehenden Objekten besonders hoch, weil es bei ihnen nicht<br />

nur um den Austausch von Systemen geht, sondern auch um eine<br />

bessere Wärmeisolierung der Gebäude bei der gleichzeitigen Erhaltung<br />

guter Belüftung.<br />

Die Energieeffizienz von Gebäuden zu erhöhen, erfordert<br />

ein globales Konzept als Wegbereiter für Neubauten und Modernisierungen.<br />

In diesem Zusammenhang befürwortet das Unternehmen Gaz<br />

de France ein bioklimatisches Konzept, das ein Gebäude optimal an<br />

seine Umwelt anpaßt und dazu beiträgt, den Verbrauch von Heizmitteln<br />

zu senken und in der warmen Jahreszeit für angenehm kühle Wohntemperaturen<br />

zu sorgen.<br />

Dieses umfassende Konzept verlangt eine dauernde<br />

Wechselwirkung aller Faktoren des Häuserbaus, wie es sie bis<br />

heute noch nicht gegeben hat. Die Lage wird auch dadurch nicht<br />

einfacher, daß zunehmend unterschiedliche Energiequellen Einzug<br />

in unsere Häuser halten: der Bedarf an Wärme wird nicht mehr allein<br />

durch Gas und Strom gedeckt, sondern zunehmend auch durch<br />

Sonnenwärmeenergie und Photovoltaiktechnologie für die Stromerzeugung.<br />

Diese unterschiedlichen Energiequellen sollten nebeneinander<br />

existieren. Sie sollen die Investitionskosten senken und sich<br />

schnell bezahlt machen, was heute trotz rapider Entwicklung noch<br />

nicht immer der Fall ist. Während im Moment der Bau eines Hauses<br />

mit sehr hoher Energieeffizienz dazu führt, daß er 10 bis 15% teurer<br />

wird, kann ein Teil dieser Kosten abgezogen werden, wenn man die<br />

gesamte Lebensdauer berücksichigt, vom Bau über die Nutzung bis<br />

zum Abriss.<br />

Ein Haus, das bioklimatischen Anforderungen genügt,<br />

das gut isoliert und mit einer hocheffektiven und mit erneuerbaren<br />

Energien ergänzten Gasheizung ausgerüstet ist – ein solch vorteilhaf-<br />

tes Trio bietet eine Antwort auf die Veränderungen, die Frankreichs<br />

Energiepolitik bevorstehen, wie sie auf dem Umweltgipfel von Grenelle<br />

verkündet worden sind.<br />

DiE voRSchläGE DES umwEltGipfElS<br />

von GREnEllE SinD Ein DuRchbRuch füR nEubAutEn<br />

unD foRmuliEREn nEuE DimEnSionEn<br />

in DER wäRmEiSoliERunG von AltbAutEn<br />

Die relativ ehrgeizigen Vorschläge, die der Umweltgipfel von<br />

Grenelle im Bereich der Energieeinsparung in Gebäuden vorgestellt hat,<br />

sollten so realisiert werden, daß Komfort und Luftqualität im Innern des<br />

Gebäudes gewährleistet bleiben. Das zu erreichen wird möglich sein,<br />

wenn eine effektive Durchlüftung, unter anderem durch ein duales Lüftungssystem,<br />

bei der die Abluftwärme zurückgeführt wird und die akustischen<br />

Eigenschaften des Hauses erhalten bleiben. Außerdem müssen<br />

die Bewohner einfach zu bedienende Mittel in die Hand bekommen, mit<br />

denen sie ihre Betriebskosten kontrollieren und optimieren können.<br />

Um die Bemühungen der Akteure zu unterstützen, wurden<br />

weitere Forderungen formuliert: Der Regierungserlass zu Wärmerichtlinien<br />

für Altbauten soll offiziell ab April 2008 in Kraft treten, und zwar für Flächen<br />

über 1000 m 2 , und wenn Modernisierungsarbeiten in einem Umfang anfallen,<br />

die 25% der Gesamtkosten für das Gebäude übersteigen. Bis jetzt<br />

ist derselbe Erlaß seit Juli 2007 nur auf den Austausch von Heizungsanlagen<br />

angewendet worden. Dazu kommt die Energieeinspardiagnose bei<br />

Verkauf oder Vermietung von Immobilien: So soll der Vermieter angehalten<br />

und in die Lage versetzt werden, sein Haus nach dem Energieverbrauch zu<br />

bewerten. Gleichzeitig kann damit überprüft werden, wie weit sich jemand<br />

an die gesetzlichen Bau- und Modernisierungsvorgaben hält. Daran sind<br />

wiederum zwei Bedingungen geknüpft: Die Kontrollmittel müssen so weit<br />

erneuert werden, daß sie dem neuesten Stand der Wissenschaft entsprechen,<br />

um die verschiedenen Energiesysteme realistisch auf ihre Effektivität<br />

hin überprüfen zu können, und die Nutzer entsprechend zu schulen.<br />

ERDGAS iSt, wAS DEn co2-AuSStoß AnGEht,<br />

DiE EffiziEntEStE DER nicht ERnEuERbAREn<br />

EnERGiEquEllEn<br />

In diesem Zusammenhang bietet Erdgas einen Effizienzgrad<br />

der aus mehrfacher Hinsicht benötigt wird.<br />

40 41


Zunächst einmal produziert Erdgas weitaus weniger Treibhausgase<br />

als alle anderen fossilen Brennstoffe und kann der für Heizzwecke<br />

genutzten Elektroenergie direkt angepasst werden. Tatsächlich<br />

werden in gasbetriebenen Heizanlagen weniger Treibhausgase freigesetzt<br />

als in Heizanlagen, die mit elektrischem Strom betrieben werden.<br />

Bei der Erzeugung der entsprechenden Menge elektrischen Stroms in<br />

französischen oder europäischen Wärmekraftwerken entstehen gewaltige<br />

Mengen von Kohlendioxyd, nämlich von 400 Gramm pro Kilowattstunde<br />

(die effektivsten Kraftwerke mit kombiniertem Gaskreislauf) bis zu<br />

1000 Gramm bei Kohlekraftwerken.<br />

Der Gehalt an Kohlendioxyd pro Kilowattstunde elektrischen<br />

Stroms, der produziert werden muß, um anschließend<br />

elektrische Heizanlagen betreiben zu können, entspricht einer<br />

Größenordnung von etwa 600 Gramm CO 2 pro kWh. Zum Vergleich<br />

läßt sich anführen, dass direkt zum Heizen verbranntes Erdgas nur<br />

etwa 230 Gramm CO 2 pro kWh freisetzt. Des weiteren ermöglicht<br />

Erdgas evolutionäre Lösungen, die in Zukunft unterschiedlich aussehen<br />

können: Kondensatorkessel und gemischte Systeme, bei<br />

denen Sonnenenergie und Erdgas zusammen genutzt werden, sind<br />

heute schon verbreitet auf dem französischen Markt; kombinierte<br />

Heizanlagen aus Stromgeneratoren und Wärmepumpen mit Gasmotorantrieb<br />

bergen innovative Lösungen bei spürbar verbesserter<br />

Energieeinsparung. Diese Lösungen sollen der effizienten Deckung<br />

des Energiebedarfs von Altbauten dienen und bieten zugleich neue<br />

Antworten auf die ehrgeizigen, auf Energieeffizienz ausgerichteten<br />

Ziele und Beschlüsse, die auf dem Umweltgipfel von Grenelle formuliert<br />

wurden.<br />

DER konDEnSAtoRkESSEl iSt Schon hEutE<br />

EinE hochEffEktivE löSunG füR DiE AufGAbE<br />

DES ERhAltES unSERER umwElt<br />

Die Kondensatortechnik gewährleistet einen um 10 bis<br />

20% höheren Nutzeffekt als die klassische Kesseltechnik und erlaubt<br />

es, einen sehr hohen Grad nach HPE Standards (Hohe Energieeffizienz),<br />

THPE Standards (Sehr Hohe Energieeffizienz), und<br />

selbst nach BBC Standards (Niedriger Energieverbrauch) zu erzielen.<br />

Letzter formuliert das vom Umweltgipfel von Grenelle bis 2012<br />

gesetzte Ziel von 50 kWh pro beheiztem Quadratmeter im Jahr. Wir<br />

haben hier eine Technologie vor uns, deren Marktanteil von Jahr zu<br />

Jahr kontinuierlich steigt und den gestiegenen Anforderungen von<br />

Verbrauchern gerecht wird, die inzwischen für die Problematik des<br />

Umweltschutzes sensibilisiert sind. Die Entwicklung dieser Technologie<br />

dürfte auch in den kommenden Jahren nicht langsamer voranschreiten,<br />

besonders wenn man den Kondensatorkessel mit individuellen,<br />

solarzellenbetriebenen Wassererhitzern (CESI) kombiniert,<br />

die heißes Wasser für den sanitären Bereich (ECS) produzieren.<br />

Tatsächlich läßt sich die Kondensation ideal mit erneuerbaren Energiequellen<br />

verbinden, besonders mit Sonnenenergie. Entsprechende<br />

technische Lösungen sind heute schon auf dem Markt erhältlich.<br />

2006 sind bereits über 300000 m 2 solar-thermische Anlagen montiert<br />

worden, 220000 davon in Frankreich. Im Vergleich mit 2005 entspricht<br />

das einem Wachstum von 83% (Quelle: “EU-Observer”), und bestätigt<br />

die dynamische Entwicklung in diesem Sektor.<br />

Obwohl die Kondensationstechnologie heute schon weit<br />

fortgeschritten ist, läßt sie sich in zwei wesentlichen Aspekten technisch<br />

noch perfektionieren. Einerseits gibt es das Konzept eines modulierten<br />

Brenners mit geringerer Kapazität, um den Energieverbrauch in Gebäuden<br />

zu senken, andererseits geht es um die Perfektion technischer Lösungen<br />

für Verbrennungsprodukte in gemeinschaftlich genutzten Neubauten<br />

und Altbauten.<br />

DAS blockhEizkRAftwERk kommt bAlD<br />

in DEn EinzElhAnDEl<br />

Die Entwicklung technischer Lösungen unter Verwendung<br />

von Erdgas wird den Bau von Niedrigenergiehäusern deutlich voranbringen.<br />

Das Blockheizkraftwerk ist eine hocheffiziente Heizung die<br />

gleichzeitig Strom produziert und damit ein konkretes Beispiel für eine<br />

Produktion, die sich in den nächsten Jahren noch weiter entwickeln<br />

wird. Das für den privaten Markt vorgesehene Blockheizkraftwerk mit<br />

Stirlingmotor erzeugt 1 Kilowatt elektrischer Energie auf 14 oder 28<br />

Kilowatt Wärme und deckt damit 100% des Bedarfs an Heizwärme und<br />

heißem Wasser und einen Teil des Elektrizitätsbedarfes eines Standardwohnhauses.<br />

Diese Heizungen können an der Wand oder im Fußboden<br />

montiert werden und helfen Verbrauchern signifikant Kosten einzusparen,<br />

weil sie 10 bis 15% weniger für Energie aufwenden müssen.<br />

Blockheizkraftwerke haben einen hervorragenden Nutzungsgrad,<br />

ohne den Rahmen herkömmlicher Tarife und Meßwerte zu sprengen.<br />

Zur weiteren Effizienzsteigerung kann man für die Erzeugung von<br />

42 43


heißem Brauchwasser auch Solaranlagen zuschalten. Inzwischen<br />

gibt es zwei oder drei Produktionsfirmen für Blockheizkraftwerke.<br />

Sie haben ihre Modelle bei der Internationalen Klimamesse Interclima<br />

2008 vorgestellt, bevor sie 2009 mit ihnen auf den französischen,<br />

deutschen und holländischen Markt gehen. Gaz de France will diese<br />

Technologie nachdrücklich unterstützen und führt inzwischen Demonstrationsveranstaltungen<br />

durch. Von den 40 Modulen, die im<br />

Winterzeitraum 2007–2008 für praktische Tests vorgesehen waren,<br />

konnten bereits 8 zur vollen Zufriedenheit ihrer Kunden in Betrieb<br />

genommen werden. Langfristig könnten diese Heizmodule auch mit<br />

Brennstoffelementen ausgerüstet werden. Was Kosten und Lebensdauer<br />

angeht, ist diese hocheffiziente Technologie allerdings noch<br />

nicht voll ausgereift.<br />

wäRmEpumpEn mit GASAntRiEb:<br />

SyStEmE, DiE koStEnloSE EnERGiE<br />

AuS DER umwElt nutzEn<br />

Die Wärmepumpe mit Gasantrieb (PAC gaz) ist eine Heizlösung,<br />

die eine behagliche Raumtemperatur liefert, indem sie teilweise<br />

kostenlos zur Verfügung stehende Energie nutzt, gewonnen aus ihrer<br />

Umgebung. Dieser Vorteil verleiht ihr eine erstklassige Energieeffizienz<br />

mit einem hohem Wirkungsgrad von 1,2 bis 1,6 im Primärenergieverbrauch.<br />

Damit entspricht sie einem Wirkungsgrad von 3,1 bis 4,2 vergleichbarer<br />

elektrizitätsbetriebener Wärmepumpen. Im Rahmen technischer<br />

Lösungen zu effizienter Energienutzung werden sie auch in<br />

Zukunft eine Rolle spielen.<br />

Auf dem Markt für öffentliche Gebäude sind Wärmepumpen<br />

mit Gasantrieb bereits erhätlich, ebenso für den Dienstleistungsbereich<br />

und den Wohnungsbau. Ihre Leistung liegt zwischen 20 und 80 kW.<br />

Normalerweise sind diese Wärmepumpen reversiv angelegt, d. h. in der<br />

heißen Jahreszeit können sie für angenehm kühle Raumtemperaturen<br />

sorgen. Bei der Optimierung der Gebäudekonzeption soll natürlich berücksichtigt<br />

werden, inwieweit sie sich integrieren lassen.<br />

Was die Verwendung von Wärmepumpen mit Gasantrieb<br />

für den privaten Hausgebrauch angeht, so befinden sich die entsprechenden<br />

Exemplare mit einer Leistung bis 10 kWh im Entwicklungsstadium.<br />

Im Vergleich zum Kondensatorkessel sparen sie noch einmal<br />

20 bis 30% Energie ein. Einige Produzenten kündigen die industrielle<br />

Produktion dieser Wärmepumpen für 2010 an, und Gaz de France wird<br />

versuchen, das Produkt so schnell wie möglich auf den französischen<br />

Markt zu bringen.<br />

Leider wird viel zu selten erwähnt, dass Forschungen im Bereich<br />

der traditionellen Energiequellen, wie Energieingenieure und Anlagenbauer<br />

sie betreiben, die Effizienz von Energiesystemen in Gebäuden,<br />

sowie deren Wirtschaftlichkeit für die Kunden ganz beträchtlich steigern.<br />

Im Besonderen erlauben diese Forschungen der Erdgastechnologie, den<br />

größten Nutzen aus der Umweltverträglichkeit einer Energieform zu ziehen,<br />

die in großer Menge zur Verfügung steht.<br />

Dieser kurze Überblick über Technologien für den Häuserbau<br />

soll die Vielfalt der Lösungsansätze demonstrieren, die es für die<br />

Nutzung von Erdgas gibt – auf jeder einzelnen Stufe des Kampfes gegen<br />

den Klimawandel, den Frankreich und die Europäische Union aufgenommen<br />

haben.<br />

44 45


nEuE<br />

wAchStumS-<br />

chAncEn<br />

fuR<br />

StAtoilhyDRo<br />

Margareth Øvrum,<br />

Mitglied des Vorstands, verantwortlich für den Geschäftsbereich<br />

Technologie und neue Energien


StatoilHydro hat sich dazu entschlossen, seine Investitionen<br />

im Bereich der erneuerbaren Energien weiter auszubauen. Schon heute<br />

sehen wir unsere Position im Erdgassektor als eine wichtige Brücke, eine<br />

sauberere Energiezukunft zu sichern. Beim Einstieg in den Sektor der<br />

erneuerbaren Energien besteht das Hauptziel darin, die Wachstumsambitionen<br />

von StatoilHydro durch die Entwicklung eines profitablen und<br />

wachstumsfähigen Geschäftsbereichs zu unterstützen.<br />

Solche Anstrengungen bringen nicht nur unsere Kompetenzen<br />

und Position im Öl- und Gassektor wirksam zum Einsatz, sondern bringen<br />

auch Mehrwert für unsere Position im Öl- und Gassektor, indem sie<br />

unsere Marktpräsenz als Energieproduzenten in entscheidenden Verbraucherregionen<br />

erweitern und vertiefen.<br />

Die Entwicklung der erneuerbaren Energien sollte nicht als<br />

eine Defensivmaßnahme gewertet werden, sondern als Geschäftschance,<br />

die durch die Herausforderung des Klimawandels noch vergrößert wird. Es<br />

ist ebenso eine Tatsache, dass über die letzten fünf Jahre das Wachstum im<br />

Sektor erneuerbare Energien die Öl- und Gasbestände übertroffen hat.<br />

Das Engagement von StatoilHydro im Bereich der erneuerbaren<br />

Energien kann in folgende Hauptkategorien gegliedert werden:<br />

Elektrizitätsproduktion aus erneuerbaren Energien<br />

Nachhaltige Kraftstoffproduktion<br />

Unser Schwerpunkt liegt in folgenden Bereichen:<br />

Windenergie und erneuerbare Energie auf hoher See<br />

Nachhaltiger Biokraftstoff<br />

Das aufstrebende Wesen vieler neuer Möglichkeiten für die<br />

Energieproduktion macht es schwierig, “die Sieger” der Zukunft auszuwählen.<br />

Um unsere Kompetenzen und ein langfristiges Portfolio auszubauen,<br />

entwickeln wir auch einige Optionen auf anderen ausgewählten Gebieten,<br />

wie Wasserstoff- und Sonnenenergie und geothermische Energie.<br />

wARum mAcht ES Sinn,<br />

Sich Auf ERnEuERbARE EnERGiEn zu konzEntRiEREn?<br />

Die Attraktivität der Industrie für erneuerbare Energien nimmt<br />

wegen ihres großen Wachstumspotenzials zu, dazu kommen die Sorgen<br />

um die Umwelt (besonders um die Herausforderung des Klimawandels<br />

und die lokale Luftqualität), der hohe Preis fossiler Energieträger, sowie<br />

die Sorgen um die Versorgungssicherheit. Obwohl die erneuerbaren<br />

Energiequellen immer noch nur einen kleinen Anteil des globalen Energiemixes<br />

ausmachen, stellen sie eine schnell wachsende Industrie dar,<br />

mit einer bedeutenden Wertentwicklung für Kapitalanleger, und gewährleisten<br />

auch einen immer wichtigeren Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel.<br />

Einige der Antriebsfaktoren für neue Energiequellen – der Klimawandel,<br />

die Versorgungssicherheit und lokale Umweltverschmutzung –<br />

sind auch Herausforderungen für die Öl- und Gasaktivitäten von StatoilHydro.<br />

Wir wünschen uns eine stark aufgestellte Firma, sowohl für die zukünftige Erschließung<br />

wesentlicher Öl- und Gaslagerstätten, als auch für die Zunahme<br />

erneuerbarer Energien als einem neuen Wachstumsgebiet. Damit schaffen<br />

wir Werte für unsere Aktionäre.<br />

könnEn DiE ERnEuERbAREn EnERGiEn foSSilE<br />

bREnnStoffE vERDRänGEn?<br />

Fast alle neuen Energiequellen benötigen einen gewissen<br />

Aufschlag oder Anreize, um für heutige Verbraucher konkurrenzfähig zu<br />

sein. Die am weitesten entwickelten Formen erneuerbarer Energien jedoch,<br />

wie im Inland gewonnene Windenergie oder Elektrizitätsgewinnung<br />

aus Biomasse, sind bereits in vielen Regionen konkurrenzfähig mit Elektrizitätsgewinnung<br />

aus Kohle und Erdgas.<br />

Es ist die Frage gestellt worden, ob ein “subventionierter” Markt<br />

von Natur aus ineffizient ist. Es ist wichtig, diese Zweifel in Betracht zu ziehen<br />

aber meistens ist die Frage nur, wie viel Zeit man braucht, um neue Technologien<br />

in eine kommerziell wettbewerbsfähige Marktposition zu bringen. Dadurch,<br />

dass die Technologie weiterentwickelt wird und die Marktvolumen sich ausdehnen,<br />

haben wir bereits einschneidende Kostensenkungen erreicht, sowohl<br />

bei der Windenergie, der Energie aus Biomasse als auch der Sonnenenergie.<br />

Wie für fast alle anderen Industriesektoren auch, war auch für die erneuerbaren<br />

Energien ein gewisser Innovationsanreiz von Nöten. Es ist wahrscheinlich<br />

überflüssig zu erwähnen, dass auch die Kosten von CO 2 einen Einfluss auf die<br />

relative Wettbewerbsfähigkeit der erneuerbaren Energie haben werden.<br />

Die Länder, die sich heute am meisten um die erneuerbaren<br />

Energien bemühen sind die Länder der Europäischen Union und die Vereinigten<br />

Staaten, mit einer Kombination von starken politischen Ambitionen,<br />

verpflichtenden Zielen und einer Reihe von Regierungsanreizen, die Alternativen<br />

zu fossilen Brennstoffen vorwärts zu bringen.<br />

48 49


Es sollte hierbei erwähnt werden, dass die Märkte für fossile<br />

Brennstoffe durch starke regionale Subventionen beim Verbraucher aufrecht<br />

erhalten werden. Doch um die Lücke zwischen den Kosten der auf<br />

fossilen Energieträgern basierenden Energie und erneuerbarer Energie<br />

zu schließen, müssen erneuerbare Energien weniger kapitalintensiv und<br />

kosteneffizienter werden (Die Energiekosten selbst sind dagegen normalerweise<br />

kostenfrei!). Der Fokus wird deshalb darauf gerichtet sein, Größenvorteile<br />

und Technologieverbesserungen zu erreichen, die Kapazitäten<br />

der Installationen zu vergrößern, sowie Lösungen für Betrieb und Wartung<br />

weiter zu entwickeln.<br />

übERlEGunGEn zuR ElEktRizitätSGEwinnunG<br />

AuS ERnEuERbAREn EnERGiEn<br />

Es wird angenommen, dass die globale Nachfrage für<br />

Energie weiter steigen wird. Der Energiesektor wird allgemein als der<br />

Sektor mit den größten Chancen betrachtet, um Treibhausgasemissionen<br />

zu niedrigstmöglichen Kosten zu senken, hauptsächlich wegen der<br />

großen einzelnen Produzenten von CO 2 , die sowohl Potenzial für eine<br />

größere Energieeffizienz haben, als auch für die Einführung erneuerbarer<br />

Energien.<br />

Einige der Hauptüberlegungen für die Einführung von erneuerbaren<br />

Energiequellen im Elektrizitätssektor sind, welche erneuerbaren<br />

Energiequellen lokal verfügbar sind – z.B. Wind, Sonne, geothermische<br />

oder andere Quellen? Andere wichtige Fragen, die in Betracht gezogen<br />

werden müssen, sind, ob die erneuerbaren Quellen Grundlast- oder Spitzenenergie<br />

zur Verfügung stellen, ob die Netzkapazitäten ausreichen und<br />

zu welchem Preis die erneuerbare Quelle langsam mit dem Energieangebot<br />

abgestimmt werden kann. Es gibt massive Unterschiede bei Quellen und<br />

Potenzial und heute können wir Länder wie Dänemark oder Spanien sehen,<br />

die mit mehr als 15–20% erneuerbarer Energie von der Inlandswindproduktion<br />

versorgt werden während andere Länder, wie Großbritannien oder die<br />

Vereinigten Staaten, starke Wachstumsambitionen bei einer viel kleineren<br />

Ausgangsposition im Bereich erneuerbare Energien haben.<br />

Windenergie auf dem Meer hat ein großes Potenzial und<br />

ist ein rapide wachsendes Geschäftsfeld. Es wird erwartet, dass es<br />

eines der wichtigsten Mittel sein wird, um Europas Ziele bei der CO 2 -<br />

Reduktion im Elektrizitätssektor zu erreichen. Die größte Herausfo<br />

derung für die Produktion von Windenergieproduktion auf hoher See<br />

ist, die Kosten zu senken.<br />

StatoilHydro hat die Ambition ein führender Elektrizitätsversorger<br />

von auf hoher See gewonnener Windenergie, aufbauend auf unserer<br />

einzigartigen Technologieposition, zu werden. Die Produktion von Elektrizität<br />

auf hoher See basiert auf unserer großen Kompetenz für Energiegewinnung<br />

auf hoher See.<br />

nAchhAltiGE bio-kRAftStoff-pRoDuktion<br />

Der Transportsektor ist einer der größten CO 2 -Emittenten<br />

und er enthält wenige Alternativen, außer eben das Fahren zu reduzieren.<br />

Es gibt einen politischen Anstoß für alternative Kraftstoffe, zum Teil<br />

von Klimasorgen getrieben, aber doch in erheblicherem Maße von einem<br />

Wunsch nach Energiesicherheit und der Unterstützung der regionalen<br />

Agrarindustrie.<br />

StatoilHydro hat sich zum Ziel gesetzt, den Bereich nachhaltige<br />

Bio-Kraftstoff-Produktion aufzubauen. Gleichzeitig möchten wir<br />

uns auf langfristigeres Wachstum im Bereich der weniger kostenintensiven<br />

zukünftigen Generationen der Bio-Kraftstoff-Technologie sowie Wasserstofftechnologie<br />

für den Transportsektor positionieren.<br />

Bio-Kraftstoff stellt eine attraktive Chance für ein Geschäftswachstum<br />

dar, das auf eine große politische Nachfrage nach Bio-Kraftstoff<br />

für den Transportsektor zurückgeht. Bio-Kraftstoffe, die auf entsprechenden<br />

Rohstoffen basieren, bieten auch die Möglichkeit für eine bedeutende<br />

CO 2 -Reduktion innerhalb des Transportsektors, die kurz- bis mittelfristig<br />

erreichbar ist.<br />

Ethanol, der aus tropischem Zucker erzeugt wird, hat Produktionskosten,<br />

die mit denen von Benzin konkurrenzfähig sind. Jedoch<br />

sind tarifäre Handelshemmnisse, die landwirtschaftliche Interessen der<br />

Vereinigten Staaten und der EU schützen, eine echte wirtschaftliche Herausforderung<br />

dabei, diese Produkte auf den Markt zu bringen.<br />

Eine nicht zu unterschätzende Kritik wurde bezüglich der<br />

Nachhaltigkeit von Bio-Kraftstoffen erhoben. Diese Skepsis ist eine Herausforderung<br />

für das Bio-Kraftstoffgeschäft. StatoilHydro hat als Antwort<br />

interne Richtlinien für die Suche und Produktion von Bio-Kraftstoffen<br />

entwickelt, um auf diese Sorgen einzugehen und hat das klare Ziel, nur<br />

nachhaltige Bio-Kraftstoff-Produktion zu betreiben. Auch von der Entwicklung<br />

von neuen Generationen von Bio-Kraftstofftechnologien wird<br />

erwartet, dass sie diese Kritikpunkte weiter entschärfen.<br />

50 51


ERDGAS<br />

unD SEinE<br />

GEopolitiSchE<br />

bEDEutunG<br />

fuR<br />

EuRopA<br />

Phillippe Copinschi<br />

Französischer Experte


ERDGAS, DiE EnERGiE DER zukunft<br />

Obwohl Erdgas als Energieträger in der Vergangenheit<br />

weit weniger Beachtung fand als Erdöl und Kohle, weil Erdgas<br />

schwerer zu lagern ist und wegen der hohen Transportkosten, hat<br />

es inzwischen seinen Zenit erreicht. Obgleich Erdgas auch weiterhin<br />

mit anderen Energiequellen in Konkurrenz steht, verzeichnet der<br />

weltweite Verbrauch in den letzten 30 Jahren ein stetiges Wachstum.<br />

Gegenwärtig deckt Erdgas 20% des weltweiten Primärenergieverbrauchs<br />

ab, im Vergleich zu 16% im Jahre 1973. Nach Angaben<br />

der Internationalen Energieagentur (IEA) wird der Anteil von Erdgas<br />

weiter steigen und im Jahr 2030 24% erreichen. In Europa ist dieser<br />

Trend sogar noch deutlicher, weil Erdgas neben erneuerbaren<br />

Energieträgern eine Energiequelle darstellt, deren Gebrauch von allen<br />

am stärksten ansteigt: In den vergangenen 30 Jahren hat sich<br />

der europäische Erdgasverbrauch verdoppelt, während im gleichen<br />

Zeitraum der Verbrauch von Erdöl praktisch stagnierte. Erdgas wird<br />

im wesentlichen zur Produktion von Wärmeenergie verwendet: In<br />

der Wohnungswirtschaft und im Handel, zur Beheizung von Räumlichkeiten<br />

und zum Kochen, in der Industrie und in der Stromproduktion.<br />

Die momentan ansteigende Nachfrage nach Erdgas<br />

läßt sich durch verschiedene Vorteile dieser Energiequelle erklären.<br />

Erstens sind die weltweiten Erdgasreserven bedeutend größer als<br />

die entsprechenden Erdölreserven: Legt man die heutige Förderung<br />

zugrunde, so verfügt die Menschheit mindestens für die kommenden<br />

60 Jahre über ausreichende Erdgasreserven. Über Erdöl läßt<br />

sich Vergleichbares nur für in etwa die nächsten 40 Jahre voraussagen.<br />

Zweitens ist Erdgas eine die Umwelt weitaus weniger belastende<br />

Energiequelle als andere fossile Brennstoffe, weil bei seiner<br />

Verbrennung weder Staub noch Schwefeloxyde anfallen und, was<br />

noch weitaus wichtiger ist, weil Erdgas erheblich weniger Treibhausgase<br />

erzeugt als Kohle oder Erdöl. Drittens ist Erdgas hervorragend<br />

geeignet für die Kraft-Wärme-Kopplung: Die Energeieffizienz von<br />

Gaskraftwerken bei Kraftwerken mit Kraft-Wärme-Kopplung liegt<br />

mit 60% bedeutend höher als bei konventionellen Kohlekraftwerken,<br />

die bestenfalls 45%, oder bei Atomkraftwerken 35% erreichen.<br />

Diese Relation kann bis zu 90% bei Kraftwerken betragen, die beides<br />

erzeugen, in denen also aus Erdgas sowohl Elektrizität als auch<br />

Wärme gewonnen wird. Viertens sind die Baukosten für Gaskraftwerke<br />

(pro Kilowatt) verhältnismäßig niedrig, wenn man sie mit den<br />

Baukosten für Kraftwerke anderen Typs vergleicht. Schließlich und<br />

endlich erlaubt die Gasverflüssigungstechnologie (LNG) heutzutage,<br />

verflüssigtes Erdgas auf Tanker zu verladen und über weite Entfernungen<br />

zu transportieren. Somit trägt es ganz im Sinne sowohl<br />

der Produzenten als auch der Verbraucher zu einer Diversifizierung<br />

der Märkte bei.<br />

EuRopA unD RuSSlAnD:<br />

hiStoRiSchE unD pRivilEGiERtE pARtnER<br />

Aus all den genannten Gründen ist Erdgas eine Energiequelle,<br />

die man in Europa in immer größeren Mengen brauchen wird,<br />

will man die sich gesteckten politischen, wirtschaftlichen und ökologischen<br />

Ziele weiterhin erreichen: den Ausstoß von Treibhausgasen<br />

verringern, gleichzeitig aber auch zuverlässige und bezahlbare<br />

Energielieferungen für die eigene Wirtschaft sichern. Verschiedene<br />

Länder der Europäischen Union fördern Erdgas auf ihren eigenen<br />

Territorien, wie zum Beispiel die Niederlande, Großbritannien und<br />

Dänemark, um die drei Exportländer zu nennen, daneben aber auch<br />

Italien und Frankreich. Die Erdgasproduktion innerhalb der Europäischen<br />

Union deckt etwa 45% des Eigenbedarfs ab. Der Rest wird<br />

importiert, vorwiegend aus Rußland, Norwegen und Nordafrika, im<br />

besonderen aus Algerien und Lybien.<br />

Rußland hat die größten Erdgasvorräte der Erde (etwa<br />

30% der weltweiten Reserven) und ist aus naheliegenden geografischen<br />

Gründen der historische Vorzugslieferant für Europa. Trotz<br />

zunehmender Konkurrenz durch andere an Europa grenzende Lieferanten<br />

wie Algerien, Lybien oder auch Norwegen, von denen allerdings<br />

kein einziger über bedeutendere Reserven verfügt, sind<br />

energiewirtschaftliche Beziehungen zwischen Europa und Russland<br />

für beide Partner von strategischer Bedeutung. Basierend auf<br />

langfristig ausgerichteten vertraglichen Beziehungen sind die russischen<br />

Erdgaslieferungen nach Europa zu keiner Zeit unterbrochen<br />

worden, nicht einmal während des Kalten Krieges. Im Gegenzug erhielt<br />

Russland aus dem Erdgasverkauf nach Europa das für seine<br />

Wirtschaftsentwicklung erforderliche Kapital.<br />

Die allmähliche Erschöpfung der Erdgasvorräte in der<br />

Nordsee zwingt die Europäer zur Erschließung neuer Versorgungsrouten.<br />

Für den Transport von Erdgas muß schließlich auch die entsprechende<br />

Infrastruktur geschaffen werden, sei es in Form von<br />

Pipelines, sei es in Form von Gasverflüssigungsanlagen in den För-<br />

54 55


derländern oder von Anlagen für die Regasifizierung in den Einfuhrländern,<br />

um Flüssiggas (LNG) transportieren zu können. Zur Zeit<br />

werden in allen größeren europäischen Ländern (Großbritannien,<br />

Spanien, Italien, Frankreich, Deutschland, u.a.) viele neue Erdgasterminals<br />

gebaut. Sie sollen dazu dienen, mit der Zeit Erdgas aus<br />

noch weiter entfernt gelegenen Ländern wie Qatar oder aus afrikanischen<br />

Ländern südlich der Sahara zu importieren. Mit der Zeit<br />

werden 25% des nach Europa eingeführten Erdgases in verflüssigter<br />

Form bereit gestellt werden.<br />

Die für eine zukünftige europäische Gasversorgung<br />

strategisch bedeutsamsten Projekte – North Stream und South<br />

Stream bestehen jedoch im Bau neuer Pipelines, durch die Gas<br />

nach Europa geliefert werden kann. Diese beiden Projekte sind außerordentlich<br />

wichtig für eine zuverlässige, langfristige Versorgung<br />

Europas, dessen eigene Resourcen, vor allem in der Nordsee, bald<br />

erschöpft sein werden. Für Europa ist es zwingend erforderlich, den<br />

Bau dieser Infrastrukturprojekte zu unterstützen, weil sie den Europäern<br />

die Garantie bieten werden, dass das in Russland und in Zentralasien<br />

geförderte Erdgas langfristig für Europa bestimmt sein wird.<br />

Tatsächlich kann eine Infrastruktur diesen Typs beide Seiten in einen<br />

Zustand der gegenseitigen Abhängigkeit versetzen. Auf der anderen<br />

Seite ist das genau das Verhältnis, welches bereits zwischen Russland<br />

und Europa besteht: Während 25% des in Europa verbrauchten<br />

Gases aus Russland eingeführt wird, stellt dasselbe nach Europa<br />

ausgeführte Erdgas 75% des russischen Erdgasexports dar. Unter<br />

solchen Bedingungen ist jede Seite daran interessiert, ihre vertraglichen<br />

Verpflichtungen einzuhalten, so wie es zwischen Europa und<br />

Russland auch immer gehalten worden ist.<br />

56


DiE oStSEE:<br />

okoSyStEm<br />

in GEfAhR<br />

Olof Lindén<br />

Professor, Schweden


DiE GESchichtE DER oStSEE<br />

Die Ostsee stellt einen verhältnismäßig jungen Abschnitt<br />

des Atlantischen Ozeans dar. Im Verlauf der letzten Eiszeit, die erst vor<br />

15000 Jahren endete, wurde die baltische Senke von einem massigen<br />

Eisgletscher bedeckt. Während der darauf folgenden 5000 bis 8000<br />

Jahre hat das Gebiet der heutigen Ostsee mehrere Entwicklungsphasen<br />

durchlaufen. Typisch für diesen Prozeß war, daß sich Süßwasserphasen<br />

mit rein maritimen Phasen, unterbrochen von kurzen Brackwasserperioden,<br />

abwechselten. Die Ostsee, wie wir sie heute kennen, ist das Ergebnis<br />

dieser dramatischen Veränderungen. Was wir verstehen müssen,<br />

ist, daß diese Veränderungen anhalten. Wir müssen ein Verständnis dafür<br />

entwickeln, daß einige Veränderungen, die wir heute beobachten, eine<br />

Erscheinungsform dieser fortwährenden, geologischen, nacheiszeitlichen<br />

Prozesse sind.<br />

DiE oStSEE hEutE<br />

Das Ökosystem der heutigen Ostsee wird vornehmlich<br />

durch das Brackwasser bestimmt. Dieser eine Faktor unter vielen sorgt<br />

dafür, daß die Ostsee unter den Randmeeren dieser Welt einen Einzelfall<br />

darstellt. Der Salzgehalt der Ostsee beträgt 8‰ im Süden und 6‰<br />

im Norden. Das entspricht einem Fünftel des für atlantische Gewässer<br />

üblichen Salzgehalts. Weiter nördlich, im Bottnischen Meerbusen und<br />

weiter bis an die Nordküste, fällt der Salzgehalt auf 2 bis 3‰ ab. Der<br />

Salzgehalt ist ein wichtiger Umweltfaktor und wirkt sich als solcher auf die<br />

Verteilung von Pflanzen und Tieren im Meer aus. Die meisten Wasserorganismen<br />

sind entweder ozeanischen oder limnischen Ursprungs, d. h.<br />

sie stammen aus Binnengewässern. Nur wenige Organismen haben sich<br />

an die Überlebensbedingungen im Brackwasser angepaßt. Ein Ergebnis<br />

dessen ist die relative Verarmung des Ökosystems mit einer begrenzten<br />

Anzahl verbliebener biologischer Arten sowohl maritimer wie limnischer<br />

Herkunft. Im Skagerrak beispielsweise leben um die 130 Fischarten, einige<br />

Tausend Wirbelloser und mehrere hundert Arten von Wasserpflanzen.<br />

In der Ostsee dagegen hat nur noch ein unbedeutender Teil dieser Artenvielfalt<br />

überlebt, nämlich insgesamt etwa 70 Arten – Fische, (Makro-)<br />

Meereswirbellose und Algen miteingerechnet. Während die Artenvielfalt<br />

der in der Ostsee lebenden Organismen relativ gering ist, sind einzelne<br />

Angehörige dieser Arten wiederum äußerst zahlreich vertreten. Pflanzenarten<br />

wie etwa der Blasentang (fucus vesiculosus) und das Seegras (zostera<br />

marina) bilden dichte, monospezifische Teppiche, die an seichteren<br />

Stellen weite Teile des Meeresbodens bedecken. Oder Tierarten wie die<br />

Miesmuschel (mytilus edulis) bedecken praktisch alle festen Oberflächen<br />

in den Küstenregionen der Ostsee.<br />

DER fAktoR mEnSch<br />

Das räumliche Einzugsgebiet der Ostsee umfaßt 1,72 Mio<br />

km 2 mit einer Bevölkerung von 85 Millionen Menschen. Etwa die Hälfte<br />

dieser Bevölkerung lebt in Polen. Der Urbanisierungsgrad ist verhältnismäßig<br />

hoch, besonders in Dänemark, Schweden und Deutschland, wo<br />

über 80% der Bewohner dieses Einzugsgebietes in urbanen Regionen<br />

leben. Die Bevölkerung ist vorwiegend in Siedlungsräumen entlang der<br />

Küstenlinie konzentriert. Die Bevölkerungsdichte im gesamten Einzugsgebiet<br />

der Ostsee variiert sehr stark: Während in den urbanen Regionen<br />

Polens, Deutschlands und Dänemarks 500 und mehr Menschen auf einem<br />

Quadratkilometer leben, sind es im Norden Finnlands und Schwedens<br />

10 und weniger Menschen, die sich einen Quadratkilometer teilen.<br />

Alle Ostsee-Anrainerstaaten gelten als Industrieländer, und in den letzten<br />

10 Jahren hat der Industriesektor besonders in den Ländern des ehemaligen<br />

Ostblocks ein erhebliches Wachstum zu verzeichnen. Industrieanlagen<br />

mit dem schädlichsten Einfluß auf das Ökosystem der Ostsee<br />

umfassen die Papier- und Zelluloseproduktion, chemische Industrie, die<br />

Bergbauindustrie und die Nahrungsmittelindustrie. Allerdings sind beträchtliche<br />

Unterschiede in der technologischen Entwicklung der Ostsee-<br />

Anrainerstaaten zu verzeichnen, die sich wiederum im Ausmaß, in dem<br />

der industrielle Sektor auf das Ökosystem einwirkt, widerspiegeln.<br />

Im Gegensatz zum Industriesektor ist die landwirtschaftliche<br />

Produktion in den zurückliegenden Jahrzehnten deutlich zurückgegangen.<br />

Der Anteil landwirtschaftlich genutzter Flächen schwankt zwischen<br />

60% und mehr in Polen und 7% und weniger in Finnland. Eine weite Flächen<br />

umfassende Verschmutzung in Form von Nährstoffen und organischen<br />

Stoffen, wie sie im Verlauf landwirtschaftlicher Bewirtschaftung<br />

auftreten, übt immensen Einfluß auf das Ökosystem der Ostsee aus.<br />

Es steht außer Zweifel, daß die menschliche Aktivität auf<br />

die Qualität der Ostsee einwirkt. Einige menschliche Einflüsse auf die<br />

Ostsee sind jedoch eher scheinbarer als realer Natur: Sie sind entweder<br />

lokal eng begrenzt oder sonst von verschwindend geringer Bedeutung.<br />

Andere Eingriffe dagegen beeinflussen die Produktivität der Ökosysteme<br />

und ihren wertvollen Einfluß auf den Menschen unmittelbar, indem sie die<br />

Existenz einzelner Arten gefährden und eine Gefahr für die menschliche<br />

Gesundheit darstellen.<br />

60 61


Im Folgenden werde ich die gravierendsten Probleme untersuchen,<br />

die einen massiven Eingriff in das Ökosystem der Ostsee darstellen,<br />

weil sie einige biologische Arten in der Ostsee in ihrer Reproduktion<br />

beeinträchtigen und somit in ihrer Existenz gefährden. Zu dieser Kategorie<br />

zähle ich das Problem der Eutrophierung, den Auswurf chemischer<br />

Verbindungen und größerer Mengen von Öl. Eine akute Gefährdung des<br />

Artenbestands geht auch von der Überfischung aus, die dem Ökosystem<br />

der Ostsee irreparablen Schaden zufügt.<br />

DiE EutRophiERunG<br />

Dieser Begriff beschreibt den Einfluß einer unkontrollierten<br />

Menge von Nährstoffen auf das Ökosystem. Eine hohe Nährstoffkonzentration<br />

führt zu einer übermäßigen Vermehrung von Planktonalgen.<br />

Sobald diese Überfülle pflanzlichen Materials abstirbt, absinkt und den<br />

Meeresboden erreicht, verschlingt der Zersetzungsprozeß den im Wasser<br />

vorhandenen Sauerstoff, und damit treten anoxische Bedingungen auf.<br />

Sobald der Sauerstoffgehalt im Wasser gegen Null strebt, können höhere<br />

Lebensformen nicht überleben. Mittlerweile haben wir eine Lage, in der<br />

ein Drittel bis 50% des Tiefseeraums der Ostsee ganz ohne Sauerstoff<br />

sind. Das hat zu einer Entstehung von weiten Flächen toten Meeresbodens<br />

geführt, die sich von Gotland aus nach Osten, Süden und streckenweise<br />

nach Westen, ins Becken von Gdansk und weiter südlich um die<br />

Insel Bornholm herum ausdehnen. Die Eutrophierung stellt zweifellos die<br />

größte Bedrohung für die Ostsee dar. Das ganze Ökosystem wird in Mitleidenschaft<br />

gezogen und die Folgen liegen offen zutage. Die zur Eutrophierung<br />

führenden Faktoren sind nicht auf einen übermäßigen Ausstoß<br />

von Nährstoffen beschränkt. Meeresablagerungen auf dem Boden der<br />

Ostsee zeigen, daß es schon Perioden mit anoxischen Bedingungen gab,<br />

lange bevor der Mensch zu irgendwelchen nennenswerten Emissionen<br />

von Nährstoffen beigetragen hatte. Daneben gibt es eindeutige Beweise<br />

dafür, dass die heutige Situation durch organische und Nährstoffe verursacht<br />

worden ist, die vor längerer Zeit ausgeworfen worden sind. Die extrem<br />

langsam verlaufende Erneuerung des Wassers in der Ostsee und der<br />

Umstand, dass ein beträchtlicher Teil der Nährstoffe, die das Ökosystem<br />

beeinträchtigen, von Prozessen der Remineralisierung herrühren, führen<br />

in der Konsequenz dazu, dass alle Versuche, die Emission von Nährstoffen<br />

einzuschränken, kosmetischer Natur sind.<br />

chEmiSchE vERbinDunGEn<br />

Der Einfluß chemischer Verbindungen, wie Polychlorierte<br />

Biphenyle (PCB), diverse agrochemische Stoffe und metallorganische<br />

Stoffe (in erster Linie Quecksilber und Blei), auf das Ökosystem sowie<br />

auf die biologische Artenvielfalt der Ostsee ist Grund für ernsthafte<br />

Besorgnis. Darüber hinaus stellen einige dieser Stoffe eine Gefahr für<br />

die menschliche Gesundheit dar. Glücklicherweise ist die Konzentration<br />

einiger Stoffe, die in den letzten 30 bis 40 Jahren bei Seehunden<br />

und Seeadlern zu ernsthaften physiologischen Veränderungen geführt<br />

haben, inzwischen wieder zurückgegangen. Für eine Entwarnung ist es<br />

allerdings noch zu früh. Im Ökosystem der Ostsee gibt es heute immer<br />

noch Stoffe in viel zu hoher Konzentration, wie etwa Organozinnverbindungen.<br />

Außerdem beunruhigt Toxikologen, dass neue, derzeit noch<br />

nicht definierte Stoffe im Umlauf sind, die sich auf verschiedene Teile<br />

des Ökosystems nachteilig auswirken.<br />

ölvERklAppunG<br />

Alljährlich kommt es in der Ostsee zu Hunderten geringfügiger<br />

Verklappungen von Schweröl. Einbringungen dieser Art töten<br />

jeden Winter zwischen 100000 und 200000 Seevögel. Potentiell noch<br />

gefährlicher für die Ostsee sind Einleitungen größerer Mengen von Öl.<br />

Bei einer Verklappung von 10000 bis 50000 Tonnen Öl müssen wir für<br />

verschiedene Populationen von Seevögeln in der Ostsee dramatische<br />

Folgen erwarten. Bei einigen dieser Vogelarten kann sogar die gesamte<br />

weltweite Population, oder ein beträchtlicher Teil davon, gefährdet<br />

sein. Darüber hinaus verschmutzt das Öl weite Teile der Küstenlinie,<br />

die nur mit sehr hohen Kosten wieder gereinigt werden können.<br />

übERfiSchunG<br />

Die moderne Fischerei ist ein zusätzlicher, vom Menschen<br />

verursachter Faktor, der zu stärksten Umweltschäden führt. Intensive<br />

Befischung im industriellen Maßstab, insbesondere in Hinsicht<br />

auf Dorsch, hat zu einer Verringerung der Dorschbestände auf einen<br />

unbedeutenden Restbestand im Vergleich zu den Mengen geführt, in<br />

denen er noch in den 1950er Jahren vorkam. Der Dorsch ist der wichtigste<br />

höhere Raubfisch in der Ostsee, und seine übermäßige Befischung<br />

hat zu solchen ökologischen Folgen geführt wie dem Ausblühen<br />

von Wasserpflanzen über weite Flächen, wie es inzwischen jeden<br />

Sommer beobachtet werden kann. Einige Fangmethoden wirken sich<br />

62 63


ebenfalls zerstörerisch auf die Meeresumwelt aus. Das gilt besonders<br />

für die Schleppnetzfischerei, bei der das Netz über den Meeresgrund<br />

gezogen wird.<br />

Im Gegensatz zu den oben beschriebenen Faktoren, von<br />

denen jeder für sich genommen das Ökosystem der Ostsee auf dramatische<br />

Weise belastet, gibt es Formen menschlicher Tätigkeit, die in<br />

ökologischer Hinsicht nur eingeschränkte oder gar keine Wirkung haben.<br />

Dafür liefern sie umso mehr Zündstoff für heiße Debatten, die auch<br />

schon einmal sehr emotional geführt werden können. Zu diesen Formen<br />

der Tätigkeit zählen wir das Ausbaggern des Meeresbodens an einigen<br />

Stellen, um off-shore Windkraftanlagen zu installieren. Auch die im Rahmen<br />

des Nordstream-Projekts geplante Pipeline sorgt für polemische<br />

Auseinandersetzungen, bei denen es nicht um wirkliche, sondern um<br />

Scheinprobleme geht. Ausgehend von Erfahrungen in anderen Meeren,<br />

in denen Erdöl und Erdgas durch Pipelines am Meeresgrund gepumpt<br />

werden, läßt sich feststellen, daß es allenfalls im Verlauf der Verlegearbeiten<br />

an der Rohrleitung auf dem Meeresboden zu zeitweiligen und<br />

örtlich begrenzten Beeinträchtigungen kommen kann. Als Folge der<br />

Wassereintrübung sind gewisse Störungen zu erwarten. Nur sind Folgen<br />

dieser Art zeitlich und räumlich begrenzt. Beobachtungen in der<br />

Nordsee oder im Golf von Mexico geben Anlaß zu der Überzeugung,<br />

daß es in der Betriebsphase keine wesentlichen Einwirkungen der Pipeline<br />

auf den Meeresboden der Ostsee geben wird.<br />

zuSätzlichE infoRmAtionEn<br />

zu fRAGEn DER oStSEE – ökoloGiE:<br />

auf der Webseite der Helsinki – Kommission findet man eine ausführliche<br />

Liste von Veröffentlichungen zur ökologischen Situation<br />

in der Ostsee (http://www.helcom.fi/publications)<br />

Die Ostsee: eine regionale Bewertung der 17 GIWA (Lääne, Kraav, Titova).<br />

UNEP, Nairobi. (www.unep.org/dewa/giwa/publications/r17.asp)<br />

Veränderungen unter der Oberfläche (Barnes) Schwedische<br />

Naturschutz-Agentur (Swedish Environmental Protection Agency),<br />

(www.naturvardsverket.se/bokhandeln)<br />

64


DiE<br />

finAnzkRiSE<br />

unD<br />

ihRE AuSwiRkunG<br />

Auf<br />

DEn<br />

Coby van der Linde<br />

Clingendael Internationales Energieprogramm (CIEP), Holland<br />

EnERGiEmARkt


Während die Krise noch auf den internationalen Finanzmärkten<br />

wütet, sind bereits erste Auswirkungen im Energiesektor zu<br />

spüren. Internationale Ölkonzerne (IOC’s) haben die Entwicklung weniger<br />

rentabler Erdöl- und Erdgasprojekte vorerst aufgeschoben, andere<br />

Projekte werden sicherlich folgen. Die Kosteninflation der letzten Jahre<br />

kommt zu einem zeitweiligen Ende und die Preise für so gut wie alle<br />

Waren und Dienstleistungen, außer vielleicht für Kredite, fallen. Firmen<br />

sind daher bestrebt, die Verträge mit ihren Zulieferern neu zu verhandeln,<br />

um ihre eigenen Entwicklungskosten mit der neuen Preisrealität auf dem<br />

Markt in Übereinklang zu bringen. Es läßt sich nur schwer sagen, ob die<br />

gegenwärtigen Preise für Erdöl und Erdgas ein neues Gleichgewicht zwischen<br />

Angebot und Nachfrage widerspiegeln, oder ob es sich um einen<br />

Ausdruck des momentanen allgemeinen Mißtrauens und des Zweifels an<br />

der Zahlungsfähigkeit der Geschäftspartner handelt, an der Auswirkung<br />

auf die Realwirtschaft und damit den Energiebedarf.<br />

Die jetzige dramatische Neuordnung der Weltwirtschaft<br />

vollzieht sich in einer außerordentlich schwierigen Zeit für die internationale<br />

Öl- und Gasindustrie. Auch wenn einige Verbraucherländer die in<br />

Folge einer Verknappung auf den Märkten für Erdöl, Erdgas und Kohle<br />

gesunkenen Preise für Energieträger begrüßen mögen, so kündigt der<br />

aktuelle Preissturz nur die nächsten Preissteigerungen an, weil sich notwenige<br />

Investitionen in die Energiewertschöpfungskette entscheidend<br />

verzögern. Die spürbare Preissenkung in den Verbraucherländern kann<br />

sich als sehr kurzfristig herausstellen, besonders wenn Investitionen in<br />

neue Förderkapazitäten nicht stattfinden. In Zukunft werden Sorgen um<br />

die Energiesicherheit wieder zunehmen, während die Chancen, sie zu<br />

zerstreuen, schwinden werden, weil viel Zeit erforderlich sein wird, um<br />

das Angebot wieder an die Nachfrage anzupassen.<br />

Viel wird davon abhängen, ob Konzerne und Regierungen<br />

imstande sein werden, dem Problem der aufgeschobenen Investitionen<br />

abzuhelfen. Die Regierungen einiger Erzeugerländer könnten sich dazu<br />

entscheiden, die Höhe der Investitionen beizubehalten, indem sie diese<br />

aus ihren Strukturfonds finanzieren. Aber ein solcher Kurs bietet keine<br />

langfristige Sicherheit. Die Einbindung anderer Wirtschaftsbereiche in die<br />

internationalen Finanzmärkte führt vermehrt dazu, daß diese ihre Regierungen<br />

um Hilfe ersuchen und, ungeachtet der langfristigen Bedeutung<br />

des Energiesektors für ihre Volkswirtschaft, gelten Prioritäten sozialer und<br />

wirtschaftlicher Stabilität auch in den Förderländern. Die Finanzkrise mischt<br />

die Karten in der weltweiten Energiewirtschaft neu. Das kann sich auf die<br />

Energiediplomatie der nächsten Jahre negativ auswirken, sollte die Welt<br />

nicht dazu in der Lage sein, auf sie mit einem kühlen Kopf zu reagieren.<br />

68


<strong>itAliEn</strong>:<br />

um DiE 570.000<br />

GASfAhRzEuGE<br />

im JAhR 2008 – Ein<br />

EuRopAiSchER<br />

REkoRD Auf DEm<br />

GASfAhRzEuGmARkt,<br />

DER<br />

2009–2010<br />

wEitER<br />

Sergio A. Rossi<br />

Italienischer Analytiker<br />

AuSGEbAut<br />

wiRD


Gemessen an der Anzahl von Gasfahrzeugen (GFZ) ist Italien<br />

heute der größte europäische Markt für GFZ. Bis Ende 2008 hat die italienische<br />

GFZ-Flotte etwa 570.000 Fahrzeuge gezählt, mit einem Tankstellennetz<br />

von ungefähr 780 Tankstellen im ganzen Land. Im Vergleich dazu gibt<br />

es in Russland gerade um die 100.000 Fahrzeuge, in Deutschland 70.000,<br />

in Schweden 16.000 und in Frankreich 11.000 Gasfahrzeuge.<br />

Es ist zwar richtig, dass Italien auf einer weltweiten Skala<br />

der Gesamtzahl von GFZ nur den 6. Platz nach Argentinien, Pakistan,<br />

Brasilien, dem Iran und Indien, und vor China einnimmt, aber nach der<br />

Anzahl von erdgasbetriebenen Personenkraftwagen übertrifft es auch Indien,<br />

und kommt in dieser Kategorie auf den 5. Platz. Außerdem haben<br />

die meisten dieser Länder entweder spezielle lokale Bedingungen und<br />

spezialisierte Einrichtungen, wie Argentinien und Brasilien in Südamerika,<br />

oder unterscheiden sich ausdrücklich von Italien durch eine größere<br />

Bevölkerung und ein niedrigeres Entwicklungsniveau der Wirtschaft, zusammen<br />

mit einer bedeutsam niedrigeren Kaufkraft ihrer Durchschnittsverbraucher.<br />

Es gibt mindestens drei Gründe, warum Italien an der Spitze<br />

der Industrieländer, was GFZ angeht, steht. Nach der Untersuchung<br />

einiger Experten (zum Beispiel Pierre Fischer vom Unternehmen Swagelok)<br />

besteht der erste Grund darin, dass “die italienische Gasindustrie<br />

Argentinien 1721,1<br />

pakistan 1658<br />

brasilien 1155,8<br />

Die top 10 länder mit den meisten<br />

Gasfahrzeugen (Gfz)<br />

iran 826,6<br />

indien 821,8<br />

italien 570<br />

china 336<br />

kolumbien 261,4<br />

bangladesch 180<br />

ukraine 120<br />

quellen: ngvgroup.com, federmetano.it, ilsole24ore.com, Oktober 2008.<br />

– GFZs in Tausend<br />

am meisten aus dem einfacheren Zugang zu Erdgas gemacht hat. Dank<br />

einer Pipeline, die von Nordafrika durch Italien läuft, sahen Gasgesellschaften<br />

eine ‘natürliche’ Chance, Erdgas zu verkaufen und haben sie<br />

genutzt”. Das erste tiefe Methanfeld in Westeuropa wurde sogar von Eni,<br />

der staatlichen italienischen Öl- und Gasgesellschaft, im Juni 1959 in der<br />

Nähe von Lodi in der Lombardei (in Norditalien) entdeckt, während das<br />

zweite Feld im Adriatischen Meer nicht weit von Ravenna entdeckt wurde.<br />

Heutzutage gibt es Offshore-Plattformen im Ionischen Meer in der Nähe<br />

von Crotone (Calabrien), mit denen Eni 15% des nationalen Erdgasverbrauchs<br />

gewinnt, sowohl für den Verbrauch von Haushalten, als auch für<br />

industrielle Nutzung, während die übrigen 75%, größtenteils von Russland<br />

und Algerien, importiert werden.<br />

Anzahl von Gasfahrzeugen (Gfz) in den top 10 ländern<br />

72 73<br />

Land<br />

GFZ<br />

Total<br />

(in Tausend)<br />

Davon Autos/<br />

PKW s<br />

Tankstellen<br />

(TS)<br />

Tankstellen<br />

im Bau<br />

Monatlicher<br />

Verbrauch<br />

in Mln. m3 1 Argentina 1,721.1 1,721.1 1,784 n.a. 227,6<br />

2 Pakistan 1,658.0 1,599.9 1,923 200 n.a.<br />

3 Brazil 1,155.8 1.155.8 1,654 n.a. 222,6<br />

4 Iran 826.6 823.9 519 680 n.a.<br />

5 India 821.8 315.2 325 60 52,<br />

6 Italy 570.0 566.5 700 80 49,0<br />

7 China 336,0 95.5 561 n.a. 193.3<br />

8 Colombia 261.4 179.3 377 n.a. 45<br />

9 Bangladesh 180.0 46.6 229 13 21,3<br />

10 Ukraine 120.0 7.0 224 n.a. 46,0<br />

quellen: ngvgroup.com, federmetano.it, ilsole24ore.com, Oktober 2008.<br />

Der zweite Grund besteht darin, dass die italienische Gasindustrie<br />

sehr bald mit der Produktion von Methangas- und Autogas-<br />

(GPL) -Tanks, -Ausrüstung und -Einbausätzen begann, so dass sogar<br />

Privatpersonen, neben kleinen PKW-Dienstleistern und Reparaturwerkstätten,<br />

diese in Autos mit Benzinmotoren installieren konnten, um<br />

sie so in GFZ umzuwandeln. Und das mit beträchtlichen Ersparnissen<br />

gemessen am gegenwärtigen Preis von Benzin. Auch die italienische<br />

Autoindustrie folgte der Nachfrage, wenn sie auch mit einer gewissen<br />

Verzögerung die Produktion der ersten spezialisierten Erdgas-, Flüs-


siggas- (LPG) und Methanautos begann. Und, was im Moment sehr im<br />

Trend liegt, sie begann Kraftstoff anpassungsfähige Fahrzeuge (die sowohl<br />

mit Benzin als auch mit Erdgas betankt werden können) zu bauen,<br />

die mit sofortiger Wirkung von einem Kraftstofftyp zum anderen, und<br />

umgekehrt geschaltet werden können. 86% der neuen mit Methan angetriebenen<br />

Autos werden in Italien von der Firma Fiat in Turin produziert,<br />

unter denen besonders die Erdgas-Version des kleinen Panda-<br />

Modells populär geworden ist. Allein im Jahr 2007 wurden mehr als<br />

40.000 der mit Erdgas angetriebenen Pandas verkauft. Zusätzlich zu<br />

neu verkauften GFZs muss betont werden, dass die Zahl der Umrüstungen<br />

von Gebrauchtwagen von Benzin auf Methan 2006 bei 38.400 und<br />

im Jahr 2007 schon bei über 40.000 lag.<br />

Was besondere Einsparmöglichkeiten angeht: Gemäß<br />

Daten von Federmetano (des italienischen Verbandes für Vertrieb und<br />

Transport von Methangas), kann heute in Italien für den gleichen Kilometerbetrag,<br />

den ein normales mit Benzin angetriebenes Auto zurücklegt,<br />

bei einem mit Methan angetriebenen Auto bis zu 65% gespart<br />

werden, wohingegen die Einsparungen bei bis zu 45% im Vergleich zu<br />

Autogas und bei bis zu 50% im Vergleich zu Dieselmotoren liegen.<br />

Ein dritter und sehr wichtiger Grund ist eine ganze Reihe<br />

von staatlichen und regionalen Anreizmechanismen für Fahrer, die<br />

vorziehen GFZ zu kaufen. Und das liegt daran, dass man mit Methan<br />

angetriebene Autos heute für den umweltverträglichsten Fahrzeugtyp<br />

hält, mit der Ausnahme von Elektroautos. Zu den momentanen gesetzlichen<br />

Anreizen in Italien für den Kauf von mit Methan angetriebenen<br />

Autos zählt ein Zuschuss von 2.000 Euro für Autos, die weniger<br />

als 120 Gramm pro Kilometer an CO 2 -Emissionen ausstoßen. Diese<br />

Summe wird auf 1.500 Euro gesenkt, wenn die Autoemissionen höher<br />

liegen als das oben erwähnte Niveau. Zusätzlich dazu gibt es regionale<br />

Gesetze, zum Beispiel im Piemont, die mit Methan angetriebene<br />

Fahrzeuge von der Euro-Kategorien 2,3 und 4 von der Kraftfahrzeugsteuer<br />

für eine Fünf-Jahres-Periode befreien, während “umgerüstete”<br />

oder “umgebaute” Fahrzeuge für einen Zeitraum von 3 Jahren steuerfrei<br />

sind. Dieser Anreiz ist auf Autos mit Motoren bis zu 100 Kilowatt<br />

(136 Ps) beschränkt, aber er wird für Autoeigentümer bereit gestellt,<br />

die die Erdgasausrüstung seit dem November 2006 installiert und bescheinigt<br />

haben.<br />

Ein weiterer Grund für die Umrüstung von Benzin auf Methan<br />

besteht darin, dass dieser Typ von Fahrzeugen zurzeit und auch in Zukunft<br />

von mehreren Energieeinsparungs- und ökologischen Maßnahmen<br />

befreit wird, die häufig von föderalen und Regionalbehörden verhängt<br />

werden, wie Sonntagsfahrverbote in Metropolen oder Stadtzentren oder<br />

Wochentagsfahrerlaubnisse für abwechselnd gerade und ungerade Kfz-<br />

Kennzeichen, oder ähnlichen Verordnungen.<br />

Das immer noch unzulängliche nationale Tankstellennetz<br />

bleibt in Italien ein zu lösendes Problem für die weitere Entwicklung<br />

von GFZ. Während man ungefähr vier Jahrzehnte gebraucht hat, um<br />

in Italien die etwa 700 jetzt betriebenen Tankstellen zu bauen, hat<br />

Deutschland in weniger als drei Jahren 800 Tankstellen (Stand Oktober<br />

2008) auf seinem Gebiet errichtet, die eine Flotte von Gasfahrzeugen<br />

bedienen, die achtmal kleiner als die italienische ist. Außerdem<br />

ist das gegenwärtige Netz von Tankstellen für GFZ nicht gleichmäßig<br />

über Italien verteilt, und es ist zu mehr als 51% in Norditalien konzentriert,<br />

hauptsächlich in den Regionen Emilia-Romagna (Bologna), der<br />

Lombardei (Mailand), dem Veneto (Venedig, Triest) und dem Piemont<br />

(Turin), gegenüber von 31% in Zentralitalien, größtenteils in den Marchen<br />

(Ancona), der Toskana (Florenz) und Lazio (Rom). Nur 18% der<br />

Tankstellen sind im Süden, hauptsächlich in Campania (Neapel), Sizilien<br />

und Puglia (Bari).<br />

Seit 2007 jedoch, angetrieben vom neuen Boom der<br />

GFZ-Verkäufe, ist der Bau von neuen Tankstellen etwas beschleunigt<br />

worden. Laut Federmetano wurden im Jahr 2008 zwei neue Tankstellen<br />

pro Woche gebaut.<br />

pERSpEktivEn<br />

Perspektiven eines weiteren Wachstums des GFZ-Marktes<br />

in Italien scheinen vielversprechend. Eine erste Bestätigung ist,<br />

dass 2008, im Jahr weltweiter und europäischer Wirtschafts- und Finanzprobleme,<br />

während sich die gesamten Autoverkäufe in den ersten<br />

9 Monaten in Italien um ungefähr 10% verringerten, die Verkäufe von<br />

GFZ sich, ganz im Gegenteil, um ungefähr 30% erhöhten mit spezifischen<br />

Verkäufen von erdgasbetriebenen Nutzfahrzeugen, die mehr<br />

als 50% anstiegen.<br />

Mitte Oktober 2008 hat Fiat den Grande Punto Natural Power<br />

eingeführt, ein neues an den Kraftstoff anpassungsfähiges Fahrzeug<br />

(Benzin und Erdgas), mit einer 1.4 Liter 8v Fire unit, das der Euronorm<br />

5 entspricht. Die Entfernungsradius von seinem 84-Liter-Erdgas-Tank ist<br />

310 km (192 Meilen), aber der 45-Liter-(12-Gallone-) -Benzintank erwei-<br />

74 75


Land<br />

GFZs<br />

Total<br />

Anzahl von Gasfahrzeugen (Gfz) –<br />

top 20 der europäischen länder<br />

Autos/PKWs<br />

Busse<br />

LKWs<br />

Andere<br />

Tankstellen<br />

Die zu<br />

bauenden TS<br />

Monatlicher<br />

Verbrauch<br />

Mln. m3 1 Italy 580,000 576,500 2,234 1,166 – 700 80 49,00 Oct. 08<br />

2 Ukraine 120,000 7,000 30,500 29,500 59,000 224 n,a. 46,00 Dec. 07<br />

3 Armenia 101,352 69,971 9,831 19,626 1,924 214 8 23,80 Mar. 08<br />

4 Russia 95,000 18,000 8,000 35,000 34,000 222 5 24,00 Dec. 07<br />

5 Germany 64,454 50,620 1,444 11,900 490 804 n.a. 10,76 Sept. 08<br />

6 Bulgaria 40,255 40,000 200 20 35 56 15 7,00 Dec. 07<br />

7 Sweden 15,474 14,278 808 388 – 118 n.a. 4,90 June 08<br />

8 France 10,150 7,500 2,000 650 – 125 15 n.a. Mar. 07<br />

9 Switzerland 5,830 5,638 138 54 – 97 6 0,66 Dec. 07<br />

10 Belarus 5,500 5,500 – – – 25 n.a. 3,00 Dec. 07<br />

11 Moldova 5,000 5,000 – – – 14 n.a 1,00 Dec. 07<br />

12 Turkey 3,056 2,564 492 – – 9 1 0,40 July 08<br />

13 Georgia 3,000 3,000 – – – 4 n.a. n.a Dec. 07<br />

14 Austria 2,980 2,950 25 5 – 164 35 1,00 July 08<br />

15 Spain 1,846 200 845 758 43 42 n.a 2,00 July 08<br />

16 Poland 1,470 800 240 430 – 28 5 0,76 Dec. 07<br />

17 Czech<br />

Republic<br />

1,153 880 215 35 23 33 8 0,31 Aug. 08<br />

18 Netherlands 858 740 95 15 8 16 10 n.a June 08<br />

19 Latvia 500 30 10 187 273 4 n.a n.a Dec. 07<br />

20 Greece 416 0 416 0 n.a. 1 n.a. n.a. Dec. 07<br />

quellen: ngvgroup.com, federmetano.it, ilsole24ore.com, Oktober 2008<br />

tert den Radius auf insgesamt mehr als 1.000 km (620 Meilen). Bei Erdgas<br />

liegt der Kraftstoffverbrauch bei 6.4 m 3 /100km mit CO 2 Emissionen<br />

von 115 g/km. Bei Erdgasbetrieb ist die Abgabeleistung 70 Ps (51 Kilowatt),<br />

und die Spitzengeschwindigkeit liegt bei 156 km/h (97 Meilen pro<br />

Stunde), im Gegensatz zu 77 Ps und 162 km/h (100 Meilen pro Stunde)<br />

bei Benzinbetrieb.<br />

Gemäß Firmenquellen hat Fiat während der Zeit von Januar<br />

bis August 2008 etwa 43.000 Gasfahrzeuge in Italien verkauft im Vergleich<br />

zu 33.000 während derselben Periode 2007. Das bedeutet bei Fiat<br />

ein veranschlagtes Verkaufsniveau von ungefähr 64.000 GFZ bis Dezem-<br />

Letzte Angaben<br />

ber 2008, bei einem gesamten italienischen GFZ-Umsatz von ungefähr<br />

74–75,000 neuen GFZ. Aber was das Jahr 2009 angeht, sind die Vorhersagen<br />

von Fiat bereits ungefähr 100.000 GFZ zu verkaufen, was mehr als<br />

110–115,000 Fahrzeuge im italienischen Gesamtverkauf bedeutet. Auf<br />

diese Weise wird Italien das Ziel schnell erreichen oder sogar übertreffen,<br />

das bei der II. Weltmesse von GFZ als nationales Ziel gesetzt wurde, dem<br />

gemäß umweltfreundliche Brennstoffe am Gesamtkraftstoffmarkt 6%<br />

betragen sollen. Das Ziel ist hoch genug, um Gas als einen traditionellen<br />

und nicht als alternativen Brennstoff zu werten. Tatsächlich sollte der Anteil<br />

von GFZ in Italien bereits im Jahr 2008 (neue Verkäufe plus umgerüstete<br />

Fahrzeuge) zum ersten Mal mindestens 5.3–5.4% der Gesamtzahl<br />

an Autos, mit einem Anteil von etwa 53,3% von Benzin- und 41,3% von<br />

Dieselautos, erreichen.<br />

76 77


wARum<br />

StEllEn<br />

viElE<br />

Auto-<br />

Angelantonio Rosato<br />

Italienischer Journalist<br />

fAhRER<br />

in <strong>itAliEn</strong><br />

Auf GAS<br />

um?


pERSönlichE ERfAhRunGEn<br />

Schon seit mehreren Jahren fahre ich ein “bi-fuel-Fahrzeug”,<br />

das sowohl mit Benzin als auch mit Methan fährt. Aus persönlicher Erfahrung<br />

kann ich sagen, dass ich auf mehrfache Weise davon profitiere. Vor allem wirtschaftlich,<br />

da ich beträchtlich Treibstoff spare. Außerdem kann ich frei durch<br />

Italiens Großstädte fahren, beispielsweise durch die Stadt, in der ich lebe,<br />

Rom, wo das Fahren von mit Benzin angetriebenen Autos stark erschwert<br />

ist. Für Gas-Fahrzeuge ist das Fahren sogar bei häufig verhängten Fahrbeschränkungen<br />

und sogenannten autofreien Sonntagen erlaubt, während anderen<br />

Autos das Fahren gänzlich verboten wird.<br />

Es gibt Leute, die behaupten, dass alle diese Vorteile durch<br />

die niedrige Effizienz der Methan-Fahrzeuge, vor allem im Winter, minimiert<br />

werden. Als Verbraucher kann ich jedoch bezeugen, dass der Unterschied<br />

in der Leistung von Gas- und Benzin angetriebenenen Autos minimal ist,<br />

besonders vor dem Hintergrund der wesentlichen Ersparnisse beim Kauf<br />

des Treibstoffes.<br />

Was den Winter angeht, glauben einige, dass Methan-Fahrzeuge<br />

wegen der niedrigeren Temperaturen während der kalten Jahreszeit<br />

schlecht laufen würden. Dieser Verdacht ist unbegründet, was jeder Autofahrer<br />

bestätigen kann, der im Winter in Italien ein Methan-Fahrzeug fährt, wo<br />

bekanntlich ein milderes Klima herrscht. Außerdem erfolgt die Zündung in den<br />

“bi-fuel-Modellen”, die mit Benzin und Methan fahren, (was die beliebtesten<br />

Modelle in Italien sind), mit Benzineinspritzung, wodurch auch bei niedrigen<br />

Temperaturen, (die in Italien sowieso relativ selten sind), keine größeren Probleme<br />

auftreten. Wenn der Motor sich ausreichend aufgewärmt hat, erfolgt<br />

dann der automatische Übergang von Benzin auf Methan.<br />

Das größte Klischee ist, dass die mit Methan fahrenden Fahrzeuge<br />

wegen angeblicher Explosionsgefahr “bewegliche Bomben” seien.<br />

Wenn auch wirtschaftlich und ökologisch unbedenklich, denken manche,<br />

dass Methan erhebliche Probleme bereite, weil es besonders gelagert werden<br />

müsse. Deswegen, so glaubt man, wird ein unter der Sonne stehendes<br />

Fahrzeug zu einer Bombe. Außerdem müsse Erdgas wieder besonders aufbewahrt<br />

werden, mit spürbaren Nebenkosten, einige glauben sogar, dass<br />

Methan-Fahrzeuge nicht in Tiefgaragen abgestellt werden dürfen.<br />

In der Tat gibt es keine besonderen Unterschiede zwischen<br />

Fahrzeugen, die mit Methan fahren, und “normalen” Benzinern, selbst denen,<br />

die mit Katalysator ausgestattet sind. Außerdem werden Methan-Fahrzeuge<br />

seit mehreren Jahren schon in Tiefgaragen und auf Fähren zugelassen.<br />

Man muss wissen, dass Methan leichter als Luft ist und sich bei<br />

Lecks in belüfteten Räumen, z.B. Garagen oder Fähren, ohne Bildung explosionsgefährlicher<br />

Gemische verteilt. Die Lagerung von Methan erfolgt in Flaschen<br />

aus Stahl, die leicht legiert sind. Der Maximaldruck bei der Abffüllung<br />

beträgt etwa 200 atm, wobei die Flaschen selbst alle fünf Jahre unter weit größerem<br />

Druck getestet werden. Dementsprechend erwärmt sich das Methan,<br />

wenn es im Fahrzeug brennt und der Druck steigt, aber der Zylinder verhindert,<br />

dass das Gas explodiert. Außerdem schließt sich das Ventil automatisch<br />

sobald man den Motor abstellt. Zu guter Letzt kann man sagen, dass Methan<br />

nicht nur wirtschaftlicher und umweltfreundlicher ist, sondern italienischen<br />

Autofahrern mehr Sicherheit garantiert.<br />

In Italien stieg die Anmeldung von Methan-Fahrzeugen innerhalb<br />

der ersten fünf Monate des Jahres 2008 um 26,5% an im Vergleich zum<br />

gleichen Zeitraum im Vorjahr. Wie kann eine derartige Erfolgsgeschichte erklärt<br />

werden? Warum gehen immer mehr italienische Autofahrer zu Gas über?<br />

Ein wesentlicher Grund liegt in den Preisnachlässen und Vergünstigungen<br />

für italienische Autokäufer: Staatliche Vergünstigungen bei Erwerb<br />

und Verschrottung von Methan-Fahrzeugen und Rabatte von Seiten der<br />

Händler, bei denen sich bis zu 30% der üblichen Kosten einsparen lassen.<br />

Nicht allein die Vergünstigungen sind ein Grund für den stetigen<br />

Boom von Methanautos, sagt ein Bericht im italienischen Methanautomagazin.<br />

In einer Liste anderer Vorteile, die Verbraucher anführen, stechen im<br />

besonderen zwei heraus. Der erste ist, dass Methan der billigste von den vorhandenen<br />

Treibstoffen ist. Unbestreitbar ein Schlüsselfaktor, wenn man sich<br />

die steigenden Preise für Benzin und Diesel vor Augen hält. Der zweite Grund<br />

liegt darin, dass Methan sehr umweltfreundlich ist, ein Vorteil nicht nur für die<br />

Umwelt, sondern auch für die Autofahrer selbst, wenn sie beispielsweise trotz<br />

Fahrbeschränkungen in Italien fahren können.<br />

Es folgt die Darstellung der Anreize für 2008<br />

Laut Finanzministerium (Gesetz über die Vorbilanz des italienischen Staates) haben natürliche und juristische<br />

Personen, die ihre Fahrzeuge innerhalb von drei Jahren nach Anmeldung auf Flüssiggas, bzw.<br />

Methan umstellen, seit dem 1. Januar 2007 Anspruch auf einen Zuschuss von 650 Euro: Dieser Rabatt<br />

wird unmittelbar in der Rechnung der Werkstatt bzw. des Konzessionshändlers erfasst. Darunter fallen<br />

auch bei Konzessionshändlern erworbene Neufahrzeuge mit Flüssiggas oder Methan, die von den Herstellern<br />

noch nicht als Gasfahrzeuge genehmigt worden waren. Seit dem 12. Januar 2007 ist es möglich,<br />

staatliche Zuschüsse zu erhalten, die vom Finanzministerium für die Umstellung von Fahrzeugen auf<br />

Flüssiggas oder Methan vorgesehen sind. Der Zuschuss beträgt 350 Euro für jede Umstellung auf Gas.<br />

Beide Zuschüsse, 650 und 350 Euro, können bis zur Erschöpfung aller zur Verfügung stehenden Mittel,<br />

die sich für 2007 auf 52 Mio Euro belaufen, ausgezahlt werden. Um in den Genuss der Zuschüsse zu<br />

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gelangen, ist ein Antrag an die Werkstatt bzw. den Konzessionshändler zu richten, die an der Maßnahme<br />

teilnehmen. Sie übernehmen das bürokratische Verfahren (der Antragssteller selbst füllt nur zwei<br />

Antragsbögen aus). Die Liste kann in “Ecogaz” (Grün-Nummer 800 500 501) angefordert werden. Was<br />

fabrikneue Fahrzeuge, PKWs oder LKWs, angeht, die zusätzlich oder ausschließlich mit Flüssiggas bzw.<br />

Methan ausgestattet sind, so gilt: Der Kunde erhält beim Kauf unmittelbar 1 500 Euro vom Autohändler.<br />

Dieser Betrag steigt auf 2 000 Euro, wenn das Fahrzeug unter 120 g/km CO 2 produziert. Derartige<br />

Nachlässe sind für Verträge vom 03.10.2006 bis zum 31.12.2009 mit Anmeldung bis zum 31.03.2010<br />

gültig. Der Zuschuss von 650 Euro für die Umstellung und 1 500 Euro beim Kauf sind unter Vorlage der<br />

jeweiligen Angaben mit einer Verschrottungszulage vereinbar.<br />

mEthAn-fAhRzEuGE<br />

liste der methanfahrzeuge,<br />

die in italien gekauft werden können<br />

(sind die “bi-fuel-modelle” nicht erfasst,<br />

die mit flüssiggas fahren)<br />

FAHRZEUGE Preis (Euro)<br />

Citroen Berlingo 1.4 Multispace Metano 18.711<br />

Citroen C3 Elegance Bi Energy M 16.801<br />

DR Motor Company Dr5 1.6 16V (Preis beim Händler) 17.051<br />

Fiat Panda 1.2 Natural Power Dynamic 13.861<br />

Fiat Panda 1.2 Natural Power Climbing 15.651<br />

Fiat Punto 1.2 Natural Power 5P 15.361<br />

Fiat Dobl 1.6 16V Natural Power Active 17.471<br />

Fiat Multipla 1.6 Natural Power Active 22.171<br />

Fiat Multipla 1.6 Natural Power Dynamic 24.321<br />

Fiat Multipla 1.6 Natural Power Emotion 25.631<br />

mEthAn- unD bEnzin-fAhRzEuGE<br />

Nissan Qashqai+2, neu, groß, 7 Sitze www.nissan.it/Qashqai<br />

FAHRZEUGE Preis (Euro)<br />

Mercedes E 200 NGT Bi-Power Classic 47.301<br />

Mercedes E 200 NGT Bi-Power Elegance 49.218<br />

Mercedes E 200 NGT Bi-Power Avantgarde 51.561<br />

Opel Combo 1.6 CNG Metano Club 17.868<br />

Opel Combo 1.6 CNG Metano Enjoy 18.948<br />

Opel Zafira 1.6 16V ecoM Club 21.701<br />

Opel Zafira 1.6 16V ecoM Enjoy 23.601<br />

Opel Zafira 1.6 16V ecoM Cosmo 26.081<br />

Renault Kangoo 1.6 16V Comfort B/M 18.206<br />

Renault Kangoo 1.6 16V Luxe B/M 19.276<br />

Tata Indica 1.4 GLX Bi Fuel Metano 11.149<br />

Tata Indigo 1.4 GLX Bi Fuel Metano 15.163<br />

Volkswagen Caddy Life 2.0 Ecofuel 21.304<br />

Volkswagen Touran 2.0 Conceptline Ecofuel 23.751<br />

Volkswagen Touran 2.0 Trendline Ecofuel 26.076<br />

Volkswagen Touran 2.0 Highline Ecofuel 27.826<br />

Die Anzahl der Modelle mag nicht so hoch scheinen, aber sie umfasst fast die gesante Produktpallette<br />

von Kleinfahrzeugen bis zu Einvolumenfahrzeugen. Fiat steht an der Spitze, gefolgt von Tata und Volkswagen.<br />

Die Preise bewegen sich zwischen 11 000 Euro (Tata Indica), 28 000 Euro (Volkswagen Touran<br />

Highline) und 50 000 Euro für die Mercedes E-Klasse.<br />

Unten lege ich ein Beispiel für eine Werbung einer Autofirma bei,<br />

die in Italien die Vorteile eines ihrer Gas-Modelle wie folgt anpreist (Preise für<br />

heute): Fahrzeug XXXXXX (Methan): Dies ist eine Mitteilung für kluge Reisende:<br />

es gibt heute XXXXXX für alle, die sparen und ohne Fahreinschränkungen fahren<br />

wollen. Durch Methantanks unter der Karosserie gibt es mehr Platz im Kofferraum.<br />

Der doppelte Benzin-Methan-Antrieb ermöglicht erstklassige Reichweiten<br />

ohne auftanken zu müssen (310 km außerhalb der Stadt bei vollem Methantank).<br />

Außerdem schont ein solches Fahrzeug die Umwelt, denn die Schadstoffemissionen<br />

sinken um 23%. Sie sparen zusätzlich durch niedrige Methanpreise. Also,<br />

denken Sie nach, wäre es nicht schade, so ein Auto nicht zu kaufen?<br />

tEchniSchE DAtEn / Zylindervolumen 1242 cm 3 / Umweltschutzniveau: Euro 4 /<br />

maximalleistung СЕ:<br />

Benzin 44 kW (60 P.S.) bei 5000 U/min Methan 38 kW (52 P.S.) bei 5000 U/min<br />

maximales Drehmoment СЕ:<br />

Benzin 102 Nm (10,4 kgm) bei 2500 U/min Methan 88 Nm (9,0 kgm) bei 3000 U/min<br />

maximalgeschwindigkeit:<br />

Benzin 148 km/S Methan 140 km/S<br />

treibstoffverbrauch, СЕ-vorschrift:<br />

Benzin (l/100 km) Methan (kg/100 km)<br />

Stadtverkehr 7,9 / Außerstädtisch 5,2 Stadtverkehr 5,3 /Außerstädtisch 3,5<br />

kombiniert 6,2 kombiniert 4,2*<br />

Сo 2 -Emission:<br />

Benzin 146 g/km Methan 114 g/km<br />

* – Fahrbereich 270 km<br />

Preis (Grundausstattung) schlüsselfertig: 13.910,00 Euro (mit Nebelscheinwerfern,<br />

Klimaanlage usw.: 14.810,00 Euro) + IPT (Lokalsteuern) = 196,00 Euro<br />

Insgesamt: 15.006,00 Euro<br />

Der Endpreis versteht sich abzüglich des staatlichen Zuschusses für Methan-Fahrzeuge von 2 000,00 Euro.<br />

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ERDolunD<br />

ERD-<br />

GASGEwinnunG<br />

in DER<br />

ARktiS<br />

untER okoloGiSchEnGESichtSpunktEn<br />

Anatolij Dmitriewskij<br />

Mitglied der Russischen Akademie<br />

der Wissenschaften (RAW) und Direktor des<br />

Instituts für Erdöl und Erdgas der RAW<br />

Wjatscheslaw Maximov<br />

Stellv. Direktor des Instituts für Erdöl<br />

und Erdgas der RAW


Das Wort “Arktis” weckt in letzter Zeit bei allen Mitarbeitern der Energieindustrie,<br />

die mit der Gewinnung von Erdöl und Erdgas zu tun haben, einen<br />

zwar zurückhaltenden, dafür aber stabilen Optimismus, da es eine mögliche<br />

Richtung in der Entwicklung dieses Industriezweiges beschreibt.<br />

Gleichzeitig übersieht niemand in Russland die objektiven<br />

Schwierigkeiten bei der Entwicklung des enormen natürlichen Reichtums<br />

in dieser unberührten Region sowie die potentiellen Risiken für die Umwelt.<br />

Gazprom setzt sich aktiv mit diesen Problemen auseinander und stimmt seine<br />

Pläne mit Empfehlungen der akademischen Wissenschaft ab.<br />

Wir stellen eine kurze Übersicht über die ökologische Komponente<br />

in der Erdöl- und Erdgasgewinnung in der Arktis vor, die von zwei<br />

führenden russischen Wissenschaftlern erarbeitet wurde, die sich vorrangig<br />

mit dieser Problematik beschäftigen.<br />

Die Entwicklung der Zivilisation wird unvermeidlich mit einem<br />

intensiveren Vordringen in die Wasserwelt der Meere und Ozeane einhergehen.<br />

Die Ausbeutung von Lagerstätten für Erdöl und Erdgas wird sich<br />

dabei besonders stark entwickeln. Auf die Meeresvorkommen entfallen<br />

35% der Erdölgewinnung und 32% der Erdgasgewinnung weltweit. Und<br />

dieser Anteil wird wachsen.<br />

Dabei ist eine negative, vom Menschen selbst erzeugte Einwirkung<br />

auf die Wasserumwelt auf Grund von Unfällen nicht auszuschließen:<br />

als Folge nicht beachteter technischer Vorschriften, durch organisatorische<br />

Unstimmigkeiten oder als Ergebnis eines natürlichen Risikos bei Beschädigung<br />

der Ausrüstung bei der Erforschung, der Prospektierung, dem Abbau<br />

von Erdöl und Erdgas, bei Transport und der Verarbeitung der Rohstoffe.<br />

Auch natürliche Phänomene erhöhen das ökologische Risiko.<br />

In diesem Zusammenhang ist es nötig, die Geodynamik der Regionen zu<br />

berücksichtigen und angesichts erhöhter Lawinengefahr Flächen mit wenig<br />

verdichteten Sedimenten zu bestimmen.<br />

Es ist vorgesehen, ein Einheitssystem für geoökologisches<br />

Monitoring aufzubauen, bei dem gleichzeitig Arbeiten unter Wasser, unter<br />

der Erde, auf dem Land, über Wasser und auf einer Erdumlaufbahn<br />

im Weltraum stattfinden sollen. Solches Monitoring kann durch Technik<br />

durchgeführt werden, welche von hoch-, mittel- und niederorbitalen,<br />

hohen-, mittelhohen und Hubschrauber-Komplexen bis zu Sensoren an<br />

Land, über Wasser, unter Wasser sowie unter der Erde reichen. Die Masse<br />

der Informationen wird von den Raumfahrtsystemen aufgenommen. Die<br />

Erforschung an Land, über Wasser, unter Wasser und unter der Erde findet<br />

auf Referenzgebieten statt, wobei ihre Ergebnisse der Überprüfung der<br />

Ferninformationen dienen.<br />

Diese neuen theoretischen, methodischen, planmäßigen und<br />

technologischen Entwicklungen bilden die Grundlage des geoökologischen<br />

Monitorings und gewährleisten die operative Aufnahme repräsentativer<br />

und zuverlässiger Informationen über alle bedeutsamen Veränderungen<br />

der beobachteten Objekte. Systematische Organisation und minimaler Arbeitsaufwand<br />

unterstützen die Senkung des Gesamtaufwands an Zeit und<br />

Mitteln bei ihrer Durchführung und gewährleisten die effiziente Sammlung<br />

aussagekräftiger Daten.<br />

Grundlage für die ökologische Kontrolle der Meeresumgebung<br />

sollen dynamische ökologische Modelle werden, die die verschiedenen<br />

Einflussfaktoren auf ihre Wechselbeziehungen registrieren und<br />

Spätfolgen von Einwirkungen im Rahmen bestehender wissenschaftlicher<br />

Erkenntnisse berücksichtigen. Für die Konstruktion solcher Modelle ist eine<br />

Echtzeit-Beobachtung der vielen sie beeinflussenden Faktoren notwendig,<br />

ein eingehendes Verständnis der biologischen Prozesse und ein integrierter<br />

Ansatz, was das Ökosystem angeht. In der Praxis hat sich gezeigt, daß<br />

Prospektierung und Ausbeutung von Erdgasvorkommen auf dem Festlandsockel<br />

die Entwicklung und Bildung regionaler Systeme ökologischen<br />

Monitorings bedingen, welche die Besonderheiten der gegebenen Region<br />

berücksichtigen. Deshalb brauchen wir umfangreiche Datenbanken über<br />

die konkreten Regionen, sowie entsprechende Forschungstechnologien<br />

und Ausrüstung.<br />

Der hier vorgeschlagene Ansatz ermöglicht auf Grund der<br />

Nutzung einer neuen Technologie des permanenten geoökologischen Monitorings<br />

der Wasserflächen und durch Ergebnisse mathematischer Modelle,<br />

den Zustand des ökologischen Systems bei der Entwicklung des Erdöl-<br />

und Erdgaskomplexes zu bewerten, eine Analyse des ökologischen Risikos<br />

durchzuführen und seine Dynamik zu errechnen.<br />

Auf Grund ihrer umfangreichen submarinen Permafrostzone<br />

belegen das Nordpolarmeer und sein arktischer Festlandsockel einen besonderen<br />

Platz unter den Ozeanen der Erde, wofür es hauptsächlich zwei<br />

Gründe gibt: die Minustemperaturen der bodennahen Wasserschichten<br />

(neuzeitige Bedingungen) und der im Lauf geologischer Zeitalter entstandene<br />

tiefe Frostboden (Paläobedingungen). Nach ihrem physischen Zustand<br />

präsentiert sich die Permafrostzone sowohl hartgefroren (eishaltig) als auch<br />

durch abgekühltes mineralisiertes Wasser und Gestein ungefroren.<br />

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Die abgekühlten Ablagerungen nehmen die zentralen, nördlichen<br />

und südöstlichen Abschnitte des an Nowaja Semlja grenzenden<br />

Meeres ein. Die Konturen dieser Zone stimmen mit der Nullisotherme der<br />

durchschnittlichen Jahresbodentemperatur fast völlig überein. Die Stokman<br />

– Lagerstätte liegt wie viele andere in der Verbreitungszone von Bodensedimenten<br />

mit Minustemperaturen.<br />

In der Petschorasee kann die submarine Permafrostzone mit<br />

den Überresten eines verfallenden, mehrjährigen Frostbodens in Tiefen<br />

von 40–100 m unter dem Meeresgrund zusammentreffen. Der Frostboden<br />

weist hier eine durchbrochene Struktur auf.<br />

In technisch-geologischer Hinsicht stellen die hartgefrorenen<br />

und gashydrattragenden Ablagerungen nach Zustand und Eigenschaften<br />

eine besondere Gesteinskategorie dar und erfordern ein spezielles Herangehen<br />

bei der Aneignung der Erdöl- und Erdgasressourcen in diesen arktischen<br />

Wasserflächen. Gerade diese Besonderheiten gilt es bei der Lösung<br />

solcher in praktischer Hinsicht wichtigen Fragen, wie dem Bau von festen,<br />

eisresistenten Plattformen auf dem arktischen Festlandsockel, dem Bau<br />

und dem Betrieb von Rohrleitungen und anderer Einrichtungen zu berücksichtigen.<br />

Genau so notwendig ist es, mögliche Verletzungen des natürlichen<br />

thermischen Ablaufs im oberen Sedimentmantel bei Bohrung und Betrieb<br />

der Bohrlöcher einzubeziehen.<br />

Ein möglicher Risikofaktor und eine negative Folge der Förderung<br />

von Erdgas ist die Absenkung der Erdoberfläche über der Lagerstätte,<br />

weil der anfängliche Schichtendruck in den produktiven Schichten<br />

abfällt und sich diese verformen, was in der weltweiten Praxis hinreichend<br />

bekannt ist. Auch durch das Auftauen bodennaher Gashydrate ist eine Absenkung<br />

möglich.<br />

Es ist besonders wichtig, das Ausmaß der Absenkung des<br />

Meeresgrundes einzuschätzen, da an Meereslagerstätten härtere Anforderungen<br />

in Bezug auf den Schutz von Lagerstätten, die Funktionssicherheit<br />

von Bohrlöchern, Meeresplattformen und Unterwassermodulen<br />

gestellt werden.<br />

Das alles diktiert die Notwendigkeit eines gründlichen Studiums<br />

und der Prognostizierung möglicher vom Menschen selbst verursachter<br />

Komplikationen unter dem Gesichtspunkt der Sicherheit von<br />

maritimen Förderobjekten über dem Festlandsockel der Arktis. Damit<br />

setzen sich russische Wissenschaftler und technische Fachkräfte aktiv<br />

auseinander.<br />

88


127006, Moscow, Strastnoy Blvd., 9.<br />

Telephone: +7-499-503-6161, Fax: +7-499-503-6333.<br />

E-mail: info@gazpromexport.com; post@gazpromexport.com<br />

http: www.gazpromexport.com

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