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03 - memoria.ch

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8<br />

kann man carlo glei<strong>ch</strong> ruhigen<br />

gewissens zum psy<strong>ch</strong>iater s<strong>ch</strong>ikken!<br />

«verstehen sie unsere fragen?»<br />

«hatten sie eine beratung?»<br />

«was würden sie tun,<br />

wenn das gesu<strong>ch</strong> abgelehnt<br />

würde? was ist ihnen wi<strong>ch</strong>tig im<br />

leben?» carlo, einges<strong>ch</strong>ü<strong>ch</strong>tert(?):<br />

«wenn man an gott<br />

glaubt oder religiös ist, dann<br />

kommt es automatis<strong>ch</strong>, dass das<br />

leben wertvoll ist und man es<br />

ni<strong>ch</strong>t zerstören darf. die armee<br />

ist dafür eine s<strong>ch</strong>reckli<strong>ch</strong>e vorstellung.<br />

in der heutigen zeit ist<br />

es ni<strong>ch</strong>t so einfa<strong>ch</strong>, si<strong>ch</strong> für religiöse<br />

fragen zu öffnen.» s<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong><br />

vermerkt das protokoll:<br />

‹keine antwort. stützt kopf auf,<br />

verdeckt gesi<strong>ch</strong>t mit händen,<br />

verzweifelt.› dann geht man<br />

zum stellenleiter nebenan, fragt<br />

ihn, ob man eine neue anhörung<br />

anberaumen dürfe. der meint,<br />

wenn carlo s<strong>ch</strong>on mal so einen<br />

zusammenbru<strong>ch</strong> erlebt habe,<br />

brä<strong>ch</strong>te eine neue anhörung<br />

‹si<strong>ch</strong>er ni<strong>ch</strong>ts›. dann wird die<br />

anhörung no<strong>ch</strong> eine weile fortgesetzt,<br />

carlo äussert no<strong>ch</strong>, dass<br />

der mens<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t objektiv urteilen<br />

könne. der mens<strong>ch</strong> müsse<br />

tun, was für ihn persönli<strong>ch</strong> und<br />

jetzt stimme. (kir<strong>ch</strong>enbote: ‹meine<br />

wi<strong>ch</strong>tigsten fragen sind darum,<br />

solange i<strong>ch</strong> bin: wer bin i<strong>ch</strong> jetzt?›)<br />

er sei für die abs<strong>ch</strong>affung der<br />

armee. «sie sagen», hält man<br />

dem entgegen, «die absolute<br />

wahrheit hätten wir ni<strong>ch</strong>t. (wel<strong>ch</strong><br />

ein irrtum, bei den offenbarungen<br />

und beglückungen des <strong>ch</strong>ristentums!)<br />

es geht um das, was für<br />

sie gilt. <strong>ch</strong>ristentum?» carlo: «i<strong>ch</strong><br />

bin von den biblis<strong>ch</strong>en ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten<br />

geprägt worden. habe das<br />

ni<strong>ch</strong>t in der pubertät plötzli<strong>ch</strong><br />

aufgegeben, sondern erweitert.»<br />

die kommission: «was ist für sie<br />

in allen religionen ri<strong>ch</strong>tig?»<br />

carlo: «die 10 gebote sind zentral<br />

für alle religionen. das wi<strong>ch</strong>tigste<br />

ist das tötungsverbot.»<br />

warum er si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t habe konfirmieren<br />

lassen? (ein abtrünniger?<br />

ein abtrünniger!) carlo erwidert,<br />

damit hätte er ja gesagt zum<br />

protestantis<strong>ch</strong>en <strong>ch</strong>ristentum,<br />

und das würde bedeuten, dass<br />

die andern religionen ausges<strong>ch</strong>lossen<br />

wären. s<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong><br />

ers<strong>ch</strong>öpft si<strong>ch</strong> die anhörung<br />

unter den kommissions-sti<strong>ch</strong>worten<br />

glaubensverletzung und<br />

militärdienst, depressionen (unter<br />

denen carlo früher gelitten hatte,<br />

weil sein kindli<strong>ch</strong>-<strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>es weltbild<br />

zusammenbra<strong>ch</strong>, wie er im<br />

gesu<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>reibt), hitler und aus<strong>ch</strong>witz<br />

und manifestation des göttli<strong>ch</strong>en.<br />

zum dessert ein paar wo<strong>ch</strong>en<br />

später der abs<strong>ch</strong>lägige bes<strong>ch</strong>eid<br />

der ‹zentralstelle zivildienst›, in<br />

dem zwar attestiert wird, dass<br />

carlo, wie im hier ni<strong>ch</strong>t weiter<br />

vorgestellten lebenslauf<br />

bes<strong>ch</strong>rieben, erlebt habe, wie<br />

freunde in drogen, gewalt und<br />

familienkonflikte involviert<br />

gewesen seien, dass er darob in<br />

eine eigene lebenskrise ges<strong>ch</strong>littert<br />

sei, aus wel<strong>ch</strong>er er dank der<br />

hinwendung zum buddismus<br />

herausgefunden habe mit dem<br />

vorsatz und ziel, ein studium<br />

aufzunehmen und si<strong>ch</strong> ans<strong>ch</strong>liessend<br />

in einer höheren gesells<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en<br />

stellung für randgruppen,<br />

für mehr toleranz und<br />

damit für ein friedli<strong>ch</strong>es<br />

zusammenleben einzusetzen.<br />

do<strong>ch</strong> erfülle er die erfordernisse<br />

an einen gewissenskonflikt mit<br />

dem militär ni<strong>ch</strong>t in genügender<br />

weise, weil si<strong>ch</strong> das gesprä<strong>ch</strong><br />

s<strong>ch</strong>wierig gestaltet habe, weil es<br />

ihm ni<strong>ch</strong>t gelungen sei, tragende<br />

grundsätze als elemente seiner<br />

lebenshaltung darzustellen. «zu<br />

erfahren, dass mens<strong>ch</strong>en ni<strong>ch</strong>t<br />

einfa<strong>ch</strong> in gut und böse eingeteilt<br />

werden können, löste in<br />

ihnen zunä<strong>ch</strong>st eine grosse verunsi<strong>ch</strong>erung<br />

aus. im buddismus<br />

fanden sie dann dafür eine für<br />

sie gültige begründung in der<br />

erkenntnis, dass alle mens<strong>ch</strong>en<br />

göttli<strong>ch</strong>en ursprungs sind und<br />

somit alles gute in si<strong>ch</strong> tragen.<br />

das ändert am bestehen von gut<br />

und böse als kategorien des handelns<br />

jedo<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>ts. (wie man si<strong>ch</strong><br />

do<strong>ch</strong> auskennt!) sie verwahrten<br />

si<strong>ch</strong> aber (?) deutli<strong>ch</strong> gegen die<br />

kühnheit, si<strong>ch</strong> darüber ein urteil<br />

anzumassen. das ist laut ihren<br />

ausführungen nur auf der ebene<br />

der objektiven wahrheit mögli<strong>ch</strong>.<br />

demna<strong>ch</strong> erkennt ein sehr<br />

unbestimmtes göttli<strong>ch</strong>es (!) allein<br />

gut und böse und bewirkt, dass<br />

die fals<strong>ch</strong>en wege in sackgassen<br />

münden. dem mens<strong>ch</strong>en aber<br />

spre<strong>ch</strong>en sie explizit die fähigkeit<br />

des objektiven urteils ab.<br />

wenn es ni<strong>ch</strong>t sa<strong>ch</strong>e des mens<strong>ch</strong>en<br />

sein kann, zwis<strong>ch</strong>en gut<br />

und böse zu unters<strong>ch</strong>eiden,<br />

dann ist der etis<strong>ch</strong>en argumentation,<br />

wel<strong>ch</strong>e si<strong>ch</strong> essentiell auf<br />

werturteile zu stützen hat, der<br />

boden gänzli<strong>ch</strong> entzogen. jeder<br />

moralis<strong>ch</strong>e anspru<strong>ch</strong> an das handeln<br />

des mens<strong>ch</strong>en muss erlös<strong>ch</strong>en,<br />

und es kann gar kein<br />

gewissen geben.» wel<strong>ch</strong> filosofis<strong>ch</strong>en<br />

beamtenworte! und so<br />

treffli<strong>ch</strong>! «sie führten ihren<br />

angebli<strong>ch</strong>en gewissenskonflikt<br />

auf die gewaltlosigkeit und das<br />

tötungsverbot zurück, denen sie<br />

so stark verpfli<strong>ch</strong>tet seien, dass<br />

sie eher zu sterben bereit wären<br />

als zu töten. während sie das<br />

tötungsverbot als das wi<strong>ch</strong>tigste<br />

der 10 gebote und als zentralen<br />

punkt aller religionen im gesu<strong>ch</strong><br />

auf die erkenntnis zurückführten,<br />

dass gott si<strong>ch</strong> in jedem lebewesen<br />

manifestiere, entzogen<br />

sie in der anhörung generell<br />

jeder begründung den boden,<br />

indem sie mühe bezeugten,<br />

‹etwas so bestimmt auf eine<br />

ursa<strong>ch</strong>e zurückzuführen›. zudem<br />

verweigerten sie si<strong>ch</strong> in der<br />

anhörung der ‹diskussion religiöser<br />

fragen› mit der begründung,<br />

es sei in der heutigen zeit ni<strong>ch</strong>t<br />

so einfa<strong>ch</strong>, si<strong>ch</strong> für diese diskussion<br />

zu öffnen. weil sie aber in<br />

den s<strong>ch</strong>riftli<strong>ch</strong>en und mündli<strong>ch</strong>en<br />

darlegungen einen sehr<br />

persönli<strong>ch</strong>en religiösen werdegang<br />

und ‹das religiöse› als die<br />

wi<strong>ch</strong>tigste grundlage einer individuellen<br />

werthaltung bezei<strong>ch</strong>net<br />

hatten und dem tötungsverbot<br />

eine überragende bedeutung<br />

zuzuspre<strong>ch</strong>en s<strong>ch</strong>ienen,<br />

wäre es für das glaubhaftma<strong>ch</strong>en<br />

eines gewissenskonflikts<br />

unerlässli<strong>ch</strong> gewesen und es<br />

durfte erwartet werden, dass sie<br />

über beides ausrei<strong>ch</strong>end umfassende<br />

angaben ma<strong>ch</strong>en könnten.<br />

diesen anspru<strong>ch</strong> erfüllten<br />

jedo<strong>ch</strong> ihre beteuerungen ni<strong>ch</strong>t,<br />

es handle si<strong>ch</strong> für sie um mehr<br />

als s<strong>ch</strong>lagworte und wenn man<br />

an gott glaube oder religiös sei,

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