1. Juli 1945
der Anteil der volkseigenen und genossenschaftlichen Betriebe an der Bruttoproduktion der Industrie auf etwa 80 Prozent Mitte des Jahres 1952 gestiegen. Auf dem Lande waren die fortgeschrittensten Landarbeiter und werktätigen Bauern in einigen Dörfern bereits zur gemeinsamen Bodenbearbeitung übergegangen. Die Schlussfolgerung, die Walter Ulbricht aus dieser Analyse ableitete, löste nicht nur unter den Delegierten der 2. Parteikonferenz einen Sturm der Begeisterung aus, sondern fand auch unter einem großen Teil der Bevölkerung der DDR volle Zustimmung: „In Übereinstimmung mit den Vorschlägen aus der Arbeiterklasse, aus den Reihen der werktätigen Bauern und aus anderen Kreisen der Werktätigen hat das Zentralkomitee der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands beschlossen, der 2. Parteikonferenz vorzuschlagen, dass in der Deutschen Demokratischen Republik der Sozialismus planmäßig aufgebaut wird.“ 1 Es war eine historische Weichenstellung, eine richtige Entscheidung der Delegierten – zum erstenmal in der Geschichte wurde auf deutschem Boden der Sozialismus lebendige Wirklichkeit. 37 Jahre später, nach dem Sieg der Konterrevolution im Jahre 1989, wurde der Sozialismus in der DDR abgewickelt. Banken und Konzerne stürzten sich auf das von den Werktätigen der DDR erarbeitete Volkseigentum. Wer sich um den Aufbau des Sozialismus oder gar um den Schutz seiner Errungenschaften verdient gemacht hatte, wurde diffamiert und kriminalisiert, auf die Straße gesetzt oder vor Gericht gestellt. Antikommunismus wurde zur Staatsdoktrin in dem vereinigten Deutschland. Seine Ideologen werden nicht müde, die Mär vom endgültigen Scheitern des Sozialismus zu verbreiten. Unter dem Vorwand einer objektiven Aufarbeitung der Geschichte ist jedes Mittel recht, jedes Argument willkommen, wenn es nur dazu dient, das Leben der DDR-Bürger in den Schmutz zu ziehen. Da ist vom SED-Regime die Rede, vom Unrechtsstaat, der – wenn auch mit einigen Unterschieden – dem Hitlerfaschismus gleichgestellt werden müsste. Weh dem, der an die sozialistischen Lebensverhältnisse in der DDR erinnert. Zum Nostalgiker abgestempelt, wird ihm das Wort entzogen. Aber die Wahrheit lässt sich nun einmal nicht auf Dauer den Mund verbieten. Die Zahl derer nimmt zu, die nicht mehr an die von Helmut Kohl versprochenen blühenden Landschaften im Osten Deutschlands glauben. Warum gab es im Sozialismus keine Arbeitslosigkeit und warum hatten junge Menschen eine Perspektive? Warum gab es keine Obdachlosen und warum wurden damals mehr Kinder geboren als heute? Fragen über Fragen – die Antwort ist ganz einfach: Im Sozialismus steht im Mittelpunkt der Mensch und nicht der Profit, wie es heute im Kapitalismus der Fall ist. Prof. Dr. Erich Kundel 1 Walter Ulbricht: Die gegenwärtige Lage und die neuen Aufgaben der SED Aus dem Referat auf der II. Parteikonferenz der SED – Berlin, 9. – 12. Juli 1952. In: Walter Ulbricht: Zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Bd. IV, Berlin 1958, S. 407. Geschichtskommentar des Monats Da gibt es eine Riesenaufregung um die arme Rütli-Schule in Berlin- Kreuzberg, vor deren Tür wegen prügelnder Schüler und hilfloser Lehrer die Polizei stand. Dabei ist diese Schule doch nur ein Zeichen für das rückschrittliche Schulsystem der BRD. Und mehr noch. Was nutzt anständiges Benehmen in der Schule und ein noch so guter Schulabschluss, wenn der Jugendliche nach der Schule, egal welche er besucht und egal welchen Schulabschluss er hat, dann keine Lehrstelle, keine Arbeit findet, wenn beide Elternteile arbeitslos sind, wenn er in die Armut und das soziale Elend entlassen wird. Das Schulsystem, in dem diese Ungeheuerlichkeiten tagtäglich passieren, also tägliche Normalität sind, ist der Teil der jugendfeindlichen kapitalistischen Ausbeutergesellschaft der Bundesrepublik. Erinnern wir uns. In der sowjetischen Besatzungszone und dann in der DDR schufen wir neben der Bodenreform und der Enteignung der Naziaktivisten und Kriegsverbrecher als eine der ersten antifaschistischen Taten das einheitliche Bildungswesen. Das begann mit der vorschulischen Erziehung in Kinderkrippe und Kindergarten und führte über die zehnklassige allgemeinbildende polytechnische Oberschule zum entsprechenden Schulabschluss für alle Kinder. Natürlich gab es wiederum für alle Schulabgänger einen garantierten Arbeitsplatz. Den Weg ihrer Kinder begleiteten die Eltern in Zusammenarbeit mit den Pädagogen in Klassenelternaktivs und Elternbeiräten. Für dieses einheitliche Bildungssystem wurde hochqualifiziertes pädagogisches Personal in genügender Zahl rechtzeitig ausgebildet. Auf das Studium oder besonders anspruchsvolle Berufe wurden Jugendliche nach der zehnklassigen Schule durch eine folgende zweijährige Erweiterte polytechnische Oberschule (EOS) vorbereitet. Mit dem Abitur schlossen Mädchen und Jungen die zwölfjährige Schulzeit ab. An Universitäten und Hochschulen wurde auf die Abiturienten schon gewartet. Und für diesen einheitlichen Bildungsweg zahlten die Lernenden oder ihre Eltern keinen Pfennig. Übrigens – einheitliches Bildungssystem. Einheitlich war dieses System nicht nur wegen seines inneren abgestimmten Zusammenhangs von der Kinderkrippe bis zur Hochschule. Einheitlich war es auch in seiner gesamtstaatlichen Ausrichtung. Unvorstellbar für einen DDR-Pädagogen der schulische Schwachsinn, dass auf Rügen etwa ein anderer Lehrstoff gelten sollte als im Erzgebirge und in Schwerin ein anderer als in Berlin oder Dresden. Für eine einheitliche Ausbildung der Jugend waren fortschrittliche Pädagogen in Deutschland schon immer. Erst in der BRD hat diese hinterwäldlerische Kleinstaatenpädagogik ihre reaktionäre Wiedergeburt erlebt. 9 Prof. Dr. Lothar Berthold