Horst Schattat
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<strong>Horst</strong> <strong>Schattat</strong><br />
(1. Juli 1927 – 27. November 2005)<br />
„Gewiss, leicht war es nicht, immer allen Aufgaben gerecht zu werden.<br />
Aber die wachsenden Anforderungen waren zugleich eine<br />
Herausforderung – sowohl auf fachlichem Gebiet als auch in politischideologischer<br />
Hinsicht. Der häufige Wechsel der Dienststellen und die<br />
damit verbundenen Umzüge waren vor allem für meine Frau und unsere<br />
Kinder beschwerlich, da sie jedes Mal in eine neue Umgebung<br />
hineinwachsen mussten. Aber rückblickend auf die vergangenen<br />
Jahrzehnte – es war doch eine sehr glückliche Zeit, die wir gemeinsam<br />
verlebt haben. Und wenn ich an diesem 1. Juli meinen 76. Geburtstag<br />
feiern werde, kann ich mit gutem Gewissen sagen, dass ich stolz auf<br />
meine Dienstzeit in der Deutschen Volkspolizei bin. Ich werde meine DDR<br />
nie verleugnen – sie war und ist für mich die größte Errungenschaft des<br />
Kampfes der deutschen Arbeiterklasse, an dem ich aktiv teilgenommen<br />
habe.“<br />
<strong>Horst</strong> <strong>Schattat</strong><br />
Oberstleutnant der Deutschen Volkspolizei<br />
(Auszug aus dem 2003 im Juli-Heft der „Roten Kalenderblätter“<br />
veröffentlichten Beitrag zum Tag der Deutschen Volkspolizei)<br />
2<br />
ein abrupter Rückzug der Sowjetarmee abgegeben? Eine solche Flucht der<br />
ruhmreichen Sowjetarmee hätte Gorbatschow bereits zu jenem Zeitpunkt<br />
zumindest politisch nicht überlebt. Da musste der verkappte KPdSU-<br />
Generalsekretär mit dem bundesdeutschen Kanzler kuhhandeln. Deshalb<br />
waren Bedingungen, Umstände und Zeitläufe des Rückzugs der seit 1945 in<br />
Deutschland stehenden Sowjetarmee wesentliches Thema der Gespräche der<br />
beiden namhaften Antikommunisten.<br />
Im Klartext darf man wohl auch sagen: In der tiefen Bergschlucht Archys<br />
verborgen wurden 45 Jahre nach Karlshorst die Bedingungen der Kapitulation<br />
der Sowjetarmee ausgehandelt. Denn – die Bundeswehr rückte zunächst bis<br />
zur Oder, dann im NATO-Verband weiter und weiter östlich vor. Denn – die<br />
Westmächte blieben in Deutschland, bis heute und mit Kernwaffen. Und sie<br />
starten von deutschem Boden aus ihre weltweiten Aggressionen. Denn – die<br />
Sowjetarmee existierte 17 Monate nach dem Kuhhandel von Archys, wie die<br />
Sowjetunion selbst, nicht mehr. Aus Deutschland zog bis 1994 die gedemütigte<br />
Truppe eines chaotischen und geschlagenen Russland ab. Kein Feind konnte<br />
diese Sowjetarmee vernichten. Deren Oberster Befehlshaber Gorbatschow<br />
schaffte das.<br />
Inzwischen fliegen längst die Kampfjets mit dem Eisernen Kreuz<br />
ungehindert über den einstigen Sowjetrepubliken Usbekistan und am<br />
Baltischen Meer. Das Wirken der Westmächte im Kaukasus, am Schwarzen<br />
und weit hinter dem Kaspischen Meer erfüllt die russischen Herzen mit immer<br />
tieferem Zorn. Inzwischen betreibt „der Westen“ unverhohlen und unverschämt<br />
auch noch die Aufspaltung der GUS, um Völker und Länder zu beherrschen,<br />
die einst zum Reich des Zaren gehörten und von denen die meisten nach<br />
erfolgreicher Revolution, nach Siegen im Bürgerkrieg und über die Interventionstruppen<br />
der USA, Großbritanniens. Japans und zahlreicher weiterer<br />
imperialistischer Staaten sich zur UdSSR vereinten.<br />
Was hat Gorbatschow „seinem Land“ nur angetan. Der Mann wurde für<br />
seine Leistungen mit dem Nobel-Preis, zahlreichen weiteren Auszeichnungen<br />
und Wohltaten geehrt. Zum Beschluss über die Nobel-Preis-Verleihung vom<br />
Oktober 1990 schreibt Gorbatschow selbst in seinen „Erinnerungen“ : „Die<br />
Auszeichnung wurde deshalb in der Sowjetunion vorrangig als antisowjetische<br />
Provokation aufgefasst und der Preis geriet zunehmend in den Ruch einer<br />
Ehrung für politischen Verrat.“ Für Gorbatschow kein Hinderungsgrund , ihn<br />
anzunehmen. Trotz alledem: Das große Russland wie auch sieben Jahrzehnte<br />
Sowjetmacht lassen sich nicht auslöschen. Von den Völkern der Sowjetunion<br />
ist das letzte Wort noch längst nicht gesprochen.<br />
Heiner Schultz<br />
Rote Kalenderblätter im Internet:<br />
www.dkpbrandenburg.de<br />
15
14. – 16. Juli 1990
Was wir Dir noch sagen möchten, lieber <strong>Horst</strong>!<br />
Viel zu selten stand unser Freund <strong>Horst</strong> <strong>Schattat</strong> vor unserem Gartentor. Er<br />
hatte dann stets ein etwas verhaltenes, erwartungsvolles Lächeln im Gesicht –<br />
so als ob er sich nicht sicher war, ob sein Besuch auch angenehm ist. Wir<br />
freuten uns natürlich über sein Kommen, und die gemütlichen Stunden auf der<br />
Terrasse werden uns wohl immer in Erinnerung bleiben. Sein Wesen war<br />
unaufdringlich und zurückhaltend. Man musste ihn schon ein wenig<br />
herauslocken, um ins Gespräch zu kommen. Er diskutierte dann auch gern und<br />
war stets an der Meinung anderer interessiert. Da konnte er richtig lebhaft<br />
werden; in seiner Wortwahl war er aber nie verletzend oder unsachlich. <strong>Horst</strong><br />
liebte das gesellige Zusammensein mit lieben Freunden. Er war ein<br />
vorbildlicher Gastgeber, und da gab es sogar manchmal von ihm selbst<br />
gebackenen Kuchen. Vor allem war <strong>Horst</strong> ein Mensch, der immer bereit war zu<br />
helfen. Dabei zeigte er viel Einfühlungsvermögen im Umgang mit anderen<br />
Menschen. Sein offenes, ehrliches Wesen, seine Anteilnahme auch an den<br />
Sorgen anderer machte ihn für uns zu einem wirklichen Freund.<br />
Isolde und Erich Wenzel<br />
Auf der Suche nach aufrichtigen und lebenserfahrenen Vorbildern und<br />
Gleichgesinnten traf ich, leider viel zu spät, erst in den 90er Jahren in unserer<br />
Grundorganisation auf <strong>Horst</strong> <strong>Schattat</strong>. Schon bedingt durch den<br />
Altersunterschied hatte <strong>Horst</strong>, bis hin zu seinen Erlebnissen und seiner<br />
Verwundung im zweiten Weltkrieg und nicht zuletzt durch seine<br />
verantwortungsvolle Tätigkeit bei der Gestaltung des sozialistischen Aufbaus in<br />
der DDR, mir vieles voraus. So setzte er sich stets selbstlos ein für die<br />
Beseitigung der Kriegsfolgen, gegen die schädigenden Handlungen von<br />
Schiebern und anderen Personen, die den Aufbau des Sozialismus nicht<br />
wollten. Besonders hervorheben möchte ich seine Beständigkeit und parteiliche<br />
Bewertung der Vorgänge auch nach Ablösung des ersten sozialistischen<br />
deutschen Staates, der DDR. Kennzeichnend für <strong>Horst</strong> waren auch seine<br />
Naturbeobachtung und seine Naturverbundenheit, die beispielsweise in der<br />
Mobilisierung anderer auf erhaltende und naturgestaltende Maßnahmen im Ort,<br />
wie auch in literarischen Versen ihren Ausdruck fanden. <strong>Horst</strong> bemühte sich,<br />
das Kulturelle unserer Gesellschaft weiterzugeben und anderen durch<br />
gemeinsame Besuche und Diskussionen nahezubringen. Aber auch<br />
philosophisches und dialektisches Denken, insbesondere Fragen unserer<br />
marxistisch-leninistischen Weltanschauung versuchte er weiter zu vermitteln.<br />
Durch den frühen Tod von <strong>Horst</strong> habe ich für viele Fragen einen Ratgeber<br />
verloren. Das Handeln und die Einstellung von <strong>Horst</strong> werde ich in guter<br />
Erinnerung behalten.<br />
4<br />
Helmut Naudszus<br />
Der Tierpark ist das größte Erholungsgebiet des Stadtbezirks und zugleich der<br />
flächengrößte Zoologische Garten Europas. Zur Jahrtausendwende wurden im<br />
Tierpark 9.623 Tiere in 1.002 Arten gehalten.<br />
Der Kalte Krieg machte auch vor den Toren Friedrichsfeldes nicht halt. So<br />
publizierte der „Untersuchungsausschuss Freiheitlicher Juristen“ (Berlin/West)<br />
1965 eine Neuauflage seiner – angesichts des Braunbuches der DDR mit mehr<br />
als 1.800 Namen und Lebensläufen von Nazi- und Kriegsverbrechern in der<br />
BRD und Westberlin – die klägliche Denunziationsschrift „Nazis in der DDR“.<br />
Dort heißt es auf Seite 23: „Prof. Heinrich Dathe. Direktor des Tierparks Berlin-<br />
Friedrichsfelde. Mitglied des Präsidiums der Deutsch-Afrikanischen<br />
Gesellschaft. Mitglied des Präsidialrates des Deutschen Kulturbundes. Medaille<br />
´Für ausgezeichnete Leistungen´ , ´Verdienstmedaille der DDR´. Vor 1945:<br />
Eintritt in die NSDAP 1932, Nr. 1 318 207.“<br />
Es war das ein hoffnungsloses Unterfangen. Im DDR –„Braunbuch“ mit<br />
seinen insgesamt 3 Auflagen hat das Autorenkollektiv, zu dessen Mitarbeitern<br />
ich zählte, nominelle NS-Mitglieder konsequent ausgespart. Aufgenommen<br />
wurden dagegen – stets mit detaillierten Funktionsangaben – personelle<br />
Stützen des NS-Regimes aus Staat, Wirtschaft, Verwaltung, Armee, Justiz und<br />
Wissenschaft, die ihre Karrieren nach Zerschlagung des Faschismus als<br />
Aufbauhelfer der Bundesrepublik Deutschlands fortsetzten. Den Leiter der<br />
„Baugruppe Schlemm“, verantwortlich unter anderem für die Errichtung des<br />
Buchenwald-KZ-Außenlagers Leau bei Staßfurt, trug es 1959 bis in das<br />
höchste Staatsamt: Heinrich Lübke wurde Bundespräsident und verblieb darin<br />
trotz internationaler Proteste bis 1968. Kurt-Georg Kiesinger, ein<br />
Chefpropagandist des NS-Außenministeriums, avancierte 1958 zum<br />
Ministerpräsidenten Baden-Württembergs bis 1966, führte von 1967 bis 1971<br />
die CDU als Parteivorsitzender und wurde 1966/69 Bundeskanzler der „Großen<br />
Koalition“. In diesem Sinne konnte der Bonner Staat vorbehaltlos die<br />
Rechtsnachfolge des untergegangenen Deutschen Reiches beanspruchen.<br />
Friedrichfeldes Herzstück ist auch heute ein „Muss“ für alle Berlin-Touristen.<br />
Seit dem Wegbruch der DDR ist der Tierpark dem Zoologischen Garten Berlin<br />
AG zugeschlagen worden. Ein Besuch heute ist angesichts des nun<br />
beträchtlichen Besucher-Obolus ein im Wortsinn teures Vergnügen geworden.<br />
Die Anwürfe gegen den weltweit geachteten Zoologen Heinrich Dathe<br />
erledigten sich aus Gründen der Gegenstandslosigkeit von selbst. An den 1991<br />
Verstorbenen erinnern die Gedenktafel in seinem jahrzehntelangen<br />
Wirkungsbereich, ein Straßenname gegenüber dem Tierpark sowie eine<br />
Heinrich-Dathe-Oberschule in Friedrichshain/Kreuzberg.<br />
13<br />
Dr. Norbert Podewin
2. Juli 1955
Mitglieder der FDJ und Junge Pioniere<br />
begrüßen die 2. Parteikonferenz der SED<br />
„Ein ungeheurer Jubel brandete in den weiten Räumen der Werner-<br />
Seelenbinder-Halle in Berlin bei der Verkündung dieses Vorschlags auf. Jene<br />
Delegierte, die bereits in der Weimarer Republik oder noch früher, im<br />
kaiserlichen Deutschland, für das historische Ziel der revolutionären<br />
Arbeiterklasse gekämpft hatten, waren sichtlich ergriffen. In meinem langen<br />
Leben habe ich viele Parteitage erlebt .... Jener Tag aber war der bedeutendste<br />
in den Jahrzehnten meines Wirkens in der Arbeiterbewegung. In der Diskussion<br />
brachte ich meine Gefühle und meinen unerschütterlichen Glauben an die<br />
große, menschheitsbefreiende Idee des Sozialismus zum Ausdruck“<br />
Ständig von Beifall unterbrochen, sagte Otto Buchwitz auf der<br />
2. Parteikonferenz: „Wir haben es immer gewollt! Wir haben es in uns getragen<br />
wie einen heiligen Schatz! Wir haben gekämpft! Wir haben gelitten und Opfer<br />
gebracht, wie sie ein einzelner für diese große Idee nur bringen kann ... Ich<br />
erlebte manche Zeitenwende. Immer wieder mussten wir mit Bitternis<br />
feststellen, dass die Reaktion verstand, solchen Zeitenwenden ihren Stempel ...<br />
aufzudrücken. Ich glaube, dieser Zeitenwende, an der wir uns befinden, ...<br />
drücken wir den Stempel unseres Wollens auf."<br />
(Otto Buchwitz: Brüder, In eins nun die Hände, Berlin 1956, S. 275/276<br />
6<br />
vehement die Auffassung, zwar trügen die hohen Militärs und Großindustriellen<br />
auch eine gewisse Schuld am Zustandekommen des Naziregimes, aber<br />
ausschlaggebend sei die Unterstützung durch breite Schichten der<br />
Bevölkerung.<br />
Wilhelm Pieck verwies immer wieder auf den komplexen Charakter der<br />
Säuberung des öffentlichen Lebens vom Nazismus. Nächst der Ausschaltung<br />
und Bestrafung der Hauptschuldigen ginge es um die Säuberung des<br />
gesamten Staatsapparates, der kommunalen Verwaltungen und der<br />
Betriebsleitungen von faschistischen Elementen. Besonders wichtig war die<br />
Entfernung nazistischer Lehrer und Hochschullehrer. Es komme aber nicht nur<br />
auf die Ausschaltung von Personen an, sondern auf „eine gründliche<br />
Säuberung Deutschlands vom Nazigeist“ und verwandten Ideologien, wie<br />
„Ungeist des Rassenwahns, die Glorifizierung des reaktionären Preußentums,<br />
den Hurra-Patriotismus und Militarismus“. Dies alles erfordere „eine breite<br />
ideologische Umerziehungsarbeit im Geiste der Demokratie und der<br />
Völkerverständigung“<br />
Im Rahmen der Auseinandersetzung mit der imperialistischen Reaktion<br />
beleuchtete Wilhelm Pieck die nationale Frage in ihren verschiedenen<br />
Aspekten. Dominant war von Anfang an die Verteidigung der nationalen Einheit<br />
Deutschlands als günstigster Kampfboden der Arbeiterbewegung gegenüber<br />
allen reaktionären Kräften. Wie sehr diese von Anfang an auf Spaltung setzten,<br />
um ihre gesellschaftlichen Machtpositionen zu behaupten, verdeutlicht Konrad<br />
Adenauer, wenn er sich schon im Oktober 1945 dafür aussprach, die<br />
sowjetische Besatzungszone bis auf weiteres abzuschreiben und die<br />
westlichen Besatzungszonen als separates, an die westlichen Nachbarländer<br />
angekoppeltes Staatsgebilde zu formieren.<br />
Angesichts solcher Tendenzen, die von den Westmächten massiv gefördert<br />
wurden, schrieb Wilhelm Pieck Anfang 1946: “Will das deutsche Volk leben,<br />
will es seinen politischen und wirtschaftlichen Aufbau konsequent demokratisch<br />
zu Ende führen, dann kann das nur auf dem Boden der nationalen Einheit<br />
Deutschlands geschehen“. In diesem Sinne forderte er auf dem 15. Parteitag<br />
der KPD im April 1946 „die Herstellung der Einheit Deutschlands als<br />
antifaschistische, parlamentarische Republik und die Bildung einer<br />
Zentralregierung durch die antifaschistisch-demokratischen Parteien“ in Berlin.<br />
Die Forderung nach nationaler Einheit wurde also nicht ethnisch,<br />
nationalistisch, sondern von den Erfordernissen einer demokratischen<br />
Entwicklung her und mit einer entsprechenden Zielsetzung motiviert.<br />
Die vor mehr als 60 Jahren von der Geschichte gestellten, von Wilhelm<br />
Pieck beantworteten Fragen sind heute noch ungelöst oder genauer gesagt<br />
stehen wieder – auf neue Weise – auf der Tagesordnung. Deshalb sind auch<br />
die damaligen Antworten Wilhelm Piecks wichtige Anregungen für heute,<br />
Möglichkeiten des Lernens aus historischen Erfahrungen.<br />
11<br />
Prof. Dr. sc. Heinz Karl
1. Juli 1945
der Anteil der volkseigenen und genossenschaftlichen Betriebe an der<br />
Bruttoproduktion der Industrie auf etwa 80 Prozent Mitte des Jahres 1952<br />
gestiegen. Auf dem Lande waren die fortgeschrittensten Landarbeiter und<br />
werktätigen Bauern in einigen Dörfern bereits zur gemeinsamen<br />
Bodenbearbeitung übergegangen.<br />
Die Schlussfolgerung, die Walter Ulbricht aus dieser Analyse ableitete, löste<br />
nicht nur unter den Delegierten der 2. Parteikonferenz einen Sturm der<br />
Begeisterung aus, sondern fand auch unter einem großen Teil der Bevölkerung<br />
der DDR volle Zustimmung: „In Übereinstimmung mit den Vorschlägen aus der<br />
Arbeiterklasse, aus den Reihen der werktätigen Bauern und aus anderen<br />
Kreisen der Werktätigen hat das Zentralkomitee der Sozialistischen<br />
Einheitspartei Deutschlands beschlossen, der 2. Parteikonferenz vorzuschlagen,<br />
dass in der Deutschen Demokratischen Republik der Sozialismus<br />
planmäßig aufgebaut wird.“ 1 Es war eine historische Weichenstellung, eine<br />
richtige Entscheidung der Delegierten – zum erstenmal in der Geschichte<br />
wurde auf deutschem Boden der Sozialismus lebendige Wirklichkeit.<br />
37 Jahre später, nach dem Sieg der Konterrevolution im Jahre 1989, wurde<br />
der Sozialismus in der DDR abgewickelt. Banken und Konzerne stürzten sich<br />
auf das von den Werktätigen der DDR erarbeitete Volkseigentum. Wer sich um<br />
den Aufbau des Sozialismus oder gar um den Schutz seiner Errungenschaften<br />
verdient gemacht hatte, wurde diffamiert und kriminalisiert, auf die Straße<br />
gesetzt oder vor Gericht gestellt. Antikommunismus wurde zur Staatsdoktrin in<br />
dem vereinigten Deutschland. Seine Ideologen werden nicht müde, die Mär<br />
vom endgültigen Scheitern des Sozialismus zu verbreiten. Unter dem Vorwand<br />
einer objektiven Aufarbeitung der Geschichte ist jedes Mittel recht, jedes<br />
Argument willkommen, wenn es nur dazu dient, das Leben der DDR-Bürger in<br />
den Schmutz zu ziehen. Da ist vom SED-Regime die Rede, vom Unrechtsstaat,<br />
der – wenn auch mit einigen Unterschieden – dem Hitlerfaschismus<br />
gleichgestellt werden müsste.<br />
Weh dem, der an die sozialistischen Lebensverhältnisse in der DDR<br />
erinnert. Zum Nostalgiker abgestempelt, wird ihm das Wort entzogen. Aber die<br />
Wahrheit lässt sich nun einmal nicht auf Dauer den Mund verbieten. Die Zahl<br />
derer nimmt zu, die nicht mehr an die von Helmut Kohl versprochenen<br />
blühenden Landschaften im Osten Deutschlands glauben. Warum gab es im<br />
Sozialismus keine Arbeitslosigkeit und warum hatten junge Menschen eine<br />
Perspektive? Warum gab es keine Obdachlosen und warum wurden damals<br />
mehr Kinder geboren als heute? Fragen über Fragen – die Antwort ist ganz<br />
einfach: Im Sozialismus steht im Mittelpunkt der Mensch und nicht der Profit,<br />
wie es heute im Kapitalismus der Fall ist.<br />
Prof. Dr. Erich Kundel<br />
1 Walter Ulbricht: Die gegenwärtige Lage und die neuen Aufgaben der SED<br />
Aus dem Referat auf der II. Parteikonferenz der SED – Berlin, 9. – 12. Juli 1952. In:<br />
Walter Ulbricht: Zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Bd. IV, Berlin 1958,<br />
S. 407.<br />
Geschichtskommentar des Monats<br />
Da gibt es eine Riesenaufregung um die arme Rütli-Schule in Berlin-<br />
Kreuzberg, vor deren Tür wegen prügelnder Schüler und hilfloser Lehrer die<br />
Polizei stand. Dabei ist diese Schule doch nur ein Zeichen für das<br />
rückschrittliche Schulsystem der BRD. Und mehr noch. Was nutzt anständiges<br />
Benehmen in der Schule und ein noch so guter Schulabschluss, wenn der<br />
Jugendliche nach der Schule, egal welche er besucht und egal welchen<br />
Schulabschluss er hat, dann keine Lehrstelle, keine Arbeit findet, wenn beide<br />
Elternteile arbeitslos sind, wenn er in die Armut und das soziale Elend<br />
entlassen wird. Das Schulsystem, in dem diese Ungeheuerlichkeiten tagtäglich<br />
passieren, also tägliche Normalität sind, ist der Teil der jugendfeindlichen<br />
kapitalistischen Ausbeutergesellschaft der Bundesrepublik.<br />
Erinnern wir uns. In der sowjetischen Besatzungszone und dann in der<br />
DDR schufen wir neben der Bodenreform und der Enteignung der<br />
Naziaktivisten und Kriegsverbrecher als eine der ersten antifaschistischen<br />
Taten das einheitliche Bildungswesen. Das begann mit der vorschulischen<br />
Erziehung in Kinderkrippe und Kindergarten und führte über die zehnklassige<br />
allgemeinbildende polytechnische Oberschule zum entsprechenden<br />
Schulabschluss für alle Kinder. Natürlich gab es wiederum für alle<br />
Schulabgänger einen garantierten Arbeitsplatz. Den Weg ihrer Kinder<br />
begleiteten die Eltern in Zusammenarbeit mit den Pädagogen in<br />
Klassenelternaktivs und Elternbeiräten. Für dieses einheitliche Bildungssystem<br />
wurde hochqualifiziertes pädagogisches Personal in genügender Zahl<br />
rechtzeitig ausgebildet. Auf das Studium oder besonders anspruchsvolle Berufe<br />
wurden Jugendliche nach der zehnklassigen Schule durch eine folgende<br />
zweijährige Erweiterte polytechnische Oberschule (EOS) vorbereitet. Mit dem<br />
Abitur schlossen Mädchen und Jungen die zwölfjährige Schulzeit ab. An<br />
Universitäten und Hochschulen wurde auf die Abiturienten schon gewartet. Und<br />
für diesen einheitlichen Bildungsweg zahlten die Lernenden oder ihre Eltern<br />
keinen Pfennig.<br />
Übrigens – einheitliches Bildungssystem. Einheitlich war dieses System<br />
nicht nur wegen seines inneren abgestimmten Zusammenhangs von der<br />
Kinderkrippe bis zur Hochschule. Einheitlich war es auch in seiner<br />
gesamtstaatlichen Ausrichtung. Unvorstellbar für einen DDR-Pädagogen der<br />
schulische Schwachsinn, dass auf Rügen etwa ein anderer Lehrstoff gelten<br />
sollte als im Erzgebirge und in Schwerin ein anderer als in Berlin oder Dresden.<br />
Für eine einheitliche Ausbildung der Jugend waren fortschrittliche Pädagogen<br />
in Deutschland schon immer. Erst in der BRD hat diese hinterwäldlerische<br />
Kleinstaatenpädagogik ihre reaktionäre Wiedergeburt erlebt.<br />
9<br />
Prof. Dr. Lothar Berthold