20.09.2013 Aufrufe

Horst Schattat

Horst Schattat

Horst Schattat

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

<strong>Horst</strong> <strong>Schattat</strong><br />

(1. Juli 1927 – 27. November 2005)<br />

„Gewiss, leicht war es nicht, immer allen Aufgaben gerecht zu werden.<br />

Aber die wachsenden Anforderungen waren zugleich eine<br />

Herausforderung – sowohl auf fachlichem Gebiet als auch in politischideologischer<br />

Hinsicht. Der häufige Wechsel der Dienststellen und die<br />

damit verbundenen Umzüge waren vor allem für meine Frau und unsere<br />

Kinder beschwerlich, da sie jedes Mal in eine neue Umgebung<br />

hineinwachsen mussten. Aber rückblickend auf die vergangenen<br />

Jahrzehnte – es war doch eine sehr glückliche Zeit, die wir gemeinsam<br />

verlebt haben. Und wenn ich an diesem 1. Juli meinen 76. Geburtstag<br />

feiern werde, kann ich mit gutem Gewissen sagen, dass ich stolz auf<br />

meine Dienstzeit in der Deutschen Volkspolizei bin. Ich werde meine DDR<br />

nie verleugnen – sie war und ist für mich die größte Errungenschaft des<br />

Kampfes der deutschen Arbeiterklasse, an dem ich aktiv teilgenommen<br />

habe.“<br />

<strong>Horst</strong> <strong>Schattat</strong><br />

Oberstleutnant der Deutschen Volkspolizei<br />

(Auszug aus dem 2003 im Juli-Heft der „Roten Kalenderblätter“<br />

veröffentlichten Beitrag zum Tag der Deutschen Volkspolizei)<br />

2<br />

ein abrupter Rückzug der Sowjetarmee abgegeben? Eine solche Flucht der<br />

ruhmreichen Sowjetarmee hätte Gorbatschow bereits zu jenem Zeitpunkt<br />

zumindest politisch nicht überlebt. Da musste der verkappte KPdSU-<br />

Generalsekretär mit dem bundesdeutschen Kanzler kuhhandeln. Deshalb<br />

waren Bedingungen, Umstände und Zeitläufe des Rückzugs der seit 1945 in<br />

Deutschland stehenden Sowjetarmee wesentliches Thema der Gespräche der<br />

beiden namhaften Antikommunisten.<br />

Im Klartext darf man wohl auch sagen: In der tiefen Bergschlucht Archys<br />

verborgen wurden 45 Jahre nach Karlshorst die Bedingungen der Kapitulation<br />

der Sowjetarmee ausgehandelt. Denn – die Bundeswehr rückte zunächst bis<br />

zur Oder, dann im NATO-Verband weiter und weiter östlich vor. Denn – die<br />

Westmächte blieben in Deutschland, bis heute und mit Kernwaffen. Und sie<br />

starten von deutschem Boden aus ihre weltweiten Aggressionen. Denn – die<br />

Sowjetarmee existierte 17 Monate nach dem Kuhhandel von Archys, wie die<br />

Sowjetunion selbst, nicht mehr. Aus Deutschland zog bis 1994 die gedemütigte<br />

Truppe eines chaotischen und geschlagenen Russland ab. Kein Feind konnte<br />

diese Sowjetarmee vernichten. Deren Oberster Befehlshaber Gorbatschow<br />

schaffte das.<br />

Inzwischen fliegen längst die Kampfjets mit dem Eisernen Kreuz<br />

ungehindert über den einstigen Sowjetrepubliken Usbekistan und am<br />

Baltischen Meer. Das Wirken der Westmächte im Kaukasus, am Schwarzen<br />

und weit hinter dem Kaspischen Meer erfüllt die russischen Herzen mit immer<br />

tieferem Zorn. Inzwischen betreibt „der Westen“ unverhohlen und unverschämt<br />

auch noch die Aufspaltung der GUS, um Völker und Länder zu beherrschen,<br />

die einst zum Reich des Zaren gehörten und von denen die meisten nach<br />

erfolgreicher Revolution, nach Siegen im Bürgerkrieg und über die Interventionstruppen<br />

der USA, Großbritanniens. Japans und zahlreicher weiterer<br />

imperialistischer Staaten sich zur UdSSR vereinten.<br />

Was hat Gorbatschow „seinem Land“ nur angetan. Der Mann wurde für<br />

seine Leistungen mit dem Nobel-Preis, zahlreichen weiteren Auszeichnungen<br />

und Wohltaten geehrt. Zum Beschluss über die Nobel-Preis-Verleihung vom<br />

Oktober 1990 schreibt Gorbatschow selbst in seinen „Erinnerungen“ : „Die<br />

Auszeichnung wurde deshalb in der Sowjetunion vorrangig als antisowjetische<br />

Provokation aufgefasst und der Preis geriet zunehmend in den Ruch einer<br />

Ehrung für politischen Verrat.“ Für Gorbatschow kein Hinderungsgrund , ihn<br />

anzunehmen. Trotz alledem: Das große Russland wie auch sieben Jahrzehnte<br />

Sowjetmacht lassen sich nicht auslöschen. Von den Völkern der Sowjetunion<br />

ist das letzte Wort noch längst nicht gesprochen.<br />

Heiner Schultz<br />

Rote Kalenderblätter im Internet:<br />

www.dkpbrandenburg.de<br />

15


14. – 16. Juli 1990


Was wir Dir noch sagen möchten, lieber <strong>Horst</strong>!<br />

Viel zu selten stand unser Freund <strong>Horst</strong> <strong>Schattat</strong> vor unserem Gartentor. Er<br />

hatte dann stets ein etwas verhaltenes, erwartungsvolles Lächeln im Gesicht –<br />

so als ob er sich nicht sicher war, ob sein Besuch auch angenehm ist. Wir<br />

freuten uns natürlich über sein Kommen, und die gemütlichen Stunden auf der<br />

Terrasse werden uns wohl immer in Erinnerung bleiben. Sein Wesen war<br />

unaufdringlich und zurückhaltend. Man musste ihn schon ein wenig<br />

herauslocken, um ins Gespräch zu kommen. Er diskutierte dann auch gern und<br />

war stets an der Meinung anderer interessiert. Da konnte er richtig lebhaft<br />

werden; in seiner Wortwahl war er aber nie verletzend oder unsachlich. <strong>Horst</strong><br />

liebte das gesellige Zusammensein mit lieben Freunden. Er war ein<br />

vorbildlicher Gastgeber, und da gab es sogar manchmal von ihm selbst<br />

gebackenen Kuchen. Vor allem war <strong>Horst</strong> ein Mensch, der immer bereit war zu<br />

helfen. Dabei zeigte er viel Einfühlungsvermögen im Umgang mit anderen<br />

Menschen. Sein offenes, ehrliches Wesen, seine Anteilnahme auch an den<br />

Sorgen anderer machte ihn für uns zu einem wirklichen Freund.<br />

Isolde und Erich Wenzel<br />

Auf der Suche nach aufrichtigen und lebenserfahrenen Vorbildern und<br />

Gleichgesinnten traf ich, leider viel zu spät, erst in den 90er Jahren in unserer<br />

Grundorganisation auf <strong>Horst</strong> <strong>Schattat</strong>. Schon bedingt durch den<br />

Altersunterschied hatte <strong>Horst</strong>, bis hin zu seinen Erlebnissen und seiner<br />

Verwundung im zweiten Weltkrieg und nicht zuletzt durch seine<br />

verantwortungsvolle Tätigkeit bei der Gestaltung des sozialistischen Aufbaus in<br />

der DDR, mir vieles voraus. So setzte er sich stets selbstlos ein für die<br />

Beseitigung der Kriegsfolgen, gegen die schädigenden Handlungen von<br />

Schiebern und anderen Personen, die den Aufbau des Sozialismus nicht<br />

wollten. Besonders hervorheben möchte ich seine Beständigkeit und parteiliche<br />

Bewertung der Vorgänge auch nach Ablösung des ersten sozialistischen<br />

deutschen Staates, der DDR. Kennzeichnend für <strong>Horst</strong> waren auch seine<br />

Naturbeobachtung und seine Naturverbundenheit, die beispielsweise in der<br />

Mobilisierung anderer auf erhaltende und naturgestaltende Maßnahmen im Ort,<br />

wie auch in literarischen Versen ihren Ausdruck fanden. <strong>Horst</strong> bemühte sich,<br />

das Kulturelle unserer Gesellschaft weiterzugeben und anderen durch<br />

gemeinsame Besuche und Diskussionen nahezubringen. Aber auch<br />

philosophisches und dialektisches Denken, insbesondere Fragen unserer<br />

marxistisch-leninistischen Weltanschauung versuchte er weiter zu vermitteln.<br />

Durch den frühen Tod von <strong>Horst</strong> habe ich für viele Fragen einen Ratgeber<br />

verloren. Das Handeln und die Einstellung von <strong>Horst</strong> werde ich in guter<br />

Erinnerung behalten.<br />

4<br />

Helmut Naudszus<br />

Der Tierpark ist das größte Erholungsgebiet des Stadtbezirks und zugleich der<br />

flächengrößte Zoologische Garten Europas. Zur Jahrtausendwende wurden im<br />

Tierpark 9.623 Tiere in 1.002 Arten gehalten.<br />

Der Kalte Krieg machte auch vor den Toren Friedrichsfeldes nicht halt. So<br />

publizierte der „Untersuchungsausschuss Freiheitlicher Juristen“ (Berlin/West)<br />

1965 eine Neuauflage seiner – angesichts des Braunbuches der DDR mit mehr<br />

als 1.800 Namen und Lebensläufen von Nazi- und Kriegsverbrechern in der<br />

BRD und Westberlin – die klägliche Denunziationsschrift „Nazis in der DDR“.<br />

Dort heißt es auf Seite 23: „Prof. Heinrich Dathe. Direktor des Tierparks Berlin-<br />

Friedrichsfelde. Mitglied des Präsidiums der Deutsch-Afrikanischen<br />

Gesellschaft. Mitglied des Präsidialrates des Deutschen Kulturbundes. Medaille<br />

´Für ausgezeichnete Leistungen´ , ´Verdienstmedaille der DDR´. Vor 1945:<br />

Eintritt in die NSDAP 1932, Nr. 1 318 207.“<br />

Es war das ein hoffnungsloses Unterfangen. Im DDR –„Braunbuch“ mit<br />

seinen insgesamt 3 Auflagen hat das Autorenkollektiv, zu dessen Mitarbeitern<br />

ich zählte, nominelle NS-Mitglieder konsequent ausgespart. Aufgenommen<br />

wurden dagegen – stets mit detaillierten Funktionsangaben – personelle<br />

Stützen des NS-Regimes aus Staat, Wirtschaft, Verwaltung, Armee, Justiz und<br />

Wissenschaft, die ihre Karrieren nach Zerschlagung des Faschismus als<br />

Aufbauhelfer der Bundesrepublik Deutschlands fortsetzten. Den Leiter der<br />

„Baugruppe Schlemm“, verantwortlich unter anderem für die Errichtung des<br />

Buchenwald-KZ-Außenlagers Leau bei Staßfurt, trug es 1959 bis in das<br />

höchste Staatsamt: Heinrich Lübke wurde Bundespräsident und verblieb darin<br />

trotz internationaler Proteste bis 1968. Kurt-Georg Kiesinger, ein<br />

Chefpropagandist des NS-Außenministeriums, avancierte 1958 zum<br />

Ministerpräsidenten Baden-Württembergs bis 1966, führte von 1967 bis 1971<br />

die CDU als Parteivorsitzender und wurde 1966/69 Bundeskanzler der „Großen<br />

Koalition“. In diesem Sinne konnte der Bonner Staat vorbehaltlos die<br />

Rechtsnachfolge des untergegangenen Deutschen Reiches beanspruchen.<br />

Friedrichfeldes Herzstück ist auch heute ein „Muss“ für alle Berlin-Touristen.<br />

Seit dem Wegbruch der DDR ist der Tierpark dem Zoologischen Garten Berlin<br />

AG zugeschlagen worden. Ein Besuch heute ist angesichts des nun<br />

beträchtlichen Besucher-Obolus ein im Wortsinn teures Vergnügen geworden.<br />

Die Anwürfe gegen den weltweit geachteten Zoologen Heinrich Dathe<br />

erledigten sich aus Gründen der Gegenstandslosigkeit von selbst. An den 1991<br />

Verstorbenen erinnern die Gedenktafel in seinem jahrzehntelangen<br />

Wirkungsbereich, ein Straßenname gegenüber dem Tierpark sowie eine<br />

Heinrich-Dathe-Oberschule in Friedrichshain/Kreuzberg.<br />

13<br />

Dr. Norbert Podewin


2. Juli 1955


Mitglieder der FDJ und Junge Pioniere<br />

begrüßen die 2. Parteikonferenz der SED<br />

„Ein ungeheurer Jubel brandete in den weiten Räumen der Werner-<br />

Seelenbinder-Halle in Berlin bei der Verkündung dieses Vorschlags auf. Jene<br />

Delegierte, die bereits in der Weimarer Republik oder noch früher, im<br />

kaiserlichen Deutschland, für das historische Ziel der revolutionären<br />

Arbeiterklasse gekämpft hatten, waren sichtlich ergriffen. In meinem langen<br />

Leben habe ich viele Parteitage erlebt .... Jener Tag aber war der bedeutendste<br />

in den Jahrzehnten meines Wirkens in der Arbeiterbewegung. In der Diskussion<br />

brachte ich meine Gefühle und meinen unerschütterlichen Glauben an die<br />

große, menschheitsbefreiende Idee des Sozialismus zum Ausdruck“<br />

Ständig von Beifall unterbrochen, sagte Otto Buchwitz auf der<br />

2. Parteikonferenz: „Wir haben es immer gewollt! Wir haben es in uns getragen<br />

wie einen heiligen Schatz! Wir haben gekämpft! Wir haben gelitten und Opfer<br />

gebracht, wie sie ein einzelner für diese große Idee nur bringen kann ... Ich<br />

erlebte manche Zeitenwende. Immer wieder mussten wir mit Bitternis<br />

feststellen, dass die Reaktion verstand, solchen Zeitenwenden ihren Stempel ...<br />

aufzudrücken. Ich glaube, dieser Zeitenwende, an der wir uns befinden, ...<br />

drücken wir den Stempel unseres Wollens auf."<br />

(Otto Buchwitz: Brüder, In eins nun die Hände, Berlin 1956, S. 275/276<br />

6<br />

vehement die Auffassung, zwar trügen die hohen Militärs und Großindustriellen<br />

auch eine gewisse Schuld am Zustandekommen des Naziregimes, aber<br />

ausschlaggebend sei die Unterstützung durch breite Schichten der<br />

Bevölkerung.<br />

Wilhelm Pieck verwies immer wieder auf den komplexen Charakter der<br />

Säuberung des öffentlichen Lebens vom Nazismus. Nächst der Ausschaltung<br />

und Bestrafung der Hauptschuldigen ginge es um die Säuberung des<br />

gesamten Staatsapparates, der kommunalen Verwaltungen und der<br />

Betriebsleitungen von faschistischen Elementen. Besonders wichtig war die<br />

Entfernung nazistischer Lehrer und Hochschullehrer. Es komme aber nicht nur<br />

auf die Ausschaltung von Personen an, sondern auf „eine gründliche<br />

Säuberung Deutschlands vom Nazigeist“ und verwandten Ideologien, wie<br />

„Ungeist des Rassenwahns, die Glorifizierung des reaktionären Preußentums,<br />

den Hurra-Patriotismus und Militarismus“. Dies alles erfordere „eine breite<br />

ideologische Umerziehungsarbeit im Geiste der Demokratie und der<br />

Völkerverständigung“<br />

Im Rahmen der Auseinandersetzung mit der imperialistischen Reaktion<br />

beleuchtete Wilhelm Pieck die nationale Frage in ihren verschiedenen<br />

Aspekten. Dominant war von Anfang an die Verteidigung der nationalen Einheit<br />

Deutschlands als günstigster Kampfboden der Arbeiterbewegung gegenüber<br />

allen reaktionären Kräften. Wie sehr diese von Anfang an auf Spaltung setzten,<br />

um ihre gesellschaftlichen Machtpositionen zu behaupten, verdeutlicht Konrad<br />

Adenauer, wenn er sich schon im Oktober 1945 dafür aussprach, die<br />

sowjetische Besatzungszone bis auf weiteres abzuschreiben und die<br />

westlichen Besatzungszonen als separates, an die westlichen Nachbarländer<br />

angekoppeltes Staatsgebilde zu formieren.<br />

Angesichts solcher Tendenzen, die von den Westmächten massiv gefördert<br />

wurden, schrieb Wilhelm Pieck Anfang 1946: “Will das deutsche Volk leben,<br />

will es seinen politischen und wirtschaftlichen Aufbau konsequent demokratisch<br />

zu Ende führen, dann kann das nur auf dem Boden der nationalen Einheit<br />

Deutschlands geschehen“. In diesem Sinne forderte er auf dem 15. Parteitag<br />

der KPD im April 1946 „die Herstellung der Einheit Deutschlands als<br />

antifaschistische, parlamentarische Republik und die Bildung einer<br />

Zentralregierung durch die antifaschistisch-demokratischen Parteien“ in Berlin.<br />

Die Forderung nach nationaler Einheit wurde also nicht ethnisch,<br />

nationalistisch, sondern von den Erfordernissen einer demokratischen<br />

Entwicklung her und mit einer entsprechenden Zielsetzung motiviert.<br />

Die vor mehr als 60 Jahren von der Geschichte gestellten, von Wilhelm<br />

Pieck beantworteten Fragen sind heute noch ungelöst oder genauer gesagt<br />

stehen wieder – auf neue Weise – auf der Tagesordnung. Deshalb sind auch<br />

die damaligen Antworten Wilhelm Piecks wichtige Anregungen für heute,<br />

Möglichkeiten des Lernens aus historischen Erfahrungen.<br />

11<br />

Prof. Dr. sc. Heinz Karl


1. Juli 1945


der Anteil der volkseigenen und genossenschaftlichen Betriebe an der<br />

Bruttoproduktion der Industrie auf etwa 80 Prozent Mitte des Jahres 1952<br />

gestiegen. Auf dem Lande waren die fortgeschrittensten Landarbeiter und<br />

werktätigen Bauern in einigen Dörfern bereits zur gemeinsamen<br />

Bodenbearbeitung übergegangen.<br />

Die Schlussfolgerung, die Walter Ulbricht aus dieser Analyse ableitete, löste<br />

nicht nur unter den Delegierten der 2. Parteikonferenz einen Sturm der<br />

Begeisterung aus, sondern fand auch unter einem großen Teil der Bevölkerung<br />

der DDR volle Zustimmung: „In Übereinstimmung mit den Vorschlägen aus der<br />

Arbeiterklasse, aus den Reihen der werktätigen Bauern und aus anderen<br />

Kreisen der Werktätigen hat das Zentralkomitee der Sozialistischen<br />

Einheitspartei Deutschlands beschlossen, der 2. Parteikonferenz vorzuschlagen,<br />

dass in der Deutschen Demokratischen Republik der Sozialismus<br />

planmäßig aufgebaut wird.“ 1 Es war eine historische Weichenstellung, eine<br />

richtige Entscheidung der Delegierten – zum erstenmal in der Geschichte<br />

wurde auf deutschem Boden der Sozialismus lebendige Wirklichkeit.<br />

37 Jahre später, nach dem Sieg der Konterrevolution im Jahre 1989, wurde<br />

der Sozialismus in der DDR abgewickelt. Banken und Konzerne stürzten sich<br />

auf das von den Werktätigen der DDR erarbeitete Volkseigentum. Wer sich um<br />

den Aufbau des Sozialismus oder gar um den Schutz seiner Errungenschaften<br />

verdient gemacht hatte, wurde diffamiert und kriminalisiert, auf die Straße<br />

gesetzt oder vor Gericht gestellt. Antikommunismus wurde zur Staatsdoktrin in<br />

dem vereinigten Deutschland. Seine Ideologen werden nicht müde, die Mär<br />

vom endgültigen Scheitern des Sozialismus zu verbreiten. Unter dem Vorwand<br />

einer objektiven Aufarbeitung der Geschichte ist jedes Mittel recht, jedes<br />

Argument willkommen, wenn es nur dazu dient, das Leben der DDR-Bürger in<br />

den Schmutz zu ziehen. Da ist vom SED-Regime die Rede, vom Unrechtsstaat,<br />

der – wenn auch mit einigen Unterschieden – dem Hitlerfaschismus<br />

gleichgestellt werden müsste.<br />

Weh dem, der an die sozialistischen Lebensverhältnisse in der DDR<br />

erinnert. Zum Nostalgiker abgestempelt, wird ihm das Wort entzogen. Aber die<br />

Wahrheit lässt sich nun einmal nicht auf Dauer den Mund verbieten. Die Zahl<br />

derer nimmt zu, die nicht mehr an die von Helmut Kohl versprochenen<br />

blühenden Landschaften im Osten Deutschlands glauben. Warum gab es im<br />

Sozialismus keine Arbeitslosigkeit und warum hatten junge Menschen eine<br />

Perspektive? Warum gab es keine Obdachlosen und warum wurden damals<br />

mehr Kinder geboren als heute? Fragen über Fragen – die Antwort ist ganz<br />

einfach: Im Sozialismus steht im Mittelpunkt der Mensch und nicht der Profit,<br />

wie es heute im Kapitalismus der Fall ist.<br />

Prof. Dr. Erich Kundel<br />

1 Walter Ulbricht: Die gegenwärtige Lage und die neuen Aufgaben der SED<br />

Aus dem Referat auf der II. Parteikonferenz der SED – Berlin, 9. – 12. Juli 1952. In:<br />

Walter Ulbricht: Zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Bd. IV, Berlin 1958,<br />

S. 407.<br />

Geschichtskommentar des Monats<br />

Da gibt es eine Riesenaufregung um die arme Rütli-Schule in Berlin-<br />

Kreuzberg, vor deren Tür wegen prügelnder Schüler und hilfloser Lehrer die<br />

Polizei stand. Dabei ist diese Schule doch nur ein Zeichen für das<br />

rückschrittliche Schulsystem der BRD. Und mehr noch. Was nutzt anständiges<br />

Benehmen in der Schule und ein noch so guter Schulabschluss, wenn der<br />

Jugendliche nach der Schule, egal welche er besucht und egal welchen<br />

Schulabschluss er hat, dann keine Lehrstelle, keine Arbeit findet, wenn beide<br />

Elternteile arbeitslos sind, wenn er in die Armut und das soziale Elend<br />

entlassen wird. Das Schulsystem, in dem diese Ungeheuerlichkeiten tagtäglich<br />

passieren, also tägliche Normalität sind, ist der Teil der jugendfeindlichen<br />

kapitalistischen Ausbeutergesellschaft der Bundesrepublik.<br />

Erinnern wir uns. In der sowjetischen Besatzungszone und dann in der<br />

DDR schufen wir neben der Bodenreform und der Enteignung der<br />

Naziaktivisten und Kriegsverbrecher als eine der ersten antifaschistischen<br />

Taten das einheitliche Bildungswesen. Das begann mit der vorschulischen<br />

Erziehung in Kinderkrippe und Kindergarten und führte über die zehnklassige<br />

allgemeinbildende polytechnische Oberschule zum entsprechenden<br />

Schulabschluss für alle Kinder. Natürlich gab es wiederum für alle<br />

Schulabgänger einen garantierten Arbeitsplatz. Den Weg ihrer Kinder<br />

begleiteten die Eltern in Zusammenarbeit mit den Pädagogen in<br />

Klassenelternaktivs und Elternbeiräten. Für dieses einheitliche Bildungssystem<br />

wurde hochqualifiziertes pädagogisches Personal in genügender Zahl<br />

rechtzeitig ausgebildet. Auf das Studium oder besonders anspruchsvolle Berufe<br />

wurden Jugendliche nach der zehnklassigen Schule durch eine folgende<br />

zweijährige Erweiterte polytechnische Oberschule (EOS) vorbereitet. Mit dem<br />

Abitur schlossen Mädchen und Jungen die zwölfjährige Schulzeit ab. An<br />

Universitäten und Hochschulen wurde auf die Abiturienten schon gewartet. Und<br />

für diesen einheitlichen Bildungsweg zahlten die Lernenden oder ihre Eltern<br />

keinen Pfennig.<br />

Übrigens – einheitliches Bildungssystem. Einheitlich war dieses System<br />

nicht nur wegen seines inneren abgestimmten Zusammenhangs von der<br />

Kinderkrippe bis zur Hochschule. Einheitlich war es auch in seiner<br />

gesamtstaatlichen Ausrichtung. Unvorstellbar für einen DDR-Pädagogen der<br />

schulische Schwachsinn, dass auf Rügen etwa ein anderer Lehrstoff gelten<br />

sollte als im Erzgebirge und in Schwerin ein anderer als in Berlin oder Dresden.<br />

Für eine einheitliche Ausbildung der Jugend waren fortschrittliche Pädagogen<br />

in Deutschland schon immer. Erst in der BRD hat diese hinterwäldlerische<br />

Kleinstaatenpädagogik ihre reaktionäre Wiedergeburt erlebt.<br />

9<br />

Prof. Dr. Lothar Berthold

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!