Die nationalsozialistische Herrschaft in Niedersachsen ... - FOKO-NS
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e<strong>in</strong>en modus vivendi mit den Machthabern e<strong>in</strong>traten, gab es e<strong>in</strong>e ganze Reihe von Pfarrern,<br />
die sich mutig und unmissverständlich von der Politik des Regimes distanzierten.<br />
Als erstes Beispiel wähle ich den Stader Pastor Johann Gerhard Behrens, der im<br />
September 1935 <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Konfirmandenunterricht die antisemitische Wochenzeitung »Der<br />
Stürmer« als Schmutzblatt bezeichnet und die völkische Rassenlehre kritisiert hatte.<br />
Daraufh<strong>in</strong> wurde er von SS- und SA-Leuten sowie aufgehetzten Jugendlichen überfallen,<br />
misshandelt, mit e<strong>in</strong>em Eimer Wasser übergossen und unter Beschimpfungen wie<br />
»Judenlümmel« und »Volksverräter« durch die Stader Innenstadt getrieben. Derartige<br />
Vorfälle, wie sie auch für e<strong>in</strong>ige andere Orte nachweisbar s<strong>in</strong>d, führten <strong>in</strong> kirchentreu<br />
e<strong>in</strong>gestellten protestantischen Bevölkerungskreisen zu erheblicher Unruhe. Fanatische lokale<br />
<strong>NS</strong>-Aktivisten provozierten auf diese Weise, dass mancher zunächst dem Nationalsozialismus<br />
sehr positiv gegenüber stehende Bürger zum<strong>in</strong>dest auf vorsichtige Distanz g<strong>in</strong>g.<br />
Me<strong>in</strong> zweites Beispiel ist Walter Klose, Pfarrer <strong>in</strong> der hannoverschen Stadtrandgeme<strong>in</strong>de<br />
Stöcken, der 1940 vom Sondergericht Hannover zu e<strong>in</strong>er sechsmonatigen Gefängnisstrafe<br />
verurteilt wurde, weil er <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em seelsorgerlichen Gespräch geäußert hatte: »Unser Jupp« –<br />
geme<strong>in</strong>t war Propagandam<strong>in</strong>ister Joseph Goebbels – lüge genauso wie die englische<br />
Propaganda. Zudem hatte Klose erklärt, <strong>in</strong> Deutschland herrsche Zwang, es gäbe ke<strong>in</strong>e<br />
Freiheit mehr. Bemerkenswert an diesem Fall ist vor allem, dass es sich hier um e<strong>in</strong>en<br />
ehemaligen Funktionär der Deutschen Christen handelte, der sich während des »Dritten<br />
Reiches« so radikal von se<strong>in</strong>en ursprünglichen Überzeugungen abwandte, dass er an se<strong>in</strong>er<br />
späteren Wirkungsstätte <strong>in</strong> Barnstorf bei <strong>Die</strong>pholz aufgrund se<strong>in</strong>er allgeme<strong>in</strong> bekannten anti<strong>nationalsozialistische</strong>n<br />
E<strong>in</strong>stellung 1945 von der britischen Besatzungsmacht als<br />
Bürgermeister e<strong>in</strong>gesetzt wurde.<br />
Schließlich möchte ich noch Wolfgang Staemmler erwähnen, der <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Abteilung der<br />
Bethelschen Anstalten <strong>in</strong> Freistatt bei <strong>Die</strong>pholz als Anstaltspfarrer tätig war. Staemmler hatte<br />
im Juli 1943 beim Frühstück se<strong>in</strong>e Tischgenossen gefragt, ob sie die Ursache für den großen<br />
Erfolg der Reichssp<strong>in</strong>nstoffsammlung kennen würden, und dann ausgeführt: »Der große<br />
Erfolg der Reichssp<strong>in</strong>nstoffsammlung setzt sich zusammen aus dem Geduldsfaden des<br />
deutschen Volkes, den Hirngesp<strong>in</strong>sten des Führers, dem Lügengewebe des<br />
Propagandam<strong>in</strong>isteriums und den Lumpen der Partei.« Drei Jahre Gefängnis, verhängt durch<br />
das Sondergericht Hannover, waren die Konsequenz.<br />
Nun s<strong>in</strong>d dies ausgewählte E<strong>in</strong>zelbeispiele und man kann dem mit Recht entgegen halten,<br />
dass es unter den evangelischen Geistlichen ebenso auch zahlreiche bis 1945 völlig unbeirrte<br />
Parteigänger Hitlers sowie nicht wenige gedankenlose Mitläufer gegeben hat. Für die Stadt<br />
Hannover habe ich allerd<strong>in</strong>gs festgestellt, dass die Gestapo im Laufe der Jahre immerh<strong>in</strong><br />
gegen rund 40% aller evangelischen Geme<strong>in</strong>depfarrer ermittelt hat und <strong>in</strong> etlichen Fällen<br />
Verwarnungen aussprach, Überwachungen anordnete und Geldstrafen verhängte.<br />
Versucht man aus diesen Überlegungen e<strong>in</strong> erstes Zwischenfazit zu ziehen, so könnte der<br />
für Hamburg von Frank Bajohr formulierte Befund zum<strong>in</strong>dest für große Teile <strong>Niedersachsen</strong>s<br />
ebenfalls zutreffend se<strong>in</strong>. Er lautet: <strong>Die</strong> Machtdurchsetzung des <strong>NS</strong>-Regimes wäre 1933 ohne<br />
den E<strong>in</strong>satz von geballter Gewalt nicht möglich gewesen. Am Anfang stand also der Terror.<br />
Bald jedoch gewannen die Nationalsozialisten auch <strong>in</strong> jenen Kreisen der Bevölkerung an<br />
Zustimmung, die ihnen 1933 noch ablehnend gegenüber gestanden hatten. So entwickelte sich<br />
»schrittweise e<strong>in</strong>e Zustimmungsdiktatur, die sowohl auf diktatorialen Elementen als auch auf<br />
e<strong>in</strong>er wachsenden gesellschaftlichen Konsensbereitschaft aufbaute. <strong>Die</strong> Unterstützung des<br />
<strong>NS</strong>-Regimes durch die Bevölkerung erreichte um 1940 e<strong>in</strong>en Höhepunkt, nahm <strong>in</strong> der<br />
Folgezeit jedoch langsam und ab 1943 rapide ab.«<br />
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