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Thesen & Ergebnisse - bpv Hügel Rechtsanwälte

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Institut für Unternehmens- und Wirtschaftsrecht<br />

Univ. Prof. Dr. Hanns F. <strong>Hügel</strong><br />

Seminarstunde vom 11.04. 2011: Verschmelzungsrechtliches Umtauschverhältnis<br />

1. Unternehmenswert und Börsekurs<br />

<strong>Thesen</strong> & <strong>Ergebnisse</strong><br />

Zur Relevanz des Börsekurses existieren unterschiedliche Meinungen:<br />

• Nach Ansicht des Fachgutachtens KFS BW 1, der sich auch der Referent anschloss,<br />

dienen Börsekurse zur Plausibilitätsüberprüfung des ermittelten Unternehmenswerts.<br />

• Nach der DAT-Altana-Entscheidung des deutschen Bundesverfassungsgerichts ist der<br />

Börsekurs die Untergrenze der Barabfindung bei konzernrechtlichen<br />

Abfindungsansprüchen. Nach der überwiegenden Meinung in der BRD gilt dies nicht<br />

für die Konzentrationsverschmelzung, bei welcher das Umtauschverhältnis im Wege<br />

eines Preisbildungsprozesses festgelegt wird, sehr wohl hingegen für die<br />

Konzernverschmelzung, bei welcher aufgrund der Behrrschung der Untergesellschaft<br />

durch die (in der Regel als aufnehmende Gesellschaft fungierende) Obergesellschaft<br />

ein funktionierender Preismechanismus fehlt.<br />

Einvernehmen bestand zwischen den Podiumsdiskutanten, dass der als Untergrenze<br />

fungierende Börsekurs nicht einen Unternehmenswert bestimmt; die Untergrenze<br />

beruht vielmehr auf einem anderen (Rechts-)Prinzip, wonach der ausgeschlossenen<br />

Aktionär jedenfalls Anspruch auf jenen Wert hat, den er am Markt jederzeit hätte<br />

realisieren können. Der Referent berief sich insoweit auch auf das Fachgutachten zum<br />

Liquidationswert als Untergrenze. Ein Diskussionsteilnehmer wandte mit Blickwinkel<br />

auf den Gesellschafterausschluss ein, dass der Aktionär vor dem Ausschluss ja die<br />

Möglichkeit hatte, den Kurswert am Markt zu realisieren; habe er dies unterlassen und<br />

mit einem besseren Ausgang des gerichtlichen Überprüfungsverfahrens (§§ 225c ff<br />

AktG) spekuliert, sei die Zuerkennung des Börsekurses als Untergrenze verfehlt.<br />

• Im Zusammenhang mit der Fusion der Telekom AG mit T-Online International AG hat<br />

das OLG Frankfurt mit Beschluss vom 03.09.2010, 5 W 57/09, entschieden, dass unter<br />

bestimmten Voraussetzungen die marktorientierte Methode anhand der Börsekurse der<br />

Ermittlung des Ertragswerts nach den üblichen Unternehmensbewertungs-methoden<br />

überlegen sei.<br />

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Die Entscheidung wurde überwiegend kritisch beurteilt. Entsprechend der bisher<br />

herrschenden Ansicht sei der Börsekurs von zahlreichen Unwägbarkeiten beeinflusst,<br />

die mit dem Unternehmenswert nichts zu tun hätten.<br />

2. Beurteilungsspielräume<br />

Die anerkannten Methoden der Unternehmensbewertung führen nicht zu einem einzigen<br />

„richtigen“ Unternehmenswert. Vielmehr kommt es zur Feststellung einer Bandbreite von<br />

Unternehmenswerten.<br />

Überwiegend wurde von den Podiumsdiskutanten die Ansicht vertreten, dass dann, wenn<br />

der dem Umtauschverhältnis oder dem Gesellschafterausschluss zugrunde gelegte<br />

Unternehmenswert innerhalb dieser Bandbreite liegt, eine gerichtliche Korrektur ausscheidet.<br />

Das Gremium iSd § 225g AktG war bisher nur mit Squeeze out-Fällen befasst. Stets<br />

bestellte es Wirtschaftsprüfungsgesellschaften als Sachverständige. Das Gremium hat keine<br />

eigenständigen Bewertungen vorgenommen. Alle Fälle haben zu erheblichen<br />

Nachbesserungen geführt. Meistens erfolgte dies aber durch Abschluss eines Vergleichs.<br />

Nur in wenigen Fällen hat das Gremium eine Entscheidung getroffen.<br />

Das Gremium hat die Tendenz, bei unterschiedlichen <strong>Ergebnisse</strong>n aufgrund<br />

unterschiedlicher Bewertungsmethoden jeweils dem höchsten Wert den Vorzug zu geben.<br />

Abgeleitet werde dies aus dem Grundsatz der „vollen Entschädigung“. Dies wurde erheblich<br />

kritisiert: Führten anerkannte und sachgerecht angewendete Bewertungsmethoden zu einer<br />

Bandbreite von Unternehmenswerten, so sei jeder dieser – innerhalb der Bandbreite<br />

liegende – Unternehmenswert „angemessen“ iSd § 225c AktG (iVm § 6 Abs 2 GesAusG).<br />

Die Korrektur durch das Gremium bzw Gericht wäre dann nicht gesetzmäßig.<br />

3. Konzentrationsverschmelzung versus Konzernverschmelzung<br />

Paradefall einer Konzentrationsverschmelzung, bei welcher voneinander unabhängige<br />

Gesellschaften das Umtauschverhältnis im Rahmen eines funktionierenden<br />

Preisbildungsprozesses aushandeln, ist die Fusion von Daimler mit Chrysler. In diesem Fall<br />

kommt dem vertraglich vereinbarten und von den Hauptversammlungen genehmigten<br />

Umtauschverhältnis nach dem Beschluss des OLG Stuttgart vom 14.10.2010 AG 2011, 49<br />

Vorrang zu. Es sei als grundsätzlich angemessen zu betrachten. Für eine Korrektur bestehe<br />

kein Anlass, wenn der verhandlungsführende Vorstand die Sorgfalt eines ordentlichen und<br />

gewissenhaften Geschäftsführers angewendet hat. Dabei sind nach Ansicht des OLG<br />

Stuttgart die Grundsätze der Business Judgement Rule zu beachten. (Diese wurde mit dem<br />

UMAG 2005 in § 93 Abs 1 Satz 2 dAktG verankert.)<br />

Einvernehmen bestand darüber, dass die gerichtliche Überprüfung des<br />

Umtauschverhältnisses gemäß §§ 225c ff AktG in diesen Fällen problematisch ist, weil auch<br />

bei anderen Rechtsgeschäften – etwa dem Verkauf des Unternehmens durch die AG – keine<br />

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gerichtliche Überprüfung einer vom Vorstand privatautonom festgesetzten Gegenleistung<br />

stattfinden könne.<br />

Anders ist dies bei der Konzernverschmelzung, weil hier kein funktionierender<br />

Preismechanismus besteht. Ein derartiger Fall liegt der Entscheidung des OLG Frankfurt in<br />

der Sache Deutsche Telekom AG/T-Online zugrunde.<br />

4. Synergieeffekte<br />

Überwiegend wurde von den Podiumsdiskutanten die Ansicht vertreten, dass<br />

Synergieeffekte bei der Konzentrationsverschmelzung zur Verhandlungsmasse gehören.<br />

Werden sie aufgrund des im Rahmen eines Preisbildungsprozesses ausgehandelten<br />

Umtauschverhältnisses einer Seite zur Gänze oder doch überwiegend zugewiesen, sei dies<br />

nicht im Überprüfungsverfahren zu korrigieren.<br />

Der Grund für eine einseitige Zuweisung kann nach Ansicht eines Podiumsdiskutanten auch<br />

darin liegen, dass die Erzielung der Synergieeffekte in manchen Konstellationen bei<br />

wertender Betrachtung (nicht bei einer Kausalitätsbetrachtung, weil Synergieeffekte per<br />

definitionem nur gemeinsam realisiert werden können und daher von beiden Fusionspartnern<br />

„verursacht“ sind) auf die unternehmerischen Verdienste nur eines Fusionspartners<br />

zurückzuführen seien. Als Beispiel wird die Verschmelzung von zwei<br />

Produktionsgesellschaften genannt, bei welcher nur eine Gesellschaft zusätzlich einen<br />

Vertriebsapparat aufgebaut habe. Die durch den Vertrieb beider Produktgruppen erzielten<br />

Synergien könnten einseitig jener Gesellschaft, die einen Vertrieb aufgebaut hatte,<br />

zugewiesen werden.<br />

Der Podiumsdiskutant vertrat die Ansicht, dass diese unterschiedlichen unternehmerischen<br />

Verdienste auch im Falle einer Konzernverschmelzung eine einseitige Zuordnung der<br />

Synergieeffekte rechtfertigen. Dies wurde von einem anderen Podiumsdiskutanten nicht<br />

geteilt. Die Synergieeffekte seien bei der Konzernverschmelzung auf beide Aktionärsgruppen<br />

aufzuteilen.<br />

Umstritten war auch die Frage, ob bei einem Gesellschafterausschluss Synergieeffekte bei<br />

Bemessung der Abfindung zu vergüten seien. Dies wurde von der Mehrheit der<br />

Podiumsdiskutanten bejaht. Es wurde aber auch das Problem erkannt, dass die<br />

Obergesellschaft im Rahmen der Konzernleitung weitgehend entscheiden kann, ob die<br />

Synergieeffekte bei der Untergesellschaft, aus welcher die Minderheit ausgeschlossen<br />

wurde, oder bei der Obergesellschaft eintreten; die Abfindung sei aber ausschließlich nach<br />

dem Unternehmenswert der Untergesellschaft zu bemessen.<br />

Demgemäß vertrat ein Podiumsdiskutant die Ansicht, dass hinsichtlich der Aufteilung von<br />

Synergieeffekten zwischen der Verschmelzung und dem Gesellschafterausschluss zu<br />

differenzieren sei. Die Verschmelzung sei vom Gesetz dahingehend konzipiert, dass die<br />

Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft „investiert bleiben“, und zwar, indem sie mit<br />

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einem Investment an der vereinigten Gesellschaft abgefunden werden. Dies umfasse die<br />

Beteiligung an allen künftigen Entwicklungen der vereinigten Gesellschaften, somit<br />

grundsätzlich auch an Synergieeffekten. Sei das Umtauschverhältnis nicht angemessen,<br />

müsse die Ausgleichszuzahlung auch unter Berücksichtigung der Synergieeffekte bemessen<br />

werden.<br />

Anders sei dies möglicherweise beim Gesellschafterausschluss. Dieser sei von Vornherein<br />

darauf gerichtet, die Minderheitsaktionäre legitimer Weise von künftigen Entwicklungen des<br />

Unternehmens auszuschließen. Auch wenn die Ermittlung des Unternehmenswerts aufgrund<br />

der zukünftigen Überschüsse zu erfolgen habe, sei es hier denkbar, die ausgeschlossenen<br />

Gesellschafter im Wege einer stand alone-Bewertung von erst künftig zu verwirklichenden<br />

Synergieeffekten auszuschließen. Dies entspreche auch der deutschen Spruchpraxis zu den<br />

konzernrechtlichen Abfindungsansprüchen.<br />

Diese Frage wurde kontrovers diskutiert.<br />

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Hanns F. <strong>Hügel</strong><br />

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