Diagnosen der Moderne: Friedrich A. von Hayek - Walter Eucken ...
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Wohl auch deshalb bevorzugte <strong>Hayek</strong> den eher sperrigen Begriff „Katallaktik“,<br />
da „Ökonomik“ nicht das beschreibe, worum es einer Ökonomik <strong>der</strong><br />
Mo<strong>der</strong>ne gehen müsse. Diese Definition leitet sich auch aus dem Griechischen<br />
her, vom Verb „kattallatein“, das eine reizvolle Doppelbedeutung hat:<br />
zum einen „tauschen“, zum an<strong>der</strong>en „aus einem Feind einen Freund machen“.<br />
23 Und für <strong>Hayek</strong> ist das beson<strong>der</strong>e Rätsel, das Ökonomen zu lösen und<br />
zu erklären haben, nicht: wie gegebene Mittel etwa des Vorstehers eines „Oikos“<br />
effizient im Hinblick auf gegebene Zwecke eingesetzt werden sollen,<br />
son<strong>der</strong>n vielmehr: wie Millionen <strong>von</strong> Menschen ihre jeweils eigenen Pläne<br />
unter Nutzung und Verbreitung jeweils eigenen Wissens mit Millionen an<strong>der</strong>er<br />
Menschen erfolgreich koordinieren können. Es geht <strong>Hayek</strong> damit um die<br />
Bedingung <strong>der</strong> Möglichkeit ungeplanter und unplanbarer Arbeits- und Wissensteilung<br />
unter Menschen, die sich nicht kennen, und dennoch zu Handlungen<br />
bewogenen werden, die unbekannten An<strong>der</strong>en nutzen und ungeplant zu<br />
sozialen Ergebnissen führen, die bestenfalls ein allwissen<strong>der</strong> (und wohlwollen<strong>der</strong>)<br />
Planer hätte hervorbringen können. Erklärungsbedürftig ist die erstaunlicherweise<br />
oft erfolgreiche Koordination verschiedenster individueller<br />
Pläne in einer ungeplanten, spontanen Ordnung.<br />
Das „zentrale Problem <strong>der</strong> Volkswirtschaftslehre als einer Sozialwissenschaft“<br />
ist deshalb: „Wie kann das Zusammenwirken <strong>von</strong> Bruchstücken <strong>von</strong><br />
Wissen, das in den verschiedenen Menschen existiert, Resultate hervorbringen,<br />
die, wenn sie bewusst vollbracht werden sollten, auf Seiten des lenkenden<br />
Verstandes ein Wissen erfor<strong>der</strong>n würden, das kein einzelner Mensch besitzen<br />
kann?“ 24 <strong>Hayek</strong> interessiert vor allem, wie verstreutes, ephemeres, implizites<br />
Wissen, das nur in den Individuen vor Ort vorhanden ist, kommuniziert<br />
und sozial nutzbar gemacht werden kann. <strong>Hayek</strong>s Entdeckung, die in<br />
den mo<strong>der</strong>nen Sozialwissenschaften heute wohl kaum mehr als „revolutionär“<br />
anzusehen ist, aber gerade in <strong>der</strong> Lehrbuchökonomik noch immer ein<br />
Fremdkörper ist, war: das Preissystem kommuniziert solches Wissen in Form<br />
<strong>von</strong> Signalen, die Anpassungen an verän<strong>der</strong>te Umstände ermöglichen, welche<br />
niemandem in Gänze bekannt sein können – und müssen. 25<br />
Dass Preise Än<strong>der</strong>ungen relativer Knappheit anzeigen, ist noch in <strong>der</strong> neoklassischen<br />
„Logik <strong>der</strong> Wahl“ enthalten. Den Weg zu einer sozialwissenschaftlich<br />
ergiebigen Kommunikationstheorie versperrt aber <strong>der</strong> für Zwecke<br />
mathematischer Gleichgewichtsmodellierung unverzichtbare „homo oeconomicus“,<br />
<strong>der</strong> mit vollständigem o<strong>der</strong> unvollständigem, jedenfalls „gegebenem“<br />
Wissen ausgestattet ist. Das Problem <strong>der</strong> Wissensteilung steckt indes in <strong>der</strong><br />
Frage: Wem ist welches Wissen wann und wodurch gegeben? Und: wie ist die<br />
ungeplante Koordination <strong>der</strong> Pläne möglich, die auf subjektiven Erwartungen<br />
beruhen, die wie<strong>der</strong>um auf unterschiedliches persönliches Wissen rekurrie-<br />
23 <strong>Hayek</strong> (1973–79, 2003; S. 259).<br />
24 <strong>Hayek</strong> (1937, 1976; S. 75).<br />
25 Vgl. <strong>Hayek</strong> (1945, 1976).<br />
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