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Aus der Geschichte eines Warendorfer Bildstockes Der ... - Pilotfisch

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<strong>Aus</strong> <strong>der</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong>eines</strong> <strong>Warendorfer</strong> <strong>Bildstockes</strong><br />

<strong>Der</strong> lange Weg <strong>der</strong> Immaculata an <strong>der</strong> Marienkirche<br />

Dr. Wilma Dartmann<br />

Fragt man heute einen <strong>Warendorfer</strong> – das Lebensalter spielt dabei kaum eine Rolle -, seit<br />

wann das Marienstandbild, die Immaculata, ihren Standort in unmittelbarer Nähe des<br />

Kirchturms <strong>der</strong> Marienkirche hat, erhält man zur Antwort erstaunte Blicke nach dem Motto:<br />

„Die Madonna stand da doch schon immer!“ – „Wo könnte sie denn sonst noch gestanden<br />

haben?“ Fällt dann im Gespräch das Stichwort „Osttor“ / „Promenade“, werden die Chancen<br />

größer, dass sich zumindest Ältere erinnern: „Am Osttor – Ecke Promenade / B64 – am<br />

Torhäuschen – da stand mal eine Madonna.“ Aber: Wann und warum wurde die Madonna am<br />

Osttor entfernt? – Wann und warum wurde sie dort aufgestellt? - Wenn sie nicht schon immer<br />

dort gestanden hat, wo war ihr ursprünglicher Standort? (Die Zahleninschrift 1717 weist<br />

jedenfalls auf ein hohes Alter des Standbildes hin.)<br />

Die Jahreszahl 1717 lässt sich aus dem im Sockel befindlichen Chronogramm herauslösen:<br />

T r I s t I b V s D V L C e L e V a M e n<br />

(übersetzt: Den Betrübten ein süßer Trost)<br />

Die als römische Zahlzeichen zu verstehenden Buchstaben (im Schriftbild als<br />

Großbuchstaben hervorgehoben) lassen sich zur Jahreszahl 1717 addieren.<br />

Die Figur ist aus Baumberger Sandstein geschaffen: Über den Künstler lässt sich keine exakte<br />

<strong>Aus</strong>sage machen; vermutlich ist die Madonna ein Werk des Künstlers Gröninger o<strong>der</strong> sie<br />

kommt aus seiner Schule.<br />

Versucht man nun, den Weg <strong>der</strong> Madonna vom Zeitpunkt <strong>der</strong> Entstehung im Jahre 1717 bis in<br />

unsere Zeit zu verfolgen, so stoßen wir auf interessante Fakten und Begebenheiten, die<br />

Aufschluss über die unterschiedlichen Standorte und Standortwechsel geben. Allerdings<br />

lassen sich zu etlichen Standorten und Zeiten von Standortwechseln keine verbindlichen<br />

<strong>Aus</strong>sagen machen; teilweise gründen <strong>Aus</strong>sagen auf plausiblen Vermutungen aus <strong>der</strong><br />

geschichtlichen Entwicklung und möglichen Schlussfolgerungen daraus.<br />

Deshalb ist die <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> Immaculata nicht ohne Einblicke in die politisch bedingte<br />

Entwicklung des kirchlichen Lebens im Münsterland zu erklären: es ist somit lohnenswert,<br />

immer wie<strong>der</strong> das Augenmerk auf die politisch verfügten Geschicke <strong>der</strong> katholischen Kirche<br />

– insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> hiesigen Klöster – zu richten; die <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> Immaculata ist von daher<br />

auch auf dem Hintergrund <strong>der</strong> <strong>Geschichte</strong> des Marienfel<strong>der</strong> Zisterzienserklosters und des<br />

<strong>Warendorfer</strong> Franziskanerklosters zu verstehen.<br />

<strong>Der</strong> ursprüngliche Standort – die Zeit von 1717 bis 1878<br />

Ursprünglich war die Marienstatue im Besitz des Zisterzienserklosters Marienfeld; ob sie<br />

auch dort ihren ersten Standort hatte, ist nicht schriftlich belegt. Möglicherweise hatte sie<br />

schon im Jahre 1717 ihren Standort in <strong>der</strong> Stadt Warendorf (so sagte es <strong>der</strong> damalige Dechant<br />

Hast am 2. Pfingsttag 1955 anlässlich <strong>der</strong> feierlichen Einweihung <strong>der</strong> Madonna an ihrem<br />

neuen Standort an <strong>der</strong> Einmündung <strong>der</strong> Pater-Markötter-Promenade zur B 64.)


Dieser ursprüngliche Standort muss in Warendorf auf dem Klostergelände <strong>der</strong> Franziskaner<br />

gewesen ein, und zwar vermutlich nahe <strong>der</strong> Nepomukkapelle (abgebrochen 1968); denn diese<br />

Kapelle gehörte zum Marienfel<strong>der</strong> Hof, einem Besitz des Marienfel<strong>der</strong> Zisterzienserklosters<br />

innerhalb des Klostergeländes <strong>der</strong> Franziskaner.<br />

Es ist allerdings ebenso möglich, dass die Madonna ihren Platz am Franziskanerkloster erst<br />

infolge <strong>der</strong> <strong>Aus</strong>wirkungen <strong>der</strong> Säkularisation gefunden hat:<br />

Denn durch die beschlossene Säkularisation (Reichsdeputationshauptschluss von 1803) trat an<br />

die Stelle des Fürstbistums Münster die preußische Monarchie als Landesherr; diese politische<br />

Verän<strong>der</strong>ung hatte erhebliche <strong>Aus</strong>wirkungen auf die bis dahin geltenden Rechte <strong>der</strong> Kirche<br />

Von <strong>der</strong> Säkularisation verschont blieb das Franziskanerkloster.<br />

(Es verfügte nicht wie die alten Klöster und Stifte <strong>der</strong> Nachbarschaft über großen<br />

Grundbesitz, son<strong>der</strong>n lebte nach dem Armutsideal des Ordens hauptsächlich von<br />

seelsorgerischen Tätigkeiten und Almosen; allerdings befand sich auch das Kloster viele Jahre<br />

in einer schwierigen Situation: z.B. wurde das Gymnasialgebäude als Lazarett belegt und<br />

Teile des Klostergebäudes wurden durch das stationierte Landwehrbatallion genutzt;<br />

außerdem schien <strong>der</strong> Franziskanerorden aufgrund des Verbotes <strong>der</strong> Neuaufnahme von<br />

Novizen zum <strong>Aus</strong>sterben verurteilt zu sein.)<br />

Die übrigen Nie<strong>der</strong>lassungen benachbarter Klöster – so z.B. das Zisterzienserkloster<br />

Marienfeld – waren teils wenige Jahre zuvor verkauft worden. Somit könnte im<br />

Zusammenhang dieser Verkäufe die Marienstatue ihren Platz am Franziskanerkloster<br />

gefunden haben (Marienfel<strong>der</strong> Hof des Zisterzienserordens).<br />

Weitere einschneidende Maßnahmen gegen den Einfluss <strong>der</strong> katholischen Kirche wurden<br />

wenige Jahrzehnte später durch die Politik getroffen.<br />

Schon Ende des Jahres 1869 beschäftigte sich das preußische Abgeordnetenhaus mit<br />

Petitionen, die die Einziehung sämtlicher geistlicher Güter und die Aufhebung aller Klöster<br />

zum Thema hatten. (Klöster galten als „Pflanzstätten des Aberglaubens, <strong>der</strong> Faulheit und <strong>der</strong><br />

Unzucht“.) Nachdem im Rahmen des Kulturkampfes – ausgelöst vom ersten Reichskanzler<br />

Otto von Bismarck – schon 1862 die Jesuiten und an<strong>der</strong>e Orden aus Deutschland ausgewiesen<br />

worden waren, zweifelten die Franziskaner nicht daran, dass ihnen ein ähnliches Schicksal<br />

bevorstehe. Angesichts <strong>der</strong> drohenden Gefahr bereiteten sie sich – bevor das sog.<br />

Klostergesetz veröffentlicht wurde – auf ihre Verbannung aus Deutschland vor.<br />

Folgende politischen Maßnahmen waren für das Franziskanerkloster von existenzieller<br />

Bedeutung:<br />

- <strong>Der</strong> Konvent wurde am 20.Augusr 1875 aufgelöst.<br />

- Die Kirche wurde für öffentliche Gottesdienste geschlossen.<br />

Das am 31. Mai 1875 publizierte Klostergesetz verbannte die Franziskaner aus Deutschland;<br />

sie mussten sich eine neue Wirkungsstätte im <strong>Aus</strong>land suchen; die Franziskaner fanden diese<br />

in Nordamerika. Das Klosterinventar wurde deshalb im Mai 1875 verkauft bzw. versteigert.<br />

Das Klostergebäude wurde vermutlich an den Baron von Nagel in Ostenfelde vermietet. In<br />

diese Zeit fällt auch <strong>der</strong> Verkauf <strong>der</strong> Immaculata. Dieser Verkauf ist schriftlich belegt und<br />

wird uns außergewöhnlich anschaulich geschil<strong>der</strong>t.


<strong>Der</strong> Standort in Westkirchen – 1878 bis 1954<br />

Die ausführliche und äußerst anschauliche Darstellung zum Standortwechsel <strong>der</strong> Madonna<br />

von Warendorf nach Westkirchen verdanken wir einem Briefwechsel zwischen dem<br />

ehemaligen <strong>Warendorfer</strong> Bürgermeister Otto Freund und dem Westkirchener Bürgermeister<br />

Bauer Ringbeck-Vinke aus dem Jahre 1955.<br />

In den beiden Briefen, die Ringbeck-Vinke verfasst hat, spricht er von <strong>der</strong> „Marienfel<strong>der</strong><br />

Madonna“ bzw. über „das schöne Madonnenbild <strong>der</strong> alten Abtei Marienfeld“. Er schreibt,<br />

dass „die Madonnenstatue … durch den Reichshauptschluss um 1803 mit dem Gesamtbesitz<br />

des Klosters Marienfeld an den Staat Preußen gekommen war …“ und dass sie „nachdem <strong>der</strong><br />

Franziskanerorden in Preußen aufgelöst“ wurde, zum öffentlichen Verkauf angeboten wurde.<br />

<strong>Aus</strong> den Briefen lassen sich zum Verkauf <strong>der</strong> Marienstatue interessante Tatsachen entnehmen.<br />

Das Jahr des Verkaufs lässt sich bestimmen, wenn man Äußerungen zur Situation <strong>der</strong><br />

Bauernfamilie Bussmann heranzieht. Es muss das Jahr 1878 gewesen sein, als <strong>der</strong> Bauer<br />

Bernhard Bussmann aus Westkirchen mit Pferd und Wagen den Ferkelmarkt in Warendorf<br />

aufgesucht hat; dieser fand damals am Schweinemarkt statt. Gegen Ende des Marktes – <strong>der</strong><br />

Bauer hatte wohl noch keine Ferkel erworben – erschien ein städtischer <strong>Aus</strong>rufer und gab<br />

bekannt: „Heute Mittag, 12 Uhr, wird ein aus Stein gehauenes Frauenbildnis im Auftrage <strong>der</strong><br />

Preußischen Regierung meistbietend verkauft. Sammelpunkt Klosterplatz!“<br />

Es müssen nur wenige Marktbesucher von dieser Bekanntmachung Notiz genommen haben.<br />

Denn als Bussmann zum Klosterplatz kam, waren nur ein paar Leute anwesend. Die Madonna<br />

stand noch an ihrem gewohnten Platz - „an <strong>der</strong> damaligen evangelischen Kirche“ -<br />

(Nepomukkapelle, die den evangelischen Christen ab 1826 von <strong>der</strong> preußischen Regierung<br />

zur Verfügung gestellt worden war).<br />

Pünktlich um 12 Uhr begann unter Leitung des Staatskommissars die Versteigerung. <strong>Der</strong><br />

<strong>Aus</strong>rufer bat die Anwesenden näher heranzutreten; Bussmann trat als Erster vor, zögernd<br />

folgten die an<strong>der</strong>en. <strong>Der</strong> <strong>Aus</strong>rufer waltete s<strong>eines</strong> Amtes: „Nun, liebe Leute, was wird für das<br />

schöne Kunstwerk geboten?“ Als keine Reaktion erfolgte, trat <strong>der</strong> <strong>Aus</strong>rufer direkt auf<br />

Bussmann zu und fragte ihn: „Nun, junger Mann, haben Sie denn kein Interesse für diese<br />

schöne Frau? Was wollen Sie bieten?“ Bussmann reagierte: „Fünf Mark will ich geben.“<br />

Dieses Angebot wurde zunächst nur mit einem ungläubigen Kopfschütteln quittiert. Als<br />

Bussmann aber die Nachfrage des Kommissars, ob er Soldat gewesen sei, bejahen konnte,<br />

erhielt Bussmann den Zuschlag; denn im weiteren Verlauf <strong>der</strong> Versteigerung waren keine<br />

Angebote mehr erfolgt. Bussmann zog seinen alten, aus dem Kriegsdienst mitgebrachten<br />

Brustbeutel aus seinem Bauernkittel, zahlte die gefor<strong>der</strong>ten fünf Mark, erhielt eine<br />

Empfangsbestätigung mit <strong>der</strong> Verpflichtung, das Bildnis innerhalb kurzer Zeit zu entfernen<br />

und den Platz ordentlich einzuebnen.<br />

Für Bussmann galt es dann, das Transportproblem zu lösen. Er hatte zwar keine Ferkel<br />

gekauft; aber wie sollte er bei den damaligen schlechten Wegeverhältnissen die schwere<br />

Madonna auf seinem Pferdewagen von Warendorf nach Westkirchen beför<strong>der</strong>n?<br />

Die Hilfsbereitschaft an<strong>der</strong>er Bauern trug zur Lösung des Problems bei: Viele größere und<br />

kleinere Bauern aus Westkirchen ließen ihr Korn in <strong>der</strong> großen Affhüppenmühle (in <strong>der</strong> Nähe<br />

<strong>der</strong> heutigen „Herrlichkeit“ in Warendorf), die von <strong>der</strong> Wasserkraft <strong>der</strong> Ems getrieben wurde,<br />

mahlen. Um das Korn aus <strong>der</strong> Stadt Warendorf zur Mühle zu bringen, fuhr ein sog.<br />

Kornsammelwagen durch die Stadt; alle Ackerbürger, von denen es damals noch viele in <strong>der</strong>


Stadt Warendorf gab, brachten ihr Korn zum Sammelwagen, ließen es in <strong>der</strong> großen Mühle<br />

mahlen und erhielten das fertige Mahlgut unentgeltlich zurück. Als <strong>der</strong> Gespannführer und<br />

dessen Sammler, die mit Bauer Bussmann gut bekannt waren, von dem ungewöhnlichen Kauf<br />

hörten, boten sie sich an, gegen ein kl<strong>eines</strong> Trinkgeld die schwere Statue mit dem<br />

Kornsammelwagen nach Westkirchen zu bringen. Als guter Kunde <strong>der</strong> Mühlenverwaltung<br />

erhielt Bauer Bussmann ohne lange Verhandlungen die Transportgenehmigung.<br />

Die Fuhrwerksleute des Kornsammelwagens waren <strong>der</strong> Überzeugung, dass „das schöne<br />

Madonnenbild <strong>der</strong> alten Abtei Marienfeld bei den kleinen Neubauern … noch geduldet<br />

werden“ würde, es aber „in <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen ‚aufgeklärten’ Stadt … wohl nicht mehr geachtet<br />

werden“ würde.<br />

Die zu entrichtende Gebühr für die Straßenverwaltung an <strong>der</strong> Straßenbarriere in Vohren (auf<br />

dem Weg zwischen Warendorf und Westkirchen in <strong>der</strong> Nähe <strong>der</strong> Vohrener Höhe) wurde nicht<br />

erhoben, weil für „die Beför<strong>der</strong>ung von Heiligtümern … von <strong>der</strong> Königlichen Regierung noch<br />

kein Tarif ergangen“ war.<br />

So ist die Marienfel<strong>der</strong> Madonna ohne Abgabe an den Fiskus nach Westkirchen gekommen.<br />

Und als <strong>der</strong> Bauer Bussmann am Nachmittag seinen Hof erreichte, wird seine Frau wohl mit<br />

großem Erstaunen registriert haben, dass ihr Mann statt Ferkel eine Madonna gekauft hatte.<br />

In Westkirchen wurde dann im Kreise <strong>der</strong> Nachbarn schnell beraten, wo das schöne<br />

Kunstwerk einen ehrenvollen Platz erhalten solle. Alle Nachbarn waren zur unentgeltlichen<br />

Hilfe bereit, auch das in Frage kommende Grundstück wurde gestiftet. Die Madonna wurde<br />

an dem alten Fußweg von Warendorf nach Westkirchen aufgestellt. Dieser Fußweg wurde<br />

auch später noch – als die Landstraße schon zur Bundesstraße ausgebaut war – viel benutzt.<br />

Abschließend schreibt <strong>der</strong> Verfasser <strong>der</strong> Briefe, „dass dieses ehrwürdige Madonnenbild … an<br />

dem alten, vielbenutzten Fußweg auf Herz und Gemüt <strong>der</strong> heranwachsenden Jugend, die fast<br />

täglich für Kirche und Schule den einsamen Pfad benutzte, veredelnd eingewirkt hat.“<br />

Zurück in <strong>der</strong> Stadt Warendorf<br />

<strong>Der</strong> Standort in <strong>der</strong> Zeit von 1954 bis 1987<br />

Nach dem Zweiten Weltkrieg besannen sich viele <strong>Warendorfer</strong> wie<strong>der</strong> darauf, welche<br />

Bedeutung die Marienverehrung – sichtbares Zeichen ist z.B. die alljährliche feierliche<br />

Gestaltung des Festes Mariä Himmelfahrt – für die Stadt Warendorf hatte.<br />

Bürgermeister Otto Freund, Oberstudienrat Blum, Vertreter des Franziskanerordens und<br />

etliche Bürger ergriffen deshalb die Initiative, auch durch ein äußeres Zeichen den Charakter<br />

als Marienstadt sichtbar zu machen. Mit dem Wunsch, die Marienfel<strong>der</strong> Madonna nach<br />

Warendorf zurückzuholen, stieß beim Besitzer Bauer Bussmann auf volles Verständnis. Denn<br />

das Kunstwerk wurde zwar gepflegt und in Ehren gehalten, hatte aber nicht die ihm nach<br />

seinem Wert zukommende Wirkung und verdiente Beachtung. Auch die <strong>Warendorfer</strong> Bürger,<br />

die das Unternehmen finanzieren mussten, begrüßten das Vorhaben und standen hinter diesem<br />

Plan. Es wurden viele Vorschläge für einen neuen – ehrenvollen und würdigen – Standort<br />

gemacht. Schließlich einigte man sich auf den Platz am Osttor. (Ecke: Pater-Markötter-<br />

Promenade / Oststraße / B64) Die Bauunternehmerfirma Carle aus Warendorf nahm die<br />

Instandsetzung und Aufstellung <strong>der</strong> Statue in die Hand. So „kehrte dieses Bildnis heim im<br />

Marienjahr 1954 am Vorabend des ersten Adventssonntages“ (nach einer Inschrift im alten<br />

Sockel)


Für die Entscheidung des Standortes am Osttor mag folgen<strong>der</strong> Gedanke bedeutsam gewesen:<br />

Am Münstertor im Westen <strong>der</strong> Stadt stammt auch das Marienfel<strong>der</strong> Tor mit seinen<br />

Sandsteinsäulen und den schweren Eisengittern aus dem Besitz des Marienfel<strong>der</strong><br />

Zisterzienserordens. Wenn nun die Marienfel<strong>der</strong> Madonna ihren Platz am Osttor erhalten<br />

würde, dann wäre Warendorf im Westen und im Osten <strong>der</strong> Stadt mit Klostergut ausgestattet.<br />

Bei <strong>der</strong> feierlichen Einweihung am 2. Pfingsttag 1955 – unter großer Beteiligung von<br />

Vertretern des Kreises, <strong>der</strong> Stadt, <strong>der</strong> Kirchen und von Bürgern – gab <strong>der</strong> damalige Dechant<br />

Hast seiner Freude darüber <strong>Aus</strong>druck, dass die Marienstatue wie<strong>der</strong> ihren Platz in <strong>der</strong> Stadt<br />

Warendorf eingenommen habe. Er stellte die beson<strong>der</strong>e Bedeutung des Standortes an einer<br />

<strong>der</strong> verkehrsreichsten Straßen <strong>der</strong> Stadt heraus. Dieser Ort könne die Menschen im Getriebe<br />

des Straßenverkehrs zu einem Augenblick des Innehaltens und <strong>der</strong> Besinnung veranlassen.<br />

Abschließend betonte <strong>der</strong> Dechant, dass die Madonna Zeugnis ablegen könne von <strong>der</strong><br />

Marienverehrung, die seit vielen Jahrhun<strong>der</strong>ten das religiöse Leben <strong>der</strong> Stadt Warendorf<br />

geprägt habe.<br />

<strong>Der</strong> jetzige Standort an <strong>der</strong> Marienkirche<br />

<strong>Der</strong> <strong>Aus</strong>bau <strong>der</strong> B 64 tangierte zweifelsfrei den Standort <strong>der</strong> Madonna und hatte zwangsläufig<br />

nachteilige <strong>Aus</strong>wirkungen. Durch die Verbreiterung <strong>der</strong> Bundesstraße – die Madonna war<br />

deshalb 1972 schon einmal versetzt worden - wirkte <strong>der</strong> verbliebene Platz eher etwas dürftig<br />

und kümmerlich; die Madonna hatte ihren exponierten und „herausragenden“ Blickfang<br />

eingebüßt und stand sozusagen etwas „verloren“ an ihrem Standort. Die öffentliche Sorge um<br />

den Erhalt des Kunstwerks veranlasste schon 1984 die zuständigen Gremien <strong>der</strong> Stadt, eine<br />

Geldsumme bereitzustellen, um die Madonna vor einem drohenden Verfall zu bewahren.<br />

In den folgenden Jahren führten Verhandlungen mit den katholischen Kirchengemeinden<br />

dazu, dass die Madonna im Jahr 1987 ihren jetzigen Platz an <strong>der</strong> Marienkirche erhielt, neben<br />

dem Kirchturm <strong>der</strong> im Jahr 1912 abgerissenen alten Marienkirche.<br />

Sicherlich hat die Marienverehrung heutzutage nicht mehr die Bedeutung wie früher und ist<br />

auch nicht mehr so stark im Bewusstsein <strong>der</strong> Menschen verankert. Wenn ein Denkmal jedoch<br />

„aus seiner <strong>Geschichte</strong> erzählen kann“, dann wird es für uns in gewisser Weise wie<strong>der</strong><br />

„lebendig“. Deshalb kann es sinnvoll sein, Denkmälern und Kunstwerken unsere<br />

Aufmerksamkeit zu schenken, - „sie sprechen zu lassen“ -; und das beson<strong>der</strong>s dann, wenn ihre<br />

<strong>Aus</strong>sagen uns in <strong>der</strong> heutigen Zeit vielleicht etwas fremd geworden sind.<br />

Quellenverzeichnis<br />

Briefwechsel zwischen Bürgermeister Otto Freund und Bürgermeister Bauer Ringbeck-Vinke,<br />

in: Neue Blätter für Orts- und Heimatkunde im Kreise Warendorf, (Beilage zur „Glocke“: Die „Madonna am<br />

Stadtgraben“ vor dem Osttor – eine kulturgeschichtliche Plau<strong>der</strong>ei / Von Dr. Rohle<strong>der</strong>) Nr. 39, 1963<br />

Die Glocke (vom 31.5.1955 – Marienstatue im Blumenschmuck)<br />

<strong>Warendorfer</strong> Kiepenkerl, November 1984,<br />

(„Notizen zu einer Madonna des frühen 18. Jahrhun<strong>der</strong>ts“ von Dr. E. Gühne)<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> Stadt Warendorf, Bd. II (Hrsg.: Leidinger, Paul; Warendorf 2000)<br />

<strong>Warendorfer</strong> Wegebil<strong>der</strong> und Hofkreuze (Teil 1: Warendorf und Umgebung;<br />

Hrsg.: Pfarrei St. Laurentius Warendorf, Warendorf 2007)

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