04.10.2013 Aufrufe

AEJohann_Ans dunkle Ufer

AEJohann_Ans dunkle Ufer

AEJohann_Ans dunkle Ufer

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

auch noch Gesangbuch und Katechismus dazugetan, sie hatten<br />

ihn auch in seinen Soldatenjahren begleitet. Er hatte nicht<br />

mehr nachgesehen, ob der Bruder sich von seiner Fußfessel<br />

befreite. Er hatte das große Haus mit dem hohen reetgedeckten<br />

Giebel und den gekreuzten Pferdeköpfen durch den Stall<br />

verlassen, war noch einmal um das Haus herumgetappt und<br />

hatte auf der anderen Seite an das niedrige Fenster geklopft,<br />

hinter dem die Mutter schlief: »Ich bin es, Mutter: Walther!<br />

Kannst du ans Fenster kommen?«<br />

Kurze Zeit danach schlug das Fenster nach außen auf. »Was<br />

ist, Walther, um Gottes willen? Warum klopfst du mich aus<br />

dem Schlaf, mitten in der Nacht?«<br />

»Die Sterne werden schon blass, Mutter. Ich habe mich mit<br />

Hartwig auseinandergesetzt, Mutter. Ich gehe fort, Mutter, für<br />

immer.«<br />

»Ich wusste, dass es so kommen würde!«, jammerte die alte<br />

Frau leise. Schattenhaft erschien ihr Gesicht unter der großen<br />

Nachthaube im <strong>dunkle</strong>n Fensterviereck. Dann: »Hast du dein<br />

Erbteil mitbekommen, Walther?«<br />

»Ja, er hat es mir geben müssen!«<br />

»Das ist gut. Das erleichtert mein Gewissen. Vater hat immer<br />

gewollt, dass du allein darüber bestimmen und entscheiden<br />

sollst.«<br />

»Ja, das hat er wohl, Mutter. Aber das ist nun alles vorbei<br />

und hinter mir. Leb wohl, Mutter!« Er sagte es härter als nötig.<br />

Die alte Frau empfand, wie sie zurückgewiesen wurde. Sie<br />

flüsterte kaum hörbar: »Leb wohl, mein Jüngster! Jeden Tag<br />

werde ich für dich beten!«<br />

Walther hatte für einen Augenblick seine Hand auf ihre<br />

von der Arbeit gezeichneten alten Hände gelegt, die gefaltet<br />

auf der Fensterbank ruhten. Dann hatte er mit einem<br />

Schwung seinen Reisesack geschultert und war durch den<br />

eben erst zu ahnenden Morgen davongestapft.<br />

23

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!