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Dokument 1.pdf (4.979 KB) - RWTH Aachen University

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SStellen Sie sich vor, Sie sollen<br />

den Schmelzpunkt von Eis bestimmen!<br />

Nichts leichter als<br />

das: Zerstoßenes Eis nehmen,<br />

in einen Becher füllen, Thermometer<br />

hinein, erwärmen lassen,<br />

kräftig rühren und ablesen, wie<br />

die Temperatur des Eis-Wassergemischs<br />

sich einpendelt, bis alles<br />

geschmolzen ist. Was aber<br />

tun, wenn nur ein Becher aus<br />

Salz verfügbar ist? Dieselbe<br />

Prozedur führt zu einer sehr<br />

viel niedrigeren Schmelztemperatur,<br />

weil sich Salz im Wasser<br />

löst. Dies kennen wir von den<br />

Streuaktionen auf den Straßen<br />

im Winter.<br />

Richtig schwierig wird es,<br />

wenn man den exakten<br />

Schmelzpunkt keramischer<br />

Hochtemperaturwerkstoffe bestimmen<br />

will. Zwar gibt es für<br />

ein gegebenes Probenmaterial<br />

vielleicht sogar höher schmelzende<br />

Verbindungen, die als<br />

Tiegel in Betracht gezogen werden<br />

können. Doch bei Temperaturen<br />

oberhalb 1500°C reagieren<br />

nahezu alle Substanzen<br />

sehr schnell mit den verfügbaren<br />

Tiegelmaterialien. Man<br />

müsste also eine Schmelze ohne<br />

jegliche Berührung mit einem<br />

anderen Stoff erzeugen<br />

können. Die Schmelze sollte also<br />

„schweben“ und allen möglichen<br />

Messmethoden zugänglich<br />

sein. Es könnte dann der<br />

echte Schmelzpunkt sehr genau<br />

bestimmt werden, ferner könnten<br />

Dampfdruck, Viskosität,<br />

Oberflächenspannung oder innere<br />

Molekülstrukturen der<br />

Schmelze als Funktion der Überhitzungstemperatur<br />

gemessen<br />

werden. Diese Daten werden<br />

dringend benötigt, um Computermodelle<br />

mit thermodynamischen<br />

Größen zu füttern, mit denen<br />

dann wiederum neue Werkstoffe<br />

entwickelt oder das Reaktionsverhaltenhochschmelzender<br />

Stoffe mit anderen korrosiven<br />

Umgebungsmedien wie Metallschmelzen,<br />

Schlacken, Aschen<br />

oder Gasen simuliert werden<br />

können. Je präziser die experimentellen<br />

Daten sind, umso sicherer<br />

können solche Ergebnisse auch<br />

extrapoliert werden. Diese Datensätze,<br />

Stoffsysteme und neuenWerkstoffzusammensetzungen<br />

finden Einsatz in der Energietechnik<br />

wie zum Beispiel bei<br />

8<br />

Rainer Telle<br />

Heiße Schmelzen<br />

schweben lassen<br />

der Konzipierung und für den<br />

Betrieb von Verbrennungskraftwerken,Müllverbrennungsanlagen,<br />

in solarthermischen Kraftwerken,<br />

ferner in Anlagen der<br />

Metallerzeugung, der Glasherstellung<br />

sowie im Industrieofenbau.<br />

Wie kann man nun eine Probe<br />

levitieren, das heißt in die<br />

Luft erheben? Aus der Weltraumforschung<br />

kennt man die<br />

Parabelflüge mit großen Flugzeugen,<br />

die während der kurzen<br />

Sturzflugphase durch das gemeinsame<br />

„Fallen“ von Flugzeug,<br />

Messinstrument, Probe<br />

und Beobachter Schwerelosigkeit<br />

simulieren, oder die <strong>Aachen</strong>er<br />

Versuche in der D2-Mission im<br />

Orbit, wo unter Mikrogravitation<br />

Metalle geschmolzen worden<br />

sind und ihre Erstarrung ohne<br />

Schwerkrafteinfluss untersucht<br />

worden ist.<br />

Bei Metallen kann man ferner<br />

Magnetfelder verwenden,<br />

um den Einfluss der Schwerkraft<br />

im Labor zu kompensieren.<br />

Es entsteht dann im Hochvakuum<br />

des Gerätes unter in-<br />

duktiver Erwärmung oder mittels<br />

Laserstrahlen eine Schmelzkugel,<br />

die nichts berührt. Wie<br />

steht´s aber mit Keramiken und<br />

Gläsern?<br />

Bereits seit 1995 werden<br />

am Lehrstuhl für Keramik und<br />

Feuerfeste Werkstoffe im Auftrag<br />

der NASA keramische Käfige<br />

für die Untersuchung von<br />

Metallschmelzen in Experimenten<br />

unter Parabelflug- und Orbitbedingungen<br />

hergestellt. Die<br />

Frage nach einer eigenen Möglichkeit<br />

zur Erzeugung und<br />

Charakterisierung von Schmelzen<br />

von Oxiden, Silikaten, Nitriden<br />

und anderen mineralischen<br />

Werkstoffen im Labor<br />

beschäftigte lange die wissenschaftlichen<br />

Mitarbeiter, bis<br />

weltweit eine Firma gefunden<br />

werden konnte, die in den 80er<br />

Jahren einmal für die NASA<br />

und ein japanisches Forschungsinstitut<br />

einen Levitator<br />

für Nichtmetalle gebaut hatte.<br />

Das bei diesem Anlagentyp angewandte<br />

Prinzip der aeroakustischen<br />

Levitation beruht auf<br />

dem Bernoulli-Effekt, nach wel-<br />

Bild 1: 2300°C erreicht! Über<br />

vier Stunden steht die Al 2 O 3 -<br />

Schmelze im Fokuspunkt der<br />

beiden Laser. Die Beobachtungskameras<br />

überprüfen laufend<br />

die Position und melden<br />

Abweichungen an die<br />

akus-tischen Transducer.<br />

Foto: PPH, Inc.<br />

chem von unten mit Luft angeblasene<br />

Kugeln schweben können,<br />

Flugzeuge Auftrieb erhalten<br />

und Duschvorhänge sich<br />

unweigerlich an die nasse Haut<br />

legen. Die Balance zwischen<br />

Unterdruck und Überdruck verleiht<br />

dem schwebenden Körper<br />

einen Auftrieb und hält ihn in<br />

Position. Allerdings zappelt so<br />

ein Objekt ziemlich unkontrolliert<br />

umher, sobald die Strömung<br />

lokale Turbulenzen aufweist.<br />

Als Stabilisatoren hat die<br />

Firma Physical Property Measurement,<br />

Pty. Inc., Evanston/<br />

Chicago, Illinois, einen Aufbau<br />

von sechs Lautsprechern entwickelt,<br />

die in oktaedrischer<br />

Anordnung um den gewünsch-

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