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Pressemitteilung<br />
Religiöse Beschneidung von Jungen<br />
Stellungnahme der <strong>DGPT</strong> zur Debatte<br />
Hamburg, den 13. September 2012 - Die Debatte um die religiöse Beschneidung von Jungen<br />
hat sich nach dem Urteil des Landgerichts Köln in den zurückliegenden Wochen unter starker<br />
Beteiligung ärztlich-wissenschaftlicher Äußerungen zugespitzt. Die Deutsche Gesellschaft für<br />
Psychoanalyse, Psychosomatik, Psychotherapie und Tiefenpsychologie (<strong>DGPT</strong>) hat dies mit<br />
Sorge verfolgt. In der Debatte um das Verhältnis und die Gewichtung der betroffenen<br />
Grundrechte (Recht auf körperliche Unversehrtheit, Recht auf die Freiheit der<br />
Religionsausübung, Elternrecht) in Relation zum Hippokratischen Eid und zu den<br />
berufsrechtlichen Regelungen hat sich auch unter PsychoanalytikerInnen und<br />
PsychotherapeutInnen eine polarisierende Argumentation entwickelt.<br />
Die <strong>DGPT</strong> stellt mit großer Besorgnis fest, dass die vom Gesetzgeber zu lösende<br />
Konfliktthematik gesamtgesellschaftlich auch fremdenfeindliche und antisemitische Äußerungen<br />
zeitigt. Die <strong>DGPT</strong> bedauert die in diesem Kontext entstandenen Verletzungen bei allen an der<br />
Auseinandersetzung Beteiligten und besonders die Verletzung von Menschen, die auf eine<br />
sichere Basis ihrer religiösen Identität in der heutigen deutschen Gesellschaft vertraut haben.<br />
Der <strong>DGPT</strong>-Vorstand erklärt :<br />
Das Kindeswohl wird aus unterschiedlichen Perspektiven verschieden bewertet. Aus<br />
psychosomatischer/psychotherapeutischer Sicht kann nach unserem derzeitigen Wissensstand<br />
die Beschneidung männlicher Säuglinge und Kleinkinder als potentiell traumatisierender Eingriff<br />
ein Risikofaktor für die spätere Entwicklung einer psychogenen Störung sein. Im Bereich der<br />
psychosomatischen und psychotherapeutischen Medizin sind eine Reihe solcher frühkindlicher<br />
Risikofaktoren bekannt, die epidemiologisch begründet sind. Als Fachgesellschaft weisen wir<br />
durch angemessene Information immer wieder auf derartige Risikofaktoren hin.<br />
Gleichzeitig wissen wir als PsychoanalytikerInnen und PsychotherapeutInnen, welche Risiken<br />
für das Kindeswohl dann entstehen, wenn Familien transgenerationellen Traumatisierungen,<br />
Migrationsschicksalen oder Missachtung ihrer kulturellen und religiösen Identität ausgesetzt<br />
_____________________________________________________________________________________________<br />
Die Deutsche Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie e.V. (<strong>DGPT</strong>) dient der<br />
Pflege, Weiterentwicklung und Verbreitung der Psychoanalyse.<br />
Die <strong>DGPT</strong> stellt Grundanforderungen für die Weiterbildung an 55 Instituten auf, vertritt die Standes- und Berufsinteressen ihrer<br />
ca. 3.250 Mitglieder und versteht sich als wissenschaftliche Fachgesellschaft und Berufsverband zugleich. Die <strong>DGPT</strong> ist der<br />
Spitzenverband der psychoanalytischen Fachgesellschaften DGAP, DGIP, DPG und DPV.<br />
Die <strong>DGPT</strong> vereint psychologische und ärztliche Psychoanalytiker unter einem Dach.
sind oder waren. Im Sinne kumulativer Traumatisierungen wirken solche Umweltbedingungen<br />
leise und nachhaltig. Ein Eingriff in zentrale Elemente religiöser Identität kann von vielen<br />
Familien durchaus als Labilisierung, Verunsicherung und Missachtung in einem wesentlichen<br />
Kernpunkt ihres Lebens empfunden werden – mit ebenfalls gravierenden psychischen Folgen<br />
für die Kinder.<br />
In diesem Kontext gilt es daher, aus fachlichen Gründen sorgfältig zwischen verschiedenen<br />
möglichen psychischen Gefährdungen zu unterscheiden und nicht vorschnell ein singuläres,<br />
potentiell traumatisches Ereignis in den Vordergrund zu stellen. Der derzeitige Stand der<br />
Diskussion ist unseres Erachtens noch zu sehr davon geprägt, dass um den Vorrang jeweils<br />
einer Perspektive gerungen wird. Ein Reflexionsraum über die Bedeutung religiöser<br />
Zugehörigkeit unter Berücksichtigung der sozialpsychologischen und historischen Bedingungen<br />
jüdischen und muslimischen Lebens in Deutschland kann dabei nicht entstehen. Nur auf dem<br />
Boden dieser geleisteten Reflexionsarbeit kann für die Zukunft eine Lösung entwickelt werden,<br />
die medizinische, juristische, psychologische und soziale Aspekte dieser Diskussion<br />
berücksichtigt und die jeweils anderen Perspektiven anerkennt.<br />
Die <strong>DGPT</strong> setzt sich ein für eine Kultur der Toleranz, welche die innerpsychisch und<br />
gesellschaftlich immer wieder schwierige Anerkennung von Unterschieden auf sich nimmt. Die<br />
<strong>DGPT</strong> als Dachverband der deutschen PsychoanalytikerInnen weist nachdrücklich und in<br />
Anbetracht des Zivilisationsbruchs durch das „Dritte Reich“ auf die Notwendigkeit hin, sich<br />
Verunsicherungen auszusetzen und innerpsychische wie gesamtgesellschaftliche Konflikte<br />
diskursiv und mithilfe der uns zur Verfügung stehenden Institutionen zu bearbeiten.<br />
Ansprechpartner:<br />
Dr. Felix Hoffmann - Geschäftsführer <strong>DGPT</strong><br />
Tel.: 040/75664990<br />
e-mail: Felix.Hoffmann@dgpt.de<br />
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Die Deutsche Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie e.V. (<strong>DGPT</strong>) dient der<br />
Pflege, Weiterentwicklung und Verbreitung der Psychoanalyse.<br />
Die <strong>DGPT</strong> stellt Grundanforderungen für die Weiterbildung an 55 Instituten auf, vertritt die Standes- und Berufsinteressen ihrer<br />
ca. 3.250 Mitglieder und versteht sich als wissenschaftliche Fachgesellschaft und Berufsverband zugleich. Die <strong>DGPT</strong> ist der<br />
Spitzenverband der psychoanalytischen Fachgesellschaften DGAP, DGIP, DPG und DPV.<br />
Die <strong>DGPT</strong> vereint psychologische und ärztliche Psychoanalytiker unter einem Dach.