Presseunterlage Leitlinie - Sucht- und Drogenkoordination Wien
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Hintergr<strong>und</strong>gespräch<br />
„<strong>Leitlinie</strong> für die Stabilisierung, Eingrenzung <strong>und</strong> Senkung des<br />
Benzodiazepinkonsums bei PatientInnen in der Substitutionsbehandlung“<br />
In Österreich werden seit mehr als 20 Jahren opiatabhängige Patientinnen <strong>und</strong> Patienten im<br />
Rahmen eines Substitutionsprogrammes behandelt. Die Substitution stellt eine wichtige<br />
Behandlungsform im Rahmen der <strong>Sucht</strong>therapie dar. Sie wird von speziell ausgebildeten<br />
niedergelassenen ÄrztInnen <strong>und</strong> von Institutionen angeboten. Wesentlich für die Ausführung<br />
in der täglichen Praxis ist auch die Beteiligung der öffentlichen Apotheken.<br />
Prävalenzschätzungen gehen von 25.000 bis 37.000 Opiatabhängigen in<br />
Österreich aus, davon 10.000 bis 12. 000 Opiatabhängige in <strong>Wien</strong><br />
14.962 Personen befinden sich in Österreich in Substitutionsbehandlung, davon<br />
7.090 Personen in <strong>Wien</strong> (Stand Mai 2011)<br />
Die Substitutionsbehandlung findet überwiegend bei niedergelassenen ÄrztInnen<br />
statt (ÄrztInnen für Allgemeinmedizin bzw. FachärztInnen 83,33%), sowie<br />
anerkannten Drogeneinrichtungen (15,16%). (Quelle: Substitutionstatistik der MA15 Mai<br />
2011).<br />
„Benzodiazepine“<br />
Eine diesbezügliche Herausforderung liegt im Beikonsum so genannter „Benzodiazepine“,<br />
bei dem in den letzten Jahren ein Anstieg beobachtet wurde.<br />
Dabei handelt es sich um Arzneimittel, die Wirkstoffe aus der Gruppe der sogenannten<br />
Benzodiazepine enthalten. Diese unterliegen als „psychotrope Stoffe“ dem <strong>Sucht</strong>mittelgesetz<br />
(SMG). Im Gegensatz zu den <strong>Sucht</strong>giften unterliegen aber diese Stoffe nicht den strengen<br />
<strong>und</strong> kontrollierten Verschreibungsvorschriften der <strong>Sucht</strong>giftverordnung (fälschungsgesichertes,<br />
mit fortlaufender Nummer ausgestattetes „<strong>Sucht</strong>giftrezept“). Vielmehr werden<br />
Arzneimittel, die psychotrope Stoffe enthalten, auf normalen Kassenrezepten (oder<br />
Privatrezept) verschrieben.<br />
Gründe für den Handlungsbedarf<br />
Aus der Praxis der Drogenhilfe <strong>und</strong> der Apotheken ist bekannt, dass ein Teil der Patientinnen<br />
<strong>und</strong> Patienten neben der Opiatabhängigkeit auch eine Abhängigkeit von Benzodiazepinen<br />
entwickelt hat. Diese Patientinnen <strong>und</strong> Patienten bekommen benzodiazepinhaltige<br />
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Arzneimittel – vielfach von anderen Ärztinnen/Ärzten als jenen, die bzw. der die<br />
Substitutionsbehandlung durchführen – in teils hohen Dosen verschrieben. In einem Teil der<br />
Fälle liegen die Dosen über der in der Fachinformation definierten täglichen Maximaldosis, in<br />
manchen Fällen wird die Maximaldosis sogar um ein Vielfaches überschritten.<br />
Patientinnen <strong>und</strong> Patienten, die eine Toleranz gegenüber Benzodiazepinen entwickelt<br />
haben, fühlen sich jedoch häufig auch mit der in der Fachinformation für das<br />
benzodiazepinhaltige Arzneimittel definierten Maximaldosis unterdosiert <strong>und</strong> versorgen sich<br />
mit diesen Arzneimitteln typischerweise über Rezepte verschiedener Ärztinnen <strong>und</strong> Ärzte<br />
oder über den Schwarzmarkt.<br />
Ungleichmäßige Tagesdosen, massive Dosissteigerungen <strong>und</strong> ein zunehmender<br />
Kontrollverlust über den Benzodiazepinkonsum sind die Folgen. In der Regel wissen die<br />
verschiedenen Ärztinnen <strong>und</strong> Ärzte, die von der Patientin oder vom Patienten wegen<br />
Verschreibung von Benzodiazepinen aufgesucht werden, nicht voneinander; häufig ist der<br />
Arzt bzw. die Ärztin, der/die die Substitutionsbehandlung durchführt, nicht jener/jene, der/die<br />
benzodiazepinhaltige Arzneimittel zusätzlich verschreibt. Im Zusammenwirken des<br />
Substitutionsmittels mit anderen - legal oder illegal - erworbenen <strong>Sucht</strong>mitteln stellt das<br />
polytoxikomane Konsummuster ein erhebliches Risiko für die Patientinnen <strong>und</strong> Patienten dar<br />
<strong>und</strong> führt zu Überdosierungen, die letal enden können.<br />
Konsum von Benzodizepinen in den letzten Jahren gestiegen<br />
Obwohl systematische <strong>und</strong> wissenschaftlich gesicherte Daten fehlen, muss aufgr<strong>und</strong> von<br />
Einzelbeobachtungen aus der therapeutischen Praxis niedergelassener Ärztinnen <strong>und</strong> Ärzte<br />
<strong>und</strong> der Drogeneinrichtungen, sowie aus Mitteilungen der <strong>Wien</strong>er Apothekerkammer zum<br />
gestiegenen Umsatz des Verkaufs von Benzodiazepinen in <strong>Wien</strong>er Apotheken davon<br />
ausgegangen werden, dass der Konsum von Benzodiazepinen in der genannten<br />
Patientengruppe in den letzten drei Jahren gestiegen ist. Ebenso ist nach den aus <strong>Wien</strong><br />
berichteten Erfahrungen, wo sich die Kriminalpolizei verstärkt mit der Aufklärung solcher<br />
Fälle beschäftigt, die Zahl der Rezeptfälschungen für Benzodiazepine in den letzten Jahren<br />
deutlich gestiegen.<br />
<strong>Leitlinie</strong> für die Stabilisierung, Eingrenzung <strong>und</strong> Senkung des Benzodiazepinkonsums<br />
Diese Entwicklungen <strong>und</strong> die Tatsache, dass medizinische Standards im Umgang mit dem<br />
schädlichen Gebrauch <strong>und</strong> der Abhängigkeit von Benzodiazepinen bei Patientinnen <strong>und</strong><br />
Patienten in Substitutionsbehandlung weitgehend fehlen, geben Anlass zur Besorgnis. Daher<br />
hat der im B<strong>und</strong>esministerium für Ges<strong>und</strong>heit gemäß § 23k der <strong>Sucht</strong>giftverordnung<br />
eingerichtete Ausschuss für Qualität <strong>und</strong> Sicherheit in der Substitutionsbehandlung die<br />
Problematik aufgegriffen <strong>und</strong> Lösungsvorschläge erarbeitet. Unter der Federführung des<br />
langjährig in der Substitutionsbehandlung erfahrenen Arztes <strong>und</strong> Drogenbeauftragten der<br />
Stadt <strong>Wien</strong>, Dr. Alexander David, <strong>und</strong> unter Einbeziehung von Beratungsergebnissen auch<br />
der <strong>Wien</strong>er Sachverständigenkommission, sowie mit Unterstützung weiterer namhafter<br />
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Fachexpertinnen <strong>und</strong> –experten aus Praxis <strong>und</strong> Wissenschaft, die ihre Erfahrung zur<br />
Verfügung gestellt <strong>und</strong> in die Diskussion mit eingebracht haben, wurde vom Ausschuss die<br />
Gr<strong>und</strong>lage für die <strong>Leitlinie</strong> erarbeitet.<br />
Der <strong>Leitlinie</strong> liegt das Wissen zugr<strong>und</strong>e, dass es sich bei Menschen mit multipler<br />
Substanzabhängigkeit um schwerstkranke Patientinnen <strong>und</strong> Patienten handelt, die<br />
erkrankungsbedingt ihren <strong>Sucht</strong>mittelkonsum nicht kontrollieren können <strong>und</strong> einen<br />
hochriskanten Substanzkonsum – einschließlich Mischkonsums mit verschiedenen<br />
Substanzen – aufweisen. Oberste Priorität muss in diesen Fällen die Schadensbegrenzung<br />
haben.<br />
Ziel muss es sein, diese Patientinnen <strong>und</strong> Patienten in der Substitutionsbehandlung<br />
zu halten, damit der regelmäßige ärztliche Kontakt <strong>und</strong> die suchtmedizinische<br />
Begleitung des Krankheitsverlaufs gewährleistet bleiben.<br />
Ziel ist es, der Ärzteschaft mit dieser <strong>Leitlinie</strong> eine Reihe von Empfehlungen zur<br />
Unterstützung bei der Behandlung der betreffenden Patienten <strong>und</strong> Patientinnen in die<br />
Hand zu geben. Die <strong>Leitlinie</strong> versteht sich als ein Schritt in Richtung der Entwicklung<br />
eines State of the Art in der Behandlung der multiplen Substanzabhängigkeit. Sie soll<br />
den Ärztinnen <strong>und</strong> Ärzten fachliche Unterstützung im Umgang mit dem schädlichen<br />
Gebrauch <strong>und</strong> der Abhängigkeit von Benzodiazepinen bei der Behandlung von<br />
polytoxikomanen (multipel abhängigen) Patientinnen <strong>und</strong> Patienten in<br />
Substitutionsbehandlung bieten.<br />
Zusammenfassung der <strong>Leitlinie</strong><br />
Wenn der Patient/die Patientin von zwei ÄrztInnen betreut wird (z.B. Arzt/Ärztin für<br />
Allgemeinmedizin <strong>und</strong> Facharzt/Fachärztin für Psychiatrie), ist es geboten, dass<br />
beide über die Verschreibung des/der jeweils anderen informiert sind.<br />
Ohne einen längerfristigen Therapieplan <strong>und</strong> ein längerfristiges Therapieziel darf eine<br />
Verschreibung von Benzodiazepinen an polytoxikomane PatientInnen nicht erfolgen.<br />
Bei der Verschreibung von Benzodiazepinen an <strong>Sucht</strong>kranke ist gr<strong>und</strong>sätzlich davon<br />
auszugehen, dass die Anwendung von Benzodiazpinen von <strong>Sucht</strong>kranken<br />
kontraindiziert ist.<br />
Therapieempfehlungen mit langfristig wirkenden Benzodiazepinen sind individuell zu<br />
gestalten <strong>und</strong> nur im Rahmen eines Therapieplans mit dem Ziel einer Dosisreduktion<br />
durchzuführen.<br />
Ein erhöhter Bedarf an Benzodiazepinen kann ein Hinweis auf eine bestehende<br />
zusätzliche psychiatrische Erkrankung sein. Eine psychiatrische Abklärung <strong>und</strong><br />
eventuelle Therapie inkl. der Verordnung von Psychopharmaka aus anderen<br />
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Substanzgruppen stellen eine wichtige Alternative zur Verordnung von<br />
Benzodiazepinen dar.<br />
Die Möglichkeiten einer Entzugsbehandlung von Benzodiazepinen sowie der Umgang<br />
mit <strong>und</strong> die Verschreibung von Benzodiazepinen sollen verstärkt dargestellt werden<br />
<strong>und</strong> die Erfahrungen dazu in die ärztliche Fort- <strong>und</strong> Weiterbildung einfließen.<br />
Die Abgabe von Benzodiazepinen soll in gleicher Weise wie die der Arzneimittel zur<br />
Erhaltungstherapie erfolgen.<br />
Rahmenbedingungen für einen Langzeiteinsatz von Benzodiazepinen<br />
Aktuell fehlende Indikation für eine ambulante <strong>und</strong>/oder stationäre Entzugsbehandlung<br />
Abklärung der Komorbiditäten <strong>und</strong> Indikation der entsprechenden Therapien<br />
Aufklärung der Patientin/des Patienten über die Wirkung <strong>und</strong> Wechselwirkungen von<br />
Benzodiazepinen<br />
Vereinbarung zwischen Ärztin/Arzt <strong>und</strong> Patientin/Patient über die Verordnung von<br />
Benzodiazepinen<br />
Die Benzodiazepinverschreibung ist Teil des Gesamtbehandlungsplans der <strong>Sucht</strong>erkrankung<br />
Regelmäßige Gespräche über den Behandlungsverlauf inklusive Zielüberprüfung <strong>und</strong><br />
Diskussion von Therapiealternativen<br />
Umstellung von rasch anflutenden auf langsam anflutende Benzodiazepine<br />
Neuorientierung hinsichtlich des Therapieplans bei Intoxikationen oder anderen<br />
riskanten Zwischenfällen durch andere Substanzen<br />
Legistische Maßnahmen<br />
Flankierend zur <strong>Leitlinie</strong> wurden vom Ausschuss die folgenden legistischen Maßnahmen<br />
empfohlen:<br />
1. Die rasch anflutenden Benzodiazepine (Substanz: Flunitrazepam) sollen der<br />
verpflichtenden Verschreibung auf <strong>Sucht</strong>giftrezept (<strong>Sucht</strong>giftverordnung) unterstellt werden<br />
(Fälschungsschutz, Dokumentation <strong>und</strong> Nachvollziehbarkeit der Verschreibung).<br />
„Vignettenkennzeichnung“<br />
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2. Für die die langsamer anflutenden Benzodiazepine soll in der Psychotropenverordnung<br />
ein „ne repetatur“ ohne Möglichkeit der ärztlichen Anordnung einer wiederholten Abgabe in<br />
der Psychotropenverordnung festgelegt werden.<br />
Rückfragehinweis:<br />
Mag a Sigrid Rosenberger<br />
Pressesprecherin des B<strong>und</strong>esministers<br />
Alois Stöger<br />
Tel.: +43/1/71100-4585<br />
Mobil.: +43/664/8581205<br />
sigrid.rosenberger@bmg.gv.at<br />
www.bmg.gv.at<br />
Mag a Eva-Maria Wimmer<br />
Pressesprecherin des <strong>Wien</strong>er<br />
Drogenkoordinators<br />
Tel.: +43/1/4000-87 376<br />
Mobil: +43/676/811887376<br />
eva-maria.wimmer@sd-wien.at<br />
www.drogenhilfe.at<br />
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