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Arbeitspapier / Abteilung Wirtschaft Artur Strasser M.Sc. Empirische ...

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<strong>Arbeitspapier</strong> / <strong>Abteilung</strong> <strong>Wirtschaft</strong><br />

<strong>Artur</strong> <strong>Strasser</strong> M.<strong>Sc</strong>.<br />

<strong>Empirische</strong> Untersuchung zum IT-Offshoring<br />

<strong>Arbeitspapier</strong> 10-2011<br />

ISSN Nr. 1436-1035 (print) ISSN Nr. 1436-1507 (Internet)


<strong>Empirische</strong> Untersuchung zum IT-Offshoring<br />

<strong>Artur</strong> <strong>Strasser</strong> M.<strong>Sc</strong>.<br />

Das Kompetenzzentrum Projektmanagement der Fachhochschule Hannover (CCPM) hat eine empirische<br />

Studie zur Ermittlung des Bedarfs an Offshoring von IT-Dienstleistungen deutscher Unternehmen nach Indi-<br />

en durchgeführt. Unterstützt wurde die Untersuchung von der Gesellschaft für Projektmanagement (GPM)<br />

und der Hannover IT. Der Fokus der Studie lag auf kleinen und mittleren Unternehmen (KMU). Das Ziel der<br />

IT-Offshoring-Studie war es, die Motive der Unternehmen zur Verlagerung von IT-Dienstleistungen nach<br />

Indien zu identifizieren. Weiterhin sollten die nach Indien outgesourcten IT-Leistungen ermittelt werden.<br />

Gleichzeitig verfolgte die Studie das Ziel, die Erfahrungen deutscher Unternehmen mit IT-Offshoring darzu-<br />

legen und aufzuzeigen, inwiefern ein Offshore-Erfolg realisierbar ist und welche Probleme hinsichtlich der<br />

Verlagerung von IT-Leistungen bestehen. Die Durchführung der Studie erfolgte mittels einer Online-<br />

Umfrage. Neben der Ermittlung des Status Quo sollten Trends und Potenziale identifiziert werden, die An-<br />

knüpfungspunkte für zukünftige Forschungsarbeiten bieten. Im vorliegenden Beitrag werden die Kerner-<br />

gebnisse der Studie zuerst vorgestellt und abschließend diskutiert sowie resümiert.<br />

1 Einleitung .......................................................................................................................................... 2<br />

2 Demographische Daten ..................................................................................................................... 3<br />

3 Motive und Zufriedenheit der Unternehmen ................................................................................... 4<br />

4 IT-Leistungen und der Standort Indien ............................................................................................. 6<br />

5 Probleme und Zufriedenheit ........................................................................................................... 12<br />

6 Weitere Ergebnisse ......................................................................................................................... 16<br />

7 Diskussion der Ergebnisse ............................................................................................................... 19<br />

8 Fazit ................................................................................................................................................. 23<br />

Literatur .............................................................................................................................................. 25


1 Einleitung<br />

Um den betrieblichen Anforderungen gerecht zu werden und vor allem die knappen finanziellen Ressour-<br />

cen optimal zu nutzen, haben Unternehmen in den letzten Jahren verstärkt IT-Leistungen in Niedriglohn-<br />

länder wie Indien verlagert. 1 Der Verlagerungsprozess wird als IT-Offshoring bezeichnet. Immer mehr deut-<br />

sche Unternehmen folgen dem Trend zum IT-Offshoring, den amerikanische und britische Firmen bereits<br />

vor Jahren wagten. Unternehmen, die auf den Einkauf von Offshore-Leistungen verzichten, sind oft nicht<br />

mehr wettbewerbsfähig. Die Einbeziehung ausländischer IT-Dienstleister könnte sich daher mehr und mehr<br />

zur Voraussetzung entwickeln, um im globalen Wettbewerb zu bestehen.<br />

Den signifikanten Kostenvorteilen stehen sprachliche und kulturelle Barrieren entgegen. Eine Studie des<br />

Branchenverbandes BITKOM zeigt, dass die Verlagerungsprojekte für Unternehmen erhebliche Herausfor-<br />

derungen darstellen. 2 Aufgrund der hohen Komplexität und der Risiken, die mit IT-Offshoring verbunden<br />

sind, besteht in der IT-Branche eine starke Verunsicherung bzgl. der Auslagerung von IT-Leistungen in Nied-<br />

riglohnländer. Erfahrungsgemäß nutzen Großunternehmen die Kostenvorteile, die aus der Verlagerung<br />

resultieren, bereits erfolgreich und verschaffen sich so Wettbewerbsvorteile bei der Umsetzung von Soft-<br />

wareprojekten. Auch kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sind dem zunehmenden Wettbewerbsdruck<br />

ausgesetzt und versuchen wichtige Wettbewerbsvorteile auf den engen Märkten zu erzielen. Die zum Teil<br />

unwägbaren Risiken, die mit der Verlagerung verbunden sind, stellen eine große Herausforderung dar. Zu-<br />

dem verfügen KMUs nicht über die notwendigen Ressourcen, um die Risiken zu tragen. Dennoch müssen<br />

sie einen Weg finden, der für sie zeitnah direkte Einsparungen ermöglicht, um sich im Wettbewerb behaup-<br />

ten zu können. 3<br />

Für die Erhebung wurde ein Fragebogen mit 27 Fragen entwickelt, der in vier Themenbereiche unterglie-<br />

dert wurde. Der erste Abschnitt umfasste allgemeine Fragen (z.B. zur Branche, Position im Unternehmen),<br />

um die Zielgruppe der Studie klar zu beschreiben. Fragen zu den Motiven, die zur Verlagerung nach Indien<br />

geführt haben, waren Gegenstand des zweiten Bereichs. Darüber hinaus wurde die Zufriedenheit mit dem<br />

Offshoring von IT-Leistungen im Vergleich zu den ursprünglichen Motiven abgefragt. Der dritte Teil enthielt<br />

Fragen zu spezifischen IT-Leistungen, die nach Indien verlagert wurden. Weiterhin wurde ermittelt, weshalb<br />

Indien als Verlagerungsstandort ausgewählt wurde. Im letzten Abschnitt fand die Identifikation der Erfah-<br />

rungen, die die Unternehmen mit der Verlagerung nach Indien gemacht haben, sowie die Ermittlung der<br />

Probleme, die dadurch entstanden sind, statt. Hierbei wurde der Fokus auf interkulturelle Einflüsse gerich-<br />

tet. Die Ergebnisse der jeweiligen Abschnitte werden folgend erläutert. Zudem werden weitere wichtige<br />

Ergebnisse (z.B. zur Organisationsform und der eingesetzten Methodik) in Kapitel 6 zusammengefasst.<br />

1 Vgl. Amberg et al. (2006), S. 1.<br />

2 Vgl. BITKOM (2005), S. 45ff.<br />

3 Vgl. Amberg et al. (2006), S.1f.<br />

2


2 Demographische Daten<br />

Zur Teilnahme eingeladen wurden Verant-<br />

wortliche, welche in die Projektarbeit eines<br />

deutschen Unternehmens eingebunden sind<br />

und deren Unternehmen bereits IT-<br />

Leistungen nach Indien verlagert hat, es in<br />

Erwägung zieht oder sich bewusst dagegen<br />

entschieden hat. Dazu zählen <strong>Abteilung</strong>slei-<br />

ter, Projektleiter und -mitarbeiter sowie<br />

übergeordnetes Management in projektin-<br />

tensiven Branchen. An der Studie haben ins-<br />

gesamt 67 Probanden teilgenommen. Im<br />

ersten Teil der Studie wurden die folgenden<br />

Informationen von den teilnehmenden Per-<br />

sonen abgefragt: Eigene Position im Unter-<br />

nehmen, Branche und Mitarbeiterzahl.<br />

Der Großteil der Studienteilnehmer sind Re-<br />

präsentanten von Unternehmen aus dem<br />

mittleren und oberen Management, die in<br />

leitender IT-Funktion tätig sind. Ein weiterer<br />

Teil der Befragten sind Leiter für IT-Projekte.<br />

Die Unternehmen, in denen die Probanden<br />

tätig sind, sind zu zwei Drittel KMUs. Inner-<br />

halb dieses Clusters nehmen Kleinunterneh-<br />

men den größten Anteil ein. Großunterneh-<br />

men sind zu einem Drittel vertreten. Die<br />

meisten der teilnehmenden Unternehmen<br />

gehören der Informations- und Kommunika-<br />

tionsbranche an. Weitere Teilnehmer kom-<br />

men aus den Bereichen Dienstleistung, Han-<br />

del, Banken und Versicherung.<br />

Abbildung 1: Position im Unternehmen<br />

Abbildung 2: Branche<br />

Abbildung 3: Mitarbeiterzahl<br />

3


3 Motive und Zufriedenheit der Unternehmen<br />

Im zweiten Abschnitt des Fragebogens wurde ermittelt, welche Motive ausschlaggebend waren und zur<br />

Verlagerung nach Indien geführt haben. Zudem wurden die Motive und die Zufriedenheit hinsichtlich der<br />

Erreichung dessen in einem zweiten <strong>Sc</strong>hritt gegenüber gestellt, um aufzuzeigen, ob die Erwartungen erfüllt<br />

werden konnten.<br />

Das Motiv Kostenreduktion konnte als Hauptgrund für eine Verlagerung nach Indien identifiziert werden<br />

(siehe Abbildung 4). Dieses Ergebnis bestätigt die weit verbreitete Annahme, dass IT-Leistungen hauptsäch-<br />

lich aufgrund von Kosteneinsparungen ins Ausland verlagert werden. 4 Sowohl KMUs als auch Großunter-<br />

nehmen gaben an, dass neben den Kostenvorteilen die Erzielung von Wettbewerbsvorteilen, die Steigerung<br />

der Flexibilität sowie der Zugang zu qualifiziertem Personal zur Entscheidung, IT-Leistungen nach Indien zu<br />

verlagern, geführt haben.<br />

Abbildung 4: Motive zur Verlagerung nach Indien 5<br />

4 Vgl. <strong>Sc</strong>haaf (2004), S. 6.<br />

5 Diese Frage haben 27 Teilnehmer, davon 15 aus Großunternehmen und 12 aus KMU, beantwortet. Die vierstufige Rangfolgenskala wurde<br />

folgendermaßen skaliert: sehr wichtig (4), wichtig (3), weniger wichtig (2), unwichtig (1).<br />

4


Betrachtet man die Zufriedenheit hinsichtlich des Eintritts der ursprünglichen Erwartungen, gaben ca. 50%<br />

der befragten KMUs an, dass sie hinsichtlich der Kostenreduktion unzufrieden bzw. sogar sehr unzufrieden<br />

sind (siehe Abbildung 5). Der rote Balken verdeutlicht, wie wichtig 6 das jeweilige Motiv zur Verlagerung<br />

war. Der blaue Balken 7 gibt den Zufriedenheitsgrad an. Anhand der Gegenüberstellung lässt sich erkennen,<br />

welche Erwartungen erfüllt, übertroffen oder weniger bzw. nicht erfüllt wurden.<br />

Kostenreduktion<br />

Wettbewerbsvorteile erzielen<br />

Steigerung der Flexibilität<br />

Qualifiziertes Personal (Know-how Zugewinn)<br />

Konzentration auf das Kerngeschäft<br />

Standardisierung der IT-Landschaft<br />

Erschließung neuer Märkte<br />

Prozessoptimierung und neue Technologien<br />

Einführung neuer Anwendungen<br />

Servicequalität verbessern<br />

Modernisierung der IT<br />

Risikotransfer auf den Kooperationspartner<br />

0 1 2 3 4<br />

Erwartungen/Motive Zufriedenheit<br />

Abbildung 5: Motive und Zufriedenheit nach der Verlagerung 8<br />

Die befragten Großunternehmen sind zu ca. 27% mit der erwarteten Kostenersparnis unzufrieden bzw. sehr<br />

unzufrieden. Das Hauptmotiv, das zur Verlagerung geführt hat, scheint somit (im Nachhinein betrachtet)<br />

insbesondere bei den KMUs nicht zufriedenstellend erfüllt worden zu sein. Die Gründe hierfür könnten bei<br />

Problemen in der internationalen und interkulturellen Zusammenarbeit liegen, die das Projektergebnis<br />

negativ beeinflussen. Hinsichtlich der Erzielung von Wettbewerbsvorteilen sind 42% der befragten KMUs<br />

und 27% der befragten Großunternehmen unzufrieden bzw. sehr unzufrieden. Die Unzufriedenheit der<br />

Befragten hinsichtlich der Erzielung von Wettbewerbsvorteilen könnte auch mit der Kostensenkung, die<br />

geringer als erwartet ausgefallen ist, zusammenhängen. Ca. 33% der befragten KMUs und ca. 60% der be-<br />

fragten Großunternehmen sind hinsichtlich der Steigerung der Flexibilität (sehr) unzufrieden. Die Reakti-<br />

onsfähigkeit des Unternehmens auf aktuelle Marktentwicklungen ist eine wichtige strategische Chance, die<br />

6 Rangfolgenskala des roten Balkens: Sehr wichtig (4), wichtig (3), weniger wichtig (2), unwichtig (1).<br />

7 Rangfolgenskala des blauen Balkens: Sehr zufrieden (4), zufrieden (3), unzufrieden (2), sehr unzufrieden (1).<br />

8 Diese Frage haben 27 Teilnehmer, davon 15 aus Großunternehmen und 12 aus KMU, beantwortet.<br />

5


sich durch das IT-Offshoring ergibt. 9 Die Erwartungen an die Chance, eine gewisse Flexibilität hinsichtlich<br />

der benötigten IT-Ressourcen herzustellen, wurde daher größtenteils nicht erfüllt. Obwohl die Qualifikatio-<br />

nen der IT-Mitarbeiter und die Qualität der Softwarebranche Indiens hoch sind, gaben hinsichtlich des er-<br />

warteten Know-how-Zugewinns durch den Zugang zu qualifiziertem Personal ca. 33% der befragten KMUs<br />

und ca. 60% der befragten Großunternehmen an, nach der Verlagerung unzufrieden bzw. sehr unzufrieden<br />

zu sein. Die Unzufriedenheit der Befragten wird eher aufgrund von Problemen in der interkulturellen Zu-<br />

sammenarbeit vermutet, als aufgrund von fachlichen Diskrepanzen. Die Gegenüberstellung der Motive zur<br />

Zufriedenheit verdeutlicht, dass die Erwartungen hinsichtlich der Kernmotive nicht erfüllt werden konnten.<br />

Insbesondere die Erwartungen an die Kostenreduktion decken sich nicht mit den erwarteten Einsparungen.<br />

4 IT-Leistungen und der Standort Indien<br />

„Welche IT-Leistungen wurden verlagert und welche sollen in den nächsten Jahren verlagert werden und<br />

weshalb nach Indien?“ Mit dieser Frage wurde ermittelt, welche IT-Leistungen die befragten KMUs und<br />

Großunternehmen in den letzten fünf Jahren nach Indien verlagert haben und welche in den nächsten fünf<br />

Jahren verlagert werden sollen. Zudem wird beantwortet, welche Gründe dazu geführt haben, dass Indien<br />

als Verlagerungsort ausgewählt wurde. Abbildung 6 verdeutlicht, welche Bereiche der Anwendungsent-<br />

wicklung die befragten KMUs und Großunternehmen in den letzten fünf Jahren verlagert haben.<br />

Abbildung 6: Verlagerte IT-Leistungen der Anwendungsentwicklung 10<br />

9 Vgl. Amberg et al. (2006), S. 44f.<br />

10 Diese Frage haben 28 Teilnehmer, davon 16 aus Großunternehmen und 12 aus KMU, beantwortet. Mehrfachnennungen waren bei dieser Frage<br />

möglich.<br />

6


Es ist zu erkennen, dass Großunternehmen im Vergleich zu den KMUs in den letzten Jahren weit mehr IT-<br />

Leistungen der Anwendungsentwicklung 11 verlagert haben. Beiden gemein ist, dass sie hauptsächlich Im-<br />

plementierungsleistungen nach Indien verlagern. Dies war zu erwarten, schließlich erscheint die Vergabe<br />

einer reinen „Programmierleistung“ nach Indien einfach und die Kosteneinsparungen sind allein aufgrund<br />

der niedrigeren Löhne verlockend. Mehr als 60% der befragten KMUs und mehr als 80% der befragten<br />

Großunternehmen gaben an, dass sie diese IT-Leistung in den letzten fünf Jahren outgesourcst haben. Die-<br />

se Leistung umfasst die Transformation einer Anforderung in Quellcode und ultimativ in ein lauffähiges<br />

Programm. 12 Auch die Integration (Zusammensetzen des Gesamtsystems aus den programmierten Kompo-<br />

nenten) und das Testen des Gesamtsystems anhand der Anforderungsdokumente wurden vor allem von<br />

den befragten Großunternehmen (zu mehr als 60%) in den letzten fünf Jahren verlagert. Weiterhin wurden<br />

auch Wartungs- bzw. Pflegeleistungen von den befragten KMUs zu mehr als 40% und von den befragten<br />

Großunternehmen zu mehr als 60% nach Indien vergeben.<br />

IT-Leistungen, die die Anforderungsanalyse und -spezifikation sowie den Entwurf des Softwaresystems be-<br />

treffen, wurden von beiden Gruppen im Vergleich zu den anderen Leistungen seltener genannt. Hierbei<br />

wurden insbesondere IT-Leistungen, die mit der Anforderungsermittlung und -dokumentation zusammen-<br />

hängen, von den befragten KMUs nur zu 17% und von den befragten Großunternehmen nur zu 25% nach<br />

Indien outgesourct. Einer der befragten Großunternehmen gab an, in den letzten fünf Jahren keine IT-<br />

Leistungen der Anwendungsentwicklung nach Indien verlagert zu haben. Unter „Sonstiges“ nannte zudem<br />

einer der befragten KMUs „Webseiten Konzeption und Erstellung“.<br />

Auch im Bereich der Produktion 13 ist zu erkennen, dass Großunternehmen im Vergleich zu den KMUs in den<br />

letzten Jahren weit mehr IT-Leistungen verlagert haben (siehe Abbildung 7). Ca. 42% der befragten KMUs<br />

und ca. 56% der befragten Großunternehmen gaben an, den Bereich „Software, Wartung/Pflege“ nach<br />

Indien verlagert zu haben. Dieser Bereich der Produktion wurde von beiden Gruppen am häufigsten ge-<br />

nannt. Es wird vermutet, dass die Wartung und Pflege der heterogenen IT-Landschaften aufwändig und mit<br />

hohen Kosten verbunden ist und aufgrund dessen oftmals ein Offshoring dieser IT-Leistung nach Indien<br />

stattfand. Zudem gaben 50% der befragten Großunternehmen an, in den letzten fünf Jahren Benutzersup-<br />

port-Leistungen verlagert zu haben. Die restlichen IT-Leistungen der Produktion wurden von beiden Grup-<br />

pen zu weniger als 30% genannt. Jeder zweite der befragten KMUs gab an, in den letzten fünf Jahren keine<br />

11<br />

Zum Bereich der Anwendungsentwicklung zählten im Rahmen der Studie: Analyse, Entwurf, Implementierung, Integration, Test und Wartung/Pflege.<br />

12<br />

Vgl. Grechenig et al. (2010), S. 246.<br />

13<br />

Zum Bereich der Produktion zählten im Rahmen der Studie: Betrieb Anwendung (Hosting), Systembetrieb und Rechenzentrum, Telekommuni-<br />

kation und Netzwerke, Benutzersupport, Software Wartung und Pflege.<br />

7


Produktionsleistungen der IT nach Indien verlagert zu haben. Bei den befragten Großunternehmen sind es<br />

ca. 19%.<br />

Abbildung 7: Verlagerte IT-Leistungen der Produktion 14<br />

Abschließend lässt sich hinsichtlich der verlagerten IT-Leistungen folgendes feststellen: Im Bereich der An-<br />

wendungsentwicklung wurden in den letzten fünf Jahren hauptsächlich Implementierungsleistungen nach<br />

Indien verlagert. Aber auch andere IT-Leistungen der Anwendungsentwicklung wurden bereits outgesourct.<br />

Die Wartung und Pflege von Software wurde in den letzten fünf Jahren aus dem Bereich der Produktion am<br />

häufigsten verlagert. Die befragten Großunternehmen verlagerten auch in diesem Bereich durchweg nach<br />

Indien. Die befragten KMUs hingegen lagerten nur wenige IT-Leistungen der Produktion (außer die Wartung<br />

und Pflege von Software) nach Indien aus. 50% der befragten KMUs gaben an, bisher keine IT-Leistungen<br />

aus diesem Bereich verlagert zu haben.<br />

Weiterhin wurde danach gefragt, welche IT-Leistungen aus den Bereichen der Anwendungsentwicklung<br />

und der Produktion in den nächsten fünf Jahren nach Indien verlagert werden sollen. Die Ergebnisse geben<br />

eine Antwort darauf, wie sich der Trend in den kommenden Jahren entwickeln könnte. Der Abbildung 8 ist<br />

zu entnehmen, dass weiterhin hauptsächlich Implementierungsleistungen nach Indien verlagert werden<br />

sollen. Insbesondere die befragten Großunternehmen gaben zu 88% an, in den kommenden fünf Jahren<br />

weitere IT-Leistungen aus diesem Segment outzusourcen. Weiterhin gab jeder zweite der Befragten dieser<br />

Gruppe an, auch den Entwurf, die Integration, den Test und die Wartung und Pflege in den kommenden<br />

14 Diese Frage haben 28 Teilnehmer, davon 16 aus Großunternehmen und 12 aus KMU, beantwortet. Mehrfachnennungen waren bei dieser Frage<br />

möglich.<br />

Betrieb Anwendung (Hosting)<br />

Systembetrieb/Rechenzentrum<br />

Telekommunikation/Netzwerke<br />

Benutzersupport<br />

Software, Wartung/Pflege<br />

Keine<br />

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60%<br />

KMU Großunternehmen<br />

8


Jahren verlagern zu wollen. Lediglich IT-Leistungen der Analyse fallen mit 25% ab. Die befragten KMUs<br />

möchten weiterhin hauptsächlich IT-Leistungen der Implementierung (50%) und der Wartung/Pflege (33%)<br />

verlagern. Allerdings gaben 33% der Befragten dieser Gruppe an, keine weiteren IT-Leistungen in den<br />

kommenden fünf Jahren nach Indien zu vergeben. Unter „Sonstiges“ gab einer der befragten Großunter-<br />

nehmen an, eine „Trainingsleistung“ verlagern zu wollen. Zudem antwortete einer der befragten KMUs,<br />

dass es noch unklar sei, welche IT-Leistungen genau verlagert werden sollen.<br />

Abbildung 8: Verlagerung von IT-Leistungen der Anwendungsentw. 15<br />

In Abbildung 9 ist dargestellt, welche IT-Leistungen der Produktion in den kommenden fünf Jahren von den<br />

jeweiligen Gruppen verlagert werden sollen. Sowohl die befragten KMUs als auch die befragten Großunter-<br />

nehmen gaben an, hauptsächlich weitere IT-Leistungen des Benutzersupports und der Software, War-<br />

tung/Pflege verlagern zu wollen. Alle anderen IT-Leistungen wurden von weniger als 30% der befragten<br />

Großunternehmen und weniger als 20% der befragten KMUs genannt. 50% der befragten KMUs wollen in<br />

den kommenden Jahren keine IT-Leistungen der Produktion nach Indien verlagern.<br />

15 Diese Frage haben 28 Teilnehmer, davon 16 aus Großunternehmen und 12 aus KMU, beantwortet. Mehrfachnennungen waren bei dieser Frage<br />

möglich.<br />

Analyse<br />

Entwurf<br />

Implementierung<br />

Integration<br />

Test<br />

Wartung/Pflege<br />

Keine<br />

Sonstiges (bitte angeben)<br />

0,0% 10,0% 20,0% 30,0% 40,0% 50,0% 60,0% 70,0% 80,0% 90,0% 100,0%<br />

KMU Großunternehmen<br />

9


Betrieb Anwendung (Hosting)<br />

Systembetrieb/Rechnezentrum<br />

Telekomuunikation/Netzwerke<br />

Software, Wartung/Pflege<br />

Abbildung 9: Verlagerung von IT-Leistungen der Produktion 16<br />

Bei den zu verlagernden IT-Leistungen lässt sich folgendes feststellen: Insbesondere Großunternehmen<br />

planen in den kommenden fünf Jahren weiterhin IT-Leistungen nach Indien zu verlagern, sowohl aus dem<br />

Bereich der Anwendungsentwicklung als auch der Produktion. Weitere der bisher im Fokus gestandenen<br />

verlagerten IT-Leistungen aus der Anwendungsentwicklung (Implementierung, Test) und der Produktion<br />

(Software Wartung und Pflege, Benutzersupport) sollen nach Indien outgesourct werden. Etwa 20-30% der<br />

befragten KMUs gaben an, die außerhalb der im Fokus stehenden IT-Leistungen aus der Anwendungsent-<br />

wicklung in den kommenden Jahren verlagern zu wollen. Im Bereich der Produktion antwortete jeder zwei-<br />

te der Befragten, dass keine weiteren Verlagerungsaktivitäten in den kommenden Jahren geplant sind. Ins-<br />

besondere die stark verbreitete Meinung, dass keine oder nur geringe Kosteneinsparungen in diesem Be-<br />

reich zu realisieren sind, kann als Hemmnis angeführt werden.<br />

Nachdem beantwortet wurde, welche IT-Leistungen aus den verschiedenen Bereichen der Anwendungs-<br />

entwicklung und der Produktion verlagert wurden und in Zukunft verlagert werden sollen, wird anschlie-<br />

ßend vorgestellt, weshalb sich die Unternehmen für den Verlagerungsstandort Indien entschieden haben.<br />

Abbildung 10 zeigt absteigend die Gründe auf, die von den Probanden genannt wurden.<br />

16 Diese Frage haben 28 Teilnehmer, davon 16 aus Großunternehmen und 12 aus KMU, beantwortet. Mehrfachnennungen waren bei dieser Frage<br />

möglich.<br />

Benutzersupport<br />

Keine<br />

0,0% 10,0% 20,0% 30,0% 40,0% 50,0% 60,0%<br />

KMU Großunternehmen<br />

10


Abbildung 10: Gründe die für den Standort Indien sprechen 17<br />

Die wesentlichen Gründe, die bisher zu einer Verlagerung nach Indien geführt haben, waren die signifikant<br />

geringeren Stundenlöhne und Arbeitsplatzkosten, der Zugang zu gut ausgebildeten Fachkräften und das<br />

höchste Kosten-Nutzen-Verhältnis im Vergleich zu anderen Verlagerungsorten. Sowohl die befragten KMUs,<br />

als auch die befragten Großunternehmen gaben diese Gründe als die wichtigsten Faktoren an. Allerdings ist<br />

für die befragten KMUs der Zugang zu gut qualifizierten Fachkräften bedeutender als bei den befragten<br />

Großunternehmen. Zudem ist die gut funktionierende IT-Infrastruktur in Indien für die befragten KMUs<br />

wichtig und fällt zusammen mit dem Kosten-Nutzen-Verhältnis auf den dritten Rang. Die langjährige Out-<br />

sourcing-Erfahrung der indischen Unternehmen, die wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen<br />

und der CMM Level 5 hatten nur einen geringen Einfluss auf die Entscheidung, Indien als Verlagerungsort<br />

auszuwählen.<br />

17 Diese Frage haben 28 Teilnehmer, davon 16 aus Großunternehmen und 12 aus KMU, beantwortet. Die vierstufige Rangfolgenskala wurde<br />

folgendermaßen skaliert: trifft völlig zu (4), trifft zu (3), trifft kaum zu (2), trifft nicht zu (1).<br />

11


5 Probleme und Zufriedenheit<br />

„Zeigt die Erfahrung deutscher Unternehmen, dass ein Offshore-Erfolg möglich ist oder entstehen Proble-<br />

me, die den Erfolg gefährden?“ Diese Frage soll aufzeigen, welche Erfahrungen die Unternehmen mit Ver-<br />

lagerung von IT-Leistungen nach Indien gemacht haben. Zudem soll die Zufriedenheit mit der Entscheidung,<br />

IT-Leistungen zu verlagern, identifiziert werden. Weiterhin werden in der Literatur auch Probleme genannt,<br />

die mit dem IT-Offshoring auftreten können. Diese sollen erfragt werden. Hierbei wird der Fokus speziell<br />

auf den interkulturellen Aspekt gelegt, da dieser den Erfolg maßgeblich beeinflusst. 18 Einleitend werden die<br />

Hauptursachen für Probleme, die nach der Verlagerung aufgetreten sind, vorgestellt. In Abbildung 11 sind<br />

diese absteigend aufgeführt.<br />

Abbildung 11: Hauptursachen für Probleme 19<br />

Insbesondere die hohe Mitarbeiter-Fluktuationsrate bei indischen IT-Unternehmen führt zu Problemen in<br />

der Zusammenarbeit. Diese wird auf etwa 20-30% geschätzt. 20 Darüber hinaus werden kulturelle Unter-<br />

schiede sowie sprachliche Kommunikationsprobleme als Ursache für Konflikte innerhalb der deutsch-<br />

indischen Zusammenarbeit angeführt. Auch das Dokumentations- und Berichtswesen wird von den Befrag-<br />

ten als nicht ausreichend angesehen und führt zu <strong>Sc</strong>hwierigkeiten in der Zusammenarbeit. Insbesondere<br />

18 Vgl. Winkler (2007), S. 95f.<br />

19 Diese Frage haben 27 Teilnehmer, davon 15 aus Großunternehmen und 12 aus KMU, beantwortet. Die fünfstufige Rangfolgenskala wurde<br />

folgendermaßen skaliert: sehr hoch (5), hoch (4), mittel (3), niedrig (2), sehr niedrig (1).<br />

20 Vgl. Waldkirch (2006), S. 24.<br />

12


Projektverzug oder Kommunikations- und Abstimmungsprobleme sind typischerweise Auswirkungen auf-<br />

grund dieser Aspekte. Entgegen der Erwartung sind Kommunikationsprobleme aufgrund des Zeitunter-<br />

schieds oder vertragliche Themen von allen Befragten als unproblematischer eingestuft worden als die<br />

übrigen genannten Hemmnisse. Dieser Aspekt ist überraschend, da Zeitunterschiede häufig als Kommuni-<br />

kationshemmnisse in der betrieblichen Zusammenarbeit genannt werden.<br />

In einer weiteren Frage wurde speziell nach den interkulturellen Einflüssen, die nach der Verlagerung auf-<br />

getreten sind und zu <strong>Sc</strong>hwierigkeiten geführt haben, gefragt (siehe Abbildung 12). Nach HOFSTEDES Kultur-<br />

dimensionen 21 unterscheidet sich die deutsche und indische Kulturgruppe in ihrem Verhalten stark vonei-<br />

nander, weshalb davon auszugehen ist, dass kulturelle Spannungen entstehen können. 22 Die Probleme<br />

durch interkulturelle Unterschiede wurden von den befragten Großunternehmen als hoch eingestuft. Bei<br />

den befragten KMUs führen diese Einflüsse dagegen zu deutlich weniger <strong>Sc</strong>hwierigkeiten. Daher wird fol-<br />

gend der Fokus auf die Ergebnisse der befragten Großunternehmen gelegt. Die Gründe für die Diskrepanz<br />

können im Rahmen dieser Arbeit nicht dargelegt werden und könnten in einer aufbauenden Untersuchung<br />

erforscht werden.<br />

Abbildung 12: interkulturelle Einflüsse nach der Verlagerung 23<br />

21 Hofstede unterscheidet fünf Dimensionen, welche sich im Verhältnis messen und vergleichen lassen. Diese sind: Machtdistanz, Kollektivismus<br />

vs. Individualismus, Maskulinität vs. Feminität, Unsicherheitsvermeidung und Langzeitorientierung vs. Kurzzeitorientierung. Für 56 Länder hat<br />

Hofstede für die jeweilige Dimension Punkte vergeben.<br />

22 Vgl. Hofstede (2001), S. 500.<br />

23 Diese Frage haben 15 Großunternehmen beantwortet. Die fünfstufige Rangfolgenskala wurde folgendermaßen skaliert: sehr hoch (5), hoch (4),<br />

mittel (3), niedrig (2), sehr niedrig (1).<br />

13


Der Abbildung 12 ist zu entnehmen, dass vor allem die offene Kommunikation von Problemen, das Ver-<br />

ständnis mündlicher Kommunikation und die selbstständige Lösung fachlicher und technischer Probleme<br />

den befragten Großunternehmen <strong>Sc</strong>hwierigkeiten bereitet. Zudem ist erkennbar, dass auch die anderen<br />

interkulturellen Einflüsse von den befragten Großunternehmen in der deutsch-indischen Zusammenarbeit<br />

als <strong>Sc</strong>hwierigkeit angesehen werden. Dies belegen die relativ hohen Werte jeder Antwortmöglichkeit.<br />

Die Hauptursachen für Probleme und die interkulturellen Einflüsse nach der Verlagerung wurden hinrei-<br />

chend vorgestellt. Es stellt sich die Frage, ob die befragten Unternehmen, trotz der genannten Probleme<br />

mit der Entscheidung zufrieden sind, IT-Leistungen nach Indien verlagert zu haben. Weiterhin ist es von<br />

Interesse zu erfahren, ob die Ziele und Erwartungen erfüllt werden konnten und ob die Entscheidung zu<br />

verlagern nach heutigem Erfahrungsstand revidiert werden würde. Diese Fragestellungen werden folgend<br />

aufgegriffen. In Abbildung 13 ist der Zufriedenheitsgrad hinsichtlich der Entscheidung, IT-Leistungen nach<br />

Indien zu verlagern, dargestellt. Daraus wird ersichtlich, dass ca. 60% der befragten Unternehmen zufrieden<br />

bzw. sehr zufrieden sind. Dieses Ergebnis lässt darauf schließen, dass die Unternehmen trotz anfänglicher<br />

<strong>Sc</strong>hwierigkeiten weitgehend eine positive Resonanz aus der Verlagerung ziehen. Die übrigen Unternehmen<br />

sind mit der Entscheidung unzufrieden und einige wenige (ca. 14%) sind sehr unzufrieden. Dieses Ergebnis<br />

trifft sowohl auf die befragten KMUs als auch auf die befragten Großunternehmen zu.<br />

Abbildung 13: Zufriedenheit mit der Entscheidung zu verlagern 24<br />

24 Diese Frage haben 27 Teilnehmer, davon 15 aus Großunternehmen und 12 aus KMU, beantwortet. Die Antwortmöglichkeiten sind der Legende<br />

in Abbildung 13 zu entnehmen.<br />

14


Zudem wurde danach gefragt, ob die Ziele und Erwartungen insgesamt erfüllt werden konnten. In Abbil-<br />

dung 14 sind die Angaben der Befragten dargestellt. Demnach gaben ca. 10% der Befragten an, dass die<br />

Ziele und Erwartungen insgesamt erfüllt werden konnten. Ca. 46% der Befragten werteten mit „Ja, größten-<br />

teils“ und ca. 35% sind der Meinung, dass die Ziele und Erwartungen nicht hinreichend erfüllt werden konn-<br />

ten. Die restlichen Befragten gaben an, es nicht zu wissen.<br />

Abbildung 14: Erfüllung der Ziele und Erwartungen insgesamt 25<br />

Abschließend wurde danach gefragt, ob die Entscheidung, IT-Leistungen nach Indien zu verlagern, nach<br />

heutigem Kenntnisstand sowie Erfahrungszugewinn revidiert werden würde. Abbildung 15 zeigt auf, dass<br />

die Befragten zu über 50% zu ihrer Entscheidung stehen und diese nicht revidieren würden. Genau 25% der<br />

Befragten gaben an, nach heutigem Kenntnisstand bzw. Erfahrungszugewinn, die Entscheidung zu revidie-<br />

ren und ca. 18% würden es eventuell in Erwägung ziehen.<br />

Abbildung 15: Entscheidung nach heutigem Kenntnisstand revidieren 26<br />

25 Diese Frage haben 27 Teilnehmer, davon 15 aus Großunternehmen und 12 aus KMU, beantwortet. Die Antwortmöglichkeiten sind der Legende<br />

in Abbildung 14 zu entnehmen.<br />

15


6 Weitere Ergebnisse<br />

Organisationsform<br />

Nach AMBERG kann im Hinblick auf die Organisationsformen eines Offshore-Projekts zwischen folgenden<br />

drei Arten unterschieden werden: Tochterunternehmen, Joint Venture und Fremdunternehmen. 27 Die ge-<br />

wählte Organisationsform der Unternehmen wurde im Rahmen der Studie erfragt. In Abbildung 16 sind die<br />

Ergebnisse dargestellt.<br />

Abbildung 16: Organisationsformen des Offshorings 28<br />

Der innere Kreis in Abbildung 16 zeigt die Antworten der befragten Großunternehmen. Die meisten der<br />

Befragten dieser Gruppe (ca. 38%) gaben an, ein Tochterunternehmen am Zielort gegründet bzw. akquiriert<br />

zu haben. Ca. 31% der befragten Großunternehmen kooperieren mit einem unabhängigen Fremdunter-<br />

nehmen. Eine strategische Zusammenarbeit mit einem ausländischen Unternehmenspartner in Form eines<br />

Joint Venture wählten ca. 19% der Befragten als Organisationsform des Offshorings. Unter „Sonstiges“ gab<br />

einer der Befragten „<strong>Sc</strong>hwesterunternehmen“ und ein weiterer „eigene <strong>Abteilung</strong>“ an. Ein <strong>Sc</strong>hwesterun-<br />

ternehmen ist ein Tochterunternehmen, das zum selben Mutterunternehmen gehört wie ein anderes Toch-<br />

terunternehmen. 29 Daher kann diese Antwort zu der Organisationsform Tochterunternehmen hinzugezählt<br />

werden. Die Angabe „eigene <strong>Abteilung</strong>“ ist ohne weitere Informationen nicht verwertbar.<br />

26<br />

Diese Frage haben 27 Teilnehmer, davon 15 aus Großunternehmen und 12 aus KMU, beantwortet. Die Antwortmöglichkeiten sind der Legende<br />

in Abbildung 15 zu entnehmen.<br />

27<br />

Vgl. Amberg et al. (2006), S. 19.<br />

28<br />

Diese Frage haben 28 Teilnehmer, davon 16 aus Großunternehmen und 12 aus KMU, beantwortet. Die Antwortmöglichkeiten sind der Legende<br />

in Abbildung 16 zu entnehmen.<br />

29 Vgl. Enzyklo (2011).<br />

16


Der äußere Kreis in Abbildung 16 verdeutlicht die Antworten der befragten KMUs. Hierbei sind klare Unter-<br />

schiede zu den Antworten der befragten Großunternehmen zu erkennen. So gab keiner der befragten<br />

KMUs an, ein Tochterunternehmen gegründet bzw. akquiriert zu haben. Zu einem großen Anteil (75%)<br />

wurde eine Kooperation mit einem unabhängigen Fremdunternehmen eingegangen. Zudem gaben ca. 17%<br />

der befragten KMUs an, ein Joint Venture als Organisationsform gewählt zu haben. Unter „Sonstiges“ nann-<br />

te einer der Befragten „alle drei Varianten“. Auch diese Antwort müsste genauer hinterfragt werden, um<br />

sie hinreichend deuten zu können.<br />

Entscheidungs- und Verlagerungsprozess<br />

Im Rahmen der Studie wurde auch erfragt, wie die Unternehmen die Entscheidung, IT-Leistungen zu verla-<br />

gern, getroffen haben. Abbildung 17 verdeutlicht den Entscheidungs- und Verlagerungsprozess.<br />

Abbildung 17: Entscheidungs- und Verlagerungsprozess 30<br />

30 Diese Frage haben 27 Teilnehmer, davon 15 aus Großunternehmen und 12 aus KMU, beantwortet. Mehrfachnennungen waren möglich.<br />

17


Die befragten Großunternehmen gaben zu über 73% an, dass hauptsächlich der Druck zur Kosteneinspa-<br />

rung zur Verlagerung geführt hat. Weiterhin gaben über 53% der Befragten dieser Gruppe an, dass die Po-<br />

tenziale des Outsourcings von ggf. externen Unternehmen aufgedeckt wurden und aufgrund dessen die<br />

Entscheidung zur Verlagerung getroffen wurde. Jedes dritte befragte Großunternehmen begründet die<br />

Entscheidung zur Verlagerung damit, dem Trend des IT-Offshorings nach Indien gefolgt zu sein. Auch die<br />

befragten KMUs nannten diese Entscheidungsprozesse am häufigsten. Jedoch ist nicht der Druck zur Koste-<br />

neinsparung der wesentliche Entscheidungsgrund, der zur Verlagerung geführt hat. Die meisten der Befrag-<br />

ten (ca. 42%) gaben an, dass die Potenziale des Outsourcings aufgedeckt wurden und aufgrund dessen die<br />

Entscheidung getroffen wurde, outzusourcen. Dass die Entscheidung aufgrund des Drucks zur Kostenein-<br />

sparung und des Trends zur Verlagerung nach Indien getroffen wurde, gaben jeweils 25% der befragten<br />

KMUs an. Unter „Sonstiges“ nannte einer der befragten KMUs den folgenden Entscheidungsgrund: „Auf-<br />

grund bestehender Kontakte nach Indien und positiver Vorerfahrungen.“ Eine weitere nennenswerte An-<br />

gabe eines befragten Großunternehmens war: „Unsere Holding hat indische Firmen gekauft und alle Töch-<br />

ter wurden aufgefordert, deren Kapazitäten zu nutzen.“<br />

Methodik<br />

Ein weiterer interessanter Aspekt ist, zu erfahren, welche Projektmanagement-Methodik in internationalen<br />

und interkulturellen IT-Projekten eingesetzt wird und wie die Zufriedenheit damit ist (siehe Abbildung 18).<br />

Selbstentwickelte PM-Methodik<br />

Agile Methoden<br />

PMI<br />

CMMI<br />

IPMA/GPM<br />

PRINCE2<br />

Sonstiges<br />

2<br />

1<br />

4<br />

5<br />

9<br />

1<br />

5<br />

Abbildung 18: PM-Methodik 31<br />

31 Diese Frage haben 27 Teilnehmer, davon 15 aus Großunternehmen und 12 aus KMU, beantwortet. Die vierstufige Rangfolgenskala wurde wie<br />

folgt skaliert: Sehr zufrieden (4), zufrieden (3), unzufrieden (2), sehr unzufrieden (1).<br />

5<br />

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%<br />

sehr zufrieden zufrieden unzufrieden sehr unzufrieden<br />

6<br />

6<br />

3<br />

7<br />

1<br />

1<br />

4<br />

3<br />

3<br />

1<br />

1<br />

1<br />

18


Die meisten der Befragten (n=16) gaben an, dass sie mit der selbstentwickelten Methodik basierend auf<br />

PM-Standards sehr zufrieden bzw. zufrieden sind. An zweiter Stelle folgen agile Methoden. Ca. 80% der<br />

Befragten, die angaben, diese Methodik für internationale und interkulturelle Projekte zu nutzen, sind da-<br />

mit sehr zufrieden bzw. zufrieden. Weiterhin gaben zehn der Befragten an, mit der Nutzung der Methodik<br />

des Project Management Institute (PMI) zufrieden bzw. sehr zufrieden zu sein. Mit der CMMI-Methodik<br />

sind ca. 62% der Befragten zufrieden bzw. sehr zufrieden. Wenige der Befragten (n=4) nutzen die PM-<br />

Methodik der International Project Management Association (IPMA) bzw. der GPM (deutscher Vertreter<br />

der IPMA). Jedoch gaben diese Befragten an, damit sehr zufrieden bzw. zufrieden zu sein. Die Projektma-<br />

nagement-Methode Projects in Controlled Environments (PRINCE) in der zweiten Version (PRINCE2) nutzen<br />

sieben der Befragten für derartige Projekte. Ca. 70% davon sind mit der Methodik zufrieden. Unter „Sonsti-<br />

ges“ gab einer der Befragten an die Methode „Hologramming“ zu nutzen und damit unzufrieden zu sein.<br />

Ein weiterer ist mit der Nutzung von „Six Sigma“ in internationalen und interkulturellen Projekten zufrie-<br />

den.<br />

7 Diskussion der Ergebnisse<br />

Die Teilnehmer der Studie befanden sich zum Zeitpunkt der Befragung hauptsächlich im oberen Manage-<br />

ment oder waren in leitender IT-Funktion tätig. Zudem waren sie zum Großteil in einem KMU angestellt.<br />

Aber auch Großunternehmen waren mit einem Drittel vertreten. Die meisten der befragten Unternehmen<br />

gaben an, der IuK-Branche anzugehören. Die Zielgruppenbeschreibung wurde so verfasst, dass Unterneh-<br />

men beliebiger Größe damit angesprochen wurden. Die KMU wurden jedoch (intern) als Hauptzielgruppe<br />

ausgewählt und auch personalisiert angesprochen. Dadurch wurde erhofft, eine höhere Beteiligung seitens<br />

der KMU zu erzielen. Dennoch konnten Großunternehmen an der Studie teilnehmen. Dies ermöglichte es<br />

auch, Vergleiche zwischen diesen beiden Gruppen zu ziehen. Diese Stichprobenzusammensetzung (46 Teil-<br />

nehmer aus KMU und 21 Teilnehmer aus Großunternehmen) kann daher als sehr nützlich bezeichnet wer-<br />

den. Auch die Anzahl der Befragten war für eine qualitative Auswertung ausreichend und verwertbar.<br />

Die Motive, die ausschlaggebend waren und zur Verlagerung nach Indien geführt haben, sind im Vergleich<br />

zu früheren Studien unverändert. Die Kostenreduktion ist weiterhin das dominierende Motiv, das Unter-<br />

nehmen zur Verlagerung von IT-Leistungen nach Indien bewegt. Neben den Kostenvorteilen haben die Er-<br />

zielung von Wettbewerbsvorteilen, die Steigerung der Flexibilität sowie der Zugang zu qualifiziertem Perso-<br />

nal zu der Entscheidung zu verlagern geführt. Die Erwartungen hinsichtlich dieser Kernmotive konnten nicht<br />

erfüllt werden. Insbesondere die Erwartungen an die Kostenreduktion decken sich nicht mit den tatsächli-<br />

chen Einsparungen. Die Gegenüberstellung der Motive zu den tatsächlichen Verbesserungen hinsichtlich<br />

dessen verdeutlicht, dass die Erwartungen der KMU und der Großunternehmen bzgl. der Verlagerung nach<br />

Indien nicht erfüllt werden konnten.<br />

19


In den letzten fünf Jahren wurden im Bereich der Anwendungsentwicklung hauptsächlich Implementie-<br />

rungsleistungen nach Indien vergeben. Dieses Ergebnis verwundert nicht, schließlich erscheint die Vergabe<br />

einer reinen „Programmierleistung“ nach Indien einfach und die Kosteneinsparungen sind allein aufgrund<br />

der niedrigeren Löhne verlockend. Jedoch fällt auf, dass auch andere IT-Leistungen wie Integration, War-<br />

tung und Pflege sowie Test bereits von beiden Gruppen nach Indien verlagert wurden. Die Großunterneh-<br />

men verlagern, vermutlich aufgrund der höheren Ressourcenverfügbarkeit und der damit eher verbunde-<br />

nen Risikobereitschaft, weit mehr IT-Leistungen nach Indien als die KMU. IT-Leistungen, die die Anforde-<br />

rungsanalyse und -spezifikation sowie den Entwurf des Softwaresystems betreffen, wurden von beiden<br />

Gruppen im Vergleich zu den anderen seltener genannt. Ein Grund hierfür könnte die räumliche Entfernung<br />

sein, die es erschwert, die Anforderungen aufzunehmen und ein entsprechendes Konzept zu erstellen.<br />

Im Bereich der Produktion sind die Ergebnisse ähnlich: Großunternehmen verlagern deutlich mehr IT-<br />

Leistungen nach Indien als KMU. Auch hier stechen bestimmte IT-Leistungen (Wartung/Pflege von Software<br />

und Benutzersupport) heraus, die von beiden Gruppen am häufigsten angegeben wurden. Jedoch gab jeder<br />

zweite der befragten KMU an, in den letzten fünf Jahren keine IT-Leistungen der Produktion verlagert zu<br />

haben. Dies könnte daran liegen, dass KMU eine kleinere IT-Landschaft besitzen als Großunternehmen und<br />

deren Betrieb, Benutzersupport und Wartung/Pflege überschaubar und mit geringen Kosten im Inland ver-<br />

bunden sind. Diese Ergebnisse bestätigen die Befunde früherer Studien und zeigen auf, dass auch in den<br />

letzten fünf Jahren vermehrt die genannten IT-Leistungen outgesourct wurden.<br />

In den kommenden fünf Jahren werden insbesondere Großunternehmen weiterhin IT-Leistungen nach In-<br />

dien verlagern. Hierbei handelt es sich hauptsächlich um Implementierungsleistungen aus dem Bereich der<br />

Anwendungsentwicklung und der Software Wartung/Pflege sowie des Benutzersupports aus dem Bereich<br />

der Produktion. Aber auch andere IT-Leistungen sollen vermehrt outgesourct werden. Hierbei ist ein deutli-<br />

cher Trend zur vermehrten Verlagerung nach Indien erkennbar. Die befragten KMU gaben zwar an, weitere<br />

IT-Leistungen der Implementierung und der Wartung/Pflege aus dem Bereich der Anwendungsentwicklung<br />

und der Software Wartung/Pflege sowie des Benutzersupports aus dem Bereich der Produktion verlagern<br />

zu wollen, jedoch gab auch ein großer Teil der Befragten an, keine weiteren IT-Leistungen nach Indien ab-<br />

zugeben. Hierbei ist festzustellen, dass einige der befragten KMU die genannten Kern-IT-Leistungen aus den<br />

jeweiligen Bereichen weiter verlagern und andere keine weiteren IT-Leistungen vergeben wollen. Die<br />

Gründe hierfür sind nicht ersichtlich und könnten in einer aufbauenden Arbeit identifiziert werden.<br />

Die wesentlichen Gründe, die für eine Verlagerung nach Indien sprechen, sind sowohl für die befragten<br />

Großunternehmen als auch für die befragten KMU: Signifikant geringere Stundenlöhne und Arbeitsplatz-<br />

20


kosten, der Zugang zu gut ausgebildeten Fachkräften und das höchste Kosten-Nutzen-Verhältnis im Ver-<br />

gleich zu anderen Verlagerungsorten. Der entscheidendste Grund, der für die befragten Großunternehmen<br />

zur Verlagerung in das Niedriglohnland Indien geführt hat, sind die geringeren Stundenlöhne und Arbeits-<br />

platzkosten. Daher legt die Gruppe viel Wert auf die anfallenden Kosten und versucht diese durch die Ver-<br />

lagerung erheblich zu senken. Indien bietet, im Vergleich zu anderen Ländern, sehr günstige Lohnkosten für<br />

IT-Leistungen an und wurde daher primär aus diesem Grund von den befragten Großunternehmen ausge-<br />

wählt. 32 Für die befragten KMU ist der Zugang zu gut qualifizierten Fachkräften entscheidender als die ge-<br />

ringeren Kosten. Ein entscheidender komparativer Vorteil des Standorts Indien liegt neben den niedrigen<br />

Lohn- und Arbeitsplatzkosten in der Vielzahl gut ausgebildeter IT-Fachkräfte. 33 Dieser Vorteil war für die<br />

KMU am relevantesten bei der Standortwahl. Verwunderlich war, dass beide Gruppen angaben, dass der<br />

CMM-Level 5 im Vergleich zu den anderen Gründen am wenigsten zur Standortwahl beigetragen hat. Die<br />

meisten Unternehmen (ca. 70%), die nach dieser Stufe zertifiziert sind, befinden sich in Indien. 34 Anschei-<br />

nend hat dieses Qualitätssiegel für deutsche Unternehmen nur einen geringen Wert. Auch dieses Ergebnis<br />

könnte in einer aufbauenden Forschungsarbeit weiter vertieft werden, um näheres darüber zu erfahren.<br />

Die Hauptursachen, die zu Problemen nach der Verlagerung führen, sind die hohe Fluktuationsrate in Indi-<br />

en, kulturelle Unterschiede, sprachliche Kommunikationsprobleme sowie das Dokumentations- und Be-<br />

richtswesen. Auffällig war allerdings die große Diskrepanz der Befragten hinsichtlich der kulturellen Unter-<br />

schiede und der sprachlichen Kommunikationsprobleme. So stuften die befragten KMU die kulturellen Un-<br />

terschiede als Ursache deutlich geringer und die sprachlichen Kommunikationsprobleme deutlich höher ein<br />

als Großunternehmen. Diese Diskrepanz lässt sich ohne weitere Untersuchungen nicht erklären.<br />

Die interkulturellen Einflüsse waren insbesondere bei den befragten Großunternehmen hoch. Diese gaben<br />

an, dass hauptsächlich die offene Kommunikation von Problemen, das Verständnis mündlicher Kommunika-<br />

tion und die selbständige Lösung fachlicher und technischer Probleme <strong>Sc</strong>hwierigkeiten bereiten. Aber auch<br />

andere interkulturelle Einflüsse wie Termineinhaltung, Qualitätssicherung und der Umgang mit Kritik wer-<br />

den in der deutsch-indischen Zusammenarbeit von den Befragten als problematisch angesehen. WINKLER ET<br />

AL. führten Untersuchungen zu den kulturellen Einflussgrößen, die auf den Projekterfolg wirken, durch und<br />

stellten fest, dass „Kultur und Mentalität“ eine große Rolle spielen. 35 Jedoch scheinen Großunternehmen<br />

diese <strong>Sc</strong>hwierigkeiten unterschätzt und bislang keine geeignete Lösung für diese Problematiken gefunden<br />

32 Vgl. <strong>Sc</strong>haaf (2004), S. 6.<br />

33 Vgl. <strong>Sc</strong>haaf (2005), S. 4.<br />

34 Vgl. Selbach (2011), S. 2, Computerwoche (2004).<br />

35 Vgl. Winkler et al. (2007), S. 98-103.<br />

21


zu haben. Auch WINKLER ET AL. geben an, dass weitere Forschung in diesem Bereich notwendig ist. 36 Ver-<br />

wunderlich ist, dass die kulturellen Einflüsse bei den befragten KMUs deutlich geringer eingestuft wurden.<br />

Dies könnte ebenfalls im Rahmen einer aufbauenden Arbeit tiefergehend untersucht werden.<br />

Trotz der genannten Probleme sind die befragten Großunternehmen und KMUs größtenteils zufrieden mit<br />

der Entscheidung, IT-Leistungen nach Indien verlagert zu haben. Nur jeder vierte der Befragten gab an, mit<br />

der Entscheidung unzufrieden zu sein. Dennoch ist nur jeder zweite mit der Erfüllung der Ziele und Erwar-<br />

tungen insgesamt zufrieden. Dieses Resultat wird auch durch die Gegenüberstellung der Motive zu den<br />

tatsächlichen Verbesserungen in diesem Bereich bestätigt. Daher kann davon ausgegangen werden, dass<br />

entweder die Erwartungen und Ziele zu hoch gesteckt wurden oder die auftretenden Probleme so umfäng-<br />

lich waren, dass die Ziele nicht erreicht und den Erwartungen nicht gerecht werden konnten. Die Entschei-<br />

dung, IT-Leistungen nach Indien zu verlagern, würde nach heutigem Kenntnisstand nur jeder Vierte revidie-<br />

ren. Der Großteil (50%) steht zu der Entscheidung und würde diese nach dem Erfahrungszugewinn nicht<br />

verändern.<br />

Die vorgestellten Ergebnisse resultieren aus der Befragung von 67 Probanden. Einen repräsentativen An-<br />

spruch kann die vorliegende Arbeit aufgrund der Stichprobengröße nicht erheben, was auch nicht die Ziel-<br />

setzung war. Vielmehr ging es darum, explorativ nach Antworten zu den zuvor festgelegten Forschungsfra-<br />

gen zu suchen und den aktuellen Stand im IT-Offshoring von Deutschland nach Indien darzustellen. Limitie-<br />

rende Faktoren der Untersuchung sind die Begrenzung auf deutsche Unternehmen und der Bezug auf Indi-<br />

en als einzige Offshoring-Zielregion. Dieser Fokus könnte in einer aufbauenden Arbeit erweitert (z.B. Unter-<br />

nehmen aus dem deutschsprachigen Raum 37 oder weitere Länder Asiens) oder eingeschränkt werden (spe-<br />

zielle Branchen, Unternehmensgrößen bzw. Organisationsformen des Offshorings oder spezielle Regionen<br />

Indiens). Ein weiterer limitierender Faktor der Untersuchung ist der Fokus auf IT-Leistungen. Auch dieser<br />

Fokus könnte auf weitere Leistungen erweitert bzw. auf spezielle IT-Leistungen limitiert werden.<br />

Die beschriebenen Ergebnisse liefern interessante Ansatzpunkte für zukünftige Forschungsarbeiten. So<br />

könnte z.B. tiefergehend erforscht werden, aus welchen Gründen die Erwartungen der Unternehmen größ-<br />

tenteils nicht erfüllt werden konnten. Hierbei könnte insbesondere untersucht werden, weshalb die zu er-<br />

wartenden Kostenvorteile nicht erreicht wurden. Einige Probleme, die mit dem IT-Offshoring verbunden<br />

sind, wurden im Rahmen der vorliegenden Arbeit analysiert. Deren Auswirkungen auf den Projekterfolg<br />

sowie geeignete Maßnahmen, die den Problemen entgegenwirken, könnten aufbauend auf den Ergebnis-<br />

36 Vgl. Winkler et al. (2007), S. 102.<br />

37 Damit sind die D-A-CH-Länder (Deutschland, Österreich und <strong>Sc</strong>hweiz) gemeint.<br />

22


sen tiefer erforscht werden. Hierbei sollten die hohe Fluktuationsrate, die kulturellen Unterschiede und die<br />

sprachlichen Probleme eine große Rolle einnehmen, da diese scheinbar bis dato zu großen <strong>Sc</strong>hwierigkeiten<br />

führen und wenige Lösungsansätze vorhanden sind, um diesen Problemen entgegenzuwirken. Zudem<br />

könnte auch untersucht werden, weshalb die interkulturellen Einflüsse bei KMUs scheinbar geringer sind<br />

als bei Großunternehmen.<br />

Es erscheint zudem erforderlich das IT-Offshoring von Deutschland nach Indien speziell für die Zielgruppe<br />

der KMUs tiefer zu erforschen. Das IT-Offshoring für KMUs ist weitgehend unerforscht und bedarf aufgrund<br />

der Besonderheiten dieser Unternehmen eine gesonderte Betrachtung. Hierbei sollten Handlungsanwei-<br />

sungen und Orientierungshilfen erarbeitet werden, die die Risiken, die mit der Verlagerung verbunden sind,<br />

für diese Gruppe minimieren. Zukünftige Forschungsarbeiten können aufbauend auf den Ergebnissen der<br />

vorliegenden Arbeit, das IT-Offshoring für die KMUs weitergehend untersuchen.<br />

Ein weiterer interessanter Ansatz ist die Methodik, die in internationalen und interkulturellen IT-Projekten<br />

eingesetzt wird. So nutzen viele der befragten Unternehmen eine selbstentwickelte Methodik, die auf in-<br />

ternationalen Standards basiert. Hierbei könnten die vorhandenen Standards analysiert und um internatio-<br />

nale Aspekte erweitert werden. Zudem gaben viele der befragten Unternehmen an, mit der Nutzung von<br />

agilen Methoden in internationalen Projekten zufrieden zu sein. Aus Gesprächen mit Fachexperten wurde<br />

deutlich, dass der Einsatz dieser Methodik aufgrund der Besonderheiten nicht sinnvoll erscheint. Diese Dis-<br />

krepanz der Aussagen lässt sich ohne weitere Untersuchungen nicht auflösen und erfordert weitere For-<br />

schungsaktivitäten.<br />

8 Fazit<br />

Aufgrund der zunehmenden Internationalisierung sowie des Wettbewerbs- und Kostendrucks wird der<br />

Trend des IT-Offshoring weiterhin an Bedeutung gewinnen. 38 Auch KMUs sind dieser Tendenz vermehrt<br />

ausgesetzt und sehen eine Lösung dieser Problematik in der verstärkten Auslagerung von IT-Projekten in so<br />

genannte Niedriglohnländer. Ohne Zweifel ist Indien der wichtigste Standort für Offshore-Dienstleistungen<br />

und wird aufgrund der Kombination vieler Erfolgsfaktoren in Zukunft weiterhin den IT-Offshoring-Markt<br />

dominieren. 39 Allerdings bestehen neben den vielfältigen Chancen auch große Risiken. Eine sorgfältige Pla-<br />

nung und ein entsprechendes Risikomanagement sind daher für den Erfolg des Verlagerungsprozesses als<br />

kritischer Erfolgsfaktor zu sehen. In der Studie des Kompetenzzentrums Projektmanagement wurde der<br />

38 Vgl. <strong>Sc</strong>haaf (2005), S. 5.<br />

39 Vgl. <strong>Sc</strong>haaf (2004), S. 4-8.<br />

23


Status quo zum IT-Offshoring beschrieben. Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit beschreiben die aktuelle<br />

Situation im IT-Offshoring von Deutschland nach Indien. Der Fokus der Studie lag auf kleinen und mittleren<br />

Unternehmen, wobei keine Einschränkung vorgenommen wurde, um Vergleiche zu ermöglichen. Die Er-<br />

gebnisse stellen somit sowohl den bislang unerforschten Stand zum IT-Offshoring der KMUs dar als auch<br />

die aktuelle Situation aus der Sicht der Großunternehmen. Zudem wurden auch die Unterschiede der bei-<br />

den Gruppen aufgezeigt. Die Ergebnisse liefern einen Einblick in die aktuelle Situation und können als Basis<br />

für zukünftige Forschungsarbeiten dienen.<br />

Das CCPM beabsichtigt weitere Forschungsarbeiten in diesem Themenfeld durchzuführen. Es besteht ein<br />

eindeutiger Bedarf nach einem tieferen Verständnis für das IT-Offshoring von Deutschland nach Indien.<br />

Diese und künftige Forschungsarbeiten sollen dazu beitragen, Wissenschaftler und Praktiker zu motivieren,<br />

verbesserte Ansätze zu untersuchen und so für die Praxis neue Lösungsansätze für eine erfolgreiche Verla-<br />

gerung zu liefern.<br />

24


Literatur<br />

Amberg, M., Wiener, M. (2006): IT-Offshoring: Management internationaler IT-Outsourcing-Projekte, Hei-<br />

delberg: Physica.<br />

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www.computerwoche.de/management/it-services/543904/; Zugriff am 2011-07-20.<br />

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www.dbresearch.de/PROD/DBR_INTERNET_DE-PROD/PROD0 000000000178654.pdf; Zugriff am<br />

2011-05-26.<br />

<strong>Sc</strong>haaf, J. (2005): Outsourcing nach Indien: der Tiger auf dem Sprung, in: Internet<br />

www.dbresearch.de/PROD/DBR_INTERNET_DE-PROD/PROD0000000000191727.pdf; Zugriff am 2011-<br />

05-26.<br />

Selbach, E. (2011): CMM und SPICE als Unternehmensvorteile: Outsourcing nach Indien aus Qualitätserwä-<br />

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06.<br />

Waldkirch, K. (2006): Geschäftserfolge in Indien, Wiesbaden: Gabler/GWV.<br />

Winkler, J., Dibbern, J., Heinzl, A. (2007): Der Einfluss kultureller Unterschiede beim IT-Offshoring, in: Wirt-<br />

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25

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