Für eine Leseprobe der Einführung (Huss, von ... - Forstbuch.de
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Hannß Carl <strong>von</strong> Carlowitz<br />
Sylvicultura oeconomica<br />
Hausswirthliche Nachricht und Naturmäßige Anweisung zur Wil<strong>de</strong>n Baum-Zucht<br />
Faksimile <strong><strong>de</strong>r</strong> Erstauflage<br />
Leipzig 1713<br />
www.forstbuch.<strong>de</strong><br />
Mit <strong>eine</strong>r <strong>Einführung</strong> <strong>von</strong><br />
Jürgen <strong>Huss</strong> und Frie<strong><strong>de</strong>r</strong>ike <strong>von</strong> Gadow
Sylvicultura oeconomica<br />
Hausswirthliche Nachricht und Naturmäßige Anweisung<br />
zur Wil<strong>de</strong>n Baum-Zucht<br />
Faksimile <strong><strong>de</strong>r</strong> Erstauflage Leipzig 1713<br />
<strong>von</strong><br />
Hannß Carl <strong>von</strong> Carlowitz<br />
mit <strong>eine</strong>r <strong>Einführung</strong> <strong>von</strong><br />
Jürgen <strong>Huss</strong> und Frie<strong><strong>de</strong>r</strong>ike <strong>von</strong> Gadow<br />
Über dieses Buch:<br />
Dieses Buch gilt als das erste Buch zur Forstwirtschaft, in <strong>de</strong>m <strong><strong>de</strong>r</strong> Begriff Nachhaltigkeit<br />
erstmals verwen<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>. Im Jahr 2013 wird hierzu das 300jährige Jubiläum gefeiert.<br />
Um sich mit <strong>de</strong>m Thema, <strong>de</strong>m zeitlichen Hintergrund und <strong><strong>de</strong>r</strong> Ausstrahlung dieses<br />
Buches vertraut zu machen, haben Jürgen <strong>Huss</strong> und Frie<strong><strong>de</strong>r</strong>ike <strong>von</strong> Gadow <strong>eine</strong> umfangreiche<br />
<strong>Einführung</strong> (ca. 50 Seiten) verfasst, die es ermöglicht, in die Gedankenwelt <strong>de</strong>s<br />
Hannß Carl <strong>von</strong> Carlowitz einzutauchen.<br />
Ein phänomenales Buch, ein Meisterwerk.<br />
Bibliographische Angaben:<br />
ISBN: 978-3-941300-56-9<br />
Umfang: 526 Seiten, viele Abbildungen<br />
Format: 21x29 cm<br />
Preis: 37 Euro<br />
Sie können unsere Bücher auch mit <strong>eine</strong>m Umschlag Ihrer Wahl bekommen,<br />
zum Beispiel mit Ihrem Firmen-Logo o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>eine</strong>m zusätzlich aufgedruckten Text.<br />
Alle unsere Titel können Sie direkt bei uns bestellen, außer<strong>de</strong>m bei Amazon und in allen<br />
Buchhandlungen. Mehr als 150 forstliche Titel sind lieferbar.<br />
<strong>Für</strong> Rückfragen stehen wir je<strong><strong>de</strong>r</strong>zeit zur Verfügung und verbleiben<br />
mit freundlichen Grüßen<br />
Dr. Norbert Kessel, Verlag Kessel, Eifelweg 37, 53424 Remagen-Oberwinter<br />
E-Mail: nkessel@web.<strong>de</strong>, Homepage: www.forstbuch.<strong>de</strong>
<strong>Einführung</strong> in das Faksimile <strong><strong>de</strong>r</strong> Erstausgabe <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Sylvicultura oeconomica <strong>von</strong> H. C. <strong>von</strong> Carlowitz, 1713<br />
Jürgen <strong>Huss</strong> und Frie<strong><strong>de</strong>r</strong>ike <strong>von</strong> Gadow<br />
Waldbau-Institut und Institut für Forst- und<br />
Umweltpolitik <strong><strong>de</strong>r</strong> Universität Freiburg<br />
3
Inhaltsverzeichnis<br />
1 Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5<br />
2 Leben und Wirken <strong>de</strong>s Autors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5<br />
3 Die Sylvicultura oeconomica . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7<br />
4<br />
3.1 Entstehungshintergrund und Aufbau <strong>de</strong>s Buches ........................ 7<br />
3.2 Frontispiz – Titelkupferstich ........................................ 8<br />
3.2.1 Festarchitektur <strong>de</strong>s Frontispizes .....................................10<br />
3.2.2 Ikonografisches Programm <strong>de</strong>s Frontispizes ............................10<br />
3.3 Titelblatt. ..................................................... 17<br />
3.4 Widmung ..................................................... 17<br />
3.5 Vorbericht. .................................................... 19<br />
3.6 Grafische Gestaltung <strong>de</strong>s Buches .................................... 20<br />
3.7 Herkunft <strong><strong>de</strong>r</strong> in <strong><strong>de</strong>r</strong> Sylvicultura oeconomica verarbeiteten Informationen ..... 21<br />
4 Inhalt <strong>de</strong>s Buches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21<br />
4.1 Glie<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s Textes ............................................ 21<br />
4.2 Allgem<strong>eine</strong>s zur Bewirtschaftung <strong>von</strong> Wäl<strong><strong>de</strong>r</strong>n ......................... 22<br />
4.2.1 Waldfunktionen ................................................22<br />
4.2.2 Problem <strong><strong>de</strong>r</strong> Holznot und Möglichkeiten <strong><strong>de</strong>r</strong> Energieeinsparung ...........23<br />
4.2.3 Torfgewinnung als Substitut für Holzkohle ...........................24<br />
4.2.4 Waldschä<strong>de</strong>n ..................................................25<br />
4.2.5 Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Standorts .........................................25<br />
4.2.6 Streunutzung, Bo<strong>de</strong>ndüngung und Bo<strong>de</strong>nbefahrung.....................26<br />
4.2.7 Überlegungen zur Nachhaltigkeit ...................................27<br />
4.2.8 Notwendigkeit eigener Untersuchungen ..............................29<br />
4.3 Ausführungen zum Waldbau. ...................................... 29<br />
4.3.1 Beschreibung <strong><strong>de</strong>r</strong> wichtigsten Baumarten .............................29<br />
4.3.2 Anbauempfehlungen für heimische Baumarten .........................30<br />
4.3.3 Anbau fremdländischer Baumarten ..................................30<br />
4.3.4 Waldbausysteme und räumliche Ordnung ............................31<br />
4.3.5 Verjüngung <strong><strong>de</strong>r</strong> Wäl<strong><strong>de</strong>r</strong> ...........................................33<br />
4.3.6 Jungwuchs- und Bestan<strong>de</strong>spflege ...................................35<br />
4.4 Von Carlowitz als ‚Schriftsteller’. .................................. 36<br />
4.4.1 Sprachliche Schönheiten ..........................................37<br />
4.4.2 Eingestreute Lebensweisheiten......................................37<br />
4.4.3 Kuriositäten bei Bäumen und Wäl<strong><strong>de</strong>r</strong>n ...............................38<br />
4.4.4 Wi<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>n Aberglauben und an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Seltsamkeiten ......................39<br />
4.4.4 Gott – Natur – Mensch ..........................................41<br />
5 Rezeption <strong><strong>de</strong>r</strong> Sylvicultura oeconomica in späterer Zeit . . . . . . . . . . . . . . . 42<br />
5.1 Das Echo zu <strong>de</strong>n Waldbaukonzepten <strong>von</strong> <strong>von</strong> Carlowitz ................ 42<br />
5.2 Die Sylvicultura oeconomica im Spiegel <strong><strong>de</strong>r</strong> forstlichen Betriebsregelung .... 45<br />
5.3 Das Wirken <strong>von</strong> <strong>von</strong> Carlowitz aus forstgeschichtlicher Perspektive ....... 45<br />
5.4 Aktuelle Diskussion um <strong>von</strong> Carlowitz und die Nachhaltigkeit ........... 47<br />
6 Schlusswort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48<br />
7 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
1 Vorbemerkung<br />
Das Werk Sylvicultura oeconomica <strong>von</strong> Hannß Carl <strong>von</strong> Carlowitz wur<strong>de</strong> im Jahr 1713, also<br />
vor fast 300 Jahren in Leipzig verlegt.<br />
<strong>Für</strong> Kremser (1990: 139) war es „das erste ausschließlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Forstwirtschaft (ohne Jagd)<br />
gewidmete Buch“. Richter (1957: 250) sprach vom ersten rein forstlichen Buch <strong><strong>de</strong>r</strong> Welt und<br />
Mantel (1990: 141) bezeichnete <strong>von</strong> Carlowitz als <strong>de</strong>n be<strong>de</strong>utendsten forstlichen Schriftsteller<br />
zu Anfang <strong>de</strong>s 18. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>ts. Er habe sich mit s<strong>eine</strong>m Werk – so Hess (1885b: 48) “ein unvergängliches<br />
Denkmal“ gesetzt. Die Sylvicultura oeconomica war also für ihre Zeit ein herausragen<strong>de</strong>s<br />
forstliches Werk.<br />
Nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Angabe auf <strong>de</strong>m Titelblatt wur<strong>de</strong> es <strong>von</strong> <strong>eine</strong>m Nichtforstmann, <strong>eine</strong>m sächsischen<br />
‚Ober-Berg-Hauptmann’, geschrieben. Wie kam es dazu, dass sich ein für <strong>de</strong>n Bergbau Verantwortlicher<br />
mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Forstwirtschaft und dann noch schwerpunktmäßig mit <strong>de</strong>m Waldbau beschäftigte?<br />
Woher hatte <strong><strong>de</strong>r</strong> Autor sein Fachwissen? Welches waldbauliche Denken und Han<strong>de</strong>ln<br />
wur<strong>de</strong> <strong>von</strong> ihm vorgestellt und wie wur<strong>de</strong> es <strong>von</strong> s<strong>eine</strong>n forstlichen Nachfolgern aufgenommen<br />
und weiter entwickelt?<br />
Diese Fragen sollen im Folgen<strong>de</strong>n kritisch analysiert wer<strong>de</strong>n. Dazu wer<strong>de</strong>n zunächst Leben<br />
und Hintergrund <strong>de</strong>s Autors angesprochen und danach sein Buch in mehreren Unterabschnitten<br />
vorgestellt und erörtert. Den Abschluss bil<strong>de</strong>t die spätere, vor allem waldbauliche Rezeption <strong>de</strong>s<br />
Werkes.<br />
[Zitate aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Sylvicultura oeconomica wer<strong>de</strong>n im folgen<strong>de</strong>n ausschließlich mit Seitenzahlen<br />
angegeben und kursiv gesetzt.]<br />
2 Leben und Wirken <strong>de</strong>s Autors<br />
Die meisten in <strong><strong>de</strong>r</strong> Literatur auffindbaren Daten über sein Leben gehen auf <strong>eine</strong> Leichenpredigt<br />
<strong>von</strong> Wäger (1714) zurück. Danach ergibt sich folgen<strong>de</strong>s Bild:<br />
Hannß Carl <strong>von</strong> Carlowitz wur<strong>de</strong> am 14. Dezember 1645 als zweites <strong>von</strong> 16 Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>n in<br />
Rabenstein bei Chemnitz/Sachsen geboren (Richter, 1957: 250; Bendix, 2009: II).<br />
Die Schreibweise s<strong>eine</strong>s Vornamens variiert: Ins Taufregister wur<strong>de</strong> er in latinisierter Form<br />
als ‚Johan-Carolus’ eingetragen (Richter, 1957: 250). Auf <strong>de</strong>m Titelblatt <strong><strong>de</strong>r</strong> ‚Leichenpredigt’ <strong>von</strong><br />
1714 steht ‚Hans Carl’ ohne Bin<strong>de</strong>strich. Als Autorenname <strong><strong>de</strong>r</strong> Sylvicultura oeconomica wur<strong>de</strong><br />
sein Vorname im Jahr 1713 – aber auch in <strong><strong>de</strong>r</strong> Zweitauflage s<strong>eine</strong>s Werkes <strong>von</strong> 1732 – „Hannß“<br />
geschrieben. Nach <strong>eine</strong>m <strong>von</strong> Richter (1957: 257, Abb. 5) als Faksimile wie<strong><strong>de</strong>r</strong>gegebenen Autograph<br />
unterschrieb er eigenhändig mit „Hannß Carl <strong>von</strong> Carlowitz.“<br />
Hannß Carl stammte aus <strong>eine</strong>r eng mit <strong>de</strong>m Forst- und Jagdwesen verbun<strong>de</strong>nen Familie,<br />
bzw. „aus <strong>eine</strong>m alten, sehr angesehenen a<strong>de</strong>ligen Stamme Sachsens und <strong><strong>de</strong>r</strong> Lausitz“ (Fraas,<br />
1865: 514). Sein Vater stand zum Zeitpunkt s<strong>eine</strong>r Geburt als Oberforstmeister in kurfürstlichen<br />
Diensten und fungierte als Ober-Aufseher <strong><strong>de</strong>r</strong> erzgebirgischen Flößen mit Sitz in Rabenstein.<br />
Später, im Jahr 1666, wur<strong>de</strong> er Landjägermeister <strong>de</strong>s erzgebirgischen Kreises (Richter, 1957: 252).<br />
S<strong>eine</strong> Mutter war die Tochter <strong>eine</strong>s Oberforstmeisters. Durch dieses forstlich geprägte familiäre<br />
Umfeld und durch die Dienststellung s<strong>eine</strong>s Vaters kam er <strong>von</strong> Jugend an mit <strong>de</strong>m Forstwesen in<br />
Kontakt. Unter s<strong>eine</strong>n Vorfahren sind zwischen 1550 und 1680 – einschließlich s<strong>eine</strong>s Vaters –<br />
sieben höhere kursächsische Jagd- und Forstbeamte nachweisbar (Bendix, 2009: IIf).<br />
Hannß Carl besuchte zunächst <strong>eine</strong> Schule in Werdau, anschließend <strong>von</strong> 1659-1664 ein damals<br />
berühmtes Gymnasium in Halle. Seit <strong>de</strong>m Jahr 1664 studierte er für zwei Semester Rechts-<br />
und Staatswissenschaften an <strong><strong>de</strong>r</strong> Universität Jena, befasste sich aber gleichzeitig mit Fremdsprachen<br />
und Naturwissenschaften.<br />
5
Die an <strong>de</strong>n Universitäten vermittelte Ausbildung galt als breit und vielfältig. Nach Fraas<br />
(1865: 586) erhielten neben G. L. Hartig (1764-1837) <strong>eine</strong> Reihe <strong>von</strong> Forstleuten <strong>de</strong>s späten 18.<br />
Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>ts, und, „wenn v. Carlowitz, Gleditsch und Burgsdorf noch dazu genommen wer<strong>de</strong>n,<br />
alle Grün<strong><strong>de</strong>r</strong> und Reformatoren <strong><strong>de</strong>r</strong> Forstwirth- und -wissenschaft ihren Unterricht <strong>von</strong> Universitäten<br />
– und nicht <strong>von</strong> Specialschulen.“<br />
Im Jahr 1665, nun 19jährig, begab sich <strong>von</strong> Carlowitz <strong>de</strong>n damaligen Gepflogenheiten<br />
adliger junger Männer entsprechend auf die ‚grand tour’. Ziel <strong>eine</strong>r solchen Reise war das Erlernen<br />
höfisch-weltläufiger Verhaltensweisen, aber auch <strong>eine</strong> aka<strong>de</strong>mische Grundausbildung als<br />
Voraussetzung für <strong>de</strong>n Eintritt in die ‚berufliche’ Welt <strong>de</strong>s A<strong>de</strong>ls. Zurückgekehrt galt <strong><strong>de</strong>r</strong> adlige<br />
Zögling als ‚honnête homme’, sozusagen als ein ‚Mann <strong>von</strong> Welt’, fähig, <strong>eine</strong> Karriere in Militär,<br />
Diplomatie o<strong><strong>de</strong>r</strong> Verwaltung zu beginnen (Freller, 2007: 9).<br />
Zunächst reiste <strong>von</strong> Carlowitz rheinabwärts in die Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lan<strong>de</strong> und nach Flan<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Dort<br />
hatte sich <strong>eine</strong> Experimental-Landwirtschaft entwickelt. Außer<strong>de</strong>m studierte er in Lei<strong>de</strong>n und<br />
Utrecht einige Zeit Naturwissenschaften und Sprachen. Es folgte ein Aufenthalt in England, das<br />
damals als Musterland <strong><strong>de</strong>r</strong> Agrarreformer galt (Radkau, 2002: 240). Weiterhin bereiste er Nord<strong>de</strong>utschland,<br />
Dänemark, Schwe<strong>de</strong>n und schließlich Paris, Rom, Neapel, Sizilien, Malta und Venedig.<br />
Damit wich diese Tour in doppelter Hinsicht <strong>von</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> üblichen ab: Sie dauerte mit fünf<br />
Jahren weit länger als bei <strong>de</strong>n meisten adligen Zeitgenossen, und sie führte nicht nur nach Italien<br />
und Frankreich, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch in die Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lan<strong>de</strong>, nach England und sogar nach Skandinavien,<br />
<strong>de</strong>nn auch <strong>von</strong> dort gingen in jener Zeit wichtige Neuerungen in Gartenbau, Land- sowie Forstwirtschaft<br />
aus.<br />
Lei<strong><strong>de</strong>r</strong> sind s<strong>eine</strong> ausführlichen Tagebücher beim Brand <strong>de</strong>s Rittergutes Arnsdorf bei Siebenlehn<br />
im Jahr 1689 verbrannt (Hess, 1885b: 48). Deshalb sind wir weitgehend auf Vermutungen<br />
darüber angewiesen, welche Anregungen er im Einzelnen auf s<strong>eine</strong>r Reise bekam.<br />
Nach s<strong>eine</strong>r Rückkehr, im Jahr 1669, wur<strong>de</strong> er, nun 24jährig, vom sächsischen Herzog Johann<br />
Georg II. zum Kammerjunker ernannt. Das war die unterste Stufe <strong><strong>de</strong>r</strong> Laufbahn <strong>eine</strong>s<br />
adligen Verwaltungsmannes. Zwei Jahre, 1670 und 1671, hat er „in gewissen Verrichtungen“ am<br />
kaiserlichen Hof zugebracht (Hess, 1885b: 48), was s<strong>eine</strong> weitere Laufbahn beför<strong><strong>de</strong>r</strong>t haben dürfte.<br />
Im Jahr 1672 trat er s<strong>eine</strong>n Dienst als Adjunkt s<strong>eine</strong>s Vaters zu Wolkenstein an und wur<strong>de</strong><br />
später selbst Amtshauptmann zu Wolken- und Lauterstein. Hierbei war er, wie bereits sein Vater,<br />
auch für die Waldungen zuständig (Richter, 1957: 252). Diese bei<strong>de</strong>n Vorgaben: <strong><strong>de</strong>r</strong> familiäre<br />
Hintergrund und die Möglichkeit, sich über die mehrjährige Tätigkeit als Amtshauptmann spezielle<br />
forstliche Kenntnisse durch eigenes praktisches Tun anzueignen, können s<strong>eine</strong> im Buch<br />
dargelegte Fachkompetenz erklären. Es liegt nahe, dass er <strong>von</strong> s<strong>eine</strong>n forstlichen Verwandten<br />
Erfahrungswissen übernahm, eigene Versuche während s<strong>eine</strong>r Dienstzeit anstellte und das forstliche<br />
Vorgehen im In- und Ausland beobachtete. So erwähnte er im Vorbericht s<strong>eine</strong>r Sylvicultura<br />
oeconomica: „.../ so viel ich etwa in auswertigen Län<strong><strong>de</strong>r</strong>n/ als auch bey m<strong>eine</strong>n Diensten/ und sonsten<br />
aus m<strong>eine</strong>r Vor- und Eltern/ …/ gehaltenen Actis erkundigen können/ zusammen zutragen …/ auch<br />
m<strong>eine</strong> zur Auffnahme und Beför<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s edlen Berg-Baues aufhaben<strong>de</strong> Pflicht und Bestallung mich<br />
veranlasset“. (S. 4) Zusätzlich dürfte ihm sein Studium <strong><strong>de</strong>r</strong> Naturwissenschaften in Jena und Lei<strong>de</strong>n<br />
geholfen haben.<br />
So gesehen brauchen die Forstleute also nicht mit Reuss (1907: 87) zu bedauern, dass sie <strong>von</strong><br />
Carlowitz „… lei<strong><strong>de</strong>r</strong> nicht als Stan<strong>de</strong>sangehörigen unseres grünen Faches reklamieren können.“<br />
Es gibt k<strong>eine</strong>n Hinweis darauf, dass er jemals <strong>eine</strong> Ausbildung im Berg- und Hüttenwesen<br />
genossen hat. Zwar för<strong><strong>de</strong>r</strong>te er das Flößerei- und Bergwesen, war aber ansch<strong>eine</strong>nd nicht als<br />
eigentlicher Fachmann ausgewiesen. Deshalb kann man ihn vermutlich eher als Forst-, <strong>de</strong>nn als<br />
Bergmann einstufen. Genau genommen ist diese Diskussion, ob <strong>von</strong> Carlowitz als ein Forst-<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> als ein Bergmann anzusehen ist, müßig, <strong>de</strong>nn es gab zu jener Zeit kein klares Berufsbild.<br />
6
Auch existierten we<strong><strong>de</strong>r</strong> forstliche, noch bergbauliche Ausbildungsstätten, auf <strong>de</strong>nen man <strong>eine</strong><br />
entsprechen<strong>de</strong> höhere Berufsqualifikation hätte erwerben können.<br />
Wie eingangs ausgeführt, war <strong>von</strong> Carlowitz zweifellos ein gut ausgebil<strong>de</strong>ter, höherer Verwaltungsmann,<br />
schließlich hatte er Jura und Staatswissenschaft studiert. Offensichtlich erwarb er<br />
sich darüber hinaus Verdienste als Amtshauptmann hinsichtlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Versorgung <strong><strong>de</strong>r</strong> Bergwerke<br />
und Hütten mit Holz und Holzkohle. Weiterhin wird ihm <strong><strong>de</strong>r</strong> Aufbau <strong>de</strong>s Glashüttenwesens als<br />
Verdienst angerechnet. Auch hierfür war er nicht speziell ausgebil<strong>de</strong>t. So passt es, dass er im Jahr<br />
1679 „aus son<strong><strong>de</strong>r</strong>baren Gna<strong>de</strong>n“ zum Vice-Berghauptmann auf Grund s<strong>eine</strong>r Tüchtigkeit in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung und Verbesserung <strong>de</strong>s Hüttenwesens ernannt wur<strong>de</strong>. Diese Funktion hatte er 30 Jahre<br />
inne. Im Jahr 1709, d.h. mit 64 Jahren, wur<strong>de</strong> er zum Kammer- und Bergrat beför<strong><strong>de</strong>r</strong>t (Richter,<br />
1957: 253).<br />
Im November 1711 starb sein Vorgänger, Ober-Berg-Hauptmann Abraham <strong>von</strong> Schönberg,<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>von</strong> 1676 bis 1711 – also 35 Jahre lang – diese Position beklei<strong>de</strong>t hatte. Von Schönberg<br />
hatte im Jahr 1693 das betriebsorganisatorische Handbuch ‚Ausführliche Berginformationen’<br />
als sein Lebenswerk veröffentlicht, <strong>von</strong> <strong>de</strong>m Innovationen auf <strong>de</strong>n Bergbau ausgingen. (Vgl.<br />
Wagenbreth/Wächtler, 1990: 31ff). Von Carlowitz folgte ihm auf diesem Posten als „Königlich<br />
Pohln. und Churfürstl. Sächs. Cammer-Rath und Ober-Berg-Hauptmann“.<br />
Es kann angenommen wer<strong>de</strong>n, dass sich <strong>von</strong> Schönberg während ihrer langen Zusammenarbeit<br />
schwerpunktmäßig <strong>de</strong>m Bergwesen widmete, während <strong>von</strong> Carlowitz die Oberaufsicht<br />
über die Waldbewirtschaftung und Forstnutzung sowie Holzversorgung führte. Dadurch wur<strong>de</strong><br />
er mit forstlichen Problemen bekannt, sammelte eigene Erfahrungen und hatte Gelegenheit,<br />
selbst auf die Waldwirtschaft einzuwirken (Hasel und Schwartz, 2002: 318).<br />
Aufgrund s<strong>eine</strong>r Ernennung als Ober-Berghauptmann war <strong>von</strong> Carlowitz am Schluss s<strong>eine</strong>r<br />
Laufbahn <strong><strong>de</strong>r</strong> höchste Montanbeamte Sachsens. Zu diesem Zeitpunkt soll er bereits gekränkelt<br />
haben, und es ist unwahrscheinlich, dass er in <strong>de</strong>n wenigen, ihm noch verbliebenen Jahren<br />
viel zur Verbesserung <strong><strong>de</strong>r</strong> Wäl<strong><strong>de</strong>r</strong> und <strong>de</strong>s Bergbaus tun konnte. Er starb drei Jahre später, 69-jährig,<br />
am 3. März 1714 in Freiberg im Erzgebirge (Richter, 1957: 253).<br />
Aus <strong>de</strong>n Jahren 1711 und 1714 liegen zwei Altersbildnisse <strong>von</strong> Hannß Carl <strong>von</strong> Carlowitz<br />
vor. Der Kupferstich wur<strong>de</strong> im Jahr 1711 <strong>von</strong> Martin Bernigeroth (1670-1733) gestochen<br />
(oberes Bild, Seite 8). Es könnte sich um <strong>eine</strong> Auftragsarbeit <strong>de</strong>s Autors <strong><strong>de</strong>r</strong> „wil<strong>de</strong>n Baum-Zucht“<br />
für s<strong>eine</strong> zukünftige Leichenpredigt han<strong>de</strong>ln. Das Ölportrait wur<strong>de</strong> im To<strong>de</strong>sjahr 1714 <strong>von</strong> <strong>de</strong>m<br />
Coburger Hofmaler Georg Baltharsar <strong>von</strong> Sand (1650-1718) eventuell als Auftrag <strong><strong>de</strong>r</strong> Hinterbliebenen<br />
gefertigt. Auf Grund <strong><strong>de</strong>r</strong> gleichen Haltung ist zu vermuten, dass <strong><strong>de</strong>r</strong> Kupferstich als<br />
Vorlage für das Ölbild genommen wur<strong>de</strong> (unteres Bild, Seite 8). Bei<strong>de</strong> Portraits zeigen ein zeittypisches<br />
Bildnis <strong>eine</strong>s sächsischen Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>adligen.<br />
3 Die Sylvicultura oeconomica<br />
3 .1 Entstehungshintergrund und Aufbau <strong>de</strong>s Buches<br />
Die ‚Anweisung zur wil<strong>de</strong>n Baum-Zucht’ ist mit 432 Text- und 24 Registerseiten ein für die damalige<br />
Zeit ungewöhnlich umfassen<strong>de</strong>s ‚Fachbuch’. Es ist das einzige größere Werk, das Hannß<br />
Carl <strong>von</strong> Carlowitz veröffentlicht hat. Nach Hess (1885b: 48) hinterließ er außer<strong>de</strong>m einige<br />
Manuskripte.<br />
So ein Buch schreibt man nicht in kurzer Zeit. Der Autor hatte über lange Jahre hinweg auf<br />
s<strong>eine</strong>n Reisen und während s<strong>eine</strong>r Dienstzeit Informationen gesammelt. Vieles wur<strong>de</strong> <strong>von</strong> ihm<br />
zusammengetragen, was er <strong>von</strong> Vorgängern und Zeitgenossen erfahren, gehört und gelesen o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
durch eigene Beobachtungen und Versuche gelernt und erprobt hatte. Es ist zu vermuten, dass er<br />
Jahrzehnte lang s<strong>eine</strong>n reichhaltigen forstlichen Erfahrungsschatz durch Notizen verschriftlichte.<br />
7
Bildnisse <strong>de</strong>s<br />
Oberberghauptmanns<br />
Hannß Carl <strong>von</strong> Carlowitz<br />
Martin Bernigeroth (1670-1733), um 1711<br />
8<br />
Kupferstich, 28,5 x 18,5 cm<br />
Staatliche Kunstsammlungen Dres<strong>de</strong>n,<br />
Kupferstich-Kabinett A 121576 in A, 2 (INT XV-XIX,<br />
Bildnisse, C I)<br />
Photographie <strong>von</strong> Regine Richter, Mai 2010<br />
Georg Balthasar <strong>von</strong> Sand<br />
(1650-1718), nach 1714<br />
Öl auf Leinwand, 116 x 97,5 cm<br />
Stadt- und Bergbaumuseum<br />
Freiberg/Sachsen<br />
Photographie <strong>von</strong> René Jungnickel
Von Carlowitz folgte in s<strong>eine</strong>r Publikation <strong>de</strong>m in <strong><strong>de</strong>r</strong> Frühen Neuzeit üblichen Aufbau gedruckter<br />
Werke: Der eigentliche Textkern wird <strong>von</strong> <strong>eine</strong>m umfangreichen Textapparat mit Beigaben<br />
begleitet. Das beginnt mit <strong>eine</strong>m Frontispiz-Titelkupferstich (1 Seite Umfang), <strong>eine</strong>m typographischen,<br />
in Rot und Schwarz gedrucktem Titelblatt (1 S.), <strong>eine</strong>r Widmung an <strong>de</strong>n Lan<strong>de</strong>sherrn<br />
(4 S.) und <strong>eine</strong>m „Vorbericht an <strong>de</strong>n geneigten Leser“ als Vorwort (6 S.). Es folgt ein „Summarischer<br />
Inhalt“ <strong>de</strong>s ersten und zweiten Teils, d. h. <strong>eine</strong> Inhaltsübersicht (2 S.). Den Abschluss <strong>de</strong>s Buches<br />
bil<strong>de</strong>t ein mit 24 Seiten und rd. 900 forstlichen Stichworten ungewöhnlich umfassen<strong>de</strong>s Register.<br />
Alle diese begleiten<strong>de</strong>n Buchteile sind nicht mit Seitenzahlen versehen. Sie haben die Aufgabe,<br />
<strong>de</strong>m Leser das Verständnis und <strong>de</strong>n Zugriff zu <strong>de</strong>m behan<strong>de</strong>lten Spezialthema zu erleichtern<br />
(Frese, 1989: 9).<br />
Im Folgen<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n zunächst die ‚Beigaben‘ – Frontispiz, Titelblatt, Widmung und Vorbericht<br />
– in <strong><strong>de</strong>r</strong> Reihenfolge ihres Auftretens getrennt vorgestellt und erörtert. Auf <strong>de</strong>n Inhalt <strong>de</strong>s<br />
Buches wird in Kapitel 4 eingegangen.<br />
3 .2 Frontispiz – Titelkupferstich<br />
Die breite Basis <strong>de</strong>s Wissens und <strong><strong>de</strong>r</strong> Grun<strong>de</strong>instellungen <strong>de</strong>s Verfassers <strong><strong>de</strong>r</strong> Sylvicultura oeconomica<br />
wird bereits im ‚Frontispiz’ <strong>de</strong>utlich. Darunter versteht man <strong>eine</strong>n, <strong>de</strong>m eigentlichen<br />
Titelblatt vorgeschalteten Kupferstich, <strong>de</strong>n Titelkupferstich. Das Frontispiz wur<strong>de</strong> bisher noch<br />
nicht ikonografisch analysiert und beschrieben, weshalb hier <strong><strong>de</strong>r</strong> Versuch <strong>eine</strong>r Interpretation<br />
vorgenommen wird.<br />
‚Frontispize’ waren in <strong><strong>de</strong>r</strong> Frühen Neuzeit zeitgemäße Werbemittel. Gezeigt wird ein zusammen<br />
gesetztes Bild, das dazu instrumentalisiert wur<strong>de</strong>, nicht nur „Erkenntnisse und Wissen“ zu<br />
vermitteln (Frese 1989: 9), son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch „<strong>de</strong>n Menschen für <strong>eine</strong> I<strong>de</strong>e zu begeistern …“ (Philipp<br />
2006: 225). Hier steht die „Anweisung zur Wil<strong>de</strong>n Baum-Zucht“ im Mittelpunkt <strong>eine</strong>s symbolischen<br />
Kommunikationsprozesses zwischen Autor und Leser (Philipp 2011: 17). Im Folgen<strong>de</strong>n wird<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Inhalt <strong>de</strong>s Titelkupferstichs entschlüsselt und überlegt, welche Rückschlüsse auf die Denkweise<br />
<strong>de</strong>s Autors gezogen wer<strong>de</strong>n können.<br />
Das Frontispiz <strong><strong>de</strong>r</strong> Sylvicultura oeconomica hatte die Aufgabe, für die I<strong>de</strong>e <strong>eine</strong>r nachhaltigen<br />
Forstwirtschaft Aufmerksamkeit zu erzeugen. Es wur<strong>de</strong> geäußert, dass das Werk <strong>de</strong>s Hannß Carl<br />
<strong>von</strong> Carlowitz „… vermutlich schon druckfrisch zur Leipziger Ostermesse 1713 im Buchangebot“<br />
vorlag. (Bendix 2009: I) Somit wäre mit Hilfe <strong>de</strong>s ausliegen<strong>de</strong>n Titelkupferstichs dafür<br />
geworben wor<strong>de</strong>n, gebil<strong>de</strong>te und interessierte Forstleute als Leser <strong>de</strong>s angepriesenen Werkes zu<br />
gewinnen.<br />
Es kann nicht gesichert nachgewiesen wer<strong>de</strong>n, ob es <strong>von</strong> Carlowitz selbst war, <strong><strong>de</strong>r</strong> sein<br />
Lebenswerk mit Hilfe dieses komplexen Zierelementes empfehlen wollte o<strong><strong>de</strong>r</strong> ob das Verlagshaus<br />
Braun in Leipzig beabsichtigte, „an <strong><strong>de</strong>r</strong> buchkünstlerischen Ausstattung […] nicht zu sparen.“<br />
(Bendix 2009: IX)<br />
Ein namentlich nicht nachgewiesener Kupferstecher schuf als Wür<strong>de</strong>form für <strong>de</strong>n Titelkupfer<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Publikation <strong>eine</strong> bebil<strong><strong>de</strong>r</strong>te „Festarchitektur“. (Philipp 2011:19) Zweifellos wur<strong>de</strong> aber die<br />
inhaltliche Konzeption <strong>de</strong>s ikonografischen Programms unter Anleitung <strong>de</strong>s Autors entworfen,<br />
<strong>de</strong>nn das Bildprogramm <strong>de</strong>s gestochenen Titels weist im Rahmen forstwirtschaftlicher Fragestellungen<br />
auf ein humanistisch geprägtes christliches Denken hin.<br />
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3 .2 .1 Festarchitektur <strong>de</strong>s Frontispizes<br />
10<br />
Das im Frontispiz abgebil<strong>de</strong>te illusioni-<br />
stische Festgebäu<strong>de</strong> besteht aus <strong>eine</strong>m<br />
altarähnlichen Unterbau, über <strong>de</strong>m sich<br />
drei frei stehen<strong>de</strong> Pfeiler auf <strong>eine</strong>m flachen<br />
Postament erheben. Die bei<strong>de</strong>n äußeren<br />
Freipfeiler sind Träger <strong>von</strong> je vier ovalen Vignetten<br />
und zeigen an ihrem oberen En<strong>de</strong><br />
jeweils zwei spiralförmig eingerollte Voluten.<br />
Zwischen diesen ist ein Seil gespannt,<br />
<strong>von</strong> <strong>de</strong>m ein üppig drapiertes Tuch herabhängt,<br />
in <strong>de</strong>m in <strong><strong>de</strong>r</strong> Reihenfolge <strong>von</strong> oben<br />
nach unten Kurztitel, Erscheinungsort, Verlegername<br />
und Erscheinungsdatum <strong>de</strong>s<br />
Werkes zu lesen sind.<br />
Damit das Tuch mit <strong>de</strong>m Titel nicht frei<br />
in <strong><strong>de</strong>r</strong> Luft hängt, wird es <strong>von</strong> unten <strong>von</strong><br />
<strong>eine</strong>m mittleren Freipfeiler gestützt, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
durch ein erhöhtes Postament betont wird.<br />
An <strong>de</strong>ssen Seiten stehen zwei mit Blattwerk<br />
verzierte Voluten zwischen <strong>de</strong>nen<br />
<strong>eine</strong> gebun<strong>de</strong>ne Blumengirlan<strong>de</strong> hängt.<br />
Diese ‚Festarchitektur’ <strong>de</strong>s Frontispizes<br />
setzt somit Titel und Inhalt <strong><strong>de</strong>r</strong> Sylvicultura<br />
oeconomica in Form <strong>eine</strong>s Bildprogramms<br />
in Szene.<br />
3 .2 .2 Ikonografisches Programm <strong>de</strong>s Frontispizes<br />
<strong>Für</strong> <strong>de</strong>n heutigen Betrachter erschließen sich die einzelnen Bil<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>s Titelkupfers hinsichtlich<br />
Aufbau und Inhalt nur schwer, <strong>de</strong>nn das ikonografische Programm setzt sowohl <strong>eine</strong> christliche<br />
als auch humanistisch-antike Bildung voraus.<br />
Im Folgen<strong>de</strong>n wird <strong><strong>de</strong>r</strong> Versuch unternommen, die einzelnen Illustrationen <strong>de</strong>s Frontispizes<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> vermuteten Reihenfolge <strong><strong>de</strong>r</strong> Blickrichtung entsprechend vorzustellen.<br />
Die in Mythologie und christlicher Religion gleichermaßen versierten Zeitgenossen <strong>de</strong>s Autors<br />
richteten ihren Blick als erstes in die obere Mitte <strong>de</strong>s Kupferstichs, wo <strong>eine</strong> helle Hand aus<br />
dunklen Wolken stoßend zu erkennen ist. Sie ist Ausgangspunkt <strong><strong>de</strong>r</strong> Betrachtung:<br />
Auf Grund ihrer Segensgeste kann die Hand<br />
Gott zugeordnet und als Bekrönung <strong>de</strong>s Kupferstichs<br />
verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n.<br />
Gott weist mit Daumen und zwei Fingern<br />
– <strong>de</strong>m Zeichen <strong><strong>de</strong>r</strong> Dreifaltigkeit – sowohl auf<br />
<strong>de</strong>n Titel <strong>de</strong>s Werkes als auch auf die ovalen Vignetten<br />
hin, die vor <strong>de</strong>m rechten Pfeiler hängen.<br />
Der Inhalt ihrer Abbildungen gilt <strong>eine</strong>r Forstwirtschaft,<br />
die nach Ansicht <strong>de</strong>s Autors <strong>de</strong>n Segen<br />
Gottes verdient.
Von dort wird das Auge auf <strong>de</strong>n ‚Altar’-Unterbau in <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitte <strong>de</strong>s unteren Ran<strong>de</strong>s <strong><strong>de</strong>r</strong> Festarchitektur<br />
gelenkt. Hier ist zentral ein größeres Bild im Sockel <strong><strong>de</strong>r</strong> Festarchitektur als optisches<br />
Gegenstück zur Hand zu erkennen. Die rechteckige Illustration wird durch <strong>eine</strong> hellere Umrahmung<br />
in <strong>eine</strong>m vorgekragten Bereich betont. Auf dieser Ebene wird zunächst das mittlere<br />
Rechteck mit <strong>de</strong>n Augen abgetastet:<br />
Gezeigt wird ein Gelän<strong>de</strong>, das bis zu<br />
<strong>de</strong>n Bergspitzen kahlgeschlagen wur<strong>de</strong><br />
und <strong>de</strong>ssen Bo<strong>de</strong>n für <strong>eine</strong> neuerliche<br />
„wil<strong>de</strong> Baum-Zucht“ vorbereitet wird.<br />
In <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitte <strong><strong>de</strong>r</strong> abgeholzten Fläche<br />
pflügt ein Mann mit <strong>eine</strong>m Pferd. Nach<br />
<strong>de</strong>n Vorstellungen <strong>de</strong>s Autors müssen<br />
zuvor die verbliebenen hohen Holzstöcke<br />
gero<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n, die als Brennholz verwertet wur<strong>de</strong>n (S. 52). Zwei weitere Männer sind damit beschäftigt,<br />
die Stubben mit <strong>eine</strong>r Axt zu spalten (rechts oberhalb <strong>de</strong>s Pfer<strong>de</strong>s), bzw. anschließend<br />
mit <strong>eine</strong>m Spaten auszugraben (vorne). Erst <strong>eine</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong>art vorbereitete freie Fläche kann besät wer<strong>de</strong>n.<br />
Das geschieht durch <strong>eine</strong>n dritten Mann (im Hintergrund rechts), <strong><strong>de</strong>r</strong> aus <strong>eine</strong>m, um s<strong>eine</strong>n<br />
Leib gebun<strong>de</strong>nen Tuch Baumsamen ausstreut. Kernstück <strong><strong>de</strong>r</strong> Sylvicultura oeconomica sind umfassen<strong>de</strong><br />
Ausführungen über die Aufforstung <strong>von</strong> <strong>de</strong>gradierten Wäl<strong><strong>de</strong>r</strong>n und Kahlflächen mittels<br />
Saat o<strong><strong>de</strong>r</strong> Pflanzung. Deshalb ist es einleuchtend, dass das durch s<strong>eine</strong> Größe hervorgehobene<br />
Bild <strong><strong>de</strong>r</strong> „Zurichtung <strong>de</strong>s Bo<strong>de</strong>ns“ (S. 195), also <strong><strong>de</strong>r</strong> Bo<strong>de</strong>nvorbereitung, mit anschließen<strong><strong>de</strong>r</strong> Saat<br />
gewidmet ist.<br />
Da <strong><strong>de</strong>r</strong> Blick zunächst <strong>von</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Begrenzung <strong>de</strong>s ‚Altar-Unterbaues’ gefangen bleibt, wen<strong>de</strong>t<br />
er sich anschließend auf gleicher Ebene <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n quadratischen Abbildungen rechts und links<br />
zu. Diese Illustrationen ver<strong>de</strong>utlichen, nach welcher Inspirationsquelle die Vorgänger <strong>von</strong> <strong>von</strong><br />
Carlowitz bei gleicher Ausgangslage gehan<strong>de</strong>lt haben.<br />
Die rechte, untere Abbildung zeigt ein Gelän<strong>de</strong> nach<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Zerstörung <strong>de</strong>s Wal<strong>de</strong>s. Alle Hügel sind kahl. Das für<br />
sämtliche Arbeitsschritte im Bergbau notwendige Holz<br />
steht nicht mehr zur Verfügung. Ange<strong>de</strong>utet wird diese<br />
ehemals im Erzgebirge florieren<strong>de</strong> und für Sachsen zentrale<br />
Urproduktion durch die Silhouetten <strong>von</strong> Bergbaueinrichtungen<br />
im Hintergrund. Auf <strong>eine</strong>m Hügel rechts sind<br />
zwei überdachte För<strong><strong>de</strong>r</strong>anlagen und links ein För<strong><strong>de</strong>r</strong>band,<br />
die Haspel, zu sehen. Über- wie unterirdisch wur<strong>de</strong>n damals<br />
große Holzmengen im Bergbau benötigt (WaGenbreth<br />
und Wächtler 1990: 43, 48). Vier Haspelknechte, die sonst<br />
damit beschäftigt sind, unterirdisch mit Holzscheiten Feuer<br />
zu setzen, um das Gestein mürbe zu machen, haben ihre Arbeitsstelle verlassen. Aus Holzmangel<br />
ist es ihnen nicht mehr möglich, Erz zu för<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Sie sind gemäß ihrer Kleidung und ihrem<br />
‚Arschle<strong><strong>de</strong>r</strong>’ als zeitgenössische Bergleute ausgewiesen. Neben ihnen steht <strong><strong>de</strong>r</strong> Götterbote Hermes/Merkur,<br />
<strong>eine</strong> mythologische Gestalt, die nach antiken Vorstellungen in Notsituationen zu<br />
Hilfe kam. Erkennbar ist Hermes/Merkur an Hand <strong>von</strong> Helm und Schuhen, die mit kl<strong>eine</strong>n Flügeln<br />
verziert sind, sowie an s<strong>eine</strong>m <strong>von</strong> zwei Schlangen umwun<strong>de</strong>nen Heroldstab. Hermes/Merkur<br />
erwies sich im mythologischen Denken als „fürsorglich hilfreicher Herr und Geleiter <strong>eine</strong>rseits…<br />
und als geschickter, einfallsreicher… Diener und Bote an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits“ (lücke und lücke, 1999: 434).<br />
Mit s<strong>eine</strong>r erhobenen linken Hand <strong>de</strong>utet er an, dass er als Patron <strong>de</strong>s forschen<strong>de</strong>n Verstan<strong>de</strong>s<br />
(lücke und lücke, 1999: 447) viele neue I<strong>de</strong>en hat, um <strong><strong>de</strong>r</strong> Forstwirtschaft und <strong>de</strong>m darnie<strong><strong>de</strong>r</strong>liegen<strong>de</strong>n<br />
Bergbau beizustehen. Die Hilfe dieses Götterboten ist jedoch ungewiss und nicht <strong>von</strong> Dauer,<br />
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Verlag Kessel<br />
www.forstbuch.<strong>de</strong><br />
www.verlagkessel.<strong>de</strong><br />
ISBN: 978-3-941300-56-9