06.10.2013 Aufrufe

Krankheitseinsicht, dynamisch getestete Exekutivfunktionen und ...

Krankheitseinsicht, dynamisch getestete Exekutivfunktionen und ...

Krankheitseinsicht, dynamisch getestete Exekutivfunktionen und ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

<strong>Krankheitseinsicht</strong>,<br />

<strong>dynamisch</strong> <strong>getestete</strong> <strong>Exekutivfunktionen</strong><br />

<strong>und</strong> defensive Bewältigung bei Schizophrenie<br />

Dissertation<br />

zur Erlangung des Doktorgrades<br />

des Fachbereichs Humanwissenschaften<br />

der Universität Osnabrück<br />

vorgelegt von<br />

Manuel WALDORF<br />

aus<br />

Otterndorf<br />

Osnabrück, 2010<br />

Institut für Psychologie<br />

Klinische Psychologie <strong>und</strong> Psychotherapie


Berichterstatter:<br />

Prof. Dr. Karl H. Wiedl<br />

apl. Prof. Dr. Henning Schöttke<br />

Tag der mündlichen Prüfung:<br />

19.11.2010<br />

2


Danksagung<br />

iii<br />

Einleitung<br />

Es wird Zeit, mich bei all jenen zu bedanken, die mich während der vergangenen vier Jahre<br />

bei der Erstellung der vorliegenden Arbeit »emotional <strong>und</strong> instrumentell« so immens<br />

unterstützt haben. Dies sind:<br />

Prof. Dr. Karl H. Wiedl <strong>und</strong> Prof. Dr. Henning Schöttke – ohne sie hätte ich nicht einmal<br />

begonnen.<br />

Alle weiteren Mitglieder unserer Osnabrücker Arbeitsgruppe, <strong>und</strong> hier insbesondere<br />

Dorothee Tiemann <strong>und</strong> Linda Pruß – ohne ihre beständige Ermutigung, praktischen Hilfen<br />

<strong>und</strong> das Engagement, mit dem sie meine häufig geb<strong>und</strong>enen Kräfte »prothetisch kompensiert«<br />

haben, wäre die Abfassung weit mühseliger <strong>und</strong> freudloser geworden.<br />

Die vielen Kolleginnen <strong>und</strong> Kollegen, Fre<strong>und</strong>innen <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>e, die meine Datenerhebung<br />

ermöglicht, Material zur Verfügung gestellt, offene Fragen mit mir diskutiert, lektoriert<br />

oder für mein seelisches <strong>und</strong> leibliches Wohlergehen gesorgt haben, <strong>und</strong> hier insbesondere<br />

Stefan Watzke, Stephan Kauffeldt, Britte Ruploh, Anne <strong>und</strong> Stefan Hunfeld, Rainer Düsing,<br />

Prof. Dr. Reinhard Maß <strong>und</strong> Verena Kantrowitsch.<br />

Meine Eltern Ulrike <strong>und</strong> Dr. Paul-Wilfried Waldorf, die mir alles mitgegeben haben.<br />

Herzlich gedankt sei auch den vielen Teilnehmern der Studien der vorliegenden Arbeit:<br />

Ihre Bereitschaft, offen <strong>und</strong> ausdauernd stressvolle Themen <strong>und</strong> Aufgaben zu bewältigen,<br />

ist die Voraussetzung jeglicher Einsicht.


Inhalt<br />

iv<br />

Einleitung<br />

1. Zusammenfassung ...................................................................................................................................xii<br />

2. Einleitung <strong>und</strong> Übersicht ........................................................................................................................ 14<br />

3. Der Wisconsin Card Sorting Test ............................................................................................................18<br />

3.1 Kognitive Defizite bei Menschen mit Schizophrenie-Diagnosen.................................................18<br />

3.2 Geschichte des WCST ....................................................................................................................26<br />

3.3 Durchführung <strong>und</strong> Kennwerte des WCST ....................................................................................27<br />

3.4 WCST-Defizite bei Schizophrenie .................................................................................................29<br />

3.5 Konzeptuelle Analyse der WCST-Performanz............................................................................. 30<br />

3.5.1 Attributidentifikation / Abstraktionsvermögen .................................................................33<br />

3.5.2 Arbeitsgedächtnis <strong>und</strong> <strong>Exekutivfunktionen</strong> .......................................................................38<br />

3.5.3 Akquisition von Regeln <strong>und</strong> heuristische Strukturen ........................................................ 41<br />

3.5.4 Verarbeitung korrektiver Rückmeldung.............................................................................44<br />

3.5.5 Orientierungsvariablen........................................................................................................47<br />

3.5.6 Das hierarchische WCST-Performanzmodell von Greve et al. (2002)............................. 48<br />

3.6 Der WCST als »Frontalhirntest« <strong>und</strong> die Hypofrontalitäts- Hypothese.....................................50<br />

3.7 Reliabilität, Normierung <strong>und</strong> Faktorstruktur des Wisconsin Card Sorting Test ......................54<br />

3.7.1 Reliabilität des WCST..........................................................................................................54<br />

3.7.2 Zur Normierung des WCST: das »Piloten-Problem«.........................................................57<br />

3.7.3 Faktorstruktur des WCST....................................................................................................59<br />

3.8 Korrelate der WCST-Performanz..................................................................................................62<br />

3.8.1 Alter ......................................................................................................................................62<br />

3.8.2 Bildung .................................................................................................................................63<br />

3.8.3 Symptomatik........................................................................................................................63<br />

3.8.4 Antipsychotische Medikation..............................................................................................63<br />

3.9 Der Dynamische WCST in der Schizophrenieforschung..............................................................65<br />

3.9.1 Dynamische Testdiagnostik (DTD).....................................................................................65<br />

3.9.2 Remediation von WCST-Defiziten: Didaktische Machbarkeitsstudien ............................66<br />

3.9.3 Alternative Remediationsansätze........................................................................................70<br />

3.9.4 Dynamisch <strong>getestete</strong> <strong>Exekutivfunktionen</strong> als »rate-limiting factor« –<br />

Generalisierbarkeit von Lernpotenzial................................................................................73<br />

4. Statistische Modelle der Veränderungsmessung im Einzelfall.............................................................. 77<br />

4.1 Über die Zuverlässigkeit von Differenzwerten .............................................................................78<br />

4.2 Der statistische Regressionseffekt ................................................................................................79<br />

4.3 Reliable Change Indices ............................................................................................................... 80<br />

4.3.1 Das Doppelkriterium klinischer Signifikanz ..................................................................... 80<br />

4.3.2 Einfache standardisierte Differenzen: der »klassische« RCI ............................................83<br />

4.3.3 Die Gulliksen-Lord-Novick-Methode (GLN)......................................................................85<br />

4.3.4 Die Edwards-Nunally-Methode (EN) .................................................................................87<br />

4.3.5 Der RCI mit »verbesserter Differenz« (RC_ID)................................................................ 88<br />

4.3.6 Der »ultimative« RCI (URCI/RC_INDIV) ........................................................................ 88<br />

4.4 Zur Konkordanz der Resultate unterschiedlicher RCIs .............................................................. 89<br />

4.5 Eine Typologie der Veränderung ..................................................................................................92<br />

4.6 Schlussfolgerungen aus der RCI-Literatur ...................................................................................94<br />

5. Bewältigung <strong>und</strong> Defensivität .................................................................................................................96<br />

5.1 Abgrenzung von Coping <strong>und</strong> Abwehr ...........................................................................................96<br />

5.2 Ansätze zur Konzeptualisierung von Bewältigung <strong>und</strong> Abwehr................................................. 98<br />

5.2.1 Situationale / Stimulus-Ansätze ........................................................................................ 98<br />

5.2.2 Personale Ansätze: Abwehr, Repression, Selbsttäuschung .............................................. 98<br />

5.2.3 Der transaktionale Coping-Ansatz....................................................................................105<br />

5.2.3.1 Unterscheidung von automatischer Verarbeitung......................................................106<br />

5.2.3.2 Primäre <strong>und</strong> sek<strong>und</strong>äre Bewertungen.........................................................................106<br />

5.2.3.3 Bewältigungsintentionen .............................................................................................106<br />

5.2.3.4 Taxonomien von Bewältigungsakten........................................................................... 107


v<br />

Einleitung<br />

5.2.3.5 Prozessorientierung – »Transaktionen« als Analyseeinheit......................................108<br />

5.2.3.6 Antezedenzien von Bewertung <strong>und</strong> Coping ................................................................109<br />

5.2.3.7 Copingstile ....................................................................................................................109<br />

6. <strong>Krankheitseinsicht</strong> von Menschen mit Schizophrenie-Diagnosen....................................................... 111<br />

6.1 Einleitung: subjektive Krankheitskonzepte................................................................................. 111<br />

6.2 Subjektive Krankheitskonzepte: qualitative Studien ..................................................................114<br />

6.3 Subjektive Krankheitskonzepte: quantitative Studien................................................................116<br />

6.4 Selbst-Stigmatisierung bei Psychose-Erkrankungen ................................................................. 118<br />

6.5 Das Konzept der <strong>Krankheitseinsicht</strong>........................................................................................... 124<br />

6.5.1 Historische Perspektiven................................................................................................... 124<br />

6.5.2 <strong>Krankheitseinsicht</strong>: Begriffsklärung ................................................................................. 129<br />

6.5.3 Theoretische Struktur der Einsicht...................................................................................130<br />

6.5.4 Messung von <strong>Krankheitseinsicht</strong> ...................................................................................... 134<br />

6.5.4.1 Einsichts-Interviews..................................................................................................... 135<br />

6.5.4.2 Einsichts-Fragebögen................................................................................................... 137<br />

6.5.5 Faktorielle Validität der Einsicht ......................................................................................140<br />

6.5.6 Prävalenz von Einsichtsdefiziten bei Schizophrenie ........................................................ 142<br />

6.5.7 Korrelate der Einsicht........................................................................................................ 144<br />

6.5.8 Einsicht <strong>und</strong> negative Emotionalität ................................................................................ 145<br />

6.5.9 Einsicht <strong>und</strong> Adhärenz ...................................................................................................... 149<br />

6.5.10 Modelle zur Genese der Einsicht...................................................................................... 152<br />

6.5.11 Theoretische Perspektiven auf die Genese von Einsichts-Defiziten............................... 156<br />

6.5.12 Die nosologische Hypothese: Uneinsichtigkeit als Kernmerkmal der Psychose ........... 157<br />

6.5.13 Neurobiologisch-kognitive Hypothesen ..........................................................................158<br />

6.5.13.1 <strong>Exekutivfunktionen</strong> <strong>und</strong> verbales Gedächtnis ............................................................ 159<br />

6.5.13.2 Metakognition <strong>und</strong> Mentalisierungsfähigkeit............................................................. 164<br />

6.5.13.3 Anosognosie: Neurobiologische Gr<strong>und</strong>lagen der Einsicht ......................................... 166<br />

6.5.14 Motivationale Hypothesen: Abwehr <strong>und</strong> Coping ............................................................ 169<br />

6.5.14.1 Theoretische Perspektiven auf motivierte Uneinsichtigkeit ...................................... 169<br />

6.5.14.2 Empirische Bef<strong>und</strong>e: Defensivität <strong>und</strong> Einsicht ......................................................... 175<br />

6.5.14.3 Empirische Bef<strong>und</strong>e: Coping <strong>und</strong> Einsicht ................................................................. 177<br />

6.5.15 Soziokulturelle Lern-Hypothesen .................................................................................... 179<br />

6.5.15.1 Kulturelle Distanz-Hypothesen ................................................................................... 179<br />

6.5.15.2 Klinische Sozialisations- <strong>und</strong> Normalisierungshypothesen .......................................180<br />

6.5.15.3 Empirische Bef<strong>und</strong>e zu Lern-Hypothesen .................................................................. 181<br />

6.5.16 Multifaktorielle Einsichts-Modelle ..................................................................................185<br />

7. Fragestellungen <strong>und</strong> Hypothesen .........................................................................................................189<br />

7.1 Fragestellung <strong>und</strong> Hypothesen Studie 1 .....................................................................................189<br />

7.2 Fragestellung <strong>und</strong> Hypothesen Studie 2.....................................................................................189<br />

7.3 Fragestellung <strong>und</strong> Hypothesen Studie 3..................................................................................... 192<br />

8. Methoden……... ...................................................................................................................................... 195<br />

8.1 Beschreibung der Instrumente.................................................................................................... 195<br />

8.1.1 <strong>Exekutivfunktionen</strong>: Wisconsin Card Sorting Test (WCST)............................................ 195<br />

8.1.2 <strong>Krankheitseinsicht</strong>: Osnabrücker Skala zu Therapieeinstellung <strong>und</strong><br />

Identifikation psychischer Beschwerden bei Schizophrenie (OSSTI) ............................. 195<br />

8.1.3 Sek<strong>und</strong>äres verbales Gedächtnis: Auditiv-Verbaler Lerntest (AVLT)............................. 195<br />

8.1.4 Symptomatik: Positive and Negative Syndrome Scale (PANSS) ..................................... 197<br />

8.1.5 Prämorbide Intelligenz: Wortschatztest (WST) ...............................................................198<br />

8.1.6 Offenheit: Eppendorfer Schizophrenie-Inventar (ESI), Skala FR...................................198<br />

8.1.7 Krankheitsbewältigung: Freiburger Fragebogen zur Krankheitsverarbeitung............... 199<br />

8.1.8 Stressbewältigung: Coping-Strategien-Test (CST).......................................................... 200<br />

8.2 Ablauf <strong>und</strong> Durchführung der Untersuchungen ....................................................................... 200<br />

8.2.1 Ablauf Studie 1 ...................................................................................................................201<br />

8.2.2 Ablauf Studie 2...................................................................................................................201


vi<br />

Einleitung<br />

8.2.3 Ablauf Studie 3...................................................................................................................201<br />

8.2.4 Auswertung ....................................................................................................................... 203<br />

9. Ergebnisse Studie 1 ............................................................................................................................... 204<br />

9.1 Beschreibung der Stichprobe von Studie 1 ................................................................................ 204<br />

9.2 Zur Stabilität des WCST ............................................................................................................. 205<br />

9.3 Generalisierbarkeitskoeffizienten .............................................................................................. 208<br />

9.4 Hauptkomponentenanalyse des WCST-64 (nicht-klinische Stichprobe) ................................ 209<br />

9.5 Berechnung einer kritischen Differenz .......................................................................................210<br />

9.6 Zusammenfassung von Studie 1..................................................................................................210<br />

10. Ergebnisse Studie 2 ...........................................................................................................................211<br />

10.1 Vorbemerkungen <strong>und</strong> Ziele von Studie 2 ....................................................................................211<br />

10.2 Beschreibung der Stichprobe von Studie 2................................................................................. 212<br />

10.3 WCST-Performanz auf Gruppenebene ....................................................................................... 216<br />

10.4 Bestimmung <strong>und</strong> Vergleich der Trennwerte ..............................................................................218<br />

10.5 Binnendifferenzierungen der Stichprobe .................................................................................. 220<br />

10.6 Unterschiedstests <strong>und</strong> Konkordanzen der RCIs ........................................................................225<br />

10.7 Kontrolle des Deckeneffekts nach Schöttke et al. (1993) für die GLN-Methode ..................... 230<br />

10.8 Komposition von Metatypen ....................................................................................................... 231<br />

10.8.1 Identifikation von Performanz-Clustern ......................................................................... 231<br />

10.8.2 Übereinstimmung von RCI-Typen <strong>und</strong> Clustern ............................................................235<br />

10.8.3 Entwicklung einer Metatypologie ....................................................................................237<br />

10.8.4 Fazit aus der Komposition von Metatypen ......................................................................242<br />

10.9 Soziodemographische <strong>und</strong> klinische Daten der Metatypen.......................................................243<br />

10.10 Externe Validierung der Metatypen......................................................................................247<br />

10.10.1 Prämorbide Intelligenz <strong>und</strong> verbales Gedächtnis der kRCI-Subtypen......................247<br />

10.10.2 Prämorbide Intelligenz <strong>und</strong> verbales Gedächtnis der Metatypen............................. 248<br />

10.10.3 Fazit der externen Validierung der Metatypen durch WST <strong>und</strong> AVLT......................253<br />

10.11 Faktorenanalysen des WCST-64 <strong>und</strong> WCSTdyn (klinische Stichprobe).............................253<br />

10.12 Analyse von WCST-Fehlerprofilen........................................................................................257<br />

10.13 Zusammenfassung von Studie 2............................................................................................ 261<br />

11. Ergebnisse Studie 3 ..........................................................................................................................262<br />

11.1 Vorbemerkungen <strong>und</strong> Ziele von Studie 3 ...................................................................................262<br />

11.2 Beschreibung der Stichprobe ......................................................................................................262<br />

11.3 Reliabilität, Komponentenstruktur <strong>und</strong> Validierung der OSSTI...............................................264<br />

11.4 Prävalenz von Einsichtsdefiziten ................................................................................................267<br />

11.5 Mehrdimensionale Betrachtung von Einsicht anhand der SAI-E .............................................267<br />

11.6 Konvergente Validität selbst- <strong>und</strong> fremdeingeschätzter Einsicht ............................................. 271<br />

11.7 Analyse von OSSTI-Trennwerten................................................................................................272<br />

11.8 Aktive <strong>und</strong> passive Medikationsadhärenz ..................................................................................273<br />

11.9 Korrelate der Medikationsadhärenz ...........................................................................................273<br />

11.10 Einsicht, <strong>Exekutivfunktionen</strong> <strong>und</strong> Offenheit........................................................................275<br />

11.11 Interaktionen von Offenheit mit Psychiatrie-Erfahrung <strong>und</strong> Symptomatik......................277<br />

11.12 Einsicht, Positivsymptomatik <strong>und</strong> Depressivität ................................................................ 280<br />

11.13 Überprüfung des Startup-Modells ....................................................................................... 284<br />

11.13.1 Identifikation von Startup-Clustern ........................................................................... 284<br />

11.13.2 Vergleich von Neurokognition <strong>und</strong> Symptomatik der Startup-Cluster .................... 288<br />

11.13.3 WCST-Performanztypen <strong>und</strong> <strong>Krankheitseinsicht</strong> ..................................................... 289<br />

11.13.4 Dispositionelle Defensivität der Startup-Cluster ....................................................... 290<br />

11.13.5 Zusammenhänge von Krankheitsverarbeitungsstilen, Kognition <strong>und</strong> Offenheit......292<br />

11.14 Zusammenfassung von Studie 3............................................................................................296<br />

12. Zusammenschau, Diskussion <strong>und</strong> Ausblick ................................................................................... 298<br />

12.1 Rekapitulation der Ergebnisse ................................................................................................... 298<br />

12.1.1 Ergebnisse Studie 1: Reliabilität des WCST-64 .............................................................. 298<br />

12.1.2 Ergebnisse Studie 2: RCI-Vergleich <strong>und</strong> WCSTdyn-Typologie ......................................299


vii<br />

Einleitung<br />

12.1.3 Ergebnisse Studie 3: OSSTI <strong>und</strong> Startup-Modell ............................................................301<br />

12.2 Diskussion der Ergebnisse der einzelnen Studien .................................................................... 303<br />

12.2.1 Diskussion Studie 1: Reliabilität des WCST-64 .............................................................. 303<br />

12.2.2 Diskussion Studie 2: RCI-Vergleich <strong>und</strong> WCSTdyn-Typologie ..................................... 305<br />

12.2.3 Diskussion Studie 3: OSSTI <strong>und</strong> Startup-Modell............................................................ 314<br />

12.2.3.1 Diskussion der OSSTI .................................................................................................. 315<br />

12.2.3.2 Einsicht <strong>und</strong> Depressivität........................................................................................... 317<br />

12.2.3.3 Einsicht <strong>und</strong> <strong>Exekutivfunktionen</strong>................................................................................ 319<br />

12.2.3.4 Einsicht <strong>und</strong> Offenheit .................................................................................................322<br />

12.2.3.5 Überprüfung des Einsichtsmodells von Startup (1996) .............................................325<br />

12.3 Schlusswort .................................................................................................................................. 331<br />

Literatur......……….......... ..................................................................................................................................333<br />

Anhang......…............... .................................................................................................................................... 368<br />

A Tests auf Normalverteilung ............................................................................................................. 368<br />

B Informationen für Projektteilnehmer..............................................................................................370<br />

C Einverständniserklärung.................................................................................................................. 371<br />

D Biographische <strong>und</strong> klinische Daten .................................................................................................372<br />

E Fragebogen zur Behandlungseinschätzung (OSSTI).......................................................................373<br />

F FKV-Instruktion »Trait« ..................................................................................................................375<br />

G Coping Strategies Task (CST): Instruktionen..................................................................................376<br />

Coping Strategies Task (CST): Auswertungsbogen ...................................................................................377


Tabellenverzeichnis<br />

viii<br />

Einleitung<br />

Tabelle 1. Verzeichnis der wichtigsten erwähnten Instrumente................................................................... xi<br />

Tabelle 2. Exekutive <strong>und</strong> Arbeitsgedächtnisfunktionen nach CNTRICS .................................................... 25<br />

Tabelle 3. Kennwerte des WCST nach Heaton (1993) ................................................................................... 28<br />

Tabelle 4. Ergebnisse der Metaanalysen zu WCST-Defiziten bei Schizophrenie....................................... 29<br />

Tabelle 5. Konzeptuelles Schema zur Analyse der Testperformanz ........................................................... 31<br />

Tabelle 6. Übersicht über Studien zur Reliabilität des WCST ...................................................................... 57<br />

Tabelle 7. Übersicht über Studien zur Komponenten- bzw. Faktorstruktur des WCST........................... 60<br />

Tabelle 8. Erschöpfende Typologie von Veränderung nach Jacobson et al. (1984) ................................. 93<br />

Tabelle 9. Differenzierung von Coping <strong>und</strong> Abwehr (nach Cramer, 2000)............................................... 97<br />

Tabelle 10. Klassifikation von Bewältigungsakten (nach Filipp & Klauer, 1988)..................................... 108<br />

Tabelle 11. Konfigurationen von Einsichtsdimensionen nach Roe et al. (2008)...................................... 133<br />

Tabelle 12. Postulierte Aspekte von <strong>Krankheitseinsicht</strong> <strong>und</strong> Definitionen ................................................. 133<br />

Tabelle 13. Ergebnisse der Metaanalyse von Aleman et al. (2006) zu Kognition <strong>und</strong> Einsicht ............. 163<br />

Tabelle 14. Integration- <strong>und</strong> Sealing-over-Stil nach McGlashan et al. (1975, 1977)................................. 174<br />

Tabelle 15. Untersuchungsablauf von Studie 3 .............................................................................................. 203<br />

Tabelle 16. Soziodemographische Daten der nicht-klinischen Stichprobe (Studie 1) ............................... 204<br />

Tabelle 17. WCSTdyn: deskriptive Statistik der nicht-psychiatrischen Stichprobe ................................. 205<br />

Tabelle 18. Retest- <strong>und</strong> Interkorrelationen von WCST-64-Variablen ....................................................... 207<br />

Tabelle 19. Generalisierbarkeitskoeffizienten der WCST-64-Variablen..................................................... 208<br />

Tabelle 20. Hauptkomponentenanalyse für den WCST-64 (nicht-psychiatrische Stichprobe) .............. 209<br />

Tabelle 21. Soziodemographische <strong>und</strong> klinische Daten der Stichprobe (Studie 2).................................... 212<br />

Tabelle 22. Diagnosen <strong>und</strong> Pharmakotherapie .............................................................................................. 213<br />

Tabelle 23. Deskriptive Statistik <strong>und</strong> Effektstärken für die WCST-Performanz ....................................... 217<br />

Tabelle 24. Übersicht über berechnete Trennwerte ....................................................................................... 219<br />

Tabelle 25. Kreuztabelle zweier Varianten des Osnabrücker Typisierungs-Algorithmus....................... 220<br />

Tabelle 26. Zehn WCST-Performanztypen als Resultat des zweifachen RCI-Kriteriums........................ 221<br />

Tabelle 27. Standardfehler, Häufigkeiten der Subtypen <strong>und</strong> Anteile statistisch signifikant<br />

verbesserter Probanden für RCI-Methoden <strong>und</strong> 1,5-SD-Regeln............................................. 222<br />

Tabelle 28. Deskriptive <strong>und</strong> Teststatistik sowie Effekte der Veränderung<br />

für die Subgruppen nach verschiedenen RCIs (Rohwerte)...................................................... 223<br />

Tabelle 29. Konkordanzen der RCI-Methoden ............................................................................................... 225<br />

Tabelle 30. Fleiss’ Kappa-Koeffizienten für die Konkordanz von vier RCI-Methoden ............................. 226<br />

Tabelle 31. Kreuztabelle kRCI*URCI für Verbesserern <strong>und</strong> Grenzfällen ................................................... 227<br />

Tabelle 32. Kreuztabelle kRCI*URCI für Leistungsstarke ............................................................................ 228<br />

Tabelle 33. Kreuztabellen GLN*kRCI für Leistungsstarke <strong>und</strong> Leistungsschwache ................................ 229<br />

Tabelle 34. Kreuztabelle GLN-Subtypen*Deckeneffekt-Probanden ............................................................ 230<br />

Tabelle 35. Cluster-Varianzen <strong>und</strong> F-Werte für Prä- <strong>und</strong> Posttest des WCSTdyn.................................... 233<br />

Tabelle 36. Deskriptive WCST-Statistik der drei k-means-Cluster aus Rohwerten.................................. 234<br />

Tabelle 37. Kreuztabelle WCSTdyn-Cluster*kRCI-Typen............................................................................. 235<br />

Tabelle 38. WCSTdyn-Werte der Aufwärts-Grenzfälle, Cluster- <strong>und</strong> 15P43-Zugehörigkeit ................... 236<br />

Tabelle 39. Kreuztabelle WCSTdyn-Cluster*URCI-Typen............................................................................ 237<br />

Tabelle 40. Homogenitäten verschiedener Metatypen.................................................................................. 239<br />

Tabelle 41. Konkordanzen von Clusterlösung <strong>und</strong> Metatypen .................................................................... 240<br />

Tabelle 42. Korrekte Sortierungen im WCSTdyn für verschiedene Metatypen......................................... 241<br />

Tabelle 43. Konkordanz von Roh- <strong>und</strong> T-Wert-Metatypen .......................................................................... 241<br />

Tabelle 44. Konkordanz von 1,5-SD-Regel <strong>und</strong> RCI-Metatypologie ........................................................... 242


ix<br />

Einleitung<br />

Tabelle 45. Hauptkomponentenanalyse von PANSS, BPRS <strong>und</strong> SANS ...................................................... 245<br />

Tabelle 46. Symptomatik der Performanz-Metatypen.................................................................................. 245<br />

Tabelle 47. Effektstärken des Vergleichs der Performanztypen auf Symptomatik-Faktoren................ 246<br />

Tabelle 48. Verbale Intelligenz <strong>und</strong> verbales Gedächtnis der Subtypen..................................................... 247<br />

Tabelle 49. IQ- <strong>und</strong> AVLT-Daten für ausgewählte Metatypen .................................................................... 248<br />

Tabelle 50. Verbales Gedächtnis diskordant beurteilter Lerner <strong>und</strong> Nichtlerner.................................... 249<br />

Tabelle 51. Lernverläufe der AVLT-Cluster .................................................................................................... 251<br />

Tabelle 52. Kreuztabelle AVLT-Cluster*WCST-Metatypen .......................................................................... 252<br />

Tabelle 53. Korrelationen der WCST-64-Kennwerte für Schizophrenie-Patienten ................................. 253<br />

Tabelle 54. Hauptkomponentenanalyse für den WCST-64 (Schizophrenie-Stichprobe) ......................... 254<br />

Tabelle 55. Korrelationen der WCSTdyn-Kennwerte für Schizophrenie-Patienten ................................. 255<br />

Tabelle 56. Hauptkomponentenanalyse für den WCSTdyn (Schizophrenie-Stichprobe) ........................ 256<br />

Tabelle 57. WCST-Prä- <strong>und</strong> Posttestwerte der vier k-means-Fehlertypen-Cluster .................................. 258<br />

Tabelle 58. Symptomatik der WCST-Fehlertypen-Cluster .......................................................................... 259<br />

Tabelle 59. Kreuztabelle Fehlertypen-Cluster*Metatypen............................................................................ 260<br />

Tabelle 60. Deskriptive Statistik der WCST-Fehlervariablen des WCSTdyn für die Metatypen ............ 260<br />

Tabelle 61. Soziodemographische <strong>und</strong> klinische Daten der Stichproben (Studie 3) ................................. 263<br />

Tabelle 62. Item- <strong>und</strong> Testkennwerte der OSSTI............................................................................................ 264<br />

Tabelle 63. Korrelationen der OSSTI-Items.................................................................................................... 265<br />

Tabelle 64. Hauptkomponentenanalyse der OSSTI-Items ........................................................................... 266<br />

Tabelle 65. Rangkorrelationen der SAI-E-Items 1-6 ..................................................................................... 268<br />

Tabelle 66. Symptombewusstheit, Positivsymptomatik <strong>und</strong> OSSTI............................................................ 269<br />

Tabelle 67. Hauptkomponentenanalyse der Schedule for the Assessment of Insight (SAI-E) ................ 270<br />

Tabelle 68. Korrelationen von SAI-E-Dimensionen <strong>und</strong> OSSTI................................................................... 271<br />

Tabelle 69. Sensitivitäten <strong>und</strong> Spezifitäten der OSSTI .................................................................................. 272<br />

Tabelle 70. Zusammenhang zwischen aktiver <strong>und</strong> passiver Medikations-Adhärenz............................... 273<br />

Tabelle 71. Korrelate fremdbeurteilter Adhärenz.......................................................................................... 274<br />

Tabelle 72. Korrelationen von <strong>Krankheitseinsicht</strong> mit soziodemographischen, klinischen <strong>und</strong><br />

kognitiven Merkmalen sowie Offenheit....................................................................................... 275<br />

Tabelle 73. Einsicht <strong>und</strong> Offenheit: kategoriale Betrachtung ...................................................................... 276<br />

Tabelle 74. Prädiktion von Einsicht aus Symptomatik, Neurokognition <strong>und</strong> Offenheit ......................... 277<br />

Tabelle 75. Prädiktion von Einsicht: Interaktion von Offenheit <strong>und</strong> Psychiatrie-Erfahrung................. 278<br />

Tabelle 76. Prädiktion von Einsicht: Interaktion von Offenheit <strong>und</strong> Positivsymptomatik..................... 279<br />

Tabelle 77. Einsichts-Depressions-Cluster ...................................................................................................... 281<br />

Tabelle 78. Regression von Depressivität auf Geschlecht, Positivsymptomatik <strong>und</strong> Einsicht ............... 282<br />

Tabelle 79. Deskriptive Statistik <strong>und</strong> Homogenitäten der Einsichts-Cluster............................................. 286<br />

Tabelle 80. Effektstärken für den Vergleich der k-means-Cluster in WCSTdyn <strong>und</strong> Einsicht ................ 287<br />

Tabelle 81. Kognition <strong>und</strong> Symptomatik der Einsichtscluster ..................................................................... 289<br />

Tabelle 82. Einsicht der WCSTdyn-Metatypen............................................................................................... 289<br />

Tabelle 83. Defensivität der Einsichtscluster .................................................................................................. 290<br />

Tabelle 84. Einsichtscluster <strong>und</strong> Offenheit: kategoriale Analyse................................................................. 291<br />

Tabelle 85. ogistische Regression zur Vorhersage der Cluster-Zugehörigkeit<br />

hoch einsichtige vs. stark uneinsichtige kognitiv intakte Probanden).................................... 291<br />

Tabelle 86. Deskriptive Statistik <strong>und</strong> Reliabilitäten der Coping-Instrumente (FKV, CST)...................... 292<br />

Tabelle 87. Konvergente Validitäten von FKV-LIS <strong>und</strong> CST-R.................................................................... 293<br />

Tabelle 88. Zusammenhänge von Coping, Defensivität, Einsicht <strong>und</strong> Symptomatik.............................. 294<br />

Tabelle 89. Vergleich der Bewältigungsstile der kognitiv intakten Cluster<br />

mit hoher <strong>und</strong> geringer <strong>Krankheitseinsicht</strong>................................................................................ 295


Abbildungsverzeichnis<br />

x<br />

Einleitung<br />

Abbildung 1. Arbeitsgedächtnis (nach Baddeley, 2003, Abb. 5, S. 835)....................................................22<br />

Abbildung 2. Zielkarten <strong>und</strong> Sortierungsmöglichkeiten.............................................................................27<br />

Abbildung 3. Hierarchisches WCST-Modell nach von Greve et al. (2002)................................................49<br />

Abbildung 4. Konzeptebenen des WCST.......................................................................................................50<br />

Abbildung 5. Sieben Formen der Leugnung (Typen A-G) nach Breznitz (1988)..................................... 101<br />

Abbildung 6. Repräsentationsebenen-Modell der Abwehr (Greenwald, 1997).......................................102<br />

Abbildung 7. Common-Sense-Modell der Krankheitsrepräsentation.......................................................112<br />

Abbildung 8. Heuristisches Modell der Selbststigmatisierung.................................................................120<br />

Abbildung 9. Mehrebenen-Modell der Einsicht nach Marková <strong>und</strong> Berrios (1995a) ............................. 153<br />

Abbildung 10. Lernmodell der Einsicht nach MacPherson et al. (1996b, S. 720) ..................................... 181<br />

Abbildung 11. Modell von Startup (1996): Funktion <strong>und</strong> Prototypen.......................................................185<br />

Abbildung 12. Streudiagramm <strong>und</strong> Regressionsgerade der korrekten Sortierungen einer<br />

nicht-klinischen Stichprobe über zwei Durchgänge im WCST-64 (N = 110) ................... 206<br />

Abbildung 13. Vergleich von Leistungen in WCST, WST <strong>und</strong> AVLT bei Patienten mit Schizophrenie.... 214<br />

Abbildung 14. Streudiagramm der Prä- <strong>und</strong> Posttest-Performanz von 400 Pbn mit Schizophrenie im<br />

WCSTdyn ............................................................................................................................... 216<br />

Abbildung 15. Regressionen der z-Werte von kRCI <strong>und</strong> URCI auf Rohwert-Differenzen .......................227<br />

Abbildung 16. Kritische Posttest-Prätest-Rohwert-Differenzen für die GLN-Methode in Abhängigkeit<br />

vom Ausgangswert sowie kRCI- <strong>und</strong> URCI-Grenzen zum Vergleich ............................... 228<br />

Abbildung 17. Struktogramm für eine Clusteranalyse von Faktorwerten (korrekte Sortierungen<br />

im WCSTdyn, Schizophrenie-Stichprobe) ...........................................................................232<br />

Abbildung 18. Streudiagramm des WCSTdyn mit Cluster-Markierungen <strong>und</strong> Trennwert.....................234<br />

Abbildung 19. Komposition der Metatypen A <strong>und</strong> B.................................................................................. 238<br />

Abbildung 20. Vergleich der Lernverlaufskurven von WCSTdyn-Lernern<br />

<strong>und</strong> Nichtlernern im AVLT .................................................................................................. 250<br />

Abbildung 21. Lernverlaufskurven der AVLT-Cluster................................................................................ 251<br />

Abbildung 22. Struktogramm für Ward-Cluster auf der Gr<strong>und</strong>lage perseverativer,<br />

nonperseverativer <strong>und</strong> FMS-Fehler im WCST-64 (N = 313 Patienten).............................257<br />

Abbildung 23. Z-Werte von PE, NPE, FMS im WCST-64 über vier Cluster (N = 313 Patienten)............ 258<br />

Abbildung 24. Streudiagramm von Einsicht <strong>und</strong> Depressivität ................................................................279<br />

Abbildung 25. Zusammenhänge von Positiv- <strong>und</strong> Depressionssymptomatik <strong>und</strong> Einsicht.....................279<br />

Abbildung 26. Struktogramm einer Ward-Clusteranalyse an Einsicht <strong>und</strong> Depressivität (PANSS)......281<br />

Abbildung 27. Vorhergesagte Depressionswerte für verschiedene Niveaus von<br />

Positivsymptomatik <strong>und</strong> Einsicht ...................................................................................... 283<br />

Abbildung 28. Struktogramm für eine Ward-Clusteranalyse für PANSS-G12 <strong>und</strong> WCSTdyn............... 284


Tabelle 1.<br />

Verzeichnis der wichtigsten erwähnten Instrumente<br />

Kürzel Name Literatur<br />

AMDP<br />

Arbeitsgemeinschaft für Methodik <strong>und</strong><br />

Dokumentation in der Psychiatrie<br />

xi<br />

AMDP (1979)<br />

AVLT Auditiv-Verbaler Lerntest HEUBROCK (1992)<br />

BHS Beck Hopelessness Scale BECK et al. (1974)<br />

BIS/IS Birchwoods Insight Scale BIRCHWOOD et al. (1994)<br />

BPRS Brief Psychiatric Rating Scale OVERALL & GORHAM (1962)<br />

CANTAB<br />

CDSS/CDS<br />

Cambridge Neuropsychological Test<br />

Automated Battery<br />

Calgary Depression Scale for<br />

Schizophrenia<br />

Einleitung<br />

MORRIS, EVENDEN, SAHAKIAN & ROBBINS<br />

(1987)<br />

ADDINGTON, ADDINGTON & SCHISSEL (1990)<br />

CISS Coping Inventory for Stressful Situations ENDLER & PARKER (1990)<br />

COWA(T) Controlled Word Association Test BENTON & HAMSHER (1976)<br />

CWT/Stroop Color-Word-Test, Stroop-Test STROOP (1935)<br />

ESI Eppendorfer Schizophrenie-Inventar MAß (2001)<br />

HAMD Hamilton Depression Scale HAMILTON (1960)<br />

HCT Halstead Category Test REITAN (1979)<br />

IPQ/IPQS<br />

ITAQ<br />

Illness Perception Questionnaire (for<br />

Schizophrenia)<br />

Insight and Treatment Attitudes Questionnaire<br />

IPQ: WEINMAN et al. (1996);<br />

IPQS: LOBBAN et al. (2005)<br />

McEvoy et al. (1989)<br />

MCST Modified Card Sorting Test (Nelson-Test) NELSON (1976)<br />

MES Modified Engulfment Scale MCCAY & SEEMAN (1998)<br />

PANSS Positive and Negative Syndrome Scale KAY, FISZBEIN & OPLER (1987)<br />

PBIQ<br />

Personal Beliefs about Illness<br />

Questionnaire<br />

PSE Present State Examination<br />

BIRCHWOOD et al. (1993)<br />

WING, BIRLEY, COOPER, GRAHAM & ISAACS<br />

(1967)<br />

RSES Rosenberg Self-Esteem Scale Z. B. FERRING & FILIPP (1996)<br />

SAI/ SAI-E Schedule for the Assessment of Insight DAVID (1990)<br />

SAIQ Self-Appraisal of Illness Questionnaire<br />

SANS/ SAPS<br />

Scale for the Assessment of Negative /<br />

Positive Symptoms<br />

MARKS, FASTENAU, LYSAKER & BOND<br />

(2000)<br />

ANDREASEN (1983, 1984)<br />

SSMIS Self-Stigma of Mental Illness Scale CORRIGAN et al. (2006)<br />

SUMD/<br />

SAUMD<br />

Scale to Assess Unawareness of Mental<br />

Disorder<br />

AMADOR & STRAUSS (1990); AMADOR et al.<br />

(1993)<br />

TMT (-A/ -B) Trail Making Test, Versionen A <strong>und</strong> B War Department (1944); REITAN (1958)<br />

TPQ Tridimensional Personality Questionnaire CLONINGER et al. (1991)<br />

WAIS-R Wechsler Adult Intelligence Scale-Revised WECHSLER (1981)<br />

WCST-64 Wisconsin Card Sorting Test (Kurzform) KONGS et al. (2000)<br />

WCST-128 Wisconsin Card Sorting Test (Langform) HEATON (1981), HEATON et al. (1993)<br />

WCSTdyn Wisconsin Card Sorting Test (<strong>dynamisch</strong>)<br />

GOLDBERG et al. (1987); BELLACK et al.<br />

(1990); WIEDL et al. (1999)<br />

WCQ/WOC Ways of Coping Questionnaire FOLKMAN & LAZARUS (1988)<br />

WMS-R Wechsler Memory Scale-Revised WECHSLER (1987)<br />

WPP Work Personality Profile BOLTON & ROESSLER (1986)<br />

WST Wortschatztest SCHMIDT & METZLER (1992)


1. Zusammenfassung<br />

xii<br />

Einleitung<br />

Hintergr<strong>und</strong>: Reduzierte <strong>Krankheitseinsicht</strong> ist ein bei Diagnosen des Schizophrenie-<br />

Spektrums häufig zu beobachtendes Phänomen. Sie wird meist als Ausdruck exekutiver Defizite<br />

gewertet, zu deren Erfassung häufig der Wisconsin Card Sorting Test eingesetzt wird. Studien<br />

zur Remediierbarkeit von WCST-Defiziten bei Schizophrenie (WIEDL, 1999) lassen jedoch<br />

Zweifel an dessen diesbezüglicher Konstruktvalidität aufkommen <strong>und</strong> legen die Verwendung<br />

eines <strong>dynamisch</strong>en Untersuchungsparadigmas (WCSTdyn mit Prätest-Training-Posttest-<br />

Design) <strong>und</strong> typologischer Analysemethoden (Reliable Change Index, RCI) in der kognitiven<br />

Einsichtsforschung nahe. Darüber hinaus muss eine multifaktoriell-differentielle Ätiologie mit<br />

neurokognitiven <strong>und</strong> motivationalen Faktoren in Betracht gezogen werden, wie sie das Modell<br />

von STARTUP (1996) thematisiert. Dort wird eine quadratische Funktion des Zusammenhangs<br />

von Einsicht <strong>und</strong> Kognition angenommen, so dass gering einsichtige Patienten mit <strong>und</strong> ohne<br />

kognitive Beeinträchtigungen erwartet werden können.<br />

Methoden: Es wurden drei aufeinander aufbauende Studien zu WCSTdyn <strong>und</strong> Einsicht<br />

durchgeführt. In Studie 1 wurde die Testhalbierungs-Reliabilität des WCST-128 in einer nichtpsychiatrischen<br />

Stichprobe (N = 110) untersucht. In Studie 2 wurden verschiedene RCI-<br />

Methoden zur Prüfung der Signifikanz von Veränderung im Einzellfall an den WCSTdyn-Daten<br />

von N = 400 Probanden mit Schizophrenie-Diagnosen verglichen, eine Typologie mit drei<br />

homogenen Subgruppen entwickelt <strong>und</strong> erste Schritte in Richtung einer externen Validierung<br />

unternommen. In Studie 3 wurden die drei Performanztypen im Hinblick auf <strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

verglichen (Item G12 der Positive and Negative Syndrome Scale [PANSS] <strong>und</strong> Osnabrücker<br />

Skala zu Therapieeinstellung <strong>und</strong> Identifikation psychischer Beschwerden bei Schizophrenie,<br />

OSSTI: KRUPA, 2005). Weiterhin wurde das Modell von STARTUP (1996) regressions-<br />

<strong>und</strong> clusteranalytisch geprüft, wobei zusätzlich Copingskalen (Freiburger Fragebogen zur<br />

Krankheitsverarbeitung, FKV: MUTHNY, 1989) <strong>und</strong> eine Defensivitätsskala (aus: Eppendorfer<br />

Schizophrenie-Inventar, ESI-FR: MAß, 2001) zur Erfassung der Krankheitsverarbeitung zum<br />

Einsatz kamen (N = 85).<br />

Ergebnisse: Der WCST-64 wies eine ausreichende Stabilität auf (rtt = .70 [Anzahl korrekt<br />

sortierter Karten]). Die Konkordanzen der RCI-Methoden fielen hoch aus (κ = .72 - .90). 45 %<br />

der Stichprobe erwiesen sich im WCSTdyn als durchgängig leistungsstark (Highscorer), bei<br />

43 % konnte die anfangs geringe Leistung durch ein kurzes Training normalisiert werden<br />

(Lerner) <strong>und</strong> lediglich 12 % wiesen remediationsrefraktäre neurokognitive Defizite auf (Nichtlerner).<br />

Letztere zeigten eine signifikant reduzierte Einsicht (G12: g = 0,45). Darüber hinaus<br />

konnten drei Cluster identifiziert werden, deren Konfigurationen von Einsicht <strong>und</strong> WCSTdyn-<br />

Leistung den Vorhersagen von STARTUP (1996) entspricht. Neurokognitiv intakte, gering<br />

einsichtige Patienten antworteten signifikant defensiver (g = 0,38) als hoch einsichtige<br />

Patienten, unterschieden sich jedoch nicht in selbsteingeschätzten Copingstilen. Eine quadratische<br />

Beziehung von Einsicht <strong>und</strong> Kognition konnte nicht bestätigt werden.<br />

Diskussion: Die in den Studien 1 <strong>und</strong> 2 entwickelte RCI-basierte Performanz-Typologie stellt<br />

ein universell einsetzbares Analyseinstrument zur künftigen Untersuchung einsichts-limitierender<br />

neurokognitiver Defizite mit dem WCSTdyn dar. Die Ergebnisse von Studie 3 liefern<br />

Hinweise auf eine multifaktorielle Ätiologie reduzierter <strong>Krankheitseinsicht</strong> bei Schizophrenie, in<br />

der neben neurokognitiven Defiziten (z. B. Interferenzkontrolle) auch Defensivität differentiell<br />

wirksam ist.


Abstract<br />

xiii<br />

Einleitung<br />

Objective: Lack of insight into illness is common in patients with schizophrenia diagnoses. It is<br />

supposed to reflect deficits of executive functioning that are frequently assessed with the<br />

Wisconsin Card Sorting Test. Studies on the remediability of WCST deficits in schizophrenia,<br />

however, raise doubts about its construct validity and suggest the use of a dynamic pretesttraining-posttest<br />

paradigm (WCSTdyn) and single-case analysis (Reliable Change Index, RCI) in<br />

studies on insight. Moreover, a multifactorial and differential etiology with neurocognitive and<br />

motivational factors, as suggested by STARTUP’s (1996) model, has to be taken into consideration.<br />

The model hypothesizes a quadratic function of the relationship between insight and<br />

cognition, which means that both cognitively impaired and cognitively intact patients with low<br />

insight are to be expected.<br />

Method: Three interrelated studies on WCSTdyn and insight were conducted. In study 1, the<br />

split-half reliability of the WCST-128 was investigated in a non-psychiatric sample (N = 110).<br />

Study 2 compared different RCI single-case tests of significance of intraindividual change on<br />

data from N = 400 patients with schizophrenia diagnoses. Furthermore, a typology with three<br />

homogenous subgroups was developed and first steps toward an external validation were taken.<br />

In study 3, the three types of test-takers were compared on two measures of insight (Item G12 of<br />

the Positive and Negative Syndrome Scale [PANSS]; Osnabrueck Scale of Therapeutic<br />

Attitudes and Identification of Psychological Problems in Schizophrenia [OSSTI: KRUPA,<br />

2005]). The model by STARTUP (1996) was tested with regression and cluster analyses including<br />

scales on coping (Freiburg Questionnaire of Coping with Illness, FKV: MUTHNY, 1989) and<br />

defensiveness (Eppendorf Schizophrenia Inventory, ESI-FR: MAß, 2001; N = 85).<br />

Results: The WCST-64 was sufficiently stable (rtt = .70 [Total Number Correct]). Concordances<br />

of different RCI methods were high (κ = .72 - .90). 45 % of the sample consisted of high scorers,<br />

in 43 % a low initial score could be normalized by a short training intervention (learners), and in<br />

only 12 % of the sample the WCST deficits were not amenable to training (nonlearners). Insight<br />

of nonlearners was significantly reduced (G12: g = 0,45). Finally, three clusters were identified<br />

with configurations of insight and WCSTdyn scores consistent with the prediction by STARTUP<br />

(1996). Patients with intact neurocognition but low insight responded in a significantly more<br />

defensive manner (g = 0,38). They did not differ in self-rated coping, however. A quadratic<br />

relationship could not be confirmed.<br />

Conclusion: The RCI-based performance typology developed in studies 1 and 2 is a universally<br />

applicable analytic tool for future studies on insight-limiting neurocognitive deficits with the<br />

WCSTdyn. Results from study 3 point in the direction of a multifactorial etiology of lack of<br />

insight in schizophrenia with differential contributions of neurocognitive deficits (e.g., interference<br />

control) and defensiveness.


2. Einleitung <strong>und</strong> Übersicht<br />

14<br />

Einleitung<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong> von Menschen mit Schizophrenie-Diagnosen – die Frage also, ob sich<br />

Patienten als krank erleben, ihre Erkrankung im Einklang mit dem psychiatrischen<br />

Krankheitsmodell auffassen, ihre Symptome als krankheitswertig <strong>und</strong> sich als behandlungsbedürftig<br />

einschätzen – hat sich seit der Veröffentlichung der gr<strong>und</strong>legenden Arbeiten<br />

von DAVID (1990) <strong>und</strong> AMADOR, STRAUSS, YALE <strong>und</strong> GORMAN (1991) zu einem viel beachteten<br />

Thema der Schizophrenieforschung entwickelt. Neben den emotionalen <strong>und</strong> funktionalen<br />

Konsequenzen von Einsicht stehen dabei vor allem die kausalen <strong>und</strong> vermittelnden<br />

psychischen Prozesse im Mittelpunkt des Erkenntnisinteresses.<br />

Obwohl verschiedene Verursachungshypothesen unterschiedlicher theoretischer Provenienz<br />

formuliert wurden, dominieren im Hinblick auf die Menge <strong>und</strong> Konsistenz stützender<br />

Bef<strong>und</strong>e eindeutig biogenetisch-kognitive Modellvorstellungen die einschlägige Literatur (s.<br />

ALEMAN, AGRAWAL, MORGAN & DAVID, 2006). Die große Zahl von Arbeiten, die <strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

zu kognitiven Funktionen <strong>und</strong> Ergebnissen bildgebender Verfahren in Beziehung<br />

setzen, kann auch als Ausdruck eines während der »decade of the brain« (vgl. JONES &<br />

MENDELL, 1999) intensivierten Bestrebens gewertet werden, Schizophrenie als »neurokognitive«<br />

Störung (GREEN & NUECHTERLEIN, 1999) aufzufassen <strong>und</strong> in ein biomedizinisches,<br />

»neo-kraepelinianisches« Paradigma (vgl. COMPTON & GUZE, 1995) einzuordnen. Vor allem<br />

der Bereich der exekutiven Funktionen, an deren biologischem Substrat der präfrontale<br />

Kortex wesentlich beteiligt ist (z. B. ALVAREZ & EMORY, 2006), gilt als neurokognitive<br />

Gr<strong>und</strong>lage der <strong>Krankheitseinsicht</strong> bei Schizophrenie (z. B. YOUNG et al., 1998).<br />

Ein wesentliches konzeptuelles Problem dieser Annahme besteht darin, dass <strong>Exekutivfunktionen</strong><br />

häufig so breit definiert werden (s. PALMER & HEATON, 2000), dass sie praktisch<br />

an allen höheren geistigen Leistungen des Menschen beteiligt sein könnten <strong>und</strong> das<br />

Konstrukt daher von geringem explanativen Wert für spezifische Funktionsbereiche ist.<br />

Diese theoretische Unschärfe spiegelt sich auch in der Forschungspraxis wider, wo<br />

<strong>Exekutivfunktionen</strong> am häufigsten über den Wisconsin Card Sorting Test (WCST: HEATON,<br />

1981) operationalisiert werden (RABIN, BARR & BURTON, 2005), einen klassischen Test der<br />

Abstraktion <strong>und</strong> des Kategorienwechsels, dessen Bearbeitung vielen Menschen mit Schizophrenie-Diagnosen<br />

schwer fällt (z. B. MESHOLAM-GATELY, GIULIANO, GOFF, FARAONE &<br />

SEIDMAN, 2009). Der WCST ist zwar unter historischen <strong>und</strong> theoretischen Gesichtspunkten<br />

hochinteressant, aber in seiner Konstruktvalidität bislang noch zu wenig untersucht, als<br />

dass die mit ihm erzielten Ergebnisse ein kognitives Modell der <strong>Krankheitseinsicht</strong> bei<br />

Schizophrenie informieren könnten.<br />

Auch konnten Arbeiten der Osnabrücker Gruppe um WIEDL (z. B. 1999) in der Tradition<br />

der Dynamischen Testdiagnostik (DTD: GUTHKE & WIEDL, 1996) wiederholt zeigen, dass<br />

sich eine unterdurchschnittliche WCST-Leistung bei fast zwei von drei Patienten durch eine<br />

kurze didaktische Intervention mit erweiterter Instruktion <strong>und</strong> Einzelkarten-Feedbacks<br />

weitgehend normalisieren lässt (»<strong>dynamisch</strong>er« Wisconsin Card Sorting Test, WCSTdyn).<br />

Derartige Bef<strong>und</strong>e sprechen dagegen, dass der WCST in jedem Fall basale Defizite des<br />

Arbeitsgedächtnisses <strong>und</strong> seiner Kontrollfunktionen erfasst. Neben diesen fluiden Anteilen<br />

könnten also auch kristalline Aspekte (z. B. Problemlöseheuristiken) <strong>und</strong> non-kognitive<br />

Faktoren eine mit der Art der Stichprobe variierende Rolle bei der Testbearbeitung spielen.<br />

Diese Überlegungen werfen die Frage auf, was die mehrfach gef<strong>und</strong>enen Zusammenhänge<br />

von WCST-Scores <strong>und</strong> Einsicht bei Schizophrenie bedeuten: Ist es plausibel anzunehmen,<br />

dass diese tatsächlich von neurokognitiven Funktionen vermittelt werden?


15<br />

Einleitung<br />

Angesichts der Beliebtheit, derer sich der WCST für die Aufklärung von Einsicht bei<br />

Psychose-Erkrankungen erfreut (so fanden ALEMAN et al. bis 2006 bereits 13 Studien mit<br />

712 Patienten), erscheinen eine konzeptuelle Analyse des WCST <strong>und</strong> eine Untersuchung des<br />

Zusammenhangs in Form einer Variation der Testprozedur geboten.<br />

Hierzu bietet sich der bereits erwähnte <strong>dynamisch</strong>e WCST nach WIEDL (1999) an,<br />

dessen Prätest-Training-Posttest-Design die Möglichkeit bietet, den herkömmlichen<br />

»statischen« WCST-64 im Hinblick auf seinen Zusammenhang mit Einsicht direkt mit dem<br />

postinterventionellen Durchgang zu vergleichen <strong>und</strong> eventuelle Unterschiede zu vermuteten<br />

Änderungen der Konstruktvalidität in Beziehung zu setzen. Instruktiv ist in diesem<br />

Zusammenhang eine Studie von WIEDL, SCHÖTTKE, GREEN <strong>und</strong> NUECHTERLEIN (2004), die<br />

eine Veränderung der Konstruktvalidität in Form eines höheren Zusammenhangs mit<br />

einem Test des exekutiven Arbeitsgedächtnisses (Turm-von-Hanoi) fanden.<br />

Eine weitere analytische Prozedur, die nur der WCSTdyn ermöglicht, besteht in der<br />

Komposition von Subgruppen von Testnehmern anhand der Markiervariablen Performanz-<br />

Niveau <strong>und</strong> -Veränderung, deren <strong>Krankheitseinsicht</strong> anschließend verglichen werden kann<br />

(WIEDL, 1999). Eine signifikante Absenkung der Einsicht bei Patienten mit remediationsrefraktären<br />

WCST-Defiziten könnte als Hinweis darauf gewertet werden, dass die nicht<br />

durch (diese Art von) Training katalysierbaren oder kompensierbaren neurokognitiven<br />

Funktionen Einsicht limitieren können.<br />

Bevor jedoch eine solche Select-by-Marker-Strategie (HELMCHEN, 1988) für die Erforschung<br />

der kognitiven Gr<strong>und</strong>lagen der Einsicht mit dem WCSTdyn genutzt werden kann,<br />

sollten allerdings ihre teststatistischen <strong>und</strong> psychometrischen Voraussetzungen geklärt<br />

werden. Die Typisierung von Probanden setzt zunächst eine statistische Prüfung der Signifikanz<br />

intraindividueller Veränderung voraus. Diese Möglichkeit bietet die einzelfallanalytische<br />

Reliable Change Index (RCI)-Methode, die sich in der Therapieforschung großer<br />

Beliebtheit erfreut (s. JACOBSON, FOLLETTE & REVENSTORF, 1984; OGLES, LUNNEN &<br />

BONESTEEL, 2001).<br />

Beim Versuch der Nutzung des RCI für den WCSTdyn ergeben sich jedoch Probleme: Im<br />

Bereich der kognitiven Schizophrenieforschung wurden RCI-Methoden bislang kaum<br />

eingesetzt (vgl. aber HARVEY et al., 2005), es fehlen daher solide Schätzungen wichtiger<br />

Parameter. Speziell für den WCST kommt hinzu, dass verwertbare Informationen zur<br />

Zuverlässigkeit des Tests in der Literatur spärlich gesät sind.<br />

Zudem wurden in der einschlägigen Literatur unterschiedliche statistische Prüfverfahren<br />

mit teilweise modifizierten Differenzen <strong>und</strong> unterschiedlichen Standardfehlern<br />

propagiert, hierunter die »klassische« Methode nach JACOBSON <strong>und</strong> TRUAX (1991) sowie die<br />

Gulliksen-Lord-Novick-Methode (z. B. SCHÖTTKE, BARTRAM & WIEDL, 1993) <strong>und</strong> der<br />

»ultimative« RCI nach ZEGERS & HAFKENSCHEID (1994). Die Auswirkungen einer Variation<br />

des statistischen Prüfverfahrens der RCI-Methode auf die Klassifikationsquoten wurden<br />

bislang für WCSTdyn-Scores nicht empirisch untersucht.<br />

Und schließlich erfordert die qualitative Modellierung von Veränderung jenseits der<br />

statistischen Signifikanzprüfung eine Entscheidung über einen Algorithmus, der bestimmt,<br />

wie aus Niveau- <strong>und</strong> Veränderungsinformation Klassen von Testnehmern (Typen) gebildet<br />

werden. Hier müssen insbesondere Fragen zum relativen Gewicht dieser Aspekte <strong>und</strong> zur<br />

Anzahl der konstruierten Typen beantwortet werden.<br />

Die Gruppe um WIEDL (z. B. 1999) zog bislang eine erstmals von WIENÖBST (1993)<br />

vorgeschlagene 1,5-SD-Regel heran, um in Anlehnung an BUDOFF (z. B. 1970) eine dreiteilige<br />

Klassifikation vorzunehmen (d. h. in »Nichtlerner«, »Lerner« <strong>und</strong> »Highscorer«). Ihre<br />

Regel resultiert allerdings in einer eher heterogenen Nichtlerner-Gruppe, da ihr auch


16<br />

Einleitung<br />

Probanden aus dem oberen Leistungssegment zugeordnet werden, die die kritische Differenz<br />

nur knapp verfehlen. Eine gründliche Überprüfung <strong>und</strong> ggf. Revision dieser Regel<br />

sollte daher dem Einsatz typologischer Analysemethoden im Bereich der Einsichtsforschung<br />

vorausgehen. Dies kann z. B. auf der Gr<strong>und</strong>lage des zweifachen Kriteriums der<br />

statistischen <strong>und</strong> klinischen Signifikanz von JACOBSON et al. (1984) geschehen.<br />

Neben den geschilderten Problemen der theoretischen F<strong>und</strong>ierung <strong>und</strong> der empirischen<br />

Überprüfung des biogenetisch-neurokognitiven Modells der Einsicht lassen sich weitere<br />

Kritikpunkte ausmachen: Die meisten Studien zur Einsicht, die mit symptomatischen <strong>und</strong><br />

neurokognitiven Maßen operiert haben, ergaben einen erheblichen Anteil ungeteilter<br />

Varianz von zumeist über 90 % (ALEMAN et al., 2006; MINTZ, DOBSON & ROMNEY, 2003).<br />

Zudem weisen Studien zu (a) explanativen Modellen <strong>und</strong> Krankheitsrepräsentationen<br />

(z. B. JACOBSON, 2001; LOBBAN, BARROWCLOUGH & JONES, 2004, 2005), (b) Selbststigmatisierung<br />

(z. B. LYSAKER, ROE & YANOS, 2007) <strong>und</strong> (c) dem Zusammenhang von Einsicht mit<br />

negativer Emotionalität <strong>und</strong> geringem Selbstwert (z. B. COOKE, PETERS, GREENWOOD et al.,<br />

2007) zunehmend darauf hin, dass eine reduzierte Einsicht auch ein Modus defensiver<br />

Krankheitsverarbeitung sein könnte. Einige wenige Studien fanden entsprechende bivariate<br />

Zusammenhänge mit Defensivität (MOORE et al., 1999) <strong>und</strong> Copingstilen (COOKE, PETERS,<br />

FANNON et al., 2007).<br />

Eine aktuelle Herausforderung an die Einsichtsforschung besteht also in der Notwendigkeit<br />

zur Integration neurokognitiver <strong>und</strong> motivationaler Wirkfaktoren im Rahmen eines<br />

Modells der Einsicht, das die Ableitung spezifischer Vorhersagen differentieller Zusammenhänge<br />

erlaubt. Das bislang einzige derartige Modell wurde von STARTUP (1996)<br />

vorgelegt, der postuliert hat, dass gerichtete, konsistente Krankheitsverarbeitungsprozesse<br />

erst ab einem gewissen Niveau neurokognitiver Funktionen wirksam werden können. Eine<br />

stringente Überprüfung des Modells mit geeigneten Maßen der Neurokognition <strong>und</strong> der<br />

Defensivität steht allerdings noch aus.<br />

In dem nun folgenden theoretischen Teil der Arbeit wird in Übereinstimmung mit den<br />

vorangegangenen Überlegungen in Kapitel 3 zunächst ein Überblick über kognitive Defizite<br />

bei Schizophrenie im Allgemeinen <strong>und</strong> speziell über den statischen <strong>und</strong> <strong>dynamisch</strong>en<br />

Wisconsin Card Sorting Test (WCST) gegeben. Schwerpunkte liegen hierbei erstens auf<br />

einer konzeptuellen Analyse der WCST-Performanz, um Verschiebungen der Konstruktvalidität<br />

durch Dynamisierung nachvollziehbar zu machen. In diesem Zusammenhang wird<br />

auch das hierarchische WCST-Modell von GREVE, LOVE, SHERWIN, MATHIAS, RAMZINKSI et<br />

al. (2002) besprochen, das eine differentielle Validität von WCST-Fehlertypen postuliert<br />

<strong>und</strong> bei der Validierung der WCSTdyn-Lernertypen hilfreich sein könnte. Zweitens wird ein<br />

ausführliches Review der Normierung, Reliabilität <strong>und</strong> Komponentenstruktur des WCST<br />

gegeben, um die Notwendigkeit einer Vorstudie zur Abschätzung der für RCI-Methoden<br />

benötigten Parameter zu klären.<br />

In Kapitel 4 wird die Familie der Reliable Change Index-Methoden vorgestellt, wobei<br />

zunächst das Doppelkriterium klinischer <strong>und</strong> statistischer Signifikanz nach JACOBSON et al.<br />

(1984) erörtert wird, um anschließend die wichtigsten konkurrierenden RCI-Prüfverfahren<br />

vorzustellen. Abschließend wird die Bef<strong>und</strong>lage zur Übereinstimmung der Resultate dieser<br />

RCIs gesichtet <strong>und</strong> ein Klassifikationsalgorithmus eingeführt, der als universeller Referenzrahmen<br />

für derartige Konkordanz-Studien dienen kann.<br />

In Kapitel 5 erfolgt ein kurzer Exkurs in die Konzeptualisierung <strong>und</strong> Abgrenzung von<br />

Bewältigung <strong>und</strong> Defensivität, wobei neben Copingstil-Ansätzen <strong>und</strong> dem transaktionalen


17<br />

Einleitung<br />

Bewältigungsmodell von LAZARUS <strong>und</strong> FOLKMAN (1984) auch tiefenpsychologische Abwehr-<br />

Ansätze skizziert werden.<br />

Und schließlich wird in Kapitel 6 das Konstrukt der <strong>Krankheitseinsicht</strong> bei Schizophrenie<br />

ausführlich diskutiert, wobei zunächst angrenzende relevante Forschungsgebiete<br />

gestreift werden (ges<strong>und</strong>heitspsychologische Konzepte der Krankheitsrepräsentation,<br />

Stigma <strong>und</strong> Schizophrenie), bevor auf die Facetten der Einsicht (Struktur, Messung <strong>und</strong><br />

faktorielle Validität, Korrelate mit besonderer Berücksichtigung der negativen Emotionalität)<br />

<strong>und</strong> insbesondere auf theoretische Perspektiven zur Ätiologie einer reduzierten<br />

Einsicht eingegangen wird.


3. Der Wisconsin Card Sorting Test<br />

18<br />

Wisconsin Card Sorting Test<br />

3.1 Kognitive Defizite bei Menschen mit Schizophrenie-Diagnosen<br />

Menschen mit der Diagnose einer Schizophrenie leiden nicht nur unter beeinträchtigender<br />

Positivsymptomatik (s. TANDON, NASRALLAH & KESHAVAN, 2009) <strong>und</strong> Negativsymptomatik<br />

(z. B. Affektverflachung, Anhedonie, Avolition: KIRKPATRICK, FENTON, CARPENTER &<br />

MARDER, 2006), sondern auch unter subtileren kognitiven Beeinträchtigungen.<br />

Seit den 90er Jahren des 20. Jh. rücken diese kognitiven Beeinträchtigungen zunehmend<br />

in den Fokus der Schizophrenieforschung: »… schizophrenia can legitimately be<br />

viewed, in essence, as a disorder of neurocognition [Hervorhebung v. Verf.]« (GREEN &<br />

NUECHTERLEIN, 1999, S. 309).<br />

Beeinträchtigungen der Informationsverarbeitung durchziehen vertikal das gesamte<br />

Gebäude menschlicher Kognition, von der Ebene der automatischen präattentiven Prozesse<br />

über die Top-down-Modulation der Wahrnehmung (z. B. UHLHAAS & SILVERSTEIN, 2005),<br />

die Konnektivität semantischer Netzwerke (z. B. semantische Wortflüssigkeit: BOKAT &<br />

GOLDBERG, 2003), das Arbeitsgedächtnis zur kurzzeitigen Speicherung <strong>und</strong> Bearbeitung<br />

von Information (LEE & PARK, 2005) <strong>und</strong> das sek<strong>und</strong>äre verbale Gedächtnis (ALEMAN,<br />

HIJMAN, DE HAAN & KAHN, 1999) bis hin zu komplexen Leistungen des Problemlösens<br />

(BUSTINI et al., 1999) <strong>und</strong> der sozialen Kognition (wie das Erkennen emotionaler Prosodie:<br />

HOEKERT, KAHN, PIJNENBORG & ALEMAN, 2007, oder Mentalisierungsfähigkeit: BRÜNE,<br />

2005). In vielen untersuchten Bereichen konnten die Defizite metaanalytisch abgesichert<br />

werden. Sie liegen häufig im Bereich großer Effektstärken (vgl. REICHENBERG & HARVEY,<br />

2007).<br />

Ein »Primat der Kognition« (HEINRICHS, 2005, S. 229) findet sich zwar bereits in den<br />

Arbeiten von BLEULER (1911), der in der Assoziationsstörung ein primäres Symptom der<br />

Schizophrenie sah, <strong>und</strong> von MCGHIE <strong>und</strong> CHAPMAN (1961), die eine gr<strong>und</strong>legende Störung<br />

der Aufmerksamkeitssteuerung annahmen. Auch mag das Postulat einer f<strong>und</strong>amentalen<br />

kognitiven Störung angesichts der zuweilen auffälligen formalen Denkstörungen (vgl.<br />

HUBER, 2005) trivial erscheinen. Von neuer Qualität sind an dieser Renaissance der<br />

kognitiven Perspektive jedoch der Einsatz methodisch ausgereifter, standardisierter<br />

Leistungstests, die metaanalytische Bewertung der Ergebnisse <strong>und</strong> deren Rückkopplung in<br />

die Theoriebildung. Ausgewählte Ergebnisse von Metaanalysen zu dem für diese Arbeit<br />

relevanten Bereich der höheren kognitiven Kontrollfunktionen werden im übernächsten<br />

Abschnitt berichtet.<br />

Die Beschäftigung mit kognitiven Beeinträchtigungen bei Schizophrenie-Spektrums-<br />

Störungen wird von einer Reihe von Zielsetzungen motiviert: (a) Elementare kognitive<br />

Prozesse sind Kandidaten für sogenannte Endophänotypen, also stabile, hereditäre Marker<br />

einer mutmaßlich genetisch gr<strong>und</strong>gelegten Vulnerabilität (GOTTESMAN & GOULD, 2003).<br />

Tatsächlich finden sich signifikant reduzierte Leistungen in bestimmten kognitiven<br />

Domänen (z. B. verbales Gedächtnis) bereits bei ersterkrankten Personen (MESHOLAM-<br />

GATELY, GIULIANO, GOFF, SEIDMAN & FARAONE, 2009), neuroleptisch-naiven Patienten<br />

(TORREY, 2002) <strong>und</strong> sogar bei nicht-erkrankten Verwandten (SITSKOORN, ALEMAN, EBISCH,<br />

KAHN & APPELS, 2004).<br />

(b) Die »neuro-kognitive« Ebene wird als Bindeglied zwischen distaler neurobiologischer<br />

Ebene <strong>und</strong> Symptomatik angesehen: In diesem Zusammenhang wurde ein vertieftes<br />

Verständnis der Pathogenese der Schizophrenie-Symptomatik angestrebt (KATHMANN,


19<br />

Wisconsin Card Sorting Test<br />

2001; GREEN, 1998, S. 83ff.), wenngleich sich immer deutlicher abzeichnet, dass eine<br />

direkte Ableitung komplexer psychotischer Phänomene aus basalen neurokognitiven Defiziten<br />

nicht möglich ist, sondern weitere Einflussfaktoren angenommen werden müssen<br />

(etwa Urteilsverzerrungen oder Attributionsstil: vgl. GARETY & FREEMAN, 1999). Tatsächlich<br />

hat sich durch die Forschung mit standardisierten kognitiven Tests <strong>und</strong> psychiatrischen<br />

Rating-Skalen deutlich herauskristallisiert, dass zumindest die schizophrene Positiv-<br />

Symptomatik weitgehend unabhängig von kognitiven Defiziten auftritt (DIBBEN, RICE,<br />

LAWS & MCKENNA, 2009; HEYDEBRAND et al., 2004; O’LEARY et al., 2000). Dies gilt<br />

zumindest für neuere, faktorenanalytisch begründete Faktorlösungen, in denen formale<br />

Denkstörungen, die ursprünglich der Positivsymptomatik zugerechnet wurden (vgl. KAY,<br />

FISZBEIN & OPLER, 1987), ebenso wie Abstraktions- <strong>und</strong> Aufmerksamkeitsschwierigkeiten<br />

einer kognitiven Desorganisations-Dimension zugeordnet werden (MAß, SCHOEMIG,<br />

HITSCHFELD, WALL & HAASEN, 2000).<br />

(c) Aufgr<strong>und</strong> der nosologischen <strong>und</strong> diagnostischen Probleme des Schizophrenie-<br />

Konzepts, wie z. B. der Abgrenzung zu affektiv-psychotischen Störungen (vgl. BENTALL,<br />

2003), erwarten einige Autoren von einer Aufnahme kognitiver Defizite als Kriterium in<br />

die Klassifikations-Systeme eine Erhöhung der Validität der Schizophrenie-Diagnose<br />

(KEEFE & FENTON, 2007).<br />

(d) Es konnte wiederholt gezeigt werden, dass kognitive Defizite sozioökonomisches<br />

Funktionsniveau <strong>und</strong> Rehabilitationerfolg besser vorhersagen <strong>und</strong> stärker limitieren als<br />

Positivsymptomatik (GREEN, 1996; GREEN, KERN, BRAFF & MINTZ, 2000). Sie bieten sich<br />

somit als Ansatzpunkt spezieller Remediationsmaßnahmen (vgl. MCGURK et al., 2007) <strong>und</strong><br />

als Zielbereich medikamentöser Therapie an.<br />

(e) Höhere kognitive Funktionen, v. a. solche, für die eine substanzielle Beteiligung<br />

präfrontaler Gehirnareale bekannt ist (z. B. DEMAKIS, 2003), werden als Voraussetzung der<br />

kritisichen Selbstreflexion <strong>und</strong> der Einschätzung der eigenen Lebenssituation betrachtet.<br />

Bei Menschen mit Schizophrenie-Diagnosen ist diese auch außerhalb akut positivsymptomatischer<br />

Episoden deutlich diskrepant zur Einschätzung professioneller Behandler, was<br />

als »mangelnde <strong>Krankheitseinsicht</strong>« thematisiert wird (AMADOR & DAVID, 2004). Mit der<br />

geplanten Studie soll versucht werden, diese kognitive Perspektive in eine multifaktorielle<br />

Betrachtung von Einsichtsdefiziten zu integrieren.<br />

Ein weitgehender Expertenkonsens zur Dimensionalität neurokognitiver Defizite bei<br />

Schizophrenie wurde mit der induktiv entwickelten Taxonomie der Measurement and<br />

Treatment Research to Improve Cognition in Schizophrenia (MATRICS)-Initiative des US-<br />

National Institute of Mental Health (NIMH) erreicht (NUECHTERLEIN et al., 2004).<br />

Die Experten identifizierten aufgr<strong>und</strong> einer Sichtung publizierter Metaanalysen sechs<br />

separierbare, häufig replizierte Faktoren: (1.) Verarbeitungsgeschwindigkeit (z. B. Trail<br />

Making Test, Wortflüssigkeitstests); (2.) Daueraufmerksamkeit (Varianten des Continuous<br />

Performance Test); (3.) verbales <strong>und</strong> nonverbales Arbeitsgedächtnis (z. B. Zahlenspannentest);<br />

(4.) verbale Merk- <strong>und</strong> Lernfähigkeit (z. B. Wortlistenlerntests); (5.) visuelle Merk-<br />

<strong>und</strong> Lernfähigkeit (z. B. Rekognition von Gesichtern); <strong>und</strong> (6.) logisches Denken <strong>und</strong><br />

Problemlösen (Wisconsin Card Sorting Test, Tower of London). Dieser letzte Faktor wird<br />

häufig auch als »exekutive Funktionen« bezeichnet (s. u.). Die Bezeichnung »Reasoning<br />

and problem solving« wurde v. a. gewählt, um eine klare Abgrenzung zur Arbeitsgedächtnis-Domäne<br />

zu gewährleisten, deren Tests ebenfalls »exekutive« Funktionen beanspruchen<br />

(z. B. mentale Umstellung einer Zeichenfolge).


20<br />

Wisconsin Card Sorting Test<br />

Bevor Faktor 6, dem für die vorliegende Arbeit eine besondere Bedeutung zukommt, näher<br />

beschrieben wird, soll noch kurz auf drei teilweise unbeantwortete Fragen zum Thema<br />

»Neurokognition bei Schizophrenie« hingewiesen werden:<br />

(1.) Die erste Frage betrifft den Grad der Unabhängigkeit der gemessenen kognitiven<br />

Dimensionen. Da häufig orthogonale Rotationen von Komponenten vorgenommen werden,<br />

ist die putative Separierbarkeit v. a. eine Konsequenz der Methode. Korrelationen einzelner<br />

Variablen aus verschiedenen MATRICS-Bereichen sowie konfirmatorische Faktorenanalysen<br />

sprechen jedoch für substanzielle Zusammenhänge der kognitiven Domänen, die sich<br />

teilweise besser über einen Generalfaktor modellieren lassen (DICKINSON & GOLD, 2008).<br />

(2.) Hiermit zusammenhängend stellt sich die Frage nach einem differentiellen Defizit,<br />

also ob ein bestimmter Funktionsbereich selektiv oder akzentuiert beeinträchtigt ist <strong>und</strong> so<br />

eine hervorragende Rolle in der Erklärung weiterer kognitiver oder klinischer Störungsphänomene<br />

spielen könnte. Vor allem den im Anschluss beschriebenen »präfrontalen«<br />

<strong>Exekutivfunktionen</strong> wurde der Status eines primären kognitiven Defizits zugeschrieben<br />

(z. B. GOLDBERG & WEINBERGER, 1988).<br />

LAWS (1999) argumentierte hingegen vor dem Hintergr<strong>und</strong> seiner Metaanalyse, Schizophrenie<br />

könne durch ein generalisiertes kognitives Defizit statt durch ein primär exekutives<br />

Defizit charakterisiert werden. Tatsächlich ergeben sich für Intelligenztests (v. a. den<br />

Handlungsteil der WAIS-R) metaanalytisch konsistent die stärksten Unterschiede zu nichterkrankten<br />

Kontrollpersonen (vgl. REICHENBERG & HARVEY, 2007, Tab. 1, S. 835; LAWS,<br />

1999).<br />

Der Vergleich eines Intelligenztests mit kognitiven Tests mit enger umschriebenem<br />

Gegenstandsbereich (z. B. Arbeitsgedächtnis) ist allerdings methodisch <strong>und</strong> theoretisch<br />

problematisch: In ihrer klassischen Diskussion dieser Methode zeigten CHAPMAN <strong>und</strong><br />

CHAPMAN (1973), wie Unterschiede in der Reliabilität <strong>und</strong> Schwierigkeit von Tests Artefakte<br />

erzeugen können, die als differentielles Defizit erscheinen. Neurokognitive Tests sind<br />

tatsächlich häufig weniger reliabel als Intelligenztests (s. MCCAFFREY, DUFF & WESTERVELT,<br />

2000). Aber auch theoretisch erscheint der Vergleich einzelner neurokognitiver Funktionen<br />

mit genereller Intelligenz wenig fruchtbar, wird letztere doch als Konzert von normalerweise<br />

harmonisch zusammenspielenden Subfunktionen hervorgebracht (vgl. ELVEVÅG &<br />

GOLDBERG, 1999) – höhere kognitive Kontrollfunktionen <strong>und</strong> Arbeitsgedächtnis könnten,<br />

um bei diesem Bild zu bleiben, den Dirigenten darstellen, dessen Versagen sich vor allem<br />

am mangelnden Zusammenspiel des Orchesters offenbart. Diese Metapher verdeutlicht<br />

auch, dass die Beschäftigung mit möglichen Kerndefiziten jenseits der Frage ihrer Selektivität<br />

wichtig für die Theoriebildung ist.<br />

(3.) Die letzte Frage, die an dieser Stelle aufgeworfen werden soll, betrifft die Ubiquität<br />

kognitiver Defizite bei Schizophrenie. Diese Frage ist auch für eine kognitive Ätiologie von<br />

Einsichtsdefiziten relevant: Die Existenz kognitiv leistungsfähiger Patienten ließe die<br />

Möglichkeit einer kognitiv intakten Subgruppe mit reduzierter Einsicht zu. Ihre Beantwortung<br />

ist eng verknüpft mit Überlegungen zu Entwicklung <strong>und</strong> Verlauf der kognitiven<br />

Beeinträchtigungen:<br />

Die Verlaufsforschung konnte das kraepelinsche neurodegenerative Modell widerlegen;<br />

die genetische High-Risk-Forschung an mutmaßlich vulnerablen Individuen postulierte die<br />

Hypothese einer gestörten neurobiologischen Entwicklung (neurodevelopmental model:<br />

s. CORNBLATT et al., 2003): Personen mit Schizophrenie-Diagnosen widerfährt bereits Jahre<br />

vor der Erstmanifestation von Psychose-Symptomen eine Absenkung ihres prämorbiden<br />

kognitiven Niveaus. Bei ersterkrankten Patienten liegt dieses bei ca. d = -0,6 (motorische<br />

Fertigkeit) bis d = -1,2 (verbales Gedächtnis) <strong>und</strong> damit im Bereich mittlerer bis großer


21<br />

Wisconsin Card Sorting Test<br />

Effekte (MESHOLAM-GATELY et al., 2009). Über den anschließenden Krankheitsverlauf<br />

bleibt das Niveau jedoch stabil oder verbessert sich sogar leicht (HOFF et al., 1999; SZÖKE,<br />

2008), möglicherweise mit Ausnahme einer schwerer erkrankten, älteren, hospitalisierten<br />

Subgruppe (KURTZ, 2005).<br />

Nun lässt sich jedoch leicht anhand von Subgruppen-Analysen <strong>und</strong> Kasuistiken (NASAR,<br />

1998; AMADOR & PAUL-ODOUARD, 2000) zeigen, dass längst nicht alle Menschen mit<br />

Schizophrenie-Diagnose in neurokognitiven oder Intelligenz-Tests unterdurchschnittlich<br />

abschneiden, was KREMEN, SEIDMAN, FARAONE, TOOMEY <strong>und</strong> TSUANG (2000) als »paradox<br />

of normal neuropsychological function in schizophrenia« (S. 743) bezeichnet haben.<br />

Dieser vermeintliche Widerspruch wurde in einer Reihe von Studien aufgelöst, deren<br />

Ergebnisse sich folgendermaßen zusammenfassen lassen:<br />

(a) 20 - 30 % der Patienten mit Schizophrenie-Diagnosen können in neuropsychologischen<br />

Tests als normal oder annähernd normal leistungsfähig (high-functioning) eingestuft<br />

werden (PALMER et al., 1997; ALLEN, GOLDSTEIN & WARNICK, 2003; WEICKERT et al., 2000).<br />

(b) Allerdings weisen auch High-functioning-Probanden trotz ihres insgesamt hohen<br />

kognitiven Niveaus häufiger als nicht-klinische Vergleichsprobanden Beeinträchtigungen in<br />

einzelnen Funktionsbereichen auf (FLASHMAN & GREEN, 2004). Es ist eine theoretisch<br />

verlockende, aber noch nicht hinreichend geprüfte Hypothese, dass es sich hierbei um<br />

kognitive Kontrollfunktionen handeln könnte: DONOHOE et al. (2006) fanden in einer<br />

Subgruppen-Analyse auch in der Gruppe, deren geschätzter prämorbider <strong>und</strong> aktueller<br />

WAIS-IQ im Normalbereich lag (n = 26/95, d. h. 27 %), Defizite des Kategorienwechsels<br />

<strong>und</strong> in Aufmerksamkeitstests, die das Arbeitsgedächtnis beanspruchen – dies spricht eher<br />

gegen LAWS (1999) Annahme.<br />

(c) High-functioning-Probanden weisen häufig sogar eine höhere prämorbide verbale<br />

Intelligenz <strong>und</strong> Bildung als Kontrollprobanden auf, was auf eine höhere kognitive Reservekapazität<br />

(SATZ, 1993) hindeutet (KREMEN et al., 2000; HOLTHAUSEN et al., 2002).<br />

(d) Werden Patienten <strong>und</strong> Kontrollen anhand ihres aktuellen Gesamt-IQs parallelisiert,<br />

so deutet das Subtest-Profil ebenfalls auf eine Kompensation bestimmter Defizite (z. B. des<br />

Gedächtnisses) durch hoch funktionsfähige Teilleistungen wie verbales Verständnis hin<br />

(WILK et al., 2005).<br />

Ein Bef<strong>und</strong> von WEXLER et al. (2009) legt außerdem nahe, dass sich leistungsschwache<br />

<strong>und</strong> High-functioning-Probanden auch auf neurobiologischer Ebene unterscheiden lassen:<br />

Möglicherweise stellt das Volumen der weißen Gehirn-Substanz ein Substrat der Brain<br />

Reserve Capacity (SATZ, 1993) dar.<br />

Zusammenfassung<br />

Menschen mit Schizophrenie-Diagnosen leiden häufig unter substanziellen<br />

Beeinträchtigungen der elementaren Informationsverarbeitung (»Neurokognition«:<br />

z. B. Daueraufmerksamkeit, Arbeitsgedächtnis) <strong>und</strong> der komplexen kognitiven<br />

Funktionen. Diese scheinen weitgehend morbogene Charakteristika der<br />

Störung zu sein, die sich bereits früh im Krankheitsverlauf feststellen lassen<br />

<strong>und</strong> die den Rehabilitationserfolg mitbestimmen. Obwohl in mehreren Studien<br />

kognitiv leistungsfähige Subgruppen gef<strong>und</strong>en wurden, scheint es sich dabei<br />

um Personen zu handeln, die aufgr<strong>und</strong> ihres hohen intellektuellen Ausgangsniveaus<br />

trotz Erkrankung nicht von der Norm abweichen. Einer der betroffenen<br />

Bereiche, der der sog. <strong>Exekutivfunktionen</strong>, wird im Folgenden näher bestimmt.


22<br />

Wisconsin Card Sorting Test<br />

Die bereits von MATRICS erwähnten <strong>Exekutivfunktionen</strong> (Reasoning and problem solving<br />

sowie working memory) sind ein heterogenes Makrokonstrukt (ZELAZO, CARTER, REZNICK<br />

& FRYE, 1997), das kognitive Prozesse zusammenfasst, die es Menschen erlauben, sich<br />

(auch) durch internale Repräsentationen autonom selbst zu steuern statt nur auf gegebene<br />

Stimulussituationen zu reagieren. Sie dienen also der Erstellung von Programmen für nicht<br />

automatisierte, komplexe <strong>und</strong> zielgerichtete Verhaltensweisen (Selektion von Komponenten,<br />

temporale Organisation) sowie deren Initiierung <strong>und</strong> Steuerung.<br />

Im Alltag <strong>und</strong> in psychologischen Tests werden <strong>Exekutivfunktionen</strong> beansprucht, wenn<br />

der intuitive, automatisierte Modus der Verhaltenssteuerung nicht ausreicht, um anstehende<br />

Aufgaben auszuführen (etwa wenn, wie bei mehreren zu erledigenden Besorgungen, eine<br />

optimale Abfolge bekannter Handlungen bestimmt <strong>und</strong> eingehalten werden muss, oder<br />

wenn die Bearbeitung mehrerer Aufgaben koordiniert werden muss), speziell aber, wenn<br />

eine zielbezogene Neuverknüpfung von Informationen zur Überwindung von Barrieren<br />

zwischen Ist- <strong>und</strong> Sollzuständen (HUSSY, 1998, S. 20), also Problemlösen nötig wird.<br />

Weitere Definitionen von <strong>Exekutivfunktionen</strong> liefern PALMER <strong>und</strong> HEATON (2000).<br />

Eng verwandt <strong>und</strong> kommensurabel mit den verschiedenen Formulierungen von <strong>Exekutivfunktionen</strong><br />

ist die integrative Theorie des Arbeitsgedächtnisses (AG). Nach dem<br />

Mehrkomponenten-Modell von BADDELEY (2003) besteht das Arbeitsgedächtnis ebenfalls<br />

aus einer übergeordneten zentralen Exekutive, die auf untergeordnete verbale, visuellräumliche<br />

<strong>und</strong> episodische Zwischenspeicher (phonological loop, visuospatial sketchpad,<br />

episodic buffer) zurückgreift <strong>und</strong> deren Aktivitäten reguliert <strong>und</strong> koordiniert. Das Arbeitsgedächtnis<br />

interagiert eng mit Strukturen der Sprache <strong>und</strong> des Langzeitgedächtnisses<br />

(LZG), dessen Inhalte zur Bearbeitung in die Zwischenspeicher transferriert werden<br />

müssen (s. Abbildung 1).<br />

visuell-räumlicher<br />

Speicher<br />

visuelle<br />

Semantik<br />

kristalline Intelligenz<br />

zentrale<br />

Exekutive<br />

episodischer<br />

Puffer<br />

episodisches<br />

Langzeit-<br />

Gedächtnis<br />

fluide Intelligenz<br />

phonologischer<br />

Speicher<br />

Sprache<br />

Abbildung 1. Arbeitsgedächtnis (nach Baddeley, 2003, Abb. 5, S. 835)


23<br />

Wisconsin Card Sorting Test<br />

Das LZG beinhaltet wiederum die epistemischen, heuristischen <strong>und</strong> evaluativen Wissensstrukturen,<br />

die die zentrale Exekutive beim Problemlösen abrufen <strong>und</strong> anwenden muss. Sie<br />

setzt dabei Filter zur Selektion relevanter Information, verwaltet die kapazitäts- <strong>und</strong><br />

zeitbegrenzten phonologischen <strong>und</strong> visuellen Speicher <strong>und</strong> kann deren Inhalte durch<br />

elaborierendes Memorieren mit jenen des LZG zu kohärenten Modellen verknüpfen, wobei<br />

neue Relationen zwischen LZG-Elementen gestiftet werden können.<br />

Das Arbeitsgedächtnissystem zeichnet somit verantwortlich für die Ausübung komplexer<br />

kognitiver Kontrollfunktionen, darüber hinaus ist es eng verzahnt mit Sprachproduktion<br />

<strong>und</strong> -rezeption. Bereits diese kurze Skizze des Arbeitsgedächtnisses dürfte verdeutlicht<br />

haben, dass eine konzeptuelle <strong>und</strong> empirische Trennung von <strong>Exekutivfunktionen</strong> <strong>und</strong><br />

Arbeitsgedächtnis sensu BADDELEY (z. B. 2003) nur graduell möglich ist: Exekutive <strong>und</strong><br />

Speichersysteme sind sowohl bei der Bearbeitung typischer Arbeitsgedächtnisaufgaben als<br />

auch bei der Lösung komplexer Probleme kritisch aufeinander angewiesen. Die zentrale<br />

Exekutive ist wegen der Homunculus-Problematik, also ihrer irreduziblen explanativen<br />

Mächtigkeit, das theoretisch unbefriedigendste Element des Arbeitsgedächtnis-Modells.<br />

Es sei außerdem darauf hingewiesen, dass die integrative <strong>und</strong> steuernde Funktion der<br />

zentralen Exekutive häufig auch als »Aufmerksamkeit« bezeichnet wird – so nannten<br />

NORMAN <strong>und</strong> SHALLICE (1986) diese Instanz noch Supervisory Attentional System.<br />

Aufmerksamkeit ist, wie auch »<strong>Exekutivfunktionen</strong>«, ein Regenschirm-Begriff, der<br />

verschiedenartige Funktionen überspannt <strong>und</strong> hier nicht detailliert dargelegt werden soll<br />

(vgl. EYSENCK & KEANE, 2005). POSNER <strong>und</strong> ROTHBART (2007) unterscheiden z. B. Wachheit<br />

(Modulation der sensorischen Sensitivität), Orientierung (Ausrichtung auf Signalquellen)<br />

<strong>und</strong> exekutive Aufmerksamkeit (Lösen von Verarbeitungskonflikten). Auf den missverständlichen<br />

Begriff der Aufmerksamkeit wurde daher verzichtet, auch weil andere Taxonomien<br />

der Kognition bei Schizophrenie hierunter eher Vigilanz, also die Daueraufmerksamkeit<br />

für seltene Ereignisse, verstehen (z. B. MATRICS: NUECHTERLEIN et al., 2004).<br />

Die zentrale Exekutive <strong>und</strong> die von ihr »versklavten« Speicher arbeiten also eng zusammen<br />

– dennoch berichtet die MATRICS eine faktorenanalytische Separierbarkeit reiner<br />

Arbeitsgedächtnis-Tests <strong>und</strong> solcher des »Problemlösens«, von denen meist angenommen<br />

wird, dass sie (auch) exekutive Funktionen operationalisieren. Dies dürfte v. a. auf den<br />

Umstand zurückgehen, dass einfache Arbeitsgedächtnistests (z. B. Zahlenspanne) tatsächlich<br />

primär mnestische Subsysteme beanspruchen, während bei komplexen Tests der<br />

<strong>Exekutivfunktionen</strong> (z. B. WCST, Turm-von-Hanoi) die Kenntnis heuristischer Strategien<br />

<strong>und</strong> weitere fluide Kontroll-Komponenten (z. B. Hemmung irrelevanter Information, s. u.)<br />

zusätzlich stark ins Gewicht fallen. Sobald allerdings die exekutiven Anforderungen in<br />

Arbeitsgedächtnis-Tests steigen (z. B. durch die Einführung von Doppelaufgaben oder der<br />

Notwendigkeit zur mentalen Umstellung des Materials), zeigen sich die erwarteten<br />

Korrelationen mit Problemlösungsaufgaben (vgl. PERRY et al., 2001; GOLD, CARPENTER,<br />

RANDOLPH, GOLDBERG & WEINBERGER, 1997). Auch ergeben sich stärkere Korrelationen,<br />

sobald der Einfluss kristalliner Intelligenzkomponenten auf die Bearbeitung von Problemlösetests<br />

zugunsten fluider exekutiver Komponenten durch didaktische Interventionen<br />

abgeschwächt wird (WIEDL, SCHÖTTKE, GREEN & NUECHTERLEIN, 2004).<br />

Eine theoretisch feiner differenzierte Analyse von Arbeitsgedächtnis <strong>und</strong> <strong>Exekutivfunktionen</strong><br />

liefert die sich 2007 an MATRICS anschließende NIMH-Initiative CNTRICS (Cognitive<br />

Neuroscience Treatment Research to Improve Cognition in Schizophrenia).<br />

Die CNTRICS, deren Ziel die Entwicklung prokognitiver Pharmazeutika ist, wählte einen<br />

stärker kognitiv-neurowissenschaftlichen Zugang zur Kognition bei Schizophrenie (u. a.<br />

Bildgebung, Tiermodelle): Es soll eine Konzentration auf spezifische neurokognitive


24<br />

Wisconsin Card Sorting Test<br />

Funktionen aus den Bereichen (1.) Arbeitsgedächtnis, (2.) episodisches Gedächtnis, (3.)<br />

Aufmerksamkeit, (4.) <strong>Exekutivfunktionen</strong>, (5.) Wahrnehmung <strong>und</strong> (6.) soziale Kognition<br />

<strong>und</strong> affektive Verarbeitung erfolgen. Diese sollen eng mit spezifischen neurobiologischen<br />

Strukturen <strong>und</strong> Prozessen in Zusammenhang gebracht werden können, um so molekulare<br />

Zielbereiche der Pharmakotherapie auszumachen (CARTER & BARCH, 2007). Entsprechend<br />

läuft zurzeit die Erprobung »prozess-reinerer« Tests (z. B. BARCH, BRAVER, CARTER,<br />

ROBBINS & POLDRACK, 2009).<br />

Aus den hier interessierenden Bereichen <strong>Exekutivfunktionen</strong> <strong>und</strong> Arbeitsgedächtnis<br />

wurden vier hinreichend f<strong>und</strong>ierte Konstrukte zur Operationalisierung ausgewählt (KERNS,<br />

NUECHTERLEIN, BRAVER & BARCH, 2008; BARCH & SMITH, 2008). Dies sind (1.) die Fähigkeit,<br />

Zielzustände <strong>und</strong> Regeln abzurufen <strong>und</strong> im Arbeitsgedächtnis aktiviert zu halten, um<br />

Aufmerksamkeit <strong>und</strong> Reaktionsauswahl zu steuern – dieses Konstrukt entspricht Formulierungen<br />

zur Rolle des »Kontexts«, der von COHEN <strong>und</strong> SERVAN-SCHREIBER (1992) definiert<br />

wird als »… information held in mind in such a form that it can be used to mediate an<br />

appropriate behavioral response. This can be a set of task instructions, a specific prior<br />

stimulus, or the result of processing a sequence of prior stimuli …« (S. 46); (2.) die Fähigkeit,<br />

Inhalte des Arbeitsgedächtnisses vor Störungen durch konkurrierende Information zu<br />

schützen, (3.) abstrakte Regeln zu erkennen <strong>und</strong> geeignete auszuwählen; <strong>und</strong> (4.) die Überwachung<br />

der eigenen kognitiven <strong>und</strong> behavioralen Performanz, um Fehler <strong>und</strong> Inkompatibilitäten<br />

zwischen Informationen (d. h. Verarbeitungskonflikte) zu entdecken <strong>und</strong> das<br />

Ausmaß zentraler kognitiver Kontrolle den Erfordernissen anzupassen (vgl. BOTVINICK,<br />

BRAVER, BARCH, CARTER & COHEN, 2001). Eine Übersicht bietet Tabelle 2.<br />

Die differenzierte CNTRICS-Taxonomie bietet die Möglichkeit, die Anforderungsprofile<br />

komplexerer, weniger prozessreiner Tests des Arbeitsgedächtnis <strong>und</strong> des Problemlösens zu<br />

analysieren. Dies erfolgt auch für den im Folgenden beschriebenen Wisconsin Card Sorting<br />

Test, der wegen der umfangreichen, positiven Vorerfahrungen der Osnabrücker Gruppe um<br />

WIEDL (z. B. 1999) in der vorliegenden Arbeit verwendet wird.


Tabelle 2.<br />

Exekutive <strong>und</strong> Arbeitsgedächtnisfunktionen nach der CNTRICS-Taxonomie<br />

<strong>Exekutivfunktionen</strong> (Executive Control)<br />

Generierung <strong>und</strong> Auswahl von Regeln<br />

(Rule Generation and Selection)<br />

Dynamische Anpassung der Kontrolle<br />

(Dynamic Adjustment of Control)<br />

Arbeitsgedächtnis (Working Memory)<br />

Repräsentation von Zielen, Regeln<br />

(<strong>und</strong> anderer »Kontext«-Information)<br />

(Goal Maintenance)<br />

Interferenzkontrolle<br />

(Interference Control)<br />

25<br />

Wisconsin Card Sorting Test<br />

Entwicklung abstrakter Repräsentationen von<br />

Regeln, somit Möglichkeit der Generalisierung auf<br />

neue Situationen <strong>und</strong> Stimuli; Überprüfung <strong>und</strong><br />

Aktualisierung (Wechsel) von Regeln durch<br />

<strong>dynamisch</strong>e Gating-Mechanismen.<br />

[Substrat: DLPFC, Basalganglien]<br />

Steuerung kognitiv-behavioraler Prozesse durch<br />

überdauerende Überwachung der Performanz;<br />

dadurch Detektion von Fehlern <strong>und</strong> Reaktionskonflikten<br />

<strong>und</strong> beständige Anpassung von Art<br />

<strong>und</strong> Ausmaß exekutiver Kontrolle.<br />

[Substrat: Anteriores Cingulum, ACC]<br />

Aktivierung aufgabenrelevanter Ziele <strong>und</strong> Regeln<br />

<strong>und</strong> deren Aufrechterhaltung, um Aufmerksamkeit<br />

<strong>und</strong> Reaktionsselektion zu modulieren.<br />

[Substrat: DLPFC]<br />

Schutz der Inhalte des Arbeitsgedächtnisses vor<br />

Interferenz durch konkurierende internale<br />

Repräsentationen oder externale Stimuli.<br />

[Substrat: linker VLPFC]<br />

Anmerkungen. CNTRICS: Cognitive Neuroscience Treatment Research to Improve Cognition in<br />

Schizophrenia (s. BARCH & SMITH, 2008; KERNS, NUECHTERLEIN, BRAVER & BARCH, 2008);<br />

DLPFC: dorsolateraler präfrontaler Kortext; VLPFC: ventraler lateraler präfrontaler Kortex


3.2 Geschichte des WCST<br />

26<br />

Wisconsin Card Sorting Test<br />

Der Wisconsin Card Sorting Test (WCST) ist vermutlich die bekannteste Operationalisierung<br />

exekutiver Funktionen bei Schizophrenie. Der WCST lässt sich auf theoretische <strong>und</strong><br />

testkonstruktive Vorarbeiten in der Tradition der Denkpsychologie der Würzburger Schule<br />

zurückführen (G. GOLDSTEIN, 2004; ELING, DERCKX & MAES, 2008): Bereits Narziß ACH<br />

(1871 - 1946) hatte eine erste Versuchsanordnung zur systematischen experimentellen<br />

Selbstbeobachtung des Kategorienlernens entwickelt. Obwohl der direkte Nachweis nicht<br />

zu führen ist, gilt es als wahrscheinlich, dass der Neurologe Kurt GOLDSTEIN (1878 - 1965)<br />

während seiner Zeit in Königsberg (1906 – 1914) mit ACH, dem dortigen Ordinarius für<br />

Philosophie (1907 - 1922), <strong>und</strong> seinen Ideen in Berührung kam. Ab 1916 begann GOLDSTEIN<br />

zusammen mit Adhémar GELB (1887 - 1936), dessen vorheriger Kontakt mit den Gestaltpsychologen<br />

Max WERTHEIMER (1880 - 1943) <strong>und</strong> Kurt KOFFKA (1886 - 1941) in Berlin<br />

ebenfalls erwähnenswert ist, an ihrem Frankfurter Institut zur Erforschung der Folgeerscheinungen<br />

von Hirnverletzungen seine bekannten neuropsychologischen Untersuchungen<br />

von verw<strong>und</strong>eten Soldaten. In ihrer Untersuchung des Patienten Th. (1924) verwendeten<br />

sie erstmals den Holmgren-Test auf Farbenblindheit als Sortiertest zur qualitativen<br />

Untersuchung der »abstrakten Haltung«. Zusammen mit ihrem Mitarbeiter Egon WEIGL<br />

(1901 - 1979) entwickelten sie weitere Ordnungstests mit Alltagsgegenständen <strong>und</strong> farbigen<br />

geometrischen Objekten (vgl. WEIGL, 1927).<br />

Nach GOLDSTEINs erzwungener Emigration 1933 wurden diese auf Englisch verfügbar<br />

(vgl. BOLLES & GOLDSTEIN, 1938; GOLDSTEIN & SCHEERER, 1941), ebenso wie ein Paradigma<br />

von Lew S. WYGOTSKI (1896 - 1934). Dieser hatte einen Kategorisierungstest (mit Klötzen in<br />

verschiedenen Farben <strong>und</strong> Abmessungen) u. a. zur Untersuchung des konzeptuellen<br />

Denkens bei Schizophrenie verwendet, der von HANFMANN <strong>und</strong> KASANIN (1937) beschrieben<br />

wurde. Die Arbeiten von GOLDSTEIN <strong>und</strong> WYGOTSKI wurden einige Jahre später<br />

rezipiert von David GRANT an der University of Wisconsin, der seine Studentin Esta BERG<br />

(1948) den »University of Wisconsin Card-Sorting Test« (GRANT & BERG, 1948, S. 404)<br />

entwickeln ließ, den sie als »WEIGL-type card-sorting problem« bezeichneten.<br />

Der WCST wurde als neuropsychologischer Test erstmals von FEY (1951) an Patienten<br />

mit Schizophrenie <strong>und</strong> von MILNER (1963) an Patienten mit Gehirnläsionen eingesetzt.<br />

Seine Popularität stieg jedoch erst nach der Normierung <strong>und</strong> Manualisierung in seiner<br />

heutigen Applikations- <strong>und</strong> Auswertungsform durch HEATON (1981; HEATON, CHELUNE,<br />

TALLEY, KAY & CURTISS, 1993) sprunghaft an. Mittlerweile exisitiert eine halbierte Kurzform<br />

(WCST-64: KONGS, THOMPSON, IVERSON & HEATON, 2000; vgl. GREVE, 2001) sowie<br />

verschiedene, eingeschränkt vergleichbare Computerversionen (s. FELDSTEIN et al., 1999)<br />

<strong>und</strong> eine ebenfalls häufig verwendete modifizierte Version (MCST) von NELSON (1976).<br />

Der WCST erfreut sich in der klinischen Neuropsychologie bis heute großer Beliebtheit:<br />

Bereits in der Umfrage von BUTLER, RETZLAFF <strong>und</strong> VANDERPLOEG (1991) war er der von<br />

Mitgliedern der International Neuropsychological Society (N = 250) am zweithäufigsten<br />

verwendete Test (73 %) nach der WAIS-R (Intelligenz) <strong>und</strong> der am häufigsten verwendete<br />

Test exekutiver Funktionen. Die neueste <strong>und</strong> größte Umfrage zum Thema (RABIN, BARR &<br />

BURTON, 2005; N = 747) zeigt zwar, dass das Interesse am WCST während der 90er Jahre<br />

nachgelassen zu haben scheint – er belegt jetzt nur noch Rang 7, führt aber weiterhin mit<br />

deutlichem Abstand die Rangliste der Verfahren zur Erfassung von <strong>Exekutivfunktionen</strong> an.<br />

Auch ist er ein populäres Forschungsinstrument: V0n 1989 bis 2000 wurde der Test nach<br />

GREVE (2001) in über 500 Studien verwendet, bis 2008 kamen nach eigener Sichtung noch<br />

einmal über 300 Originalarbeiten hinzu.


3.3 Durchführung <strong>und</strong> Kennwerte des WCST<br />

27<br />

Wisconsin Card Sorting Test<br />

Bevor im Folgenden die für die WCST-Bearbeitung erforderlichen kognitiven Funktionen<br />

beschrieben werden, soll der Test, der eine zentrale Rolle in den geplanten Studien<br />

einnimmt, bereits an dieser Stelle ausführlicher beschrieben werden, um das Verständnis<br />

der folgenden Ausführungen zu erleichtern. Die Angaben entstammen KONGS et al. (2000).<br />

Bei der Standarddurchführung des WCST wird ein Proband aufgefordert, Reaktionskarten<br />

mit vier verschiedenen geometrischen Symbolen (Dreieck, Stern, Kreuz, Kreis) in<br />

variierender Farbe (rot, grün, gelb, blau) <strong>und</strong> Anzahl (1 - 4) einzeln jeweils einer von vier<br />

vor ihm aufgereihten Zielkarten zuzuordnen. Die Zielkarten zeigen ein rotes Dreieck, zwei<br />

grüne Sterne, drei gelbe Kreuze <strong>und</strong> vier blaue Kreise. Abbildung 2 zeigt diese Anordnung.<br />

Ein Reaktionskarten-Stapel des WCST umfasst alle möglichen, also 4 3 = 64 Karten.<br />

Während die Originalversion noch zwei identische Stapel umfasste (128 Karten: HEATON et<br />

al., 1993), besteht die Kurzform nur noch aus einem Stapel (WCST-64: KONGS et al., 2000).<br />

FARBE ANZAHL FORM<br />

Abbildung 2. Zielkarten <strong>und</strong> Sortierungsmöglichkeiten (die Grautöne der Abbildung<br />

entsprechen in der Reihenfolge abnehmender Helligkeit Gelb, Grün, Blau <strong>und</strong> Rot)<br />

Der Proband wird dabei weder über die zu identifizierenden Kategorien (d. h. Farbe, Form,<br />

Anzahl), noch über folgende Sortierregeln informiert: (1.) Es wird stets nur nach einer der<br />

drei Kategorien sortiert. (2.) Nach zehn in Serie korrekt sortierten Karten ändert sich das<br />

Klassifikationsmerkmal stillschweigend. (3.) Die Sequenz der für die Sortierung jeweils<br />

korrekten Kategorien beginnt mit Farbe, gefolgt von Form <strong>und</strong> schließlich Anzahl, bevor<br />

erneut bei Farbe begonnen wird. Nach jeder gelegten Karte erhält der Proband lediglich<br />

eine Rückmeldung über die Korrektheit der Sortierung (beschränkt auf »richtig« <strong>und</strong><br />

»falsch«).<br />

Während die Originalform des Tests mit einem Abbruchkriterium appliziert wird (er<br />

wird beendet, falls der Proband sechs 10er-Serien vervollständigt, bevor die 128 Reaktionskarten<br />

verbraucht sind), wird der WCST-64 (KONGS et al., 2000) stets komplett durchge-


28<br />

Wisconsin Card Sorting Test<br />

führt. Für die Langform erschwert dieser Umstand die Einschätzung psychometrischer<br />

Charakteristika, da die Testlänge stichprobenabhängig bzw. interindividuell stark variiert.<br />

Die spezielle Konfiguration der Stimulus-Dimensionen Farbe, Form <strong>und</strong> Anzahl auf<br />

einer Reaktionskarte wiederholt sich innerhalb eines Stapels von 64 Karten nicht, allerdings<br />

werden bei der Langform des Tests zwei gleiche Stapel verwendet. Innerhalb eines<br />

Stapels existieren 24 eindeutige Reaktionskarten, die mit den Zielkarten in jeweils nur<br />

einem Attribut übereinstimmen, <strong>und</strong> 40 mehrdeutige Karten, die mit den Zielkarten in<br />

zwei (36 Karten) oder allen drei Kategorien (4 Karten) übereinstimmen. Diese ambigen<br />

Karten sind zwar häufiger (bzw. immer) auch zufällig korrekt, aber weniger (bzw. überhaupt<br />

nicht) informativ für den Respondenten. Beim modifizierten Kartensortiertest<br />

(MCST) nach NELSON (1976) wurden daher nur zwei Sätze der 24 eindeutigen Reaktionskarten<br />

beibehalten, was die Anforderungscharakteristika des Tests offensichtlich kritisch<br />

verändert (vgl. DE ZUBICARAY & ASHTON, 1996).<br />

Es lassen sich nicht weniger als zehn verschiedene Kennwerte aus den WCST-<br />

Antwortmustern ableiten (s. Übersicht in Tabelle 3): Die gebräuchlichsten sind die Anzahl<br />

korrekt sortierter Karten (richtige Antworten, rA bzw. korrekte Sortierungen, KS), die<br />

Anzahl der ohne Unterbrechung vollendeten Serien von zehn Karten (Kategorien, KAT),<br />

die Anzahl der perseverativen Fehler (PE: Karten, die nach einer zuvor gültigen, jetzt<br />

obsoleten Kategorie sortiert werden) <strong>und</strong> der nicht-perseverativen Fehler (NPE), der<br />

Konzeptantworten (conceptual level responses, CLR: Summe der richtigen Antworten, die<br />

in Serien von min. drei Karten erzielt wurden), der unvollendeten Kategorien (failure to<br />

maintain set, FMS: Serien, die erst nach fünf oder mehr Karten abgebrochen werden) <strong>und</strong><br />

der benötigten Karten bis zur ersten vollendeten 10er-Serie (trials to complete first<br />

category, TCFC). Auf die faktorielle Struktur des WCST wird weiter unten eingegangen.<br />

Tabelle 3.<br />

Kennwerte des WCST nach Heaton (1993)<br />

Richtige Antworten / korrekte<br />

Sortierungen (Total correct)<br />

(RA/KS) Anzahl korrekt sortierter Karten bis zum Ende<br />

bzw. Abbruch<br />

Kategorien (KAT) Anzahl der ohne Unterbrechung vollendeten<br />

10er-Serien<br />

Perseverative Fehler (PE) Anzahl Karten, die nach einer zuvor korrekten,<br />

jetzt falschen Kategorie sortiert werden<br />

Nicht-perseverative Fehler (NPE) Anzahl aller übrigen falsch sortierten Karten<br />

Konzeptantworten (CLR) Anzahl der korrekt sortierten Karten, die in Serien<br />

aus drei bis zehn Karten erzielt werden<br />

Failure to-maintain-set<br />

(Konzeptabbrüche)<br />

Trials to complete first category<br />

(Anzahl Versuche bis zur ersten<br />

Kategorie)<br />

(FMS) Anzahl Serien, die noch nach mindestens fünf<br />

korrekt sortierten Karten abreißen<br />

(TCFC) Anzahl benötigter Karten zur Vollendung der<br />

ersten 10er-Serie (Kategorie)


3.4 WCST-Defizite bei Schizophrenie<br />

29<br />

Wisconsin Card Sorting Test<br />

Der Wisconsin Card Sorting Test galt seit der klassischen Arbeit von MILNER (1963) zur<br />

Beeinträchtigung der Sortierleistung durch präfrontale Läsionen lange Zeit als Königsweg<br />

zur Erfassung von im Frontalhirn gr<strong>und</strong>gelegten, »exekutiven« Funktionen (z. B. KOLB &<br />

WISHAW, 1985, S. 740).<br />

Seitdem Erkrankungen des Schizophrenie-Spektrums aus der Perspektive des erstarkenden<br />

»neo-kraepelinianischen« Paradigmas (vgl. KLERMAN, 1978) zunehmend (wieder)<br />

als »neuro-kognitive« Gehirnerkrankungen konzeptualisiert werden (z. B. GREEN &<br />

NUECHTERLEIN, 1999) etablierte sich das Kartensortier-Paradigma seit den späten 80er<br />

Jahren des 20 Jh. als eines der in der Schizophrenie-Forschung am häufigsten eingesetzten<br />

kognitiven Verfahren (z. B. GOLDBERG, WEINBERGER, BERMAN, PLISKIN & PODD, 1987).<br />

Mit dem Einsatz des WCST verband sich die Hoffnung, durch Analogieschlüsse (d. h.<br />

den Vergleich mit neurologischen Patienten mit bekannten Defiziten <strong>und</strong> Läsionen) <strong>und</strong><br />

den Einsatz bildgebender Verfahren während der Bearbeitung das auch für Schizophrenie-<br />

Erkrankungen vermutete neurobiologische Substrat beeinträchtigter <strong>Exekutivfunktionen</strong><br />

ausfindig zu machen. Die Forschung auf diesem Gebiet wird weiter unten gestreift. Es sei<br />

vorausgeschickt, dass sich auch nach über zwei Jahrzehnten nur wenige konsistente<br />

Bef<strong>und</strong>e (wie etwa den der Beteiligung des dorsolateralen präfrontalen Kortex an der<br />

WCST-Bearbeitung, s. u.) eingestellt haben.<br />

Jenseits vernünftiger Zweifel belegt werden konnte seither jedoch das Faktum einer<br />

Beeinträchtigung von Menschen mit Schizophrenie-Diagnosen im WCST. Aufgr<strong>und</strong> der<br />

großen Menge an Studien <strong>und</strong> der Verfügbarkeit geeigneter Übersichtsarbeiten (z. B.<br />

PALMER & HEATON, 2000; GREEN, 1998; VAN DER DOES & VAN DEN BOSCH, 1992) soll dies<br />

nur kurz durch eine tabellarische Übersicht über die Ergebnisse aller identifizierbaren<br />

quantitativen Metaanalysen abgehandelt werden (s. Tabelle 4).<br />

Tabelle 4.<br />

Ergebnisse der Metaanalysen zu WCST-Defiziten bei Schizophrenie<br />

Metaanalyse k (nd) N ES (95 % CI) Fail-safe N<br />

HEINRICHS & ZAKZANIS (1998, Tab. 5,<br />

S. 431; ungewichtete ES)<br />

HEINRICHS & ZAKZANIS (1998, Tab. 5,<br />

S. 431: mit N gewichtete ES)<br />

LAWS (1999, Tab. 6, S. 19):<br />

WCST PE (gewichtet)<br />

LAWS (1999, Tab. 6, S. 19):<br />

WCST KAT (gewichtet)<br />

JOHNSON-SELFRIDGE & ZALEWSKI (2001, Tab.<br />

3, S. 309): WCST & HST<br />

(gewichtet)<br />

JOHNSON-SELFRIDGE & ZALEWSKI (2001,<br />

S. 308): WCST & HST (ungewichtet)<br />

JOHNSON-SELFRIDGE & ZALEWSKI (2001,<br />

S. 310-311): nur WCST<br />

43 (104) 1387 0,95 (0,85 – 1,04) 884<br />

43 1387 0,88 ---<br />

26 (28) 1516 0,53 (0,38 – 0,68) 293<br />

20 (23) 1064 0,91 (0,76 – 1,05) 585<br />

30 (35) 2140 1,42 183<br />

--- --- ca. 1,72<br />

---<br />

28 --- 2,0 ---


Tabelle 4 (Fortsetzung).<br />

FIORAVANTI et al. (2005, S. 89)<br />

WCST KAT + Stroop + TMT<br />

HENRY & CRAWFORD (2005, Tab. 1, S.<br />

12):<br />

WCST PE<br />

HENRY & CRAWFORD (2005, Tab. 1, S.<br />

12):<br />

WCST KS<br />

DICKINSON et al. (2007, Tab. 1, S. 535):<br />

WCST PE<br />

DICKINSON et al. (2007, Tab. 1, S. 535):<br />

WCST KAT<br />

MESHOLAM-GATELY et al. (2009, Tab. 4,<br />

S. 322): WCST PE<br />

MESHOLAM-GATELY et al. (2009, Tab. 4,<br />

S. 322): WCST KAT<br />

30<br />

Wisconsin Card Sorting Test<br />

38 2671 1,01 < ES < 1,18 ---<br />

43 2525 0,98 (0,85 – 1,09) 7627<br />

40 2295 1,06 (0,93 – 1,19) 7470<br />

23 1295 0,81 (0,67 – 0,94) ---<br />

20 1018 1,00 (0,81 – 1,19) ---<br />

10 (10) 703 0,81 (0,60 – 1,01) ---<br />

12 (12) 749 0,84 (0,64 – 1,04) ---<br />

Anmerkungen. Alle Effektstärken (ES) werden hier mit positivem Vorzeichen berichtet, was jeweils eine geringere Leistung der<br />

Schizophrenie-Gruppe indiziert. Berichtet werden nur die Größen der klinischen Gruppen (N), nicht der Kontrollen. JOHNSON-<br />

SELFRIDGE <strong>und</strong> ZALEWSKI (2001) verwendeten für die ES (∆) die geringere SD der Kontrollgruppen. FIORAVANTI et al. (2005) berichten<br />

nur den Bereich der ES. HENRY <strong>und</strong> CRAWFORD (2005) berichten r, dies wurde nach der Beziehung d = 2*r/(1 - r 2 ) 0,5 umgerechnet. Die<br />

deutlichen Unterschiede im Fail-safe N erklären sich aus unterschiedlichen Setzungen eines geringen Effekts (0 – 0,2). MESHOLAM-<br />

GATELY et al. (2009) bezogen ausschließlich Erstmanifestations-Studien ein.<br />

HST: Halstead Category Test (REITAN, 1979); WCST: Wisconsin Card Sorting Test (PE: perseverative Fehler; KAT: Kategorien; KS:<br />

korrekte Sortierungen); ES: Effekststärke (d); k = Anzahl Originalarbeiten; n_d: Anzahl verrechneter ES;<br />

N: Größe der gepoolten Schizophrenie-Stichprobe; Fail-safe N: Anzahl der Studien, die benötigt würden, um die ES auf einen geringen<br />

Effekt zu reduzieren (ORWIN, 1983).<br />

Die Ergebnisse zeigen klar, dass die WCST-Performanz der Patienten in der Mehrheit der<br />

Studien zwischen 0,8 <strong>und</strong> 1,0 Standardabweichungen schlechter ausfällt als die der<br />

Kontrollen, was etwa einer 50prozentigen Überlappung der Verteilungen entspricht. Die<br />

WCST-Defizite liegen damit in den verfügbaren Metaanalysen im Mittelfeld eines breiten<br />

Spektrums kognitiver Beeinträchtigungen, das angeführt wird von Störungen des verbalen<br />

Gedächtnisses (ALEMAN et al., 1999) <strong>und</strong> möglicherweise der sozialen Kognition (HOEKERT,<br />

KAHN, PIJNENBORG & ALEMAN, 2007). WCST-Defizite fallen damit nahezu doppelt so groß<br />

aus wie Effektstärken für Unterschiede, die mit Hilfe bildgebender Verfahren (strukturelles<br />

MRT, PET) nachgewiesen wurden (HEINRICHS, 2005).<br />

3.5 Konzeptuelle Analyse der WCST-Performanz<br />

Obwohl das Anforderungsprofil des WCST bereits in der Durchführung anklang, sollen die<br />

beanspruchten kognitiven Prozesse <strong>und</strong> Subsysteme noch einmal dekomponiert <strong>und</strong><br />

Bezüge zu Erkenntnissen aus der Schizophrenieforschung aufgezeigt werden.<br />

Hierbei erfolgt eine grobe Orientierung an einem konzeptuellen Schema zur Analyse von<br />

Testperformanz von CARLSON <strong>und</strong> WIEDL (1992), das im Rahmen des von diesen Autoren<br />

vertretenen Ansatzes der Dynamischen Testdiagnostik dazu dient, zu analysieren, wie sich<br />

Test <strong>und</strong> Anforderungssituation so gestalten lassen, dass eine optimale Übersetzung von<br />

Kompetenz in Performanz erfolgt (vgl. GUTHKE & WIEDL, 1996). CARLSON <strong>und</strong> WIEDL<br />

(1992) unterscheiden drei Bereiche performanzrelevanter Faktoren (s. Tabelle 5).


Tabelle 5.<br />

Konzeptuelles Schema zur Analyse der Testperformanz<br />

(nach Carlson & Wiedl, 1992, 2000)<br />

I. Aufgabencharakteristika<br />

Ebene praktische Aktivität<br />

II. Personale Faktoren<br />

direkte Wahrnehmung<br />

indirekte Wahrnehmung<br />

Strukturen epistemisch<br />

linguistisch-konzeptuelles Wissen<br />

heuristisch<br />

Komponenten basale Fertigkeiten<br />

Prozesse Analyse<br />

(z. B. Klassifikation, Relationen herstellen)<br />

prozedurale Charakteristika<br />

(z. B. Flexibilität, Selbstregulation)<br />

Orientierungsvariablen<br />

(z. B. aufgabenspezifische Orientierung)<br />

Synthese<br />

III. Diagnostische Ansätze<br />

Modifikation<br />

Kompensation<br />

implizit – explizit<br />

prädeterminiert – selbstbestimmt<br />

prosthetisch<br />

katalytisch<br />

Inhibition komplizierende Faktoren<br />

31<br />

Wisconsin Card Sorting Test<br />

I. Merkmale der Aufgabe: Erfordert der zu bearbeitende Test vor allem praktische,<br />

manuelle Bearbeitung, direkte Wahrnehumg von Stimuli, Visualisierungsvermögen oder<br />

konzeptuelles Wissen?<br />

II. Merkmale der Person: Welche Wissensstrukturen werden angesprochen? Wie viel<br />

Faktenwissen <strong>und</strong> welche Operatoren zur zielbezogenen Neuverknüpfung von Informationen<br />

stehen in den epistemischen <strong>und</strong> heuristischen Strukturen des Langzeitgedächtnisses<br />

zum Abruf bereit (vgl. DÖRNER, 1979)? Welche kognitiven, metakognitiven <strong>und</strong><br />

affektiv-motivationalen Fertigkeiten <strong>und</strong> Dispositionen bringt der Testnehmer mit?<br />

Aus dem Zusammenspiel von Wissensstrukturen <strong>und</strong> sonstigen personalen Komponenten<br />

resultieren schließlich unterschiedliche Bearbeitungsprozesse. Diese lassen sich z.B. als<br />

synthetisches <strong>und</strong> analytisches Problemlösen oder, abhängig vom Bekanntheitsgrad von<br />

Ist-/Sollzuständen <strong>und</strong> Operatoren, als Prozesse der Überwindung von Interpolations-,<br />

Synthese- oder dialektischer Barrieren beschreiben (DÖRNER, 1979).<br />

III. Diagnostische Ansätze: Um zu verstehen, welche Faktoren des <strong>dynamisch</strong>en Zusammenspiels<br />

von Individuum <strong>und</strong> Anforderungssituation (s. GUTHKE & WIEDL, 1996, S. 56)


32<br />

Wisconsin Card Sorting Test<br />

der optimalen Potenzialentfaltung entgegenstehen <strong>und</strong> wo deren Grenzen liegen, schlagen<br />

die Autoren im Geiste der Dynamischen Testdiagnostik die systematische, theoriegeleitete<br />

Variation der Diagnostik vor.<br />

Hier werden zunächst neben der echten Modifikation zwei Formen der Kompensation<br />

unterschieden: Von einer katalytischen Kompensation kann gesprochen werden, wenn zu<br />

erhebendes Potenzial durch die Kompensation personaler Nontarget-Faktoren aufgeschlossen<br />

wird. Ein stark vereinfachendes Beispiel: Soll ein Schüler den Abstand zwischen Sonne<br />

<strong>und</strong> Erde berechnen anhand der Zeit, die das Licht für diese Strecke benötigt (ca. 8min,<br />

19s), so ließe sich seine Rechenfähigkeit (aber eben nicht sein astronomisches Faktenwissen)<br />

besser einschätzen, wenn zuvor seine Unkenntnis der Lichtgeschwindigkeit kompen-<br />

siert würde (c = 299.792,458m/s 499s × c = ca. 149,6 Mio. km).<br />

Im Falle der rein prosthetischen Kompensation werden Hilfen bereitgestellt, um Defizite<br />

für die Dauer der Intervention auszugleichen. Dies hat zwar eine Leistungssteigerung im<br />

spezifischen kompensatorischen Bearbeitungskontext zur Folge, diese generalisiert aber<br />

nicht auf nicht-kompensierende Anforderungssituationen. Wird die Hilfe entzogen, fällt<br />

das Performanzniveau ab. Im o. g. Beispiel entspräche dies der Vewendung eines Taschenrechners<br />

bei Rechenschwäche des Schülers (solange der Lösungsweg beherrscht oder<br />

vorgegeben wird). Der Typ des diagnostischen Ansatzes kann häufig nur a posteriori über<br />

die Beobachtung des Performanzverlaufs nach Trainingsende oder über Generalisierungsaufgaben<br />

bestimmt werden.<br />

Ansätze der Inhibition zielen schließlich ab auf die Beobachtung von Reaktionen auf die<br />

Einführung widriger Umstände (z. B. Stressoren) <strong>und</strong>/oder die Erhöhung der Komplexität<br />

der Aufgabe; allerdings umfasst diese Kategorie auch das inzidentelle Phänomen einer<br />

unbeabsichtigten Performanzhemmung durch modifikatorisch oder kompensatorisch<br />

gedachte Interventionen.<br />

In den folgenden Abschnitten werden die Aufgabencharakteristika des WCST <strong>und</strong> die<br />

entsprechend beanspruchten personalen Faktoren unter Berücksichtigung von Ergebnissen<br />

der Schizophrenieforschung dargestellt. Es wird hierbei ausdrücklich nicht der Anspruch<br />

einer vollständigen kognitionspsychologischen Analyse erhoben, die auch durch den<br />

Umstand erschwert wird, dass der WCST von Seiten der Kognitionspsychologie wenig<br />

rezipiert wurde (vgl. EYSENCK & KEANE, 2005, Kap. 9, S. 293-313, <strong>und</strong> Kap. 13, S. 433-464).<br />

Zudem sind der angestrebten Analyse Grenzen gesetzt: Beobachteten WCST-Defiziten<br />

können durchaus unterschiedliche einzelne bzw. unterschiedlich gewichtete Kombinationen<br />

von Ursachen zugr<strong>und</strong>e liegen, sie sind also stets als gemeinsame Endstrecke zu<br />

verstehen (z. B. ist es denkbar, dass »perseverierendes« Sortierverhalten durch eine<br />

Störung kognitiver Kontrollfunktionen, durch eine eigentümliche Sortierregel oder<br />

fehlende Motivation zustande kommt). Eine differentielle Interpretation der WCST-Scores<br />

ist daher nur eingeschränkt möglich.<br />

Dem konzeptuellen Schema von CARLSON <strong>und</strong> WIEDL (1992) folgend, wird im Anschluss<br />

mit dem Dynamischen Wisconsin Card Sorting Test (WCSTdyn: WIEDL, 1999) ein Ansatz<br />

der katalytischen bzw. prosthetischen Kompensation von Defiziten vorgestellt. Abschließend<br />

wird ein Modell von GREVE, LOVE, SHERWIN, MATHIAS, RAMZINKSI et al. (2002) eingeführt,<br />

dass eine Hierarchie verschiedener Performanzkomponenten des WCST postuliert<br />

<strong>und</strong> entsprechende Annahmen über die Validität unterschiedlicher Kennwerte macht.


3.5.1 Attributidentifikation / Abstraktionsvermögen<br />

33<br />

Wisconsin Card Sorting Test<br />

Bereits in den 30er Jahren des 20 Jh. vermuteten Lew WYGOTSKI (1934) <strong>und</strong> Kurt<br />

GOLDSTEIN (BOLLES & GOLDSTEIN, 1938) eine f<strong>und</strong>amentale Beeinträchtigung des Abstraktionsvermögens<br />

bei Schizophrenie analog zu den Störungen, die bei organischen Gehirnschädigungen<br />

beobachtet worden waren.<br />

Zurückgehend auf diese Forschungstraditionen wird die »abstrakte Haltung« sensu<br />

K. GOLDSTEIN (nach G. GOLDSTEIN, 2004, S. 293) mit Sortieraufgaben erfasst, bei denen<br />

Objekte selbst gebildeten oder dem Testmaterial inhärenten Kategorien zugeordnet werden<br />

müssen (z. B. WEIGL, 1927). Unter Abstraktion wurde in diesem Zusammenhang typischerweise<br />

»… that aspect of the discrimination process which involves the response to a given<br />

sensory dimension in the presence of variation of the stimuli in other dimensions«<br />

verstanden (WOHLWILL, 1957, 304-305). Wie aus dieser Definition ersichtlich, vermischen<br />

sich im Begriff der Abstraktion sowohl epistemische als auch attentionale Prozesse (d. h.<br />

Erkenntnis bzw. selektive Beachtung <strong>und</strong> Nutzung von Kategorien). Eine Übersicht über<br />

frühe Studien in diesem Bereich bietet WRIGHT (1975). Der Wisconsin Card Sorting Test<br />

(WCST) ist bis heute der prominenteste Vertreter dieser Testfamilie.<br />

»Regelbasierte Test des Kategorienlernens« wie der Wisconsin Card Sorting Test (vgl.<br />

ASHBY & MADDOX, 2005) weisen einige typische Merkmale auf: (1a) Nach der direkten<br />

Wahrnehmung der Ziel- <strong>und</strong> Reaktionsstimuli müssen die entscheidungsrelevanten<br />

Reizmerkmale abstrahiert werden (Attribut-Identifikation). (1b) Hierzu müssen diese<br />

ausreichend salient sein. Von »separierbaren« Dimensionen werden »integrale« Dimensionen<br />

(z. B. Farbsättigung) unterschieden, die nur schwer oder gar nicht selektiv beachtet<br />

werden können.<br />

(1c) Menschen verarbeiten die sensorischen Dimensionen auch semantisch, um sie<br />

selektiv beachten zu können. Echte Sprachfähigkeit scheint für das Kategorienlernen jedoch<br />

nicht notwendig zu sein: MANSOURI <strong>und</strong> TANAKA (2002) gelang es, Rhesus-Affen in einem<br />

WCST-ähnlichen Test generalisierende Kategorien beizubringen, was darauf hindeutet,<br />

dass abstrakte Stimulusdimensionen auch ohne einen im engeren Sinne sprachlichen Code<br />

in einem Arbeitsgedächtnis gespeichert werden können. Menschen allerdings greifen im<br />

WCST offenbar stark auf semantische Kategorien 1 zurück (BEATTY, JOCIC, MONSON &<br />

KATZUNG, 1994).<br />

(2.) Es müssen logische Sortierregeln existieren, wie von der Information auf Ebene der<br />

Stimulusdimensionen zu einer Entscheidung über die Kategorisierung gelangt werden kann<br />

(z. B. Konjunktionsregeln: vgl. HAYGOOD & BOURNE, 1965, Tab. 2, S. 178). Diese können<br />

meist vergleichsweise einfach gef<strong>und</strong>en <strong>und</strong> verbalisiert werden. Sortierregeln sind Thema<br />

eines späteren Abschnitts.<br />

Ein gr<strong>und</strong>legendes Problem bei der Diskussion der relativen Bedeutung der Attributidentifikation<br />

für die WCST-Performanz besteht darin, dass sie sich nicht einfach an der<br />

Anzahl erreichter Kategorien ablesen lässt. Dies wird durch ein mathematisches Modell der<br />

Kategorisierungsfähigkeit verdeutlicht (SMITH, 1989). Dem Weighted-Dimensions Plus<br />

Identity-Modell zufolge können bereits Kleinkinder die Attribute einfacher Stimuli identifizieren,<br />

aber dennoch häufig keine »dimensionalen Identitätsklassifikationen«, d. h. eine<br />

1 »Konzept« <strong>und</strong> »Kategorie« werden in der WCST-Literatur häufig austauschbar verwendet. Der häufig bemühte<br />

Begriff der »Konzeptbildung« (concept formation) ist dennoch unglücklich gewählt: Streng genommen geht es beim<br />

WCST um Kategorien, also um Klassen von Objekten bzw. Entitäten, während Konzepte komplex organisierte mentale<br />

Repräsentationen von Objekten mit gemeinsamen Merkmalen sind. So zählt beispielsweise die Romeo y Julieta<br />

Churchill zur Kategorie der Zigarren, während das Konzept Zigarre Objekte enthält, die aus Tabak bestehen, ein<br />

Deckblatt <strong>und</strong> eine bestimmte Größe haben, rauchbar sind etc.


34<br />

Wisconsin Card Sorting Test<br />

Passung nach einzelnen Dimensionen vornehmen, weil diese das Ergebnis zweier Merkmale<br />

sind, die erst entwickelt werden müssen: Erstens muss hinreichend kognitive Kapazität<br />

für eine perfekte selektive Beachtung einer Stimulusdimension bestehen – dieser Bereich<br />

der <strong>Exekutivfunktionen</strong> <strong>und</strong> des Arbeitsgedächtnisses ist Thema des folgenden Abschnitts.<br />

Zweitens muss eine Präferenz der Identität als Klassifikationsziel bestehen. Nach<br />

SMITH (1989) wird erst im Lauf der Individualentwicklung ein Streben nach Äquivalenzrelationen<br />

ausgebildet, das dazu führt, dass bei der Berechnung der Ähnlichkeit von<br />

Objekten einzelne Stimulusdimensionen zunehmend differentiell gewichtet werden. Diese<br />

zunehmende Bevorzugung von Identität lässt sich auch als bildungsabhängige Entwicklung<br />

<strong>und</strong> Anwendung von Operatoren des Problemlösens beschreiben – dies ist Gegenstand des<br />

übernächsten Abschnitts. Ob die von SMITH (1989) postulierten Komponenten ein passendes<br />

Modell konstituieren, sei dahingestellt – es illustriert zumindest, wie die im WCST<br />

beobachteten Klassifikationsschwierigkeiten als gemeinsame Endstrecke unterschiedlicher,<br />

kaum zu trennender partieller Beeinträchtigungen gedacht werden können.<br />

Menschen mit Schizophrenie-Diagnosen zeigen bereits in frühen Phasen des WCST Beeinträchtigungen,<br />

also noch bevor ein erster Kategorienwechsel (<strong>und</strong> damit z. B. Inhibitionskontrolle)<br />

nötig wird: PRENTICE, GOLD <strong>und</strong> BUCHANAN (2008) fanden, dass sie bereits bei<br />

den ersten vier sortierten Karten schlechter abschnitten als Kontrollpersonen. Obwohl die<br />

Autoren dies als Hinweis auf die mangelnde Wirksamkeit von Rückmeldung (s. u.)<br />

interpretieren, besteht die Möglichkeit, dass auch Schwierigkeiten bei der Attributidentifikation,<br />

also die Unkenntnis der Kategorien, die Performanz herabgesetzt haben.<br />

Für Patienten mit frontalen Läsionen (v. a. des dorsolateralen präfrontalen Kortex <strong>und</strong><br />

des anterioren Cingulums) stellten STUSS et al. (2000) allerdings fest, dass die WCST-<br />

Kategorien häufig spontan verbalisiert werden konnten (S. 399) <strong>und</strong> dass deren Mitteilung<br />

die Leistung nicht verbesserte.<br />

Hingegen berichteten METZ, JOHNSON, PLISKIN <strong>und</strong> LUCHINS (1994) bei der Überprüfung<br />

eines didaktischen WCST-Trainings (s. u.), dass 10 ihrer 22 Patienten mit Schizophrenie-<br />

Diagnosen (45 %) ihre Leistung allein durch die Mitteilung der Regeln ohne deren Einübung<br />

verbesserten. Entsprechend mussten KERN, WALLACE, HELLMAN, WOMACK <strong>und</strong><br />

GREEN (1996) bei der Überprüfung einer anderen Trainingsprozedur, dem sog. »Errorless<br />

learning« (s. u.) feststellen, dass 7 von 34 rekrutierten, z. T. chronisch erkrankten Schizophrenie-Patienten<br />

(21 %) die Stimulusdimensionen nicht identifizieren konnten.<br />

Die meisten Probanden mit Schizophrenie scheinen Attribut-Identifikation allerdings zu<br />

beherrschen: Bereits PISHKIN <strong>und</strong> BOURNE (1981) fanden, dass 144 Personen mit Schizophrenie-Diagnosen<br />

(allerdings nach DSM-II!) beim Kartensortieren ebenso gut wie 144<br />

Kontrollprobanden die relevanten, nicht mitgeteilten Attribute abgebildeter Objekte (Form,<br />

Farbe, Größe, Anzahl) herausfinden konnten, nachdem vorher eine bestimmte Sortierregel<br />

eingeübt wurde (z. B. Konjunktionsregel: z. B. »Gesucht werden Objekte, die beide<br />

gesuchten Merkmale zugleich aufweisen«). Umgekehrt hatten sie jedoch Schwierigkeiten,<br />

eine Sortierregel induktiv zu erschließen, nachdem vorher die relevanten Attribute benannt<br />

wurden (etwa: »Gesucht wird eine Regel, die mit roten <strong>und</strong> kreisförmigen Objekten zu tun<br />

hat«). Tatsächlich fiel dies der Kontrollgruppe sogar noch leichter als die Attribut-Identifikation.<br />

Dies scheint darauf hinzuweisen, dass weniger die Abstraktion von Kategorien als<br />

vielmehr der nächste Schritt regelbasierter Kategorienlernaufgaben, das Erschließen<br />

abstrakter Sortierregeln, ein differentielles Problem für Probanden mit Schizophrenie<br />

darstellt. Hierzu ist allerdings anzumerken, dass zu erschließenden Regeln bei PISHKIN <strong>und</strong><br />

BOURNE (1981) deutlich komplizierter waren als die des WCST (z. B. Disjunktion: X oder Y


35<br />

Wisconsin Card Sorting Test<br />

oder beides), was die Vergleichbarkeit der Paradigmen einschränkt. Tatsächlich ist<br />

Regellernen im WCST von eher untergeordneter Bedeutung – wichtig ist vielmehr, keine<br />

überflüssigen Regeln zu vermuten (s. u.).<br />

Bevor unten empirische Studien referiert werden, die einen Beitrag der Abstraktion von<br />

Stimulus-Dimensionen zur WCST-Leistung belegen <strong>und</strong> abschließend die Hierarchie der<br />

Stimulusdimensionen untersucht wird, erfolgt ein kursorischer Ausflug in die Themengebiete<br />

Arbeitsgedächtnis, semantische Verarbeitung <strong>und</strong> perzeptuelle Organisation, die<br />

zum Verständnis von Abstraktionsschwierigkeiten bei Schizophrenie beitragen können. Es<br />

werden drei nicht ausschließliche heuristische Annahmen zur Abstraktion gemacht, die<br />

helfen, die im Anschluss beschriebenen Bef<strong>und</strong>e zur Konstruktvalidität des WCST einzuordnen.<br />

Diese lauten:<br />

(1.) Abstraktion im WCST erfordert ein Arbeitsgedächtnis.<br />

(2.) Abstraktion im WCST wird unterstützt durch semantische Netzwerke.<br />

(3.) Abstraktion im WCST erfordert eine Abwärtsmodulation der Wahrnehmung.<br />

(1.) Attributidentifikation erfordert bestimmte Kontroll- <strong>und</strong>/oder Kapazitätsmerkmale des<br />

Arbeitsgedächtnisses – hierbei könnte es sich um die Fähigkeit handeln, Dimensions-<br />

Repräsentationen zu aktivieren, temporär aktiviert zu halten <strong>und</strong> interferenzfrei zu<br />

verwenden. Dies muss nicht notwendigerweise in einem sprachlichen Code erfolgen (der<br />

gleichwohl sehr viel leistungsfähiger ist, s. u.).<br />

Auf neurobiologischer Ebene entspricht dies möglicherweise einer angemessenen Erregungsausbreitung<br />

<strong>und</strong> -hemmung in separaten posterioren Neuronenverbänden, die die<br />

entsprechenden Stimulus-Qualitäten codieren (vgl. JONIDES, LACEY & NEE, 2005) <strong>und</strong><br />

deren Aktivität von Projektionen präfrontaler Areale wie dem dorsolateralen präfrontalen<br />

Kortex (DLPFC) moduliert wird (vgl. BERMAN et al., 1995). »Abstraktion« ist aus dieser<br />

Perspektive eine Leistung, die ermöglicht wird durch eine hohe Kapazität, Differenzierung<br />

<strong>und</strong> <strong>dynamisch</strong>e Regulation eines informationsverarbeitenden Systems. Ein solches<br />

allgemein gehaltenes Modell könnte auch nicht-sprachliche »Abstraktionsleistungen« im<br />

WCST bei nicht-menschlichen Primaten erklären (z. B. MANSOURI & TANAKA, 2002). Eine<br />

erste heuristische Annahme könnte also lauten, dass Störungen des Arbeitsgedächtnis-<br />

Systems die Abstraktionsfähigkeit limitieren.<br />

Hierzu könnten sowohl basale nicht-exekutive Defizite, die intradimensionale Assoziationen<br />

schwächen, als auch exekutive, inhibitorische Defizite (bedingt z. B. durch präfrontale<br />

Hypodopaminergie: vgl. JAZBEC et al., 2006), die konfliktfreie extradimensionale<br />

Wechsel möglich machen, beitragen. Es könnte argumentiert werden, dass tatsächlich<br />

beide Aspekte – die strukturelle innere Kohärenz <strong>und</strong> die <strong>dynamisch</strong>e Exzitation <strong>und</strong><br />

Hemmung einer Kategorie –, »Abstraktion« ausmachen (für eine vertiefende Darstellung<br />

von Modellen des Arbeitsgedächtnis s. MIYAKE & SHAH, 1999). Arbeitsgedächtnisdefizite bei<br />

Schizophrenie gelten als gut belegt (z. B. LEE & PARK, 2005). Zusammenhänge zwischen<br />

Arbeitsgedächtnismaßen <strong>und</strong> dem WCST werden im kommenden Abschnitt referiert.<br />

(2.) Menschen nutzen speziell ihr semantisches System zu einer drastischen Erhöhung der<br />

Kapazität <strong>und</strong> Flexibilität ihrer Informationsverarbeitung in einem breiten Spektrum<br />

kognitiver Tätigkeiten. Eine zweite Annahme könnte lauten, dass die Aktivierung <strong>und</strong>/oder<br />

Anwendung semantischer Kategorien bei der Analyse von WCST-Stimuli <strong>und</strong> -Regeln<br />

abgeschwächt ist. Dies kann als Spezialfall von Annahme 1 gesehen werden: Auch


36<br />

Wisconsin Card Sorting Test<br />

komplexere semantische Verarbeitungsprozesse beanspruchen wie der WCST frontale<br />

Arbeitsgedächtnisstrukturen (DLPFC) (BARDE & THOMPSON-SCHILL, 2002).<br />

Bereits die Instruktion zum WCST sollte die Existenz explizierbarer Attribute <strong>und</strong> eine<br />

linguistisch-konzeptuelle Verarbeitung nahelegen (»You will be asked to match each of the<br />

cards in this deck to one of these four key cards. … I cannot tell you how to match the<br />

cards, but I will tell you each time whether you are right or wrong«: nach KONGS et al.,<br />

2000, S. 5).<br />

Es liegen Bef<strong>und</strong>e mit Wortflüssigkeitstests vor, die zeigen, dass der selbstregulierte<br />

Zugriff auf lexikalische Strukturen <strong>und</strong> die Fähigkeit zur semantischen Klassifikation bei<br />

Schizophrenie eingeschränkt sind, was wiederum in Zusammenhang mit klinisch beurteilten<br />

formalen Denkstörungen gebracht werden kann – auch hier können auf lokaler<br />

(temporaler) Ebene Störungen der Erregungsleitung angenommen werden. Eine Übersicht<br />

geben GOLDBERG <strong>und</strong> WEINBERGER (2000).<br />

Insgesamt ist die Bef<strong>und</strong>lage in diesem Bereich nicht eindeutig: Zwar korreliert der<br />

WCST mit dem Desorganisationsfaktor klinischer Interviews wie der PANSS (z. B. GOOD et<br />

al., 2004), <strong>und</strong> letzterer beinhaltet auch semantische Klassifikationsaufgaben, allerdings<br />

deutlich konf<strong>und</strong>iert mit anderen kognitiven Bereichen (z. B. Aufmerksamkeit). Semantische<br />

Wortflüssigkeit <strong>und</strong> WCST laden hingegen, obwohl beide u. a. als Tests exekutiver<br />

Funktionen gelten (vgl. HENRY & CRAWFORD, 2005), auf unterschiedlichen Faktoren (vgl.<br />

NUECHTERLEIN et al., 2004), möglicherweise weil Wortflüssigkeit eine starke Speed-<br />

Komponente hat.<br />

Passend zur Annahme eines semantischen Organisationsdefizits fanden BEATTY, JOCIC,<br />

MONSON <strong>und</strong> KATZUNG (1994) bei nicht-stationären Patienten (N = 21) Zusammenhänge<br />

zwischen dem WCST <strong>und</strong> dem California Card Sorting Test (CCST: DELIS, SQUIRE, BIHRLE<br />

& MASSMAN, 1992), einem weiteren Test der semantischen Kategorienbildung in WYGOTSKI-<br />

GOLDSTEIN-Tradition. Im CCST müssen Wort-Karten nach selbst gebildeten <strong>und</strong> vorgegebenen<br />

semantischen Kategorien sortiert sowie eigene <strong>und</strong> durch Sortierungen vorgegebene<br />

Kategorien benannt werden. Die Anzahl generierter Kategorien <strong>und</strong> die Qualität der<br />

Erklärungen im CCST korrelierten außerordentlich hoch mit der Anzahl vervollständigter<br />

Kategorien im WCST (r = .64 bzw. .72, p < .01). Dies kann als Hinweis darauf verstanden<br />

werden, dass der WCST tatsächlich auch die Fähigkeit zur Nutzung semantischer Kategorien<br />

erfasst.<br />

(3.) Die Forschung zur perzeptuellen Organisation bei Schizophrenie (vgl. UHLHAAS &<br />

SILVERSTEIN, 2005; UHLHAAS & MISHARA, 2007) konnte zeigen, dass durch eine reduzierte<br />

Top-down-Modulation der Wahrnehmung bei Stimuli mit geringer inhärenter Organisation<br />

Defizite der automatischen, präattentiven perzeptuellen Organisation (d. h. der Wahrnehmung<br />

prägnanter Gestalten) auftreten. Entsprechende Modelle vermuten also einen<br />

reduzierten Einfluss des »Kontextes« (d. h. von Gedächtnisinhalten: vgl. HEMSLEY, 2005)<br />

auf die Wahrnehmung. Diese relative Dominanz des perzeptuellen Aufwärtsstroms bei<br />

Schizophrenie zeigen Untersuchungsanordnungen, aus denen sich Verarbeitungsvorteile<br />

für Probanden mit Schizophrenie ergeben, wenn nicht-erkrankten Probanden durch ihre<br />

relativ stärkere Abwärtsorganisation Nachteile erwachsen.<br />

Menschen mit Schizophrenie zeigen hingegen kein Defizit der automatischen Konstruktion<br />

kohärenter Objektrepräsentationen bei hoch organisierten Stimuli – solchen also, die<br />

ihre Gestalt bereits mitbringen. Aus solchen besteht zweifellos der WCST: Seine farbigen<br />

geometrischen Figuren weisen eine minimale intrinsische Komplexität auf (vgl. FELDMAN,<br />

2003) <strong>und</strong> dürften zu den vertrautesten abstrakten Formen überhaupt zählen. Ihre


37<br />

Wisconsin Card Sorting Test<br />

elementaren Dimensionen werden bereits in einem früheren Stadium der Perzeptbildung in<br />

spezialisierten okzipitalen, inferotemporalen <strong>und</strong> parietalen Gehirnarealen codiert (z. B.<br />

FREEDMAN & MILLER, 2008; HEIDER, 2000; DEHAENE, PIAZZA, PINEL & COHEN, 2003).<br />

Gerade im Zusammenspiel mit Defiziten des Arbeitsgedächtnisses, das benötigt wird,<br />

um WCST-Stimuli vergleichend auf diskriminative intra- <strong>und</strong> extradimensionale Variationen<br />

zu untersuchen, könnte die hohe Salienz der Gestalten oder die relative Dominanz der<br />

Bottom-up-Verarbeitung dafür sorgen, dass bereits die perzeptive Analyse (d. h. »Auflösung«<br />

der Gestalten) bei Schizophrenie abgeschwächt ist, mit entsprechenden Folgen für<br />

nachgeschaltete attentionale <strong>und</strong> semantische Verarbeitungsprozesse.<br />

Eine Alternativ-Hypothese könnte darin bestehen anzunehmen, dass das Stimulus-<br />

Material zu unvertraut ist. Zwar wurden noch keine Studien zu diesen Fragen durchgeführt.<br />

KANTROWITZ, REVHEIM, PASTERNAK, SILIPO <strong>und</strong> JAVITT (2009) konnten aber zumindest<br />

demonstrieren, dass schon eine Substitution der abstrakten geometrischen Formen durch<br />

lächelnde Cartoon-Gesichter, die sich in Geschlecht, Alter <strong>und</strong> Haarfarbe unterscheiden,<br />

die Leistung verbessert (sog. Rockland Face Sorting Test, RFST).<br />

Hinweise auf eine Konstruktvalidität des WCST als Test der Abstraktion geben eine<br />

Reihe von Studien, deren experimentelle Paradigmen sich zwar unterscheiden, deren<br />

kleinster gemeinsamer Nenner aber die Attributidentifikation ist:<br />

PERRINE (1993) fand mit einem ähnlichen Paradigma wie zuvor PISHKIN <strong>und</strong> BOURNE<br />

(1981, s. o.) für eine gemischte neurologisch-psychiatrische Stichprobe (15 % mit Schizophrenie),<br />

dass der WCST mit der Fähigkeit zum Erschließen relevanter Attribute bei<br />

vorgegebenen Regeln korreliert. Allerdings mussten wie im WCST Serien gelegt werden, so<br />

dass auch weitere Fähigkeiten (z. B. das Verwerten von Feedback, s. u.) den Zusammenhang<br />

gestiftet haben können.<br />

GLAHN, CANNON, GUR, RAGLAND <strong>und</strong> GUR (2000) korrelierten die Leistung von 62 Patienten<br />

in der Abstraction and Working Memory (AIM)-Aufgabe mit dem WCST. Bei der<br />

AIM müssen Non-WCST-Objekte in verschiedenen Formen <strong>und</strong> Farben der jeweils besser<br />

passenden von zwei Zweiergruppen zugeordnet werden (d. h. die dimensionale Identitätsklassifikation<br />

ist hier nur ein Spezialfall). Dies erfordert zusätzlich zur Attributidentifikation<br />

zwar eine aufwändigere Berechnung der Ähnlichkeit der Tripel, aber wenig reines<br />

Arbeitsgedächtnis, da keine Serien gelegt werden (Korrelation mit Zahlenspanne rückwärts:<br />

r = .18, n. s.). Die perseverativen Fehler im WCST korrelierten mit der AIM-Leistung<br />

zu r = .50 (p < .0001).<br />

JAZBEC et al. (2007) untersuchten die Zusammenhänge zwischen dem WCST <strong>und</strong> dem<br />

Intradimensional-Extradimensional-Untertest (IED) der Cambridge Neuropsychological<br />

Test Automated Battery (CANTAB), die zur Zerlegung des WCST in Teilleistungen konzipiert<br />

wurde (MORRIS, EVENDEN, SAHAKIAN & ROBBINS, 1987). Im IED muss der korrekte aus<br />

zwei Zielreizen ausgewählt werden. Dies erfordert zunächst die visuelle Diskrimination der<br />

Stimuli (Linien) voneinander <strong>und</strong> dann von Distraktoren einer anderen Dimension<br />

(Formen). Diese werden zunächst separat, später überlagert dargeboten (Compo<strong>und</strong><br />

Discrimination, CD). Danach folgen ein intradimensionaler Shift (IDS) zu Stimuli der<br />

gleichen Dimension <strong>und</strong> schließlich ein extradimensionaler Shift (EDS). Die Anzahl<br />

erreichter Kategorien im WCST sagte die Fähigkeit vorher, sich auf einzelne Dimensionen<br />

zweidimensionaler Reize zu konzentrieren <strong>und</strong> diese über verschiedene Stimuli hinweg<br />

einzuhalten (CD, IDS).


38<br />

Wisconsin Card Sorting Test<br />

Fazit<br />

Der WCST erfasst u. a. die Fähigkeit zur Identifikation <strong>und</strong> Nutzung der<br />

abstrakten Stimulusdimensionen Farbe, Form <strong>und</strong> Anzahl. Es wurden Zusammenhänge<br />

postuliert zwischen Abstraktionsfähigkeit <strong>und</strong> (1.) mnestischen <strong>und</strong><br />

exekutiven Merkmalen des Arbeitsgedächtnisses (<strong>dynamisch</strong>e Erregung <strong>und</strong><br />

Hemmung von Elementen <strong>und</strong> Netzwerken), (2.) der primären oder supplementären<br />

Nutzung semantischer Strukturen <strong>und</strong> (3.) der erwartungsbasierten<br />

Abwärtsorganisation der Wahrnehmung bei der Analyse von Stimuli. Empirisch<br />

konnten Korrelationen des WCST mit weiteren Tests der Attributidentifikation<br />

gezeigt werden (PERRINE, 1993; GLAHN et al., 2000; JAZBEC et al., 2006).<br />

Die relative Bedeutung der postulierten Komponenten bleibt unklar. Möglicherweise<br />

ließen sich unterschiedlich akzentuierte Bearbeitungsstile finden –<br />

einen strategischen, reflexiven Top-Down-Stil, bei dem von Beginn an nach<br />

separierbaren Stimulusdimensionen gesucht <strong>und</strong> hypothesengeleitet vorgegangen<br />

wird, <strong>und</strong> einen stärker salienzgetriebenen Bottom-up-Stil, bei dem nicht<br />

notwendigerweise alle Kategorien von Anfang an reflektiert werden, sondern<br />

zunächst nach perzeptiv oder habituell präferierten Kategorien sortiert <strong>und</strong> erst<br />

nach negativer Rückmeldung innegehalten wird.<br />

3.5.2 Arbeitsgedächtnis <strong>und</strong> <strong>Exekutivfunktionen</strong><br />

Defizite der temporären Speicherung <strong>und</strong> Bearbeitung von Information bei Schizophrenie<br />

können als metaanalytisch solide belegter Bef<strong>und</strong> gelten (LEE & PARK, 2005). Obwohl der<br />

WCST nicht als Arbeitsgedächtnistest i. e. S. gilt (vgl. NUECHTERLEIN et al., 2004), wirkt das<br />

Arbeitsgedächtnis an praktisch allen Aspekten der Testbearbeitung mit (s. KEEFE, 2000;<br />

GOLD, CARPENTER, RANDOLPH, GOLDBERG & WEINBERGER, 1997): Identifizierte Stimulus-<br />

Dimensionen <strong>und</strong> Sortierregeln müssen für die Dauer der Testbearbeitung bzw. ihrer<br />

Überprüfung in temporären Speichern aktiviert <strong>und</strong> verfügbar gehalten werden, um die<br />

Auswahl geeigneter Reaktionen zu steuern (CNTRICS: goal maintenance).<br />

Zusätzlich müssen auftretende Verarbeitungskonflikte entdeckt <strong>und</strong> gelöst werden<br />

(CNTRICS: <strong>dynamisch</strong>e Anpassung exekutiver Kontrolle). Diese entstehen v. a. nach extradimensionalen<br />

Kategorienwechseln (vgl. CHUDASAMA & ROBBINS, 2006), d. h. nachdem<br />

eine Dimension durch positives Feedback verstärkt <strong>und</strong> entsprechend im Arbeitsgedächtnis<br />

konsolidiert, dann aber ungültig wurde, so dass mindestens zwei Kategorien miteinander in<br />

Konkurrenz treten. Dieser Verarbeitungskonflikt wird im HEATON-WCST geschürt durch<br />

jene ambigen Reaktionskarten, die mit Zielkarten sowohl auf der aktuellen als auch auf der<br />

obsoleten Stimulusdimension übereinstimmen. Darüber hinaus deutet zumindest ein<br />

Bef<strong>und</strong> darauf hin, dass auch die sichtbaren Stapel abgelegter Reaktionskarten eine Quelle<br />

interferierender Information sein können (CINAN & TANÖR, 2002, s. u.).<br />

Sortierungen im WCST bedürfen also einer effektiven Hemmung der erlernten, aber<br />

obsoleten Kategorie(n) im Arbeitsgedächtnis, um diese von der Verhaltenskontrolle auszuschließen,<br />

eine Fähigkeit, die als »Interferenzkontrolle« (NUECHTERLEIN et al., 2004) bzw.<br />

»Inhibitionskontrolle« (FUSTER, 1999) <strong>und</strong> »kognitive Flexibilität« bezeichnet wurde (z. B.<br />

HELLMAN, KERN, NEILSON & GREEN, 1998). Perseverationsfehler im WCST, also Sortierungen<br />

nach obsoleten Regeln, gelten als Indikator einer Störung der mutmaßlich frontal<br />

gr<strong>und</strong>gelegten Interferenzkontrolle. Nicht vollständig ausgeschlossen werden kann<br />

allerdings, dass einem als perseverativ imponierenden Sortierverhalten im WCST (auch)


39<br />

Wisconsin Card Sorting Test<br />

ein Defizit der Attributidentifikation (s. o.) oder der Testorientierung zugr<strong>und</strong>e liegt, es sich<br />

also eher um ein resignatives oder unmotiviertes Persistieren handelt.<br />

Perseveratives Verhalten bei Schizophrenie, das schon von BLEULER (1911) beschrieben<br />

wurde, ist – wie zu erwarten – nicht auf den WCST beschränkt: PERRY <strong>und</strong> BRAFF (1998)<br />

fanden in einer Gruppe von 71 Patienten sogar einen recht hohen Zusammenhang (r = .47,<br />

p < .01) zwischen perseverativen Antworten im WCST <strong>und</strong> sog. Stuck-in-set-Perseverationen<br />

im Rorschach-Test (Bsp. »The two arms make it look like an angel« – »The two arms<br />

make it look like a bear« usw.: ebd., Tab. 1, S. 70).<br />

Vermittelt wird der für den WCST benötigte kontrollierte Verarbeitungsmodus nach<br />

BADDELEY (z. B. 2003) von einer »zentralen Exekutive«, die die Zuweisung verfügbarer<br />

Ressourcen steuert, das Zusammenspiel von phonologischen <strong>und</strong> visuellen Arbeitsspeichern<br />

sowie deren Austausch mit epistemischen <strong>und</strong> heuristischen Strukturen des<br />

Langzeitgedächtnisses regelt <strong>und</strong> sogar Bewusstsein vermitteln soll (vgl. BADDELEY, 2003;<br />

HUSSY, 1998).<br />

Mehrere Studien belegen substanzielle gemeinsame Varianzen (16 bis 55%) von WCST <strong>und</strong><br />

verschiedenen Arbeitsgedächtnistests (z. B. PERRY, HEATON et al., 2001; GOLD et al., 1997;<br />

KEEFE et al., 1995), wobei der Zusammenhang mit zunehmender Beanspruchung exekutiver<br />

Arbeitsgedächtnisfunktionen durch die verwendeten Tests (d. h. Notwendigkeit zur<br />

mentalen Bearbeitung, Doppelaufgaben) zuzunehmen scheint (MCGURK et al., 2004):<br />

MORICE <strong>und</strong> DELAHUNTY (1996) fanden zwar bei Probanden mit Schizophrenie-Diagnosen<br />

keine reduzierte Zahlenspanne (auditiver Kurzzeitspeicher), jedoch hatten sie deutliche<br />

Schwierigkeiten bei der gleichzeitigen Beurteilung einer Aussage <strong>und</strong> dem Behalten ihres<br />

letzten Worts. Die perseverativen Fehler im WCST korrelierten nicht mit dem Wechsler-IQ,<br />

jedoch hoch mit der Leistung in dieser die zentrale Exekutive belastenden Doppelaufgabe<br />

(r = -0,63; p < 0,01).<br />

GOLD et al. (1997) zeigten, dass der Letter-number-sequencing-Test (LNS: exekutives<br />

Arbeitsgedächtnis) in einer Schizophrenie-Stichprobe hoch mit dem WCST korrelierte<br />

(r = 0,74, p < 0,01) <strong>und</strong> dass die Kovariation des LNS-Scores die WCST-Unterschiede zu<br />

einer Kontrollgruppe nivellierte. In der o. g. Studie von GLAHN et al. (2000) zeigte sich<br />

ebenfalls, dass die Kovariation eines Abstraktionstests mit zusätzlicher Arbeitsgedächtnisbelastung<br />

(durch eine Delayed-matching-Prozedur) die WCST-Unterschiede zu einer<br />

Kontrollgruppe aufhob.<br />

PERRY et al. (2001) fanden anders als MORICE <strong>und</strong> DELAHUNTY (1996) sowohl Defizite<br />

des reinen auditiven Kurzzeitspeichers als auch der Fähigkeit zur Bearbeitung ihrer Inhalte<br />

(Zahlenspanne vorwärts – rückwärts). Auch hier korrelierten WCST-Perseverationen mit<br />

dem Letter-number-sequencing-Test (r = -0,40; p < 0,01).<br />

Nicht alle Arbeiten haben sich ausschließlich auf das Zusammenspiel von exekutiver<br />

Instanz <strong>und</strong> phonologischer Schleife (verbales Subsystem) beschränkt: Ausgehend von<br />

Arbeiten von GOLDMAN-RAKIC zur Kodierung räumlicher Positionen durch Neuronen des<br />

präfrontalen dorsolateralen Kortex (DLPFC) (z. B. FUNAHASHI, BRUCE & GOLDMAN-RAKIC,<br />

1989) <strong>und</strong> von WEINBERGER zur (relativ) reduzierten Durchblutung des DLPFC während<br />

der WCST-Bearbeitung (Z. B. WEINBERGER, BERMAN & ILLOWSKY, 1988) untersuchten einige<br />

Autoren den Zusammenhang zwischen WCST-Performanz <strong>und</strong> visuell-räumlichem<br />

Arbeitsgedächtnis:<br />

PARK (1997) fand eine hohe Korrelation der perseverativen Fehler mit der Leistung in<br />

einer okulomotorischen verzögerten Antwortaufgabe mit verbaler Distraktion (r = -.58,<br />

p < .05). Allerdings verwendete sie den NELSON-Test (MCST) in einer recht kleinen


40<br />

Wisconsin Card Sorting Test<br />

Stichprobe von 14 Patienten. SNITZ, CURTIS, ZALD, KATSANIS <strong>und</strong> IACONO et al. (1999)<br />

untersuchten mit einem ähnlichen Paradigma 42 Patienten <strong>und</strong> fanden einen etwas<br />

geringeren Zusammenhang mit der WCST-Kategorien-Variable (r = .32, p < .05).<br />

STRATTA et al. (1997), die u. a. ein Pairs-Spiel (d. h. »Memory«) mit WCST-Karten zur<br />

Erfassung des räumlichen Arbeitsgedächtnisses verwendeten, fanden bei 30 Patienten<br />

hingegen keinen Zusammenhang zwischen verschiedenen Maßen des verbalen <strong>und</strong><br />

räumlichen AG <strong>und</strong> den perseverativen Fehlern im WCST.<br />

Indirekte Hinweise auf eine Rolle des Arbeitsgedächtnisses bei der WCST-Bearbeitung<br />

ergeben sich aus der Wirksamkeit von Interventionen, die jenes entlasten: So zeigt eine<br />

Reihe von Bef<strong>und</strong>en, dass Probanden, die angehalten werden, die Gründe für ihre Sortierungen<br />

zu verbalisieren, ihre WCST-Leistung verbessern (z. B. »Why did you put that<br />

there?«: PERRY, POTTERAT & BRAFF, 2001; CHOI & KURTZ, 2009; STRATTA et al., 1997).<br />

CARLSON <strong>und</strong> WIEDL (1992) schreiben in ihrer Diskussion der Verbalisierung bei der<br />

Bearbeitung Farbiger Progressiver Matrizen (CPM) die Wirkung dieser Maßnahme sowohl<br />

einer Anregung metakognitiver <strong>und</strong> exekutiver Funktionen als auch einer Konsolidierung<br />

von Kurzzeitgedächtnis-Inhalten durch die Nutzung verbaler Encodierung zu. In der<br />

Terminologie des Arbeitsgedächtnismodells von BADDELEY (2003) entspricht dies einer<br />

Kompensation von Defiziten der phonologischen Schleife (verbales Arbeitsgedächtnis)<br />

durch externes artikulatorisches Rehearsal.<br />

HARTMAN, STEKETEE, SILVA, LANNING <strong>und</strong> ANDERSSON (2003) erzielten hingegen keinen<br />

Erfolg mit der Einführung zusätzlicher visueller Feedback-Signale über den sortierten<br />

Karten, die die vermutete verlangsamte Encodierung im Arbeitsgedächtnis kompensieren<br />

sollten. Allerdings korrelierte die Enkodierungsdauer in einer verzögerten Antwortaufgabe<br />

hoch mit der Anzahl erreichter WCST-Kategorien (r = -0,54), was die Autoren als Hinweis<br />

auf eine Rolle der Verarbeitungsgeschwindigkeit als Drittvariable in WCST <strong>und</strong> AG-Tests<br />

deuteten. Die Wirkungslosigkeit ihrer Intervention könnte dafür sprechen, dass visuelles<br />

Feedback zur Kompensation exekutiver bzw. verbal-mnestischer Defizite nicht ausreicht,<br />

oder dass zusätzlich ein basales Problem mit der Nutzung von Valenz-Repräsentationen<br />

angenommen werden muss. Dies wird im übernächsten Abschnitt diskutiert (GOLD, WALTZ,<br />

PRENTICE, MORRIS & HEEREY, 2008).<br />

Ungeklärt sind noch immer die relativen Beiträge der zentralen Exekutive (z. B. Interferenzkontrolle,<br />

Speicherverwaltung) <strong>und</strong> der Speicher-Subsysteme des BADDELEY-Modells.<br />

Hierzu führten CINAN <strong>und</strong> TANÖR (2002) ein Experiment mit modifizierten WCST-Versionen<br />

<strong>und</strong> Doppelaufgaben durch: 75 Studenten erhielten eine erweiterte Instruktion mit<br />

voller Erklärung der Regeln <strong>und</strong> Ankündigung der jeweils gültigen Kategorie. Die WCST-<br />

Reaktionskarten mussten unter Zeitdruck entweder den regulären dreidimensionalen Zielkarten<br />

oder eindimensionalen Zielkarten zugeordnet werden. Die parallele Aufgabe sollte<br />

(a) die zentrale Exekutive beschäftigen oder (b) eine Störung der phonologischen Schleife<br />

simulieren ([a] Buchstaben-Generierungs-Aufgabe – kontinuierliche verbale Produktion<br />

von Buchstabensequenzen nach bestimmten Regeln; [b] artikulatorische Suppressionsaufgabe:<br />

Wiederholung eines Wortes, was mit der Auffrischung von AG-Inhalten interferiert).<br />

Zusätzlich wurden in einer Bedingung Sortier-Urnen verwendet, um eine Distraktion<br />

durch sichtbare abgelegte Karten zu prüfen.<br />

Die wesentlichen Ergebnisse lauten, dass (a) bei bekannten Kategorien <strong>und</strong> Regeln die<br />

exekutive Zusatzaufgabe die Fehlerzahl deutlich erhöht, während die phonologische Belastung<br />

keinen Effekt hat; dass (b) bei Verwendung eindimensionaler Zielreize selbst eine<br />

exekutive Belastung kaum zu relevanten Sortierfehlern führt; <strong>und</strong> dass (c) das simulierte<br />

exekutive Defizit, nicht aber das phonologische dazu führt, dass zusätzlich eine andere Art


41<br />

Wisconsin Card Sorting Test<br />

Fehler gemacht wird – die fälschliche Orientierung an den Stapeln abgelegter Reaktionskarten<br />

statt an den Zielkarten nimmt zu, was durch Sortier-Urnen abgestellt werden kann.<br />

Der Bef<strong>und</strong> von CINAN <strong>und</strong> TANÖR (2002) scheint dafür zu sprechen, dass die phonologische<br />

Schleife primär für die Repräsentation zu prüfender Hypothesen bzw. gültiger<br />

Regeln relevant ist, während darüber hinaus exekutive Regulation zur Unterdrückung<br />

konkurrierender irrelevanter Stimulusdimensionen benötigt wird.<br />

Fazit<br />

Die gemeinsamen Varianzen von WCST <strong>und</strong> verschiedenen Arbeitsgedächtnistests<br />

deuten darauf hin, dass die Fähigkeit zur temporären Bereithaltung verbaler<br />

<strong>und</strong> räumlicher Information (Kategorien, Regeln) substanziell zur WCST-<br />

Performanz beiträgt, wobei die Bef<strong>und</strong>e mit verbal präsentierter Information<br />

zahlreicher <strong>und</strong> konsistenter sind. Eine besondere Bedeutung für die WCST-<br />

Performanz scheint der Möglichkeit zuzukommen, Elemente interferenzfrei zu<br />

repräsentieren, etwa um diese abwechselnd zu bearbeiten oder ihre Relation zu<br />

verändern. Ob dieses Funktionsmerkmal des Arbeitsgedächtnisses angemessener<br />

als eines der exekutiven Kontrolle (z. B. Inhibition, Ressourcen-Allokation),<br />

der Kapazität oder der Verarbeitungsgeschwindigkeit konzeptualisiert<br />

werden kann, wurde noch nicht hinreichend geklärt (vgl. LAVIE, HIRST,<br />

DE FOCKERT & VIDING, 2004). Die hier vorgestellten Bef<strong>und</strong>e sprechen indirekt<br />

für eine Veränderung der Konstruktvalidität des WCST durch Dynamisierung<br />

(WIEDL, 1999; WIEDL et al., 2004), was weiter unten diskutiert wird.<br />

3.5.3 Akquisition von Regeln <strong>und</strong> heuristische Strukturen<br />

»non sunt multiplicanda entia sine necessitate«<br />

J. PONCE (1639; nach THORBURN, 1918, S. 347)<br />

Regelgenerierung <strong>und</strong> -auswahl ist ein weiteres CNTRICS-Konstrukt des Bereichs exekutive<br />

Kontrolle. Es soll die Fähigkeit erfassen, abstrakte Repräsentationen von Regeln zu<br />

erzeugen, die flexibel auf neue Situtationen angewendet, getestet <strong>und</strong>, wenn nötig, gewechselt<br />

werden können.<br />

Nun erfordert der Wisconsin Card Sorting Test, der häufig als Test des Problemlösens<br />

betrachtet wird (NUECHTERLEIN et al., 2004) zweifellos auch das induktive Erschließen von<br />

Regeln. Diese ließen sich etwa wie folgt vollständig explizieren:<br />

(1.) Die den Zielreizen inhärenten Kategorien lauten Farbe, Form <strong>und</strong> Anzahl.<br />

(2.) Kategorisiert wird jeweils nur nach einem dieser Attribute.<br />

(3.) Sortiert wird zunächst nach Farbe, dann nach Form, dann nach Anzahl.<br />

Diese Sequenz wird bis zum Testende durchlaufen.<br />

(4.) Eine Kategorie bleibt gültig, bis eine fehlerfreie Serie von zehn Karten<br />

sortiert wurde. Dann folgt die nächste Kategorie.<br />

Der Fähigkeit zum Regellernen kommt im WCST dennoch eher eine untergeordnete Bedeutung<br />

zu. Trotz der theoretischen Möglichkeit, die o. g. einfachen Regeln vollständig zu<br />

verbalisieren (vgl. ASHBY & MADDOX, 2005), müssen selbst erfolgreiche Probanden dies<br />

nach Testende nicht leisten können. Anders als Tests, die die Beachtung komplexer Regeln


42<br />

Wisconsin Card Sorting Test<br />

erfordern (d. h. die logische Kombination mehrere Attribute: vgl. HAYGOOD & BOURNE,<br />

1965, Tab. 2, S. 178), muss die Testbearbeitung im WCST nämlich nicht notwendigerweise<br />

ausschließlich von abstrakten Regel-Repräsentationen gesteuert werden.<br />

Falls alle drei Kategorien identifiziert <strong>und</strong> als potenziell bedeutsam erkannt wurden <strong>und</strong><br />

der Proband motiviert <strong>und</strong> in der Lage ist, die erhaltene verbale Verstärkung zu maximieren,<br />

so erfordert der WCST nur eine einzige übergeordnete Regel (Nr. 2): »Sortiert wird<br />

jeweils nur nach einer Kategorie«.<br />

Wird diese Gr<strong>und</strong>regel befolgt, kann der WCST erfolgreich durch Trial-and-error (Kategorienwechsel)<br />

bzw. eine Win-stay/Loose-shift-Strategie bearbeitet werden (eine gewisse<br />

Anzahl nonperseverativer Fehler spiegelt daher kein Defizit, sondern notwendige Regel-<br />

Exploration wieder: BARCELÓ & KNIGHT, 2002).<br />

Alle weiteren theoretisch explizierbaren 4 × 3 Affirmations- oder Präsenzregeln sind als<br />

konzeptuelle Steuerungselemente irrelevant, da das entsprechende Verhalten direkt aus<br />

den Prämissen <strong>und</strong> der übergeordneten Regel folgt (vgl. NEISSER & WEENE, 1962, Tab. 1, S.<br />

641; HAYGOOD & BOURNE, 1965, Tab. 2, S. 178).<br />

Die Etablierung dieser Gr<strong>und</strong>regel verlangt im Gr<strong>und</strong>e ein einfaches wissenschaftliches<br />

Vorgehen: Es muss mit den einfachsten Hypothesen begonnen, die Strategie der isolierenden<br />

Bedingungsvariation befolgt <strong>und</strong> die einfachste Erklärung positiver Rückmeldung<br />

bevorzugt werden (Parsimonie-Prinzip). Untersuchungen in der Tradition der PIAGETschen<br />

Entwicklungstheorie (INHELDER & PIAGET, 1958) haben jedoch – allerdings an komplexerem<br />

Testmaterial – gezeigt, dass ein solches Vorgehen weder bei Kindern noch bei Erwachsenen<br />

selbstverständlich ist (z. B. KUHN, GARCIA-MILA, ZOHAR & ANDERSEN, 1995).<br />

Im Hinblick auf die noch zu erörternde Frage, welche Performanz-Komponenten des<br />

WCST trainierbar sind (WIEDL, SCHÖTTKE, GREEN & NUECHTERLEIN, 2004) ist es erwähnenswert,<br />

dass auch in diesem Bereich zwischen Probanden mit manifestem <strong>und</strong> latentem<br />

formal-operationalen Denken unterschieden <strong>und</strong> die Trainierbarkeit der Control-ofvariables-Strategie<br />

nachgewiesen wurde (STONE & DAY, 1978; CHEN & KLAR, 1999).<br />

Es könnte hilfreich sein, Operatoren der heuristischen Struktur (DÖRNER, 1979) als<br />

relativ einfacher lehrbare kristalline Komponenten von den im vorherigen Abschnitt<br />

erörterten fluiden Komponenten (z. B. Interferenzkontrolle), die relativ schwerer trainierbar<br />

sein sollten, zu unterscheiden.<br />

Da der Besuch weiterführender Schulen die Entwicklung der heuristischen Struktur<br />

fördern sollte (ANDRICH & STYLES, 1994), kann eine gewisse Bildungsabhängigkeit des<br />

WCST erwartet werden. Diese konnte an nicht-psychiatrischen <strong>und</strong> Schizophrenie-<br />

Stichproben auch belegt werden (BOONE, GHAFFARIAN, LESSER, HILL-GUTIERREZ & BERMAN,<br />

1993; GAMBINI, MACCIARDI, ABBRUZZESE & SCARONE, 1992; STRATTA et al., 1993). Es wurde<br />

bereits darauf hingewiesen, dass SMITH (1989) das Streben nach Identität bei der Klassifikation,<br />

die nur durch die selektive Beachtung einzelner Dimensionen herstellbar ist, als<br />

eine (auch) sozialisierte Präferenz beschreibt.<br />

Sehr wahrscheinlich spielen hier jedoch zusätzlich kognitive Defizite die Rolle latenter<br />

Drittvariablen: Prämorbide kognitive Beeinträchtigungen sind ein etabliertes Charakteristikum<br />

der Schizophrenie (z. B. SEIDMAN, BUKA, GOLDSTEIN & TSUANG, 2006) <strong>und</strong> können zu<br />

einem niedrigeren Bildungsstand <strong>und</strong> geringer WCST-Leistung führen (z. B. BILDER et al.,<br />

2006; CORNBLATT et al., 2003).<br />

Es wurde oben argumentiert, dass der Fähigkeit, Regeln zu erkennen <strong>und</strong> zu explizieren,<br />

um sie für eine linguistisch-konzeptuelle Verhaltenssteuerung zu nutzen, im WCST keine<br />

vorrangige Bedeutung zukommt. Regeln können allerdings unter bestimmten Umständen<br />

durchaus bedeutsam werden – dann nämlich, wenn trotz intakter Attributidentifikation


43<br />

Wisconsin Card Sorting Test<br />

zusätzliche komplexe idiosynkratische Regeln vermutet <strong>und</strong> getestet werden (z. B. unter<br />

Einbezug von Konjunktionen). Dies kann u. U. zu Performanzeinbußen führen, z. B. wenn<br />

falsche Regeln zufällig verstärkt werden oder die so generierte Information die reduzierte<br />

Verarbeitungskapazität übersteigt.<br />

Obwohl selten, kann dies durchaus vorkommen: Interessante Beispiele aus der Erfahrung<br />

des Verfassers, die allerdings nie systematisch dokumentiert wurden, umfassen u. a.<br />

die Vermutung, dass Reaktionskarten so gelegt werden müssen, dass immer auch nach<br />

Farbe sortiert wird, allerdings um eine variierende Stapelzahl versetzt zu den Zielkarten;<br />

oder dass die Anzahl der Objekte auf Ziel- <strong>und</strong> Reaktionskarten addiert oder subtrahiert<br />

werden müssen, <strong>und</strong> dass die resultierende Zahl ein Regel-Bestandteil ist.<br />

Ganz ähnliche Beobachtungen scheinen bereits GOLDBERG, WEINBERGER, BERMAN,<br />

PLISKIN <strong>und</strong> PODD (1987) gemacht zu haben, die in ihrer bekannten WCST-Remediationsstudie<br />

an Personen mit chronifizierter Schizophrenie folgende klinische Beobachtung<br />

notieren: »A number of patients appeared to make the task <strong>und</strong>uly complex. They<br />

developed hypotheses for matching that involved using combinations of categories to<br />

determine a match and that took precedence over the correct category« (S. 1011).<br />

Empirische Untersuchungen zu diesem Thema sind rar: PERRY et al. (2001) fanden in<br />

ihrer WCST-Interventionsstudie, dass in einer Verbalisierungsbedingung nach Standarddurchführung<br />

10 % der Probanden unkonventionelle, nicht auf die faktischen Regeln<br />

bezogene Gründe für ihre Sortierungen angaben. Möglicherweise konnten sich diese<br />

Idiosynkrasien während der Standarddarbietung gerade wegen des Fehlens der kognitiv<br />

entlastenden Verbalisierung verfestigen. Dies weist auf ein komplexes Zusammenspiel<br />

zwischen fluiden <strong>und</strong> kristallinen Performanzkomponenten hin.<br />

Hierfür spricht auch eine Simulationsstudie von DEHAENE <strong>und</strong> CHANGEUX (1991), die<br />

mit Hilfe neuronaler Netze die Auswirkungen verschiedener Ausfälle des kognitiven Apparats<br />

auf die WCST-Bearbeitung untersuchten. Diese wird unten ausführlicher dargestellt.<br />

Ein wesentliches Ergebnis ist, dass die Konstruktion zusätzlicher idiosynkratischer Regeln<br />

gerade im Konzert mit sonstigen kognitiven Defiziten (v. a. einer reduzierten Arbeitsgedächtniskapazität)<br />

zu Überlastung <strong>und</strong> Performanzeinbußen führt.<br />

Die Autoren schlagen daher vor, die Varianz aus dieser Quelle durch spezielle Instruktionen<br />

zu reduzieren: »… an important source of intersubject variability is the range of<br />

rules that a given subject will consider. The reliability of the test might be improved by<br />

explicitly instructing the subjects that only 3 sorting rules … are possible« (S. 65). Dies<br />

wurde u. a. von WIEDL (1999) mit dem Dynamischen WCST (WCSTdyn) realisiert.<br />

Die gelegentlich negative Wirkung zusätzlicher Regeln illustriert eine von WCST-Testleitern<br />

der Osnabrücker Gruppe um WIEDL, darunter der Autor (MW), berichtete Erfahrung<br />

mit dem WCSTdyn: Gerade die Mitteilung der Wechsel-Regel veranlasst manche Probanden<br />

dazu, die für die WCST-Performanz optimale Win-Stay/Loose-Shift-Strategie (vgl.<br />

FRISTOE, SALTHOUSE & WOODARD, 1997) gegen eine kognitiv anspruchsvollere Monitoring-<br />

Strategie zu ersetzen (stilles Mitzählen der gelegten Karten einer Serie zur Antizipation des<br />

Kategorienwechsels), die gelegentlich die Leistung verringert (so könnte z. B. eine Karte zu<br />

früh gewechselt werden, was eine ganze Kategorie kosten kann).<br />

Fazit<br />

Der WCST ist kein Test des Regellernens im eigentlichen Sinne. Für eine erfolgreiche<br />

Bearbeitung reichen Identifikation <strong>und</strong> selektive Beachtung der Stimulusdimensionen<br />

sowie die Win-Stay/Loose-Shift-Strategie aus (zur Verwertung<br />

von negativem Feedback s. folgender Abschnitt). Heuristische Strukturen


44<br />

Wisconsin Card Sorting Test<br />

können dennoch eine Rolle spielen – nämlich wenn zusätzliche idiosynkratische<br />

Hypothesen zu den Sortierprinzipien generiert werden. Obwohl Ursache<br />

<strong>und</strong> Prävalenz dieses Phänomens unklar sind, lässt sich vermuten, dass ein<br />

Streben nach Äquivalenzrelationen <strong>und</strong> ein strukturiertes, vereinfachendes Herangehen<br />

an Kategorisierungsprobleme auch Resultate formaler Bildung sind.<br />

Wird der WCST als Test von <strong>Exekutivfunktionen</strong> (z. B. Interferenzkontrolle)<br />

angesehen, so handelt es sich bei diesen kristallisierten Komponenten um personale<br />

Nontarget-Faktoren, die durch einen katalytisch-kompensatorischen<br />

Ansatz, wie er weiter unten vorgestellt wird, homogenisiert werden können<br />

(DEHAENE & CHANGEUX, 1991; CARLSON & WIEDL, 1992; Wiedl, 1999). Hierdurch<br />

sollte sich die Konstruktvalidität in Richtung der im vorhergehenden Abschnitt<br />

diskutierten Target-Faktoren der kognitiven Kontrolle <strong>und</strong> des Arbeitsgedächtnisses<br />

verschieben (WIEDL, SCHÖTTKE, GREEN & NUECHTERLEIN, 2004).<br />

3.5.4 Verarbeitung korrektiver Rückmeldung<br />

Neben intakten <strong>Exekutivfunktionen</strong> <strong>und</strong> Regel-Restriktion erfordert der WCST bzw. die<br />

Win-Stay/Loose-Shift-Strategie die Beachtung <strong>und</strong> effektive Nutzung korrektiver verbaler<br />

Rückmeldung. Es liegen Hinweise vor, dass Menschen mit Schizophrenie auch in dieser<br />

Hinsicht Schwierigkeiten aufweisen (PRENTICE et al., 2008). Obwohl manche Autoren (z. B.<br />

FRISTOE et al., 1997) die reduzierte Wirkung von Rückmeldung vorwiegend auf Arbeitsgedächtnisdefizite<br />

zurückgeführt haben, wird sie in neueren integrativen Ansätzen als<br />

Ausdruck einer gr<strong>und</strong>legenden Beeinträchtigung des dopamin-basierten Belohnungs- bzw.<br />

Salienzsystems gedeutet (GOLD et al., 2008).<br />

Die Motivationale-Salienz-Hypothese der Rolle des Dopamins bei Psychose-Erkrankungen<br />

(KAPUR, 2003) postuliert, dass die Aktivität des mesolimbischen Dopamin-Systems die<br />

Attraktivität oder Aversivität von Stimuli, also die Zuschreibung motivationaler Bedeutung<br />

codiert. Es bildet damit u. a. die Gr<strong>und</strong>lage für schnelles Lernen <strong>und</strong> die Antizipation von<br />

Verstärkung. Zugleich wird der Neurotransmitter aber auch zum »… wind of the psychotic<br />

fire« (LARUELLE & ABI-DARGHAM, 1999, S. 358), wenn eine Dysregulation der Neurotransmission<br />

irrelevanten Stimuli kontext-unabhängig eine abnorm erhöhte Salienz verleiht<br />

(präsynaptische striatale Hyperdopaminergie: HOWES & KAPUR, 2009).<br />

Studien mit bildgebenden <strong>und</strong> neuropsychologischen Verfahren bestätigen, dass dopaminerge<br />

Strukturen des Mittelhirns (ventrales Tegmentum, Substantia nigra) <strong>und</strong> der<br />

Basalganglien (Striatum) bei motivational salienten Stimuli, ja selbst bei deren symbolischer<br />

Präsentation aktiv werden. Sie vermitteln so die Verarbeitung von Feedback u. a. bei<br />

Klassifikationsaufgaben (ARON et al., 2004; SHOHAMY et al., 2004). Die phasische Inhibition<br />

von Dopamin-Neuronen des Mittelhirns, möglicherweise vermittelt durch Efferenzen<br />

der lateralen Habenulae des Zwischenhirns (SHEPARD, HOLCOMB & GOLD, 2006), codiert<br />

dabei offenbar Fehler der Vorhersage von Verstärkung (SCHULTZ & DICKINSON, 2000), was<br />

eine gr<strong>und</strong>legende Voraussetzung zur schnellen Anpassung des Verhaltens in Lernaufgaben<br />

mit Trial-by-trial-Feedback darstellt.<br />

Evidenz in Richtung einer Beteiligung motivationaler Strukturen am WCST ergeben sich<br />

zunächst einmal aus den häufig berichteten Korrelationen von Negativsymptomatik, die ja<br />

u. a. Anhedonie umfasst (vgl. KIRKPATRICK et al., 2006) <strong>und</strong> Maßen exekutiver Funktionen<br />

(vgl. JOHNSON-SELFRIDGE & ZALEWSKI, 2001, <strong>und</strong> NIEUWENSTEIN, ALEMAN & DE HAAN,<br />

2001). Negativsymptomatik wird von Salienz-Modellen als Verrauschen von Belohnungssignalen<br />

interpretiert (HOWES & KAPUR, 2009). Weniger passend zur Salienz-Erklärung von


45<br />

Wisconsin Card Sorting Test<br />

Lern-Defiziten ist allerdings, dass Psychose-Symptome, für die die Hypothese ja ursprünglich<br />

entwickelt wurde, häufig überhaupt nicht mit der WCST-Leistung korrelieren<br />

(NIEUWENSTEIN et al., 2001) – dies könnte allerdings auch an einer höheren Wirksamkeit<br />

der Pharmakotherapie in diesem Bereich <strong>und</strong> an der Untersuchung nicht hochakut<br />

psychotischer Stichproben liegen.<br />

Passend zur Salienz-Hypothese fanden JENSEN et al. (2008) mit einem klassischen<br />

Konditionierungsparadigma, dass Patienten mit Schizophrenie-Diagnosen im Vergleich zu<br />

nicht-schizophrenen Kontrollprobanden eine stärkere elektrodermale <strong>und</strong> striatale<br />

Aktivität bei der Darbietung neutraler (d. h. nicht konditionierter) Stimuli zeigten.<br />

Auch für den WCST liegen Bef<strong>und</strong>e vor, die auf ein Problem bei der Nutzung von korrektiver<br />

Rückmeldung hindeuten: PRENTICE et al. (2008) fanden in einer Reanalyse von 145<br />

WCST-Bögen von Patienten <strong>und</strong> Kontrollpersonen, dass sich die beiden Gruppen bereits<br />

bei Reaktionskarte 2 – nachdem über 80 % aller Probanden die erste, ambige Karte falsch<br />

nach Form/Anzahl sortiert hatten – signifikant in ihrer Leistung unterschieden: Über 60 %<br />

der Vergleichsgruppe, aber unter 40 % der Schizophrenie-Stichprobe sortierten die zweite<br />

Karte korrekt. Dieser Unterschied wurde über die ersten vier betrachteten Karten nahezu<br />

beibehalten. Die Leistung über die ersten vier Karten sagte außerdem die Gesamtleistung<br />

vorher: Aus der Gruppe mit der niedrigsten Leistung (max. 1 korrekte Sortierung) vervollständigten<br />

69 % höchstens zwei Kategorien im WCST-128 (r = .60, p < .01, für N = 100).<br />

Obwohl die Autoren ihren Bef<strong>und</strong> als Hinweis auf ein Problem der Verwertung negativer<br />

Rückmeldung verstanden wissen wollen, ist hier auch ein Defizit der Attributidentifikation<br />

nicht auszuschließen.<br />

MATTES, COHEN, BERG, CANAVAN <strong>und</strong> HOPMANN (1991) fanden an 15 Patienten mit Schizophrenie-Diagnosen<br />

eine nahezu selektive Abweichung in den langsamen kortikalen<br />

Potenzialen nach positivem bzw. negativem Feedback im WCST (reduzierte frontale bzw.<br />

parietale Positivierung im EEG). Die Autoren weisen jedoch darauf hin, dass die beobachteten<br />

EEG-Auffälligkeiten auch eine differentielle Reaktion auf die häufigeren negativen <strong>und</strong><br />

selteneren positiven Rückmeldungen sein kann.<br />

TRÉMEAU et al. (2008) berichteten, dass Probanden mit Schizophrenie in einer Studie zu<br />

affektiven Verzerrungen der Entscheidungsbildung in nicht-riskanten Situationen eine<br />

geringere Gewichtung von Verlusten (loss aversion) vornahmen als Kontrollprobanden:<br />

Während diese im Einklang mit früheren Bef<strong>und</strong>en ein Objekt (Schmucktasse) zu einem<br />

signifikant höheren Preis verkaufen als kaufen würden, zeigte sich bei Patienten kein<br />

Verlustaversions-Effekt. Das Ausmaß an Verlustaversion bei Patienten korrelierte positiv<br />

mit den erreichten Kategorien im WCST (r = .57, p < .01, N = 27).<br />

YIP, SACCO, GEORGE <strong>und</strong> POTENZA (2009) fanden eine Korrelation von rS = -.40 (p < .01;<br />

N = 42) zwischen dem Prozentsatz perseverativer Fehler im WCST <strong>und</strong> der Leistung in der<br />

Iowa Gambling Task (IGT: BECHARA et al., 1994). Die IGT testet die Fähigkeit zur intuitiven<br />

Abwägung von Gewinn- <strong>und</strong> Verlustrisiko im Prozess der Entscheidung bei schwer durchschaubaren<br />

Kontingenzverhältnissen. Bei der IGT müssen mit dem Ziel der Gewinnmaximierung<br />

frei zu wählende Karten mit (zunächst unbekannten) Geldgewinnen <strong>und</strong> unterschiedlich<br />

häufigen <strong>und</strong> hohen Strafen von vier Stapeln abgehoben werden. Obwohl auch<br />

die IGT zweifellos kognitive Kontrollfunktionen beansprucht (z. B. beim Wechsel des<br />

Stapels), müssen v. a. die Valenzen der Handlungsoptionen repräsentiert werden.


46<br />

Wisconsin Card Sorting Test<br />

Die Bedeutung der Verarbeitung negativer Rückmeldung für die WCST-Performanz untersuchten<br />

DEHAENE <strong>und</strong> CHANGEUX (1991) in einer Simulationsstudie mit Hilfe neuronaler<br />

Netze. Die betrachteten »kognitiven Architekturen« hatten zudem zwei weitere mögliche<br />

Komponenten, nämlich erstens die Fähigkeit zur Speicherung <strong>getestete</strong>r Regeln in einem<br />

Arbeitsgedächtnis; <strong>und</strong> zweitens die Fähigkeit, Regeln a priori durch rationale Überlegung<br />

zu verwerfen, um – im Zusammenspiel mit der Gedächtniskomponente – die »kombinatorische<br />

Explosion« des Problems einzudämmen. Die Autoren berechneten die Erfolge<br />

verschiedener Architekturen zunehmender Komplexität in Abhängigkeit von der Anzahl<br />

berücksichtigter Regeln (s. o.) <strong>und</strong> der Wahrscheinlichkeit des Ignorierens von Rückmeldung.<br />

Zusätzlich wurden die Auswirkungen von »Läsionen« der Komponenten auf die<br />

WCST-Performanz simuliert.<br />

Es lassen sich folgende Schlussfolgerungen ziehen: (1.) Wenn alle drei Kategorien<br />

bekannt sind, als Sortierregeln befolgt <strong>und</strong> dabei Rückmeldungen konsequent beachtet<br />

werden, spielt die sonstige kognitive Architektur praktisch keine Rolle. Dies ändert sich<br />

dramatisch, sobald zusätzliche komplexe Regeln gebildet werden – hierauf wurde im<br />

vorhergehenden Abschnitt bereits eingegangen: Während die Leistung von Systemen mit<br />

intaktem Arbeitsgedächtnis <strong>und</strong> problemlösendem Denken auch in diesem Fall nahezu<br />

konstant bleibt, verlängert sich die Bearbeitungsdauer deutlich, wenn eine der beiden<br />

Komponenten beeinträchtigt ist.<br />

(2.) Unabhängig von der Komplexität des Systems wirkt sich eine stark reduzierte<br />

Wirkung negativen Feedbacks (etwa durch eine reduzierte Hemmung oder beschleunigte<br />

Erholung regelkodierender neuronaler Strukturen) auch dann verheerend auf die Bearbeitungsdauer<br />

aus, wenn es lediglich von den Gr<strong>und</strong>regeln ausgeht. Eine simulierte Läsion der<br />

fehlerverarbeitenden Anteile des neuronalen Netzes führte zu der mit Abstand höchsten<br />

Perseverationsquote. Eine Läsion der evaluativen Komponente wirkt sich hingegen<br />

praktisch nicht auf die Perseverationsneigung aus.<br />

DEHAENE <strong>und</strong> CHANGEUX (1991) folgern aus ihren Simulationen, der WCST sei »… only<br />

weakly sensitive to differences in cognitive architecture …« (S. 72); »… our analysis<br />

suggests that only ability 1 – correct processing of negative rewards – is critically<br />

assessed by the test. Assessing episodic memory and reasoning abilities requires more<br />

sensitive tests« (S. 67).<br />

Zusammenfassung<br />

Die Modelle von KAPUR (2003) <strong>und</strong> GOLD et al. (2008) eröffnen eine bislang<br />

wenig beachtete Perspektive auf die kognitiven Gr<strong>und</strong>lagen der WCST-Defizite<br />

bei Schizophrenie: Ihnen zufolge liegt eine beeinträchtige neuronale Verarbeitung<br />

von Valenzen vor, was zu einer unzureichenden Anpassung des Verhaltens<br />

an sich verändernde Kontingenzverhältnisse führt. Neutrale Stimuli werden<br />

übermäßig salient, während negative Rückmeldung nicht hinreichend<br />

wirksam zu sein scheint. Ob diese Modelle eine bessere bzw. hinreichende<br />

Erklärung der bekannten perseverativen Tendenzen bei Schizophrenie anbieten,<br />

wie die Simulationsstudie von DEHAENE <strong>und</strong> CHANGEUX (1991) nahelegt,<br />

oder ob ein zusätzliches exekutives Defizit der Kontrolle von Interferenzen im<br />

Arbeitsgedächtnis (FUSTER, 1999) angenommen werden muss, bleibt zu klären.


3.5.5 Orientierungsvariablen<br />

47<br />

Wisconsin Card Sorting Test<br />

Die WCST-Bearbeitung erfordert, gerade wegen der nicht explizierten Sortierregeln <strong>und</strong> der<br />

potenziell entmutigenden Rückmeldung, vom Probanden eine adaptive Ausprägung<br />

personaler Orientierungsvariablen (z. B. Selbstwirksamkeit, Leistungsmotivation, geringe<br />

Testängstlichkeit).<br />

Obwohl diese personalen Faktoren häufig als hinreichend gegeben vorausgesetzt <strong>und</strong><br />

nicht weiter thematisiert werden, könnten Aufgabenorientierung <strong>und</strong> Motivation gerade bei<br />

Menschen mit Schizophrenie einen gewissen Beitrag zur WCST-Performanz leisten – hier<br />

ist v. a. an die volitional-motivationalen Komponenten der Negativymptomatik zu denken<br />

(vgl. KIRKPATRICK et al., 2006), aber auch an die bei Menschen mit Schizophrenie-Diagnosen<br />

verbreiteten sozialen Ängste (MAZEH et al., 2009).<br />

Aus der Schizophrenieforschung liegen nur wenige Bef<strong>und</strong>e zur Bedeutung motivationaler<br />

Merkmale für die Lernleistung in kognitiven Tests vor: CHOI <strong>und</strong> MEDALIA (im Druck)<br />

fanden an ambulanten Rehabilitanden mit Schizophrenie-Spektrums-Störungen, dass eine<br />

spielerische Darbietung, Personalisierung <strong>und</strong> Wahlfreiheit in einem Mathe-Lernprogramm<br />

intrinsische Motivation <strong>und</strong> arithmetische Fertigkeit im Vergleich zu einer<br />

Kontrollgruppe verbesserten.<br />

Erkenntnise zum WCST entstammen allerdings v. a. Arbeiten zur Wirksamkeit monetärer<br />

Verstärkung (BELLACK, MUESER, MORRISON, TIERNEY & PODELL, 1990; SUMMERFELT et<br />

al., 1991; GREEN, SATZ, GANZELL & VACLAV, 1992; VOLLEMA, GEURTSEN & VAN VOORST, 1995;<br />

HELLMAN, KERN, NEILSON & GREEN, 1998).<br />

So fanden SUMMERFELT et al. (1991) in einer kleinen Patientengruppe (N = 14) signifikant<br />

bessere Leistungen, wenn zusätzlich zur WCST-Standarddurchführung Belohnungen<br />

<strong>und</strong> Bestrafungen mit Geldmünzen eingeführt wurden. Die Autoren untersuchten allerdings<br />

die Wirkung ihrer Verstärkung nicht relativ zu einer Lern-Bedingung mit erweiterer<br />

Instruktion <strong>und</strong> ausführlichem Feedback. Studien, die dies getan haben, kamen zu dem<br />

Ergebnis, das monetäre Verstärkung im Vergleich zu <strong>und</strong> zusätzlich zu derartigen Interventionen<br />

entweder kaum oder gar nicht wirksam (BELLACK et al., 1990; GREEN et al., 1992)<br />

oder sogar leicht kontraproduktiv ist (HELLMAN et al., 1998; VOLLEMA et al., 1995) –<br />

möglicherweise aufgr<strong>und</strong> von Distraktion, Hyperarousal, kognitiver Überlastung oder einer<br />

Untergrabung der intrinsischen Motivation.<br />

Zwei weitere Studien liefern indirekte Hinweise auf eine Rolle personaler Orientierungsvariablen<br />

bei der WCST-Bearbeitung: LYSAKER, BELL <strong>und</strong> BEAM-GOULET (1995) untersuchten<br />

89 Teilnehmer einer Studie zur Arbeitsrehabilitation mit dem WCST <strong>und</strong> dem Work<br />

Personality Profile (WPP: BOLTON & ROESSLER, 1986), einem Instrument zur Fremdeinschätzung<br />

von Arbeitsfähigkeiten. Sie fanden Zusammenhänge zwischen WCST-Scores <strong>und</strong><br />

den Skalen Task Orientation (z. B. »Works steadily during the entire work period«, S. 47)<br />

<strong>und</strong> Work Motivation (z. B. »Accepts changes in work assignments«). Die aufgeklärten<br />

Varianzen lagen allerdings nur zwischen 2 <strong>und</strong> 12 %.<br />

Auch die erwähnte Studie von KANTROWITZ et al. (2009), bei der statt der WCST-Stimuli<br />

lächelnde Gesichter eingesetzt wurden, kann als Hinweis auf eine Rolle motivationaler<br />

Faktoren gedeutet werden.


48<br />

Wisconsin Card Sorting Test<br />

3.5.6 Das hierarchische WCST-Performanzmodell von Greve et al. (2002)<br />

Aus den bisherigen Ausführungen dürfte deutlich geworden sein, dass die für den WCST<br />

notwendige kognitive Architektur komplexer ist, als der naive Beobachter vermuten mag:<br />

Er lässt sich zu Recht sowohl als Test der »<strong>Exekutivfunktionen</strong>« als auch als Test des<br />

»Problemlösens« (NUECHTERLEIN et al., 2004) beschreiben. Zwar ist diese Trennung ein<br />

Stück weit künstlich <strong>und</strong> Ausdruck unterschiedlicher Beobachterperspektiven (Funktions-<br />

vs. Zielanalyse), gleichzeitig erscheint es nicht zu spekulativ, diese deskriptiven Bereiche<br />

grob mit stärker fluiden (z. B. Arbeitsgedächtnis, Interferenzkontrolle) bzw. kristallinen<br />

kognitiven Komponenten in Verbindung zu bringen.<br />

Lassen sich diese Aspekte im WCST differentiell abbilden? Die Gültigkeit der im Manual<br />

getätigten Behauptung, dass die unterschiedlichen Scores »… reflect different aspects of<br />

test performance« (KONGS et al., 2000, S. 8), also die Validität der Kennwerte aus Tabelle<br />

3, wurde bislang kaum empirisch untersucht.<br />

WILLIAMS, LITTELL, REINOSO <strong>und</strong> GREVE (1994) sowie GREVE, WILLIAMS, HAAS, LITTELL<br />

<strong>und</strong> REINOSO (1996) konnten in einer Studie an Kindern mit <strong>und</strong> ohne Aufmerksamkeitsstörungen<br />

zeigen, dass bestimmte Farbmanipulationen an den WCST-Karten (blaue vs. rote<br />

Karten) die Anzahl der Failure-to-maintain-set-Fehler (FMS) verändern. Dies wurde als<br />

Hinweis auf eine Beteiligung gestörter attentionaler Prozesse am Zustandekommen der<br />

entsprechenden Defizite gewertet. Kurzwelliges Licht (blaue Karten) verbessert den<br />

Autoren zufolge die Leistung der Neuronen der magnozellularen Schichten (M-Ganglienzellen)<br />

des Corpus geniculatum laterale (CGL), die eine Vorstufe der dorsalen Bahn bilden,<br />

die die visuell-räumliche Verarbeitung im Parietallappen vermittelt <strong>und</strong> in enger Beziehung<br />

zum posterioren Aufmerksamkeitssystem steht (vgl. POSNER & DEHAENE, 1994; POSNER &<br />

PETERSEN, 1990). Auf die Bedeutung parietaler Areale für die WCST-Bearbeitung wird<br />

weiter unten hingewiesen (BUCHSBAUM et al., 2005).<br />

Aufbauend auf diesen experimentellen Vorabeiten <strong>und</strong> auf Faktoranalysen (s. u.) formulierte<br />

die Gruppe um GREVE (GREVE, INGRAM & BIANCHINI, 1998; GREVE, LOVE, SHERWINS,<br />

MATHIAS, RAMZINSKI et al., 2002) ein hierarchisches Modell der WCST-Performanz, das<br />

eine Interaktion mindestens dreier dissoziierbarer kognitiver Systeme bzw. Prozesse<br />

postuliert, wobei die Intaktheit einer Ebene Voraussetzung für die Möglichkeit der Testung<br />

der nächsthöheren Funktionsebene ist (d. h. es können durchaus Schwierigkeiten auf<br />

mehreren Ebenen bestehen, aber nicht zugleich mit dem WCST erfasst werden).<br />

(1.) Auf der Ebene der kognitiven Flexibilität sind die exekutiven Fähigkeiten des Kategorienwechsels<br />

bzw. der Inhibitionskontrolle (vgl. FUSTER, 1999) angesiedelt. Dysfunktionen<br />

auf dieser basalen Ebene sollten zu häufigen Perseverationsfehlern <strong>und</strong> entsprechend<br />

wenigen vollendeten Kategorien, richtigen <strong>und</strong> Konzeptantworten führen. Zugleich<br />

sollte die Zahl der Konzeptabbrüche (FMS), <strong>und</strong> möglicherweise auch der nonperseverativen<br />

Fehler (s. u.), relativ gering bleiben, da ein Proband bei ausgeprägter Perseverationsneigung<br />

nicht in der Lage ist, jenseits des ersten Konzepts weiterführende Hypothesen zu<br />

prüfen <strong>und</strong> neue Konzepte zu etablieren, die abgebrochen werden könnten.<br />

(2.) Auf der Ebene des problemlösenden, hypothesenprüfenden Denkens sind die vorgenannten<br />

<strong>Exekutivfunktionen</strong> hinreichend intakt, um neue (<strong>und</strong> möglicherweise komplexe<br />

idiosynkratische) Konzepte <strong>und</strong> Regeln prüfen zu können. Ein Defizit auf dieser heuristischen<br />

Ebene sollte in eine relativ größere Anzahl nicht-perseverativer Fehler <strong>und</strong> evt.<br />

idiosynkratischer Sortierungen münden.<br />

(3.) Auf der Ebene der Reaktionserhaltung (response maintenance) muss eine bereits<br />

erfolgreich etablierte Regel so lange ununterbrochen eingehalten werden, bis eine Serie von


49<br />

Wisconsin Card Sorting Test<br />

zehn korrekt sortierten Karten erreicht ist. Da ein Versagen der Aufrechterhaltung der<br />

aktuellen Kategorie (failure to maintain set, FMS) erst nach einer Miniserie von mindestens<br />

fünf korrekt sortierten Karten konstatiert werden kann <strong>und</strong> FMS- mit Perseverationsfehlern<br />

weitgehend unkorreliert sind, wurde ein separierbares Aufmerksamkeitsdefizit<br />

gefolgert (GREVE, INGRAM & BIANCHINI, 1998). Ein Problem für die statistische Analyse der<br />

Zusammenhänge von FMS <strong>und</strong> Perseveration ist die Seltenheit <strong>und</strong> geringe Varianz des<br />

FMS-Ereignisses im WCST. Abbildung 3 zeigt das GREVE-Modell der WCST-Performanz.<br />

niedrig Performanzniveau hoch<br />

WCST Konstrukt<br />

Failure-tomaintain-set-<br />

Fehler (FMS)<br />

Nonperseverative<br />

Fehler (NPE)<br />

Perseverative<br />

Fehler (PE)<br />

Vigilanz (?)<br />

Impulsivität (?)<br />

Attributidentifikation<br />

Heuristische Strukturen<br />

Interferenzkontrolle<br />

Arbeitsgedächtnis<br />

Feedback-Verwertung<br />

Abbildung 3. Hierarchisches WCST-Modell nach von Greve et al. (2002)<br />

Fazit<br />

Trotz der enormen Popularität des Wisconsin Card Sorting Test bei der Erfassung »exekutiver«<br />

Funktionen (RABIN, BARR & BURTON, 2005) exisitiert kein Konsens über seine<br />

Konstruktvalidität. Diese unbefriedigende Situation ist vor allem der Tatsache geschuldet,<br />

dass der Test alles andere als ein prozessreiner Test ist – die Performanz ergibt sich vielmehr<br />

als gemeinsame Endstrecke einer Vielzahl interagierender <strong>und</strong> sich ggf. auch<br />

kompensierender kognitiver Funktionen (GOLDBERG & WEINBERGER, 1994).<br />

Aufgr<strong>und</strong> der gesichteten Literatur kann allerdings eine kognitive Architektur skizziert<br />

werden, die minimal nötig ist, um die drei Gr<strong>und</strong>aufgaben des WCST (Etablieren, Einhalten<br />

<strong>und</strong> Wechseln von Kategorien/Regeln) zu bewältigen. Diese umfasst (1.) die Attributidentifikation,<br />

also die Abstraktion der Stimulus-Material inhärenten Kategorien Farbe,<br />

Form <strong>und</strong> Anzahl; (2.) eine parsimonische Heuristik beim Problemlösen (einfache Annahmen,<br />

Variablenkontrolle); (3.) ein Arbeitsgedächtnis zur Repräsentation von Steuerungsinformation;<br />

(4.) eine inhibitorische Kontrollfunktion zur Vermeidung von Interferenzen<br />

bzw. Perseverationen <strong>und</strong>/ oder (5.) die Nutzung korrektiver Rückmeldung. Abbildung 4<br />

stellt Aufgaben, Funktionsbereiche <strong>und</strong> kognitive Leistungen noch einmal übersichtlich<br />

dar. Das hierarchische WCST-Modell von GREVE, LOVE, SHERWIN, MATHIAS, RAMZINKSI et<br />

al. (2002) <strong>und</strong> die von ihm herausgestellten Scores könnte helfen, Subtypen mit unterschiedlichen<br />

Defizit-Profilen zu identifizieren.


Abbildung 4. Konzeptebenen des WCST<br />

50<br />

Wisconsin Card Sorting Test<br />

3.6 Der WCST als »Frontalhirntest« <strong>und</strong> die Hypofrontalitäts-<br />

Hypothese<br />

PROBLEM-<br />

LÖSEN<br />

heuristische<br />

Struktur<br />

Regel<br />

lernen<br />

Attribut-<br />

Identifikation<br />

Regel<br />

befolgen<br />

Phonologische<br />

Schleife (AG)<br />

Valenz-<br />

Verarbeitung<br />

ABSTRAKTION<br />

EXEKUTIV-<br />

FUNKTIONEN<br />

Interferenz-<br />

kontrolle<br />

Regel<br />

wechseln<br />

Der Wisconsin Card Sorting Test galt, u. a. zurückgehend auf die Arbeiten von MILNER<br />

(1963) <strong>und</strong> DREWE (1974) lange Zeit als einer der besten Indikatoren für vom Frontallappen<br />

vermittelte psychische Funktionen (s. VAN DER DOES & VAN DEN BOSCH, 1992).<br />

Schon MILNER (1963) <strong>und</strong> MALMO (1974) meinten, in diesem Zusammenhang dessen<br />

dorsolaterale präfrontale Anteile (DLPFC) als besonders relevantes neurobiologisches<br />

Substrat ausgemacht zu haben, da in ihren Studien Probanden mit chirurgischen Läsionen<br />

dieses Areals durch ein ausgeprägteres perseverierendes Sortierverhalten auffielen.<br />

Klinisch-neuropsychologische Studien an Probanden mit fokalen frontalen Läsionen <strong>und</strong><br />

Untersuchungen mit bildgebenden Verfahren konnten eine Beteiligung frontaler Areale,<br />

<strong>und</strong> speziell des DLPFC an extra-dimensionalen Kategorienwechseln generell erhärten<br />

(z. B. STUSS et al., 2000). Eine Übersicht vermitteln STUSS <strong>und</strong> LEVINE (2002) <strong>und</strong> ALVAREZ<br />

<strong>und</strong> EMORY (2006). Dennoch liegt hinreichend kontradiktorische Evidenz vor, um die<br />

Validität des WCST als sensitives <strong>und</strong> spezifisches Maß von »Frontallappen-Funktionen« in<br />

Frage zu stellen (z. B. ANDERSON, DAMASIO, JONES & TRANEL, 1991; AXELROD et al., 1996) –<br />

dies wurde vor allem von den kritischen Übersichtsarbeiten von MOUNTAIN <strong>und</strong> SNOW<br />

(1993), REITAN <strong>und</strong> WOLFSON (1994) <strong>und</strong> BARCELÓ (2001) unternommen.<br />

Die Resultate mehrerer Metaanalysen geben aber zumindest Hinweise auf eine substanzielle<br />

Beteiligung frontaler Areale an der WCST-Bearbeitung: DEMAKIS (2003) verglich 644<br />

Probanden mit eindeutig dokumentierten reinen frontalen Läsionen mit 705 Probanden<br />

mit non-frontalen Hirnschädigungen aus 25 Studien (1963 – 2001) <strong>und</strong> fand, dass frontale<br />

Läsionen zu ausgeprägteren WCST-Defiziten führen (Kategorien: d = -0,35; perseverative


51<br />

Wisconsin Card Sorting Test<br />

Fehler/Antworten: d = -0,32). Zwei Moderatorvariablen sind überdies erwähnenswert:<br />

Erstens wird der Effekt des Vergleichs durch eine Schädigung des DLPFC deutlich akzentuiert,<br />

wobei nur wenige Einzeleffekte für diesen Vergleich zur Verfügung standen (d = -1,30;<br />

k = 3). Zweitens nivelliert die Verwendung von NELSONs MCST statt des WCSTs den Effekt<br />

nahezu vollständig (d = -0,05; k = 7). In einer zweiten, vergleichbar großen Metaanalyse<br />

fand der Autor keinen Effekt für die Lateralisierung der frontalen Schädigung (d. h.<br />

rechtsfrontal vs. linksfrontal).<br />

Zu ähnlichen Resultaten wie DEMAKIS (2003) kamen ALVAREZ <strong>und</strong> EMORY (2006), die in<br />

einer Metaanalyse die Sensitivität mehrerer Maße exekutiver Funktionen (WCST, Wortflüssigkeit,<br />

Stroop) für frontale Läsionen untersuchten <strong>und</strong> dabei sowohl ges<strong>und</strong>e als auch<br />

nonfrontal geschädigte Kontrollpersonen einschlossen. Sie fanden einen mittleren Effekt<br />

von d = -0,78 (k = 27, N = 1992) <strong>und</strong> Moderatoreffekte für Testtyp (der WCST erwies sich<br />

als sensitivster Test, d = -0,97) <strong>und</strong> Vergleichsgruppe (Vergleichsgruppen mit nonfrontalen<br />

Läsionen ergaben einen geringeren mittleren Effekt als nicht-geschädigte Kontrollen:<br />

d = -0,57 vs. -1,05).<br />

Es gibt also gute Gründe anzunehmen, dass der WCST ein zwar vergleichsweise sensitiver,<br />

aber unspezifischer Indikator der Beeinträchtigung von Frontallappen-Funktionen ist.<br />

Frontale Areale scheinen supervisorisch, koordinierend <strong>und</strong> integrierend zu wirken <strong>und</strong> in<br />

neuronalen Netzwerken die Aktivität nicht-frontaler Areale zu orchestrieren, um komplexe<br />

»exekutive« Makrofunktionen hervorzubringen (JONIDES, LACEY & NEE, 2005; ANDRÉS,<br />

2003; ZELAZO et al., 1997). So postulieren JONIDES et al. (2005), dass Prozesse der Auffrischung<br />

von Information im Arbeitsgedächtnis durch ein Zusammenwirken frontaler<br />

Strukturen mit eben jenen (temporalen, parietalen <strong>und</strong> okzipitalen) Arealen erfolgt, die<br />

bereits die primären perzeptiven Prozessen vermitteln.<br />

Die Hypothese einer funktionellen Integration verschiedener Areale bei der WCST-<br />

Bearbeitung (GONZÁLEZ-HERNÁNDEZ, 2002) wurde mehrfach auch metaanalytisch gestützt:<br />

BUCHSBAUM, GREER, CHANG <strong>und</strong> BERMAN (2005) integrierten Daten aus 13 bzw. 18 Studien,<br />

die mit Hilfe bildgebender Verfahren die Gehirnaktivität während der Bearbeitung dreier<br />

Tests exekutiver Funktionen (WCST, Task-switching- <strong>und</strong> Go/No-Go-Aufgaben) dargestellt<br />

haben. Die letzteren beiden Test-Typen wurden dabei als approximative Operationalisierungen<br />

hierarchisch untergeordneter exekutiver Subkomponenten aufgefasst: Im Taskswitching-Paradigma<br />

werden häufige Wechsel zwischen mindestens zwei einfachen<br />

Aufgaben gefordert, etwa die Beurteilung verschiedener Merkmale dargebotener Zahlen<br />

(wie Höhe, Teilbarkeit: s. MONSELL, 2003). Im Go/ No-Go-Paradigma (GNG) müssen<br />

Probanden auf in schneller Folge präsentierte Zielreize häufig reagieren <strong>und</strong> selten nicht<br />

reagieren, also dominante Reaktionen hemmen.<br />

Für alle drei Aufgabentypen zeigten sich ausgedehnte frontoparietale Aktivierungsmuster<br />

mit Foci u. a. im Gyrus frontalis inferior <strong>und</strong> im unteren Parietallappen (u. a.<br />

Brodmann-Areal 7). Der DLPFC (BA 9, 46) war an der Vermittlung aller kognitiven<br />

Komponenten beteiligt. Es fand sich zudem für GNG-Aufgaben (Inhibitionskontrolle/<br />

Reaktionssuppression) ein lateralisierter Aktivierungsfocus im rechten DLPFC.<br />

Die Resultate von BUCHSBAUM et al. (2005) korrespondieren mit den Ergebnissen einer<br />

Metaanalyse von WAGER <strong>und</strong> SMITH (2003) zu den neurobiologischen Substraten des<br />

Arbeitsgedächtnisses, die herausarbeitete, dass parietale Bereiche (BA 7) bei hohen<br />

Anforderungen unabhängig von der Art des Stimulus-Materials an der Vermittlung aller<br />

attentional-exekutiven Funktionen beteiligt sind. Aufgaben, die eine kontinuierliche<br />

Aktualisierung von AG-Inhalten <strong>und</strong> die Berücksichtigung zeitlicher Sequenzen erfordern,<br />

werden unter Beteiligung des DLPFC verstärkt rechtshemisphärisch (BA 6, 9) verarbeitet.


52<br />

Wisconsin Card Sorting Test<br />

Eine aufschlussreiche Arbeit von LIE, SPECHT, MARSHALL <strong>und</strong> FINK (2006) deutet speziell<br />

für den WCST in die gleiche Richtung: Die Autoren führten eine fMRT-Studie durch, in der<br />

sie zwölf ges<strong>und</strong>en Probanden verschiedene WCST-Versionen mit abnehmender Komplexität<br />

darboten <strong>und</strong> durch serielle Subtraktion von Aktivierungsmustern die neuronale<br />

Signatur kognitiver Subkomponenten herausarbeiteten (kompletter WCST Ankündigung<br />

der korrekten Dimension zu Beginn einer Serie Instruktion vor jeder Karte Sortieren<br />

von mit Zielkarten identischen Reaktionskarten [Baseline]).<br />

Die Analysen zeigen, dass der WCST ein ausgedehntes bilaterales frontoparietales Netzwerk,<br />

anteriores Cingulum (ACC), Striatum <strong>und</strong> Cerebellum beansprucht. Während<br />

angeleitetes Sortieren (sensorische Diskrimination bei bekanntem Kriterium ohne AG-<br />

Belastung) linksfrontale Areale relativ stärker aktivieren, sorgt eine zunehmende Beanspruchung<br />

von Arbeitsgedächtnis <strong>und</strong> <strong>Exekutivfunktionen</strong> (Interferenzkontrolle, selbstinitiierte<br />

Kategorienwechsel) für eine rechtsfrontale Lateralisierung der Aktivierung<br />

(DLPFC). Auch diese Autoren interpretieren ihren Bef<strong>und</strong> als Hinweis darauf, dass der<br />

rechte DLPFC bei höherer Aufgabenschwierigkeit kognitive Kontrolle über in posterioren<br />

Gehirnarealen gespeicherte Gedächtnisinhalte implementiert (exekutives AG).<br />

Entsprechende Kontraste der einfacheren WCST-Versionen deuten hingegen an, dass<br />

Areale des Gyrus frontalis inferior (ventrolateraler PFC) einfachere Arbeitsgedächtnisfunktionen<br />

vermitteln (z. B. Abruf; vgl. PETRIDES, 2002), möglicherweise aber auch in die<br />

mnestische Interferenzkontrolle <strong>und</strong> die Suppression erlernter Reiz-Reaktions-Verbindungen<br />

involviert sind (vgl. BADER & WAGNER, 2007).<br />

Das anteriore Cingulum (ACC) scheint sowohl in die Detektion <strong>und</strong> affektive Färbung<br />

von Fehlern bzw. Reaktionskonflikten eingeb<strong>und</strong>en zu sein (rostraler Anteil) wie auch, über<br />

ein cingulo-frontales Netzwerk, in die notwendige Anpassung der exekutiven Kontrolle<br />

(kaudaler Anteil) durch den DLPFC. Diese Rolle des ACC als Konflikt-Monitor wurde vor<br />

allem von BOTVINICK, BRAVER, BARCH, CARTER <strong>und</strong> COHEN (2001) postuliert.<br />

Die Hypothese einer besonderen Rolle des dorsolateralen präfrontalen Kortext (DLPFC)<br />

wurde auch auf die Schizophrenie übertragen, für die WCST-Defizite seit FEY (1951)<br />

bekannt sind: So zeigten WEINBERGER <strong>und</strong> Mitarbeiter in zwei unabhängigen Stichproben,<br />

dass Probanden mit Schizophrenie im Gegensatz zu Kontrollprobanden keine mit der<br />

Bearbeitung des WCST korrelierte relative Erhöhung der regionalen zerebralen Durchblutung<br />

(rCBF) des DLPFC aufweisen (WEINBERGER, BERMAN & ZEC, 1986; WEINBERGER,<br />

BERMAN & ILLOWSKY, 1988).<br />

Eine umfassende Übersicht ist hier weder möglich noch sinnvoll – es sei jedoch darauf<br />

hingewiesen, dass HILL et al. (2004) metaanalytische Belege für die hier angesprochene<br />

Hypothese schizophrener »Hypofrontalität« lieferten: Vergleiche mit Kontrollprobanden in<br />

Studien mit Methoden funktioneller Bildgebung zeigen, dass Personen mit Schizophrenie<br />

sowohl im Ruhezustand (k = 38 Studien, N = 1474, d = -0,32) als auch unter Aktivierungsbedingungen<br />

(k = 17, N = 685, d = -0,37) über unterschiedliche frontale Areale bzw.<br />

Aufgabentypen hinweg eine Verminderung des frontalen Blutflusses bzw. Energiestoffwechsels<br />

relativ zu individuellen Referenzregionen aufweisen. Die Effektgrößen wurden<br />

dabei trendhaft vom Ausmaß der kognitiven Beeinträchtigung moderiert (d. h. je ausgeprägter<br />

das kognitive Defizit, desto deutlicher der Hypofrontalitäts-Effekt).<br />

Eine zweite, rezente Metaanalyse von 41 Studien mit funktioneller Bildgebung von<br />

MINZENBERG, LAIRD, THELEN, CARTER <strong>und</strong> GLAHN (2009) ergab für Schizophrenie im<br />

Wesentlichen die gleiche neuronale Signatur exekutiver Funktionen wie die nicht erkrankter<br />

Personen (BUCHSBAUM et al., 2005; WAGER & SMITH, 2003; LIE et al., 2006): Probanden


53<br />

Wisconsin Card Sorting Test<br />

mit Schizophrenie-Diagnosen aktivierten bei der Bearbeitung von Tests des Arbeitsgedächtnisses<br />

<strong>und</strong> der <strong>Exekutivfunktionen</strong> DLPF, VLPFC, ACC <strong>und</strong> Thalamus, in Gruppenvergleichen<br />

zeigte sich allerdings auch hier eine relative Hypoaktivierung dieses exekutiven<br />

Kontroll-Netzwerks bei Schizophrenie.<br />

Unklar bleibt trotz der Metaanalysen erstens, ob sich die mit den exekutiven Defiziten<br />

bei Schizophrenie assoziierten pathophysiologischen Phänomene besser durch ein Hypofrontalitätsmodell<br />

mit primären DLPFC-Beeinträchtigungen oder durch ein Modell der<br />

Dyskonnektivität von frontal-posterioren Netzwerken beschreiben lassen (vgl. RAGLAND,<br />

YOON, MINZENBERG & CARTER, 2007). Zu bedenken ist hierbei, dass die neuronale Aktivierung<br />

einer umgekehrt U-förmigen Funktion folgen könnte mit der Aufgabenschwierigkeit<br />

auf der Abszisse <strong>und</strong> der DPLFC-Aktivierung auf der Ordinate (s. VAN SNELLENBERG,<br />

TORRES & THORNTON, 2006, Abb. 1, S. 498). Die in Schizophrenie-Stichproben anzunehmende<br />

relative Linksverschiebung der aus der Bearbeitung eines Tests resultierenden<br />

nicht-linearen Funktion könnte die Inkonsistenz der Bef<strong>und</strong>e (relative Hypo- vs. Hyperaktivierung)<br />

erklären.


3.7 Reliabilität, Normierung <strong>und</strong> Faktorstruktur<br />

des Wisconsin Card Sorting Test<br />

3.7.1 Reliabilität des WCST<br />

54<br />

Wisconsin Card Sorting Test<br />

Da die Berechnung von Indices signifikanter Veränderung des Einzelfalls eine Kenntnis der<br />

Reliabilität des WCST voraussetzt (vgl. WIEDL, 1999), wurde eine Sichtung der einschlägigen<br />

Literatur in der PsychInfo-Datenbank (Stichworte: »WCST« bzw. »Wisconsin« <strong>und</strong><br />

»reliability« bzw. »stability« bzw. »retest« bzw. »psychometric«) sowie in MCCAFFREY et<br />

al. (2000) vorgenommen. Obwohl hierbei v. a. Hinweise auf die Zuverlässigkeit des WCST-<br />

64 (KONGS et al., 2000) bei Probanden mit Schizophrenie <strong>und</strong> kurzen Intertest-Intervallen<br />

(ITI) gesammelt werden sollten, wurde die Suche zunächst nicht weiter eingegrenzt.<br />

Ausgeschlossen wurden Studien, die aufgr<strong>und</strong> ihrer geringen Stichprobengröße oder<br />

suboptimaler Bedingungen (vgl. HAGEMAN & ARRINDELL, 1999; v. a. Trainierbarkeits- <strong>und</strong><br />

Medikamentenstudien) eine zuverlässige Schätzung der Reliabilität unwahrscheinlich<br />

erscheinen ließen (dies sind: SEIDMAN et al., 1991; HAGGER et al., 1993; KIRKBY,<br />

MONTGOMERY, BADCOCK & DANIELS, 1995; VERDOUX, MAGNIN & BOURGEOIS, 1995).<br />

Ausgeschlossen wurden ferner Studien, die die Vergleichbarkeit der Kurz- <strong>und</strong> der<br />

Langform des WCSTs mit Part-whole-Korrelationen prüfen (SMITH-SEEMILLER, FRANZEN &<br />

BOWERS, 1997; VAYALAKKARA, DEVARAJU-BACKHAUS, BRADLEY, SIMCO & GOLDEN, 2000;<br />

PURDON & WALDIE, 2001). Auch Arbeiten zur Interrater-Reliabilität (AXELROD, GOLDMAN &<br />

WOODARD, 1992) sind aufgr<strong>und</strong> der Sicherung der Auswertungsobjektivität durch ein<br />

Computer-Programm nicht von Interesse.<br />

Es ist auffällig, <strong>und</strong> indiziert möglicherweise ein File drawer-Problem, dass nur wenige<br />

der gesichteten Studien, die einen Kartensortiertest mit Messwiederholung verwendet<br />

haben, die einfache Retest-Korrelation überhaupt berichten. Die eingeschlossenen Studien<br />

sind in Tabelle 6 aufgelistet, der auch die Reliabilität der im folgenden Fließtext nicht<br />

berichteten Kennwerte entnommen werden kann.<br />

ADDINGTON, ADDINGTON <strong>und</strong> MATICKA-TYNDALE (1991) testeten 38 Patienten mit Schizophrenie<br />

mit dem WCST-128 zweimal mit einem Intertestintervall von sechs Monaten. Die<br />

Stabilität der Fehlervariable von r = .56 erscheint zwar nicht hinreichend, fiel aber<br />

angesichts der Umstände der ersten Testung, die während der ersten Woche eines Psychiatrie-Aufenthaltes<br />

an noch immer symptomatischen Probanden durchgeführt worden war,<br />

doch erstaunlich hoch aus. Zwei von drei betrachteten Kennwerten zeigten zudem keine<br />

signifikante Verbesserung.<br />

OZONOFF (1995) testete 17 Kinder <strong>und</strong> Jugendliche mit autistischen Entwicklungsstörungen<br />

<strong>und</strong> 17 mit Teilleistungsstörungen <strong>und</strong> Lernbehinderungen zweimal im Abstand<br />

von 2,5 Jahren mit dem WCST-128. Anstelle herkömmlicher Retest-Korrelationen werden<br />

Generalisierbarkeitskoeffizienten der G-Theorie berichtet (CRONBACH, GLESER, NANDA &<br />

RAJARATNAM, 1972; SHAVELSON, WEBB & ROWLEY, 1989), die in beiden Gruppen <strong>und</strong> für<br />

beide betrachteten Fehler-Kennwerte außerordentlich hoch ausfielen (d. h. ≥ .90). Die<br />

Autorin interpretiert dies als Hinweis darauf, dass Probanden mit beeinträchtigter<br />

Performanz eine höhere zeitliche Stabilität aufweisen: »… One prediction of this hypothesis,<br />

as yet untested, is that reliability estimates will be higher in disordered samples than<br />

in normal groups« (S. 492) (vgl. auch GREVE et al., 2002).


55<br />

Wisconsin Card Sorting Test<br />

PAOLO, AXELROD <strong>und</strong> TRÖSTER (1996) ließen eine Gruppe von 87 nicht-klinischen berenteten<br />

Probanden den WCST-128 zweimal mit einem Jahr Intertest-Intervall bearbeiten. Sie<br />

fanden für die Variablen Kategorien <strong>und</strong> Fehler total jeweils eine Stabilität von rtt ≥ .65<br />

<strong>und</strong> keinerlei Hinweise auf Lerneffekte.<br />

TATE, PERDICES <strong>und</strong> MAGGIOTTO (1998) testeten 23 Patienten mit traumatischen Gehirnschädigungen<br />

(posttraumatisches Intervall: 18 ±9 Wochen) <strong>und</strong> 20 Kontrollprobanden<br />

zweimal mit dem WCST-128 im Abstand von einigen Monaten. Zur Abschätzung der<br />

Stabilität wurden Intraklassen- <strong>und</strong> Rangkorrelationen an normalisierten Rohwerten<br />

berechnet, die für nicht-klinische Probanden auf eine gute Retest-Reliabilität, für Patienten<br />

jedoch auf eine nicht ausreichende Reliabilität hindeuten – eine plausible Erklärung ist ein<br />

zu kurzes posttraumatisches Intervall <strong>und</strong> differentielle Genesungseffekte. Die Autoren<br />

fanden für die Kontrollgruppe keine signifikanten Verbesserungen.<br />

BOWDEN et al. (1998) applizierten den WCST-128 in einer studentischen Stichprobe<br />

(N = 75) zweimal mit alternativen Kategorien-Reihenfolgen (A: Farbe Form Anzahl; B:<br />

Form Farbe Anzahl) <strong>und</strong> kurzer Pause. Die berechneten Korrelationen erreichten im<br />

Mittel nur r = .43 – allerdings ist gerade aufgr<strong>und</strong> der leistungsstarken akademischen<br />

Stichprobe mit Deckeneffekten zu rechnen. Die Eignung der verwendeten Methode der<br />

Reliabilitätsschätzung muss bezweifelt werden: Es wurde kein echter Retest verwendet,<br />

sondern bei identischen Ziel- <strong>und</strong> Reaktionsstimuli lediglich ein Regel-Aspekt variiert, was<br />

gerade leistungsstarke Probanden, die die Reihenfolge lernen <strong>und</strong> einhalten, verwirren<br />

könnte.<br />

BASSO, BORNSTEIN <strong>und</strong> LANG (1999) testeten 50 psychiatrisch unauffällige Männer<br />

mittleren Alters zweimal im Abstand von einem Jahr mit dem WCST. Die Autoren fanden<br />

neben signifikanten Verbesserungen in den meisten Kennwerten trotz der eher leistungsstarken<br />

Stichprobe <strong>und</strong> des langen ITI wie ADDINGTON et al. (1991) eine Retest-<br />

Korrelationen um r = .50.<br />

BASSO, LOWERY, GHORMLEY <strong>und</strong> BORNSTEIN (2001) werteten Teile der Daten von BASSO<br />

et al. (1999) erneut für den WCST-64 aus – ein Vorgehen, das insofern problematisch ist,<br />

als es so im 64er-Retest zu einem zu hohen Maß an Vorerfahrung <strong>und</strong> damit in unbeeinträchtigten<br />

Stichproben aufgr<strong>und</strong> von Deckeneffekten zu einer Unterschätzung der<br />

Reliabilität der Kurzform führen kann (GREVE et al., 2002). Wie zu erwarten, lagen die<br />

Retest-Korrelationen nur noch um r = .35. In beiden Analysen erwiesen sich die zu beiden<br />

Testzeitpunkten abgebrochenen Kategorien (Variable FMS) als unabhängig.<br />

INGRAM, GREVE, FISHEL INGRAM <strong>und</strong> SOUKUP (1999) untersuchten die Stabilität des<br />

WCST-128 an einer Stichprobe von 29 Patienten mit unbehandelter obstruktiver Schlaf-<br />

Apnoe (OSA) <strong>und</strong> fanden z. T. befriedigende Werte (rS = .34 bis .83, durchschnittlich .64).<br />

Auffällig ist ein deutlicher Unterschied der Stabilitäten der Fehler (.79) <strong>und</strong> der richtig<br />

sortierten Karten (.34), der auf die Verwendung des Abbruchkriteriums bei der Langform<br />

des WCST zurückgeht. Die Autoren, deren Ergebnisse für den WCST günstiger ausfallen als<br />

die der vergleichbaren Studien von ADDINGTON et al. (1991) <strong>und</strong> PAOLO et al. (1996),<br />

vermuten wie zuvor schon OZONOFF (1995), dass die Stabilität des Tests bei Patienten mit<br />

stabilen exekutiven Dysfunktionen sogar noch höher ausfallen könnten als bei OSA-<br />

Patienten.<br />

KONGS et al. (2000) testeten 33 Angestellte der Universität von Colorado zweimal im<br />

Abstand von ca. anderthalb Monaten mit dem WCST-64 <strong>und</strong> geben, wie zuvor OZONOFF<br />

(1995), Generalisierbarkeitskoeffizienten von durchschnittlich .74 an, wobei die Fehlersumme<br />

(bzw. die Anzahl richtiger Antworten) am besten abschnitt (.85).


56<br />

Wisconsin Card Sorting Test<br />

BRYSON, GREIG, LYSAKER <strong>und</strong> BELL (2002) testeten 46 klinisch stabile US-Veteranen mit<br />

chronifizierter Schizophrenie zweimal im mittleren Abstand von ca. vier Jahren mit dem<br />

WCST-128. Trotz des längsten ITI aller Studien zeigte sich eine noch befriedigende<br />

Stabilität der Anzahl vollendeter Kategorien (rtt = .73) <strong>und</strong> der Perseverationsfehler<br />

(T-Werte: rtt = .66) <strong>und</strong>, wie bei TATE et al. (1998) <strong>und</strong> BASSO et al. (1999), eine niedrige<br />

Stabilität der FMS-Variable.<br />

GREVE, LOVE, SHERWIN, MATHIAS, HOUSTON et al. (2002) boten die Langform des WCST<br />

34 Rehabilitanden mit deutlich länger als bei TATE et al. (1998) zurückliegenden schweren<br />

Hirnverletzungen (posttraumatisches Intervall: 12 ±6 Jahre) zweimal im mittleren Abstand<br />

von ca. einem Jahr dar. Ausgewertet wurden Rohwerte <strong>und</strong> T-Werte des WCST-128 <strong>und</strong><br />

zusätzlich (analog zu BASSO et al., 2001) die gleichen WCST-64-Kennwerte. Für beide Tests<br />

<strong>und</strong> Roh- sowie T-Werte zeichnete sich die Fehlersumme hier allerdings durch eine gute<br />

Stabilität (rtt ≥ .77) aus, was möglicherweise die Annahme von OZONOFF (1995) über die<br />

höhere Stabilität in klinischen Stichproben bestätigt.<br />

BIRD, PAPADOPOULOU, RICCIARDELLI, ROSSOR <strong>und</strong> CIPOLOTTI (2004) untersuchten die<br />

Retest-Reliabilität des modifizierten Kartensortiertests (MCST) nach NELSON (1976) an<br />

einer Stichprobe von 90 klinisch unauffälligen Probanden mittleren Alters mit einem<br />

mittleren Intertest-Intervall von einem Monat. Sie fanden inakzeptabel niedrige Retest-<br />

Korrelationen für alle betrachteten Kennwerte (z. B. r = .34 für Fehler total). In einer<br />

Substichprobe (N = 20) mit einem etwa 1 SD geringerem NART-IQ fielen die Werte etwas<br />

höher aus, was die Hypothese von OZONOFF (1995) stützt. Der Bef<strong>und</strong> von BIRD et al.<br />

(2004) mit dem MCST ist allerdings nur begrenzt aussagekräftig, da er kürzer <strong>und</strong> leichter<br />

als der WCST <strong>und</strong> so für unbeeinträchtigte Stichproben ungeeignet ist (s. DE ZUBICARAY &<br />

ASHTON, 1996).<br />

SOTA <strong>und</strong> HEINRICHS (2004) verwendeten den WCST-128 im Rahmen einer Längsschnittsstudie<br />

zur Prädiktion von Lebensqualität bei Schizophrenie zweimal über einen<br />

Zeitraum von drei Jahren in einer Stichprobe von 55 chronifizierten Probanden. Die<br />

Stabilität der Kategorienvariable (ICC = .59) fiel niedriger aus als in der vergleichbaren<br />

Studie von BRYSON et al. (2002).<br />

WOODS et al. (2006) boten den WCST-64 einer Gruppe von 57 klinisch unauffälligen<br />

Probanden (Alter: 34,9 ±11,3 Jahre) zweimal mit einem ITI von ca. einem Jahr dar <strong>und</strong><br />

fanden ebenfalls eine niedrige Retest-Reliabilität von rtt = .38 für die perseverativen<br />

Antworten.<br />

Fazit<br />

Angesichts der häufigen Verwendung des WCST in Neuropsychologie <strong>und</strong> Schizophrenieforschung<br />

(RABIN, BARR & BURTON, 2005) konnten überraschend<br />

wenige Studien zur Reliabilität des Tests identifiziert werden – offenbar wurde<br />

seine psychometrische Güte aufgr<strong>und</strong> der langen <strong>und</strong> theoretisch reichen Tradition<br />

kaum hinterfragt. Für Schizophrenie-Patienten konnten nur k = 3 (mit N<br />

≤ 55), für den WCST-64 nur k = 4 Studien (mit N ≤ 57) entdeckt werden. Die<br />

Ergebnisse weisen eine große Spannweite auf (z. B. Fehler total: rtt = .30 - .82),<br />

wobei v. a. Stichproben-Charakteristika <strong>und</strong> Intertestintervall die Stabilität beeinflussen.<br />

Aus den gesichteten Studien in Tabelle 6 kann tentativ geschlossen<br />

werden, dass die WCST-Leistung klinischer Probanden stabiler ist als die nichtklinischer<br />

Kontrollpersonen. Vor dem Einsatz des WCST-64 im Rahmen eines<br />

Test-Training-Test-Paradigmas mit Veränderungsmessung im Einzelfall sollte<br />

seine Reliabilität an einer größeren Stichprobe untersucht werden.


Tabelle 6.<br />

Übersicht über Studien zur Reliabilität des WCST<br />

57<br />

Wisconsin Card Sorting Test<br />

Quelle N Pbn Version ITI (m) TE PE KAT NPE FMS<br />

ADDINGTON et al. (1991) 38 SC 128 R 6 .56 a .52 a .45 a --- ---<br />

BASSO et al. (1999) 50 NK 128 R 12 .50 a .52 a .54 a --- -.02 a<br />

BASSO et al. (2001) 53 NK 64 R 12 .30 a .35 a .36 a --- .00 a<br />

BIRD et al. (2004) 90 NK MC R 1 .34 a .38 a .16 b --- ---<br />

BIRD et al. (2004) 20 NK MC R 1 .54 a .45 a .37 b --- ---<br />

BOWDEN et al. (1998) 75 NK 128 R --- .60 a .34 a .63 a .40 a ---<br />

BOWDEN et al. (1998) 75 NK 128 R --- .51 b .32 b .60 b .43 b ---<br />

BRYSON et al. (2002) 46 SC 128 R 52 (36-84) --- --- .73 a --- .17 a<br />

BRYSON et al. (2002) 46 SC 128 T 52 (36-84) --- .66 a --- .41 a ---<br />

GREVE et al. (2002) 34 TG 128 R 10 (±3) .82 b .80 b .53 c .50 b .26 c<br />

GREVE et al. (2002) 34 TG 128 T 10 (±3) .78 a .67 a --- .39 a ---<br />

GREVE et al. (2002) 34 TG 64 R 10 (±3) .77 b .54 b .53 c .51 b .05 c<br />

GREVE et al. (2002) 34 TG 64 T 10 (±3) .78 a .45 a --- .46 a ---<br />

INGRAM et al. (1999) 29 OSA 128 R 0,4 (0-2) .79 b .83 b .70 b .80 b .50 b<br />

KONGS et al. (2000) 33 NK 64 T 02 (1-2) .85 e .76 e --- .60 e ---<br />

OZONOFF (1995) 17 AU 128 R 29 (±4) .94 e .93 e --- --- ---<br />

OZONOFF (1995) 17 LB 128 R 32 (±2) .90 e .94 e --- --- ---<br />

PAOLO et al. (1996) 87 NK 128 R 14 (±2) --- --- .65 c --- .13 c<br />

PAOLO et al. (1996) 87 NK 128 T 14 (±2) .66 a .65 a --- .55 a ---<br />

SOTA & HEINRICHS (2004) 55 SC 128 R 36 (±8) --- --- .59 d --- ---<br />

TATE et al. (1998) 23 TG 128 R 10 (±3) .39 d .34 d .29 b .32 d -.32 d<br />

TATE et al. (1998) 20 NK 128 R 08 (±4) .79 d .72 d .88 b .74 d -.04 d<br />

WOODS et al. (2006) 57 NK 64 R 12 (±2) --- .38 a --- --- ---<br />

Anmerkungen. Alle ITI-Angaben wurden in Monate (= 30,44 Tage) umgerechnet <strong>und</strong> ger<strong>und</strong>et, um den Überblick zu<br />

erleichtern. Wurden im Originaltext keine Angaben zur Berechnung von rtt gemacht, wurde von Pearson-Korrelationen<br />

ausgegangen. Die Spalte PE enthält für OZONOFF (1995) <strong>und</strong> WOODS et al. (2006) perseverative Antworten (PR) statt<br />

Fehler. Für den WCST-64 entspricht die Reliabilität der Fehler (TE) der der korrekten Sortierungen (rA).<br />

a: Pearson-Korrelation; AU: autistische Entwicklungsstörungen; b: Spearman-Rangkorrelation; c: Kendalls τ; d:<br />

Intraklassen-Korrelation; FMS: abgebrochene Kategorien (failure to maintain set); e: Generalisierbarkeits-Koeffizienten;<br />

ITI: Intertest-Intervall (sämtliche Angaben wurden in Monate umgerechnet; weitere Angaben s. Fließtext); KAT:<br />

Anzahl vollendeter Kategorien; LB: Lernbehinderung; MCST: Modified Card Sorting Test (NELSON, 1976); NK: nichtklinisch;<br />

NPE: nonperseverative Fehler; OSA: obstruktive Schlaf-Apnoe; Pbn: Probanden-Typ; PE: Perseverationsfehler;<br />

R: Rohwerte; rtt: Reliabilität; SC: Schizophrenie-Spektrums-Störungen; T: alter- <strong>und</strong> bildungskorrigierte<br />

Standardwerte (T- oder IQ-Transformation); TE: Fehler total; TG: traumatische Gehirnschädigung; 128: Wisconsin<br />

Card Sorting Test, 128-Karten-Version, Standarddurchführung; 64: 64-Karten-Version<br />

3.7.2 Zur Normierung des WCST: das »Piloten-Problem«<br />

Die Rohwerte der wichtigen WCST-64-Variablen Fehler total (TE = 64 – korrekte Sortierungen<br />

[KS]), perseverative Antworten (PR) <strong>und</strong> perseverative Fehler (PE), nichtperseverative<br />

Fehler (NPE) <strong>und</strong> Konzeptantworten (CLR) lassen sich mit Hilfe des Manuals von<br />

KONGS et al. (2000) in alters- <strong>und</strong> bildungskorrigierte T-Werte überführen. Aufgr<strong>und</strong> eines<br />

Auswertungsprogrammes kann die Auswertungsobjektivität hierbei zwar als gegeben


58<br />

Wisconsin Card Sorting Test<br />

angesehen werden. Dennoch muss auf zwei gravierende Probleme der Normierung des<br />

Tests hingewiesen werden, die deren Aktualität <strong>und</strong> Repräsentativität bzw. Fairness<br />

betreffen <strong>und</strong> die in Testrezensionen (z. B. GREVE, 2001) nicht erwähnt werden:<br />

Erstens wurden die Abweichungsnormen des WCST-64 (s. KONGS et al., 2002, S. 21) für<br />

Erwachsene (N = 445) aus den Daten derselben Stichproben erstellt, die bereits die<br />

Normwerte für die neuere Langform des WCST von HEATON et al. (1993) lieferten. Diese<br />

wiederum stammen zu einem Drittel (N = 150) aus der nicht-klinischen Originalstichprobe<br />

des WCST von HEATON (1981) – was nichts anderes bedeutet, als dass ein großer Teil der<br />

Normierungsdaten 20 bis 30 Jahre alt sind. Dies ist u. a. deshalb problematisch, weil der<br />

WCST mit allgemeinen Intelligenztests korreliert ist (HEINRICHS, 1990) <strong>und</strong> für letztere<br />

durch die Arbeiten von FLYNN (1984; 1987; FLYNN & WEISS, 2007) eine durchschnittliche<br />

Zunahme von ca. 0,3 IQ-Punkten pro Jahr belegt wurde, mit einer stärkeren Verbesserung<br />

in Subtests des abstrakten Problemlösens, bei denen Wissen <strong>und</strong> verbale Fertigkeiten eine<br />

geringere Rolle spielen.<br />

Zweitens lässt sich dem Manual des WCST-64 entnehmen, dass die US-amerikanische<br />

Erwachsenen-Normstichprobe zu 11 % aus Studenten (N = 48) <strong>und</strong> zu 28 % aus Berufspiloten<br />

(commercial airline pilots, N = 124) besteht – fast 39 % der Stichprobe machen damit<br />

Probanden aus, die aufgr<strong>und</strong> ihrer kognitiven Leistungsfähigkeit für ihren Beruf bzw. für<br />

die tertiäre Bildung selegiert wurden, was sich aber durch anhand der Ausbildungsjahre<br />

korrigierte Normen nur begrenzt abbilden lässt: So ist die studentische Stichprobe<br />

durchgängig erst 18 Jahre alt. Es lässt sich anhand von Tabelle 2 aus KONGS et al. (2000, S.<br />

23) zeigen, dass sie 77 % der Substichprobe ihrer Altersklasse (< 20 Jahre) ausmacht.<br />

Gleichzeitig weist sie altersentsprechend nur 12 bis 13 Ausbildungsjahre auf (d. h. Highschool,<br />

evt. ein Jahr Undergraduate-Studium). Alter <strong>und</strong> Ausbildungsdauer dieser Gruppe<br />

sind also mit den Werten von jungen Patienten mit einer ersten schizophrenen Episode<br />

durchaus vergleichbar: So lag das Durchschnittsalter von 200 Patienten mit Erstmanifestation<br />

im Calgary Early Psychosis Program (COLDHAM, ADDINGTON & ADDINGTON,<br />

2002) bei 23,6 (±7,7) Jahren mit einer mittleren Ausbildungsdauer von 12 Jahren. Ob diese<br />

studentische Stichprobe angemesse Normwerte für junge Patienten liefert, darf bezweifelt<br />

werden.<br />

Für die Gruppe der Berufspiloten (Altersspanne: 24-65 Jahre; Ausbildung: 14-20 Jahre)<br />

lässt sich anhand der verfügbaren Information nur schwer einschätzen, ob <strong>und</strong> ggf. wo sie<br />

bei der Normierung ins Gewicht fällt, da ihre Anteile an den einzelnen Altersklassen<br />

(KONGS et al., 2000, Tabelle 2, S. 23) <strong>und</strong> ihre WCST-Leistung nicht beschrieben werden<br />

(d. h. ein relatives hohes Leistungsniveau wird hier nur vermutet). Sie stellt mit N = 124<br />

allerdings angesichts ihrer Altersspanne sehr wahrscheinlich über 40 % der 285 Personen<br />

zwischen 20 <strong>und</strong> 64 Jahren.<br />

Sollte die Annahme eines vergleichsweise hohen Performanzniveaus von Piloten <strong>und</strong><br />

Studenten zutreffen, ist eine Relativierung der WCST-64-Rohwerte von Probanden mit<br />

Schizophrenie an den Normen von KONGS et al. (2000) nicht unproblematisch. Auch lassen<br />

sich die gelieferten Verteilungskennwerte dann nicht zur Berechnung eines Trennwertes<br />

zur Unterscheidung von funktionaler <strong>und</strong> dysfunktionaler Population heranziehen (nach<br />

JACOBSON, FOLLETTE & REVENSTORF, 1984).


3.7.3 Faktorstruktur des WCST<br />

59<br />

Wisconsin Card Sorting Test<br />

Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass der WCST die Ableitung einer Reihe teilweiser<br />

red<strong>und</strong>anter Kennwerte erlaubt. Um eine Selektion nicht-red<strong>und</strong>anter WCST-Kennwerte<br />

vornehmen zu können <strong>und</strong> ggf. auf diesem Weg zu einer differentiellen Charakterisierung<br />

unterschiedlicher Performanztypen zu gelangen, wurden bislang durchgeführte Hauptkomponentenanalysen<br />

gesichtet. Dies erscheint auch insofern sinnvoll, als eine mehrfaktorielle<br />

Lösung Hinweise auf die an der Bearbeitung beteiligten kognitiven Prozesse geben<br />

kann (GREVE, INGRAM & BIANCHINI, 1998).<br />

Es konnten 18 Publikationen mit über 20 einzelnen Analysen identifiziert werden (BELL,<br />

GREIG, KAPLAN & BRYSON, 1997; BENGE, CAROSELLI & TEMPLE, 2007; CUESTA, PERALTA, CARO<br />

& DE LEON, 1995; GOLDMAN et al., 1996; GREVE, BIANCHINI, HARTLEY & ADAMS, 1999; GREVE<br />

et al., 1993; GREVE, BROOKS, CROUCH, WILLIAMS & RICE, 1997; GREVE, INGRAM & BIANCHINI,<br />

1998; GREVE, LOVE, SHERWIN, MATHIAS, RAMZINSKI et al., 2002; GREVE, STICKLE, LOVE,<br />

BIANCHINI & STANFORD, 2005; KIZILBASH & DONDERS, 1999; KOREN et al., 1998; LIN, CHEN,<br />

YANG, HSIAO & TIEN, 2000; PAOLO, TRÖSTER, AXELROD & KOLLER, 1995; SOMSEN,<br />

VAN DER MOLEN, JENNINGS & VAN BEEK, 2000; SU, LIN, KWAN & GUO, 2008; SULLIVAN et al.,<br />

1993; WIEGNER & DONDERS, 1999). Eine Übersicht gibt Tabelle 7.<br />

Hierzu einige Erläuterungen: In den Spalten auf der rechten Seite von Tabelle 7 werden<br />

nur die Ladungsmuster der acht (bzw. zehn) Variablen dargestellt, die (1.) theoretisch bzw.<br />

forschungspraktisch bedeutsam sind, die sich (2.) aus 128er- <strong>und</strong> 64er-WCST gleichermaßen<br />

ableiten lassen <strong>und</strong> (3.) auch aus den Daten kognitiv beeinträchtigter Probanden<br />

gebildet werden können. So wurde z. B. der Learning-to-learn-Index ausgeschlossen, für<br />

dessen Berechnung min. drei Kategorien vervollständigt werden müssen. Dies kann z. B.<br />

bei PAOLO et al. (1995) verwirren, da LTL hier einen eigenen Faktor bildet, der nur in der<br />

Spalte Faktorenanzahl berücksichtigt wurde. Bei der Darstellung der Ladungsmuster<br />

wurden nur Ladungen >.40 berücksichtigt (vgl. STEVENS, 1992). Sek<strong>und</strong>äre Ladungen<br />

stehen in Klammern.<br />

Hoch red<strong>und</strong>ante Variablen, deren Ladungsmuster sich wenig oder gar nicht unterscheiden,<br />

teilen sich eine Spalte: dies sind die Fehler total (TE) <strong>und</strong> die korrekten Sortierungen<br />

(KS), die bei einer Applikation ohne Abbruchkriterium vollständig red<strong>und</strong>ant sind,<br />

sowie die perseverativen Fehler (PE) <strong>und</strong> die perseverativen Sortierungen (PR), die so<br />

hoch zusammenhängen, dass ihre Ladungsmuster in keiner betrachteten Analyse voneinander<br />

abweichen. Aus dem gleichen Gr<strong>und</strong> wurden Summenscores <strong>und</strong> die seltener<br />

verwendeten Prozent-Variablen (z. B. Perseverationsfehler <strong>und</strong> ihr Anteil an der Fehlersumme)<br />

in jeweils einer Spalte untergebracht.<br />

Bei den Studien von GREVE, STICKLE, LOVE, BIANCHINI <strong>und</strong> STANFORD (2005) <strong>und</strong> SU et<br />

al. (2008) handelt es sich um konfirmatorische Faktorenanalysen, bei der Fit-Indices von<br />

unterschiedlich spezifizierten Modellen verglichen wurden. Obwohl dieses Vorgehen nicht<br />

mit den explorativen Hauptkomponentenanalysen der übrigen Arbeiten vergleichbar ist,<br />

wurden sie in Tabelle 7 aufgenommen, da ihre Ergebnisse mit denen der übrigen Studien<br />

vergleichbar sind (s. u.).


Tabelle 7.<br />

Übersicht über Studien zur Komponenten- bzw. Faktorstruktur des WCST<br />

(a)<br />

(b)<br />

(c)<br />

(d)<br />

(d)<br />

(d)<br />

(e)<br />

(f)<br />

(g)<br />

(h)<br />

(h)<br />

(i)<br />

(j)<br />

(k)<br />

(l)<br />

(m)<br />

(n)<br />

V N PBN RO #F<br />

128<br />

NW<br />

CV<br />

RW<br />

128<br />

RW<br />

128<br />

NW<br />

128<br />

NW<br />

128<br />

NW<br />

128<br />

RW<br />

128<br />

n. a.<br />

128<br />

RW<br />

128<br />

RW<br />

128<br />

RW<br />

128<br />

RW<br />

128<br />

RW<br />

128<br />

RW<br />

CV<br />

RW<br />

128<br />

RW<br />

128<br />

RW<br />

CV<br />

RW<br />

197 SC OB<br />

143 TG OB<br />

38 SC OR<br />

2 <br />

176<br />

3<br />

(91)<br />

3*<br />

(96)<br />

3<br />

(79)<br />

VAR<br />

(%)<br />

59, 22,<br />

10 [A]<br />

62, 21,<br />

14 [A]<br />

52, 15,<br />

12 [A]<br />

60<br />

TE/<br />

KS<br />

1 (2)<br />

1 (3)<br />

--<br />

1(2,3)<br />

1<br />

1 (3)<br />

KAT<br />

PE,<br />

PR<br />

Wisconsin Card Sorting Test<br />

CLR NPE FMS<br />

TC<br />

FC<br />

1 (2) 1 1 (2) 2 3 1 ---<br />

1(3) 1(2) 1(2,3) 3(1) 2(1) --- ---<br />

1 1 1 2 3 1 2<br />

NK --- 1 --- 1 --- 1 1 1 1 --- ---<br />

166 FL OB 2 --- 1 --- 1 1 2 2 --- ---<br />

177 DL OB 2 --- 1 --- 1 1 1(2) 2 --- ---<br />

83 ZI OR<br />

274<br />

NK,<br />

MX<br />

OB,<br />

OR<br />

473 MX OR<br />

68 TG OR<br />

68 TG OR<br />

565<br />

MX,<br />

NK<br />

80 TG-P OB<br />

524<br />

817<br />

SC,<br />

NK<br />

NK-<br />

AD<br />

3*<br />

(97)<br />

2<br />

(91)<br />

3<br />

(94)<br />

3*<br />

(96)<br />

3*<br />

(99)<br />

67, 18,<br />

12 [A]<br />

70, 21<br />

[A]<br />

60, 19,<br />

15 [A]<br />

61, 22,<br />

14 [A]<br />

63, 23,<br />

14 [A]<br />

CF n. a. n. a.<br />

OB,<br />

OR<br />

OR<br />

187 NK OR<br />

181 PK OR<br />

49<br />

NK-<br />

AD<br />

UR<br />

3*<br />

(84)<br />

3<br />

(88)<br />

3<br />

(88)<br />

3<br />

(85)<br />

3<br />

(77)<br />

3<br />

(78)<br />

1<br />

1(3)<br />

1<br />

2<br />

---<br />

1(3)<br />

---<br />

1(3)<br />

---<br />

1<br />

1 /2 /<br />

3<br />

1 1(2) 1 2 3 --- ---<br />

1 1 1 2 2 --- ---<br />

1(2) 1 1(2) 2 3 --- ---<br />

1(2) 1 1(2) 2 3 --- ---<br />

1 1(2) 1 2 3 --- ---<br />

1/ 2 1 1, 2 2 3<br />

--- --- 1 1 1 1 2 1(3) ---<br />

62, 24,<br />

14 [R]<br />

56, 18,<br />

14 [A]<br />

59, 13,<br />

13 [A]<br />

48, 18,<br />

12 [A]<br />

45, 22,<br />

11 [A]<br />

1 1 1 --- --- 2 --- 3<br />

1 1(3) 1 1 1(2) 3 2(1) ---<br />

1<br />

---<br />

1<br />

---<br />

1 1 1 1 2 3 ---<br />

1 1 1 2 2 2 ---<br />

--- --- 1 1 1 2 2(3) 3(1)<br />

IS


Tabelle 7 (Fortsetzung).<br />

(o)<br />

(p)<br />

(q)<br />

128<br />

RW<br />

128<br />

RW<br />

64<br />

RW<br />

58<br />

MX,<br />

NK<br />

OR<br />

100 TG OB<br />

3<br />

(91)<br />

3*<br />

(86)<br />

58, 19,<br />

14 [A]<br />

61<br />

Wisconsin Card Sorting Test<br />

1 1(2) 1 1 3 2 --- 3<br />

--- --- 1 1 1 1 3 2 ---<br />

112 ZI CF n. a. n. a. 1/3/2 1/2/3 1 1/2/3 2 3 --- ---<br />

Anmerkungen. Studien <strong>und</strong> Faktorbezeichnungen: (a) BELL, GREIG, KAPLAN & BRYSON (1997) [1: Perseveration; 2: NPE; 3:<br />

Inefficient sorting]; (b) BENGE, CAROSELLI & TEMPLE (2007); (c) CUESTA, PERALTA, CARO & DE LEON (1995) [s. Studie (a)];<br />

(d) GOLDMAN et al. (1996) [1: Problem solving/ perseveration; 2: loss of set]; (e) GREVE, BIANCHINI, HARTLEY & ADAMS (1999)<br />

[1: Concept formation/ perseveration; 2: NPE; 3: FMS]; (f) GREVE, BROOKS et al. (1997) [1: Undifferentiated executive<br />

function; 2: Attentional processing]; (g) GREVE, INGRAM & BIANCHINI (1998) [s. (e)] – aufgenommen wurde die Gesamtstichprobe;<br />

(h) GREVE, LOVE et al. (2002) – aufgenommen wurden die Versionen mit <strong>und</strong> ohne Abbruchkriterium (obere – untere<br />

Zeile); (i) GREVE, STICKLE, LOVE, BIANCHINI & STANFORD (2005) – aufgenommen wurde die Analyse ohne Abbruchkriterium;<br />

(j) KIZILBASH & DONDERS (1999) [1: Response accuracy; 2: Failure to self-monitor; 3: Learning];<br />

(k) KOREN et al. (1998) [1: Perseveration; 2: FMS; 3: Idiosyncratic sorting]; (l) LIN, CHEN, YANG, HSIAO & TIEN (2000)<br />

[1: Conceptualization; 2: Learning; 3: Inefficient sorting]; (m) PAOLO, TRÖSTER, AXELROD & KOLLER (1995)<br />

[1: Conceptualization/ problem solving; 2: FMS; 3: Learning]; (n) SOMSEN, VAN DER MOLEN, JENNINGS & VAN BEEK (2000)<br />

[1: Efficacy of reasoning; 2: Trial and error; 3: Unique errors]; (o) SULLIVAN et al. (1993) [1: Perseveration; 2: Inefficient<br />

sorting; 3: NPE]; (p) WIEGNER & DONDERS (1999) [1: Response accuracy; 2: Learning; 3: FMS/ self-monitoring of<br />

conceptual responses]; (q) SU et al. (2008) [1: Perseveration; 2: Ineffective hypothesis-testing strategy; 3: Set-maintenance].<br />

Abkürzungen. CF: konfirmatorische Faktorenanalyse; CLR: Konzeptantworten bzw. deren prozentualer Anteil (%CLR); #F:<br />

Anzahl Faktoren (aufgeklärte Varianz; *: Eigenwert des dritten Faktors geringfügig < 1); FMS: Failure to maintain set,<br />

abgebrochene Kategorien; IS: idiosynkratische Sortierungen (unique responses, Other-Fehler); KAT: Anzahl vollendeter<br />

Kategorien; KS: korrekte Sortierungen; NPE: nonperseverative Fehler; PBN: Probanden-Typ (FL/ DL: fokale/ diffuse Gehirn-<br />

Läsionen; MX: gemischt psychiatrisch-neurologisch; NK: nicht-klinisch; NKAD: nicht-klinisch, adoleszent; PK: Parkinson-<br />

Krankheit; SC: Schizophrenie-Spektrum; TG: nicht spezifizierte traumatische Gehirnschädigungen/ -P: pädiatrische Stichprobe;<br />

ZI: zerebraler Insult); PE: Perseverationsfehler (bzw. %PE); PR: perseverierende Sortierungen (responses) (bzw.<br />

%PR); RO: Rotation (OB: oblique; UR: unrotiert; OR: orthogonal); TCFC: Trials to complete first category, Anzahl gelegter<br />

Karten bis zur ersten vollständigen Kategorie; TE: Fehler total (total errors); V: WCST-Version <strong>und</strong> Variablen (128: Standard-<br />

Langversion; 64: Kurzversion; CV: 128er- oder längere Computerversion; RW: Roh- <strong>und</strong> Prozentwerte; NW: alters- <strong>und</strong><br />

bildungskorrigierte Werte, wo verfügbar); VAR (%): Anteile der Faktoren an der Varianzaufklärung (in Prozent; A: absolut; R:<br />

relativ)<br />

Trotz Unterschieden zwischen den Studien im Hinblick auf Stichproben, einbezogene<br />

Variablen <strong>und</strong> Rotationsmethoden (s. linke Seite von Tabelle 7) ermöglicht die präsentierte<br />

Übersicht ein recht klares Fazit (s. graue Felder im rechten Teil der Tabelle): In den<br />

meisten explorativen Analysen ließ sich nahezu eine Einfachstruktur auffinden. Es ergibt<br />

sich mit einer Ausnahme (GOLDMAN et al., 1996) eine dreifaktorielle Lösung mit einem<br />

konsistent replizierten ersten Faktor (45 - 67 % Varianzaufklärung), der Attributidentifikation,<br />

Ziel-/ Kontext-Repräsentation <strong>und</strong> kognitive Flexibilität bzw. Interferenzkontrolle<br />

(PE) zu repräsentieren scheint – dieser primäre Faktor spiegelt damit ein Gutteil der<br />

Funktionen wider, die der WCST zu messen beansprucht <strong>und</strong> wurde daher von GREVE,<br />

BROOKS et al. (1997) als Indikator »<strong>und</strong>ifferenzierter exekutiver Funktionen« bezeichnet.<br />

Die beiden weiteren Faktoren werden markiert, <strong>und</strong> in einigen Fällen praktisch vollständig<br />

konstituiert durch die Variablen nichtperseverative Fehler (NPE, meist Faktor 2)<br />

<strong>und</strong> Failure-to-maintain-set (FMS). Der Faktor NPE wurde nicht in allen Studien gef<strong>und</strong>en.<br />

Der zusätzliche Einschluss der Trials-to-complete-first-category (TCFC) scheint die<br />

referierte Faktorstruktur zu verändern. Es ist weiterhin zu problematisieren, dass in einigen<br />

Analysen das Kaiser-Kriterium für den dritten Faktor (meist FMS) nicht erfüllt <strong>und</strong> die<br />

Extraktion nur mit dem Scree-Test gerechtfertigt wurde.<br />

Die gelegentlich beobachteten sek<strong>und</strong>ären Ladungen der Kategorien-Variable (KAT) auf<br />

dem NPE-Faktor <strong>und</strong> der richtigen Antworten (rA) auf dem FMS-Faktor sind leicht herzu-


62<br />

Wisconsin Card Sorting Test<br />

leiten: Die konzeptuelle Leistung im WCST wird erstens nicht nur durch Defizite der<br />

kognitiven Flexibilität, sondern auch durch ineffizientes Hypothesentesten begrenzt, das<br />

sich in einer großen Zahl nicht-perseverativer Fehler niederschlagen kann (vgl. GREVE,<br />

LOVE, SHERWINS, MATHIAS, RAMZINSKI et al., 2002). Zweitens treten FMS-Fehler definitionsgemäß<br />

erst ab einem bestimmten Leistungsniveau auf (vgl. GREVE-Modell).<br />

Systematische Untersuchungen zur Valididät der beschriebenen WCST-Faktoren fehlen,<br />

allerdings wurden Korrelationen mit weiteren kognitiven Variablen berechnet, die erste<br />

Hinweise auf die Konstruktvalidität des Exekutivfaktors geben: SULLIVAN et al. (1993)<br />

fanden für ihre Schizophrenie-Substichprobe hohe Zusammenhänge zwischen dem<br />

Perseverations- sowie dem NPE-Faktor einerseits <strong>und</strong> Tests der exekutiven Komponente<br />

des Arbeitsgedächtnisses (vgl. PERRY, HEATON et al., 2001) <strong>und</strong> des verbalen Gedächtnisses<br />

andererseits. Bei PAOLO et al. (1995) erwiesen sich die Markier-Variablen der WCST-<br />

Faktoren jedoch als unabhängig von verschiedenen Gedächtnis-Variablen. KOREN et al.<br />

(1998) fanden Zusammenhänge des ersten Faktors mit einer IQ-Schätzung (r = -.43), mit<br />

einem Index des Arbeitsgedächtnisses (-.42) <strong>und</strong> einer Aufgabe zum Erkennen von<br />

Ähnlichkeiten (.50). Der FMS-Faktor blieb unkorreliert. BELL et al. (1997) fanden einen<br />

Zusammenhang des Perseverationsfaktors mit dem kognitiven PANSS-Faktor (r = .44), der<br />

v. a. Abstraktionsvermögen erfasst (Begriffe kategorisieren, Sprichwörter interpretieren).<br />

Während der NPE-Faktor schwach mit Desorganisation korrelierte (.22), wies der FMS-<br />

Faktor wiederum keine Zusammenhänge auf. GREVE et al. (1998) fanden in einer Faktorenanalyse<br />

Ladungen des ersten WCST-Faktors, des TMT, eines perzeptuellen Organisationsfaktors<br />

(WAIS-R) <strong>und</strong> der visuellen Reproduktionsleistung (WMS-R) auf einen gemeinsamen<br />

Faktor, der den Autoren zufolge exekutive Funktionen repräsentiert. NPE <strong>und</strong> FMS<br />

bildeten wiederum unabhängige Faktoren. Ihre Konstruktvalidität bleibt weiter unklar.<br />

3.8 Korrelate der WCST-Performanz<br />

3.8.1 Alter<br />

Die WCST-Leistung ist, wie die aller neuropsychologischer Tests, altersabhängig: RHODES<br />

(2004) konnte durch metaanalytische Vergleiche (k = 34; N ≥ 2923) zeigen, dass ältere<br />

Erwachsene (d. h. im Mittel über 70 Jahre) in der Anzahl vollendeter Kategorien <strong>und</strong><br />

perseverativer Fehler im WCST-128 deutlich schlechter abschneiden als jüngere (d. h. im<br />

Mittel unter 25jährige). Die mittleren gewichteten Effektstärken betrugen Glass’s ∆ = -1,13<br />

(KAT) bzw. -1,29. Allerdings vermochte das Alter allein nur um die 20 % der ES-Varianz<br />

aufzuklären. Für die halbierte 64er-Version hatten bereits AXELROD, JIRON <strong>und</strong> HENRY<br />

(1993) signifikante lineare Trends im Sinne einer Abnahme der Anzahl an Kategorien<br />

(Zusammenhang mit Alter: r = -.41) <strong>und</strong> einer Zunahme perseverativer Fehler (r = .29)<br />

gef<strong>und</strong>en. Eine genaue Inspektion ihrer Subgruppen-Daten (ebd., Tab. 1, S. 207) offenbart<br />

jedoch eine deutliche Leistungsabnahme erst ab dem sechsten Lebensjahrzehnt, perseverative<br />

Fehler steigen sogar erst in der Gruppe der 80jährigen deutlich an.


3.8.2 Bildung<br />

63<br />

Wisconsin Card Sorting Test<br />

Der Bildungsgrad, operationalisiert durch die Anzahl an Ausbildungsjahren, korreliert in<br />

nicht-erkrankten <strong>und</strong> klinischen Stichproben gering bis moderat mit der WCST-Leistung.<br />

Exemplarisch seien hier zwei Studien aufgeführt: BOONE, GHAFFARIAN, LESSER,<br />

HILL-GUTIERREZ <strong>und</strong> BERMAN (1993) fanden für ältere, ges<strong>und</strong>e Erwachsene vor allem in<br />

einer kleinen Subgruppe mit mehr als 16 Bildungsjahren deutlich bessere Leistungen.<br />

STRATTA et al. (1993) fanden, dass die WCST-Unterschiede zwischen Patienten mit<br />

Schizophrenie <strong>und</strong> Kontrollpersonen durch Stratifizierung nach Bildung abgeschwächt<br />

oder nivelliert werden konnten. Allerdings fanden sie auch einen signifikanten Zusammenhang<br />

zwischen der Anzahl an Bildungsjahren <strong>und</strong> dem Alter bei Ersterkrankung (r =<br />

.41, N = 80). Dies, <strong>und</strong> die bekannten prodromalen kognitiven Schwierigkeiten (vgl.<br />

CORNBLATT et al., 2003), lassen die Möglichkeit offen, dass letzten Endes doch morbogene<br />

bildungslimitierende Faktoren den Ausschlag geben.<br />

3.8.3 Symptomatik<br />

Eine Reihe von Studien (GOOD et al., 2004; HEYDEBRAND et al., 2004; DABAN et al., 2002)<br />

<strong>und</strong> eine Metaanalyse (NIEUWENSTEIN, ALEMAN & DE HAAN, 2001) haben den Zusammenhang<br />

zwischen WCST-Performanz <strong>und</strong> Schizophrenie-Symptomatik, operationalisiert<br />

über PANSS, BPRS oder SAPS/SANS, untersucht (KAY et al., 1987; OVERALL & GORHAM,<br />

1962; ANDREASEN, 1983, 1984). Ihre Ergebnisse lassen sich dahingehend zusammenfassen,<br />

dass (a) Positivsymptomatik <strong>und</strong> WCST-Leistung unkorreliert sind; (b) Negativsymptomatik<br />

<strong>und</strong> WCST-Leistung schwach bis moderat korrelieren; <strong>und</strong> (c) ein Teil dieses Zusammenhangs<br />

durch eine Konf<strong>und</strong>ierung von echter Negativsymptomatik (d. h. Affektverflachung,<br />

Sprachverarmung, Anhedonie, Apathie <strong>und</strong> soziale Passivität: vgl. KIRKPATRICK et<br />

al., 2006) <strong>und</strong> Abstraktionsschwierigkeiten durch die verwendeten Skalen erklärt werden<br />

kann (z. B. Item 5 der Negativskala der PANSS). Werden faktorenanalytisch begründete<br />

Skalen der PANSS verwendet (z. B. MAß et al., 2000), korreliert der WCST vor allem mit<br />

dem kognitiven Faktor.<br />

3.8.4 Antipsychotische Medikation<br />

Studien an neuroleptisch-naiven Patienten mit Erstmanifestation einer schizophrenen Episode<br />

konnten belegen, dass die vielfach berichteten kognitiven Beeinträchtigungen, auch<br />

die im WCST, ein morbogenes, <strong>und</strong> kein iatrogenes Phänomen sind (TORREY, 2002).<br />

Weniger eindeutig ist die Wirkung der Medikation auf die WCST-Performanz, auch weil<br />

sich die Einflüsse klinischer <strong>und</strong> kognitiver Variablen (d. h. Entscheidung über Notwendigkeit<br />

<strong>und</strong> Art der Behandlung, Symptomatik, Funktionsniveau) über korrelative, unkontrollierte<br />

Studien kaum entflechten lassen.<br />

DABAN et al. (2005) fanden keine Unterschiede zwischen 19 antipsychotisch medizierten<br />

<strong>und</strong> 19 unmedizierten Patienten im WCST, kontrollierten dabei aber statistisch die PANSS-<br />

Summe, in die kognitive Variablen eingehen. VERDOUX, MAGNIN <strong>und</strong> BOURGEOIS (1995)<br />

konnten an 13 Patienten keine signifikante Wirkung einer min. vierwöchigen, individualisierten<br />

antipsychotischen Behandlung im Rahmen eines stationären Aufenthalts nach<br />

vorheriger Wash-out-Phase auf die WCST-Leistung finden.<br />

Große Medikamenten-Studien zur vergleichenden Untersuchung atypischer Antipsychotika<br />

kommen zu ähnlichen Resultaten: HARVEY, GREEN, MCGURK <strong>und</strong> MELTZER (2003)


64<br />

Wisconsin Card Sorting Test<br />

fanden zwar signifikante Verbesserungen im WCST nach acht Wochen, die Effekte waren<br />

jedoch gering (d ≤ 0,17, N = 259). In der Clinical Antipsychotic Trials of Intervention<br />

Effectiveness (CATIE)-Studie, die die neurokognitive Wirkung mehrerer Atypika mit<br />

Perphenazin verglich, fanden KEEFE et al. (2007) an über 780 Patienten nach zwei Monaten<br />

über alle Medikamente einen ähnlich geringen Effekt von d = -0,15 für die perseverativen<br />

Fehler.<br />

Zu einer deutlich positiveren Schlussfolgerung kamen hingegen JOHNSON-SELFRIDGE<br />

<strong>und</strong> ZALEWSKI (2001) in ihrer Metaanalyse zu Moderatoren der <strong>Exekutivfunktionen</strong>, die an<br />

WCST- <strong>und</strong> HCT-Studien vorgenommen wurde: Während medizierte Probanden einen<br />

Effekt von ∆ = -1,30 (N = 2904, k = 37) aufwiesen, betrug er bei unmedizierten ∆ = -1,99<br />

(N = 706, k = 9). Es fand sich allerdings keine Korrelation der Effekte mit der Antipsychotika-Dosis<br />

in Chlorpromazin-Äquivalenten (CPZÄ).<br />

SWEENEY, KEILP, HAAS, HILL <strong>und</strong> WEIDEN (1991) berichten hingegen (in einer in der<br />

Metaanalyse nicht berücksichtigten Studie) eine positive Partialkorrelation zwischen CPZÄ<br />

<strong>und</strong> perseverativen Fehlern (r = .43, p < .01, N = 44) nach Kontrolle von Symptomatik <strong>und</strong><br />

Anticholinergika. Auch HORI et al. (2006) fanden, dass Hochdosis-Therapie (> 1000 mg/d<br />

CPZÄ) <strong>und</strong>/oder Kombinationstherapie mit geringerer Leistung als neuroleptische<br />

Standardbehandlungen einherging. Kausalschlüsse sind auch hier nicht möglich.<br />

Zur Frage der differentiellen Wirkung des Antipsychotika-Typs auf die WCST-Leistung<br />

existieren ebenfalls nur wenige Studien: SMITH, INFANTE, SINGH <strong>und</strong> KHANDAT (2001)<br />

fanden für medikationsrefraktäre, chronische Patienten eine (bei unadjustiertem Signifikanzniveau)<br />

bessere Wirkung von Olanzapin (atpyisch) im Vergleich zu Haloperidol<br />

(typisch). BENINGER et al. (2003) <strong>und</strong> RÉMILLARD, POURCHER <strong>und</strong> COHEN (2005) konnten<br />

einen Vorteil von Atypika hingegen nicht bestätigen.<br />

Insgesamt lassen sich nur wenige eindeutige Schlussfolgerungen ziehen: WCST-Defizite<br />

schizophrener Patienten sind primär morbogen <strong>und</strong>/oder gehen auf nicht-pharmakologische<br />

Mediatoren (z. B. Bildung) zurück. Es konnte kein überzeugender Bericht einer<br />

negativen Wirkung antipsychotischer Standardbehandlung ausgemacht werden.<br />

Ob die WCST-Beeinträchtigungen auf Antipsychotika ansprechen, ist unklar – hier<br />

zeichnen Interventionsstudien <strong>und</strong> eine Metaanalyse ein inkonsistentes Bild. Der Umstand,<br />

dass fluide neurokognitive Bereiche wie Vigilanz <strong>und</strong> verbales Gedächtnis v. a. durch<br />

Atypika in einigen Studien deutlich stärker beeinflusst wurden (KERN et al., 1999; HARVEY<br />

et al., 2003), deutet möglicherweise auf eine stärkere Beteiligung medikationsrefraktärer<br />

kristalliner Strukturen an der WCST-Performanz hin.<br />

Zwar finden sich aufgr<strong>und</strong> der großen Teststärke von Medikamentenstudien auch für<br />

den WCST signifikante Verbesserungen, diese bewegen sich jedoch im Bereich geringer<br />

Effektstärken, die auch auf Retest-Effekte zurückgehen können. Die Studien sind außerdem<br />

notwendigerweise unkontrolliert. Ein substanzieller Vorteil atypischer Antipsychotika lässt<br />

sich bislang nicht ausmachen.


3.9 Der Dynamische WCST in der Schizophrenieforschung<br />

3.9.1 Dynamische Testdiagnostik (DTD)<br />

65<br />

Wisconsin Card Sorting Test<br />

Aufgr<strong>und</strong> seiner traditionell weiten Verbreitung in Neuropsychologie <strong>und</strong> Schizophrenieforschung<br />

(vgl. HEINRICHS & ZAKZANIS, 1998) wurde der WCST häufig eingesetzt, um eine<br />

kognitive (exekutive) Ursache von Einschränkungen der sog. »<strong>Krankheitseinsicht</strong>« bei<br />

Schizophrenie zu belegen (ALEMAN, AGRAWAL, MORGAN & DAVID, 2006).<br />

Bei diesem häufigen Phänomen, das in Kapitel 6 ausführlich beschrieben wird, besteht<br />

eine deutliche Diskrepanz zwischen den krankheitsbezogenen Selbsteinschätzungen eines<br />

Patienten mit Schizophrenie-Spektrums-Diagnose <strong>und</strong> Behandlungspersonen. Der WCST,<br />

der – wie gezeigt wurde – nicht völlig zu Unrecht als Test von Frontallappen-Funktionen<br />

gilt, wurde in diesem Forschungsgebiet speziell aufgr<strong>und</strong> vermuteter ätiologischer Parallelen<br />

zur Anosognosie bei umschriebenen Gehirnläsionen verwendet (vgl. MCGLYNN &<br />

SCHACTER, 1989, 1997).<br />

Im Anschluss an Studien dieses Typs ist der WCST auch für die geplante Untersuchung<br />

vorgesehen. Allerdings legt die ausführliche Analyse der WCST-Performanz nahe, dass<br />

diese durch ein Zusammenwirken fluider neurokognitiver Funktionen mit Wissensstrukturen<br />

hervorgebracht wird. Letztere müssen aber im Hinblick auf eine neurokognitive<br />

Limitation von Einsicht bei Schizophrenie als Nontarget-Faktoren gewertet werden.<br />

Ein empirisch erprobter Weg, um den WCST für die Erfassung von <strong>Exekutivfunktionen</strong><br />

<strong>und</strong> Arbeitsgedächtnis zu schärfen, besteht in einer Applikation im Sinne der Dynamischen<br />

Testdiagnostik (WIEDL, 1999; WIEDL, SCHÖTTKE, GREEN & NUECHTERLEIN, 2004), die im<br />

Folgenden speziell für die Schizophrenieforschung beschrieben wird.<br />

Dynamische Testdiagnostik (DTD) wird von GUTHKE <strong>und</strong> WIEDL (1996, S. 8) definiert<br />

als »(...) Sammelbegriff für testdiagnostische Ansätze, die über die gezielte Evozierung<br />

<strong>und</strong> Erfassung der intraindividuellen Variabilität im Testprozeß entweder auf eine<br />

validere Erfassung des aktuellen Standes eines psychischen Merkmals <strong>und</strong>/oder seiner<br />

Veränderbarkeit abzielen«.<br />

Ausgedrückt im konzeptuellen Rahmen des HEBB-VERNON-Intelligenzmodells thematisiert<br />

die DTD somit erstens das Spannungsverhältnis von aktuellem kognitivem Status<br />

(Intelligenz B) zum neurobiologisch begrenzten Potenzial (Intelligenz A) einerseits <strong>und</strong> zur<br />

beobachteten Test-Performanz (Intelligenz C) andererseits. Die DTD untersucht zweitens<br />

die vielfältigen Einflüsse des diagnostischen Prozesses auf die A-B- <strong>und</strong> B-C-Transmission<br />

(GUTHKE, BECKMAN & WIEDL, 2003; CARLSON & WIEDL, 1992).<br />

Diese beiden Transmissionswege bilden die beiden in der Definition angesprochenen<br />

Zielbereiche der DTD: erstens die Erhöhung der prognostischen <strong>und</strong> Konstruktvalidität<br />

eines Tests durch Ausschaltung performanzrelevanter Nontarget-Faktoren, deren Einfluss<br />

die Abschätzung der wahren Merkmalsausprägung verzerrt; <strong>und</strong> zweitens die Ausschöpfung<br />

weiteren Merkmalspotenzials, also eine Modifikation des kognitiven Status in<br />

Richtung eines biologisch limitierten Maximums.<br />

Auf eine umfassende Darstellung der historischen Wurzeln der DTD, die u. a. zu<br />

WYGOTSKI (1934a) <strong>und</strong> seinem Konzept der Zone der proximalen Entwicklung zurückreichen,<br />

ihrer vielfältigen aktuellen Konzepte <strong>und</strong> Anwendungsbereiche sowie der Psychometrisierungs-Individualisierungs-Debatte<br />

wird an dieser Stelle verzichtet. Für eine<br />

vertiefende Auseinandersetzung mit diesem vielschichtigen <strong>und</strong> umfangreichen Thema sei


66<br />

Wisconsin Card Sorting Test<br />

dem interessierten Leser die Lektüre der Bände von GUTHKE <strong>und</strong> WIEDL (1996), STERNBERG<br />

<strong>und</strong> GRIGORENKO (2002) sowie LIDZ <strong>und</strong> ELLIOTT (2000) empfohlen.<br />

Der spezifisch »<strong>dynamisch</strong>e« Charakter der DTD äußert sich nach GUTHKE et al. (2003)<br />

<strong>und</strong> STERNBERG <strong>und</strong> GRIGORENKO (2002) erstens in einem Wechsel der epistemologischen<br />

Perspektive: Der theoretische Primat liegt auf dem Entwicklungsprozess, von dem ein<br />

»statischer« Test nur ein Standbild zeigen kann – das Bemühen um die reine Abbildung<br />

des kognitiven Status (Repräsentationsprinzip) weicht somit einer stärker eingreifenden<br />

Testprozedur (Interventionsprinzip: vgl. HACKING, 1983); zweitens in einer über den guten<br />

Rapport hinausgehenden Interaktion zwischen den beteiligten Personen im Verlauf von<br />

Interventionsphasen (z. B. einer an die Performanz angepassten Rückmeldung); drittens in<br />

einer zusätzlichen Analyse von Performanzverläufen. Das hiermit angesprochene Problem<br />

der adäquaten Lerntestparameter <strong>und</strong> eine mögliche Methodologie für die Analyse von<br />

Performanzverläufen, die Familie der Reliable Change Indices (RCI), werden in Kapitel 4<br />

ausführlich besprochen.<br />

Wie kann nun eine »<strong>dynamisch</strong>e« Testprozedur gestaltet werden? STERNBERG <strong>und</strong><br />

GRIGORENKO (2002, S. 27) unterscheiden das »Sandwich-« <strong>und</strong> das »Tortenformat«: Beim<br />

Sandwichformat handelt es sich um eine Prätest-Training-Posttest-Prozedur, bei der eine<br />

Pädagogisierungsphase zwischen statischem Prä- <strong>und</strong> Posttest eingebettet wird. Beim<br />

Tortenformat werden dem Probanden hingegen während des gesamten Ablaufs bei jedem<br />

problematischen Item sukzessiv eindeutigere (geschichtete) Lösungshinweise gegeben. In<br />

beiden Formaten können Instruktionsqualität <strong>und</strong> -quantität entweder standardisiert oder<br />

in unterschiedlichem Ausmaß individualisiert gestaltet werden. Die Unterscheidung<br />

zwischen Sandwich- <strong>und</strong> Tortenformat entspricht grob der Differenzierung von Lang- <strong>und</strong><br />

Kurzzeitlerntests bei GUTHKE <strong>und</strong> WIEDL (1996, S. 92 <strong>und</strong> 101 ff.).<br />

Im Folgenden wird eine Übersicht über Methoden der Dynamisierung des Wisconsin<br />

Card Sorting Test gegeben <strong>und</strong> Ergebnisse seines Einsatzes in der Schizophrenieforschung<br />

referiert. Nach einer Taxonomie zur kognitiven Remediation von GREEN, HELLMAN <strong>und</strong><br />

KERN (1997) werden dabei zunächst sog. Machbarkeitsstudien (feasibility studies) gesichtet,<br />

solche also, die die Möglichkeit einer Performanzsteigerung von Probanden mit Schizophrenie-Diagnosen<br />

durch Bedingungsvariation belegen. Anschließend werden Studien<br />

gesichtet, die die prädiktive Validität des <strong>dynamisch</strong>en WCST im Hinblick auf die Akquisition<br />

von Fertigkeiten <strong>und</strong> das Funktionsniveau von Patienten untersuchen (engl. search for<br />

rate-limiting factors, Suche nach funktionsbeeinträchtigenden Faktoren). Der dritte Typ<br />

nach GREEN et al. (1997), kontrollierte Generalisierbarkeitsstudien zu den Effekten von<br />

WCST-Trainings, wurde bislang nicht realisiert.<br />

3.9.2 Remediation von WCST-Defiziten: Didaktische Machbarkeitsstudien<br />

Der zündende Funke für die <strong>dynamisch</strong>e Anwendung des WCST in der Schizophrenieforschung<br />

ging (zunächst) nicht von Vertretern der DTD aus, sondern entsprang einer<br />

Kontroverse zwischen den Schizophrenieforschungs-Gruppen von GOLDBERG einerseits <strong>und</strong><br />

BELLACK sowie GREEN andererseits, die sich widersprechende Daten zur kognitiven Remediation<br />

exekutiver Defizite durch »didaktische«, d. h. vorwiegend auf standardisierte<br />

Instruktionen setzende Trainingsansätze vorlegten:<br />

GOLDBERG, WEINBERGER, BERMAN, PLISKIN <strong>und</strong> PODD (1987) versuchten, die WCST-<br />

Leistung von 44 stationäre Patienten mit chronischen Verläufen (»… a population chosen<br />

because of the probability that they would perform poorly on the Card Sort« [S. 1009])<br />

durch drei Interventionsmaßnahmen zu verbessern, die in einem Sandwich-Design


67<br />

Wisconsin Card Sorting Test<br />

dargeboten wurden (hier: Prätest drei Blöcke Training Posttest). Da GOLDBERG et al.<br />

(1987) eine Reihe von Folgearbeiten nach sich zog (z. B. WIEDL, 1999), werden die erweiterten<br />

Instruktionen <strong>und</strong> Rückmeldungen hier im Wortlaut wiedergegeben:<br />

(1.) Explikation der Stimulus-Dimensionen: »There are only three possible rules to<br />

match the cards. You can sort them by color, shape, or number«;<br />

(2.) Generelle Ankündigung von Kategorienwechseln: »Sometimes the correct rule to<br />

match the cards changes without any warning. Only one rule is correct at any given<br />

time and it will stay the same for a while. You have to figure out which one the test requires«;<br />

(3.) Einzelkarten-Feedback <strong>und</strong> Instruktion zum Kategorienwechsel: »Right now you<br />

should be matching by color. You must ignore the number of things and the shape of<br />

things. – Right; they are both the same color. This one is red and so is this one« bzw.<br />

»Wrong; remember you have to match the color and ignore the shape and number«;<br />

sowie bei Kategorienwechseln: »Another part of the test involves shifting the rule you<br />

use to match. After you make ten correct choices in a row, the rule always changes.<br />

You have to figure out the new rule. I will tell you wether you are right or wrong. It<br />

will not be color anymore. – Right; you are matching by shape now. It is no longer<br />

color« bzw. »Wrong; you have to think of another rule. It is not color anymore. It<br />

must be shape or number«.<br />

GOLDBERG et al. (1987, S. 1009)<br />

Nur die dritte Maßnahme, die Card-by-card-Instruktion, führte in dieser Stichprobe zu<br />

einem signifikanten <strong>und</strong> deutlichen Leistungszuwachs, der allerdings im Posttest nicht<br />

erhalten blieb (d. h. es handelte sich um eine reine prosthetische Kompensation sensu<br />

CARLSON <strong>und</strong> WIEDL, 1992). Die Autoren interpretierten ihren Bef<strong>und</strong> als Hinweis auf eine<br />

Störung der durch den DLPFC vermittelten <strong>Exekutivfunktionen</strong>, diskutieren allerdings<br />

auch die Möglichkeit einer Remediation von Defiziten bei weniger schwer beeinträchtigten<br />

Probanden.<br />

Reaktionen auf die Studie von GOLDBERG et al. (1987), die mit ihrem an KRAEPELINs<br />

Dementia-praecox-Konzept erinnernden Titel (»Further evidence for dementia of the<br />

prefrontal type in schizophrenia«, S. 1008) <strong>und</strong> ihrem Rehabilitations-Pessimismus<br />

provozierte, ließen nicht lange auf sich warten:<br />

BELLACK et al. (1990) zeigten, dass sich die WCST-Performanz einer weniger schwer<br />

erkrankten, aber akut symptomatischen Stichprobe durch eine Kombination von erweiterter<br />

Instruktion <strong>und</strong> monetärer Verstärkung auch ohne Einzelkarten-Feedback steigern lässt<br />

(allerdings nur für N = 9!). Wie bereits oben berichtet, hatten die Autoren in einem anderen<br />

Ast derselben Studie gezeigt, dass monetäre Verstärkung allein keine Effekte zeitigt.<br />

Anders als GOLDBERG et al. (1987) informierten die Autoren ihre Teilnehmer im Trainingsdurchgang<br />

zu Beginn sehr ausführlich über alle WCST-Regeln, wobei sie stärker<br />

interaktiv vorgingen (»… Each time you choose, you should try to decide which will be<br />

correct: color, shape, or number. If you think color is correct, what would you do? Good<br />

…«). Zusätzlich wurde die strukturierte konzeptuelle Verarbeitung zweimal fünf Karten<br />

lang durch eine Instruktion zur Verbalisierung des Entscheidungsprozesses angeregt<br />

(Level-3-Verbalisierung: vgl. CARLSON & WIEDL, 1992, S. 163-164). Spätere Studien (s. u.)<br />

konnten den Effekt solcher Verbalisierungen sogar ohne erweiterte Instruktion belegen<br />

(vgl. CHOI & KURTZ, 2009; PERRY et al., 2001; STRATTA et al., 1997). Der Effekt war im<br />

Standard-Posttest noch am Folgetag stabil. Interessanterweise berichteten die Autoren,


68<br />

Wisconsin Card Sorting Test<br />

dass schon im Prätest 5 von 28 Teilnehmern (18 %) ein normativ intaktes Leistungsniveau<br />

aufwiesen (<strong>und</strong> daher ausgeschlossen wurden).<br />

Die BELLACK-Studie wurde ohne monetäre Verstärkung an kleinen Gruppen stationärer<br />

Patienten repliziert von NISBET, SIEGERT, HUNT <strong>und</strong> FAIRLEY (1996), VOLLEMA et al. (1995)<br />

<strong>und</strong> YOUNG <strong>und</strong> FREYSLINGER (1995, didaktische Kontrollgruppe, s. ebd. Tab. 2, S. 203).<br />

Unklar ist, ob letztere ihre Probanden das Regel-Verständnis verbalisieren ließen (vgl. ebd.<br />

S. 211) – möglicherweise wirkte hier allein die erweiterte Instruktion (vgl. GOLDMAN,<br />

AXELROD <strong>und</strong> TOMPKINS, 1992).<br />

Eine zusätzliche starke monetäre Verstärkung (ca. 12 Cent/ korrekter Karte) in einer<br />

weiteren Experimentalgruppe erwies sich als weniger wirksam als Instruktion allein. Dies<br />

wurde später von HELLMAN, KERN, NEILSON <strong>und</strong> GREEN (1998) bestätigt, deren Training<br />

(GREEN et al., 1992, s. u.) in Kombination mit starker Verstärkung (10 Cent) marginal<br />

signifikant schlechter abschnitt als in Kombination mit geringerer Verstärkung (2 Cent).<br />

Die inkonsistenten Bef<strong>und</strong>e von GOLDBERG et al. (1987) <strong>und</strong> BELLACK et al. (1990) deuten<br />

auf die Möglichkeit der Identifikation bedeutsamer Performanz-Subgruppen hin, die<br />

sich in Ausgangsniveau <strong>und</strong> Trainings-Responsivität unterscheiden – dieser Gedanke<br />

wurde später von WIEDL (1999) konsequent verfolgt (s. u.).<br />

Elemente beider Studien enthält der Ansatz von GREEN et al. (199o, 1992), die 46 Probanden<br />

mit chronischen Verläufen einer Schizophrenie mit einer <strong>dynamisch</strong>en WCST-64-<br />

Computerversion im Sandwich-Design testeten: Auf die Standard-Baseline folgte eine<br />

Bedingung mit monetärer Verstärkung, die anschließend mit einer erweiterten Instruktion<br />

<strong>und</strong> Einzelkarten-Feedback kombiniert wurde. Im Posttest (Durchgang 4) wurden die<br />

Probanden wieder nur monetär verstärkt. Die erweiterte Instruktion umfasste auch hier die<br />

Benennung der Sortierregeln (»There are three ways to match the cards: you can match<br />

the card by color, by the number of objects on the card, or by shape«) <strong>und</strong> eine Ankündigung<br />

des Kategorienwechsels nach Beendigung einer Serie (»After you get 10 correct in a<br />

row, the rule changes; you are no longer matching to color, you must be matching to the<br />

number of objects or the shape«). Zusätzlich wurde nach jeder sortierten Karte ein<br />

angereichertes Feedback gegeben (»That’s right, we are matching to …« bzw. »That was<br />

wrong so we are not matching to the … of objects, we must be matching to … or …«: S. 64).<br />

Die Ergebnisse bestätigen den Bef<strong>und</strong> von BELLACK et al. (1990), dass monetäre Verstärkung<br />

allein keine signifikante Leistungsverbesserung bewirkt; wie bei GOLDBERG et al.<br />

(1987) hob das Einzelkarten-Feedback die Leistung substanziell an (von im Mittel 27 auf<br />

über 50 korrekt sortierte Karten im WCST-64). Die Leistung fiel zwar im Posttest wieder<br />

ab, blieb aber, wie bei BELLACK et al. (1990), mit ca. 40 Karten deutlich erhöht.<br />

Betrachtet man den Performanzverlauf bei GREEN et al. (1992; Abb. 1, S. 65) im Licht der<br />

später von WIEDL (1999) unternommenen typologischen Binnendifferenzierung (s. u.), so<br />

scheint gerade die leichte Posttest-Absenkung darauf hinzudeuten, dass in der Stichprobe<br />

viele Probanden deutlich <strong>und</strong> einige kaum von der Intervention profitierten. Obwohl<br />

dieselben Autoren zuvor (1990) in einer Pilotstudie eine Unterscheidung zwischen Lernern<br />

<strong>und</strong> Nichtlernern angeregt hatten, berichteten sie hier lediglich, keinen Seltenheitspunkt<br />

(point of rarity) in der linksschiefen Verteilung der Differenzwerte gef<strong>und</strong>en zu haben, was<br />

in ihren Augen »… did not support the notion of distinct subgroups« (S. 67). Diese<br />

Argumentation ist insofern problematisch, als geringe Gainscores auch durch Deckeneffekte<br />

generiert werden können.<br />

In Deutschland wurde das WCST-Training in der Version von GREEN et al. (1992) mit<br />

erweiterter Instruktion <strong>und</strong> Einzelkarten-Rückmeldung von der Arbeitsgruppe um WIEDL<br />

in leicht modifizierter Form adaptiert <strong>und</strong> der zentrale Bef<strong>und</strong> später mehrfach repliziert:


69<br />

Wisconsin Card Sorting Test<br />

WIEDL <strong>und</strong> WIENÖBST (1999) fanden an 23 Patienten mit Schizophrenie-Diagnosen eine<br />

mittlere Zunahme der Anzahl erreichter Kategorien von dPRÄ = 1,13 bzw. dPool = 1,0; WIEDL,<br />

WIENÖBST, SCHÖTTKE <strong>und</strong> KAUFFELDT (1999) konnten in einer heterogenen Schizophrenie-<br />

Stichprobe (N = 56) die Anzahl korrekt sortierter Karten um dPRÄ = 1,04 bzw. dPool = 1,06<br />

erhöhen. Die Arbeiten von WIEDL unterscheidet sich von den bisher besprochenen vor<br />

allem im analytischen Ansatz der individuellen Performanztypisierung <strong>und</strong> in der Betrachtung<br />

der externalen Validität des <strong>dynamisch</strong>en WCST. Hierauf wird unten eingegangen.<br />

Obwohl sich das Einzelkarten-Feedback, das die Separation der Stimulusdimensionen<br />

erleichtert <strong>und</strong> das Arbeitsgedächtnis entlastet, als effektive Ingredienz der kognitiven<br />

Remediation erwiesen hat, scheint es nicht notwendig zu sein:<br />

Um ihre Cuing-Hypothese zu testen, derzufolge sich bereits früh während des Standard-<br />

Prätests dysfunktionale, unkorrigierbare kognitive Sets etablieren (GOLDMAN, AXELROD,<br />

TANDON & BERENT, 1991), wählten GOLDMAN et al. (1992) ein Torten-Design für eine Minimal-Intervention.<br />

In einem WCST-128 wurden zu Beginn <strong>und</strong> alle 32 Karten (viermal) die<br />

Sortierregeln erklärt <strong>und</strong> Kategorienwechsel allgemein angekündigt (nach GOLDBERG et al.,<br />

1987), aber kein Einzelkarten-Feedback gegeben <strong>und</strong> keine Verbalisierung angeregt.<br />

Dennoch sank die Zahl der kumulierten perseverativen Fehler im Vergleich zu einer<br />

Schizophrenie-Kontrollgruppe deutlich (g = 1,43).<br />

Gegen die Cuing-Hypothese spricht, dass es bei KERN et al. (1996) keinen Unterschied<br />

machte, ob vor einem Training zunächst zwei Standard-WCST-128-Prätests durchgeführt<br />

wurden oder ob sofort mit dem Training begonnen wurde. Andererseits fanden PERRY et al.<br />

(2001) tatsächlich, dass eine Verbalisierungsinstruktion (s. u.) nach einem Standard-<br />

WCST-64 weniger wirksam war als die umgekehrte Sequenz (Verbalisierung Standard),<br />

in der auch seltener idiosynkratische Gründe für Sortierungen genannt wurden. Die<br />

Existenz eines gewissen Cuing-Effekts kann also nicht vollständig ausgeschlossen werden.<br />

Während wiederholt Effekte von WCST-Trainings nach GOLDBERG et al. (1987) <strong>und</strong><br />

BELLACK et al. (1990) am Folgetag gef<strong>und</strong>en wurden (z. B. NISBET al., 1996), ist ihre längerfristige<br />

Stabilität noch immer unklar:<br />

METZ, JOHNSON, PLISKIN <strong>und</strong> LUCHINS (1994) gelang es mit den drei Elementen des<br />

GOLDBERG-Trainings, die schrittweise <strong>und</strong> bei Bedarf dargeboten wurden, nicht nur, die<br />

Performanz von 22 Patienten zu steigern; ein signifikanter Effekt fand sich in einem Teil<br />

dieser Gruppe auch noch sechs Wochen später.<br />

Während VOLLEMA et al. (1995) die mit der BELLACK-Instruktion erzielten Effekte noch<br />

nach zwei Wochen fanden, fielen die von HELLMAN et al. (1998) nach GREEN et al. (1992)<br />

trainierten Probanden schon nach einer Woche auf ihr Ausgangsniveau zurück. Diese<br />

waren allerdings, obwohl etwa gleich alt, deutlich länger erkrankt (im Mittel >14 vs. 600 vs. 260 CPZÄ). Zudem hatten die<br />

Probanden von VOLLEMA et al. (1995) vor dem 14-Tage-Follow-up mehr Übungsgelegenheit<br />

(drei Posttests nach dem Training, nach 10min <strong>und</strong> am Folgetag), die von HELLMAN et al.<br />

(1998) hingegen vor dem 7-Tage-Follow-up überhaupt keine. Die Stabilität von Trainingseffekten<br />

scheint also abhängig zu sein von Stichproben-Charakteristika <strong>und</strong> Übungsdosis.<br />

Während die an der Bearbeitung des statischen WCST beteiligten zentralnervösen Strukturen<br />

bereits mehrfach untersucht wurden, existiert bislang nur eine Arbeit zu den neurobiologischen<br />

Gr<strong>und</strong>lagen des Lernpotenzials bei Schizophrenie: OHRMANN et al. (2008)<br />

untersuchten 43 Patienten <strong>und</strong> 37 Kontrollprobanden mit Magnetresonanzspektroskopie<br />

( 1 H-MRS), einem bildgebenden Verfahren zur Messung von Metabolitenkonzentrationen<br />

während der Bearbeitung des <strong>dynamisch</strong>en WCST nach WIEDL (1999). Sie fanden im


70<br />

Wisconsin Card Sorting Test<br />

Einklang mit früheren Studien eine signifikante Reduktion (d = -0,80) des N-Acetyl-<br />

Aspartat (NAA), dessen Level als Marker neuronaler Integrität gilt, im dorsolateralen<br />

präfrontalen Kortex (DLPFC), nicht aber im rostralen anterioren Cingulum (ACC) der<br />

Patienten. Es ergaben sich außerdem Hinweise auf eine differentielle Beanspruchung<br />

unterschiedlicher Gehirnstrukturen: Innerhalb der Kontrollgruppe korrelierte die NAA-<br />

Konzentration im DLPFC zu r = .45 (p < .01) mit einem korrigierten Differenzwert (d. h.<br />

tatsächliche Verbesserung [Posttest-Prätest-Differenz] / maximal mögliche Verbesserung<br />

[Decken-Prätest-Differenz]: MCGUIGAN, 1974). Dies fand sich nicht für die Patientengruppe,<br />

in der das dimensionale Lernmaß stattdessen positiv mit dem NAA-Level im ACC<br />

zusammenhing (r = .43, p < .01; die Korrelationen mit den Posttestwerten bewegten sich<br />

jeweils in gleicher Höhe). Signifikant abgesenkte NAA-Konzentrationen im ACC im<br />

Vergleich zur Kontrollgruppe fanden sich nur in den acht Nichtlernern. Andere kognitive<br />

Tests korrelierten nicht mit der Metabolitenkonzentration.<br />

Möglicherweise besteht »Lernpotenzial« auf neurobiologischer Ebene also in der Fähigkeit,<br />

nach einem fehlerhaften Prätest bei beeinträchtigem Arbeitsgedächtnis bzw. Regellernen<br />

(DLPFC) das ACC rekrutieren zu können, dem häufig eine Rolle bei der Detektion<br />

von Reaktionskonflikten <strong>und</strong> Fehlern <strong>und</strong> damit bei der Regulation der exekutiven<br />

Kontrolle zugeschrieben wird (s. KERNS et al., 2008). Die Interpretation der differentiellen<br />

Zusammenhänge fällt allerdings schwer, da Diagnose <strong>und</strong> Performanzninveau konf<strong>und</strong>iert<br />

sind (die Kontrollprobanden sind in Prä- <strong>und</strong> Posttest signifikant leistungsstärker). Eine<br />

Analyse leistungsstarker Patienten wird nicht berichtet.<br />

3.9.3 Alternative Remediationsansätze<br />

Bevor auf Studien zur Validität des <strong>dynamisch</strong>en WCST eingegangen wird, sollen kurz<br />

einige Arbeiten zu alternativen Remediationsmethoden genannt werden, die sich von<br />

didaktischen Interventionen des GOLDBERG-BELLACK-Typs gr<strong>und</strong>legend unterscheiden.<br />

Diese lassen sich im Wesentlichen in drei Ansätze gliedern: (1.) Ansätze zur Steigerung der<br />

Metakognition <strong>und</strong> Entlastung des verbalen Arbeitsgedächtnisses durch eine Instruktion<br />

zur Verbalisierung; (2.) Errorless Learning; <strong>und</strong> (3.) individualisiertes Scaffolding.<br />

(1.) Verbalisierung. Bereits für die Studie von BELLACK et al. (1990) kann vermutet<br />

werden, dass ein zusätzlich zur erweiterten Instruktion eingesetztes, häufig übersehenes<br />

Element der Intervention wirksam wurde: »After each of the first five cards the subject<br />

was asked how he or she decided which pile to chose and what he or she would do with the<br />

next card. … This … was repeated after cards 32-37« (S. 1652). Derartige begründende<br />

Verbalisierungen zur Lenkung der Aufmerksamkeit, Entlastung des phonologischen<br />

Arbeitsgedächtnisses sowie zur Anregung von konzeptueller Top-down-Verarbeitung <strong>und</strong><br />

Metakognition wurden auf der Gr<strong>und</strong>lage eigener empirischer Arbeiten auch von CARLSON<br />

<strong>und</strong> WIEDL (1992, S. 163-164) diskutiert.<br />

Erstmals auf dem hier diskutierten Gebiet untersucht wurde dieser Effekt in zwei<br />

Studien von STRATTA et al. (1994, 1997): Die Autoren (1997) testeten 52 Patienten einer<br />

Akutstation kurz vor Entlassung zweimal mit dem WCST-128. Vor dem zweiten Durchgang<br />

wurden die Probanden instruiert, vor jeder Karte die Sortierregel zu verbalisieren (nach<br />

GOLDMAN et al. [1992] eine ungünstige Reihenfolge). Dies steigerte die Anzahl erreichter<br />

Kategorien deutlich (d = 1,0), allerdings lag diese auch im zweiten Durchgang noch immer<br />

unter der Leistung der ebenfalls verbalisierenden Kontrollgruppe (g = -0,77). Anhand eines<br />

Cutoffs von vier Kategorien zeigten die Autoren, dass 27 % der Patienten bereits im ersten


71<br />

Wisconsin Card Sorting Test<br />

Durchgang leistungsstark waren, 46 % deutliche Verbesserungen zeigten <strong>und</strong> 27 % sich<br />

deutlich verschlechterten (d. h. unter Verbalisierung massiv perseverierten).<br />

Obwohl STRATTA et al. (1997) für sich in Anspruch nehmen, dass ihre Methode<br />

»… allows conceptual organization of the input« (S. 63), entspricht sie nicht der u. a. von<br />

CARLSON <strong>und</strong> WIEDL (1992, S. 164) diskutierten elaborierten Level 3-Verbalisierung, wie sie<br />

auch BELLACK et al. (1990) verwendet haben. Eine solche wurde erst wieder von PERRY et al.<br />

(2001) eingesetzt, die 73 Patienten zweimal den WCST-64 bearbeiten ließen <strong>und</strong> in einem<br />

der Durchgänge nach jeder Karte nach dem Gr<strong>und</strong> für die Entscheidung fragten (»Why did<br />

you put that there?«). Wurde mit der Verbalisierung begonnen, unterschied sich die<br />

Leistung in diesem Durchgang nicht von der einer Kontrollgruppe (N = 42). Wie bereits<br />

oben diskutiert, erreichten Probanden bei umgekehrter Reihenfolge dieses Niveau nicht<br />

(vgl. GOLDMAN et al., 1992).<br />

(2.) Errorless Learning. Die Methode des Errorless Learning (EL), die für sich in<br />

Anspruch nimmt, auf lernpsychologischen Erkenntnissen zum fehlerfreien Diskriminationslernen<br />

aufzubauen (TERRACE, 1963), wurde von KERN et al. (1996) in die Schizophrenieforschung<br />

eingeführt. Anders als in tierexperimentellen EL-Studien wird hier nicht der<br />

Stimulus, sondern die Reaktion inkrementell geformt: Das WCST-EL-Training besteht aus<br />

einer Reihe von sequenziell zu durchlaufenden Modulen zu Teilleistungen zunehmender<br />

Komplexität (Attributidentifikaton Identitätsklassifikationen Kategorienwechsel).<br />

Gearbeitet wird u. a. mit dem Modell des Testleiters, Verbalisierungen (analog zu STRATTA<br />

et al., 1997, s. o.), Regel-Explikationen, zusätzlichen Karten mit Hinweisreizen <strong>und</strong> einem<br />

Fading der Hilfen. Anhand eines Sandwich-Designs konnten die Autoren einen großen<br />

Effekt für die Verringerung von perseverativen Fehlern belegen (dPRÄ = -0,86 bzw. dPool =<br />

-1,10: s. Erratum von KERN, WALLACE, HELLMAN, WOMACK & GREEN, 1997, Tab. 2), der über<br />

vier Wochen stabil blieb.<br />

Kritikpunkte richten sich erstens gegen die eingebauten Selektionskriterien: Nur 23 von<br />

32 rekrutierten Patienten (68 %) konnten das Training überhaupt beginnen bzw. beenden,<br />

was unweigerlich zu einer verzerrten Auswahl leistungsstärkerer Probanden führt, obwohl<br />

EL bei Schizophrenie gerade mit Hinweisen auf die Wirksamkeit in lernschwachen Populationen<br />

gerechtfertigt wurde; zweitens gegen das Fehlen einer aktiven Kontrollgruppe aus<br />

dem Bereich der oben besprochenen didaktischen Interventionen vom GOLDBERG-BELLACK-<br />

Typ, die vergleichbare Effekte mit geringerer Dosis erreicht haben.<br />

(3.) Scaffolded Instruction (SI: engl. to scaffold – ein Gerüst bauen) geht theoretisch auf<br />

WYGOTSKIs (1934a) Konzept der »Zone der proximalen Entwicklung« zurück. YOUNG <strong>und</strong><br />

FREYSLINGER (1995) <strong>und</strong> YOUNG, ZAKZANIS, CAMPBELL, FREYSLINGER <strong>und</strong> MEICHENBAUM<br />

(2002) entwickelten ein SI-Training, das wie EL (KERN et al., 1996) durch ein kleinschrittiges,<br />

individualisiertes Vorgehen Fehler <strong>und</strong> Frustration zu vermeiden sucht. Anders<br />

als EL <strong>und</strong> die geschilderten didaktischen Ansätze, die weitgehend standardisierte Abläufe<br />

<strong>und</strong> Instruktionen verwenden, wird das SI-Training stärker an den Fähigkeitsgrad des<br />

Lerners angepasst <strong>und</strong> als kooperatives, entdeckenlassendes Lernen gestaltet (z. B. durch<br />

offene Fragen, Wahlfreiheit bei der Übungsdosis u. a.). Außerdem werden selbstwertdienliche<br />

internale Attributionen durch emphatisch positive Rückmeldungen gefördert<br />

(z. B. »You have really figured this game out«: YOUNG et al., 2002, S. 270).<br />

Die Wirksamkeit des SI Trainings (3 Sitzungen à ca. 15min) wurde in zwei kontrollierten<br />

Studien an 14 bzw. 15 Patienten mit schweren <strong>und</strong> langwierigen Verläufen einer Schizophrenie<br />

bestätigt, die sehr niedrige WCST-Leistungen aufwiesen (M < 1 Kategorie im<br />

Prätest). Die Verbesserung zum unmittelbaren Posttest in der Anzahl erreichter Kategorien<br />

betrugen dPRÄ = 4,25 bzw. dPool = 1,56 (für YOUNG & ZAKZANIS, 1995). SI zeigte sich damit


72<br />

Wisconsin Card Sorting Test<br />

der didaktischen Intervention nach BELLACK et al. (1990) deutlich überlegen (dPRÄ = 0,66<br />

bzw. dPool = 0,42: YOUNG & ZAKZANIS, 1995). Die Effekte waren noch nach vier Wochen<br />

stabil <strong>und</strong> generalisierten in begrenztem Ausmaß auf zwei weitere Tests des Problemlösens<br />

(YOUNG et al., 2002). SI wirkte außerdem, im Gegensatz zu zwei aktiven Kontrollbedingungen,<br />

bei YOUNG et al. (2002) stabilisierend auf Stimmung <strong>und</strong> Selbstwert.<br />

KURTZ, MOBERG, GUR <strong>und</strong> GUR (2001) quantifizierten die Ergebnisse von zehn Studien für<br />

den Zeitraum von 1990 bis 1998 metaanalytisch. Neun dieser Studien umfassten nur eine<br />

einzige Trainingssitzung. Es wurde immer der unmittelbare Posttest gewählt, d. h. die<br />

Stabilität der Effekte blieb unberücksichtigt. Es fanden sich für alle berücksichtigten<br />

WCST-Kennwerte große mittlere gewichtete Effektstärken (z. B. Anzahl erreichter Kategorien:<br />

d = 1,08; perseverative Fehler: d = -0,93). Homogenitätsanalysen zeigten, dass die<br />

Trainings-Variante (z. B. didaktisch, EL, SI) keinen wesentlichen Einfluss auf die Effektstärken<br />

ausübte <strong>und</strong> dass sich die Effektstärken der WCST-Variablen nicht signifikant<br />

voneinander unterscheiden: »(...) we can say with some degree of confidence that<br />

explaining the task with an interactive approach, regardless of the specific content of<br />

instruction, yields a fairly substantial effect« (S. 202).<br />

Eine nahe liegende Kritik an derartigen didaktischen Remediationsstudien wurde von<br />

GOLDBERG <strong>und</strong> WEINBERGER (1994) geäußert, die vermuten, dass die kognitiven Defizite<br />

nicht direkt modifiziert, sondern eher durch andere Systeme kompensiert würden – was<br />

allerdings ihre Befürworter auch nicht bestreiten (so GREEN, 1993 [S. 180], der sie dem<br />

Substitution transfer approach der kognitiven Remediation zuordnet). Irrelevant ist eine<br />

solche Kritik auch aus der Perspektive der Dynamischen Testdiagnostik, wenn die Zielsetzung<br />

primär in der Steigerung der Validität des WCST zur Erfassung basaler kognitiver<br />

Kontrolldefizite gesehen wird <strong>und</strong> die katalytische Kompensation von Attribut-Identifikation<br />

<strong>und</strong> heuristischen Strukturen eben diesem Zweck dient (vgl. CARLSON & WIEDL, 1992;<br />

GUTHKE & WIEDL, 1992, S. 8). Um eben diese Zielsetzung geht es im folgenden Abschnitt.<br />

Fazit<br />

Insgesamt lässt sich das Fazit ziehen, dass Machbarkeitsstudien zur WCST-<br />

Remediation solide belegt haben, dass mit Trainings, die (a) eine erweiterte Instruktion<br />

mit oder ohne Einzelkarten-Feedback, (b) eine Anregung zur Verbalisierung<br />

von Kategorien oder der Begründung von Sortierungen oder (c) ein<br />

stark modularisiertes Einüben von Teilfertigkeiten umfassen, für einen großen<br />

Teil von Probanden mit Schizophrenie-Diagnosen zumindest kurzfristige Performanz-Zugewinne<br />

im Bereich großer Effekte zu erzielen sind. Möglicherweise<br />

ist ein Sandwich-Design mit statischem Prätest aufgr<strong>und</strong> eines Cuing-Effektes<br />

weniger effektiv als ein sofortiges Training. Über die Stabilität der Effekte ist<br />

noch zu wenig bekannt.


73<br />

Wisconsin Card Sorting Test<br />

3.9.4 Dynamisch <strong>getestete</strong> <strong>Exekutivfunktionen</strong> als »rate-limiting factor« –<br />

Generalisierbarkeit von Lernpotenzial<br />

Der <strong>dynamisch</strong>e Wisconsin Card Sorting Test mit den Instruktionen <strong>und</strong> Feedbacks von<br />

GREEN et al. (1992), im Folgenden als »WCSTdyn« bezeichnet, wurde im Anschluss an die<br />

frühen Machbarkeitsstudien der 90er Jahre mehrfach zur Abschätzung der Weite der<br />

»Zone des Rehabilitationspotenzials« (CICERONE & TUPPER, 1986) bei Patienten mit Schizophrenie-Diagnosen<br />

verwendet.<br />

Unter Rekurs auf die beiden Zielbereiche der Dynamischen Testdiagnostik (DTD: s.<br />

GUTHKE <strong>und</strong> WIEDL, 1996, S. 8) <strong>und</strong> die Klassifikation von Remediationsstudien von GREEN<br />

et al. (1997) werden derartige Untersuchungen durch zwei theoretische Perspektiven geleitet:<br />

Erstens kann postuliert werden, dass der WCSTdyn eine validere Erfassung von<br />

Arbeitsgedächtnis- <strong>und</strong> Kontrollfunktionen erlaubt, indem die katalytische Kompensation<br />

heuristischer Strukturen es einem (zusätzlichen) Teil der Probanden ermöglicht, deren<br />

Intaktheit zu demonstrieren. Diese über den Posttest erfassten exekutiven Funktionen<br />

könnten sich wiederum als relativ wirksamerer Rate-limiting factor bei der Aneignung<br />

weiterer Fähigkeiten im Rahmen rehabilitativer Maßnahmen herausstellen (vgl. GREEN et<br />

al., 2000).<br />

Zweitens kann die intraindividuelle Variabilität im WCSTdyn als Indikator der kognitiven<br />

Modifizierbarkeit bzw. eines generellen »Lernpotenzials« aufgefasst werden. Während<br />

diese Sichtweisen für die Betrachtung von WCSTdyn-Daten komplementär sind, implizieren<br />

sie unterschiedliche kompensatorische bzw. modifikatorische Ansprüche an Rehabilitation.<br />

Ein Modell, das der zweiten Perspektive verpflichtet ist, stammt von GREEN et al.<br />

(2000), die Lernpotenzial als Mediator der Beziehung zwischen Neurokognition <strong>und</strong><br />

vorherzusagenden (z. B. rehabilitativen) Erfolgskriterien eingeführt haben.<br />

Systematisch untersucht wurde die funktionale Relevanz des WCSTdyn bzw. die Generalisierbarkeit<br />

von Lernpotenzial in den genannten Arbeiten von WIEDL (z. B. 1999), die<br />

kognitive Remediationsforschung <strong>und</strong> Dynamische Testdiagnostik (DTD) verknüpften <strong>und</strong><br />

insbesondere die differentielle Responsivität ihrer Teilnehmer in den Fokus rückten.<br />

Angelehnt an Arbeiten von BUDOFF, der v. a. die Klassifikation von Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen<br />

mit vermuteten geistigen Behinderungen durch <strong>dynamisch</strong>e Testprozeduren mit Kohs<br />

Block-Test (KOHS, 1923) zu verbessern suchte (BUDOFF & FRIEDMAN, 1964; BUDOFF &<br />

PAGELL, 1968; BUDOFF, 1970), bedienten sich WIEDL <strong>und</strong> Mitarbeiter einer »Select-bymarker«-Strategie.<br />

Als solche wird die Klassifikation von Probanden anhand von Markiervariablen<br />

(hier: intraindividuelle Variabilität) anstelle von Diagnosen wie Schizophrenie<br />

(Select-by-diagnosis) bezeichnet, ein Vorgehen, das ursprünglich für neurochemische <strong>und</strong><br />

psychophysiologische Marker gefordert wurde (HELMCHEN, 1988, S. 387-388).<br />

Entsprechend typisierten WIEDL <strong>und</strong> WIENÖBST (1999) Probanden nach Ausgangsniveau<br />

<strong>und</strong> Verlauf der Performanz <strong>und</strong> unterschieden durchgängig leistungsstarke Highscorer,<br />

Lerner <strong>und</strong> Nichtlerner (vgl. BUDOFF, 1970: »high scorers«, »gainers«, »nongainers«).<br />

Während BUDOFF ein vergleichsweise arbiträres Kriterium zur Binnendifferenzierung<br />

herangezogen hatte (dreifacher Übungseffekt einer Kontrollgruppe im Kohs Block-Test),<br />

gründeten WIEDL <strong>und</strong> WIENÖBST (1999) ihren typologischen Algorithmus auf ein von<br />

SCHÖTTKE, BARTRAM <strong>und</strong> WIEDL (1993) entwickeltes Verfahren zur Überprüfung der statistischen<br />

Signifikanz von Veränderung im Einzelfall, das über variable kritische Differenzen<br />

abhängig vom Ausgangswert Regressionseffekte berücksichtigt. Dieser Algorithmus wird im<br />

folgenden Kapitel besprochen. Tatsächlich empfahlen WIEDL <strong>und</strong> WIENÖBST (1999, S. 56)<br />

jedoch eine fixe kritische Differenz von 15 korrekt sortierten Karten (1,5 SD der Prätest-


74<br />

Wisconsin Card Sorting Test<br />

Verteilung) – ihr Algorithmus mit 1,5-SD-Regel stellt also eher eine Approximation von<br />

SCHÖTTKE et al. (1993) <strong>und</strong> somit einen Kompromiss zwischen statistischer F<strong>und</strong>ierung<br />

<strong>und</strong> Handhabbarkeit dar. Als Highscorer werden dabei, ebenfalls angelehnt an SCHÖTTKE et<br />

al. (1993), Probanden bezeichnet, die sich aufgr<strong>und</strong> ihrer Nähe zur Testdecke nicht mehr<br />

um 15 Karten verbessern können.<br />

Die Validität dieser Typologie wurde in einer Reihe von Studien bestätigt: WIEDL,<br />

WIENÖBST, SCHÖTTKE <strong>und</strong> KAUFFELDT (1999) fanden einen Zusammenhang zwischen<br />

WCSTdyn-Status <strong>und</strong> dem Ausmaß an Verbesserung über sechs Durchgänge eines <strong>dynamisch</strong>en<br />

Wortlistenlerntests (Auditiv-Verbalen Lerntest AVLT: HEUBROCK, 1992; hier mit<br />

Leistungsrückmeldung sowie wiederholter motivierender <strong>und</strong> aufmerksamkeitsfördernder<br />

Instruktion; N = 33). Es zeigte sich eine signifikante Interaktion von Lernerstatus <strong>und</strong><br />

AVLT-Verlauf: Während WCSTdyn-Nichtlerner zwischen den Durchgängen 2 bis 4 stagnierten,<br />

legten Lerner <strong>und</strong> Highscorer deutlich zu (s. ebd. Abb. 2, S. 217).<br />

WIEDL et al. (2001) untersuchten ebenfalls den Zusammenhang zwischen WCSTdyn <strong>und</strong><br />

Vigilanz (Continuous Performance Test DS-CPT, Diskriminationsparameter d’). Highscorer<br />

<strong>und</strong> Lerner waren deutlich wachsamer als Nichtlerner (d = 1,37 bzw. 1,01).<br />

Mit dem gleichen Algorithmus klassifizierten REMPFER, HAMERA, BROWN <strong>und</strong> BOTHWELL<br />

(2006) 60 Teilnehmer eines Programmes für funktional stark beeinträchtigte Patienten mit<br />

Diagnosen einer bipolaren affektiven Störung, Schizophrenie oder Depression –<br />

entsprechend lag die Nichtlerner-Quote mit 33 % außergewöhnlich hoch (es fand sich<br />

jedoch kein Zusammenhang von Lernerstatus <strong>und</strong> Diagnose). Lerner zeichneten sich im<br />

Vergleich zu Nichtlernern durch ein leistungsfähigeres verbales Arbeits- <strong>und</strong> sek<strong>und</strong>äres<br />

Gedächtnis aus (Month Ordering-Test: g = 0,86; AVLT: g = 1,16).<br />

In die gleiche Richtung deutet ein Bef<strong>und</strong> von KURTZ <strong>und</strong> WEXLER (2006), die allerdings<br />

einen anderen Klassifikationsalgorithmus verwendeten (N = 54): Als »intact« wurden hier<br />

jene 28 Probanden bezeichnet, deren WCST-128-Leistung oberhalb des 10. Perzentils der<br />

Normstichprobe lag. Die 26 »impaired«-Probanden erhielten das BELLACK-Training (s. o.)<br />

<strong>und</strong> wurden anhand eines Mediansplits der T-Wert-Differenzen in »Strong-learners« <strong>und</strong><br />

»Poor-learners« unterteilt. Letztere schnitten im California Verbal Learning Test (CVLT-<br />

II), einem weiteren Wortlistenlerntest, hochsignifikant schlechter ab als die beiden anderen<br />

Gruppen (Summenscore: g = -1,37), außerdem in einem Test der selektiven Aufmerksamkeit<br />

<strong>und</strong> des verbalen Arbeitsgedächtnisses (Brief Test of Attention, BTA: d = -1,23).<br />

KURTZ, JEFFREY <strong>und</strong> ROSE (2010) fanden zudem eine Korrelation zwischen dem McGuigan-<br />

Zugewinnscore <strong>und</strong> einem Arbeitsgedächtnis-Index aus der WAIS-III (r = .42, p ≤ .01,<br />

N = 48). Die Verwendung von Differenzen ist unter Reliabilitätsaspekten allerdings zu<br />

problematisieren (GUTHKE & WIEDL, 1996, S. 112 ff.) <strong>und</strong> wird im folgenden Kapitel kritisch<br />

beleuchtet.<br />

Die funktionale Relevanz, d. h. die Güte des WCSTdyn bei der Vorhersage des Rehabilitationserfolgs<br />

wurde mittlerweile in einer Reihe von Studien mit teilweise längsschnittlichen<br />

Designs <strong>und</strong> hoher ökologischer Validität untersucht:<br />

WIEDL <strong>und</strong> WIENÖBST (1999) führten mit 17 Teilnehmern ein zwei Sitzungen langes<br />

Training der Attributidentifikation <strong>und</strong> Klassifikation durch (Modul »kognitive Differenzierung«<br />

des Integrierten Psychologischen Therapieprogramms IPT: vgl. RODER, BRENNER<br />

& KIENZLE, 2002). Während Highscorer <strong>und</strong> Nichtlerner anhand des dichotomisierten IPT-<br />

Trainingserfolgs perfekt diskriminiert werden konnten, wurde dieser bei Lernern durch die<br />

Bildung moderiert (erfolgreich waren die 50 % Lerner mit höherer Schulbildung).<br />

WIEDL (1999) trainierte 29 Patienten in Medikations-Selbstmanagement mit einem acht<br />

Sitzungen langen Modul des Social and Independent Living Skills-Programms (SILS: vgl.


75<br />

Wisconsin Card Sorting Test<br />

WALLACE, LIBERMAN, MACKAIN, BLACKWELL & ECKMAN, 1992) <strong>und</strong> konfrontierte sie vorab<br />

<strong>und</strong> im Anschluss mit medikationsbezogenen Problemsituationen. Während nur 14 % der<br />

WCST-Nichtlerner vom Training profitierten, zeigten ca. 65 % der beiden anderen Gruppen<br />

eine verbesserte oder durchgängig hohe Problemlösungskompetenz. WIEDL <strong>und</strong> SCHÖTTKE<br />

(2002) zeigten zudem, dass die zusätzliche Verwendung der <strong>dynamisch</strong>en WCST-<br />

Posttestwerte bei der Prädiktion von Problemlösungskompetenz <strong>und</strong> Medikationswissen<br />

eine inkrementelle Varianzaufklärung von 12 bis 17 % erbringt. Dies betraf sowohl finales<br />

als auch initiales Kompetenzniveau, wobei die Autoren diesen Zusammenhang durch den<br />

Einfluss vorausgegangener Lernprozesse erklären.<br />

WOONINGS, APPELO, KLUITER, SLOOFF <strong>und</strong> VAN DEN BOSCH (2003) beurteilten das soziale<br />

Funktionsniveau von 40 Teilnehmern eines achtwöchigen Rehabilitationsprogramms<br />

(Rehabilitation Evaluation Hall and Baker, REHAB: BAKER & HALL, 1988) <strong>und</strong> versuchten<br />

den Rehabilitationserfolg mit einem dynamisierten NELSON-MCST (Computerversion) mit<br />

zusätzlicher monetärer Verstärkung vorherzusagen. Die Lernerklassifikation erfolgte nach<br />

SCHÖTTKE et al. (1993), allerdings anhand der ungünstig verteilten Kategorienvariable, der<br />

sie zudem eine ungewöhnlich hoch erscheinende Reliabililität von rtt = .94 unterstellten.<br />

Überdies wendeten sie die Highscorer-Identifikationsregel von SCHÖTTKE et al. (1993),<br />

derzufolge sich diese nicht mehr statistisch signifikant verbessern können sollen, auf die<br />

Kategorien an, was beim WCST-64 <strong>und</strong> der hohen Reliabilität dazu führt, dass Highscorer<br />

im Prätest einen perfekten Score (= 6 Kategorien) benötigen – entsprechend fanden die<br />

Autoren keine (sondern 82,5 % Lerner <strong>und</strong> 17,5 % Nichtlerner).<br />

Das Sozialverhalten der Lerner wurde zu Beginn (g = 1,10) <strong>und</strong> am Ende (g = 0,77) der<br />

Maßnahme als angepasster beurteilt, beide verbesserten sich leicht (Nichtlerner: dPrä =<br />

0,54/dPool = 0,38; Lerner: dPrä = 0,25/dPool = 0,26), mit einem angesichts ihres niedrigeren<br />

Baseline-Levels erwartbaren Vorteil der Nichtlerner. Der <strong>dynamisch</strong>e MCST-Posttestwert<br />

konnte das REHAB-Eingangsniveau der Rehabilitanden deutlich besser vorhersagen als<br />

der Prätestwert (r = .10 .54, p < .01), was mit Ergebnissen von WIEDL <strong>und</strong> SCHÖTTKE<br />

(2002) übereinstimmt. Korrelationen mit dem Endniveau werden nicht berichtet.<br />

In ihrer o. g. Studie beurteilten KURTZ <strong>und</strong> WEXLER (2006) die funktionale Kapazität<br />

ihrer WCST-Typen in Rollenspielen zu Aufgaben aus verschiedenen Lebensbereichen wie<br />

Freizeit <strong>und</strong> Haushalt (UCSD Performance-Based Skill Assessment UPSA: PATTERSON,<br />

GOLDMAN, MCKIBBIN, HUGHS & JESTE, 2001). Ihre Intact performers unterschieden sich im<br />

UPSA-Summenscore signifikant von den Strong-learners (g = 1,42), die jedoch nicht<br />

signifikant besser abschnitten als Poor-learners (g = 0,32).<br />

WATZKE, BRIEGER, KUSS, SCHÖTTKE <strong>und</strong> WIEDL (2008) verfolgten die Entwicklung der<br />

Arbeitsfähigkeiten innerhalb eines neun- bis zwölfmonatigen Rehabilitationsprogramms.<br />

Verwendet wurde das Osnabrücker Arbeitsfähigkeitenprofil (O-AFP: WIEDL & UHLHORN,<br />

2006), mit dem Rehabilitanden im Hinblick auf die Anforderungen des allgemeinen Arbeitsmarkts<br />

reliabel beurteilt werden können. Auf der Skala Lernfähigkeit am Arbeitsplatz<br />

unterschieden sich die 18 Highscorer <strong>und</strong> die 16 Lerner bereits vier Wochen nach<br />

Programmbeginn deutlich von den 7 Nichtlernern (d = 1,86 bzw. 0,84), wenngleich der<br />

Effekt des zweiten Vergleichs aufgr<strong>und</strong> der Stichprobengröße nicht statistisch abgesichert<br />

werden konnte. Gegen Ende der Maßnahme zeigten sich ebenfalls große <strong>und</strong> signifikante<br />

Effekte (d = 1,50 bzw. 0,90). Zum Katamnese-Zeitpunkt drei Monate nach Programm-Ende<br />

waren 66 % der Highscorer, 44 % der Lerner, jedoch kein Nichtlerner kompetitiv oder<br />

supportiv beschäftigt (χ 2 = 8,29; p < 0,05).<br />

Die Verwendung dimensionaler Maße des Lerngewinns (d. h. von Differenzwerten) zur<br />

Untersuchung der inkrementellen Validität des <strong>dynamisch</strong>en WCST hat zu inkonsistenten


76<br />

Wisconsin Card Sorting Test<br />

Ergebnissen geführt: SERGI, KERN, MINTZ <strong>und</strong> GREEN (2005) berechneten eine Regression<br />

von Maßen der Aneignung von Fertigkeiten in einem einstündigen Training einer simulierten<br />

handwerklichen oder Bürotätigkeit auf den statischen WCST <strong>und</strong> McGuigans korrigierten<br />

Lerngewinnwert (s. GUTHKE & WIEDL, 1996, S. 113). Es ergab sich eine zusätzliche<br />

Varianzaufklärung von 15 % durch das Lernpotenzialmaß (ges. 28 %) bzw. 13 % (ges. 19 %)<br />

für die Katamnese nach drei Monaten. In ihrer o. g. Arbeit konnten KURTZ et al. (2010)<br />

hingegen keinen signifikanten Zusammenhang zwischen McGuigan-Score <strong>und</strong> UPSA finden<br />

(r = .26 n. s.; N = 48).<br />

Die Ursache der höheren Validität der <strong>dynamisch</strong>en WCST-Posttestwerte bei der Aufklärung<br />

von Outcome-Varianz (WIEDL & SCHÖTTKE, 2002; WOONINGS et al., 2003) sollte in der<br />

Kontrolle personaler Nontarget-Faktoren wie Attributidentifikation <strong>und</strong>/oder Regel-<br />

Generierung <strong>und</strong> -selektion zu suchen sein (CARLSON & WIEDL, 1992). Wenn es zutrifft,<br />

dass der Posttest eine unverzerrtere Abschätzung von Arbeitsgedächtnis- <strong>und</strong> kognitiven<br />

Kontrollfunktionen (z. B. Zielrepräsentation, Interferenzkontrolle) erlaubt, wäre die inkrementelle<br />

Validität des WCSTdyn angesichts der prädiktiven Valenz dieser neurokognitiven<br />

Domänen nicht verw<strong>und</strong>erlich (GREEN et al., 2000).<br />

Den bislang einzigen Hinweis auf eine Veränderung der Konstruktvalidität in diese<br />

Richtung gibt eine Studie von WIEDL et al. (2004): Die Autoren reanalysierten die Daten<br />

von WIEDL et al. (2001) im Hinblick auf eine Veränderung des korrelativen Musters von<br />

WCST <strong>und</strong> weiteren kognitiven Variablen durch Dynamisierung (N = 40 - 46). Wie erwartet<br />

ergaben sich signifikante Differenzen der Zusammenhänge von Prä- <strong>und</strong> Posttest mit<br />

neurokognitiven Maßen: Die Korrelationen mit dem Stroop-Test, der als Maß der Verarbeitungsgeschwindigkeit<br />

interpretiert wird (NUECHTERLEIN et al., 2004), nahmen ab, während<br />

die Zusammenhänge mit Indices des Arbeitsgedächtnisses <strong>und</strong> des Problemlösens deutlich<br />

akzentuiert wurden (z. B. korrekt sortierte Karten & Anzahl Züge Fünfer-Turm von Hanoi<br />

[SCHÖTTKE, 2000]: r = -.23 -.57, p ≤ .01).<br />

Die referierten Machbarkeits- <strong>und</strong> Rate-limiting-factor-Studien zum <strong>dynamisch</strong>en<br />

WCST belegen eindeutig, dass (a) sich die Performanz von Menschen mit<br />

Schizophrenie-Diagnosen durch verschiedene didaktische <strong>und</strong> metakognitiv<br />

anregende Trainingsprozeduren eindeutig steigern lässt, <strong>und</strong> dass (b) kognitive<br />

Modifizierbarkeit als funktionsrelevanter Faktor zu werten ist bzw. <strong>dynamisch</strong>e<br />

Indices kognitiver Kontrollfunktionen eine gegenüber ihren statischen Gegenstücken<br />

substanziell erhöhte Vorhersagegüte aufweisen. Diagnostisch ist zu<br />

bedenken, dass Personen, die durch den WCSTdyn als Lerner klassifiziert<br />

werden, im statischen WCST-64 (Prätest) genau die ausgeprägten »exekutiven«<br />

Defizite aufweisen, die in o. g. Studien zur Neurokognition der Schizophrenie<br />

wiederholt gef<strong>und</strong>en wurden. Die Validität eines »statischen« Urteils<br />

muss demnach gerade im Hinblick auf das wiederholt aufgezeigte Rehabilitationspotential<br />

dieser Subgruppe, v. a. im Vergleich zu den echten Nichtlernern,<br />

in Zweifel gezogen werden. Letzteren scheint die Aufrechterhaltung, Abschirmung<br />

<strong>und</strong> Bearbeitung von Information bei gleichzeitiger Repräsentation kontextueller<br />

Anforderungen im Arbeitsgedächtnis Probleme zu bereiten, die<br />

refraktär bzw. zumindest nicht durch ein kurzes Training remediierbar sind.


4. Statistische Modelle<br />

der Veränderungsmessung im Einzelfall<br />

»A persistent puzzle in psychometrics has been 'the measurement of change.'«<br />

CRONBACH & FURBY (1970, S. 68)<br />

77<br />

Reliable Change Index<br />

Der <strong>dynamisch</strong>e Wisconsin Card Sorting Test (WCSTdyn) liefert zusätzlich zu den Daten<br />

der »statischen« Ein-Punkt-Messung Veränderungsinformation. Für die Forschungspraxis<br />

bedeutet dies, dass hierfür zunächst ein zuverlässiges statistisches Modell entwickelt<br />

werden muss. Gegenstand dieses Kapitels sind (1.) die Vorstellung von Verfahren zur<br />

Absicherung von Performanzänderungen im Einzelfall sowie (2.) die Klärung ihrer<br />

teststatistischen Voraussetzungen, damit diese durch eine Vorstudie erfüllt werden können.<br />

Bevor im Folgenden Methoden der Veränderungsmessung für den Einzelfall diskutiert<br />

werden, sei ein kritischer Aspekt des Studiendesigns erwähnt: Bei der geplanten Studie<br />

handelt es sich, in der Tradition früherer Arbeiten der Osnabrücker Gruppe (WIENÖBST,<br />

1993; KAUFFELDT, 1997; WIEDL et al., 2001; WALDORF, 2005), um eine nicht-experimentelle,<br />

unkontrollierte Prätest-Training-Posttest-Studie an Menschen mit Diagnose einer Schizophrenie-Spektrums-Erkrankung.<br />

Die Gründe hierfür liegen in der begrenzten Verfügbarkeit<br />

von Teilnehmern <strong>und</strong> deren begrenzter Belastbarkeit. Die interne Validität dieses Vorgehens<br />

muss zweifellos kritisch gesehen werden. Zunächst einmal bleibt jedoch festzuhalten,<br />

dass sophistizierte Analyseverfahren, wie sie einschlägige Arbeiten zur Veränderungsmessung<br />

vorstellen (z. B. PETERMANN, 1978) nicht in Frage kommen. Zwar müssen auch<br />

Methodologien für den Einzelfall nicht zwangsläufig gravierende Probleme aufwerfen.<br />

Bedauerlicherweise ergibt sich für den WCSTdyn in der Schizophrenieforschung jedoch<br />

eine Konstellation wenig wünschenswerter Umstände: das Vorliegen nur einer Prä- <strong>und</strong><br />

Posttest-Messung, die nicht hinreichend etablierte Reliabilität, die Testung einer im<br />

Hinblick auf ihre kognitive Leistungsfähigkeit extreme Gruppe sowie das wahrscheinliche<br />

Auftreten von Deckeneffekten im Posttest.<br />

Während die statistische Absicherung durchschnittlicher Veränderung auf Gruppenebene<br />

dank eines weithin akzeptierten Methodenrepertoires auch für nicht-parametrische<br />

Daten keine nennenswerten Probleme aufwirft, kann es aufgr<strong>und</strong> versuchsplanerischer<br />

Einschränkungen oder eines spezifischen Erkenntnisinteresses (vgl. ZUBIN, 1950) angezeigt<br />

sein, analog zur neuropsychologischen klinischen Praxis Veränderung im unkontrollierten<br />

Einzelfall abzusichern (JACOBSON, FOLLETTE & REVENSTORF, 1984). So vermögen gruppenstatistische<br />

Auswertungen bestimmte Fragen differentieller Wirksamkeit nicht zu beantworten:<br />

Es bleibt unklar, ob die gruppenstatistische Feststellung allgemeiner Wirkung eines<br />

kognitiven Trainings auf alle einzelnen Teilnehmer generalisiert werden kann, <strong>und</strong> – falls<br />

nicht – anhand welcher Merkmale sich Responder <strong>und</strong> Nonresponder unterscheiden<br />

lassen.<br />

Zur Binnendifferenzierung der Stichprobe bedarf es eines Indikators des selektionsrelevanten<br />

Merkmals (d. h. der kognitiven Modifizierbarkeit). Im Rahmen der Klassischen<br />

Testtheorie (KTT) ist hier zunächst an einfache Posttest-Prätest-Differenzen (PPD) zu<br />

denken, deren Verwendung es – anscheinend – auch erlauben würde, Korrelate von<br />

Veränderung zu betrachten. Ein solches Vorgehen ist jedoch unter methodischen Gesichtspunkten<br />

zu problematisieren.


Im Folgenden sei:<br />

x Prätestwert<br />

y Posttestwert<br />

(y - x) Posttest-Prätest-Differenz (PPD)<br />

x, y Mittelwerte Prä- <strong>und</strong> Posttest<br />

s 2 , s Varianz, Streuung<br />

rxy<br />

rtt bzw. rxx/ yy, ρxx/ yy<br />

rDD/ ρDD<br />

Retest-Korrelation (Teststabilität)<br />

78<br />

Reliable Change Index<br />

Reliabilität eines Einzeltests (Prätest/ Posttest)<br />

Reliabilität der Differenzwerte<br />

F/ D funktionale/ dysfunktionale Population<br />

4.1 Über die Zuverlässigkeit von Differenzwerten<br />

»It appears that investigators who ask questions regarding gain scores would ordinarily<br />

be better advised to frame their questions in other ways.«<br />

CRONBACH & FURBY (1970, S. 80)<br />

Differenzen scheinen sich zur indirekten Messung von Veränderung unmittelbar anzubieten.<br />

PPD-Scores sind im Rahmen der Klassischen Testtheorie (KTT: GULLIKSEN, 1950) ein<br />

unverzerrter Schätzer wahrer Differenzen (ROGOSA, 1995; GUTHKE & WIEDL, 1996).<br />

Dennoch gelten sie als wenig zuverlässiger Lerntestparameter (CRONBACH & FURBY, 1970;<br />

LINN & SLINDE, 1977; GUTHKE & WIEDL, 1996; STELZL, 2005). Im Wesentlichen besagt das<br />

zentrale Argument, dass in eine Differenzvariable die Fehler zweier Messungen eingehen.<br />

Im Rahmen der KTT lässt sich dies anhand der Berechnungsvorschrift für die Reliabilität<br />

von Differenzen veranschaulichen (z. B. PETERMANN, 1978):<br />

Formel 01 offenbart einen Zusammenhang von Zuverlässigkeiten <strong>und</strong> Retest-Korrelation,<br />

der als »Reliabilitäts-Validitäts-Dilemma« oder »Reliabilitäts-Stabilitäts-Dilemma«<br />

bekannt wurde (HARRIS, 1963; SCHÖTTKE, BARTRAM & WIEDL, 1993): Die für gewöhnlich<br />

wünschenswerte Stabilität der Messung ist bei hohen internen Konsistenzen der Einzeltests<br />

nur um den Preis einer unbefriedigenden Zuverlässigkeit der Differenzen zu haben, die<br />

damit prognostisch invalide werden. Wird auf eine hohe Reliabilität der Differenzen<br />

abgezielt, so muss die Retest-Korrelation (regressionsanalytisch: die »Validität«) niedrig<br />

sein. »Welche inhaltliche Interpretation <strong>und</strong> Rechtfertigung ließe sich … für Differenzwerte<br />

von Tests angeben, wenn die … Tests unkorreliert sind <strong>und</strong> – nur diesen Schluss lässt<br />

die klassische Testtheorie bei substantieller Einzeltestreliabilität zu – offenbar inhaltlich<br />

Verschiedenes messen?« (PAWLIK, 1982, S. 26). Der Begriff »Dilemma« ist hier allerdings<br />

zu scharf: Bis zu einer Retest-Korrelation von ca. .60 liefern sehr hohe interne Konsistenzen<br />

(d. h. ≥ .90) eine noch akzeptable Differenz-Reliabilität. Wie aus der Berechnungsvorschrift<br />

aber hervorgeht, verfällt diese dramatisch, sobald die Stabilität in die Nähe der<br />

(01)


79<br />

Reliable Change Index<br />

mittleren internen Konsistenz von Prä- <strong>und</strong> Posttest kommt <strong>und</strong> fällt bei Gleichstand auf<br />

Null.<br />

Beim Einsatz des WCSTdyn ist darüber hinaus zu beobachten, dass die PPD praktisch<br />

keine bedeutsame Aufklärung von Kriteriumsvarianz ermöglicht. So testete WALDORF<br />

(2005) 37 Patienten mit Schizophrenie-Diagnosen mit dem WCSTdyn <strong>und</strong> fand folgende<br />

Zusammenhänge der korrekten Sortierungen mit einem Maß verbaler Intelligenz (Wortschatztest<br />

WST: SCHMIDT & METZLER, 1992): r = .28 n. s. (Prätest), r = .18 n. s. (PPD) <strong>und</strong><br />

r = .59 (Posttest; p < .01). Die Schlussfolgerung von GUTHKE <strong>und</strong> WIEDL (1996, S. 112-115),<br />

Posttestwerte von Langzeitlerntests seien die validesten Lerntestparameter, gilt dementsprechend<br />

auch für Schizophreniestudien mit dem <strong>dynamisch</strong>en WCST (vgl. auch<br />

WEINGARTZ, WIEDL & WATZKE, 2008).<br />

4.2 Der statistische Regressionseffekt<br />

Wird in einer Personengruppe die gleiche Variable zweimal gemessen, so lässt sich<br />

beobachten, dass die Messwerte dazu tendieren, bei der Zweitmessung (t2) im Durchschnitt<br />

näher an der höchsten Verteilungsdichte zu liegen als bei der Erstmessung (t1). Dieses<br />

häufig missverstandene Phänomen der »Regression zur Mitte« tritt bei nicht-perfekten<br />

Korrelationen in linearen Zusammenhängen stets auf (vgl. aber die Kritik von ROGOSA,<br />

1995) <strong>und</strong> fällt umso stärker aus, je weiter die Messwerte zu t1 vom Gruppenmittelwert<br />

abweichen <strong>und</strong> je niedriger die Korrelation zwischen den Messwertreihen ausfällt.<br />

Wichtigster Indikator des Regressionseffekts ist nach ROGOSA (1995) das Vorliegen einer<br />

negativen Korrelation r(τ, δ) zwischen Ausgangswert <strong>und</strong> PPD bzw. den wahren Werten<br />

dieser Variablen (Ausgangswertgesetzes, Wilders Gesetz: s. GUTHKE & WIEDL, 1996, S. 345).<br />

Der statistische Regressionseffekt stellt eine Gefahr für die interne Validität unkontrollierter<br />

Studien zur Einschätzung der Wirksamkeit von Interventionen dar, da diese häufig<br />

an Personenkollektiven durchgeführt werden, die gerade über die im Vergleich zur<br />

Gesamtpopulation extreme Ausprägung unerwünschter Merkmale definiert werden. Er<br />

sollte daher, wenn möglich, durch die verwendete Methode der Veränderungsmessung<br />

kontrolliert werden. Beide Sachverhalte ergeben sich aus den Setzungen der KTT: Es wird<br />

angenommen, dass sich ein beobachteter Wert additiv zusammensetzt aus einem »wahren«<br />

Wert <strong>und</strong> einem diesen überlagernden, unabhängigen »Fehler« (xi= τi + εi), der unsystematische,<br />

unkontrollierbare, unvorhersagbare Einflüsse auf die Messung repräsentiert (z. B.<br />

AMELANG & SCHMIDT-ATZERT, 2006). Messfehler verteilen sich normal mit einem Erwartungswert<br />

von Null (µF = 0) <strong>und</strong> einer Streuung, die dem Standardmessfehler entspricht. Es<br />

ist nun offensichtlich, dass extreme Werte häufig als Summe hoher bzw. niedriger wahrer<br />

Werte <strong>und</strong> großer Fehler entstehen: Da Fehlerwerte als Realisierungen unabhängiger,<br />

normalverteilter Zufallsvariablen konzeptualisiert werden, Messinstrumente stets fehlerbehaftet<br />

<strong>und</strong> extreme Fehler seltene Ereignisse sind, ist einsehbar, dass bei einer Zweitmessung<br />

häufig geringere Mittelwertsabweichungen vormals extremer Messwerte beobachtet<br />

werden. Es ist jedoch ein Missverständnis, dass dieses Phänomen notwendigerweise mit<br />

einer Varianzreduktion einhergeht, zu einer Angleichung der Merkmalsausprägung führt<br />

(STELZL, 2005) oder asymmetrisch auf Y gerichtet sei (NACHTIGALL & SUHL, 2002a).<br />

Formalisiert lässt sich der Regressionseffekt für z-standardisierte Variablen notieren als:<br />

|E(Y|X = x)|


80<br />

Reliable Change Index<br />

lässt als: E(Y|X=x) = REL(x) × x. Die Formel der Regressionsgeraden zur Schätzung eines<br />

wahren Werts aus einem gegebenen Messwert lautet: T = xi - (1 - REL) × (xi - M). Eine<br />

Betrachtung dieser Ausdrücke zeigt, dass die Regression zur Mitte mit abnehmender<br />

Zuverlässigkeit <strong>und</strong> steigender Abweichung des gegebenen Wertes vom Mittelwert<br />

zunimmt (SCHÖTTKE et al., 1993; STELZL, 2005).<br />

4.3 Reliable Change Indices<br />

Die Gruppe der einzelfallanalytischen Reliable Change Index-Methoden (RCIs) hat sich in<br />

klinischer Wirksamkeitsforschung, Neuropsychologie <strong>und</strong> persönlichkeitspsychologischer<br />

Psychometrie im Verlauf der zurückliegenden anderthalb Jahrzehnte einen festen Platz an<br />

der Seite gruppenstatistischer Designs erobert (s. WISE, 2004; CHELUNE, 2003; OGLES,<br />

LUNNEN & BONESTEEL, 2001; JACOBSON, ROBERTS, BERNS & MCGLINCHEY, 1999).<br />

Schon 2001 identifizierten OGLES et al. 26 Artikel aus den 90er Jahren, die das klassische<br />

Kriterium (JACOBSON & TRUAX, 1991) zur Feststellung klinischer Bedeutsamkeit<br />

anlegten. RCIs wurden, nicht durchweg lege artis, berechnet für so unterschiedliche<br />

Untersuchungsgegenstände wie die Effekte von KVT bei Zwangssymptomatik (MCKAY,<br />

NEZIROGLU, TODARO & YARYURA-TOBIAS, 1996) <strong>und</strong> Hypochondrie (MARTÍNEZ & BOTELLA,<br />

2005), analytischer Kinder- <strong>und</strong> Jugendlichen-Psychotherapie (FAHRIG, KRONMÜLLER,<br />

HARTMANN & RUDOLF, 1996), eines Trainings sozialer Fertigkeiten (DEFFENBACHER,<br />

OETTING, HUFF, CORNELL & DALLAGER, 1996), der EMDR-Therapie bei posttraumatischen<br />

Belastungsstörungen (WILSON, BECKER & TINKER, 1997) <strong>und</strong> eines Elterntrainings<br />

(THOMPSON, RUMA, BREWSTER, BESETSNEY & BURKE, 1997). Auch im Bereich der Schizophrenieforschung<br />

liegen Arbeiten vor, die sich der RCI-Methode bedient haben (HARVEY et<br />

al., 2005; MORITZ, IVERSON & WOODWARD, 2003).<br />

Der Grad an methodischer Elaboration der RCI-Debatte, der klinischen Praktikern <strong>und</strong><br />

praxisorientierten Wissenschaftlern bisweilen wie statistische Sophisterei oder, in den<br />

Worten von JACOBSON et al. (1999), als »quite esoteric« (S. 300) vorkommen mag, verbietet<br />

die vollständige Wiedergabe der vorgebrachten Argumente. Im Folgenden werden, nach<br />

einer Einführung des einflussreichen Konzepts der klinischen Bedeutsamkeit sensu<br />

JACOBSON, FOLLETTE <strong>und</strong> REVENSTORF (1984), die gebräuchlichsten statistischen Methoden<br />

für N = 1 eingeführt <strong>und</strong> kurz kommentiert. Der methodisch weitergehend interessierte<br />

Leser wird v. a. auf die Arbeiten von MAASSEN (2000a, 2000b, 2004) verwiesen.<br />

4.3.1 Das Doppelkriterium klinischer Signifikanz<br />

Um den Unzulänglichkeiten gruppenstatistischer Analysen zu begegnen – d. h. der<br />

mangelnden Binnendifferenzierung von Stichproben im Hinblick auf die Variabilität des<br />

Outcomes <strong>und</strong> dem fehlenden Bezug zu externen Kriterien inhaltlicher Bedeutsamkeit –,<br />

schlugen JACOBSON, FOLLETTE <strong>und</strong> REVENSTORF (1984) ein Doppelkriterium klinischer<br />

Signifikanz mit zwei notwendigen, aber nicht hinreichenden Komponenten vor: Diese soll<br />

gegeben sein, wenn (1.) der individuelle Wert der Ergebnisvariable nach der Intervention<br />

von der Verteilung der »funktionalen« in die der »dysfunktionalen« Werte gewandert <strong>und</strong><br />

(2.), wenn die eingetretene Veränderung zusätzlich reliabel, d. h. statistisch signifikant ist.<br />

Sie schlagen drei Berechnungsvorschriften für Trennwerte zur Operationalisierung des<br />

Wechsels zwischen den Verteilungen vor: (a) Der Posttest-Wert (x2) sollte außerhalb von<br />

zwei Standardabweichungen der dysfunktionalen Verteilung in Zielrichtung liegen;


81<br />

Reliable Change Index<br />

(b) x2 sollte auf der der dysfunktionalen Verteilung zugewandten Flanke innerhalb von zwei<br />

Standardabweichungen der funktionalen Verteilung liegen; (c) x2 sollte näher am<br />

Mittelwert der funktionalen Verteilung als an dem der dysfunktionalen Verteilung liegen<br />

bzw. mit höherer Wahrscheinlichkeit der funktionalen als der dysfunktionalen Verteilung<br />

angehören. Für Kriterium c wird eine allgemeine Berechnungsvorschrift gegeben, die auch<br />

für den Fall ungleicher Streuungen anwendbar sein soll. Die verwendeten Kennwerte<br />

sollten Normierungsstichproben entstammen (JACOBSON & REVENSTORF, 1988):<br />

mit Mittelwerten <strong>und</strong> Streuungen der funktionalen (F)<br />

<strong>und</strong> dysfunktionalen (D) Population (Normwerte)<br />

(02)<br />

Bei sich überlappenden Verteilungen, wie sie empirisch meist gegeben sind, ergibt<br />

Vorschrift a den konservativsten Trennwert <strong>und</strong> wird für den Fall fehlender Normen für die<br />

funktionale Population empfohlen; b resultiert im liberalsten Cut-off. Die Autoren empfehlen<br />

jedoch Trennwert c als einziges nicht-arbiträres Kriterium. Zur Sicherstellung der<br />

statistischen Zuverlässigkeit von Veränderung wird zusätzlich ein sog. »reliable change<br />

index« vorgeschlagen. Ihr Vorschlag führte zu einer Reihe von zunehmend komplexen<br />

Verbesserungs- <strong>und</strong> Änderungsvorschlägen, die im folgenden Abschnitt dargestellt <strong>und</strong><br />

erläutert werden.<br />

Die am dichotomen RC-Modell von JACOBSON, FOLLETTE <strong>und</strong> REVENSTORF (1984) geübte<br />

methodologische Kritik lässt sich in drei Bereiche gliedern: (1.) Kritik an der Annahme<br />

zweier distinkter Verteilungen (WAMPOLD & JENSON, 1986) – die Anwendung des RC-<br />

Modells mit den notwendigen Parameterschätzungen <strong>und</strong> der Berechnung von Trennwerten<br />

setzt voraus, dass die betrachteten Werte einer eigenen »dysfunktionalen« Gauß-<br />

Verteilung entstammen <strong>und</strong> nicht besser als Extremfälle einer einzigen Verteilung aufgefasst<br />

werden können. Für eine Zuordnung bedarf es nun eines validen externen Kriteriums,<br />

das im Bereich der Schizophrenieforschung nur auf den ersten Blick durch die Diagnose<br />

gegeben scheint – gerade in den letzten Jahren wurden aber auch für psychotische<br />

Symptome Kontinuumsmodelle formuliert (z. B. JOHNS & VAN OS, 2001). Dieses Problem<br />

stellt sich allerdings nicht nur in der Analyse des Einzelfalls <strong>und</strong> kann letzten Endes nur<br />

pragmatisch gehandhabt werden (JACOBSON, FOLLETTE & REVENSTORF, 1986).<br />

(2.) Kritik an Trennwert c. JACOBSON <strong>und</strong> Kollegen (1986, 1988) hatten die von ihnen<br />

vorgeschlagenen Trennwerte zur Feststellung klinischer Bedeutsamkeit selbst kritisch<br />

reflektiert, da beobachtete Werte nahe dem aus beobachteten Werten errechneten Trennwert<br />

aufgr<strong>und</strong> von Messfehlern unweigerlich zu Falschpositiv- <strong>und</strong> Verpasser-Fehlern<br />

führen. Die Autoren schlagen vor, mit Hilfe der weiter unten vorgestellten Methode zur<br />

Prüfung statistischer Signifikanz von Veränderung im Einzelfall ein um den Trennwert<br />

zentriertes Konfidenzband zu spannen – ein Vorschlag, der in der Folge nicht ausgearbeitet<br />

wurde: So bleibt unklar, welchen Standardfehler die Autoren hierfür empfehlen. In diesem<br />

Fall erscheint weder der von den Autoren ursprünglich für die Veränderungsmessung<br />

vorgeschlagene Standardmessfehler, noch der ab 1986 (s. u.) zu diesem Zweck empfohlene<br />

Standardfehler der Differenzen, sondern vielmehr der Standardschätzfehler (LORD &<br />

NOVICK, 1968) adäquat. Eine solche Lösung stammt von HAGEMAN <strong>und</strong> ARRINDELL (1999,<br />

S. 1176), die die Differenz zwischen geschätztem wahren Posttestwert <strong>und</strong> berechnetem<br />

Trennwert an jenem Standardfehler relativieren, der die Streuung wahrer um beobachtete


82<br />

Reliable Change Index<br />

Werte angibt (Produkt aus radizierter Reliabilität <strong>und</strong> Standardmessfehler, d. h. Standardschätzfehler).<br />

Dieser als CSINDIV bezeichnete Algorithmus soll prüfen, ob der geschätzte<br />

Abstand von der wahren Schwelle klinischer Bedeutsamkeit mit einer geringeren als der<br />

gewählten kritischen Wahrscheinlichkeit auftritt. Die wahre Schwelle (ctrue) wird berechnet,<br />

indem die Streuungen der wahren Werte durch Gewichtung mit dem Faktor rtt 0,5 geschätzt<br />

werden:<br />

(03)<br />

HSU (1996) übte eine andere, gr<strong>und</strong>legendere methodologische Kritik am empfohlenen<br />

Trennwert c bzw. seiner Interpretation: Dieser könne – bei gleichen Streuungen – nur<br />

etwas über das Verhältnis der Auftretenswahrscheinlichkeiten eines Werts in beiden<br />

Verteilungen aussagen (likelihood ratio) <strong>und</strong> damit etwas über die Balance von Sensitivität<br />

<strong>und</strong> Spezifität, nicht aber etwas über das Verhältnis der bedingten Wahrscheinlichkeiten,<br />

bei einem gegebenen Wert jeweils einer der Gruppen anzugehören. Hierfür würden nach<br />

dem Bayes-Theorem die A-priori-Wahrscheinlichkeiten der Ereignisse Funktionalität <strong>und</strong><br />

Dysfunktionalität benötigt, die häufig unbekannt sind. Der Autor schlägt eine komplexe<br />

Modifikation von Trennwert c vor (Posterior Probability Ratio Method: HSU, 1996,<br />

Definition c.1.A., S. 379; nicht dargestellt) <strong>und</strong> demonstrierte v. a. für große Unterschiede in<br />

den Auftretenswahrscheinlichkeiten deutlich differierende Fehlklassifikationsanteile.<br />

(3.) Kritik an der Methode zur Feststellung reliabler Veränderung. Die Kritik an der<br />

zweiten Komponente des RC-Modells richtet sich zum einen gegen den verwendeten<br />

Standardfehler, zum anderen gegen die vermeintlich mangelnde Kontrolle der Regression<br />

zur Mitte. Beide Kritikpunkte bildeten den Ausgangspunkt einer Reihe von Überarbeitungen<br />

des »klassischen« Veränderungsindex, der jedoch zunächst beschrieben werden soll.<br />

Eine weitere, thematisch diesem Bereich zuzuordnende F<strong>und</strong>amentalkritik wurde vor allem<br />

von Verfechtern hierarchisch-linearer Modelle an der Analyse von Daten aus Prätest-<br />

Posttest-Designs geäußert (z. B. SPEER, 1999) – da jedoch aus forschungsökonomischen<br />

Gründen oft nur zwei Messzeitpunkte möglich sind, soll sich die Diskussion auf entsprechende<br />

Analysemodelle beschränken.<br />

Die nun folgenden Modelle zur Überprüfung statistisch signifikanter Veränderungen im<br />

Einzelfall werden konventionell in Form von Brüchen dargestellt, in denen ein Zähler-<br />

Ausdruck an unterschiedlichen Standardfehlern relativiert <strong>und</strong> das Ergebnis mit kritischen<br />

z-Werten verglichen wird. Andere Notationen sind ebenso möglich (s. SCHÖTTKE et al.,<br />

1993). Die Methoden lassen sich grob in drei Klassen einteilen:<br />

(1.) einfache (standardisierte) Differenzwerte – hierbei werden die beobachteten, unmodifizierten<br />

Posttest-Prätest-Differenzen der Personen verwendet (z. B. JACOBSON,<br />

FOLLETTE & REVENSTORF, 1984; CHRISTENSEN & MENDOZA, 1986; MORITZ, IVERSON &<br />

WOODWARD, 2003);<br />

(2.) modifizierte Differenzwerte – innerhalb dieser Klasse wurden verschiedene Methoden<br />

diskutiert, die Schätzung der Differenz durch Kontrolle von Messfehlern <strong>und</strong>/oder<br />

Regressionseffekten zu verbessern (z. B. HSU, 1989; SPEER, 1992; HAGEMAN & ARRINDELL,<br />

1993; ZEGERS & HAFKENSCHEID, 1994);


83<br />

Reliable Change Index<br />

(3.) regressionsbasierte Methoden im engeren Sinne – hierbei werden Differenzen<br />

zwischen regressionsanalytisch vorhergesagten <strong>und</strong> beobachteten Werten betrachtet (v. a.<br />

MCSWEENY, NAUGLE, CHELUNE & LÜDERS, 1993). Die Unterscheidung zwischen den beiden<br />

letztgenannten Kategorien erscheint insofern künstlich, als sich, wie gezeigt werden wird,<br />

auch modifizierte Differenz-Methoden regressionsanalytischer Verfahren zur »Verbesserung«<br />

von Werten, etwa zur Schätzung wahrer Punkt- bzw. Differenzwerte bedienen.<br />

4.3.2 Einfache standardisierte Differenzen: der »klassische« RCI<br />

JACOBSON, FOLLETTE <strong>und</strong> REVENSTORF (1984) schlugen zunächst vor, die beobachtete<br />

Differenz (x2 - x1) am Standardmessfehler des verwendeten Tests, also an der Streuung<br />

beobachteter um wahre Werte zu relativieren. Das Resultat wird anschließend mit einem<br />

kritischen z-Wert (zcrit) verglichen:<br />

(04)<br />

Die erste <strong>und</strong> gr<strong>und</strong>legendste Überarbeitung dieses RCIs stammt von CHRISTENSEN <strong>und</strong><br />

MENDOZA (1986), die darauf hinwiesen, dass dieser nur für den Fall der Verfügbarkeit des<br />

wahren Prätestwerts tauglich sei. Sie schlugen den Standardfehler der Differenzwerte<br />

(SEDif) als Zähler des RCI-Bruchs vor. Ihre Korrektur wurde von JACOBSON, FOLLETTE <strong>und</strong><br />

REVENSTORF (1986) zum neuen Standard erklärt. CHRISTENSEN <strong>und</strong> MENDOZA (1986)<br />

verwendeten allerdings eine Berechnungsvorschrift für die empirisch gegebene Differenzwertstreuung,<br />

in die Prä- <strong>und</strong> Posttest-Varianzen sowie die doppelte Kovarianz zwischen<br />

den Messreihen eingehen:<br />

MAASSEN (2005) wies darauf hin, dass der in Formel 05 verwendete ambige Nennerterm<br />

zwei unterschiedliche Deutungen zulässt: (a) eine »probabilistische«, die die Autoren<br />

offenbar nahelegen wollten, als sie schrieben, ihr Standardfehler repräsentiere »… the<br />

amount of difference which one could expect between two scores, obtained on the same<br />

test by the same individual, as a function of measurement error alone« (CHRISTENSEN &<br />

MENDOZA, 1986, S. 307) – in diesem Fall sollte besser vom Standardmessfehler der<br />

Differenz gesprochen werden; <strong>und</strong> (b) eine »empirisch-gruppenstatistische«, in welchem<br />

Fall tatsächlich vom Standardfehler der Differenz i. e. S. (d. h. der Differenzwertstreuung)<br />

gesprochen werden kann. Der Unterschied liegt auf der Hand: Während nach Interpretation<br />

(a) die beobachtete Differenz eines Individuums unter Rekurs auf die theoretische<br />

Verteilung von Messfehlern unter der Nullhypothese geprüft wird, relativiert Interpretation<br />

(b) sie durch die empirische Differenzwertverteilung der Stichprobe. Spätere Autoren<br />

scheinen Interpretation (b) gefolgt zu sein (TEMKIN, HEATON, GRANT & DIKMEN; 1999;<br />

FRERICHS & TUOKKO, 2005). Sollten die Autoren Deutung (a) angelegt haben, ist ihre<br />

Notation des SEDIF unglücklich gewählt. Die auf MCNEMAR (1969) zurückgehende Formel<br />

des Standardfehlers der Messung der Differenzwerte, in die beide Standardfehler der<br />

Messungen separat eingehen, lautet:<br />

(05)


84<br />

Reliable Change Index<br />

Er fällt immer dann, wenn rtt > rxy (also praktisch immer) geringer aus als die beobachtete<br />

Streuung der Differenzen, die damit ein zu konservatives Kriterium darstellt. Wird nun<br />

angenommen, dass es sich bei Prä- <strong>und</strong> Posttest um parallele Messungen handelt (<strong>und</strong> ihre<br />

Bestimmungsstücke [rtt, s 2 ] dem Prätest oder Normwerten entnommen), so vereinfacht<br />

sich dieser SEDIF zur Wurzel des doppelten quadrierten Standardmessfehlers – so bei<br />

JACOBSON <strong>und</strong> TRUAX (1991), die damit den RCI formulierten, der vermutlich auch<br />

aufgr<strong>und</strong> seiner ökonomischen Berechnungsvorschrift die bislang größte Resonanz fand<br />

<strong>und</strong> in dieser Form als »klassischer« RCI gilt:<br />

Eine Modifikation dieses RCIJT von CHELUNE et al. (1993) zur Kontrolle von Übungseffek-<br />

ten, die in der Neuropsychologie Anwendung findet, sieht vor, das durch SEDIF × zcrit<br />

gegebene Intervall um die mittlere Veränderung der Gruppe zu zentrieren. Dieses Vorgehen<br />

ist in mehrerlei Hinsicht problematisch: Es nimmt eine im Hinblick auf die Axiomatik<br />

der KTT fragwürdige konzeptuelle Unterscheidung von »wahrer« Veränderung, übungs-<br />

<strong>und</strong> fehlerbedingter Varianz vor, die dazu führt, dass das Kriterium zuverlässiger Verbesserung<br />

übermäßig strikt wird. Verbesserung wird nur dann konstatiert, wenn eine beobachtete<br />

Veränderung bei Gültigkeit der Nullhypothese unwahrscheinlich ist <strong>und</strong> das Individuum<br />

die mittlere Differenz einer relevanten Gruppe übertrifft. Auch das asymmetrische<br />

Konfidenzintervall um die mittlere Differenz, das einen höheren Veränderungsbetrag für<br />

Verbesserung als für Verschlechterung notwendig macht (offenbar, da Übung im Sinne<br />

eines konstanten Effekts als dem Leistungsabfall stets natürlicherweise entgegenwirkend<br />

gedacht wird), entbehrt einer soliden methodologischen Gr<strong>und</strong>lage. Die Methode der<br />

übungsadjustierten Differenzen soll aufgr<strong>und</strong> dieser Überlegungen nicht weiter verfolgt<br />

werden.<br />

Der Standardfehler lege artis des klassischen RCIs greift auf MCNEMARs (1969) Formel<br />

zurück <strong>und</strong> wurde unabhängig voneinander von IVERSON (IVERSON, LOVELL & COLLINS,<br />

2003; MORITZ, IVERSON & WOODWARD, 2003) <strong>und</strong> MAASSEN (2004) empfohlen. Die<br />

Autoren empfehlen, zumindest die streuungsbedingten Unterschiede der Standardmessfehler<br />

von Prä- <strong>und</strong> Posttest zu berücksichtigen. Im Gegensatz zum o. g. RCICM wird die<br />

Differenz hier wiederum unter Rückgriff auf die theoretische Verteilung unter Gültigkeit<br />

der Nullhypothese (<strong>und</strong> nicht auf die empirische Differenzwerteverteilung) geprüft:<br />

(06)<br />

(07)<br />

(08)


85<br />

Reliable Change Index<br />

Bei einem Vergleich der bisher vorgestellten Indices ist zunächst trivialerweise festzustellen,<br />

dass bei konstanten Streuungen <strong>und</strong> Reliabilitäten alle mit Ausnahme des obsoleten<br />

RCIJFR gleiche Ergebnisse liefern. Der Standardmessfehler der Differenz fällt dabei um den<br />

Faktor 2 0,5 (= 1,41) größer aus als der des Prätests, stellt also ein strikteres statistisches<br />

Kriterium dar (HSU, 1989; HAGEMAN & ARRINDELL, 1993). Der Standardfehler nach<br />

MCNEMAR (1969) <strong>und</strong> seine Verwendung durch IVERSON <strong>und</strong> Kollegen erbringen identische<br />

Resultate immer dann, wenn sich die Standardmessfehler nur aufgr<strong>und</strong> unterschiedlicher<br />

Populationsvarianzen unterscheiden. Fällt die Differenz von Prä- <strong>und</strong> Posttest-Streuung<br />

(sx - sy) negativ aus (fanspread, z. B. bei einem positiven Zusammenhang zwischen Prätest-<br />

<strong>und</strong> Differenz-Werten), so trägt die letzte Formulierung (RCIIM) diesem Umstand Rechnung,<br />

indem ihr SEdiff größer ausfällt als für den verbreiteten RCIJT; bei einer Varianzreduktion<br />

verhält es sich umgekehrt. MAASSEN (2004) demonstrierte schließlich, dass der<br />

quadrierte Standardfehler des RCIIM für rtt > 0 stets um [rxy × (sx – sy) 2 ] kleiner ausfällt als<br />

der des RCICM. Im Folgenden wird aufgr<strong>und</strong> ihrer vorteilhaften statistischen Eigenschaften<br />

ausschließlich die letztgenannte Elaboration des klassischen RCIs berücksichtigt.<br />

4.3.3 Modifizierte Differenzen:<br />

Die Gulliksen-Lord-Novick-Methode (GLN)<br />

Der folgende Veränderungsindex stellt neben dem weiter unten vorgestellten URCI nach<br />

ZEGERS <strong>und</strong> HAFKENSCHEID (1994) die komplexeste Variante des klassischen RCI dar.<br />

Zudem kann er auf eine interessante Entwicklungsgeschichte zurückblicken, da die<br />

Überlegungen dreier Autoren bzw. Autorengruppen (HSU, 1989; SCHÖTTKE et al., 1993;<br />

STEYER, HANNÖVER, TELSER & KRIEBEL, 1997) unabhängig voneinander auf die gleiche<br />

Formel konvergierten.<br />

HSU (1989) wies erstmals darauf hin, dass der klassische RCI nach CHRISTENSEN <strong>und</strong><br />

MENDOZA (1986) Regressionseffekte nicht kontrolliert (s. aber die Kritik von NACHTIGALL &<br />

SUHL, 2002b, c). Der Autor schlägt daher vor, Prä- <strong>und</strong> Posttest in Abwesenheit von<br />

Behandlungseffekten als parallele Messungen mit gleichen wahren Werten <strong>und</strong> gleichen<br />

Standardmessfehlern zu betrachten (z. B. HSU, 1999) <strong>und</strong> den Standardvorhersagefehler<br />

(SVF) der Regression (standard error of prediction, SEpred: Formel 09) nach GULLIKSEN<br />

(1950) <strong>und</strong> LORD <strong>und</strong> NOVICK (1968) zur Feststellung reliabler Veränderung zu nutzen:<br />

(09)<br />

Verwendet wird also die geschätzte Fehlerstreuung bei einer Regression von beobachteten<br />

Werten auf die beobachteten Werte eines Paralleltests <strong>und</strong> nicht, wie z. B. von CHELUNE<br />

(2003) ebenfalls unter dieser Bezeichnung empfohlen, die häufig (falls rxy < rtt) größer<br />

ausfallende Residualstreuung der Stichprobe (Standardschätzfehler), die aus Postteststreuung<br />

<strong>und</strong> Retest-Korrelation berechnet wird. Es lassen sich Konstellationen konstruieren,<br />

für die dieser Standardfehler ein zu striktes Kriterium ergibt. Die Relativierung am<br />

Standardmessfehler wiederum ergibt aufgr<strong>und</strong> der ausbleibenden Quadrierung der<br />

Reliabilität zu liberale Veränderungsindices (HSU, 1995, 1999).<br />

Zur Berechnung des Index, den der Autor als GULLIKSEN-LORD-NOVICK-Methode (GLN)<br />

bezeichnet (SPEER <strong>und</strong> GREENBAUM, 1995, allerdings als HSU-LINN-LORD-Methode) werden


86<br />

Reliable Change Index<br />

die über die Reliabilität geschätzten Residuen der Regression vom parallelen Post- auf den<br />

Prätest am SVF relativiert. Die hier angegebene Berechnungsvorschrift stellt eine Synthese<br />

aus HSU (1989, S. 463) <strong>und</strong> HSU (1999, S. 594) dar:<br />

Formel 10 entspricht einer ebenfalls auf LORD <strong>und</strong> NOVICK (1968) aufbauenden Methode,<br />

die von SCHÖTTKE et al. (1993) als »typicality logic model of analysis« publiziert wurde.<br />

Die Autoren bedienen sich hierbei allerdings einer geringfügig anderen Notation: Ihr<br />

Vorgehen sieht vor, dass mit Hilfe des Standardvorhersagefehlers <strong>und</strong> eines kritischen<br />

z-Werts ein Konfidenzintervall um den hypothetischen Paralleltestwert gelegt wird. Der<br />

Paralleltestwert wird dabei regressionsanalytisch geschätzt durch:<br />

Anschließend wird geprüft, ob der beobachtete Posttestwert außerhalb des durch<br />

±zcrit × SVF begrenzten Konfidenzbandes um den geschätzten Wert liegt. Diese Forderung<br />

lässt sich in der bereits bekannten Notation als RCI-Bruch mit der geschätzten Differenz<br />

von empirisch gegebenem Posttestwert <strong>und</strong> geschätztem Paralleltestwert im Zähler <strong>und</strong><br />

dem SVF im Nenner formulieren:<br />

Durch Auflösen der Klammerausdrücke <strong>und</strong> Umstellung lässt sich zeigen, dass<br />

d. h. die Methoden von HSU (1989) <strong>und</strong> SCHÖTTKE et al. (1993) sind identisch. SCHÖTTKE et<br />

al. (1993) bereicherten allerdings mit ihrem »typikalitätslogischen« Analysemodell die<br />

GLN-Methode um einen nicht-red<strong>und</strong>anten Beitrag, indem sie Entscheidungsregeln zur<br />

Identifikation von Performanz-Typen bereitstellte: Zusätzlich zu signifikanter Verbesserung,<br />

signifikanter Verschlechterung <strong>und</strong> Nichtveränderung in einem Bereich, in dem<br />

Veränderung festgestellt werden kann, empfehlen die Autoren, Boden- <strong>und</strong> Deckeneffekte<br />

zu berücksichtigen. In Extrembereichen, in denen die vom Instrument vorgegebenen<br />

Leistungsgrenzen (d. h. Decke <strong>und</strong> Boden) innerhalb des Konfidenzintervalls liegen, kann<br />

(10)<br />

(11)<br />

(12)


87<br />

Reliable Change Index<br />

statistisch signifikante Veränderung in die entsprechende Richtung nicht mehr auftreten.<br />

Diese Überlegung wird später erneut aufgegriffen.<br />

Zum dritten Mal publiziert wurde der Index von STEYER, HANNÖVER, TELSER <strong>und</strong><br />

KRIEBEL (1997), die ihn als »inferentielle Veränderungskenngröße« (Vinfer) bezeichnen. Im<br />

Folgenden wird er aufgr<strong>und</strong> der Publikationsreihenfolge weiterhin als RCIGLN bezeichnet.<br />

In der Rezeption der GLN-Methode besteht einige Unsicherheit darüber, welcher<br />

Mittelwert einen angemessenen Referenzpunkt der Regression darstellt (d. h. ob der der<br />

dysfunktionalen oder der funktionalen Verteilung, ob aus Stichproben oder Normgruppen).<br />

So empfahlen z. B. SPEER <strong>und</strong> GREENBAUM (1995) die Verwendung von Prä- <strong>und</strong> Posttestwerten<br />

der Stichprobe (was die Paralleltestannahme verletzt), STEYER et al. (1997) die<br />

Abschätzung aus »… hinreichend großen Stichproben« (S. 294). Es ist nun vorstellbar, dass<br />

z. B. im Bereich der kognitiven Schizophrenieforschung diese Entscheidung erhebliche<br />

Effekte zeitigen kann. HSU (1989) selbst hatte, ein wenig unklar, »… the relevant groups<br />

mean …« (S. 466) bzw. »… scores obtained in the reliability study« empfohlen, problematisierte<br />

allerdings zugleich die Identifikation einer solchen »relevanten« Gruppe. HSU<br />

(1999) greift dieses Problem wieder auf <strong>und</strong> kennzeichnet es als Problem des vernünftigen<br />

Urteils:<br />

The relevant group might be the group from which participants were selected<br />

for treatment because of their extreme pretest scores … the choice of norms<br />

(e.g., clinic vs. general-population means, standard deviations, and reliability<br />

coefficients) is not determined by the method but by the researcher's a priori<br />

judgment about which norms provide the most realistic estimates of the methods'<br />

parameters.<br />

(S. 595-596)<br />

4.3.4 Die Edwards-Nunally-Methode (EN)<br />

SPEER (1992, 1993) schlug, aufbauend auf NUNALLY (1967) <strong>und</strong> EDWARDS, YARVIS, MUELLER,<br />

ZINGALE <strong>und</strong> WAGMAN (1978) vor, Regressionseffekte durch eine Vorhersage des wahren<br />

Prätestwerts <strong>und</strong> die Signifikanz der Veränderung durch ein um diesen zentriertes<br />

Konfidenzintervall auf der Gr<strong>und</strong>lage des Standardmessfehlers zu kontrollieren (d. h. die<br />

Differenz zwischen beobachtetem Posttest- <strong>und</strong> geschätztem wahren Prätest-Wert wird am<br />

Standardmessfehler relativiert). Diese »Edwards-Nunally-Methode« (EN) soll hier aus drei<br />

Gründen nicht ausformuliert werden: Erstens argumentierte HSU (1995, 1999), dass die<br />

EN-Methode, wie schon der klassische RCI nach JACOBSON, FOLLETTE <strong>und</strong> REVENSTORF<br />

(1984), einen methodologisch unangemessenen, zu liberalen Standardfehler verwende, was<br />

sich auch in den Klassifikationsquoten von RCI-Vergleichsstudien widerspiegelt (z. B.<br />

BAUER, LAMBERT & NIELSEN, 2004). SPEER <strong>und</strong> GREENBAUM (1995, 2002) räumten dies<br />

indirekt ein <strong>und</strong> empfehlen mittlerweile wieder den klassischen RCI. Und zweitens<br />

revidierte SPEER (1999) selbst im Anschluss an ROGOSA (z. B. 1995) seine gr<strong>und</strong>legenden<br />

Überlegungen zur Notwendigkeit einer Kontrolle von Regressionseffekten: »I have fo<strong>und</strong><br />

Rogosa et al.'s arguments cogent and have come to believe that Jacobson's approach is the<br />

more appropriate one …, in spite of my earlier views …« (S. 1205).


4.3.5 Der RCI mit »verbesserter Differenz« (RC_ID)<br />

88<br />

Reliable Change Index<br />

Ausgehend von einer methodologischen Kritik an SPEERs (1992) Ansatz schlugen HAGEMAN<br />

<strong>und</strong> ARRINDELL (1993), ebenfalls mit dem Ziel einer Kontrolle der Regression zur Mitte, als<br />

»verbesserten« Differenzwert RCID (engl. improved difference) eine weitere Optimierung<br />

des Zählers des RCI-Bruchs durch eine regressionsanalytische Schätzung der wahren<br />

Differenz über deren Reliabilität (rDD) vor (KELLEY, 1947), so dass der Messfehler zu beiden<br />

Zeitpunkten <strong>und</strong> nicht nur für den Prätest korrigiert würde. WILLETT (1988) spricht in<br />

diesem Zusammenhang von einem reliability-weighted measure of individual change, da<br />

es sich um ein gewichtetes Mittel beobachteter individueller Veränderung <strong>und</strong>, bei<br />

Verwendung von Normmitteln, der mittleren Differenz in der Population handelt<br />

(MAASSEN, 2000a). Der Nenner entspricht dem vereinfachten Standardmessfehler der<br />

Differenzen (MCNEMAR, 1969; CHELUNE, 2003; MAASSEN, 2004), was insofern bemerkenswert<br />

ist, als sich dieser Standardfehler offensichtlich gar nicht auf wahre Differenzen<br />

bezieht (d. h. für diese zu konservativ ausfällt, s. u.):<br />

Die Autoren empfehlen, die Standardfehler separat aus den Daten der betrachteten<br />

(hinreichend großen) Stichprobe zu berechnen <strong>und</strong> dabei als Reliabilitätsschätzer den<br />

höchsten Guttman-Koeffizienten (λ1 - λ6: GUTTMAN, 1945) statt publizierter oder berechneter<br />

Stabilitätswerte zu verwenden, da letztere zu gering ausfallen können, was wiederum die<br />

Teststärke von Veränderungsindices senken würde.<br />

4.3.6 Der »ultimative« RCI (URCI/RC_INDIV)<br />

ZEGERS <strong>und</strong> HAFKENSCHEID (1994; s. HAFKENSCHEID, 2000) behielten für den Bruch, den<br />

sie als »ultimativen« Reliable Change Index (URCI) bezeichneten, den Zähler des RCID von<br />

HAGEMAN <strong>und</strong> ARRINDELL (1993) bei, empfahlen jedoch, da eine regressionsanalytische<br />

Schätzung der wahren Differenz vorgenommen wird, den angemesseneren Standardschätzfehler<br />

der Regression von wahren auf beobachtete Differenzwerte zu verwenden (s. auch<br />

MAASSEN, 2000a, 2000b):<br />

Da bei invarianter Reliabilität der Testungen gilt, dass (SE[x] 2 + SE[y] 2 ) 0,5 = sDIF ×<br />

(1 - rDD) 0,5 , entspricht der Nennerterm des URCI (Formel 14) dem Produkt des RCID-<br />

Nenners von HAGEMAN <strong>und</strong> ARRINDELL (1993, Formel 13) bzw. des Standardmessfehlers<br />

(13)<br />

(14)


89<br />

Reliable Change Index<br />

der Differenzen (MCNEMAR, 1969) <strong>und</strong> ihrer radizierten Zuverlässigkeit (rDD 0,5 ). Der von<br />

ZEGERS <strong>und</strong> HAFKENSCHEID (1994) verwendete Standardfehler fällt also um den Faktor<br />

rDD 0,5 geringer aus, da die wahren Werte im Schnitt näher am Mittelwert liegen. Wird<br />

ferner aufgr<strong>und</strong> von postulierter Parallelität der Tests (bzw. pragmatisch) ein fester<br />

Standardmessfehler angenommen, so vereinfacht sich der Nenner zu rDD 0,5 × (2 × SE 2 ) 0,5 .<br />

Genau diesen Ausdruck verwendeten später HAGEMAN <strong>und</strong> ARRINDELL (1999) unter<br />

Rekurs auf CRONBACH <strong>und</strong> GLESER (1959) in einer »… further optimalization of RCID« (S.<br />

1174), die sie als »RCINDIV« bezeichneten, offenbar ohne ZEGERS <strong>und</strong> HAFKENSCHEID (1994)<br />

zu rezipieren. Die Autoren grenzen die Verwendbarkeit des RCINDIV, der hier weiterhin als<br />

URCI bezeichnet werden soll, auf Fälle mit rDD ≥ .40 ein. Im Hinblick auf die Auswahl<br />

angemessener Kennwerte wird die Verwendung von Stichprobenmittelwert <strong>und</strong> -streuung<br />

(für rDD) sowie der Normstreuung für einen einheitlichen Standardmessfehler empfohlen.<br />

Zur Abschätzung der Reliabilität für dessen Berechnung können verschiedene Schätzmethoden<br />

(rxy, α, λ2) herangezogen werden, die Datenerhebung sollte allerdings unter<br />

»Optimalbedingungen« (d. h. ohne relevante Veränderung) erfolgen. Die Schätzung der<br />

Einzelreliabilitäten (für rDD) erfolgt dann durch rtt = (s 2 – SE 2 )/s 2 , sie unterscheiden sich<br />

also nur aufgr<strong>und</strong> von Varianzunterschieden.<br />

Es bleibt festzuhalten, dass HAGEMAN <strong>und</strong> ARRINDELL (1999) ihren RCID (1993) zu<br />

Gunsten der ursprünglich von ZEGERS <strong>und</strong> HAFKENSCHEID (1994) vorgeschlagenen<br />

Verbesserung aufgegeben haben (»Though … RCID could be considered superior to RC in<br />

terms of correct classification of individuals, the present authors now recommend its even<br />

more precise successor RCINDIV«, S. 1175).<br />

Aufbauend auf den URCI legten BRUGGEMANS, VAN DE VIJVER <strong>und</strong> HUYSMANS (1997)<br />

einen »Reliability-Stability-Index« (RSTnew) vor, mit dem mit Hilfe einer Kontrollgruppe<br />

Übungseffekte kontrolliert werden sollen. Diese URCI-Variante soll keine weitere Beachtung<br />

finden, da MAASSEN (2000b) Fehler in der Berechnungsvorschrift aufzeigte.<br />

4.4 Zur Konkordanz der Resultate unterschiedlicher RCIs<br />

Ein kritischer Vergleich der vorgestellten RCI-Methoden kann sich auf die verbliebenen<br />

Konkurrenten RCI, RCIGLN <strong>und</strong> URCI beschränken <strong>und</strong> sowohl aus theoretischer wie auch<br />

aus empirischer Perspektive erfolgen. In der Literatur diskutiert wurden v. a. die statistischen<br />

Eigenschaften des klassischen Ansatzes (Unverzerrtheit der Schätzer, Fehlerrisiko)<br />

<strong>und</strong> der vermeintlich verbesserten Differenzwert-Indices sowie die Notwendigkeit bzw. Art<br />

der Kontrolle von Regressionseffekten.<br />

Verfechter des klassischen Ansatzes sind MAASSEN (2000b) <strong>und</strong> NACHTIGALL <strong>und</strong> SUHL<br />

(2002b, c; 2005), die aufgr<strong>und</strong> statistischer Überlegungen <strong>und</strong> Simulationsstudien gegen<br />

die Verwendung modifizierter RCIs einwandten, dass diese im Gegensatz zum klassischen<br />

Ansatz keine einheitliche Obergrenze für die Wahrscheinlichkeit von α-Fehlern einhielten,<br />

da diese in Abhängigkeit vom wahren Ausgangswert (GLN) bzw. vom wahren Differenzwert<br />

(URCI) variiert – das Risiko eines α-Fehlers könne sich so bei extremen wahren Werten<br />

mehr als verdoppeln (s. NACHTIGALL & SUHL, 2005, S. 243, Abb. 1).<br />

MAASSEN (2000b, 2001) kritisiert darüber hinaus den für den URCI verwendeten<br />

Standardschätzfehler <strong>und</strong> nimmt in Anspruch, gezeigt zu haben, dass sich bei der Verwendung<br />

der korrekten Varianz für KELLEYs (1947) Schätzformel (s. MAASSEN, 2000a) gerade<br />

der klassische Ansatz als Approximation eines korrekt auf dieser Formel aufbauenden RCIs


90<br />

Reliable Change Index<br />

herausstelle (die Details seiner Ableitung sollen hier nicht dargestellt werden: s. MAASSEN,<br />

2000b, S. 629, Formel 12, 13).<br />

Während einige Autoren (z. B. SPEER, 1999) mittlerweile die Notwendigkeit einer<br />

Kontrolle von Regressionseffekten generell in Frage stellen, kritisieren NACHTIGALL <strong>und</strong><br />

SUHL (2002b, c) die Art der bei der GLN-Methode vorgenommenen Bereinigung: Diese<br />

stelle eine von der falschen Annahme eines gerichteten Regressionseffektes ausgehende<br />

unvollständige (halbe) Bereinigung dar, was zu einer Verzerrung der Schätzung der wahren<br />

Differenzen führe, während gezeigt werden kann, dass die einfache Messwertedifferenz<br />

erwartungstreu ist. Eine konsequente Bereinigung von Prä- <strong>und</strong> Posttest führe jedoch zum<br />

klassischen Ausdruck zurück; der Beweis wird wiederum nicht ausgeführt (s. NACHTIGALL &<br />

SUHL, 2002b, S. 8, Formel 16): »Die Regression zur Mitte ist also auch in diesem gängigen<br />

Kennwert bereits berücksichtigt, auch wenn es an den Formeln nicht direkt zu sehen ist«<br />

(S. 8). Da die Symmetrie des Regressionseffektes durch eine Selektion von Probanden mit<br />

extremen Merkmalsausprägungen allerdings aufgehoben wird, ist in diesem Fall die<br />

Differenz nicht mehr erwartungstreu (NACHTIGALL & SUHL, 2005) <strong>und</strong> die GLN-Methode u.<br />

U. angemessen.<br />

Mindestens fünf Arbeiten (SPEER & GREENBAUM, 1995, 2002 [Erratum]; HAFKENSCHEID,<br />

2000; MCGLINCHEY, ATKINS & JACOBSON, 2002, 2003; BAUER, LAMBERT & NIELSEN, 2004;<br />

ATKINS, BEDICS, MCGLINCHEY & BEAUCHAINE, 2005) verglichen verschiedene Veränderungsindices<br />

empirisch: SPEER <strong>und</strong> GREENBAUM (1995, 2002) verglichen u. a. den klassischen<br />

RCI in der Version von JACOBSON <strong>und</strong> TRUAX (1991) <strong>und</strong> den GLN-Ansatz im Hinblick auf<br />

die Veränderung des selbst eingeschätzten Wohlbefindens von 73 nicht-stationären<br />

Psychiatrie-Patienten. Sie fanden, dass die Resultate beider Methoden nur zu ca. 50 %<br />

übereinstimmten. Die GLN-Methode beurteilte Verbesserungen deutlich konservativer<br />

(26 % reliable Verbesserer vs. 56 % nach klassischem RCI), stellte jedoch signifikant<br />

häufiger reliable Verschlechterungen fest (25 % vs. 6 %). Eine Betrachtung der verwendeten<br />

Formeln (ebd., Tab. 1, S. 1045) legt als Ursache eine Verletzung der Paralleltestannahme<br />

dar (s. HSU, 1999): Der Autor verwendete Prä- <strong>und</strong> Posttestmittelwerte seiner Stichprobe<br />

(statt MPrä = MPost), was auf die leicht missverständliche Notation von HSU (1989) zurückgehen<br />

könnte. Betrachtet man Formel 10, wird schnell klar, dass dies zu konservativeren<br />

Ergebnissen führen muss, weil sich der Stichprobenmittelwert (normalerweise) ebenfalls<br />

deutlich verändert.<br />

HAFKENSCHEID (2000) nutzte verschiedene RCIs, um Veränderungen der fremdbeurteilten<br />

Symptomatik von psychiatrischen Patienten (N = 107) zwischen Aufnahme <strong>und</strong><br />

Entlassung zu analysieren. Auch hier erwies sich die GLN-Methode als strikteste (7 %<br />

reliable Verbesserung), die URCI-Methode urteilte mit 36 Verbesserern (34 %) hingegen<br />

am liberalsten, die klassische Methode lag in der Mitte (17 %). Obwohl die verwendeten<br />

Formeln nicht angegeben werden, könnten auch hier Posttest-Stichprobenmittelwerte für<br />

die GLN-Methode verwendet worden sein. Klinische Bedeutsamkeit wurde weder von<br />

SPEER <strong>und</strong> GREENBAUM (1991) noch von HAFKENSCHEID (2000) betrachtet.<br />

MCGLINCHEY, ATKINS <strong>und</strong> JACOBSON (2002, 2003), die die Entwicklung der selbst eingeschätzten<br />

Depressivität von 128 Patienten einer KVT mit Hilfe des Doppelkriteriums<br />

klinischer Signifikanz kategorisierten, stellten nahezu identische Anteile gleichbleibend<br />

depressiver (je 10 %), signifikant verbesserter (je 8 %) <strong>und</strong> klinisch bedeutsam verbesserter<br />

Patienten (81 % bzw. 82 %) nach klassischem RCI <strong>und</strong> GLN fest. Der URCI (bzw. RCINDIV)<br />

unterschied sich signifikant von beiden <strong>und</strong> beurteilte einfache Verbesserungen auch hier<br />

liberaler (5 % gleichbleibend, 30 % signifikant verbessert), befand jedoch deutlich weniger


91<br />

Reliable Change Index<br />

Patienten als »recovered« (66 %). Es lässt sich nur schwer beurteilen, inwiefern dieser<br />

Konservativismus des URCI auf den modifizierten <strong>und</strong> leicht (0,65 Punkte bei einer<br />

Posttest-Streuung von 8,54) in Richtung der Normalpopulation verschobenen Trennwert<br />

ctrue nach HAGEMAN <strong>und</strong> ARRINDELL (1999) zurückgeht. Für eine Vergleichsstudie wäre ein<br />

einheitlicher Trennwert sinnvoll gewesen.<br />

BAUER, LAMBERT <strong>und</strong> NIELSEN (2004) verglichen in ähnlicher Weise die Selbsteinschätzungen<br />

des globalen Funktionsniveaus von Patienten einer Universitätsambulanz vor <strong>und</strong><br />

nach Therapie (N = 386). Ihre Ergebnisse entsprechen denen von MCGLINCHEY et al.<br />

(2002, 2003): Die Klassifikationsraten von RCI <strong>und</strong> GLN unterschieden sich nicht<br />

signifikant (κ = .92). Der URCI wich signifikant von beiden ab <strong>und</strong> fand etwa 11 % weniger<br />

Verbesserer sowie geringfügig mehr Verschlechterung (κ = .76 / .72).<br />

ATKINS, BEDICS, MCGLINCHEY <strong>und</strong> BEAUCHAINE (2005) variierten in einer Simulationsstudie<br />

systematisch die mittlere Effektstärke (d = 0,1 - 1,0) <strong>und</strong> die Reliabilität des<br />

Kriteriums (rtt = .60 - .95), um die Übereinstimmung der Methoden (u. a. RCI, RCIGLN,<br />

URCI) in Abhängigkeit von der Variation dieser Parameter zu untersuchen. Es zeigte sich,<br />

dass für rtt ≥ .70 die Mediane der Kappas aus den paarweisen Vergleichen nicht unter .74<br />

lagen, die Indices also zu vergleichbaren Resultaten kamen. Besonders augenfällig war die<br />

hohe Übereinstimmung zwischen RCI <strong>und</strong> GLN, <strong>und</strong> zwar über alle Stufen von Reliabilität<br />

<strong>und</strong> Effektstärke hinweg. Der URCI stellte sich wiederum als konservativster Index heraus,<br />

allerdings benutzte die Forschergruppe wie zuvor einen modifizierten Trennwert.<br />

Fazit<br />

Es bleibt erstens festzuhalten, dass der Grad der Übereinstimmung zwischen<br />

klassischem RCI <strong>und</strong> GLN-Methode unklar ist, wobei empirische Arbeiten zu<br />

widersprüchlichen Ergebnissen führen, die Simulationsstudie von ATKINS et al.<br />

(2005) hingegen keinen substanziellen Unterschied der Ergebnisse ausmachen<br />

konnte. Diese Inkonsistenz könnte teilweise durch Regressionseffekte erklärbar<br />

sein: Immer dann, wenn Probanden in empirischen Untersuchungen (direkt<br />

oder indirekt) aufgr<strong>und</strong> ihrer geringen Prätest-Werte selegiert werden,<br />

dürfte die GLN-Methode strikter ausfallen. Es kann erwartet werden, dass eine<br />

große Stichprobe mit heterogener Performanz, wie sie die geplante Studie zu<br />

untersuchen beabsichtigt, die Unterschiede nivelliert. Zudem drängt sich der<br />

Eindruck auf, dass bei der Berechnung des GLN-Index zuweilen die Paralleltestannahme<br />

verletzt worden ist, indem Abweichungen von Posttest-<br />

Stichprobenmittelwerten in die Formel eingingen. Zweitens scheint der URCI<br />

ein vergleichsweise liberaler Index für Veränderung zu sein, allerdings lässt<br />

sich über diese Frage aufgr<strong>und</strong> der nicht einheitlich angelegten Trennwerte<br />

wenig aussagen. In der geplanten Studie sollten also nicht Methodenpakete<br />

(wie z. B. von JACOBSON et al., 1984, <strong>und</strong> HAGEMAN & ARRINDELL, 1999), sondern<br />

nur RCIs mit einheitlich verwendeten Parametern verglichen werden.


4.5 Eine Typologie der Veränderung<br />

92<br />

Reliable Change Index<br />

Obwohl die beiden Kriterien klinischer Signifikanz nach JACOBSON et al. (1984) von den<br />

Autoren einzeln als notwendige, aber nicht hinreichende Bedingungen betrachtet werden<br />

<strong>und</strong> daher nur zwischen klinisch bedeutsamer <strong>und</strong> unsicherer bzw. irrelevanter Veränderung<br />

unterschieden wird <strong>und</strong> obwohl ihre RCI-Methode häufig auf Personen angewendet<br />

wird, die aufgr<strong>und</strong> ihrer Zugehörigkeit zur »dysfunktionalen Population« selegiert wurden<br />

(d. h. ein hohes Ausgangsniveau selten vorkommt), erlaubt sie theoretisch eine feinkörnigere<br />

Betrachtung von Personen. Eine erschöpfende Typologie, wie sie JACOBSON <strong>und</strong> TRUAX<br />

(1991) andeuteten (ebd., Abb. 2, S. 17), ergibt sich aus der Kombination der Antworten auf<br />

folgende Fragen:<br />

(1.) Liegt das Ausgangsniveau im funktionalen oder im dysfunktionalen Wertebereich?<br />

Es sollte in diesem Zusammenhang deutlich geworden sein, dass sich der funktionale<br />

Wertebereich nach JACOBSON et al. (1984) theoretisch von jenem Unsicherheitsbereich<br />

unterscheidet, der nach SCHÖTTKE et al. (1993) durch eine Subtraktion des Konfidenzintervalls<br />

von der Leistungsdecke gegeben ist. Wird letzterer verwendet, können sich derart<br />

leistungsstarke Fälle nicht mehr signifikant verbessern. Dies muss dann berücksichtigt<br />

werden, wenn der klinische Trennwert innerhalb des Unsicherheitsbereiches liegt.<br />

(2.) Hat ein Kategorienwechsel zwischen diesen Bereichen stattgef<strong>und</strong>en?<br />

In diesem Zusammenhang müsste präziser die von HAGEMAN <strong>und</strong> ARRINDELL (1999)<br />

aufgeworfene Frage gestellt werden, ob die Transition mit kontrollierter Irrtumswahrscheinlichkeit<br />

»wirklich« stattgef<strong>und</strong>en hat, oder lediglich aufgr<strong>und</strong> von Messfehlern<br />

konstatiert wird.<br />

(3.) Erlaubt der berechnete RCI die Feststellung signifikanter Veränderung? Und wenn<br />

ja, in welche Richtung geht sie?<br />

Hierbei kann prinzipiell jede methodisch solide, geeignete Berechnungsvorschrift zur<br />

Anwendung kommen. Der kritische z-Wert ist frei bestimmbar (z. B. zcrit = 1,96). Ein<br />

positiver RCI bedeutet üblicherweise eine Veränderung in Richtung der funktionalen<br />

Verteilung. Statistisch signifikante Verbesserung oder Verschlechterung kann allerdings,<br />

solange Veränderungsspielraum gegeben ist, auch innerhalb der beiden Bereiche auftreten.<br />

Tabelle 8 zeigt eine solche Typologie für den WCSTdyn. Die gewählten Substantivierungen<br />

(z. B. »Verschlechterer«) implizieren keine über die Beschreibung der Testperformanzprofile<br />

hinausgehenden Werturteile über Personen.<br />

Die Kombination von Wertebereichsgrenze <strong>und</strong> Signifikanzprüfung ergibt zwölf Typen:<br />

Neben vier Typen, die sich nach dem Doppelkriterium eindeutig verändern bzw. stabil<br />

bleiben, <strong>und</strong> zwei logisch unmöglichen Typen zeigen sich sechs Typen, die nur eine der<br />

beiden Bedingungen sensu JACOBSON et al. (1984) erfüllen, d. h. entweder einen Kategorienwechsel<br />

mit insignifikanter Veränderung oder eine signifikante Veränderung innerhalb<br />

eines Wertebereichs aufweisen.


93<br />

Reliable Change Index<br />

Tabelle 8.<br />

Erschöpfende Typologie von Veränderung nach Jacobson et al. (1984) für den WCSTdyn<br />

Prätest<br />

Beeinträchtigt (D)<br />

Leistungsstark (F)<br />

Verbesserung<br />

(RCI ≥ zcrit)<br />

Stabilität<br />

(- zcrit < RCI < zcrit)<br />

Verschlechterung<br />

(RCI ≤ - zcrit)<br />

Verbesserung<br />

(RCI ≥ zcrit)<br />

Stabilität<br />

(-zcrit < RCI < zcrit)<br />

Verschlechterung<br />

(RCI ≤ -zcrit)<br />

Posttest<br />

Beeinträchtigt (D) Leistungsstark (F)<br />

sich verbessernde<br />

Leistungsschwache<br />

konstant<br />

Leistungsschwache<br />

sich verschlechternde<br />

Leistungsschwache<br />

logisch unmöglicher Fall<br />

Grenzfälle/ einfache<br />

Kategorienwechsler abwärts<br />

Verschlechterer i. e. S.<br />

Verbesserer/ Lerner i. e. S.<br />

Grenzfälle/ einfache<br />

Kategorienwechsler aufwärts<br />

logisch unmöglicher Fall<br />

sich verbessernde<br />

Leistungsstarke<br />

konstant<br />

Leistungsstarke<br />

sich verschlechternde<br />

Leistungsstarke<br />

Die vorgestellte Typologie erfordert einige abschließende Anmerkungen: (1.) Im Hinblick<br />

auf den Beitrag von SCHÖTTKE et al. (1993) zur GLN-Methode müsste die vorgestellte<br />

Typologie – streng genommen – sogar noch weiter ausdifferenziert werden: Für »stabil«<br />

leistungsstarke <strong>und</strong> leistungsschwache Fälle bliebe zu klären, ob Stabilität noch statistisch<br />

kontrolliert festgestellt werden kann oder ob die Prätest-Werte zu nahe an Testdecke bzw.<br />

Testboden liegen, um Veränderung in die jeweilige Richtung zu erlauben. Dieser Gedanke<br />

wird hier nicht umgesetzt, da die vorgestellte Typologie ohnehin bereits so hoch auflöst,<br />

dass sie forschungspraktisch (etwa für Gruppenvergleiche mit angemessener Teststärke)<br />

wenig nützlich ist <strong>und</strong> eher der Methodenreflexion dient, d. h. den ersten Schritt bei der<br />

Komposition von Meta-Typen darstellt. Auch besteht kein besonderes Erkenntnisinteresse<br />

an dieser Differenzierung, vor allem, wenn angenommen werden kann, dass im oberen<br />

Leistungsbereich die sichere Zugehörigkeit zur nicht-defizitären Gruppe die theoretisch<br />

bedeutsamere Information ist.<br />

(2.) Es muss jeweils eine Entscheidung über den Primat eines Bedeutsamkeitskriteriums<br />

getroffen werden: Sollten z. B. sich signifikant verbessernde, aber konstant im<br />

funktionalen Bereich verbleibende Personen primär als »Verbesserer« oder als »Leistungsstarke«<br />

konzeptualisiert werden? Eine solche Entscheidung kann letztlich nur unter Rekurs<br />

auf weitere, theoretisch interessante <strong>und</strong> praxisrelevante Außenkriterien (z. B. Prognose<br />

des Erfolgs von Rehabilitations- oder Trainingsmaßnahmen: z. B. WIEDL & SCHÖTTKE,<br />

2002) erfolgen.<br />

(3.) Hiervon unbeeinträchtigt <strong>und</strong> besonders zu problematisieren bleibt die Typisierung<br />

von Personen, deren Kategorienwechsel aufgr<strong>und</strong> ihres RCI-Werts nur als Zufallsfluktuationen<br />

entlang der durch den Trennwert markierten Grenze der Wertebereiche interpretiert<br />

werden kann (»stabile Grenzfälle« oder »einfache Kategorienwechsler«).<br />

(4.) Zusammenhängend mit diesem Problembereich bleibt ferner unklar, wie Metatypen<br />

(etwa: »Leistungsschwache« – »Verbesserer« – »Leistungsstarke« – »Verschlechterer«)<br />

komponiert werden sollten, um theoretisch sinnvolle <strong>und</strong> teststarke gruppenstatistische<br />

Select-by-marker-Analysen mit klinischen Stichproben zu ermöglichen. Hier sind unter-


94<br />

Reliable Change Index<br />

schiedliche Varianten möglich <strong>und</strong> zu rechtfertigen (so entspricht z. B. ein einfacher<br />

Posttest-Mediansplit, wie er in der Forschungspraxis nicht selten vorgenommen wird,<br />

weitgehend einem Vergleich von Leistungsschwachen <strong>und</strong> Verschlechterer mit Leistungsstarken<br />

<strong>und</strong> echten Verbesserern). Es liegt aber auf der Hand <strong>und</strong> ist bei einer typologischen<br />

Analyse nicht zu ändern, dass jede Zusammenstellung von Typen zweiter Ordnung<br />

unweigerlich Gruppen erzeugt, die im Hinblick auf Leistungsniveau oder Differenzen eine<br />

deutliche Heterogenität aufweisen.<br />

4.6 Schlussfolgerungen aus der RCI-Literatur<br />

Die Sichtung der Vielzahl vorgeschlagener Veränderungskenngrößen zeigt, dass sich diese<br />

auf einen übersichtlichen Satz von noch zur Diskussion stehenden Indices reduzieren<br />

lassen, die empirisch verglichen werden können <strong>und</strong> sollten (z. B. durch eine erstmalige<br />

Anwendung auf WCSTdyn-Daten von Probanden mit Schizophrenie-Diagnosen). Dies sind:<br />

der »klassische« Reliable Change Index (kRCI) mit dem auf MCNEMAR (1969) zurückgehenden<br />

Standardfehler (JACOBSON et al., 1984; CHRISTENSEN & MENDOZA, 1986), die<br />

GULLIKSEN-LORD-NOVICK-Methode (RCIGLN) nach HSU (1989) <strong>und</strong> SCHÖTTKE et al. (1993)<br />

<strong>und</strong> der URCI (RCINDIV) nach ZEGERS <strong>und</strong> HAFKENSCHEID (1994) – auch wenn HAFKEN-<br />

SCHEID (2002) in einem niederländischen Artikel wieder eine Rückbesinnung auf den<br />

klassischen Ansatz zu propagieren scheint, da dieser voraussetzungsärmer ist; derselbe<br />

Autor (2000, S. 239) räumte zuvor bereits ein, dass sich die wahre Differenz nur dann<br />

unverzerrt schätzen lässt, wenn die beobachteten den wahren Mittelwerten entsprechen.<br />

Alle klassischen RCIs mit inadäquatem Nennerterm (z. B. einfacher SEM, Streuung der<br />

beobachteten Differenzen), alle RCI-Varianten, die von ihren Urhebern selbst explizit für<br />

obsolet erklärt worden sind (EDWARDS-NUNALLY-Methode; RCID) <strong>und</strong> alle übungsadjustierten<br />

Methoden (RSTnew) werden nicht weiter berücksichtigt.<br />

Da Sensitivität <strong>und</strong> Spezifität verschiedener Methoden nur unter Rekurs auf externe<br />

Kriterien verglichen werden können, muss sich die geplante Untersuchung primär auf die<br />

Vergleichbarkeit der Klassifikationen beschränken, um Empfehlungen für die künftige<br />

Forschungspraxis abzuleiten. Von besonderem Interesse ist hierbei der Kontrast zwischen<br />

der klassischen Methode <strong>und</strong> RCIs, die Regressionseffekte zu kontrollieren suchen (d. h.<br />

GLN, URCI).<br />

Für einen sinnvollen Vergleich der RCIs sollte bei der Anwendung der unterschiedlichen<br />

Berechnungsvorschriften von gleichen Verteilungskennwerten ausgegangen werden.<br />

Zudem sollte, anders als in den referierten Vergleichsarbeiten, ein einheitlicher Trennwert<br />

gewählt werden. Hierfür bietet sich die Methode nach JACOBSON et al. (1984) an.<br />

Eine sinnvolle Alternative bietet der Vorschlag von SCHÖTTKE et al. (1993), eine Deckeneffekt-Gruppe<br />

durch Subtraktion des Vertrauensintervalls von der Leistungsdecke zu<br />

identifizieren, wodurch eine signifikante Verbesserung im funktionalen Bereich im Rahmen<br />

des GLN-Modells nicht mehr möglich wäre. Seine Lage relativ zum JACOBSON-Cut-off ist für<br />

den WCSTdyn bislang unklar, was eine Erkenntnislücke darstellt.<br />

Schließlich sollte der von WIEDL, WIENÖBST, SCHÖTTKE <strong>und</strong> KAUFFELDT (1999) vorgestellte<br />

Trennwert von 43 korrekt sortierten Karten, der – wie auch die kritische Differenz<br />

von 15 Karten zur statistischen Absicherung von Veränderung – von WIENÖBST (1993)<br />

anhand der Streuung einer Stichprobe vergleichsweise geringer Größe bestimmt worden<br />

war (N = 23; DIFFcrit = 1,5 SD = 1,5 10 = 15 Karten; Cutoff = Leistungsdecke - DIFFcrit =<br />

58 - 15 = 43), sich aber in der Folgezeit wiederholt empirisch bewähren konnte (z. B.


95<br />

Reliable Change Index<br />

WIEDL, WIENÖBST, SCHÖTTKE, GREEN & NUECHTERLEIN, 2001; WIEDL & SCHÖTTKE, 2002),<br />

mit den übrigen Trennwerten verglichen werden. WALDORF (2005) konnte an einer kleinen<br />

Stichprobe die hohe Übereinstimmung der Resultate dieses Algorithmus mit denen des<br />

klassischen RCIs zeigen, verwendete dabei allerdings eine möglicherweise zu hoch<br />

angesetzte Reliabilität.<br />

Da alle Methoden eine Kenntnis der Zuverlässigkeit des Tests voraussetzen <strong>und</strong> die in<br />

der Literatur berichteten Kennwerte für den WCST mit Zweifeln behaftet sind, da sie im<br />

Hinblick auf den WCSTdyn unter suboptimalen Bedingungen geschätzt wurden, erscheint<br />

eine Vorstudie zur Reliabilitätsschätzung notwendig. In einem zweiten Schritt kann<br />

versucht werden, die resultierenden Veränderungstypen auf weiteren theoretisch interessanten<br />

Variablen zu vergleichen, um Hinweise auf die Kriteriumsvalidität der Klassifikationsmethoden<br />

zu gewinnen.


5. Bewältigung <strong>und</strong> Defensivität<br />

96<br />

Coping <strong>und</strong> Abwehr<br />

Bevor in Kapitel 6 <strong>Krankheitseinsicht</strong> von Menschen mit Schizophrenie-Diagnosen erörtert<br />

wird, soll einer theoretischen Perspektive auf das Phänomen der Uneinsichtigkeit der<br />

Boden bereitet werden, die diese nicht als Ausdruck psychotischer Erkrankung <strong>und</strong><br />

kognitiven Defiziten, sondern als Form der Krankheitsverarbeitung konzeptualisiert. Es<br />

wird also versucht, spezifische Coping-Stile <strong>und</strong> defensives Antwortverhalten in Beziehung<br />

zu reduzierter <strong>Krankheitseinsicht</strong> zu setzen.<br />

Für eine vertiefende Auseinandersetzung mit dem Thema Coping seien ALDWIN (2007),<br />

FOLKMAN <strong>und</strong> MOSKOWITZ (2004), MOOS <strong>und</strong> HOLAHAN (2003), ZEIDNER <strong>und</strong> ENDLER<br />

(1996) <strong>und</strong> LAZARUS <strong>und</strong> FOLKMAN (1984) empfohlen. Das Thema Abwehr erörtern<br />

PAULHUS, FRIDHANDLER <strong>und</strong> HAYES (1997), SINGER (1990) <strong>und</strong> BEUTEL (1988). Übersichten<br />

über Messinstrumente bieten WENDT <strong>und</strong> PETERMANN (1996), SCHWARZER <strong>und</strong> SCHWARZER<br />

(1996) sowie RÜGER, BLOMERT <strong>und</strong> FÖRSTER (1990).<br />

Obwohl dort, wo dies für geboten erachtet wurde, allgemeine Bezüge zur Krankheitsverarbeitung<br />

von Menschen mit Schizophrenie hergestellt wurden, erfolgt eine ausführliche<br />

Darstellung speziell der Zusammenhänge mit dem Konstrukt der Einsicht im folgenden<br />

Kapitel. Das Thema Coping bei Schizophrenie behandeln u. a. WIEDL <strong>und</strong> SCHÖTTNER<br />

(1989a, b), GARCELÁN <strong>und</strong> RODRÍGUEZ (2002) <strong>und</strong> – für den Bereich der akustischen<br />

Halluzinationen – FARHALL, GREENWOOD <strong>und</strong> JACKSON (2007) sowie KNUDSON <strong>und</strong> COYLE<br />

(1999).<br />

5.1 Abgrenzung von Coping <strong>und</strong> Abwehr<br />

LAZARUS <strong>und</strong> FOLKMAN (1984) definieren »Coping« als »… constantly changing cognitive<br />

and behavioral efforts to manage specific external and/or internal demands that are<br />

appraised as taxing or exceeding the resources of the person« (S. 141). Wesentliche<br />

Bestimmungsstücke dieses kognitiven Bewältigungsansatzes sind (1.) die Mediatorrolle von<br />

Bewertungen, (2.) die Vorstellung von Coping als elaboriertem (d. h. kognitiv aufwändigem)<br />

Verarbeitungsmodus, (3.) die differenzierte Betrachtung von Bewältigungshandlungen<br />

<strong>und</strong> -funktionen, (4.) die Prozessorientierung der Methodik sowie (5.) der Versuch der<br />

Entflechtung von Coping-Prozessen <strong>und</strong> -Effekten.<br />

Gegen kognitive Coping-Konzepte abgegrenzt werden muss der Begriff der »Abwehr«<br />

(engl. defense) als weiterer, ggf. parallel ablaufender psychischer Adaptationsvorgang, der<br />

unbewusst ablaufen <strong>und</strong> v. a. palliativ wirken soll: »Defense mechanisms are usually<br />

defined … as mental processes that operate unconsciously to reduce some painful<br />

emotion« (PAULHUS, FRIDHANDLER & HAYES, 1997, S. 543); »In contemporary thinking<br />

about defenses, an additional function is seen to be the protection of the self – of selfesteem<br />

and, in more extreme cases, protection of the integration of the self« (CRAMER,<br />

1998a, S. 885);<br />

Das Konzept der Abwehr <strong>und</strong> ihrer gr<strong>und</strong>legenden Form, der Verdrängung (engl.<br />

repression) entstammt der psychoanalytischen Tradition: Wesentliche Bestimmungsstücke<br />

sind (1.) das Postulat der Existenz eines <strong>dynamisch</strong>en Unbewussten, das das Erleben <strong>und</strong><br />

Verhalten färbt <strong>und</strong> formt, aber zugleich der »naiven« direkten Reflexion unzugänglich ist;<br />

(2.) die Konzentration auf Affektregulation (d. h. ursprünglich auf unannehmbare Triebwünsche)<br />

<strong>und</strong> Selbstkonzeptstabilisierung statt auf heteroplastische Bewältigungsakte; <strong>und</strong>


97<br />

Coping <strong>und</strong> Abwehr<br />

(3.) die oftmals hierarchische Organisation <strong>und</strong> a priori determinierte Maladaptivität der<br />

Abwehrmechanismen.<br />

Tabelle 9.<br />

Differenzierung von Coping <strong>und</strong> Abwehr (nach Cramer, 2000)<br />

Abwehr Bewältigung (Coping)<br />

unbewusst bewusst<br />

automatisch intentional, volitional kontrolliert<br />

eher kognitiv <strong>und</strong> energetisch sparsam eher mühevoll (effortful)<br />

Ziel: Affektregulation variable Bewältigungsintention<br />

v. a . dispositionell-personal determiniert kontextuell bzw. multifaktoriell determiniert<br />

hierarchische, theoriegeleitete Taxonomien <strong>und</strong><br />

A priori-Urteile über Adaptivität<br />

deskriptive oder induktiv ermittelte Taxonomien<br />

<strong>und</strong> empirische Urteile über Adaptivität<br />

Tabelle 9 verdeutlicht die in der Literatur mehrheitlich vorgenommene Differenzierung von<br />

Bewältigung <strong>und</strong> Abwehr (z. B. CRAMER, 1998b, 2000; ALDWIN, 2007): Während Coping als<br />

bewusster, intentionaler <strong>und</strong> kognitiv anspruchsvoller Prozess betrachtet wird, der sich auf<br />

die Lösung von Problemen <strong>und</strong>/oder Affektregulation richten kann, soll Abwehr unbewusst<br />

<strong>und</strong> automatisiert, d. h. zumindest kurzfristig vergleichsweise mühelos ablaufen <strong>und</strong> v. a.<br />

der Verhinderung bewusster Angst <strong>und</strong> der Selbstwertstabilisierung dienen (s. BAUMEISTER,<br />

DALE & SOMMER, 1998). Da zumindest aus Reaktionen auf Selbsteinschätzungsinstrumente<br />

niemals fehlende Bewusstheit eines ängstigenden Bewältigungsobjekts erschlossen werden<br />

kann, ist allerdings das Bewusstheitskriterium nicht belastbar. Es kann somit zwei nicht<br />

diskriminierbare Formen defensiver Krankheitsverarbeitung geben: die von psychoanalytischen<br />

Theoretikern beschriebenen Verleugnung (denial) <strong>und</strong> die auch von Coping-<br />

Theoretikern thematisierte kognitive Vermeidung, Minimierung (LIPOWSKI, 1970) oder<br />

Unterdrückung (suppression), eine Nichtbeachtung <strong>und</strong> Selbstablenkung, für die CRAMER<br />

(1998b, S. 925) postuliert, sie involviere »… a conscious intention to not allow some<br />

thought or event to create psychological disturbance. … suppression would seem better<br />

considered as a coping strategy rather than as a defense mechanism«.<br />

Die Differenzierung anhand des Bewusstheitskriteriums wird von einigen einflussreichen<br />

Autoren beider Richtungen allerdings nicht nachvollzogen (z. B. ERDELYI, 2006;<br />

LAZARUS & FOLKMAN, 1984; HAAN, 1977; VAILLANT, 1977; CARVER, SCHEIER & WEINTRAUB,<br />

1989; FILIPP & KLAUER, 1988), so dass kein Konsens über Abgrenzung bzw. Kommensurabilität<br />

der Konzepte herrscht. Unklar bleibt u. a., ob Abwehr <strong>und</strong> Coping anhand ihrer<br />

Bewusstseinsfähigkeit oder lediglich anhand ihrer Bewusstseinspflichtigkeit unterschieden<br />

werden sollten – so ist denkbar, dass ein anfänglich bewusst initiierter defensiver Coping-<br />

Mechanismus durch eine lange Lerngeschichte automatisiert wird <strong>und</strong> damit nicht mehr<br />

länger bewusstseinspflichtig ist (vgl. ERDELYI, 2006).


98<br />

Coping <strong>und</strong> Abwehr<br />

5.2 Ansätze zur Konzeptualisierung von Bewältigung <strong>und</strong> Abwehr<br />

Die für die Erforschung der Bewältigung bei Schizophrenie formulierten Modelle lassen<br />

sich grob in (1.) situationale, (2.) personale <strong>und</strong> (3.) transaktionale Ansätze einteilen, die<br />

sich in ihren Menschenbildern, den Annahmen über Gewicht <strong>und</strong> Zusammenspiel unterschiedlicher<br />

Einflussfaktoren <strong>und</strong> in den Methodologien unterscheiden.<br />

5.2.1 Situationale/ Stimulus-Ansätze<br />

Die Stress-Forschung, anfangs rein physiologisch, später auch (neo-)behavioristisch<br />

ausgerichtet, studierte zunächst tierexperimentell »objektive« Stressoren (d. h. aversive<br />

Stimuli), manifeste Kontrollreaktionen <strong>und</strong> somatische Stressfolgen (SELYE, 1956). Die<br />

Life-event-Forschung, die ebenfalls auf prädeterminierte Stressoren als Bewältigungsgegenstände<br />

zurückgreift, lässt sich dieser normativen Forschungstradition zuordnen,<br />

wenngleich versucht wurde, das individuelle Ausmaß der Belastung zu quantifizieren <strong>und</strong><br />

Moderatorvariablen zu identifizieren (vgl. MASUDA & HOLMES, 1978). Im Bereich der<br />

Schizophrenieforschung wurde v. a. der Zusammenhang zwischen kritischen Lebensereignissen<br />

<strong>und</strong> Rezidiven belegt (z. B. HIRSCH, BOWEN, EMAMI & CRAMER, 1996), neuerdings<br />

wurde allerdings auch das Erleben einer psychotischen Episode selbst als zu bewältigendes<br />

Lebensereignis aufgefasst (TAIT, BIRCHWOOD & TROWER, 2004).<br />

5.2.2 Personale Ansätze: Abwehr, Repression, Selbsttäuschung<br />

Tiefenpsychologische Abwehr-Konzepte, die wesentlich durch A. FREUDs (1984/1936)<br />

Systematisierung der Abwehrmechanismen inspiriert wurden, gehen bei ihrer Analyse<br />

menschlicher Stressbewältigung von psychoanalytischen Gr<strong>und</strong>annahmen aus <strong>und</strong><br />

bedienen sich entsprechender Termini (z. B. MENNINGER, 1954; HAAN, 1963, 1969;<br />

VAILLANT, 1977). Neoanalytischen Theoretikern kommt allerdings das Verdienst zu, bereits<br />

vor der »kognitiven Wende« von experimenteller Psychologie <strong>und</strong> Psychotherapie (z. B.<br />

NEISSER, 1967; BECK, 1967) die durch das Ich vermittelten kognitiven Prozesse von<br />

Problemlösung <strong>und</strong> Affektregulation in den Fokus gerückt zu haben. Vielen Ansätzen dieser<br />

Provenienz ist gemein, dass sie hierarchische, normative Systematiken aufweisen, in denen<br />

»Coping« meist mit realitätsorientierten, reifen, adaptiven Verarbeitungsformen (z. B.<br />

Humor) gleichgesetzt wird, wodurch Bewältigung <strong>und</strong> Ergebnis konf<strong>und</strong>iert werden. Im<br />

Folgenden werden einige einflussreiche tiefenpsychologische Konzepte skizziert (HAAN,<br />

1969, 1977; VAILLANT 1977; HOROWITZ, MARKMAN, STINSON, FRIDHANDLER & GHANNAM,<br />

1990; PLUTCHIK, 1995; ERDELYI, 2006; BREZNITZ, 1988; GREENWALD, 1997). Eine Übersicht<br />

über sozialpsychologische Bef<strong>und</strong>e zur »Verdrängung«, d. h. zur normalpsychischen<br />

Verzerrung potenziell bedrohlicher Information durch externalisierende Attributionen,<br />

Unverw<strong>und</strong>barkeits- <strong>und</strong> Kontrollillusionen sowie unrealistisch optimistische Selbstkonzepte<br />

<strong>und</strong> Erwartungen geben TAYLOR <strong>und</strong> BROWN (1988) <strong>und</strong> BAUMEISTER et al. (1998).


Darstellung der wichtigsten tiefenpsychologischen Abwehr-Konzepte<br />

99<br />

Coping <strong>und</strong> Abwehr<br />

Das Dreigliedrige Modell der Ich-Funktionen von HAAN (1969, 1977) postuliert eine<br />

Taxonomie aus zehn attentionalen, kognitiven, reflexiv-introspektiven oder affektregulierenden<br />

Ich-Prozessen: (1.) abgrenzendes Unterscheiden (discrimination), (2.) freischwebende Denkvorgänge<br />

(detachment), (3.) kausale Denkvorgänge (means-ends), (4.) aufgeschobenes Reagieren<br />

(delayed response), (5.) sensibles Wahrnehmen (sensivity), (6.) Umkehrung des inneren Zeitablaufs<br />

(time reversion), (7.) selektives Wahrnehmen (selective awareness), (8.-9.) Umlenken <strong>und</strong><br />

Umwandeln von Affekten <strong>und</strong> (10.) Einschränkung des Affektausdrucks (Übersetzung durch<br />

HEIM, 1979, zitiert nach RÜGER, BLÖMERT <strong>und</strong> FÖRSTER, 1990). Jeder dieser Prozesse kann in drei<br />

komplementären Modi – Coping, Abwehr <strong>und</strong> Spaltung – ausgeübt werden: So kann selektive<br />

Aufmerksamkeit als Coping der bewussten Konzentration auf instrumentelles Verhalten dienen,<br />

im Abwehr-Modus jedoch der Leugnung. Die Verarbeitungsmodi sollen in ihrer Adaptivität,<br />

Flexibilität <strong>und</strong> Realitätsorientierung abnehmen <strong>und</strong> stellen, obwohl v. a. Bewältigung <strong>und</strong> Abwehr<br />

auch parallel praktiziert werden, gestaffelte Verteidigungsstellungen dar, die im Bemühen<br />

um die Wahrung des intrapsychischen Aequilibriums nacheinander bezogen werden. Außergewöhnliche<br />

Umstände (non-normative circumstances) vermögen im Extremfall starke, nicht ins<br />

Verhalten kanalisierbare Affekte zu erzeugen, die die Mediatorfunktion des Ich stören, koordiniertes<br />

instrumentelles Verhalten erschweren <strong>und</strong> so die Wahrscheinlichkeit defensiver <strong>und</strong><br />

fragmentierender Prozessmodi erhöhen. Nach HAAN (1977) verlaufen Ich-Prozesse im Abwehrmodus<br />

vorbewusst, sind also potenziell bewusstseinsfähig.<br />

Die kognitive Klassifikationstheorie der Abwehr von HOROWITZ et al. (z. B. 1990) nimmt<br />

wie HAAN (1977) an, dass Abwehrformen maladaptive Funktionsmodi basaler, allgemeiner kognitiver<br />

Kontrollprozesse (control processes) sind – diese weisen Parallelen zu Modellen des<br />

Arbeitsgedächtnisses <strong>und</strong> der <strong>Exekutivfunktionen</strong> auf. Kontrollprozesse werden in drei zentralen,<br />

ineinander greifenden Bereichen der Bewusstseinsregulation ausgeübt <strong>und</strong> werden nicht<br />

a priori im Hinblick auf ihren Anpassungswert beurteilt: (1.) mentale Verarbeitungscharakteristika<br />

(regulation of mental set) – in diesem Bereich wird kontrolliert, welche Punkte eine hohe<br />

Priorität auf der inneren Agenda genießen <strong>und</strong> entsprechend bewusst werden (intentional<br />

hierarchy), ob eine kurz- oder längerfristige Perspektive eingenommen wird (temporal set), ob<br />

aktive Inhalte nach strikten Denkgesetzen oder locker assoziativ aneinander gereiht werden<br />

(sequential set), in welchem Repräsentationsformat gearbeitet wird (representational set), wie<br />

die Aufmerksamkeit ausgerichtet wird (locus of attention) <strong>und</strong> ob Erregung angemessen herunter<br />

reguliert werden kann (activation level); (2.) Organisation repräsentierter (inter-) personaler<br />

Information (regulation of person schemas) – in dieser Domäne wird reguliert, welche Schemata<br />

des Selbst, anderer Personen <strong>und</strong> der Beziehungen zu ihnen aktiviert bzw. inhibiert werden<br />

(altering self person schema, other person schema, role relationship models); (3.) Repräsentationskontrolle<br />

(regulation of conscious representations and sequencing) – die Prozesse dieses<br />

Bereichs modulieren Repräsentationen, indem Assoziationen gehemmt oder gestärkt werden,<br />

indem Konzeptwechsel vorgenommen, die Informationsaufnahme erhöht, Information umbewertet<br />

<strong>und</strong> innere Arbeitsmodelle überarbeitet werden. Abwehr kann in allen drei Bereichen<br />

stattfinden: z. B. indem eine langfristige Perspektive mit ihren aversiven Implikationen vermieden<br />

wird (Bereich 1); indem ein ontogenetisch frühes Schema eigener Unverw<strong>und</strong>barkeit konkurrierende<br />

Schemata verdrängt (Bereich 2); indem angestrebte Assoziationsmuster durch Aufnahme<br />

kontradiktorischer oder relativierender Information (seeking information <strong>und</strong> disavowal)<br />

<strong>und</strong> Zurückhaltung in Gesprächen über das Abwehr-Objekt (communicative reluctance) konsolidiert<br />

werden. Nach HOROWITZ et al. (1990) können Kontrollprozesse sowohl vollständig unbewusst<br />

ablaufen wie auch willentlich initiiert werden.<br />

Das Reifungsmodell der Abwehr. VAILLANT (1977), der anhand längsschnittlich gesammelter<br />

biographisch-anamnestischer Daten die Entwicklung von Anpassung <strong>und</strong> Abwehr über die<br />

Lebensspanne untersuchte, nimmt an, dass der Abwehrstil ontogenetisch reift. Er formulierte


100<br />

Coping <strong>und</strong> Abwehr<br />

vier auf einander aufbauende Reifungsebenen, unter die er insgesamt 18 Abwehrmechanismen<br />

subsumierte; dies sind: (1.) die psychotische Ebene (z. B. psychotische Leugnung); (2.) die unreife<br />

Ebene (z. B. Projektion, Ausagieren); (3.) die neurotische Ebene (z. B. Intellektualisierung,<br />

Verdrängung von Affekt-Ursachen) <strong>und</strong> (4.) die reife Ebene (z. B. Humor, Sublimierung, Unterdrückung/<br />

Suppression). Obwohl der Autor wie auch LAZARUS <strong>und</strong> FOLKMAN (1984) auf eine<br />

a priori Beurteilung der Adaptivität von Abwehrmechanismen verzichtet <strong>und</strong> ihre potenzielle<br />

Funktionalität v. a. im Hinblick auf intrapsychische Konflikte diskutiert, soll dennoch ihr Reifegrad<br />

positiv mit Lebenserfolg assoziiert sein. Obwohl VAILLANT (1998) von unbewussten<br />

Abwehrmechanismen ausgeht, argumentiert ALDWIN (2007), dass seine Annahme einer gänzlich<br />

unbewussten »Reifung« der Abwehr nur schwer mit seiner Betonung der Bedeutung sozialer<br />

Lernprozesse zu vereinbaren ist.<br />

Das Circumplex-Modell der Abwehr von PLUTCHIK (z. B. 1995) stellt eine Erweiterung<br />

seiner psychoevolutionären Emotionstheorie dar: Aus acht kreisförmig angeordneten Basisemotionen<br />

werden acht unbewusst wirkende Abwehrmechanismen abgeleitet, die ebenfalls auf einem<br />

Circumplex skaliert wurden (Leugnung Verdrängung Regression Kompensation<br />

Projektion Verschiebung Intellektualisierung Reaktionsbildung). Mit jedem<br />

Abwehrmechanismus korrespondiert ein bewusster, flexibler einsetzbarer Coping-Stil, dessen<br />

Anwendung allerdings nicht mit der der Abwehrform korrelieren muss. So entspricht der Leugnung<br />

als Abwehr die Minimierung (»… assuming that the problem is not as important as other<br />

people think it is« [S. 31]), der Verdrängung die Vermeidung (»An attempt to solve a problem by<br />

avoiding the person or situation believed to have created the problem, or by ›thought stopping‹<br />

or turning attention away from the problem« [S. 31]). Jedem Abwehrmechanismus werden<br />

typische Auslöser, Bewertungen, relevante Motive <strong>und</strong> Methoden zugeordnet (s. PLUTCHIK, 1995,<br />

Tab. 1-2 <strong>und</strong> 1-3, S. 25, 28) – so wird Leugnung v. a. mit sozialen Motiven in Zusammenhang<br />

gebracht <strong>und</strong> durch positivierende Umbewertung ausgeübt. Ferner wird postuliert, dass mit der<br />

Konfiguration aus prävalierenden Basisemotionen <strong>und</strong> Abwehrmechanismen bestimmte Persönlichkeitsstile<br />

bzw. -Störungen assoziiert sind. PLUTCHIK <strong>und</strong> Mitarbeiter entwickelten den Life<br />

Style Index, einen Fragebogen zur Erfassung der postulierten Abwehrstile, <strong>und</strong> fanden, dass<br />

Personen mit Schizophrenie auf allen Abwehr-Skalen signifikant höhere Werte erzielten<br />

(zusammengefasst in CONTE & PLUTCHIK, 1995; s. auch OFFER, LAVIE, GOTHELF & APTER, 2000).<br />

The Unified Theory of Repression (TUTOR). Mit seiner »Vereinheitlichten Theorie der<br />

Verdrängung« unternimmt ERDELYI (2006) den ambitionierten Versuch, die freudianische Verdrängungskonzeption<br />

mit Hilfe kognitionspsychologischer Überlegungen <strong>und</strong> Bef<strong>und</strong>e zu rehabilitieren.<br />

Ausgehend von einer Definition von Verdrängung als bewusst initiiertem »consciousness-lowering<br />

process« (S. 502) <strong>und</strong> von BARTLETTs Postulat eines rekonstruktiv arbeitenden<br />

Gedächtnisses unterscheidet der Autor zwei Gruppen normalpsychologischer kognitiver Mechanismen,<br />

die der Abwehr dienen können: Bei inhibitorischen (subtraktiven) Prozessen werden<br />

bedrohliche Objektive oder kritische Aspekte des bedeutungsstiftenden semantischen Kontexts<br />

absichtlich kognitiv vermieden <strong>und</strong> schließlich schwerer zugänglich. Bei elaborativen (additiven)<br />

Prozessen werden hingegen Kontextelemente derart gewichtet <strong>und</strong> Gedächtnisinhalte auf eine<br />

Weise rekonstruiert, dass ebenfalls ein »defensive failure of insight« (S. 504) resultiert: »All<br />

these distortions can be exacerbated by the subject himself who, in the process of thinking about<br />

and retrieving information, may inhibit memories or amplify errors of previous constructions<br />

in a process akin to succumbing to one’s own propaganda and the creation of myth« (S. 511).<br />

Die sieben Formen der Leugnung. BREZNITZ (1988) differenzierte den Abwehrmechanismus<br />

der Leugnung bedrohlicher Information (denial) weiter aus, indem er darauf hinwies, dass unterschiedliche<br />

Aspekte von Bedrohungen geleugnet bzw. verzerrt werden können. Der Autor<br />

nimmt an, dass das Fehlen instrumenteller Bewältigungsoptionen <strong>und</strong> eine hinreichende Intensität<br />

<strong>und</strong> Dauer der Exposition eine feste Sequenz von Leugnungsstrategien aktiviert, die auf


101<br />

Coping <strong>und</strong> Abwehr<br />

unterschiedlichen Stufen der Verarbeitung des Materials angesiedelt sein sollen (s. Abbildung 5).<br />

Sie beginnt mit Leugnung vom Typ A: der Leugnung, dass eine wahrgenommene Bedrohung für<br />

das Individuum persönlich relevant ist. Die erste Transition führt zu Typ B: der Leugnung der<br />

Unmittelbarkeit der Bedrohung. Typ C betrifft die Leugnung der eigenen Verw<strong>und</strong>barkeit, Typ D<br />

die der mit der Bedrohung assoziierten Affekte. Kann Angst nicht (weiter) geleugnet werden,<br />

müssen die aversiven Affekte reattribuiert, d. h. mit anderen, weniger bedrohlichen Objekten<br />

verknüpft werden (Typ E). Reicht es nicht aus, die vorgenannten Aspekte zu verzerren bzw.<br />

umzuwerten, muss auf einer früheren Verarbeitungsstufe angesetzt <strong>und</strong> der Input reduziert oder<br />

verändert werden (z. B. durch selektive Nichtbeachtung). Hierbei kann selektiv bedrohliche<br />

Information (Typ F) oder die gesamte aus der Außenwelt einströmende Information (Typ G)<br />

geleugnet werden. Ein weiteres zentrales Postulat der Theorie ist, dass »… people attempt to<br />

engage in the least reality distortion necessary at any given point« (S. 74), so dass erst das<br />

Versagen eines Leugnungstyps den Rückzug auf die nächste, stärker realitätsverzerrende Verteidigungsstellung<br />

einer festgelegten Sequenz notwendig macht (vgl. HAAN, 1977 ). Interessant ist<br />

ferner die Annahme, dass eine hohe Ambiguität der bedrohlichen Information – wie sie typisch<br />

für die vielfältigen Zustandsbilder voll- oder teilremittierter Schizophrenien ist – eine niedrigschwellige<br />

Leugnung erleichtert. Bezüglich des Bewusstheitsstatus der abgewehrten Objekte geht<br />

BREZNITZ (1988) davon aus, dass Leugnung durch das Erleben von Angst initiiert wird, »… after<br />

the program has been run through in its entirety at least once … denial protects us from<br />

additional discomfort rather than its initial onset« (S. 78). Obwohl das Modell ein strenges<br />

Phasenmodell ist, räumt der Autor die Möglichkeit ein, dass unterschiedliche Aspekte eines<br />

komplexen Abwehr-Objekts auf jeweils eigenen Stufen geleugnet werden.<br />

bedrohliche<br />

Information<br />

Leugnung der<br />

Information<br />

Ende der Sequenz<br />

Leugnung eigener<br />

Vulnerabilität<br />

Leugnung ihrer<br />

Bedrohungsaspekte<br />

Leugnung des<br />

Affekts<br />

Beginn der Sequenz<br />

Leugnung<br />

persönlicher Relevanz<br />

Leugnung der<br />

Relevanz des Affekts<br />

Abbildung 5. Sieben Formen der Leugnung (Typen A-G) nach Breznitz (1988).<br />

Leugnung<br />

der Nähe<br />

Das Repräsentationsebenen-Modell der Selbsttäuschung (GREENWALD, 1997) ist ein<br />

kognitives Modell, das jedoch aufgr<strong>und</strong> seiner Analogien zum vorgenannten Modell <strong>und</strong> aufgr<strong>und</strong><br />

der zunehmend kognitionspsychologischen Färbung tiefenpsychologischer Modelle zu<br />

diesen gesellt wurde. Der Autor nimmt eine hierarchische Sequenz zunehmend bewusster Stufen<br />

der Informationsverarbeitung an <strong>und</strong> spezifiziert die jeweils mögliche Abwehrform (s. Abbildung<br />

6): Auf den beiden unteren Ebenen kann Abwehr behavioral durch Vermeidung einer Stimulus-<br />

Exposition oder durch eine alternative Allokation von Aufmerksamkeitsressourcen erfolgen<br />

(d. h. Nichtbeachtung, Selbstablenkung). Auf den beiden oberen Ebenen werden ein propositionales<br />

Verständnis identifizierter Objekte <strong>und</strong> Schlussfolgerungen weiterreichender Implikationen<br />

vermieden, was der Autor als Junk-Mail-Modell bezeichnet: »… one need not know specifically<br />

what is inside the envelope to judge that it should be discarded … Perhaps the patient<br />

picks up cues indicating that some unwelcome knowledge may be available …, and then avoids<br />

learning precisely what the unwelcome knowledge is« (S. 56-57).


präattentionale<br />

sensorische<br />

Analyse<br />

Stimulus-<br />

Merkmale<br />

Expositions-<br />

vermeidung<br />

Stufen kognitiver Verarbeitung<br />

Objekt-<br />

Identifikation,<br />

Kategorisierung<br />

Objekte/<br />

Wortbedeutung<br />

Aufmerksamkeits-<br />

Abwendung<br />

Abbildung 6. Repräsentationsebenen-Modell der Abwehr (Greenwald, 1997)<br />

102<br />

Objekt-<br />

Verständnis<br />

einfache<br />

Propositionen<br />

Vermeidung von<br />

Propositionen<br />

Modi der Abwehr durch Vermeidung<br />

Coping <strong>und</strong> Abwehr<br />

Es lässt sich festhalten, dass die Leugnung angstbesetzter Objekte in den gesichteten<br />

Modellen fast durchweg eine Rolle spielt. Dies bestätigt eine ältere Übersicht von BEUTEL<br />

(1988) in der über 75 % der tiefenpsychologischen Modelle Leugnung thematisieren.<br />

Unterschieden wird dabei häufig zwischen einer »neurotischen« Form, manchmal im Sinne<br />

eines Nicht-wahrhaben-Wollens aversiver Aspekte des Geschehens, vermittelt durch<br />

kognitive Vermeidung <strong>und</strong> Selbstablenkung, <strong>und</strong> einer »psychotischen« Form mit starker<br />

Verzerrung oder totaler Leugnung ängstigender Objekte.<br />

Innerhalb des Bereichs neurotischer Verleugnung liegen unterschiedliche Beurteilungen<br />

der Bewusstheit von Abwehrobjekten sowie des Ausmaßes volitionaler Kontrolle des<br />

Abwehrmechanismus vor, so dass sich die von CRAMER (1998b; 2000) gezogene Grenze<br />

zwischen Abwehr <strong>und</strong> Bewältigung nicht durch alle Modelle zieht. Vielversprechend im<br />

Hinblick auf eine Vereinheitlichung tiefenpsychologischer <strong>und</strong> kognitiver Modelle erscheinen<br />

das Modell von HOROWITZ et al. (1990), mit dem versucht wird, Abwehrmechanismen<br />

als deskriptive Kategorien für Konfigurationen elementarer kognitiver Prozesse zu<br />

konzeptualisieren, <strong>und</strong> das Modell von GREENWALD (1997), der Abwehrprozesse einzelnen<br />

Phasen eines hierarchischen Informationsverarbeitungsmodells zuordnet.<br />

Schließlich sei angemerkt, dass tiefenpsychologische Modelle, in denen Aussagen über<br />

Abwehrmechanismen mit Urteilen über die Qualität der Persönlichkeitsorganisation<br />

verknüpft werden, für eine Untersuchung von Krankheitsverarbeitung <strong>und</strong> Uneinsichtigkeit<br />

bei Schizophrenie problematisch sind, da hier psychotische Phänomene selbst als maladaptiver<br />

Verarbeitungsmodus betrachtet werden. Die Erkrankung wäre in diesem Fall<br />

gleichzeitig Abwehr <strong>und</strong> Abwehrobjekt.<br />

Weitere dispositionelle Bewältigungs- <strong>und</strong> Defensivitäts-Ansätze<br />

elaborierte<br />

Verarbeitung d.<br />

Propositionen<br />

komplexe<br />

Inferenzen<br />

Vermeidung von<br />

Inferenzen<br />

Jenseits der i. e. S. tiefenpsychologischen Richtung, oftmals aber von ihr inspiriert,<br />

bemühen sich weitere dispositionelle Ansätze um die Erfassung zeitstabiler Personen-<br />

Merkmale, von denen angenommen wird, dass sie Vorhersagen situationsinvariant<br />

bevorzugter Klassen von Bewältigungsakten erlauben (s. MOOS & HOLAHAN, 2003). Diese<br />

reichen von perzeptiv-attentionalen Verarbeitungsstilen (z. B. Monitoring-Blunting:<br />

MILLER, 1987) bis hin zu Annahmen über Persönlichkeitsmerkmale, die den Hintergr<strong>und</strong>


103<br />

Coping <strong>und</strong> Abwehr<br />

von Bewältigungsvorgängen bilden (z. B. Kohärenzsinn: ANTONOVSKY, 1993; dispositioneller<br />

Optimismus: SCHEIER & CARVER, 1985; »Big Five«: s. WATSON & HUBBARD, 1996).<br />

Das bekannteste Konstrukt, das aus der von psycho<strong>dynamisch</strong>en Ideen inspirierten<br />

persönlichkeitspsychologischen Bewältigungsforschung hervorging, ist vermutlich<br />

Repression-Sensitization: die gewohnheitsmäßige Neigung zu einem defensiv-vermeidenden<br />

vs. vigilanten Umgang mit dem Angsterleben, die BYRNE (1961) mit seiner R-S-<br />

Skala zu erfassen suchte. Um das Problem der Unterscheidung von »Verdrängern«<br />

(repressors) <strong>und</strong> niedrig ängstlichen Personen zu lösen (z. B. GOLIN, HERRON & LAKOTA,<br />

1967), entwickelten WEINBERGER, SCHWARTZ <strong>und</strong> DAVIDSON (1979) den dimensionalen RS-<br />

Ansatz zu einem typologischen weiter, indem sie einen Angstfragebogen mit der Marlowe-<br />

Crowne Social Desirability Scale (MCSDS) kombinierten (CROWNE & MARLOWE, 1960). Auf<br />

diese Weise gelang es, in der Gruppe vermeintlich niedrig ängstlicher Personen solche mit<br />

erhöhter Defensivität bei gleichzeitig stärkeren autonomen Reaktionen unter Stress zu<br />

identifizieren. Auch andere Autoren haben vor einer unkritischen Akzeptanz niedriger<br />

Werte auf Neurotizismus-Skalen durch den Kliniker gewarnt (SHEDLER, MAYMAN & MANIS,<br />

1993).<br />

Theoretische <strong>und</strong> messmethodische Weiterentwicklungen des RS-Konzepts stammen<br />

u. a. von WEINBERGER (1989) <strong>und</strong> WEINBERGER <strong>und</strong> SCHWARTZ (1990), KROHNE et al. (1974,<br />

1989, 1993) <strong>und</strong> M. EYSENCK (1997). Für die Erfassung von Repressors ist relevant, dass<br />

zumindest zwei Arbeiten hohe Zusammenhänge verschiedener Verdrängungs- <strong>und</strong><br />

»Lügenskalen« gef<strong>und</strong>en haben: DERAKSHAN & EYSENCK (1997a, Studie 2) berichten einen<br />

hohen Zusammenhang der Defensivitätsskala des Weinberger Adjustment Inventory (WAI)<br />

mit der MCSDS (r = .68). Auch TURVEY <strong>und</strong> SALOVEY (1993) hatten festgestellt, dass<br />

verschiedene Repression- <strong>und</strong> Selbsttäuschungsskalen (darunter das WAI) <strong>und</strong> die MCSDS<br />

auf einem gemeinsamen Faktor luden, so dass eine Typisierung von Repressors mit Hilfe<br />

einfacher Desirabilitätsskalen vorgenommen werden kann (s. auch FURNHAM, PETRIDES &<br />

SPENCER-BOWDAGE, 2002).<br />

Es liegen verschiedene Belege für die Validität des Konstrukts vor (WEINBERGER, 1990;<br />

DERAKSHAN & EYSENCK, 1997b): Studien konnten zeigen, dass Repressors bei der Erwartung<br />

negativen Feedbacks seltener Blickkontakt suchen (HOCK, 1993), längere Latenzen bei<br />

der Beurteilung ambiger Stimuli aufweisen (HOCK, KROHNE & KAISER, 1996), bedrohliches<br />

Material schlechter erinnern (BONANNO, DAVIS, SINGER & SCHWARTZ, 1991), eine »Illusion<br />

des Wohlergehens« hegen (d. h. die Wahrscheinlichkeit des Eintretens negativer Ereignisse<br />

relativ zu den anderen Gruppen unterschätzen: MYERS & BREWIN, 1996) <strong>und</strong> ihr eigenes<br />

Verhalten in sozialen Situationen als relativ weniger ängstlich einstufen (DERAKSHAN &<br />

EYSENCK, 1997a), während sie zugleich physiologisch autonom reagieren (NEWTON &<br />

CONTRADA, 1992).<br />

Ein weiterer, konzeptuell <strong>und</strong> methodisch nah verwandter Ansatz betrifft die Neigung<br />

zur habituellen Selbsttäuschung (self-deception). Eine Selbsttäuschung liegt nach GUR <strong>und</strong><br />

SACKEIM (1979) vor, wenn ein Individuum simultan zwei kontradiktorische Überzeugungen<br />

hegt, eine dieser Überzeugungen nicht bewusst wird <strong>und</strong> diese Unbewusstheit überdies<br />

motiviert ist. SACKEIM <strong>und</strong> GUR (1978) konstruierten den Self-Deception Questionnaire<br />

(SDQ), einen Fragebogen, der »Selbsttäuscher« anhand ihrer Verneinung sozial<br />

unerwünschter, aber – so die Annahme – ubiquitärer aggressiver <strong>und</strong> sexueller Impulse<br />

identifizieren soll (z. B. »Have you ever thought that your parents hated you?«). GUR <strong>und</strong><br />

SACKEIM (1979) konnten zeigen, dass die Häufigkeit von Verpassern bei einer Aufgabe zum<br />

Erkennen der eigenen Stimme positiv mit der Selbsttäuschungsneigung korrelierte. Das<br />

unbewusste Erkennen der eigenen Stimme – <strong>und</strong> damit die Selbsttäuschung – wurde den


104<br />

Coping <strong>und</strong> Abwehr<br />

Autoren zufolge durch eine Hautleitfähigkeitsreaktion beim Hören der eigenen Stimme<br />

indiziert. Verstärken ließ sich dies durch eine Induktion von Fehlschlägen. Der SDQ<br />

korreliert substanziell negativ mit Ängstlichkeitsskalen (r ≤ -.45: LINDEN, PAULHUS &<br />

DOBSON, 1986; s. auch TURVEY & SALOVEY, 1993), d. h. je ausgeprägter die Selbsttäuschung,<br />

desto weniger Angst wird berichtet. Der »ontologische Status« der Selbsttäuschung<br />

(SACKEIM & GUR, 1985), d. h. ob Fragebögen echte Selbsttäuschung oder ein vorsichtiges<br />

Antwortverhalten erfassen, bleibt letztlich unklar.<br />

Das Selbsttäuschungs-Konzept von SACKEIM <strong>und</strong> GUR (1978) wurde weiter differenziert<br />

von PAULHUS <strong>und</strong> Mitarbeitern (1984, 1986 1991, 1998), die zwischen einer affiliationsorientierten<br />

Selbstdarstellung (impression management, Dimension Gamma) <strong>und</strong> einer<br />

machtmotivierten Selbsttäuschung unterscheiden (Dimension Alpha), wobei letztere später<br />

noch einmal in Selbstaufwertung <strong>und</strong> Leugnung (self-deceptive enhancement bzw. denial)<br />

unterteilt wurde. Die Gegenüberstellung von »unbewusster« Selbsttäuschung <strong>und</strong> »bewusster«<br />

Selbstdarstellung wurde aufgegeben. Die Autoren fanden, dass Reaktionen auf<br />

Gamma-Items (Selbstdarstellung, soziale Erwünschtheit) erwartungsgemäß stärker mit<br />

Anforderungscharakteristika von Situationen kovariieren (PAULHUS, 1984, Studie 3).<br />

Klassische Erwünschtheitsitems sind allerdings nicht faktorrein, sondern scheinen sowohl<br />

Fremd- als auch Selbsttäuschungstendenzen sensu PAULHUS (1984) widerzuspiegeln.<br />

Die Adaptivität eines defensiven Reaktionsstils konnte nicht abschließend geklärt werden.<br />

LAZARUS <strong>und</strong> FOLKMAN (1984, S. 133), eigentlich Vertreter einer Bewältigungsperspektive<br />

(s. u.), lehnten eine A-priori-Einschätzung der Wirksamkeit von Coping <strong>und</strong> Abwehr ab<br />

<strong>und</strong> nahmen an, dass die Adaptivität von Leugnung stark personen-, situations- <strong>und</strong><br />

kontextabhängig ist. Möglicherweise schützt eine gewisse Selbsttäuschung, indem sie<br />

Selbstwert <strong>und</strong> Selbstwirksamkeit erhält, die personalen Antezedenzien erfolgreicher<br />

Bewältigung (s. PAULHUS, 1986, S. 151-152). Eine gewisse Vermeidung oder Minimierung<br />

aversiver Kognitionen könnte einerseits eine Voraussetzung für den effektiven Einsatz<br />

problemzentrierter Coping-Strategien sein (GRAVDAL & SANDAL, 2006), d. h. Abwehr <strong>und</strong><br />

Bewältigung könnten parallel ablaufen <strong>und</strong> sich gegenseitig beeinflussen (STEFFENS &<br />

KÄCHELE, 1988). Auf der anderen Seite könnte eine ausgeprägte Selbsttäuschung ein<br />

Korrelat niedriger Bestrafungssensibilität darstellen, was sich langfristig als eher maladaptiv<br />

erweisen sollte (PETERSON et al., 2003, Studie 2).<br />

SULS <strong>und</strong> FLETCHER (1985) fanden in Metaanalysen, dass vermeidende Bewältigungsstrategien<br />

durchaus kurzfristig adaptiver sein können als solche, die mit einer Hinwendung<br />

der Aufmerksamkeit zum Bewältigungsobjekt einhergehen (s. auch CRAMER, 1998b). In<br />

einer Reihe von Arbeiten hat MILLER (z. B. 1989; MILLER et al., 1996) für den Bereich der<br />

lebensbedrohlichen somatischen Erkrankungen gezeigt, dass eine Beachtung, Sammlung<br />

<strong>und</strong> Amplifikation bedrohlicher Information Wohlbefinden, Anpassung <strong>und</strong> Regeneration<br />

verschlechtern können. Andauernde, unkontrollierbare Bedrohungen sollen daher nach<br />

MILLER kognitiver Vermeidung <strong>und</strong> Leugnung Vorschub leisten. Weitere Erörterungen der<br />

Adaptivität von Leugnung liefert der Band von EDELSTEIN, NATHANSON <strong>und</strong> STONE (1989).<br />

Fazit<br />

Der Abwehrmechanismus der Leugnung wird auch von aktuellen tiefenpsychologischen<br />

Modellen aufgegriffen, wobei zunehmend versucht wird, kognitive<br />

Mediatoren (z. B. Aufmerksamkeitslenkung) zu identifizieren <strong>und</strong> auch die<br />

Möglichkeit der Leugnung einzelner Facetten eines Abwehrobjekts thematisiert<br />

wird. Der Einsatz von Offenheitsskalen erscheint als gangbarer Weg, um einen<br />

Responder-Typus zu identifizieren, dem negative Affekte <strong>und</strong> selbstwert-


105<br />

Coping <strong>und</strong> Abwehr<br />

bedrohliche Kognitionen aufgr<strong>und</strong> eines repressiven Verarbeitungsstils nicht<br />

bewusst sind, oder der es vorzieht, diese nicht zu offenbaren. Da die diskriminanten<br />

Validitäten der einzelnen Skalen bislang empirisch nicht gesichert werden<br />

konnten <strong>und</strong> die meisten elaborierteren Selbsttäuschungsskalen mit klassischen<br />

Skalen zu sozial erwünschtem Antwortverhalten wie der MCSDS<br />

korrelieren (woraus TURVEY <strong>und</strong> SALOVEY schlossen, »… that all of these scales<br />

are essentially assessing the same construct, a tendency to <strong>und</strong>er-report negative<br />

experiences« [S. 280]), können zur Erfassung von Defensivität einfache<br />

Offenheitsskalen verwendet werden, wie sie Teil vieler Persönlichkeitsfragebögen<br />

sind. Obwohl ältere tiefenpsychologische Modelle (z. B. HAAN, 1977) in<br />

psychoanalytischer Tradition Leugnung als Ausdruck einer unreifen Persönlichkeitsorganisation<br />

einstufen, liegen Hinweise auf eine kurzfristige Adaptivität<br />

von Leugnung bzw. kognitiver Vermeidung bei schweren Erkrankungen vor.<br />

Erste Bef<strong>und</strong>e mit Offenheitsskalen im Zusammenhang mit <strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

werden im folgenden Kapitel dargestellt.<br />

5.2.3 Der transaktionale Coping-Ansatz<br />

Die theoretische Gr<strong>und</strong>lage der angestrebten Erfassung von Krankheitsverarbeitungsstilen<br />

von Menschen mit Schizophrenie-Diagnosen bildet die »transaktionale«, »kognitivphänomenologische«<br />

oder auch »kognitiv-konstruktivistische« Stress-Coping-Theorie von<br />

LAZARUS (1966) <strong>und</strong> LAZARUS <strong>und</strong> FOLKMAN (1984). Bewältigungsverhalten wird dabei<br />

nicht primär als Ausdruck von Persönlichkeitseigenschaften, sondern als Reaktion auf<br />

spezifische Stressoren gesehen, wobei der kognitiven Bewertung von Anforderungen,<br />

eigener Bewältigungsmöglichkeiten <strong>und</strong> ihrer Relation die zentrale Rolle zukommt. Die<br />

Existenz habitueller Bewältigungsreaktionen wird dabei durchaus eingeräumt. Auch gibt es<br />

Berührungspunkte mit den zuerst genannten Ansätzen: Das LAZARUS-Modell weist zwar<br />

keine gemeinhin als »tiefenpsychologisch« aufgefassten Elemente auf, ist aber dennoch<br />

insofern eine motivationale Theorie (LAZARUS & FOLKMAN, 1987), als Bewertungen von<br />

Anforderungen an das Individuum stets vor dem Hintergr<strong>und</strong> von Motiven vorgenommen<br />

werden, die auch aus motivationspsychologischer Sicht nicht bewusst sein müssen (z. B.<br />

MCCLELLAND, KOESTNER & WEINBERGER, 1989).<br />

Wichtige Bestimmungsstücke des Modells sind (1.) die zentrale Rolle kognitiver Bewertungen<br />

(appraisals) bzw. der relationale Charakter von Stress, (2.) seine gr<strong>und</strong>sätzliche<br />

Prozessorientierung <strong>und</strong> die – oftmals nicht erfüllte – Forderung nach der Transaktion<br />

(d. h. der Person-Umwelt-Wechselwirkung) als Analyseeinheit, (3.) die Intentionalität des<br />

Copings, also sein Bezug auf mentale Bewältigungsgegenstände (z. B. akustische Halluzinationen,<br />

die Tatsache der psychischen Erkrankung), (4.) die Analyse der Gerichtetheit des<br />

Copings, d. h. des annähernden oder vermeidenden Charakters von Bewältigungshandlungen,<br />

(5.) die Mehrdimensionalität des Copings, d. h. seine Analyse auf emotionaler,<br />

kognitiver <strong>und</strong> behavioraler Ebene, (6.) die Unterscheidung zwischen Coping <strong>und</strong> seinen<br />

Antezedenzien (z. B. personalen Ressourcen) sowie (7.) die Abgrenzung zu behavioralen<br />

Automatismen <strong>und</strong> (8.) die Entflechtung von Bewältigungsprozess <strong>und</strong> Outcome. Die<br />

wichtigsten Modell-Komponenten werden im Folgenden erläutert.


5.2.3.1 Unterscheidung von automatischer Verarbeitung<br />

106<br />

Coping <strong>und</strong> Abwehr<br />

LAZARUS <strong>und</strong> FOLKMAN (1984) unterscheiden evolvierte, primitive Anpassungsmechanismen<br />

(wie Reflexe, intuitive Verhaltensprogramme) <strong>und</strong> automatisierte kognitive Verarbeitung<br />

(wie die oben erläuterten defensiven Reaktionsstile) von »mühevolleren« (effortful)<br />

Coping-Prozessen: »These acts are adaptive, but they should not be called coping. If they<br />

were, coping would consist of almost everything we do« (S. 130/ 132). Trotz dieser<br />

Betonung der Intentionalität des Copings existiert kein belastbares Abgrenzungskriterium,<br />

der Gültigkeitsbereich des Coping-Konzepts bleibt unscharf. So wird von den Autoren auch<br />

Selbsttäuschung der emotionszentrierten Bewältigung zugerechnet »… self-deception … is<br />

always a potential feature of this type of coping processs. … Successful self-deception must<br />

… occur without consciousness …« (S. 151).<br />

5.2.3.2 Primäre <strong>und</strong> sek<strong>und</strong>äre Bewertungen<br />

Anstrengungen zur Bewältigung von Stressoren gehen stets kognitive Bewertungsprozesse<br />

(cognitive appraisal processes) voraus. Mit LAZARUS <strong>und</strong> FOLKMAN (1984) wird deskriptiv<br />

zwischen primärer <strong>und</strong> sek<strong>und</strong>ärer Bewertung sowie Umbewertung (primary - secondary<br />

appraisal, reappraisal) differenziert. In der primären Bewertung wird die Motivrelevanz<br />

<strong>und</strong> Valenz eines Ereignisses beurteilt, die sek<strong>und</strong>äre Bewertung betrifft die eigenen<br />

Bewältigungsmöglichkeiten. Ob Bewältigungshandlungen notwendig werden, hängt von<br />

der subjektiven Balance von Anforderungen <strong>und</strong> Ressourcen ab.<br />

Die Erkrankung Schizophrenie konfrontiert das Individuum zweifellos mit einer Reihe<br />

von herausfordernden oder bedrohlichen Bewältigungsgegenständen: Das Erleben einer<br />

psychotischen Episode – vor allem einer Erstmanifestation – <strong>und</strong> ihrer psychiatrischen<br />

Behandlung (d. h. häufig unfreiwillige Krankenhaus-Aufnahme <strong>und</strong> antipsychotische Medikation)<br />

wird von vielen Betroffenen als Bedrohung der »Existenzwerte« (MAYER-GROSS,<br />

1920: z. B. Identität, Rollen, Fähigkeiten) <strong>und</strong> als stigmatisierend erlebt <strong>und</strong> kann depressogen<br />

<strong>und</strong> traumatisierend wirken (TARRIER, KHAN, CATER & PICKEN, 2007; BIRCHWOOD,<br />

IQBAL & UPTHEGROVE, 2005). Auch die Symptome der Erkrankung (z. B. Stimmenhören)<br />

stellen häufig eine erhebliche Belastung dar, die von Bewertungs- <strong>und</strong> Bewältigungsprozessen<br />

mediiert wird (BIRCHWOOD & CHADWICK, 1997).<br />

5.2.3.3 Bewältigungsintentionen<br />

Die individuelle Intention, die mit einer Bewältigungshandlung verb<strong>und</strong>en ist (d. h. der<br />

»Fokus« des Copings auf ein Bewältigungsobjekt), stellt die wichtigste Analyseebene dar<br />

(SKINNER, EDGE, ALTMAN & SHERWOOD, 2003): Die gleichen Coping-Bemühungen können<br />

ebenso der Emotionsregulation <strong>und</strong> Selbstwert-Stabilisierung wie der Veränderung der<br />

Außenwelt bzw. der Problemlösung dienen. Bewältigungsfunktionen bzw. Intentionen<br />

lassen sich nach der Taxonomie der Autoren zu zwei Metafunktionen gruppieren. Dies sind<br />

(1.) die emotionszentrierte (emotion-focused) <strong>und</strong> (2.) die problemzentrierte (problemfocused)<br />

Funktion (LAZARUS & FOLKMAN, 1984; MECHANIC, 1991; PEARLIN & SCHOOLER,<br />

1978). LAUX <strong>und</strong> WEBER (1991) nennen zusätzlich die Ziele der Selbstwertstabilisierung <strong>und</strong><br />

der Wahrung sozialer Beziehungen. Weiterhin kann zwischen auto- <strong>und</strong> alloplastischen<br />

Verarbeitungsformen unterschieden werden (S. FREUD, 1924).<br />

Ein konkreter Bewältigungsakt kann (a) interindividuell verschiedene Absichten verfolgen<br />

<strong>und</strong> (b) intraindividuell multifunktional sein (LAUX & WEBER, 1987). Damit stellt sich


107<br />

Coping <strong>und</strong> Abwehr<br />

das Problem der Zuordnung konkreter Coping-Akte zu den genannten Funktionskategorien,<br />

das in der Vergangenheit an Einschränkungen der faktoriellen Validität von Coping-<br />

Skalen deutlich wurde.<br />

Im Bereich der Schizophrenieforschung wurden verschiedene Gruppen von Bewältigungsobjekten<br />

identifiziert. WIEDL <strong>und</strong> SCHÖTTNER (1989a) unterscheiden vier theoretische<br />

Perspektiven, die sich in ihrer Relation von Coping <strong>und</strong> Erkrankung unterscheiden:<br />

Erstens können manifeste Symptome als Selbstheilungsversuch gegenüber einer psychischen<br />

Gr<strong>und</strong>störung aufgefasst werden. Zweitens können psychotische Symptome als<br />

Anpassung an ein System mit pathogenen Kommunikationsmustern verstanden werden<br />

(systemisch-kommunikationstheoretische Sichtweise). Empirisch besser erschlossen sind<br />

zwei weitere Perspektiven, die sich theoretisch dem Vulnerabilitäts-Stress-Modell der<br />

Schizophrenie (ZUBIN & SPRING, 1977; NUECHTERLEIN & DAWSON, 1984) <strong>und</strong> kognitiven<br />

Coping-Modellen (LAZARUS & FOLKMAN, 1984) verpflichtet fühlen:<br />

Untersuchungen symptomzentrierten Copings (oder besser: des Copings bei schizophreniespezifischen<br />

Bewältigungsobjekten) beschäftigen sich mit der Frage, wie Menschen<br />

mit Schizophrenie (a) die erlebten Symptome der Erkrankung bewältigen (d. h. Basisstörungen<br />

[s. SÜLLWOLD & HUBER, 1986] <strong>und</strong> manifeste klinische Symptome, v. a. akustische<br />

Halluzinationen: s. FARHALL, GREENWOOD & JACKSON, 2007); <strong>und</strong> wie sie (b) das<br />

Erlebnis der psychotischen Episode <strong>und</strong> die Tatsache des Erkranktseins verarbeiten. Ein<br />

wichtiger Beitrag der Coping-Forschung zu diesem Bereich stammt von MCGLASHAN, LEVY<br />

<strong>und</strong> CARPENTER (1975), die einen annähernden <strong>und</strong> einen distanzierenden Stil der Krankheitsverarbeitung<br />

beschrieben haben (»Integration« <strong>und</strong> »Sealing over«). Die im folgenden<br />

Kapitel erörterten Defizite der <strong>Krankheitseinsicht</strong> bei Schizophrenie im Sinne der<br />

Konstruktion eines von der Expertenmeinung abweichenden Laienmodells des eigenen<br />

Zustands (s. LOBBAN, BARROWCLOUGH & JONES, 2003, 2004) lassen sich am ehesten dieser<br />

Bewältigungsperspektive zuordnen.<br />

Diese dritte Perspektive geht mehr oder weniger nahtlos über in eine vierte, die Bewältigung<br />

als Form der Adaption an eine veränderte Lebenswelt betrachtet <strong>und</strong> die den<br />

Umgang des erkrankten Menschen mit Anforderungen analysiert, die sich aufgr<strong>und</strong> der<br />

Erkrankung in verschiedenen Lebensbereichen stellen. Hierunter fallen Alltagsärgernisse<br />

(daily hassles), kritische Lebensereignisse (life events: s. ALDWIN, 2007), Traumata <strong>und</strong><br />

sog. chronische Rollenbelastungen in den Bereichen Partnerschaft, Elternschaft, Beruf,<br />

autonome Lebensführung <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit (s. PEARLIN & SCHOOLER, 1978; PEARLIN, 1983).<br />

Für Menschen mit Schizophrenie, die häufig arbeitslos sind (MARWAHA & JOHNSON, 2004),<br />

ergeben sich z. B. Belastungen durch den Verlust einer antizipierten Rolle als Arbeitnehmer<br />

(LEWINE, 2005). Belastungen, die sich im Zusammenhang mit Behandlung ergeben (v. a.<br />

unfreiwillige Hospitalisierung, unerwünschte Antipsychotika-Effekte), lassen sich ebenfalls<br />

hier einordnen. Auch diese Perspektive berührt Aspekte von <strong>Krankheitseinsicht</strong> (subjektive<br />

Behandlungsbedürftigkeit, soziale Konsequenzen der Erkrankung), auf die noch ausführlich<br />

eingegangen wird.<br />

5.2.3.4 Taxonomien von Bewältigungsakten<br />

Von der funktionalen bzw. intentionalen Analyseebene unterschieden werden muss die<br />

theoretisch nicht deckungsgleiche formale oder methodische Ebene, auf der eine rationale<br />

oder induktive Ordnung von Bewältigungsakten geleistet werden soll. Eine erschöpfende,<br />

konsistente, eindeutige Kategorisierung von Coping-Akten existiert gegenwärtig nicht (vgl.<br />

SKINNER et al., 2003).


108<br />

Coping <strong>und</strong> Abwehr<br />

In ihrer dreidimensionalen A-priori-Taxonomie schlagen FILIPP <strong>und</strong> KLAUER (1988) die<br />

Basisdimensionen Reaktionsebene (aktional, intrapsychisch), Soziabilität (niedrig vs. hoch)<br />

<strong>und</strong> Aufmerksamkeitsorientierung (Ereigniszentrierung vs. Ereignisdistanzierung) zur<br />

Klassifikation von Bewältigungsakten vor. Tabelle 10 zeigt mögliche Realisierungen für<br />

Schizophrenie. Eine reduzierte Einsicht, die als Ausdruck von emotionszentrierter Krankheitsbewältigung<br />

verstanden werden soll, lässt sich in diesem Schema als intrapsychischdistanzierende<br />

Strategie einstufen. Es deutet sich ferner an, dass eine echte Distanzierung<br />

eher eine Strategie mit geringer Soziabilität sein dürfte. Auf der aktionalen Regulationsebene<br />

könnte eine solche Distanzierung durch sozialen Rückzug realisiert werden.<br />

Tabelle 10.<br />

Klassifikation von Bewältigungsakten (nach Filipp & Klauer, 1988)<br />

intra-<br />

psychisch<br />

aktional<br />

Aufmerksamkeitsauslenkung<br />

Hinwendung/ Beachtung Abwendung/ Distanzierung<br />

Soziabilität<br />

niedrig hoch niedrig hoch<br />

z. B. Selbstverpflichtung<br />

(»Von der Krankheit nicht<br />

unterkriegen lassen!«)<br />

z. B. Informationen<br />

über alternative<br />

Behandlungsformen<br />

sammeln<br />

z. B. sozialer Abwärts-<br />

vergleich mit subjektiv<br />

stärker Betroffenen<br />

z. B. Teilnahme an<br />

Selbsthilfegruppe<br />

Psychiatrieerfahrener<br />

z. B. Leugnung durch<br />

Anzweifeln der Diagnose;<br />

kognitive Vermeidung des<br />

Themenkomplexes<br />

z. B. aktiver sozialer<br />

Rückzug, Ablenkung<br />

durch einzelgängerischer<br />

Freizeitaktivitäten<br />

z. B. Relativierung durch<br />

Umbewertung der<br />

Ges<strong>und</strong>heit »normaler«<br />

Bezugspersonen<br />

z. B. Ablenkung durch<br />

aktives Aufsuchungsverhalten<br />

Eine ähnliche Einteilung nehmen MOOS <strong>und</strong> HOLAHAN (2003) vor, die Bewältigungs-Reaktionen<br />

in Annäherungs- vs. Vermeidungsformen sowie in kognitive <strong>und</strong> verhaltensbezogene<br />

Formen einteilen, jedoch auf die soziale Dimension verzichten. Eine komplexe Taxonomie,<br />

die auch den betroffenen Motivbereich (Anschluss, Leistung, Macht) berücksichtigt <strong>und</strong><br />

zwölf »Kernfamilien« des Copings unterscheidet, stammt von SKINNER et al. (2003).<br />

5.2.3.5 Prozessorientierung – »Transaktionen« als Analyseeinheit<br />

LAZARUS’ <strong>und</strong> FOLKMANs (1984) Coping-Modell ist ein »transaktionales« Konzept: Das<br />

Individuum <strong>und</strong> seine Umwelt stehen in <strong>dynamisch</strong>en (d. h. sich ständig verändernden)<br />

Wechselwirkungen (Transaktionen). Mediatoren dieser Beziehung sind individuelle Bewertungs-<br />

<strong>und</strong> Coping-Prozesse. »Bewertung« <strong>und</strong> »Coping« beschreiben also nicht invariante<br />

personale Traits oder Umwelt-Merkmale, sondern ergeben für die Autoren nur dann einen<br />

Sinn, wenn sie jeweils aktuelle, einzigartige <strong>und</strong> unwiederholbare Person-Umwelt-<br />

Transaktionen bezeichnen. Das Modell sucht damit über bewältigungsrelevante Persönlichkeitskonstrukte<br />

(z. B. Hardiness: KOBASA, 1979) hinauszureichen, die in ihren Operationalisierungen<br />

spezifische Bewältigungsobjekte, konkrete Bewältigungsepisoden <strong>und</strong> die<br />

zeitliche Dynamik des Copings nicht berücksichtigen.


5.2.3.6 Antezedenzien von Bewertung <strong>und</strong> Coping<br />

109<br />

Coping <strong>und</strong> Abwehr<br />

Eine wichtige Unterscheidung muss zwischen Coping <strong>und</strong> seinen Antezedenzien vorgenommen<br />

werden. Hierunter sollen relativ überdauernde personale <strong>und</strong> peristatische<br />

Einflussfaktoren verstanden werden, die die Vorbedingungen von Bewertungs- <strong>und</strong><br />

Copingprozessen darstellen. Beispiele lassen sich dem Bereich der persönlichkeits-, sozial-<br />

<strong>und</strong> ges<strong>und</strong>heitspsychologischen Konstrukte entnehmen (z. B. Kohärenzsinn: ANTONOVSKY,<br />

1990; Kontroll- <strong>und</strong> Selbstwirksamkeitsüberzeugungen: ROTTER, 1975; BANDURA, 1977),<br />

aber auch Motive, Überzeugungen, Werte, Normen, das soziale Netz <strong>und</strong> die ökonomischen<br />

Mittel spielen eine Rolle. Der Zusammenhang zwischen Persönlichkeitseigenschaften <strong>und</strong><br />

Coping wurde klar belegt (z. B. LEE-BAGGLEY, PREECE & DELONGIS, 2005). Angesichts der<br />

Komplexität des Einflussgeflechts kann jedoch bivariat nur eine schwache bis moderate<br />

Assoziation erwartet werden. Dies fanden z. B. NES <strong>und</strong> SEGERSTROM (2006), die metaanalytisch<br />

(k = 50, N = 11629) einen Zusammenhang von dispositionellem Optimismus <strong>und</strong><br />

annäherungs- bzw. vermeidungsorientierten Coping-Strategien fanden (r = .17 / -.21).<br />

Eine auch für die Schizophrenieforschung interessante Alternative zum kognitivtransaktionalen<br />

Coping-Modell von LAZARUS <strong>und</strong> FOLKMAN (1984), die sich besonders auf<br />

die Analyse von Antezedenzien konzentriert, stammt von HOBFOLL (1989): In seiner<br />

Conservation-of-Ressources-Theorie (COR) definiert er Stress als Reaktion auf einen<br />

tatsächlichen oder befürchteten Netto-Verlust von Ressourcen. Diese wiederum werden<br />

definiert als »… jene Objekte, personale Charakteristika, Bedingungen oder Energien, die<br />

vom Individuum geschätzt werden oder die als Mittel zur Erlangung solcher Objekte,<br />

personaler Charakteristika, Bedingungen oder Energien dienen« (S. 516, Übers. d. Verf.).<br />

Beispiele sind wertgeschätzte physische Objekte, Fähigkeiten <strong>und</strong> Selbstkonzept-Merkmale<br />

(Charakteristika), wichtige soziale Rollen <strong>und</strong> sozioökonomischer Status (Bedingungen),<br />

Zeit, Geld <strong>und</strong> Wissen (Energien). Bewältigungshandlungen werden nicht als primär<br />

problem- oder emotionszentriert gesehen, sondern dienen der Verlustminimierung durch<br />

weitere Investitionen, direkten Ersatz oder Substitution von Ressourcen. Das COR-Modell<br />

sagt vorher, dass Menschen mit ohnehin geringen Ressourcen nur kurzfristig wirksame<br />

Strategien zur Minimierung von Ressourcenverlusten anwenden, anstatt in die langfristige<br />

Entwicklung neuer Ressourcen investieren zu können.<br />

5.2.3.7 Copingstile<br />

Trotz der Prozessorientierung ihres Bewältigungsmodells postulierten auch LAZARUS <strong>und</strong><br />

FOLKMAN (1984), dass Menschen durchaus zu intraindividuell vergleichsweise stabilen,<br />

habituellen Copingstilen tendieren können – eine Annahme, die auch für die vorliegende<br />

Arbeit herangezogen wird: »… rather than argue for only a process-centered as opposed to<br />

a structural, trait-centered approach, we should recognize that there is both stability and<br />

change in coping …« (S. 130). FOLKMAN, LAZARUS, GRUEN <strong>und</strong> DELONGIS (1986) belegten<br />

eine moderate Stabilität emotionsorientierter Coping-Formen.<br />

Im Anschluss an LAUX <strong>und</strong> WEBER (1987) sollen Bewältigungsstile als zeitlich <strong>und</strong> transsituativ<br />

konsistente (d. h. generalisierte <strong>und</strong> stabile) Präferenzen für bestimmte Formen<br />

von Bewältigungsakten definiert werden (d. h. ceteris paribus reicht die zeitliche Invarianz<br />

nicht aus, der spezifische Bewältigungsmodus sollte auch im Angesicht unterschiedlicher<br />

Bewältigungsobjekte aktiviert werden). Mögliche »stilbildende« Faktoren sind (a) die<br />

Komplexität des verfügbaren Repertoires (Gibt es Alternativen?), (b) die kognitive<br />

Flexibilität des Handelnden, (c) die subjektive Effektivität einer Bewältigungsform, (d) der


110<br />

Coping <strong>und</strong> Abwehr<br />

Fokus der Bewältigung (mit einer höheren Stabilität emotionszentrierter Strategien: s.<br />

FOLKMAN et al., 1986).<br />

Während einige Untersuchungen des Bewältigungsverhaltens von Menschen mit Schizophrenie-Diagnosen<br />

sich einer ereignis- <strong>und</strong> verhaltensnahen Konzeptualisierung verpflichtet<br />

fühlen (z. B. über detaillierte Interviews <strong>und</strong> Tagebuchmethoden: WIEDL, 1992; WIEDL &<br />

RAUH, 1994), orientiert sich die Mehrheit der Studien an der dispositionellen Formulierung<br />

des Ansatzes <strong>und</strong> erfasst Copingstile bzw. coping-relevante Persönlichkeitsmerkmale (s.<br />

MOOS & HOLAHAN, 2003; SCHWARZER & SCHWARZER, 1996).<br />

Ein Blick auf die genannten stabilisierenden Faktoren legt tatsächlich eine höhere Stabilität<br />

des Bewältigungsverhaltens erkrankter Personen nahe. Die bereits besprochenen<br />

kognitiven Beeinträchtigungen könnten das Repertoire oder die Flexibilität der Bewältigung<br />

limitieren: So konnten VENTURA, NUECHTERLEIN, SUBOTNIK, GREEN <strong>und</strong> GITLIN<br />

(2004) einen annäherungsorienterten Bewältigungsstil u. a. durch die perzeptive Diskriminationsleistung<br />

vorhersagen, WILDER-WILLIS, SHEAR, STEFFEN <strong>und</strong> BORKIN (2002)<br />

ebenfalls aktives Coping durch Gedächtnis- <strong>und</strong> <strong>Exekutivfunktionen</strong>.<br />

Menschen mit Schizophrenie legen generell seltener aktives, problemorientiertes Coping<br />

im Umgang mit belastenden Lebensereignissen an den Tag als Kontrollpersonen oder<br />

haben ein geringeres gezeigtes Repertoire (VENTURA, NUECHTERLEIN & SUBOTNIK, 2002;<br />

MACDONALD, PICA & MCDONALD, 1998). Dafür berichten sie häufiger über vermeidende<br />

<strong>und</strong> distanzierende Strategien (HULTMAN, WIESELGREN & ÖHMAN, 1997; JANSEN,<br />

GISPEN-DE-WIED & KAHN, 1999).<br />

Fazit<br />

Aus einer Perspektive der Coping-Forschung, die den Umgang mit schizophrenie-spezifischen<br />

Bewältigungsobjekten <strong>und</strong> die Anpassung an eine veränderte<br />

Lebenswelt untersucht (vgl. WIEDL & SCHÖTTNER, 1989a), erfordert die Erkrankung<br />

erhebliche Adaptationsprozesse. Es muss die Möglichkeit in Betracht<br />

gezogen werden, dass manche Menschen mit Schizophrenie-Diagnosen einen<br />

intrapsychisch-distanzierenden, wenig sozialen Umgang mit der Erkrankung<br />

pflegen (z. B. MCGLASHAN et al., 1975) <strong>und</strong> ein autoplastisches Bewältigungsverhalten<br />

zeigen, dem durch subjektiv geringe personale Beeinflussungsmöglichkeiten<br />

bzw. geringe Ressourcen Vorschub geleistet werden sollte. Auch<br />

berichten Patienten generell weniger problem- <strong>und</strong> mehr emotionszentrierte<br />

Strategien. Da letztere eine moderate Stabilität aufweisen, könnte eine distanzierende<br />

Krankheitsverarbeitung auch Ausdruck eines generellen Bewältigungsstils<br />

sein.


6. <strong>Krankheitseinsicht</strong> von Menschen mit<br />

Schizophrenie-Diagnosen<br />

6.1 Einleitung: subjektive Krankheitskonzepte<br />

111<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

»Ich war schizophren. Ich weiß, wie es war. Weiß, wie die Welt aussah, wie sie sich<br />

anfühlte, was ich dachte <strong>und</strong> tun musste. Auch ich hatte meine ›guten Phasen‹, <strong>und</strong> ich<br />

weiß, wie ich sie erlebt habe <strong>und</strong> wie die Dinge jetzt sind. Das ist etwas ganz anderes.<br />

Jetzt bin ich ges<strong>und</strong>. Und auch das muss erlaubt sein.«<br />

LAUVENG (2008, S. 13)<br />

Bevor in den folgenden Abschnitten auf Krankheits-»Uneinsichtigkeit« bei Schizophrenie<br />

<strong>und</strong> auf Abwehr- <strong>und</strong> Bewältigungsprozesse als mutmaßliche Einflussfaktoren eingegangen<br />

wird, sollen zunächst subjektive Krankheitsmodelle von Menschen mit Schizophrenie-<br />

Diagnosen diskutiert werden, um die diskutierten Phänomene in einem breiteren ges<strong>und</strong>heitspsychologischen<br />

Bezugsrahmen zu betrachten, der von der Schizophrenieforschung<br />

bislang nicht hinreichend rezipiert wurde. Eine solche Betrachtungsweise ist erstens<br />

bedeutsam, weil Einsicht häufig als Übereinstimmung des subjektiven Krankheitsmodells<br />

des betroffenen Laien mit dem Expertenmodell der Schizophrenie verstanden wird (BÖKER,<br />

1999). Aus einer breiteren, ges<strong>und</strong>heitspsychologischen Perspektive handelt es sich bei der<br />

so verstandenen »<strong>Krankheitseinsicht</strong>« jedoch um den Sonderfall der Verinnerlichung eines<br />

bestimmten (d. h. des biopsychiatrischen) Krankheitsmodells, das u. a. durch die Annahmen<br />

einer weitgehenden biologischen Endogenie, eines hohen Rezidivrisikos <strong>und</strong> der<br />

Notwendigkeit von Pharmakotherapie gekennzeichnet ist. Ein tieferes Verständnis von<br />

Einsicht bei Schizophrenie, das Diskrepanzen nicht vorschnell als »psychotisch« pathologisiert,<br />

erfordert eine solche ges<strong>und</strong>heitspsychologische Konzeptualisierung, aus der heraus<br />

die motivationalen <strong>und</strong> epistemischen Bedingungen der Konstruktion alternativer<br />

Krankheitsrepräsentationen analysiert werden können.<br />

Auf eine detaillierte Beschreibung des zunehmend vom biopsychiatrischen »Brain<br />

disease«-Paradigma geprägten Expertenmodells der Schizophrenie-Spektrums-Störungen<br />

wurde verzichtet (z. B. AGRAWAL & HIRSCH, 2004): Hierzu existieren geeignete Übersichtsarbeiten<br />

(z. B. WALKER et al., 2004, 2008; KESHAVAN, TANDON, BOUTROS & NASRALLAH,<br />

2008). Zudem gestaltet sich die Formulierung eines konsensuellen Expertenmodells für<br />

psychische Störungen mit ihren komplexen <strong>und</strong> teilweise unverstandenen biopsychosozialen<br />

Wirkungszusammenhängen (noch) schwieriger als für den Bereich somatischer<br />

Akutkrankheiten (vgl. BENTALL, 2003) – auch dies sollte bei einer Diskussion der Bedingungen<br />

von »Einsicht« berücksichtigt werden.<br />

Zweitens wird Einsicht bei Schizophrenie, wie später ausführlicher gezeigt werden wird,<br />

gegenwärtig nicht mehr als binäres, sondern als kontinuierliches <strong>und</strong> mehrdimensionales<br />

Phänomen betrachtet, da beobachtet wurde, dass Fälle partieller Einsicht, in denen das<br />

Expertenmodell nur in bestimmten Aspekten oder nur bis zu einem bestimmten Grad<br />

verinnerlicht wird, im klinischen Alltag vergleichsweise häufiger auftreten als solche totaler<br />

Leugnung, in denen kein Störungserleben oder Krankheitsmodell vorliegt (oder berichtet<br />

wird). Es wird deutlich werden, dass einige der Einsichtsdimensionen, wie sie für die<br />

Schizophrenie formuliert wurden, sich gut in Einklang bringen lassen mit Dimensionen<br />

ges<strong>und</strong>heitspsychologischer Modelle der Krankheitsrepräsentation – <strong>und</strong> dass die


112<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

Konstruktion von Krankheitsüberzeugungen Möglichkeiten für eine defensive Bewältigung<br />

einer Erkrankung eröffnen (vgl. bereits die psychoanalytische Diskussion der Kausalattribution<br />

der Krebserkrankung von BARD <strong>und</strong> DYK, 1956).<br />

Es existieren mehrere sozial-kognitive Modelle, die Aussagen über Krankheitskognitionen<br />

<strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsverhalten treffen – darunter das bekannte Modell der Ges<strong>und</strong>heitsüberzeugungen<br />

(z. B. JANZ & BECKER, 1984), die Theorie des geplanten Verhaltens (z. B. AJZEN &<br />

MANSTEAD, 2007), die Theorie der Schutzmotivation (ROGERS, 1975) sowie Annahmen über<br />

ges<strong>und</strong>heitsbezogene Kontrollüberzeugungen (WALLSTON, WALLSTON & DEVELLIS, 1978)<br />

<strong>und</strong> Selbstwirksamkeit (O’LEARY, 1985). Herausgestellt werden soll das Common-Sense-<br />

Modell (CSM) von H. LEVENTHAL (z. B. MARTIN, ROTHROCK, LEVENTHAL & LEVENTHAL,<br />

2003; LEVENTHAL et al., 1992), das in jüngerer Zeit auch auf psychische Störungen<br />

angewendet wurde <strong>und</strong> die deutlichsten Beziehungen zu Konzepten der <strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

bei Schizophrenie aufweist (s. LOBBAN, BARROWCLOUGH & JONES, 2003).<br />

Abbildung 7 stellt die fünf Komponenten des Common-Sense-Modells von Erkrankungen<br />

dar. Dies sind (1.) ihre Identität (d. h. ihre Bezeichnung <strong>und</strong> die ihr zugeordneten<br />

Symptome); (2.) die erwarteten physiologischen, sozialen <strong>und</strong> verhaltensbezogenen Folgen;<br />

(3.) die vermuteten Ursachen; (4.) die erwartete Dauer; <strong>und</strong> (5.) die angenommenen<br />

personalen <strong>und</strong> professionellen Beeinflussungsmöglichkeiten. Von diesem deklarativen<br />

Krankheitskonzept unterschieden wird eine affektive Ebene des Krankheitsempfindens, die<br />

mit der kognitiven Krankheitsrepräsentation in Wechselwirkung stehen soll. Die sich an die<br />

Krankheitsrepräsentation anschließende Sequenz ähnelt dem kognitiv-transaktionalen<br />

Coping-Modell von LAZARUS <strong>und</strong> FOLKMAN (1984).<br />

Stimulus<br />

kognitive Repräsentation<br />

Identität<br />

Konsequenzen<br />

Ursache<br />

Dauer/Verlauf<br />

Kontrolle<br />

Affektive Repräsentation<br />

Ergebnis-<br />

Bewertung<br />

Krankheits- <strong>und</strong><br />

Ges<strong>und</strong>heitsverhalten<br />

Abbildung 7. Common-Sense-Modell der Krankheitsrepräsentation<br />

Für eine integrative Theorie der <strong>Krankheitseinsicht</strong> bei Schizophrenie ergeben sich aus der<br />

mehrdimensionalen Betrachtung subjektiver Krankheitskonzepte wichtige Anregungen zur<br />

Formulierung von Hypothesen: Die erste lautet, dass ein Krankheitsmodell von vermittelter<br />

<strong>und</strong> kognitiv verfügbarer Information über Symptomatologie, Prognose, Ätiologie <strong>und</strong><br />

Behandlungsmöglichkeiten beeinflusst wird. Angesprochen sind damit sowohl Modelle, die


113<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

die Bedeutung neurokognitiver Merkmale, z. B. die verbale Lern- <strong>und</strong> Merkfähigkeit, im<br />

Prozess der Einsichtsgenese betonen, als auch solche, die Krankheitswissen fokussieren<br />

(MACPHERSON, JERROM & HUGHES, 1996a, b).<br />

Da dem Individuum Information immer aus einem (sub-) kulturellen Kontext zufließt,<br />

der sich von dem des Diagnostikers stark unterscheiden kann, mag es zweitens sinnvoll sein<br />

(z. B. bei Gruppen mit Migrationshintergr<strong>und</strong>), eine soziokulturelle Perspektive einzunehmen<br />

(JOHNSON & ORRELL, 1995). ANGERMEYER <strong>und</strong> KLUSMANN (1988) merkten in diesem<br />

Zusammenhang bereits vor über zwei Jahrzehnten an, dass die Diskrepanz der Krankheitskonzepte<br />

von Experten <strong>und</strong> Laien insofern zunimmt, als einerseits ein Trend zur Biologisierung<br />

der Psychiatrie, andererseits eine Psychologisierung des Zeitgeistes zu verzeichnen<br />

seien.<br />

Drittens bieten spezifische Krankheitskognitionen dem palliativ bewältigenden Individuum<br />

verschiedene Möglichkeiten zur selbstwertstabilisierenden Abweichung vom Expertenmodell,<br />

ohne dieses in Gänze zu verwerfen (s. GREENFELD, STRAUSS, BOWERS &<br />

MANDELKERN, 1989; vgl. ROE, HASSON-OHAYON, KRAVETZ, YANOS & LYSAKER, 2008). Hier<br />

bieten sich vor allem defensive Konstruktionen der Identität, der Konsequenzen oder der<br />

Dauer der Erkrankung an (vgl. BREZNITZ, 1988), wobei auch konzeptuelle Dissoziationen<br />

zwischen den Repräsentationsdimensionen auftreten können: So mag ein Patient z. B. eine<br />

durchaus plausible, nicht-wahnhafte Ursachenzuschreibung vornehmen (z. B. »familiärer<br />

Stress«) <strong>und</strong> eine hohe Medikationsadhärenz zeigen, jedoch durch seine Psychiatrieerfahrung<br />

alternative Etiketten wie »Neurose« aufnehmen <strong>und</strong> so die Identität der Störung<br />

in Richtung einer weniger stigmatisierenden Entität modifizieren (LALLY, 1989; ROE &<br />

KRAVETZ, 2003); oder er etikettiert seine Erkrankung zwar in Übereinstimmung mit dem<br />

Expertenurteil <strong>und</strong> erkennt soziale Konsequenzen in der Vergangenheit an, verneint jedoch<br />

eine andauernde Vulnerabilität <strong>und</strong> verwirft folgerichtig sein Medikationsregime. Auch<br />

eine nicht-biologische Ursachenzuschreibungen (z. B. »Trauma«) <strong>und</strong> eine Betonung<br />

positiver Folgen (z. B. »spirituelles Wachstum«) kann der Erhaltung von Selbstwert <strong>und</strong><br />

Kontrollüberzeugungen dienen.<br />

Viertens sollten die Bewusstseinspflichtigkeit <strong>und</strong> der Grad der Ich-Syntonie vorherrschender<br />

Symptome die Konstruktion des Krankheitsmodells beeinflussen (MARKOVÁ &<br />

BERRIOS, 1995a). Gegenüberstellen lassen sich hier Positiv-Symptome, denen das bewusste<br />

Erleben inhärent ist, <strong>und</strong> manche Negativ- <strong>und</strong> Desorganisations-Symptome (z. B.<br />

Anhedonie, sozialer Rückzug, formale Denkstörungen), deren Erlebnisgrad gering oder<br />

zumindest unklar ist. Ob kognitive Prozesse <strong>und</strong> soziale Rückmeldungen eine differentielle<br />

Rolle in diesen Bereichen spielen, blieb bislang ungeklärt (s. Abschnitt 6.5.10).


6.2 Subjektive Krankheitskonzepte: qualitative Studien<br />

114<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

Bei der Erforschung subjektiver Krankheitskonzepte von Menschen mit Schizophrenie-<br />

Diagnosen sind Inhaltsanalysen von Interviewmaterial ein vielversprechender erster<br />

Schritt, um einen Eindruck der Problembewusstheit zu gewinnen <strong>und</strong> einen Katalog<br />

subjektiver Erklärungsmodelle aufzustellen.<br />

Es existieren wenige Arbeiten zu der Frage, wie Menschen mit Schizophrenie ihre<br />

Erkrankung selbst bezeichnen: FERRERI et al. (2000) befragten 304 nicht-stationäre<br />

französische Schizophrenie-Patienten, ob sie den Namen ihrer Erkrankung wüssten, was<br />

trotz einer mittleren Verlaufsdauer von 12 (±9) Jahren nur 62 % bejahten. Von diesen<br />

gaben 93 (58 %) eine psychiatrisch korrekte Bezeichnung an (z. B. »état psychotique«), der<br />

Rest nannte einzelne Symptome bzw. Umschreibungen (9 %), kognitive oder Persönlichkeits-Probleme<br />

(7 %), emotionale Störungen (17 %), sonstige Diagnosen (z. B. »obsessions«)<br />

oder idiosynkratische Bezeichnungen (6 %) oder dominierende erkrankungsbezogene<br />

soziale <strong>und</strong> Anpassungs-Probleme (3 %).<br />

Die qualitative Erforschung subjektiver Krankheitskonzepte beschäftigt sich allerdings<br />

primär mit Überzeugungen über Ursachen psychischer Probleme: Mehrere Arbeiten<br />

suchten hierzu nach Themen in den Narrativen von Betroffenen. Hierbei kann festgehalten<br />

werden, dass die überwiegende Mehrheit irgendeine Form von Krankheitsbewusstheit zeigt<br />

(z. B. 84 % der 50 befragten Patienten von DITTMANN <strong>und</strong> SCHÜTTLER, 1990) <strong>und</strong> versucht,<br />

ein »explanatives Modell« (KLEINMAN, 1980) ihres Zustandes zu konstruieren.<br />

SAYRE (2000) untersuchte die Inhalte von Gesprächen mit 35 stationär aufgenommenen<br />

Personen mit Schizophrenie-Diagnosen über die Ursachen ihrer Hospitalisierung <strong>und</strong> fand<br />

sechs Kategorien, die mit zunehmender Ablehnung der Behandlung einhergingen: (1.) die<br />

Attribution auf Persönlichkeitsmerkmale oder Verhaltensweisen („Probleme“); (2.) die<br />

Attribution auf physiologische Prozesse („Krankheit“); (3.) die Attribution auf stressvolle<br />

Lebens-Ereignisse bzw. -Umstände oder Erlebensqualitäten, die als zeitlich begrenzt<br />

gesehen werden („Krise“); (4.) die Attribution auf göttliche Einflussnahme („Bestrafung“);<br />

(5.) die Attribution auf Missverständnisse mit der sozialen Umwelt bezüglich der eigenen<br />

Sonderrolle <strong>und</strong> Aufgabe im Leben – diese Patienten waren im psychiatrischen Sinne<br />

wahnhaft; <strong>und</strong> (5.) die Rechtsverletzungs-Attribution auf widerrechtliche Zwangsmaßnahmen,<br />

denen mit Protest oder Rückzug begegnet wird. Das Krisen-Modell ließ sich am<br />

häufigsten nachweisen (38 %), gefolgt von der somatischen Ursachenzuschreibung (20 %).<br />

JACOBSON (2001) analysierte 30 veröffentlichte autobiographische Geschichten von<br />

Betroffenen <strong>und</strong> beschrieb sechs explanative Modelle von Erkrankung <strong>und</strong> Erholung: (1.)<br />

das biologische Modell einer genetisch-neurobiologischen Ätiologie; (2.) das Trauma-<br />

Modell, das den Ursprung einer Störung in pathogenen Faktoren der kindlichen Umwelt<br />

<strong>und</strong> des Behandlungsumfeldes verortet; (3.) das Diathese-Stress-Modell, das ein Zusammenspiel<br />

biologischer Anfälligkeit <strong>und</strong> externer Auslöser annimmt; (4.) das spirituellphilosophische<br />

Modell, das die psychische Krise als Teil der Selbstentwicklung sieht<br />

(s. auch SIEBERT, 2000); (5.) das politische Modell, das psychiatrische Erkrankungen als<br />

Fiktion <strong>und</strong> die Psychiatrie als Instrument sozialer Kontrolle interpretiert; <strong>und</strong> (6.) das<br />

Stigmatisierungsmodell (Spirit-breaking), das den Prozess der (Selbst-) Stigmatisierung<br />

<strong>und</strong> die aus ihm resultierende Angst <strong>und</strong> Hoffnungslosigkeit betont.<br />

ANGERMEYER <strong>und</strong> KLUSMANN (1988) befragten 198 Personen mit verschiedenen Psychose-Erkrankungen<br />

zu möglichen Krankheitsursachen. Zwar nahmen mindestens 40 bis 60 %<br />

der Personen mit Diagnosen des Schizophrenie-Spektrums multifaktorielle Ursachenzuschreibungen<br />

vor; psychische <strong>und</strong> soziale Ursachen wurden jedoch einzeln <strong>und</strong> in


115<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

Kombination am häufigsten genannt. So wurden zwei ätiologische Faktoren des biopsychiatrischen<br />

Modells, Neurotransmitter-Imbalance <strong>und</strong> perinatale Traumata, von weniger als<br />

10 % der Befragten für wahrscheinlich gehalten, während jeweils ca. die Hälfte den<br />

Ursachenvorschlägen Einsamkeit <strong>und</strong> belastende Lebensereignisse zustimmten. In neuerer<br />

Zeit scheinen biogenetische Kausalattributionen zwar zuzunehmen, psychosoziale<br />

Zuschreibungen führen jedoch weiterhin deutlich (HOLZINGER, KILIAN, LINDENBACH,<br />

PETSCHELEIT & ANGERMEYER, 2003).<br />

Auch wenn psychiatrische Schwierigkeiten berichtet werden, nehmen Betroffene oftmals<br />

eine Gewichtung ihrer Probleme vor, die von der des professionellen Behandlungspersonals<br />

abweichen dürfte: PHILLIPS, COOKE, COOKE <strong>und</strong> PETERS (2007) fanden, dass zwar 71 % der<br />

17 Gesprächspartner psychiatrische Probleme erwähnten, jedoch nur 42 % diese auch als<br />

ihr Hauptproblem identifizierten. 58 % nannten hingegen ein nicht-psychiatrisches Hauptproblem:<br />

29 % somatische Beschwerden <strong>und</strong> 30 % interpersonelle Beziehungen (z. B.<br />

wiederum Einsamkeit), Persönlichkeitsmerkmale (z. B. niedriges Selbstbewusstsein) oder<br />

lebenspraktische Probleme (z. B. Geldmangel). Auch bei PHILLIPS et al. (2007) beschrieben<br />

die meisten Teilnehmer eine multifaktorielle Ätiologie aus im Durchschnitt fünf Ursachen.<br />

Vor einer unkritischen Übertragung der auf dem Gebiet der somatischen Erkrankungen<br />

gewonnenen Erkenntnisse warnen KINDERMAN, SETZU, LOBBAN <strong>und</strong> SALMON (2006). Sie<br />

weisen darauf hin, dass sich die Krankheitsrepräsentationen von Patienten mit Schizophrenie<br />

in mindestens drei Punkten unterscheiden: Erstens besteht ein besonderes Verhältnis<br />

von Person <strong>und</strong> psychotischer Erkrankung – die distanzierende Objektivierung fällt<br />

aufgr<strong>und</strong> der psychischen Natur ihrer Symptome schwer (vgl. ESTROFF, 1989). Zweitens<br />

gestaltet sich die Erfassung von Krankheitsrepräsentationen schwierig, da manche<br />

Schizophrenie-Patienten klinische Termini auf eine idiosynkratische Weise verwenden.<br />

Drittens besteht eine gewisse Inkohärenz der Überzeugungssysteme, d. h. Überzeugungen<br />

bleiben unverb<strong>und</strong>en, widersprechen sich oder sind nur schwach ausgeprägt. Ätiologische<br />

»mosaic theories« von Patienten hatten auch HOLZINGER et al. (2003, S. 161) konstatiert,<br />

zugleich jedoch darauf hingewiesen, dass selbst Experten hier die letzte Sicherheit fehlt.<br />

Aus den qualitativen Untersuchungen subjektiver Krankheitskonzepte ergeben sich<br />

Folgerungen für die Diskussion von »<strong>Krankheitseinsicht</strong>«: Nicht nur Menschen mit primär<br />

organischen Erkrankungen konstruieren explanative Modelle (z. B. BARD & DYK, 1956).<br />

Auch Menschen mit Schizophrenie-Diagnosen suchen nach einer für sie plausiblen<br />

Erklärung ihrer Beschwerden. Ihre Modelle sind äußerst vielfältig, mit verschiedenen endo-<br />

<strong>und</strong> exogenetischen Annahmen, <strong>und</strong> reichen vom wissenschaftlich Plausiblen bis hin zum –<br />

im psychiatrischen Sinne – Wahnhaften (SAYRE, 2000; JACOBSON, 2001). Darüber hinaus<br />

existieren solche, die auf dieser Dimension nicht immer einfach zu verorten sind, etwa<br />

religiös-punitive oder spirituell-philosophische Modelle. Letztere sind auch deshalb<br />

interessant, weil seit einigen Jahren vermehrt über das Phänomen des persönlichen<br />

Wachstums durch schwere Krisen <strong>und</strong> Traumata geforscht wird (»personal/posttraumatic<br />

growth«), ein Trend, der im Zuge der sog. Recovery-Diskussion auch die Schizophrenie-<br />

Forschung erreicht hat (ROE & CHOPRA, 2003; SILVERSTEIN & BELLACK, 2008).<br />

Ein empathisches Verständnis solcher Modelle durch den Kliniker kann die therapeutische<br />

Beziehung stärken (FURMAN & AHOLA, 1988) <strong>und</strong> kognitiven Verhaltenstherapien<br />

Ansatzpunkte bieten (z. B. TURKINGTON, KINGDON & WEIDEN, 2006). Hier kann ein<br />

Beharren auf dem biopsychiatrischen Modell <strong>und</strong> dessen Vermittlung durch reine Psychoedukation<br />

zu kurz greifen (KLIMITZ, 2006).


116<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

Fazit<br />

Viele Patienten konstruieren multifaktorielle Modelle von Verursachung,<br />

Verlauf <strong>und</strong> Remission. Die deutlichsten Abweichungen vom biopsychiatrischen<br />

Modell liegen in der relativ stärkeren zeitlichen Begrenzung der Probleme<br />

(»Krise« statt »Krankheit«) <strong>und</strong> in der Akzentuierung externaler psychosozialer<br />

Ursachen (SAYRE, 2000; ANGERMEYER & KLUSMANN, 1988). Hierin<br />

könnte sich erstens das Bestreben nach der Stabilisierung des Selbstwerts <strong>und</strong><br />

der Aufrechterhaltung von Hoffnung widerspiegeln. Zweitens könnte hierin<br />

zum Ausdruck kommen, dass die im biopsychiatrischen Modell vermuteten<br />

distalen biologischen Ursachen weit entfernt sind von dem Erleben <strong>und</strong> den<br />

Bedürfnissen von Menschen mit Schizophrenie-Diagnosen (z. B. nach interpersonellen<br />

Beziehungen: ANGERMEYER & KLUSMANN, 1988; PHILLIPS et al., 2007).<br />

6.3 Subjektive Krankheitskonzepte: quantitative Studien<br />

Die quantitative Erforschung von Krankheitskonzepten bei Schizophrenie kann seit einigen<br />

Jahren auf eine Reihe spezieller Fragebögen zurückgreifen: Der für Schizophrenie modifizierte<br />

Illness Perception Questionnaire (IPQS) erfasst die Komponenten des Common-<br />

Sense-Modells (IPQ: WEINMAN, PETRIE, MOSS-MORRIS & HORN, 1996; IPQS: JOLLEY &<br />

GARETY, 2004; LOBBAN, BARROWCLOUGH & JONES, 2005).<br />

Der Personal Beliefs about Illness Questionnaire (PBIQ: BIRCHWOOD, MASON,<br />

MCMILLAN & HEALY, 1993) zielt ab auf Einschätzungen (a) der persönlichen Kontrolle bzw.<br />

Selbstwirksamkeit bei der Bewältigung von Krankheit <strong>und</strong> Symptomen, (b) der internalstabilen<br />

Ursachenzuschreibung, (c) der negativen Zukunftserwartungen aufgr<strong>und</strong> der<br />

Krankheit, (d) der Scham <strong>und</strong> (e) der Berechtigung sozialer Segregation.<br />

Die (Modified) Engulfment Scale (ES/MES: LALLY, 1989; MCCAY & SEEMAN, 1998)<br />

basiert auf LALLYs (1989) soziologischem Selbststigmatisierungs-Konzept <strong>und</strong> umfasst<br />

Items zur <strong>Krankheitseinsicht</strong> im engeren Sinne <strong>und</strong> solche zu generalisierten Erwartungen<br />

negativer Erkrankungsfolgen sowie zur Chronifizierung von Störung <strong>und</strong> Patientenrolle.<br />

Während der IPQS ein theoriegeleiteter Krankheitskonzept-Fragebogen ist, lassen sich<br />

PBIQ <strong>und</strong> MES konzeptuell in die Nähe von Stigma-Instrumenten rücken (s. RÜSCH,<br />

ANGERMEYER & CORRIGAN, 2005). Sie wurden dennoch berücksichtigt, da sie ebenfalls<br />

Überzeugungen zu Kontrolle, Konsequenzen <strong>und</strong> Chronifizierung der Erkrankung erheben.<br />

Erste systematische Studien zu Krankheitskonzepten bestätigten die klinische Erfahrung,<br />

dass viele Menschen mit Schizophrenie-Diagnosen das Krankheitsetikett »Schizophrenie«<br />

negativ bewerten, ohne zugleich das Vorliegen einer Erkrankung r<strong>und</strong>weg zu leugnen<br />

(KINGDON et al., 2008), was mit dem Stigma des Begriffs erklärt wird.<br />

Diese Ablehnung des Etiketts ist im Übrigen nicht auf Patienten beschränkt: Wegen der<br />

nosologischen Probleme des neokraepelinianischen Schizophrenie-Konzepts (vgl. BENTALL,<br />

2003) wird auch auf Expertenseite über dessen Dekonstruktion nachgedacht (z. B.<br />

ALLARDYCE, GAEBEL, ZIELASEK & VAN OS, 2007). Von einigen Autoren wird hierfür der zwar<br />

in den Diagnosesystemen abgeschaffte, in der Praxis jedoch nie aufgegebene Begriff<br />

»Psychose« propagiert (z. B. KINGDON et al., 2008).<br />

Bislang wurde mit dem Einsatz von Krankheitskonzept-Instrumenten vor allem eine<br />

Erklärung komorbider bzw. postpsychotischer affektiver Störungen angestrebt. Die bisher<br />

gesammelten Erfahrungen mit MES, PBIQ <strong>und</strong> IPQ liefern solide Belege dafür, dass eine


117<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

negative Bewertung der Erkrankung als depressogener Faktor betrachtet werden muss (vgl.<br />

BIRCHWOOD, 2003): So korreliert <strong>Krankheitseinsicht</strong> hoch mit dem subjektiven<br />

»Verschlungenwerden von der Krankenrolle« (WILLIAMS & COLLINS, 2002) <strong>und</strong> diese<br />

Einschätzung wiederum mittelgradig bis stark mit Depressivität, geringerem Selbstwert,<br />

geringerer Selbstwirksamkeit <strong>und</strong> größerer Hoffnungslosigkeit (MCCAY & SEEMAN, 1998).<br />

ROOKE <strong>und</strong> BIRCHWOOD (1998) zeigten längsschnittlich (über 2,5 Jahre), dass sich<br />

Depressivität (BDI) bei kontrollierten Baseline-Scores durch die subjektive Kontrolle über<br />

die Erkrankung (PBIQ) zu Studienbeginn vorhersagen ließ. BIRCHWOOD, IQBAL <strong>und</strong><br />

UPTHEGROVE (2005) fanden später, dass Personen mit postpsychotischer Depression (PPD)<br />

ihre psychotische Erkrankung schon vor Einsetzen der Depression im PBIQ als unkontrollierbarer,<br />

selbstverschuldeter <strong>und</strong> sozial erniedrigender einschätzen als Non-PPD-<br />

Probanden. WHITE, MCCLEERY, GUMLEY <strong>und</strong> MULHOLLAND (2007) demonstrierten<br />

zusätzlich, dass eine subjektive Unkontrollierbarkeit der Erkrankung, Selbstbeschuldigungen,<br />

negative Zukunftserwartungen, Scham <strong>und</strong> eine subjektive Legitimität von sozialer<br />

Ausgrenzung (PBIQ, z. B. »People like me must be controlled by psychiatric services«)<br />

mäßig bis hoch mit allgemeiner Hoffnungslosigkeit korrelierten (Beck Hopelessness Scale,<br />

BHS: r = .36 bis .57, p < .001; N = 100), der letzte Aspekt sogar über Schizophrenie-<br />

Symptomatik <strong>und</strong> Depressivität hinaus. Bei KARATZIAS, GUMLEY, POWER <strong>und</strong> O’GRADY<br />

(2007) leistete Schizophrenie-Symptomatik in einer logistischen Regression keinen Beitrag<br />

zur Entdeckung einer komorbiden affektiven Störung (45 %) bei Patienten mit Schizophrenie-Spektrums-Störungen<br />

(N = 138), während wiederum subjektive Kontrolle (PBIQ) das<br />

Vorliegen von Angst <strong>und</strong> Depressivität von allen Prädiktoren am besten vorhersagte (OR =<br />

1,54; p < .001).<br />

LOBBAN, BARROWCLOUGH <strong>und</strong> JONES (2004, 2005) konnten quer- <strong>und</strong> längsschnittlich<br />

demonstrieren, dass die subjektiven negativen Konsequenzen der Erkrankung für die<br />

Ausübung wichtiger Rollenfunktionen (IPQS) bei der Vorhersage von Depressivität <strong>und</strong><br />

Lebensqualität über den Beitrag von Schizophrenie-Symptomatik <strong>und</strong> Baseline hinaus<br />

inkrementell valide sind (∆R 2 = 3 bzw. 8 %; R 2 = .51/.55; N = 91/89). Mehrfach repliziert<br />

wurden von LOBBAN et al. (2004, 2005) zudem Zusammenhänge von negativer Emotionalität<br />

mit der Erwartung von Chronifizierung, zyklischem Erkrankungsverlauf <strong>und</strong> geringer<br />

Behandelbarkeit. Auch WATSON et al. (2006) fanden Korrelationen dieser Repräsentations-<br />

Dimensionen mit Depressivität, Ängstlichkeit <strong>und</strong> (geringem) Selbstwert (r = .40 bis .56;<br />

N = 100).<br />

Fazit<br />

Als Fazit der quantitativen Betrachtung von Krankheitskonzepten bei Schizophrenie<br />

lässt sich konstatieren, dass erstens das Label »Schizophrenie« auf eine<br />

geringe Akzeptanz bei Betroffenen stößt <strong>und</strong> dass zweitens die Erwartungen<br />

eines chronischen Verlaufs, von negativen psychosozialen <strong>und</strong> ökonomischen<br />

Konsequenzen <strong>und</strong> einer geringen persönlichen Kontrolle <strong>und</strong> Behandelbarkeit<br />

die Entstehung affektiver Störungen bei Schizophrenie begünstigt.


6.4 Über die Motivation zur defensiven Verarbeitung:<br />

Selbst-Stigmatisierung bei Psychose-Erkrankungen<br />

118<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

»I do not like walking aro<strong>und</strong> with this thing on me that says I am schizophrenic. I<br />

mean, you know, if I was just thought to be schizophrenic I wouldn’t have much chance<br />

at all … because people would be thinking of me as having psychosis all the times<br />

and schizoaffective is really a different thing.«<br />

Patient »Peter« (ROE & KRAVETZ, 2003, S. 421)<br />

»People are not afraid of a diabetes patient. A diabetes patient would probably feel<br />

free to tell anyone that he or she has diabetes, without expecting possible rejection or<br />

shunning. I have frequently been warned by health professionals never to tell anyone,<br />

apart from close family, the name of my sickness. Diabetes patients can even tell an<br />

employer about their disease, whereas schizoaffective patients would be most unwise<br />

to.« (ANONYMUS, 2007, S. 847)<br />

In den Ausführungen zu subjektiven Krankheitsmodellen bei Schizophrenie wurde deutlich,<br />

dass Zusammenhänge zwischen Krankheitskognitionen <strong>und</strong> negativer Emotionalität<br />

bestehen. Diese betreffen v. a. die Erwartungen, dass die Erkrankung von Dauer sein wird,<br />

geringe Kontrollmöglichkeiten bestehen, der soziale Status gesenkt <strong>und</strong> die Identität auf die<br />

Krankenrolle reduziert wird (LALLY, 1998). »Postpsychotische Depression« ist in dieser<br />

Sichtweise zumindest bei einem Teil der Betroffenen kein natürliches Erkrankungsschicksal,<br />

sondern das Resultat maladaptiver Bewertungs- <strong>und</strong> Bewältigungsprozesse. Um diese<br />

zu verstehen, soll das Forschungsfeld der Stigmatisierung bei psychischen Erkrankungen<br />

gestreift werden, das eine Antwort auf die naheliegende Frage gibt, was Menschen mit<br />

Schizophrenie-Diagnosen motivieren könnte, in der Einschätzung der Dauer oder Identität<br />

ihrer Erkrankung von der Expertenmeinung abzuweichen.<br />

In ihrer Konzeptualisierung von »Stigma« aus der von GOFFMAN (1963) begründeten soziologischen<br />

Perspektive nennen LINK <strong>und</strong> PHELAN (2001) fünf definitorische Bestimmungsstücke<br />

einer Stigmatisierung: Erstens werden Menschen in einem Prozess sozialer<br />

Konstruktion <strong>und</strong> Selektion anhand bestimmter Merkmale differenziert <strong>und</strong> die so<br />

gebildeten Gruppen mit einem Etikett (engl. label) versehen (z. B. »Schizophrene«). Die<br />

Salienz der zur Unterscheidung herangezogenen Attribute variiert dabei in Abhängigkeit<br />

von soziokulturellen <strong>und</strong> historischen Strömungen.<br />

Zweitens werden die Etiketten mit Stereotypen verknüpft, die im Fall der Stigmatisierung<br />

als negativ bewertete Eigenschaften einschließen (d. h. Vorurteile, wie das, »Schizophrene«<br />

seien unberechenbar <strong>und</strong> gewalttätig). Viele Studien zeigen eindeutig, dass derartige<br />

Vorurteile über Menschen mit psychischen Erkrankungen in der Population weit<br />

verbreitet sind (ANGERMEYER & DIETRICH, 2006).<br />

Drittens kommt es zu einer Art Reifikation des Etiketts: Die stigmatisierte Gruppe wird<br />

betrachtet, als sei sie nicht nur eine soziale Konstruktion, sondern f<strong>und</strong>amental verschieden.<br />

Viertens stellen die Etikettierung, Stereotypisierung <strong>und</strong> Ausgrenzung die Gr<strong>und</strong>lage<br />

für einen Abstieg in der sozialen Hierarchie (Statusverlust) sowie individuelle <strong>und</strong> strukturelle<br />

Diskriminierung dar.


119<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

Während die kontrovers diskutierte soziogenetische Labeling-Theorie von SCHEFF (1966)<br />

der Etikettierung eine wichtige Rolle in der Ätiologie psychischer Erkrankungen zuwies,<br />

rücken neuere Theorien die Bewältigung <strong>und</strong> Konsequenzen von Stigmatisierung (wieder)<br />

in den Mittelpunkt. Sie folgen dabei einem kognitiv-konstruktivistischen Ansatz: Relevant<br />

sind weniger die objektiven diskriminierenden Reaktionen der Umwelt, sondern die subjektiven<br />

Konzepte des Individuums über die Bedeutung des Etiketts <strong>und</strong> die zu erwartende<br />

soziale Abwertung <strong>und</strong> Benachteiligung. Die wichtigste neuere Theorie in diesem Bereich<br />

ist die Modifizierte Labeling-Theorie (MLT) von LINK, CULLEN, STRUENING, SHROUT <strong>und</strong><br />

DOHRENWEND (1989). Aufbauend auf SCHEFF (1966) beschreibt sie, wie Menschen die im<br />

Rahmen ihrer Sozialisation erworbenen negativen Konzepte von psychischer Erkrankung<br />

nach einer Etikettierung (Diagnose) gegen sich selbst wenden.<br />

Negative Konsequenzen der Stigmatisierung (z. B. reduzierter Selbstwert, Scham,<br />

Ausdünnung des sozialen Netzwerks) können nach der MLT sowohl direkte Effekte des<br />

Stigmas sein als auch durch inadaptive Coping-Reaktionen mediiert werden. LINK et al.<br />

(1989) nennen hierzu drei Formen der Stigma-Bewältigung: Geheimhaltung, sozialer<br />

Rückzug bzw. die Begrenzung der Interaktionen auf Eingeweihte <strong>und</strong> Betroffene <strong>und</strong><br />

Aufklärung anderer Menschen.<br />

Konzeptuell elaboriert wurde die Forschung zum Stigma psychischer Erkrankung v. a.<br />

durch CORRIGAN <strong>und</strong> Mitarbeiter (CORRIGAN & WATSON, 2002; CORRIGAN & RÜSCH, 2002;<br />

CORRIGAN, WATSON & BARR, 2006; WATSON, CORRIGAN, LARSON & SELLS, 2007): Um<br />

differentielle Reaktionen auf potenziell stigmatisierende Etiketten <strong>und</strong> spezifische Probleme<br />

(wie die Nicht-Inanspruchnahme von Behandlung) theoretisch erfassen zu können,<br />

wiesen sie in ihrem situativen Modell der persönlichen Reaktion auf die Bedeutung der<br />

Identifikation mit der stigmatisierten Gruppe <strong>und</strong> der wahrgenommenen Legitimität der<br />

Diskriminierung hin (CORRIGAN & WATSON, 2002). So lässt sich z. B. eine offensive<br />

Bewältigungsreaktion (Empörung über erlebte Stigmatisierung) aus hoher Identifikation<br />

mit der stigmatisierten Gruppe <strong>und</strong> niedriger subjektiver Berechtigung der Stigmatisierung<br />

vorhersagen (vgl. auch WILLIAMS, 2008).<br />

Die »Identifikation mit der Gruppe« dieser Forschungsrichtung darf allerdings weder<br />

mit der subjektiven Identität der Erkrankung im Sinne des Common-Sense-Modells noch<br />

mit <strong>Krankheitseinsicht</strong> i. e. S. gleichgesetzt werden, sondern besteht im Anschluss an<br />

JETTEN, SPEARS <strong>und</strong> MANSTEAD (1996) eher in einer Identifikation mit Krankenrolle <strong>und</strong><br />

Patientenpopulation. Das empirische Bild zur Rolle dieser »Identifikation« blieb bislang<br />

inkonsistent (WATSON et al., 2007).<br />

Die »Zwei-Faktoren-Theorie« (z. B. CORRIGAN & RÜSCH, 2002) unterscheidet ferner<br />

systematisch zwischen öffentlicher Stigmatisierung <strong>und</strong> Selbststigmatisierung, also der<br />

Veränderung des Selbstkonzepts im Einklang mit negativen Stereotypen. Damit es zur<br />

Selbststigmatisierung kommt, muss eine Person sich erstens der negativen öffentlichen<br />

Stereotype bewusst sein, diesen zweitens zustimmen <strong>und</strong> sie drittens auf sich selbst<br />

anwenden (stereotype awareness stereotype agreeement self-concurrence) – erst<br />

dann, so das Modell, leidet der Selbstwert (CORRIGAN et al., 2006). Abbildung 8 stellt die<br />

zentralen Annahmen der Gruppe um CORRIGAN vereinfacht dar.<br />

Die Identifikation mit der Gruppe der Erkrankten <strong>und</strong> eigene Vorurteile sollten den<br />

Umgang mit Diagnose <strong>und</strong> Behandlung beeinflussen: WILLIAMS (2008) formulierte eine<br />

Typologie möglicher »post-diagnostischer Identitäten«, die Individuen in Abhängigkeit von<br />

ihrer Stereotypen-Zustimmung (ST) <strong>und</strong> Identifikation (ID) mit der Gruppe der Menschen<br />

mit Schizophrenie-Diagnosen annehmen können. Er unterscheidet mit LALLY (1989)<br />

»Verschlungene« (ST[+]/ID[+]) mit Kranken-Identität, Rückzug in das Versorgungssystem


120<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

<strong>und</strong> Demoralisierung; »Widerständige« (ST[+]/ID[-]), die ihre Erkrankung <strong>und</strong> Zugehörigkeit<br />

zur Krankengruppe leugnen <strong>und</strong> andere Identitäten anstreben, um die internalisierten<br />

negativen Stereotypen nicht auf sich selbst anwenden zu müssen – diese sollten im<br />

psychiatrischen Sinne am deutlichsten »uneinsichtig« sein; ferner »Abgelöste« (ST[-]/<br />

ID[-]), die ebenfalls andere Identitäten in den Vordergr<strong>und</strong> rücken <strong>und</strong> sich nicht sonderlich<br />

mit der Patientenrolle identifizieren, jedoch aufgr<strong>und</strong> ihrer Zurückweisung von<br />

Stereotypen kooperativ <strong>und</strong> emotional indifferent agieren; <strong>und</strong> schließlich »Erstarkte«<br />

(ST[-]/ID[+]), die positiv in der Patientenidentität aufgehen <strong>und</strong> häufig die Rolle aktiver<br />

Fürsprecher der Gemeinschaft der Psychose-Erfahrenen einnehmen.<br />

erlebte<br />

Diskriminierung<br />

Gruppen-<br />

Identifikation<br />

»Einsichtiges«<br />

Krankheitsmodell<br />

Mediation?<br />

Schizophrenie-<br />

Symptomatik<br />

wahrgenommene<br />

Legitimität<br />

Selbststigmatisierung<br />

Stereotypen-Bewusstheit<br />

Stereotypen-Zustimmung<br />

Selbst-Verurteilung<br />

Abbildung 8. Heuristisches Modell der Selbststigmatisierung<br />

Mediation?<br />

[-] Selbstwert<br />

[-] Selbstwirksamkeit<br />

[+] Depressivität<br />

[+] Ängstlichkeit<br />

Empirische Bef<strong>und</strong>e stützen eine Reihe von Annahmen der skizzierten Stigmatisierungstheorien<br />

für Schizophrenie: Scham <strong>und</strong> soziale Ängstlichkeit sind häufige Reaktionen auf<br />

die erste Episode einer psychotischen Erkrankung (BIRCHWOOD et al., 2007; MILLER &<br />

MASON, 2005). Menschen mit Schizophrenie-Diagnosen erwarten <strong>und</strong> erleben häufig<br />

Diskriminierung im interpersonalen Bereich (HOLZINGER, BECK, MUNK, WEITHAAS &<br />

ANGERMEYER, 2003; DICKERSON, SOMMERVILLE, ORIGONI, RINGEL & PARENTE, 2002). Wahrgenommenes<br />

Stigma resultiert in höherer Depressivität, geringerer Hoffnung, geringerem<br />

Selbstwert (YANOS, ROE, MARKUS & LYSAKER, 2008), geringerer Selbstwirksamkeit,<br />

stärkerer Geheimhaltung <strong>und</strong> sozialem Rückzug (KLEIM et al., 2008). RITSHER <strong>und</strong> PHELAN<br />

(2004) <strong>und</strong> LYSAKER, DAVIS, WARMAN, STRASBURGER <strong>und</strong> BEATTIE (2007) konnten über<br />

einen Zeitraum von vier bzw. sechs Monaten hinweg Depressivität nach Kontrolle von<br />

Baseline-Symptomatik aus der subjektiven Stigmatisierung vorhersagen (r = .37, p < .05;<br />

Internalized Stigma of Mental Illness Scale, ISMI: RITSHER, OTILINGAM & GRAJALES, 2003).<br />

LYSAKER, ROE <strong>und</strong> YANOS (2007) zeigten zusätzlich clusteranalytisch, dass sich Personen<br />

mit minimalem vs. moderatem internalisierten Stigma hypothesenkonform in Hoffnungslosigkeit<br />

(g = 0,85) <strong>und</strong> Selbstwert (g = -1,33) unterschieden. Die Probanden eines weiteren<br />

Clusters, die sich, anders als die der anderen Cluster, als nicht psychisch krank einschätzten,<br />

unterschieden sich in Hoffnungslosigkeit <strong>und</strong> Selbstwert nicht von der Gruppe mit<br />

minimalem Stigma.


121<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

WARNER, TAYLOR, POWERS <strong>und</strong> HYMAN (1989) fanden, dass nicht nur Stereotypen-Zustimmung<br />

(Stigmatisierung) <strong>und</strong> die Übernahme eines psychiatrischen Etiketts (<strong>Krankheitseinsicht</strong>),<br />

sondern auch ihre Interaktion einen niedrigeren Selbstwert von Patienten mit<br />

Psychose-Erkrankungen vorhersagten (ges. R 2 = .36, p < .001). Die Autoren bedienten sich<br />

dabei eines semantischen Differentials, auf dem »the average mentally ill person«<br />

eingeschätzt werden sollte (z. B. »predictable – unpredictable«). Bei MECHANIC, MCALPINE,<br />

ROSENFIELD <strong>und</strong> DAVIS (1994) wiesen Personen, die eine mutmaßlich weniger stigma-<br />

tisierende biomedizinische Kausalattribution ihrer Erkrankung vornahmen (vgl. CORRIGAN<br />

& WATSON, 2004), positivere soziale Beziehungen <strong>und</strong> eine höhere Lebensqualität auf.<br />

Aus den geschilderten Theorien <strong>und</strong> Bef<strong>und</strong>en zum Stigma der Schizophrenie <strong>und</strong><br />

seinen Folgen lässt sich unmittelbar eine Motivation von Menschen mit Schizophrenie-<br />

Diagnosen ableiten, ihr Stigma (d. h. die Erkrankung) entweder bewusst zu verheimlichen<br />

(LINK et al., 1989) oder dem Expertenmodell eine defensive, selbstwertdienliche Interpretation<br />

entgegenzusetzen – z. B. das Etikett der Erkrankung anzuzweifeln oder die Zugehörigkeit<br />

zur stigmatisierten Gruppe als zeitlich begrenzt zu betrachten (vgl. BREZNITZ, 1988;<br />

GREENFELD et al., 1989; LALLY, 1989; ROE & KRAVETZ, 2003). Darüber hinaus wird<br />

diskutiert, ob Patienten nicht auch Psychopharmaka-Einnahme <strong>und</strong> Behandlungsteilnahme<br />

als stigmatisierend auffassen (SAJATOVIC & JENKINS, 2007) <strong>und</strong> verheimlichen könnten.<br />

Ersten Bef<strong>und</strong>en zufolge scheint die Stigmatisierung, die mit psychiatrischer Behandlung<br />

verb<strong>und</strong>en ist, der Adhärenz abträglich zu sein (FUNG, TSANG & CORRIGAN, 2008; CORRIGAN<br />

& RÜSCH, 2002).<br />

Während wiederholt Korrelationen von subjektiver Stigmatisierung <strong>und</strong> negativer Emotionalität<br />

gef<strong>und</strong>en werden konnten, blieb die Bef<strong>und</strong>lage für Positiv- <strong>und</strong> Negativsymptomatik<br />

bislang inkonsistent: DICKERSON et al. (2002) fanden z. B. keine Zusammenhänge<br />

zwischen Stigmatisierung <strong>und</strong> Schizophrenie-Symptomatik, verwendeten allerdings einen<br />

Fragebogen, der vor allem erlebte Stigmatisierung <strong>und</strong> nicht Selbststigmatisierung abfragt<br />

(Consumer Experiences of Stigma Questionnaire, CESQ).<br />

ERTUGRUL <strong>und</strong> ULUG (2004) fanden zwar stärkere Positiv- <strong>und</strong> Negativsymptomatik bei<br />

Patienten, die negative Reaktionen ihrer Umwelt berichteten, allerdings waren ihre Fragen<br />

aus dem Disability Assessment Schedule (WHO-DAS-II) derart formuliert, dass sie auch<br />

mit dem Erleben wahnhafter Personen korrespondieren können <strong>und</strong> daher für die Stigma-<br />

Forschung ungeeignet sind. Nur geringfügig geeigneter ist das Item von TARRIER, KHAN,<br />

CATER <strong>und</strong> PICKEN (2007), die Patienten fragten, ob sie sich als Konsequenz ihrer Psychose<br />

stigmatisiert fühlten. Patienten, die dies bejahten, wiesen stärkere Positivsymptomatik auf<br />

(g = 1,06; p < .01).<br />

Eine eindeutigere Sprache spricht die Studie von LYSAKER, DAVIS et al. (2007), die<br />

fanden, dass sich Positivsymptomatik längsschnittlich nur marginal signifikant über die<br />

Kontrolle der Baseline-Symptomatik hinaus durch verinnerlichtes Stigma (ISMI) vorhersagen<br />

ließ (r = .29, p < .10), während umgekehrt die Baseline-Positivsymptomatik eine über<br />

den Beitrag der Baseline-Stigmatisierung hinausreichende Prädiktion der subjektiven<br />

Stigmatisierung nach sechs Monaten erlaubte (r = .37, p < .05). Negativsymptomatik hing<br />

nicht mit internalisiertem Stigma zusammen. Bei PENN, KOHLMAIER <strong>und</strong> CORRIGAN (2000)<br />

hingegen ließ sich zumindest der Wunsch nach sozialer Distanz (als Maß der Stigmatisierung),<br />

den Betrachter gefilmter sozialer Interaktionen von Personen mit Schizophrenie<br />

äußerten, durch soziale Fertigkeiten <strong>und</strong> Negativsymptomatik der Akteure erklären.<br />

Eine in diesem Zusammenhang interessante Erkenntnis lässt sich aus einer Clusteranalyse<br />

von LYSAKER <strong>und</strong> SALYERS (2007) gewinnen (N = 128), die das klinische Profil von<br />

Patienten mit Schizophrenie <strong>und</strong> komorbiden Angstzuständen untersuchten. Ein für die


122<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

Autoren »unexpected finding« (S. 296) besteht darin, dass Probanden des Clusters mit<br />

großer Angst (T = 89) nicht nur die größte Hoffnungslosigkeit <strong>und</strong> Depressivität sowie die<br />

geringste Lebensqualität, sondern zugleich auch die stärksten Halluzinationen aufwiesen<br />

<strong>und</strong> sich am ehesten als psychisch krank einschätzten.<br />

Internalisiertes Stigma wurde hier nicht erhoben, dafür in der bereits erwähnten<br />

Clusteranalyse von LYSAKER, ROE <strong>und</strong> YANOS (2007): Hier zeigte sich, dass Probanden eines<br />

subjektiv stigmatisierten <strong>und</strong> eher krankheitseinsichtigen Clusters, das die niedrigsten<br />

Mittelwerte in Hoffnung <strong>und</strong> Selbstwert aufwies, zugleich signifikant positiv- <strong>und</strong> negativsymptomatischer<br />

waren (g = 0,78 bzw. 0,69) als die Probanden eines ebenso einsichtigen,<br />

aber deutlich weniger stigmatisierten (g = -1,96) Clusters. Es ist eine interessante Arbeitshypothese,<br />

dass sich Menschen mit bewusst erlebten Symptomen einer psychischen<br />

Erkrankung am ehesten selbst stigmatisieren <strong>und</strong> entsprechend häufiger negative emotionale<br />

Konsequenzen erleiden.<br />

Für den Zusammenhang von Positivsymptomatik <strong>und</strong> Stigma-Erleben sind gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

vier Wirkpfade denkbar: Erstens könnten dieselben affektiv-kognitiven Mechanismen,<br />

die als Gr<strong>und</strong>lage des paranoiden Denkens postuliert worden sind (z. B. FREEMAN, 2007),<br />

unabhängig von objektiver Diskriminierung das Erleben von Stigmatisierung steigern.<br />

Zweitens könnten Menschen, die aufgr<strong>und</strong> ihrer Symptomatik die Normen sozialer<br />

Interaktion verletzen, tatsächlich diskriminiert werden (z. B. durch Reaktionen auf Halluzinationen<br />

oder Affektverflachung: PENN et al., 2000). Zudem wird Personen mit stärkerer<br />

Symptomatik die Ausübung bestimmter sozialer Rollen notwendigerweise erschwert, was<br />

als »strukturelle« Diskriminierung berichtet werden könnte.<br />

Drittens könnte der Stress des erlebten Stigmas die Symptomatik direkt oder sek<strong>und</strong>är<br />

über dysfunktionale Bewältigungsreaktionen wie sozialen Rückzug (YANOS et al., 2008) <strong>und</strong><br />

Nonadhärenz exazerbieren lassen, was auch die Modifizierte Labeling-Theorie vorhersagt<br />

(LINK et al., 1989).<br />

Und viertens könnten ungewöhnliche Erlebnisse (z. B. Halluzinationen), wenn diese<br />

einsichtig als »Symptomatik« einer Erkrankung oder zumindest als Normabweichung<br />

aufgefasst werden, Selbststigmatisierung direkt begünstigen – z. B. indem das Symptom-<br />

Erleben als beweisend für die Legitimität negativer Stereotype <strong>und</strong> eine ungünstige<br />

Prognose gewertet wird (vgl. LYSAKER & SALYERS, 2007; CORRIGAN & WATSON, 2002) oder<br />

indem das Vertrauen in die Veridikalität der eigenen Wahrnehmung erschüttert wird.<br />

Fazit<br />

Vorurteile gegenüber Menschen mit psychischen Erkrankungen sind weit<br />

verbreitet. Patienten mit Schizophrenie-Diagnosen erwarten <strong>und</strong> erleben häufig<br />

Stigmatisierung <strong>und</strong> verinnerlichen negative Stereotype. Neuere Stigma-<br />

Theorien betrachten v. a. die differentielle Bewältigung <strong>und</strong> die Konsequenzen<br />

des Stigmas. Zwei mögliche Abwehr- bzw. Coping-Reaktionen bestehen darin,<br />

(a) sich nicht mit der stigmatisierten Gruppe zu identifizieren (CORRIGAN &<br />

WATSON, 2002; WILLIAMS, 2008) oder (b) das eigene Stigma zu verheimlichen<br />

(LINK et al., 1989). In diesem Zusammenhang muss auf die Äquifinalität dieser<br />

Formen der Krankheitsverarbeitung hingewiesen werden: Unabhängig davon,<br />

ob das stigmatisierende Etikett bewusst verheimlicht oder das Erkrankungsmodell<br />

auf eine Weise konstruiert wird, die darauf abzielt, sich von der Gruppe<br />

der Erkrankten zu distanzieren <strong>und</strong> den Selbstwert zu schützen – auf der Beobachtungsebene<br />

resultiert beides in einer Beurteilung »mangelnder <strong>Krankheitseinsicht</strong>«.<br />

Die Zusammenhänge zwischen verinnerlichtem Stigma <strong>und</strong>


123<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

Symptomatik bedürfen weiterer Aufklärung. Bislang wurde nur die depressogene<br />

<strong>und</strong> selbstwertmindernde Wirkung internalisierten Stigmas belegt. Hier<br />

kann mit WARNER et al. (1989) eine Interaktion von Einsicht <strong>und</strong> Vorurteilen<br />

angenommen werden. Erste Bef<strong>und</strong>e deuten überdies darauf hin, dass auch<br />

Positivsymptomatik mit Einsicht <strong>und</strong> stigmatisierenden Einstellungen interagiert,<br />

möglicherweise, weil sie Selbststigmatisierung verschärft (LYSAKER, ROE<br />

& YANOS, 2007; LYSAKER, DAVIS et al., 2007).


6.5 Das Konzept der <strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

124<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

Die unmittelbare subjektive Evidenz der Wirklichkeit nicht objektivierbarer Wahrnehmungen<br />

<strong>und</strong> Überzeugungen, der Mangel an distanzierender Reflexion, an Bewusstheit einer<br />

psychischen Störung, an »Einsicht« stellt traditionell ein konstitutives Merkmal »psychotischer«<br />

Zustände dar: »La folie est une infortune qui s’ignore elle-même« (BAILLARGER<br />

[1809-1890], zitiert nach PICK, 1882). <strong>Krankheitseinsicht</strong> wird gemeinsam mit dem<br />

Psychose-Begriff spätestens seit dem frühen 19. Jahrh<strong>und</strong>ert thematisiert (s. JANZARIK,<br />

2003; ROME, 1979; KERR & MCCLELLAND, 1991). Eine Übersicht über das Thema vermitteln<br />

die neueren Arbeiten von COOKE, PETERS, KUIPERS <strong>und</strong> KUMARI (2005), BÖKER (1999),<br />

MARKOVÁ (2005) sowie AMADOR <strong>und</strong> DAVID (2004).<br />

6.5.1 Historische Perspektiven<br />

Unter den frühen Schriften zum Thema <strong>Krankheitseinsicht</strong> nehmen PICKs »Ueber Krankheitsbewusstsein<br />

in psychischen Krankheiten« (1882), JASPERS’ »Allgemeine Psychopathologie«<br />

(1913, 1920), MAYER-GROSS’ »Über die Stellungnahme zur abgelaufenen<br />

akuten Psychose« (1920) <strong>und</strong> LEWIS’ (1934) »The Psychopathology of Insight« einen<br />

besonderen Rang ein, da in ihnen wesentliche Elemente gegenwärtiger Einsichts-Konzepte<br />

unsystematisch vorweggenommen werden – neben anderem enthalten sie bereits Hinweise<br />

auf eine Mehrdimensionalität <strong>und</strong> multifaktorielle Ätiologie der Uneinsichtigkeit.<br />

Die reichhaltigen Fallschilderungen dieser älteren Arbeiten zeugen davon, dass Psychiater<br />

der Prä-Antipsychotika-Ära durch die Notwendigkeit, im heutigen Sinne unmedizierte<br />

Patienten durch die Phasen akuter Psychose <strong>und</strong> Erholung zu begleiten, vielfältige<br />

Gelegenheiten zur Beobachtung unterschiedlicher Formen von »Einsicht« hatten. Ihre<br />

Erkenntnisse finden sich, häufig ohne ausgewiesene Rezeption, bei modernen Autoren<br />

wieder (z. B. THOMPSON, MCGORRY & HARRIGAN, 2001; MACPHERSON et al., 1996b;<br />

SARAVANAN, DAVID, BHUGRA, PRINCE & JACOB, 2005).<br />

»Ueber Krankheitsbewusstsein in psychischen Krankheiten«: Arnold PICK<br />

PICK (1882) beschrieb in einer akribischen medizinhistorischen Studie vielleicht als erster<br />

systematisch den Verzicht auf mangelndes Krankheitsbewusstsein, d. h. die »… Tatsache,<br />

dass der Kranke das Krankhafte seiner seelischen Vorgänge oder eines Theiles derselben<br />

mehr oder weniger klar selbst erkennt oder fühlt« (S. 519), als definitorisches Element<br />

psychischer Störungen. Er zitiert hierzu seinen akademischen Lehrer Carl Friedrich Otto<br />

WESTPHAL (1833-1890):<br />

Dass schon jetzt viel mehr Kranke, welche sich psychisch verändert fühlen, aus eigener<br />

Initiative die Hülfe des Arztes in Anspruch nehmen, ist gar keine Frage, <strong>und</strong> die Definition,<br />

welche wohl früher von Geisteskrankheit gegeben wurde, dass sie eine Krankheit<br />

sei, deren sich der Kranke nicht bewusst sei, wird ernstlich Niemand aufrecht halten<br />

wollen. Es ist vielmehr im höchsten Grade wahrscheinlich, dass mehr <strong>und</strong> mehr<br />

auch in Fällen, in welchen wir es jetzt kaum zu hoffen wagen, dieses eigene Bewusstsein<br />

des Krankwerdens sich geltend machen wird. (S. 518-519)<br />

Unter den Oberbegriff Krankheitsbewusstsein subsumiert PICK ein »Krankheitsgefühl«, das<br />

aus heutiger Sicht z. T. als Erleben von Basissymptomen bezeichnet würde (SÜLLWOLD &<br />

HUBER, 1986), <strong>und</strong> eine »<strong>Krankheitseinsicht</strong>«, die aus Erkenntnistätigkeit resultiert


125<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

(z. B. aus der Überprüfung von Halluzinationen [S. 539]) <strong>und</strong> die v. a. in der Bewusstheit<br />

von Symptomen besteht (vgl. DAVID, 1990).<br />

PICK diskutiert des Weiteren bereits die stadien- <strong>und</strong> syndromabhängige Variabilität der<br />

Krankheitsbewusstheit bei »Psychosen«, mit einer Reduktion bei manischen <strong>und</strong> einer<br />

Erhöhung bei depressiven Zuständen. Auch findet sich bereits ein Hinweis auf kulturelle<br />

Einflüsse auf das Krankheitsgefühl, das »… die Form an(nimmt), welche dem Culturzustande<br />

des Volkes entspricht« (S. 519).<br />

Außerdem implizieren seine Ausführungen eine Art hierarchisches Stadienmodell der<br />

Entwicklung von Einsicht, indem er postuliert, dass Krankheitsgefühl »… falls noch ein<br />

gewisser Grad von Besonnenheit vorhanden, zu mehr oder minder klarer <strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

führen« würde (S. 578).<br />

Der Autor referiert darüber hinaus »neuropsychologische« Hypothesen seiner Zeit, die<br />

aus der Beobachtung der »Duplicität der Hirnhemisphären« (S. 573) sowie der kruden<br />

Lokalisierung komplexer psychischer Eigenschaften eine bei Psychosen gestörte Selbst-<br />

Reflexion ableiteten. PICK selbst scheint diesen gegenüber jedoch kritisch eingestellt gewesen<br />

zu sein, da er den Philosophen <strong>und</strong> Psychologen Hermann LOTZE (1817-1881) zitiert:<br />

Nicht jeder Kampf der Ueberlegung <strong>und</strong> des sittlichen Zweifels wird von den Hemisphären<br />

gegen einander geführt … So ist es denn um nichts auffälliger, dass auch Irre<br />

ihres Wahns inne werden, indem die Mehrzahl ihrer Erinnerungen <strong>und</strong> ihrer Kenntnisse<br />

gegen die falschen aufstrebenden Gedanken ankämpft. (S. 576)<br />

»Die Stellungnahme des Kranken zur Krankheit«: Karl JASPERS<br />

JASPERS (1920) unterschied, ähnlich wie PICK, unter den Formen der Stellungnahme des<br />

Kranken zur Krankheit u. a. bereits ein diffuses Krankheitsbewusstsein oder Veränderungsgefühl<br />

von einer umfassenden <strong>Krankheitseinsicht</strong> bei Psychosen:<br />

Krankheitsbewusstsein nennt man diejenige Stellung des Kranken, in der wohl ein Gefühl<br />

von Kranksein, ein Gefühl von Veränderung zum Ausdruck kommt, ohne daß dieses<br />

Bewusstsein sich auf alle Krankheitssymptome <strong>und</strong> auf die Krankheit als Ganzes<br />

erstreckt, <strong>und</strong> ohne daß das objektiv richtige Maß in der Beurteilung der Schwere der<br />

Erkrankung, wie ein objektiv richtiges Urteil über die Art der Erkrankung erreicht<br />

würde. Nur wenn all dies der Fall ist … sprechen wir von <strong>Krankheitseinsicht</strong>.<br />

(S. 228)<br />

Obwohl <strong>Krankheitseinsicht</strong> bei JASPERS normativ, d. h. gemessen am »Ideal der ›richtigen<br />

Stellungnahme‹« (S. 224) beurteilt <strong>und</strong> gegen eine durch die Verwendung von Fachbegriffen<br />

suggerierte Pseudo-Einsicht abgegrenzt werden soll, fordert er zugleich die<br />

Berücksichtigung von prämorbider Intelligenz, Bildung <strong>und</strong> soziokulturellem Hintergr<strong>und</strong><br />

des Betroffenen bei der Bewertung seiner Selbsteinschätzung:


126<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

Es ist klar, daß die Stellungnahme der Persönlichkeit zur Krankheit in dem Maße differenziert,<br />

ausgesprochen <strong>und</strong> eigenartig sein wird, als der betreffende Kranke intelligent<br />

<strong>und</strong> gebildet ist. Zumal naturwissenschaftliche <strong>und</strong> psychopathologische Bildung<br />

wird eine andere Stellung mit sich bringen, als geisteswissenschaftliche <strong>und</strong> theologische.<br />

Für die Bewertung der Stellungnahme selbst als einer krankhaften müssen wir<br />

das Milieu immer in Betracht ziehen. (S. 229)<br />

In der – heute befremdlichen – Sprache seiner Zeit formuliert JASPERS für Anosognosien<br />

bei hirnorganischen Schädigungen die Vermutung einer »neuro-kognitiven« Verursachung:<br />

Jenes Urphänomen, daß die Persönlichkeit sich selbst gegenübersteht, ihr Erleben beurteilt,<br />

ist erst auf einer gewissen Stufe seelischer Differenziertheit offensichtlich. Unterhalb<br />

dieser Stufe scheinen die Individuen bloß in der Umwelt zu leben, nicht »von<br />

sich« zu wissen. Bei sehr tiefstehenden Idioten … besteht daher das Problem, wie die<br />

Persönlichkeit zur Krankheit Stellung nimmt, gar nicht. Sie nimmt überhaupt keine<br />

Stellung. (S. 229)<br />

»Über die Stellungnahme zur abgelaufenen akuten Psychose«:<br />

Wilhelm MAYER-GROSS<br />

In seiner Monographie »… über verständliche Zusammenhänge in der Schizophrenie«<br />

untersucht MAYER-GROSS (1920) die postakute Bewältigung der »… Psychose als ein<br />

Erlebnis starker Existenzgefährdung des Selbst« (S. 198). Der Autor unterscheidet<br />

zusätzlich zu einer wahnhaften Verarbeitung der Erkrankungsepisode fünf Formen der<br />

psychologisch verstehbaren Krankheitsverarbeitung, die sich als Funktion aus der Menge<br />

an »Existenzwerten«, wie der Autor jene psychischen Objekte bezeichnet, die als »Wurzel<br />

der Selbstwerthaltung« bzw. als »Träger des Selbst« (S. 169) dienen, <strong>und</strong> dem Streben<br />

nach Kontinuität <strong>und</strong> Identität ergeben. Dies sind im Einzelnen:<br />

(1.) Verzweiflung – diese ist nach MAYER-GROSS eine Folge der »Zerstörung der Existenzwerte«<br />

(S. 177) aufgr<strong>und</strong> einer dünnen »Werteschicht des Selbst« bei gleichzeitig<br />

ausgeprägtem Kontinuitätsstreben. Diese postschizophren-depressive Verarbeitung, die in<br />

den Suizid führen kann, suchen die vier folgenden Verarbeitungsformen zu vermeiden.<br />

(2.) Neues Leben – bei dieser Bewältigungsform wird die Psychose-Erkrankung an sich<br />

nicht verarbeitet <strong>und</strong> ins Selbstkonzept integriert. Sie wird zwar nicht r<strong>und</strong>um verleugnet,<br />

jedoch kognitiv vermieden <strong>und</strong> nicht elaboriert thematisiert. Es findet durch den Aufbau<br />

einer neuen Identität eine »Flucht aus der Vergangenheit« (S. 180) statt, da diese die<br />

zerstörten Existenzwerte aktualisiert. Eine häufige Sonderform des neuen Lebens stellt die<br />

»Flucht in die Krankheit« dar, bei der Basis- bzw. Residualsymptome verwendet werden,<br />

um das Selbstkonzept mit der Krankenrolle zu füllen.<br />

(3.) Ausscheidung – bleibt ein Teil der Existenzwerte aufgr<strong>und</strong> eines entwickelten,<br />

stabilen Selbstkonzepts erhalten, so dass kein neues Leben benötigt wird, können die<br />

psychotische Episode oder ihre Konsequenzen geleugnet werden. Diese Verarbeitungsform<br />

erfordert nach MAYER-GROSS (1920) den geringsten kognitiven Aufwand, jedoch ein<br />

gewisses Maß an Selbstkonzeptstabilität <strong>und</strong> erfolgt häufiger unmittelbar im Anschluss an<br />

die psychotische Episode:


127<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

Diesem Zweck dienen alle der Selbsttäuschung verfügbaren Mittel, das Erlebte wird in<br />

der Erinnerung verfälsch, »verdrängt«, aus dem Kontinuum der verständlichen Zusammenhänge<br />

soll es ausgeschieden werden. Zum mindesten wird versucht, vor der<br />

Umwelt den Eindruck einer Nachwirkung zu verwischen, die ungebrochene Kontinuität<br />

vorzutäuschen. Diese Täuschung anderer ist alsdann oft nur der Umweg, auf dem<br />

nach einiger Zeit sich noch die Selbsttäuschung mit katathymem Vergessen <strong>und</strong> Verfälschen<br />

einstellt. Es ist zu erwarten, daß gerade dieser Typus der Nachwirkung, der<br />

die Ausscheidung anstrebt, nach akuten seelischen Störungen häufig sein wird. Er ist<br />

für den Psychiater, der Gelegenheit hat, seine Kranken nach ihrer Genesung nachzuuntersuchen,<br />

etwas Alltägliches. (S. 185-186; Hervorhebungen im Original)<br />

Der von MAYER-GROSS (1920) für die Ausscheidung skizzierte Mechanismus einer motivierten<br />

»Reproduktionserschwerung« (d. h. bewusste Dissimulation als Vorstufe der Selbsttäuschung)<br />

entspricht genau jenem, den ERDELYI (2006) in seiner »Vereinheitlichten Theorie<br />

der Verdrängung« schildert. Es ist weiterhin beachtenswert, dass der Autor bereits die<br />

Ausscheidung aufgr<strong>und</strong> der Bedrohung des Selbst von mangelnder Offenheit (»allgemeiner<br />

Widerstand gegen die Preisgabe des persönlichen Erlebnisses«, S. 187) <strong>und</strong> von der<br />

Wirkung öffentlicher Stigmatisierung (»das gesellschaftliche Odium, das der Geisteskrankheit<br />

<strong>und</strong> besonders der Anstaltsinternierung anhaftet«, S. 187) unterscheidet.<br />

Sowohl Neues Leben als auch Ausscheidung haben die Arbeiten zum »versiegelnden«<br />

(Sealing over-) Stil der Verarbeitung einer Psychose von MCGLASHAN, LEVY <strong>und</strong> CARPENTER<br />

(1975) inspiriert.<br />

(4.) Bekehrung – Hier wird eine Umwertung <strong>und</strong> Abgewichtung der präschizophrenen<br />

Existenzwerte vorgenommen, die psychotische Erkrankungsepisode wird als Moment<br />

geistigen oder religiös-spirituellen Wandels begriffen, so dass notwendiges Vorleben,<br />

Erkrankung <strong>und</strong> Gegenwart sinnvoll verklammert werden können. Diese »Bekehrung«<br />

entspricht dem spirituell-philosophischen explanativen Modell, das JACOBSON (2001)<br />

qualitativ aus den Narrativen von Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen<br />

extrahierte (s. auch SIEBERT, 2000).<br />

(5.) Einschmelzung schließlich stellt den Gegenpol zur Verzweiflung dar: Hier wird das<br />

Erlebnis Psychose nicht geleugnet oder abgewichtet, sondern »eingeschmolzen« <strong>und</strong> in das<br />

– stabile – Selbstkonzept integriert, ohne dass Identität <strong>und</strong> Existenzwerte vernichtet oder<br />

aufgegeben werden (»Amalgamierung der Wertigkeit an einem Wertekreis, der der<br />

frühere, unveränderte bleibt «, S. 200). Einschmelzung entspricht dem integrativen Stil<br />

der Erholung (integration) nach MCGLASHAN, LEVY <strong>und</strong> CARPENTER (1975).


»The Psychopathology of Insight«: Aubrey LEWIS<br />

128<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

Die Beiträge der deutschsprachigen Psychiatrie wurden aufgegriffen <strong>und</strong> ergänzt durch<br />

Aubrey LEWIS (1934), dessen ebenfalls noch immer lesenswerte Arbeit »The Psychopathology<br />

of Insight« v. a. durch DAVID (1999) einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht hat. Er<br />

definierte »insight« als »a correct attitude to a morbid change in oneself« (S. 333) <strong>und</strong><br />

erläuterte weiter, Einsicht sei<br />

… concerned primarily with the awareness of the change, and secondly with the judging<br />

of this change, as to wether it is illness or demoniacal possession or insanity<br />

(which may not for him be the same thing as illness affecting chiefly his mind) or religious<br />

conversion or some other remarkable intervention. (S. 335)<br />

Die korrekte Bewertung der Veränderung sei, so der Autor, »… the realization that the<br />

illness is mental« (S. 336). Auch hier wird jedoch bereits auf die Bedeutung subjektiver<br />

Krankheitskonzepte Betroffener hingewiesen.<br />

In seinen Überlegungen zur Genese der Einsicht unterscheidet LEWIS zwischen primärer<br />

Evidenz (»immediate data of change«, S. 334), die direkt wahrgenommen <strong>und</strong><br />

metakognitiv-abstrahierend verarbeitet wird (»… with every mental activity … there is an<br />

observing and registering of its apprehended quality … [The] observation may be …<br />

subject to secondary isolation of temporally limited experiences« [S. 333-334]) <strong>und</strong><br />

sek<strong>und</strong>ärer Evidenz, die sich aus Rückmeldungen der sozialen Umwelt ergibt (vgl.<br />

MARKOVÁ & BERRIOS, 1992, 1995a).<br />

Weiterhin diskutiert er sozial erwünschtes Antwortverhalten (»The patient’s deference<br />

to the opinion of others, especially doctors, his concern about the effects of an avowal of<br />

his attitude …« [S. 340]) sowie Begrenzungen der Urteilskraft durch kognitive Beeinträchtigungen<br />

bei Patienten mit schweren psychischen Störungen:<br />

… all contemplate their apprehensive change with that disturbed mind which we<br />

subdivide into disturbed memory, disturbed thinking … which makes it impossible for<br />

the patient to look at his data and judge them as … healthy outsiders do. His judgements<br />

and attitude can therefore never be the same as ours because his data are<br />

different, and his machine for judging is different in some respect. You will see that if<br />

one <strong>und</strong>ertakes to discuss insight in schizophrenia, say, in any detail, one must consider<br />

not only data of change in this condition, but also the whole psychopathology of<br />

schizophrenia, especially where it enters into the judgement of reality. (S. 343)<br />

Fazit<br />

Die hier stark verkürzt dargestellten Arbeiten von PICK (1882), JASPERS (1920),<br />

MAYER-GROSS (1920) <strong>und</strong> LEWIS (1934) antizipieren die wesentlichen Annahmen<br />

über <strong>Krankheitseinsicht</strong> bei Schizophrenie, die erst 70 bis 100 Jahre<br />

später empirisch untersucht wurden: die Ansicht, dass die Begriffe »Psychose«<br />

<strong>und</strong> »Einsicht« keinen Widerspruch in sich darstellen (PICK); die Differenzierung<br />

unterschiedlicher Dimensionen von Einsicht (»Krankheitsgefühl«,<br />

»<strong>Krankheitseinsicht</strong>«: PICK, JASPERS, LEWIS); die Annahme soziokultureller<br />

<strong>und</strong> individueller Einflüsse (PICK, JASPERS); <strong>und</strong> schließlich sowohl kognitive<br />

als auch motivationale Hypothesen zur Ableitung von Einsichtsdefiziten<br />

(LEWIS, MAYER-GROSS).


6.5.2 <strong>Krankheitseinsicht</strong>: Begriffsklärung<br />

129<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

An dieser Stelle sei zur leichteren Orientierung dem Abschnitt über neuere Konzepte zur<br />

Einsicht eine theoretische Verortung <strong>und</strong> Abgrenzung der verwendeten Begriffe »Einsicht«,<br />

»Bewusstheit«, »Leugnung« <strong>und</strong> »Anosognosie« vorangestellt.<br />

Einsicht <strong>und</strong> Veränderungsgefühl. »Einsicht« (engl. insight) wird erstens, wie in<br />

der angelsächsischen Literatur üblich, trotz des paternalistisch anmutenden Duktus als<br />

Oberbegriff des Forschungsfeldes verwendet <strong>und</strong> soll zweitens, als »<strong>Krankheitseinsicht</strong>«<br />

im engeren Sinne, die Übereinstimmung mit dem psychiatrischen Krankheitsmodell<br />

bezeichnen. Auch ohne Einsicht kann durchaus ein »Veränderungsgefühl«<br />

sensu JASPERS (1913) bestehen. Dies kann allerdings auch der sog. Wahnstimmung<br />

(z. B. FUCHS, 2005) im Vorfeld einer psychotischen Episode entsprechen.<br />

Bewusstheit (awareness) soll die Gewahrwerdung der Exzessivität oder Reduktion<br />

von Bereichen des Erlebens oder Verhaltens <strong>und</strong> speziell die Einsicht der mangelnden<br />

Objektivierbarkeit der eigenen Wahrnehmungen <strong>und</strong> Überzeugungen beschreiben<br />

(»Symptombewusstheit«), ohne dass diese Einschätzung an ein Krankheitsmodell<br />

geb<strong>und</strong>en sein muss <strong>und</strong> ohne dass ätiologische Aussagen getroffen werden.<br />

Leugnung (denial: s. WEINSTEIN & KAHN, 1955), die motivierte, häufig emphatische<br />

Zurückweisung einer Beschreibung der körperlichen oder psychischen Verfassung als<br />

krankheitswertig, wird hier nicht als Antonym von Einsicht verwendet, sondern entstammt<br />

ursprünglich psycho<strong>dynamisch</strong>en Konzepten, die Uneinsichtigkeit als Form<br />

der Krankheitsbewältigung durch Abwehr deuten (s. Abschnitt 6.5.14). Darüber hinaus<br />

wurde Leugnung im Rahmen medizinsoziologischer Überlegungen thematisiert – etwa<br />

als Aspekt abnormen Krankheitsverhaltens (abnormal illness behaviour) sensu<br />

PILOWSKY (z. B. 1969, 1978; vgl. KIRMAYER & LOOPER, 2006). Leugnung ist keineswegs<br />

beschränkt auf psychische Störungen: Diskutiert wird ihre Relevanz auch für Verlauf<br />

<strong>und</strong> Ausgang lebensbedrohlicher somatischer Erkrankungen wie Myokardinfarkte<br />

(O'CARROLL, SMITH, GRUBB, FOX & MASTERSON, 2001; LEVINE et al., 1987) <strong>und</strong> verschiedene<br />

Krebsarten (DEIMLING ET AL., 2006; MCKENNA, ZEVON, CORN & ROUNDS, 1999).<br />

Einen Überblick über Verleugnung von körperlichen Krankheiten vermitteln KORTTE<br />

<strong>und</strong> WEGENER (2004) <strong>und</strong> GOLDBECK (1997). Im Zusammenhang mit Krankheitsuneinsichtigkeit<br />

bei Schizophrenie wird der Begriff zwar ohne seinen häufig komplexen<br />

psycho<strong>dynamisch</strong>en Unterbau verwendet, soll jedoch durchaus eine motivierte Diskrepanz<br />

zum psychiatrischen Krankheitsmodell ausdrücken.<br />

Anosognosie. Ebenfalls mit einer spezifischen ätiologischen Hypothese verb<strong>und</strong>en<br />

ist der von BABINSKI (1914) eingeführte medizinische Begriff der »Anosognosie«, der<br />

eine Reihe neurologisch-neuropsychologischer Syndrome nach zerebralen Insulten<br />

oder anderen Läsionen umfasst, die mit der Unbewusstheit einer kognitiven <strong>und</strong>/oder<br />

sozialen Funktionsbeeinträchtigung einhergehen (MCGLYNN & SCHACTER, 1989, 1997).<br />

Wenn eine »Anosognosie-Hypothese« der Uneinsichtigkeit bei Schizophrenie thematisiert<br />

wird (AMADOR & PAUL-ODOUARD, 2000; DAVID & KEMP, 1997; DIXON & KING,<br />

1995), impliziert dies eine neurobiologisch-kognitive Perspektive auf das Phänomen.


6.5.3 Theoretische Struktur der Einsicht<br />

»Interviewer: Do you think you have a mental illness?<br />

Subject: Yes, I know I have an illness.<br />

Interviewer: What do you think it is?<br />

Subject: Manic depressive.<br />

Interviewer: What does that mean, what are the symptoms?<br />

Subject: I don’t know. They’ve told me many times.«<br />

(ROE et al., 2008, S. 862)<br />

130<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

Ein Interesse an <strong>Krankheitseinsicht</strong> bestand in der klinischen Praxis der zweiten Hälfte des<br />

20. Jh. vor allem wegen ihrer augenscheinlich plausiblen, jedoch mittlerweile umstrittenen<br />

Korrelation mit Medikationsadhärenz (s. u. <strong>und</strong> VAN PUTTEN, CRUMPTON & YALE, 1976; LIN,<br />

SPIGA & FORTSCH, 1979; MCCABE, QUAYLE, BEIRNE & DUANE, 2000). Einzelne Items, die<br />

diesen Bereich zu erfassen suchten, wurden dementsprechend in strukturierte psychiatrische<br />

Interviews zur Bef<strong>und</strong>erhebung aufgenommen (z. B. AMDP, 1979), jedoch markieren<br />

erst die Arbeiten von GREENFELD, STRAUSS, BOWERS <strong>und</strong> MANDELKERN (1989), MCEVOY,<br />

APPERSON et al. (1989), vor allem aber von DAVID (1990) <strong>und</strong> AMADOR et al. (1990, 1991,<br />

1993) den Beginn einer systematischen Konzeptualisierung <strong>und</strong> empirischen Erforschung<br />

des Konstrukts.<br />

Der Stand der Theoriebildung lässt sich durch fünf weithin akzeptierte Postulate der<br />

letztgenannten Arbeitsgruppe zusammenfassen: Dies sind die Annahmen der Mehrdimensionalität,<br />

Kulturabhängigkeit, Kontinuität, Modalitätsspezifität <strong>und</strong> Wissensabhängigkeit<br />

von Einsicht.<br />

(1.) Einsicht ist mehrdimensional. Sie besteht, neben dem Wissen um die Identität der<br />

Erkrankung, aus weiteren, teilweise unabhängigen Dimensionen, die unten in Tabelle 12<br />

aufgelistet werden. Die Konzeptualisierung von Einsicht als mehrdimensional findet ihre<br />

Entsprechung in ges<strong>und</strong>heitspsychologischen Konzepten subjektiver Krankheitsmodelle<br />

(s. MARTIN et al., 2003), die zunehmend auch auf Schizophrenie angewendet werden<br />

(LOBBAN et al., 2003).<br />

(2.) Krankheitskonzepte sind (sub-)kulturabhängig. Die Bewusstheit von Symptomen<br />

<strong>und</strong> ihre Zuschreibung sollten (auch) in Abhängigkeit von der Herkunftskultur variieren,<br />

was bei der Einsichtsmessung berücksichtigt werden muss (SARAVANAN et al., 2007).<br />

(3.) Einsicht ist kein dichotomes, sondern ein kontinuierliches Phänomen, d. h. die<br />

Möglichkeit einer partiellen <strong>und</strong> fluktuierenden Bewusstheit eines Erkrankungsaspekts<br />

wird eingeräumt.<br />

(4.) Einsicht ist, wie Bewältigung, intentional (d. h. objektgerichtet – »One cannot have<br />

insight without there being something to have insight about«: MARKOVÁ & BERRIOS, 2001,<br />

S. 246) <strong>und</strong> modalitätsspezifisch, d. h. Einsicht beschreibt die individuelle Relation zu<br />

einzelnen Aspekte des gestörten Erlebens <strong>und</strong> Verhaltens (»Symptomen«) <strong>und</strong> zu abstrakten<br />

Konzepten (wie »Schizophrenie«, »Anorexie«). Sie ist nicht notwendigerweise generalisierbar.<br />

Konzeptuelle Probleme in diesem Bereich betreffen die Identifikation theoretisch<br />

sinnvoller <strong>und</strong> empirisch haltbarer Einsichts-Modi bzw. Bewusstheitsobjekte: Wäre es<br />

sinnvoller, eine globale Einsicht über alle Bereiche der Störung hinweg zu betrachten, oder<br />

sollte sie auf einzelne Syndrome oder Symptome der Schizophrenie bezogen werden?<br />

(5.) Bei der Erhebung von <strong>Krankheitseinsicht</strong> muss stets das Vorwissen des Patienten in<br />

Rechnung gestellt werden. Dieser Punkt kann sich auf zweierlei Problembereiche beziehen:


131<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

Der erste betrifft die schon von JASPERS (1913) thematisierte Pseudoeinsicht, also suggestive<br />

Lippenbekenntnisse aufgr<strong>und</strong> von Psychiatrie-Erfahrung, ohne dass Konsens über die<br />

Bedeutung der verwendeten Begriffe besteht (vgl. KINDERMAN, SETZU, LOBBAN & SALMON,<br />

2006; ROE et al., 2008), der zweite die Frage nach der prinzipiellen sozialen Verfügbarkeit<br />

von Informationen.<br />

Das Problem der Verfügbarkeit lässt sich weiter untergliedern in (a) den allgemeinen<br />

Aspekt der Vermittlung »sek<strong>und</strong>ärer« Evidenz für eine krankheitswertige Veränderung<br />

durch die soziale Umwelt (LEWIS, 1934; MARKOVÁ & BERRIOS, 1995a): Besteht die Möglichkeit<br />

<strong>und</strong> Bereitschaft zum Empfang korrektiver Rückmeldungen von Mitgliedern des<br />

sozialen Netzwerks? Ängstlicher sozialer Rückzug, soziale Anhedonie, ein nicht-sozialer<br />

Copingstil, Exklusion des Individuums <strong>und</strong> andere Faktoren mögen die Verfügbarkeit von<br />

einsichtsförderlichem Feedback begrenzen. In der Tat korreliert Einsicht mit sozialem<br />

Coping (COOKE, PETERS, FANNON et al., 2007) <strong>und</strong> geringerem Rückzugsverhalten<br />

(CERNOVSKY, LANDMARK, MERSKEY & HUSNI, 2004).<br />

Und (b) wirft die Feststellung der Wissensabhängigkeit von Einsicht die Frage nach<br />

einer hinreichenden Informationsvermittlung auf. Hier ist u. a. die Praxis der Diagnose-<br />

Eröffnung bei Schizophrenie zu beleuchten: Studien zeigen, dass ein nicht unerheblicher<br />

Teil der Behandlungsexperten (ca. 30 - 40 %) ihre Patienten nicht über die formal korrekte<br />

Schizophrenie-Diagnose informiert (CLAFFERTY, MCCABE & BROWN, 2001; MCDONALD-<br />

SCOTT, MACHIZAWA & SATOH, 1992).<br />

Eine sechste, für diese Arbeit zentrale Annahme, die der multifaktoriellen Ätiologie<br />

(s. Abschnitt 6.5.16), ist umstritten. Im Folgenden wird zunächst auf die bisher in der<br />

Literatur postulierten Dimensionen von Einsicht eingegangen (s. oben Postulat 1).<br />

GREENFELD et al. (1989), die 21 Personen mit verschiedenen Psychose-Erkrankungen<br />

während der Stabilisierungsphase zu ihren Erfahrungen mit ihrer Episode <strong>und</strong> Behandlung<br />

explorativ befragten, teilten die angesprochenen Themen in fünf Kategorien ein:<br />

(1.) Reflexion von Symptomen,<br />

(2.) Ansichten darüber, ob diese als Zeichen einer Krankheit zu werten sind,<br />

(3.) subjektive Konzepte der Ursachen,<br />

(4.) Behandlungseinstellungen <strong>und</strong><br />

(5.) Beurteilung der eigenen Vulnerabilität <strong>und</strong> Fähigkeit zur Rückfall-Vorbeugung.<br />

Die Autoren berichten von Inkonsistenzen zwischen den Ebenen (z. B. retrospektive<br />

Beschreibung von akustischen Halluzinationen <strong>und</strong> Verfolgungsideen in Kombination mit<br />

Aussagen wie »There isn’t anything really wrong with me« oder »I don’t think I was crazy<br />

or anything«, S. 248). Ebenfalls finden sich bereits Hinweise auf eine mögliche Abwehr<br />

durch Begriffssubstitution auf der Ebene der Erkrankungsidentität (z. B. »exhaustion«)<br />

oder – da den Autoren zufolge die Chronifizierung ein bedeutsames Abwehrobjekt zu sein<br />

scheint – der Dauer (»an episode«, S. 248) bei einem Drittel der Betroffenen. Hier<br />

überwogen, nicht überraschend, Personen mit Erstmanifestation.<br />

MCEVOY <strong>und</strong> Mitarbeiter (1989), die den ersten strukturierten Interviewleitfaden zur<br />

Einsicht publizierten, unterschieden nicht mehr zwischen einem rein reflexiven <strong>und</strong> einem<br />

normativ-attributiven Aspekt von Einsicht, sondern betonten die Gültigkeit des Expertenurteils<br />

bei der Formulierung des Krankheitsmodells. Zudem koppelten sie, expliziter als alle<br />

anderen Autoren, Einsicht an Behandlungseinstellungen. Einsicht liegt demnach vor, wenn<br />

festgestellt werden kann, dass »… patients with insight judge some of their … experiences


132<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

… in a manner that is congruent with the judgement of mental health professionals, and<br />

that these patients believe that they need mental health treatment, at times including<br />

hospitalization and pharmacotherapy« (S. 43).<br />

Der Compliance-Aspekt der Einsicht zieht sich auch durch spätere mehrdimensionale<br />

Konzepte, wurde jedoch deutlich weniger stark gewichtet als von MCEVOY et al. (1989).<br />

DAVID (1990), der deutlich auf JASPERS (1913) <strong>und</strong> LEWIS (1934) aufbaut, postulierte drei<br />

Komponenten der Einsicht:<br />

(1.) die Bewusstheit, psychisch beeinträchtigt, gestört oder erkrankt zu sein (awareness<br />

oder recognition of illness), wobei nosologisches Wissen nicht vorausgesetzt wird;<br />

(2.) die Fähigkeit zur Reflexion <strong>und</strong> Realitätsprüfung von wahnbezogenen Erlebnissen<br />

sowie deren Einschätzung als »krankhaft«, »unwirklich« o. ä. (relabelling mental<br />

events as pathological); <strong>und</strong><br />

(3.) Behandlungscompliance.<br />

Neben der vollen Einsicht sind demnach sechs Konfigurationen partieller Einsicht möglich<br />

(d. h. drei, in denen nur eine Form von Einsicht besteht, sowie drei weitere, in denen<br />

Einsicht in zwei von drei Bereichen vorliegt). Zur Erfassung der Dimensionen entwickelte<br />

DAVID (1990) den Schedule for Assessing the Three Components of Insight (s. u.). AMADOR<br />

et al. (1991, 1993) formulierten fast zeitgleich unabhängig von DAVID (1990) u. a. die<br />

Dimensionen<br />

(1.) der Bewusstheit einer psychischen Störung (awareness of mental disorder),<br />

(2.) der Bewusstheit abweichenden Erlebens oder Verhaltens, d. h. von Symptomen,<br />

(2.) der Zuschreibung dieser Symptome zu einer psychischen Erkrankung,<br />

(3.) der Bewusstheit positiver Medikationseffekte <strong>und</strong><br />

(4.) der Bewusstheit sozialer Konsequenzen der Erkrankung (z. B. Verlust der Arbeitsstelle,<br />

Verhaftungen, Verletzungen, Zwangseinweisung).<br />

Weiterhin unterscheiden AMADOR et al. (1991, 1993) zwischen gegenwärtiger <strong>und</strong> retrospektiver<br />

Einsicht sowie zwischen kognitiver Einsicht <strong>und</strong> – analog zur affektiven Krankheitsrepräsentation<br />

des CSM – ihren emotionalen Begleiterscheinungen, die jedoch nicht<br />

mit der von psychoanalytischen Autoren als therapeutisch bedeutsam eingeschätzten<br />

»emotional insight« verwechselt werden darf (s. GREENFELD et al., 1989).<br />

Einen interessanten Beitrag zur Identifikation von Patiententypen mit unterschiedlichen<br />

Konfigurationen von Einsichtsdimensionen leisteten ROE et al. (2008): Die Autoren<br />

analysierten die Erzählungen von 65 Patienten einer Tagesklinik im Hinblick auf zentrale<br />

Einsichtsthemen qualitativ <strong>und</strong> quantitativ (s. ROE & KRAVETZ, 2003) <strong>und</strong> identifizierten<br />

vier Cluster (Tabelle 11).


Tabelle 11.<br />

Konfigurationen von Einsichtsdimensionen nach Roe et al. (2008)<br />

133<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

narrative Dimension I. (n = 9) II. (n = 9) III. (n = 18) IV. (n = 29)<br />

Bewusstheit einer psychischen Erkrankung hoch niedrig hoch hoch<br />

Bewusstheit von Symptomen hoch niedrig niedrig hoch<br />

Akzeptanz des Labels niedrig niedrig hoch hoch<br />

Suche nach Label <strong>und</strong> Erklärung mittel mittel niedrig hoch<br />

Wie Tabelle 11 zu entnehmen ist, waren 45 % der Patienten integrativ einsichtig (Cluster<br />

IV). 28 % waren passiv akzeptierend bzw. pseudo-einsichtig (Cluster III), d. h. sie bejahten<br />

eine Erkrankung <strong>und</strong> konnten die Diagnose wiedergeben, glaubten aber kaum daran,<br />

Symptome gehabt zu haben <strong>und</strong> zeigten wenig Interesse an ihrer Erkrankung. Jeweils 14 %<br />

waren sich eines Problems bewusst, wiesen aber das Etikett zurück (Cluster I) oder waren<br />

vollständig uneinsichtig (Cluster II), allerdings dennoch auf der Suche nach einer Erklärung<br />

ihres Zustandes.<br />

Tabelle 12 gibt einen Überblick über die meisten der in der einschlägigen Literatur<br />

postulierten Dimensionen von Einsicht. Instrumente zur Operationalisierung der Konstrukte<br />

werden im folgenden Abschnitt beschrieben.<br />

Tabelle 12.<br />

Postulierte Aspekte von <strong>Krankheitseinsicht</strong> <strong>und</strong> Definitionen<br />

Veränderungsgefühl,<br />

Krankheitsgefühl,<br />

Störungsbewusstheit<br />

Bewusstheit einer<br />

psychischen Erkrankung,<br />

Etiketten-Übernahme,<br />

Störungsdefinition<br />

Symptombewusstheit<br />

Eindruck einer als negativ beurteilten Veränderung des Erlebens oder Verhaltens<br />

(JASPERS, 1913; DITTMANN & SCHÜTTLER, 1990). Ein Zusammenhang mit<br />

Symptombewusstheit ist möglich.<br />

Beschreibung des eigenen Zustands in psychopathologisch-nosologischen<br />

Termini in Übereinstimmung mit der Diagnose, d. h. Übernahme des<br />

Expertenmodells der Krankheit (BÖKER, 1999). Voraussetzung einer entsprechenden<br />

Symptomattribution. Verb<strong>und</strong>en mit dieser Einsichtsfacette sind,<br />

je nach verwendetem Instrument, eine Kenntnis der Diagnose <strong>und</strong> Störungsdefinition<br />

<strong>und</strong> eine hohe subjektive Wahrscheinlichkeit einer korrekten<br />

Diagnose.<br />

Reflexion <strong>und</strong> Prüfung von ungewöhnlichen Erlebnisse oder Rückmeldungen<br />

aus der sozialen Umwelt <strong>und</strong> ihre Beurteilung als gestört o. ä.; damit Einsicht<br />

maladaptiver Veränderung in abgrenzbaren Bereichen, d. h. Identifikation von<br />

»Symptomen« einer Störung, die nicht notwendigerweise mit dem psychiatrischen<br />

Krankheitsmodell verb<strong>und</strong>en werden; Zusammenhang mit Störungsbewusstheit,<br />

Voraussetzung der Symptomattribution (GREENFELD et al.,<br />

1989; David, 1990; Amador et al., 1993; MARKOVÁ & BERRIOS, 1995a)<br />

Symptomattribution Zuschreibung identifizierter Veränderungen oder Symptome zu einer psychischen<br />

Störung; setzt nicht notwendigerweise ein korrektes Krankheitskonzept<br />

voraus (GREENFELD et al., 1989; AMADOR et al., 1993).


Tabelle 12 (Fortsetzung).<br />

Bewusstheit sozialer<br />

Konsequenzen/<br />

»insight as selfknowledge«<br />

Wahrnehmung von<br />

Medikationswirkungen<br />

Bewusstheit der<br />

Behandlungsbedürftigkeit<br />

Bewusstheit von<br />

Frühwarnzeichen <strong>und</strong><br />

Vulnerabilität<br />

kognitive Einsicht<br />

(cognitive insight)<br />

Bewusstheit<br />

kognitiver Defizite<br />

6.5.4 Messung von <strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

134<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

Erkenntnis sozialer Folgewirkungen der Störung für das eigene Leben<br />

(z. B. Zwangshospitalisierung, Partnerschaftskonflikte, Probleme im Bereich<br />

der Haushaltsführung; AMADOR et al., 1993). Bei MARKOVÁ <strong>und</strong> BERRIOS (1995a,<br />

2001) breiter konzeptualisiert als Wissen um Veränderungen der Selbst-<br />

Umwelt-Interaktion.<br />

Wahrnehmung <strong>und</strong> korrekte Attribution erwünschter Effekte antipsychotischer<br />

Medikation (AMADOR et al., 1993).<br />

(a) Subjektive Einschätzung der Notwendigkeit einer psychiatrisch-psychologischen<br />

Behandlung oder (b) objektive Compliance. Korrelation mit anderen<br />

Einsichtsdimensionen unklar, Zusammenhang mit der Wahrnehmung von<br />

Medikationswirkungen naheliegend (GREENFELD et al., 1989; DAVID, 1990;<br />

AMADOR et al., 1993).<br />

(a) Kenntnis <strong>und</strong> Wahrnehmung von Frühwarnzeichen eines Rezidivs (»early<br />

insight« sensu HEINRICHS et al., 1985); (b) Anerkennung fortbestehender<br />

Vulnerabilität <strong>und</strong> Einschätzung der Rückfall-Wahrscheinlichkeit (GREENFELD<br />

et al., 1989); (c) Einsicht bei Personen mit einem subklinischen, aber risikobehafteten<br />

psychischen Zustand (at risk mental state: LAPPIN et al., 2007).<br />

Introspektions- <strong>und</strong> Selbstreflexionsneigung, Einsicht der Fehlbarkeit eigener<br />

Urteile; postulierter Faktor in der Entstehung von Wahnideen bzw.<br />

Symptombewusstheit (BECK et al., 2004); nicht zu verwechseln mit der<br />

Bewusstheit kognitiver Defizite<br />

Wahrnehmung kognitiver Beeinträchtigungen (z. B. MEDALIA & THYSEN, 2008)<br />

Während zu Beginn der systematischen Erforschung von <strong>Krankheitseinsicht</strong> bei Schizophrenie<br />

eindimensionale Ratings aus psychiatrischen Interviews genutzt wurden, existieren<br />

mittlerweile spezialisierte englischsprachige Fremdbeurteilungs-Instrumente zur Messung<br />

der beschriebenen Dimensionen. Daneben haben sich einige Selbsteinschätzungsskalen<br />

etabliert, deren Vorteile in ihrer Ökonomie, der Absicherung der Reliabilität <strong>und</strong> der<br />

möglicherweise höheren Objektivität gesehen werden. Der letzte Punkt betrifft eine<br />

eventuelle Urteilsverzerrung in Interviews durch eine geringe Komplexität der expressiven<br />

Sprache oder andere Kommunikationsprobleme (Konf<strong>und</strong>ierung der Beurteilung von<br />

Einsicht <strong>und</strong> Aspekten der Kognition: s. ALEMAN, AGRAWAL, MORGAN & DAVID, 2006).<br />

Zum Verständnis der referierten Bef<strong>und</strong>e werden zunächst Interviews, dann Fragebögen<br />

sowie Instrumente zur Erfassung konzeptuell verwandter Konstrukte dargestellt. Ausgewählt<br />

wurden Instrumente mit einem gewissen Bekanntheitsgrad in der Forschung. Nicht<br />

erörtert werden wegen ihrer bislang seltenen Verwendung das Awareness of Illness<br />

Interview von CUFFEL, ALFORD, FISCHER & OWEN (1996), die Brown Assessment of Beliefs<br />

Scale von EISEN et al. (1998) <strong>und</strong> der Positive and Negative Symptoms Questionnaire von<br />

IANCU, POREH, LEHMAN, SHAMIR <strong>und</strong> KOTLER (2005). Bef<strong>und</strong>e zur Dimensionalität der<br />

bekanntesten Instrumente werden im folgenden Abschnitt beschrieben.


6.5.4.1 Einsichts-Interviews<br />

135<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

Positive and Negative Syndrome Scale (PANSS), Item G12 (KAY, FISZBEIN & OPLER,<br />

1987). Das am häufigsten eingesetzte eindimensionale Maß der Einsicht ist das Item zum<br />

»Mangel an Urteilsfähigkeit <strong>und</strong> Einsicht« (lack of judgement and insight) aus der<br />

Generellen Psychopathologie-Skala der PANSS (G12). G12 steht hier stellvertretend für<br />

entsprechende, seltener verwendete Items aus anderen Interviews, etwa dem AMDP-<br />

System (1979) oder der Hamilton Depression Scale (HAMD, Item 17: HAMILTON, 1960).<br />

Beim Item G12 werden die Bewusstheit einer psychischen Störung <strong>und</strong> bestehender<br />

Symptome sowie die Einsicht in die Notwendigkeit der aktuellen <strong>und</strong> künftigen Behandlung<br />

zu einem Gesamturteil integriert. Wie bei allen PANSS-Items erfolgt die Einschätzung<br />

auf einer siebenstufigen Skala, wobei höhere Werte geringere Einsicht repräsentieren. Um<br />

die Bedeutung unterschiedlicher Trennwerte zu verdeutlichen, folgt eine grobe Beschreibung<br />

der Stufen:<br />

Stufen PANSS G12<br />

1 vollständige Einsicht<br />

2 Verdacht auf geringgradiges Defizit<br />

3 Einsicht in das Bestehen einer psychischen Störung, jedoch abweichende Einschätzung ihrer<br />

Konsequenzen für das eigene Leben <strong>und</strong> diskrepante Behandlungseinstellungen (z. B.<br />

geringe subjektive Rückfallwahrscheinlichkeit oder Notwendigkeit der Zukunftsplanung)<br />

4 fluktuierende oder oberflächliche Einsicht bei reduzierter Symptombewusstheit<br />

5 retrospektive, aber keine aktuelle Einsicht, geringe Symptombewusstheit bei inkorrekter<br />

Attribution; keine Einsicht in die Behandlungsnotwendigkeit<br />

6 vollständige aktuelle <strong>und</strong> retrospektive Uneinsichtigkeit; keine Einsicht in Behandlungsnotwendigkeit,<br />

jedoch passive Compliance<br />

7 vollständige aktuelle <strong>und</strong> retrospektive Uneinsichtigkeit, keine Einsicht in Behandlungsnotwendigkeit,<br />

wahnhafte Interpretation der Behandlung, evt. Noncompliance<br />

Inhaltlich vertretbare Trennwerte zur Unterscheidung von Patienten mit <strong>und</strong> ohne Einsicht<br />

liegen bei 2,5 <strong>und</strong> 3,5 – im zweiten Fall werden Personen mit von der Expertenmeinung<br />

abweichenden Behandlungskonzepten noch der Gruppe der Einsichtigen zugerechnet.<br />

Schedule for Assessing the Three Components of Insight / Schedule for the<br />

Assessment of Insight, SAI (DAVID, 1990). Die ursprüngliche Version dieses neben der<br />

SUMD ersten mehrdimensionalen Interviews umfasste acht Items, auf denen aktive <strong>und</strong><br />

passive Behandlungsteilnahme (d. h. fremdbeurteilte Compliance), Krankheitsgefühl,<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong>, explanatives Modell, Bewusstheit von Positivsymptomen <strong>und</strong> Symptomattribution<br />

sowie die Reaktion auf einen hypothetischen Widerspruch gegen das psychotische<br />

Erleben beurteilt werden sollen. Krankheitsgefühl, -einsicht <strong>und</strong> -erklärung bilden<br />

die Skala Recognition of illness, Symptombewusstheit <strong>und</strong> Attribution die Skala Relabelling<br />

of psychosis. DAVID, BUCHANAN, REED <strong>und</strong> ALMEIDA (1992) berichten eine befriedigende<br />

Interrater-Reliabilität (ICC = .72). Summenwert <strong>und</strong> Subskalen korrelierten moderat bis<br />

hoch mit einer klinischen, eindimensionalen Beurteilung der Einsicht (aus der Present<br />

State Examination: r = -.40 bis -.72). Die faktorielle Validität konnte nicht belegt werden,<br />

da die Autoren nur eine eindimensionale Lösung fanden.


136<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

Scale to Assess Unawareness of Mental Disorder, SAUMD/ SUMD (AMADOR &<br />

STRAUSS, 1990; AMADOR et al., 1993). Die SUMD, ein semistrukturiertes Einsichtsinterview,<br />

gilt wegen seines Verbreitungs- <strong>und</strong> Differenzierungsgrades als Goldstandard <strong>und</strong> wird, je<br />

nach Forschungsinteresse, in unterschiedlich modifizierten Varianten eingesetzt. Die<br />

ursprüngliche Version umfasst drei allgemeine Items zur Bewusstheit der psychischen<br />

Störung sowie zu wahrgenommenen Medikationseffekten <strong>und</strong> sozialen Konsequenzen der<br />

Störung, ferner 17 Symptom-Items, auf denen separat Bewusstheit <strong>und</strong> Attribution<br />

diagnostizierter Symptome kodiert werden können. Die SUMD kann separat für gegenwärtige<br />

<strong>und</strong> retrospektive Einsicht durchgeführt werden. AMADOR et al. (1991) berichten<br />

moderate bis hohe Beurteiler-Übereinstimmungen für allgemeine Items <strong>und</strong> Subskalen<br />

(r = .68 bis .90). Gegenwärtige <strong>und</strong> retrospektive Einsicht korrelieren nicht. Bewusstheit<br />

<strong>und</strong> Attribution korrelierten zu r = .55, allerdings weisen die Autoren auf die Möglichkeit<br />

einer artifiziellen Überhöhung dieses Zusammenhangs hin, da die Zuschreibung eines<br />

Symptoms erst ab einer mittelgradigen Bewusstheit erfragt wird. Neuere Untersuchungen<br />

zur Faktorstruktur werden im folgenden Abschnitt 6.5.5 beschrieben. Hinweise auf eine<br />

konvergente Validität ergeben sich aus hohen Korrelationen mit globalen Beurteilungen (z.<br />

B. Mental Status Examination: r = .43 bis .89).<br />

Insight and Treatment Attitudes Questionnaire, ITAQ (MCEVOY ET AL., 1989). Der<br />

ITAQ, ein vollstrukturiertes Interview für hospitalisierte Patienten (11 Items), basiert auf<br />

einer Definition von Einsicht mit einer starken Gewichtung von Einstellungen gegenüber<br />

Hospitalisierung <strong>und</strong> Pharmakotherapie: Von den elf Items thematisieren lediglich drei das<br />

Einräumen von »mental (nerve, worry) problems«, die restlichen acht – wie der Titel<br />

bereits andeutet – die retrospektive Behandlungsbedürftigkeit zum Zeitpunkt der Aufnahme,<br />

die subjektive Notwendigkeit des Krankenhausaufenthaltes <strong>und</strong> der medikamentösen<br />

Behandlung in Vergangenheit <strong>und</strong> Gegenwart sowie der psychiatrischen Nachsorge, die<br />

subjektive Medikamentenwirkung <strong>und</strong> die Bereitschaft zur Adhärenz. Bei der Deutung von<br />

Bef<strong>und</strong>en mit dem ITAQ muss daher berücksichtigt werden, dass das Interview v. a. die<br />

»Einsicht« der Behandlung im Sinne des psychiatrischen Krankheitsmodells erfragt <strong>und</strong><br />

Aspekte wie Krankheitsgefühl <strong>und</strong> Symptombewusstheit unberücksichtigt lässt. Dem ITAQ<br />

soll nach MCEVOY et al. (1989) denn auch »essentially a single factor« (S. 45) zugr<strong>und</strong>e<br />

liegen (die Statistik hierzu wird nicht berichtet), was später durch eine Hauptkomponentenanalyse<br />

von WEILER, FLEISHER <strong>und</strong> MCARTHUR-CAMPBELL (2000) an 187 Patienten<br />

repliziert wurde. Daten zur Reliabilität fehlen, allerdings korrelierte der Summenwert hoch<br />

(r = .82) mit den Ergebnissen eines offenen klinischen Interviews zur Operationalisierung<br />

desselben Konstrukts, das unabhängig zur Validierung geführt wurde. Der ITAQ korrelierte<br />

mit fremdbeurteilter Nonadhärenz (r = -.35), inkonsistent mit BPRS-Symptomatik (-.35)<br />

<strong>und</strong> nicht mit Chronizitätsvariablen (N = 52).<br />

Indiana Psychiatric Illness Interview, IPII (LYSAKER, CLEMENTS, PLASCAK-HALLBERG,<br />

KNIPSCHEER & WRIGHT, 2002). Das IPII ist ein halbstrukturiertes Interview zur Evozierung<br />

von »Narrativen«, also Erzählungen des Individuums über seine Erkrankung, ihre<br />

lebensgeschichtliche Bedeutung <strong>und</strong> unternommene Bewältigungsversuche. Die Kohärenz<br />

der Narrative kann separat mit der Narrative Coherence Rating Scale (ebd.) bewertet<br />

werden. Die Auswertung der Transkripte erfolgt qualitativ nach Themen <strong>und</strong> quantitativ zu<br />

deren Ausprägungen. ROE et al. (2008) identifizierten Dimensionen, die größtenteils mit<br />

denen von SUMD <strong>und</strong> SAI-E übereinstimmten (Belief in having a mental illness, Belief in


137<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

having symptoms, Acceptance of the diagnostic label, Attributing experiences to the label),<br />

lediglich die Dimension Active search for name or explanation wird von anderen Instrumenten<br />

nicht abgedeckt.<br />

6.5.4.2 Einsichts-Fragebögen<br />

Davidhizar-Skala (DAVIDHIZAR, 1987). Die Praxisrelevanz von <strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

spiegelt sich in der Tatsache, dass der erste diesbezügliche Fragebogen der psychiatrischen<br />

Pflegewissenschaft entstammt: DAVIDHIZAR (1987) orientierte sich als erste an den<br />

Dimensionen von GREENFELD et al. (z. B. 1989), auch wenn diese nicht konsequent<br />

operationalisiert wurden. Die Autorin konstruierte einen Fragebogen mit zehn Items, der<br />

den ITAQ vorwegnimmt, also ein Einsichtsmaß mit starkem Akzent auf Behandlungseinstellungen<br />

ist. Die interne Konsistenz ist für einen kurzen Fragebogen mit – vermeintlich –<br />

mehreren zugr<strong>und</strong>e liegenden Einsichtsfacetten außerordentlich hoch (α = .91). Dies dürfte<br />

darauf zurückzuführen sein, dass das Konstrukt bei der Operationalisierung sehr eng<br />

umgrenzt wurde <strong>und</strong> die Itemformulierungen nur wenig variieren (z. B. »I am psychologically<br />

ill« - »I am psychiatrically ill« oder »I should not be hospitalized in a psychiatric<br />

unit« - »I should be at home instead of in the hospital«). DAVIDHIZAR berichtet, dass von<br />

100 <strong>getestete</strong>n Patienten mit Schizophrenie etwas weniger als die Hälfte nach einem vorab<br />

definierten Trennwert (40/50 Punkten) als einsichtig beurteilt wurden; 20 % waren<br />

uneinsichtig (≤ 20/50). Der Summenwert der Skala korrelierte zu r = -.37 (p < .001) mit<br />

dem Vorliegen von Halluzinationen.<br />

Patient’s Experience of Hospitalization Questionnaire (PEH: CARSKY, SELZER,<br />

TERKELSEN & HURT, 1992). Der PEH wurde zur Erfassung der Leugnung schwerer psychischer<br />

Erkrankungen, ihrer emotionalen Auswirkungen <strong>und</strong> der Notwendigkeit einer<br />

Behandlung entwickelt. Er umfasst 18 Items. Es können drei Subskalen gebildet werden<br />

(Notwendigkeit der Behandlung, Notwendigkeit des Stationsaufenthalts, erkrankungsbezogene<br />

Sorgen). Die Autoren empfehlen zur Behandlungsplanung außerdem die Betrachtung<br />

einzelner Items, darunter zur Einsicht (»I have symptoms of mental illness«), die nicht<br />

über eine Skala operationalisiert wurde. Eine Reliabilität wurde nur für den Summenwert<br />

(rtt = .87) <strong>und</strong> dort auch nur für eine Konstruktionsversion berichtet. Die Konstruktionsstichprobe<br />

umfasste lediglich 29 Patienten mit verschiedenen schweren psychischen<br />

Erkrankungen. CARSKY et al. (1992) zeigten, dass die PEH-Scores (»denial«) hoch <strong>und</strong><br />

erwartungsgemäß mit der Diskrepanz der globalen Funktionsbeurteilung von Patienten<br />

<strong>und</strong> Behandlern, mit sozial erwünschtem Antwortverhalten (MMPI-L, MCSDS) <strong>und</strong> negativ<br />

mit MMPI-Symptomatik (darunter Depressivität) korrelierte. Der PEH wurde von MARKS,<br />

FASTENAU, LYSAKER <strong>und</strong> BOND (2000) zum Self-Appraisal of Illness Questionnaire (SAIQ)<br />

weiterentwickelt (s. u.).<br />

McEvoys Vignetten (MCEVOY, SCHOOLER, FRIEDMAN, STEINGARD & ALLEN, 1993).<br />

MCEVOY <strong>und</strong> Kollegen, die bereits den ITAQ entwickelt hatten, legten mit den Vignetten ein<br />

weiteres Verfahren zur Einschätzung von Symptombewusstheit vor. Angelehnt an<br />

Symptombeschreibungen aus BPRS <strong>und</strong> SANS formulierten sie acht kurze Beschreibungen<br />

einer Person mit jeweils einem Symptom (Desorganisation, Halluzination, Verfolgungswahn,<br />

Wahnideen, Apathie, Anhedonie <strong>und</strong> sozialer Rückzug, Affektverflachung, Alogie).<br />

Patienten beurteilten für jede Vignette den Grad der Übereinstimmung mit ihrem eigenen<br />

Erleben <strong>und</strong> Verhalten <strong>und</strong> ob die Vignette Merkmale einer psychischen Erkrankung


138<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

schildert. Zusätzlich wurden die entsprechenden Symptome für jeden Patienten von einem<br />

Experten beurteilt <strong>und</strong> der ITAQ (s. o.) durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen, dass Anhedonie<br />

<strong>und</strong> Alogie von Patienten als am wenigsten pathognostisch gewertet werden, konzeptuelle<br />

Desorganisation <strong>und</strong> Verfolgungswahn als am meisten. Als Validitätsbelege ergaben<br />

sich eine Korrelation zwischen der Bewusstheit von Negativsymptomatik in den Vignetten<br />

(Behandler-Patienten-Differenz) <strong>und</strong> dem ITAQ (r = .49, p = .01) <strong>und</strong> eine Korrelation der<br />

Vignetten-Beurteilung der Krankheitswertigkeit von Positivsymptomatik <strong>und</strong> dem ITAQ<br />

(r = -.45, p = .02).<br />

Birchwoods Insight Scale, IS/BIS (BIRCHWOOD et al., 1994). Die Insight Scale, die zur<br />

Vermeidung einer Verwechslung mit der MARKOVÁ-Skala (s. u.) häufig als BIS bezeichnet<br />

wird, ist ein kurzer Fragebogen (8 Items), der die drei Dimensionen von DAVID (1990)<br />

ökonomisch <strong>und</strong> veränderungssensitiv erfassen soll. Die mittlere Skalen-Interkorrelation<br />

lag bei r = .42, verwendet wird aufgr<strong>und</strong> der Kürze der Subskalen der Summenwert.<br />

Interne Konsistenz <strong>und</strong> Retest-Reliabilität des Summenwertes fielen befriedigend bis hoch<br />

aus (α = .75; rtt = .90). Validitätshinweise ergeben sich aus signifikanten Unterschieden<br />

zwischen zwei nach klinischem Urteil gebildeten Einsichtsgruppen (g = 0,89) <strong>und</strong> aus<br />

Korrelationen mit der SUMD. Es zeigte sich interessanterweise, dass die konvergente<br />

Validität der BIS von der Darbietungsreihenfolge moderiert wird: Die Korrelation zwischen<br />

BIS <strong>und</strong> SUMD fällt deutlich höher aus, wenn die Selbsteinschätzung vor dem Einsichts-<br />

Interview vorgenommen wird (YOUNG, CAMPBELL, ZAKZANIS & WEINSTEIN, 2003). Dieser<br />

Bef<strong>und</strong> wurde mit einem weiteren Fragebogen (SAIQ, s. u.) von JOVANOVSKI, ZAKZANIS,<br />

ATIA, CAMPBELL <strong>und</strong> YOUNG (2007) repliziert.<br />

Markovás revidierte Insight Scale, IS (MARKOVÁ et al., 2003; s. MARKOVÁ & BERRIOS,<br />

1992b). Die IS, ein in der revidierten Fassung aus 30 Items mit dichotomem Antwortformat<br />

bestehender Fragebogen (α = .87), basiert auf einem Konzept von Einsicht, das das<br />

Störungsgefühl <strong>und</strong> den Eindruck einer veränderten Person-Umwelt-Interaktion in den<br />

Fokus der Betrachtung rückt (s. MARKOVÁ & BERRIOS, 1995a). Die Revision bestand u. a. in<br />

der Entfernung von Items zur subjektiven Behandlungsbedürftigkeit, die von den Autoren<br />

nicht mehr als Manifestation von Einsicht gewertet wird. Eine Hauptkomponentenanalyse<br />

(N = 64) ergab eine vierfaktorielle Struktur, allerdings konnten insgesamt lediglich 48 %<br />

der Varianz aufgeklärt werden. Informationen über die Faktorreinheit der Items fehlen.<br />

Der erste Faktor (28 %) scheint die Bewusstheit kognitiver Basisstörungen, subjektive<br />

Entfremdung <strong>und</strong> Verwirrung abzubilden. Der zweite <strong>und</strong> dritte Faktor (8 % bzw. 7 %)<br />

repräsentieren die Wahrnehmung negativer Veränderung von Selbst <strong>und</strong> Umwelt. Der<br />

letzte Faktor (6 %) spiegelt die leugnende Reattribution von Problemen <strong>und</strong> damit einen<br />

Aspekt von <strong>Krankheitseinsicht</strong> im engeren Sinne wieder. Die Konstruktvalidität konnte<br />

nicht hinreichend belegt werden: Es wird eine Korrelation mit der klinischen Einsichtsbeurteilung<br />

(PSE) behauptet, jedoch nicht quantifiziert. In einer vergleichenden Betrachtung<br />

von vier Einsichts-Maßen (IS, SAI, PANSS-G12, ITAQ) berichten SANZ, CONSTABLE, LOPEZ-<br />

IBOR, KEMP <strong>und</strong> DAVID (1998), dass die Vorläufer-Version nur vergleichsweise moderate<br />

Zusammenhänge zwischen r = .34 <strong>und</strong> .55 mit den untereinander hoch korrelierten (d. h.<br />

r ≥ .82) anderen Skalen aufweist. Insgesamt vermag die Konstruktion der IS nicht zu<br />

überzeugen, da wesentliche Aspekte von Einsicht unberücksichtigt bleiben.


139<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

Self-Appraisal of Illness Questionnaire, SAIQ (MARKS et al., 2000). Der 17 Items<br />

umfassende SAIQ stellt eine Modifikation des PEH dar (CARSKY et al., 1992). Explizit als<br />

Fragebogen zu erkrankungsbezogenen Einstellungen konzipiert, ist der SAIQ kein Einsichtsmaß<br />

i. e. S., sondern erhebt auf drei faktoriell validierten Skalen (1.) subjektive<br />

Behandlungsbedürftigkeit (α = .86), (2.) erkrankungsbezogene Sorgen (Markieritem: »How<br />

much do you worry about losing friends because of your condition?«; α = .77) <strong>und</strong><br />

(3.) Optimismus im Hinblick auf Schwere <strong>und</strong> Verlauf der Erkrankung (Markieritem:<br />

»There’s no doubt in my mind that I’ll be better someday«; α = .77). Die Skalenbezeichnungen<br />

sind allerdings irreführend: Das expliziteste Item zur <strong>Krankheitseinsicht</strong> (»I have<br />

symptoms of mental illness«) korreliert mit Items zur Behandlungsbedürftigkeit <strong>und</strong> bildet<br />

das Markieritem der Skala 1. Die Skalen 1 <strong>und</strong> 3 korrelieren hoch zu r = .51, die Sorgen-<br />

Skala 2 war von diesen unabhängig; die Autoren raten von einer Verwendung des Gesamtwertes<br />

ab. Die konvergente Validität zeigte sich an den Korrelationen der Skalen 1 <strong>und</strong> 3<br />

sowohl mit PANSS-G12 (r = .58 bzw. r = .47) als auch mit der SUMD-Summe (r = .63 bzw.<br />

r = .43), wobei beachtet werden muss, dass auch in G12 <strong>und</strong> SUMD Einsicht <strong>und</strong> Behandlungseinstellungen<br />

bis zu einem gewissen Grad konf<strong>und</strong>iert sind.<br />

Modified Engulfment Scale, MES (MCCAY & SEEMAN, 1998). Die MES, ein 24-Item-<br />

Fragebogen, soll LALLYs (1989) soziologisch orientiertes Konzept des Engulfment (d. h.<br />

Reduktion auf die Krankenrolle, Selbststigmatisierung) operationalisieren, ist aber (auch)<br />

eine negativ getönte Krankheitskonzept- bzw. Einsichtsskala: Sie enthält erstens Items zur<br />

Auswirkung der Erkrankung auf das Selbstkonzept <strong>und</strong> zu krankheitsbedingten Einschränkungen<br />

in Rollenfunktionen – darunter Aussagen, die das Vorliegen einer Erkrankung<br />

explizit voraussetzen (»I will never be the person I was before my psychiatric illness<br />

began« [Hervorh. v. Verf.]); zweitens Items zu Krankheitsgefühl <strong>und</strong> -einsicht (z. B. »In my<br />

opinion, I am mentally ill«) sowie drittens Items zur subjektiven Dauer <strong>und</strong> Häufigkeit der<br />

psychiatrischen Behandlung (»I will always have to take psychiatric medicine«). Die MES<br />

zeichnet sich durch eine hohe Konsistenz aus (α = .91), die faktorielle Struktur wurde<br />

allerdings nicht untersucht. Nach Kontrolle von Depressivität zeigten sich hohe Partialkorrelationen<br />

mit Hoffnungslosigkeit (r = .51), mangelndem Selbstwert (r = .47) <strong>und</strong> Selbstwirksamkeit<br />

(r = -.66; N = 100).<br />

Beck Cognitive Insight Scale, BCIS (BECK, BARUCH, BALTER, STEER & WARMAN, 2004).<br />

Die BCIS, ein 15 Items umfassender Fragebogen, misst nicht <strong>Krankheitseinsicht</strong> i. e. S.,<br />

sondern, aufbauend auf einem kognitiven Modell zur Genese psychotischen Erlebens (BECK<br />

& RECTOR, 2002, 2003), Selbstreflexivität <strong>und</strong> subjektive Sicherheit der eigenen Urteile.<br />

Die interne Konsistenz der Subskalen fällt mäßig aus (α = .67. <strong>und</strong> .61). Validitätshinweise<br />

ergeben sich aus einer erhöhten Urteilssicherheit bei wahnhaften Patienten, aus Korrelationen<br />

der Subskalen mit der Bewusstheit von Wahnsymptomen bei Psychose-<br />

Erkrankungen <strong>und</strong> mit Maßen der Neigung zu Wahnhaftigkeit von Studenten (WARMAN,<br />

LYSAKER & MARTIN, 2007; WARMAN & MARTIN, 2006).


6.5.5 Faktorielle Validität der Einsicht<br />

140<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

An der Konstruktvalidität des bis hierhin skizzierten Superkonstruktes »Einsicht«, das<br />

Störungsbewusstheit, Krankheitskonzept <strong>und</strong> Behandlungseinstellungen umfasst, übte<br />

v. a. BECK-SANDER (1998) harsche Kritik, die bislang auch deshalb kaum entkräftet werden<br />

konnte, weil die Dimensionalität der Instrumente aufgr<strong>und</strong> eines Mangels an empirischen<br />

Bef<strong>und</strong>en bzw. deren systematischer Rezeption unklar blieb. Dies erschwert u. a. die<br />

Einschätzung von Studien zu Korrelaten der Einsicht erheblich.<br />

Im Interesse eines besseren Verständnisses der Binnenstruktur der Einsicht <strong>und</strong> zur<br />

Formulierung von Hypothesen über differentielle Zusammenhänge mit kognitiven <strong>und</strong><br />

Coping-Merkmalen wurde die einschlägige Literatur systematisch gesichtet. Es konnten<br />

sieben berichtenswerte Analysen der populärsten Instrumente identifiziert werden (DAVID<br />

et al., 1992; BIRCHWOOD et al., 1994; TRAUER & SACKS, 2000; GONTERMAN, 2005; SIMON,<br />

BERGER, GIACOMINI, FERRERO & MOHR, 2006; HASSON-OHAYON, KRAVETZ, ROE, DAVID &<br />

WEISER, 2006; COOKE, PETERS, FANNON et al., 2007).<br />

Unberücksichtigt bleibt die Hauptkomponentenanalyse (HKA) von MARKOVÁs revidierter<br />

Skala (MARKOVÁ et al., 2003), deren Konstruktvalidität unklar ist (SANZ, CONSTABLE,<br />

LOPEZ-IBOR, KEMP & DAVID, 1998). Die HKA des ITAQ von MCEVOY et al. (1989) wird<br />

ebenfalls nicht wieder aufgegriffen, da keine detaillierte Statistik berichtet wurde.<br />

DAVID et al. (1992) fanden bei einer Untersuchung der faktoriellen Validität der SAI nur<br />

eine einzige relevante Komponente, die 60 % der Varianz aufklärte (N = 91). Es wird eine<br />

weitere Komponente mit 22 % Varianzaufklärung erwähnt, jedoch nicht expliziert. Die<br />

bivariaten Korrelationen zeigen, dass die Skala Relabelling of psychosis (Symptombewusstheit,<br />

-attribution) nur gering mit der Compliance-Skala zusammenhängt (r = .26)<br />

<strong>und</strong> Recognition of illness (<strong>Krankheitseinsicht</strong>) <strong>und</strong> Relabelling zu r = .46 korrelieren,<br />

wodurch die Autoren ihre Annahme semi-unabhängiger Dimensionen bestätigt sehen.<br />

BIRCHWOOD et al. (1994) untersuchten die faktorielle Gültigkeit ihres Fragebogens (BIS),<br />

der nur zwei Items zur Bewusstheit einer psychischen Störung, zwei Items zur Symptombewusstheit<br />

<strong>und</strong> vier zur subjektiven Behandlungsbedürftigkeit enthält. Zwar fanden sie<br />

nur einen einzigen Faktor mit 60 % Varianzaufklärung, allerdings berechneten sie die<br />

Hauptkomponentenanalyse an Subskalen- statt an Item-Werten. Entsprechend kamen<br />

COOKE, PETERS, FANNON et al. (2007) durch die Verwendung der einzelnen Items später zu<br />

anderen Ergebnissen (s. u.).<br />

SIMON et al. (2006) unterzogen die SUMD-Daten von 38 vor der Entlassung stehenden<br />

Patienten mit Schizophrenie einer HKA <strong>und</strong> beschreiben ein dreifaktorielles Modell (98 %<br />

Varianzaufklärung): Auf dem ersten Faktor (74 %) laden die Bewusstheit der psychischen<br />

Erkrankung sowie ihrer sozialen Konsequenzen <strong>und</strong> Symptomattribution. Der zweiten<br />

Faktor (16 %) wird ausschließlich durch die Symptombewusstheit gebildet, der dritte (8 %)<br />

durch die Wahrnehmung von Medikationseffekten.<br />

HASSON-OHAYON et al. (2006) fanden in einer Stichprobe von 131 Rehabilitanden mit<br />

Schizophrenie oder schizoaffektiver Störung eine dreifaktorielle Struktur der SUMD (78 %<br />

Varianzaufklärung): Auch hier laden General awareness, Awareness of the social consequences<br />

<strong>und</strong> Attribution of symptoms auf Faktor 1 (37 %). Auf Faktor 2 (20 %) lädt die<br />

Awareness of the importance of medication. Faktor 3 (19 %) wird nur durch die Awareness<br />

of symptoms gebildet.<br />

COOKE, PETERS, FANNON et al. (2007) berechneten eine HKA an den Daten zweier mehrdimensionaler<br />

Einsichtsmaße (SAI-E <strong>und</strong> BIS), die an 57 ambulanten, stabilen <strong>und</strong>


141<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

chronifizierten Patienten mit Schizophrenie oder schizoaffektiver Störung erhoben worden<br />

waren. Die vierfaktorielle Lösung erklärt 64 % der Varianz <strong>und</strong> umfasst einen ersten<br />

Faktor, auf den Items zur Bewusstheit einer psychischen Störung <strong>und</strong> ihrer sozialen<br />

Konsequenzen, zur subjektiven Ursache der Störung <strong>und</strong> zur Symptomattribution laden.<br />

Auf Faktor 2 laden Items zur subjektiven Behandlungsbedürftigkeit, auf Faktor 3 Items<br />

zum Veränderungs- <strong>und</strong> Störungsgefühl, auf Faktor 4 schließlich Items zur Symptombewusstheit.<br />

Das PANSS-Item G12 korreliert vor allem mit dem Einsichts-Faktor 1 (r = -.55)<br />

<strong>und</strong> dem Behandlungseinstellungsfaktor 2 (r = -.50), schwächer mit dem Symptombewusstheits-Faktor<br />

4 (r = -.29). Erwähnenswert ist weiterhin, dass sich der Behandlungseinstellungs-Faktor<br />

dort klar abzeichnet, wo explizit eine Medikation thematisiert wird,<br />

während Items, die lediglich die Notwendigkeit allgemeiner Behandlung erwähnen, auch<br />

auf Faktor 1 bzw. 3 laden – dies spricht für eine weitgehende Unabhängigkeit der<br />

spezifischen Medikationseinstellungen von anderen Einsichtsaspekten.<br />

Es konnten zwei Studien identifiziert werden, die sich einer konfirmatorischen Faktorenanalyse<br />

bedienten: TRAUER <strong>und</strong> SACKS (2000) untersuchten die BIS-Daten von 218<br />

Patienten mit Psychose-Erkrankungen <strong>und</strong> fanden einen befriedigenden Fit (nonsignifikantes<br />

χ 2 , RMSEA = 0,04) des dreifaktoriellen Modells von DAVID (199o), allerdings mit hoch<br />

korrelierten latenten Variablen (.63 bis .82). Ein ähnliches Modell konnte GONTERMAN<br />

(2005) an die SAI-E-Daten von 106 Patienten mit verschiedenen Psychose-Erkrankungen<br />

anpassen (nonsignifikantes χ 2 , RMSEA = 0,08). Hier korrelierten Krankheits- <strong>und</strong><br />

Symptombewusstheit hoch (.86), während beide geringer mit Behandlungsbedürftigkeit<br />

zusammenhingen (.43 <strong>und</strong> .33). Ein zweifaktorielles Modell ergab einen geringfügig<br />

schlechteren Fit.<br />

Fazit<br />

Als Fazit aus der Sichtung von Studien zur Dimensionalität der Einsicht lässt<br />

sich festhalten, dass die mehrfach gef<strong>und</strong>ene Struktur die Möglichkeit einer<br />

differenzierten Betrachtung von Einsicht bietet. Die von AMADOR (1993) postulierten<br />

Komponenten lassen sich nicht vollständig faktoriell validieren. Einsicht<br />

im engeren Sinne, erhoben durch SAI-E, SUMD <strong>und</strong> BIS, scheint zweidimensional<br />

zu sein: Die Studien zeigen, dass sich die Daten auf zwei Komponenten<br />

reduzieren lassen, von denen eine die Übernahme des psychiatrischen Expertenmodells<br />

der Störung <strong>und</strong> ihrer Implikationen, die andere die Fähigkeit zur<br />

kritischen Reflexion <strong>und</strong> Distanzierung von ungewöhnlichen Erlebnissen <strong>und</strong><br />

Verhaltensweisen repräsentiert. Je nach Ausgangsmaterial finden sich ferner<br />

die Komponenten Veränderungsgefühl <strong>und</strong> Behandlungseinstellungen. Die gesichteten<br />

konfirmatorischen Faktorenanalysen bestätigen das dreifaktorielle<br />

Modell von DAVID (1990) mit den beiden o. g. hoch korrelierten Einsichtsfaktoren<br />

<strong>und</strong> einem Compliance-Faktor.


6.5.6 Prävalenz von Einsichtsdefiziten bei Schizophrenie<br />

142<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

Angaben zur Häufigkeit von Einsichts-Defiziten können – anders als für vergleichsweise<br />

hart definierte psychische Erkrankungen – kaum gemacht werden: Erfahrungsgemäß<br />

schwanken diese um bis zu 50 % (z. B. BÖKER, 1999). Diese Variabilität ist das Resultat verschiedener<br />

Einsichts-Definitionen bzw. betrachteter Dimensionen, verwendeter Instrumente<br />

<strong>und</strong> Trennwerte, unterschiedlicher Patientenkollektive (z. B. ersterkrankte vs. chronifizierte<br />

Pbn: s. THOMPSON et al., 2001) <strong>und</strong> variierender Symptomatik der Stichproben.<br />

Begrenzt machbar <strong>und</strong> sinnvoll erscheinen Prävalenz-Schätzungen ohnehin nur dort, wo<br />

Trennwerte inhaltlich bestimmt, d. h. aus Operationalisierungen qualitativ unterschiedlicher<br />

Stufen von Einsicht hergeleitet werden können. Dies widerspricht jedoch dem Konzept<br />

von Einsicht als kontinuierlichem Phänomen, demzufolge die Angabe einer Prävalenz von<br />

Einsichtsdefiziten in etwa so sinnvoll erscheint wie z. B. die der Häufigkeit von Extraversion<br />

in der Bevölkerung.<br />

Im Kontext dieser Arbeit liegt die Begründung einer kurzen Übersicht zu diesem Thema<br />

v. a. in der Verdeutlichung der erklärungsbedürftigen Variation von Einsicht bei Menschen<br />

mit Schizophrenie-Diagnosen. Die referierten Studien widersprechen dabei mehrheitlich<br />

dem klassischen Bef<strong>und</strong> der International Pilot Study of Schizophrenia (IPSS) der<br />

Weltges<strong>und</strong>heitsorganisation (WHO, 1973, S. 404), demzufolge eine große Mehrheit von<br />

über 80 % der 811 betrachteten Patienten ein Lack of insight zeigten. Ein Bef<strong>und</strong>, der im<br />

Folgenden mehrfach repliziert werden konnte, ist, dass um die 50 % der Menschen mit<br />

akuter Schizophrenie die einfache Frage nach einer psychischen Erkrankung verneinen:<br />

Aus einer Reanalyse von Aktennotizen zu psychiatrischen Interviews von 318 Patienten<br />

mit Psychose-Symptomen folgerten JOHNSON <strong>und</strong> ORRELL (1996), dass 54 % der hospitalisierten<br />

Patienten zum Zeitpunkt der Aufnahme über geringe oder keine Einsicht verfügten.<br />

Zu einem sehr ähnlichen Ergebnis (62 %) kamen CONUS, COTTON, SCHIMMELMANN,<br />

MCGORRY <strong>und</strong> LAMBERT (2007) aufgr<strong>und</strong> einer Analyse der Akten von 661 ersterkrankten<br />

Patienten eines Early Psychosis Prevention and Intervention Centre.<br />

FENNIG et al. (1996) verwendeten ein modifiziertes Einsichts-Item der HADS <strong>und</strong> dichotomisierten<br />

die Ratings, um volle Einsicht von fehlender <strong>und</strong> partieller Einsicht (mit<br />

Fehlattribution der Erkrankungsursache) zu unterscheiden. Hier zeigten sich 47 % von 86<br />

hospitalisierten ersterkrankten Patienten mit Schizophrenie-Spektrums-Diagnosen einsichtig;<br />

bei einer Follow-up-Messung nach sechs Monaten waren es 55 %.<br />

FERRERI et al. (2000) befragten 310 nicht-stationäre französische Schizophrenie-<br />

Patienten, ob sie sich derzeit für krank hielten (»Vous sentez-vous malade actuellement?«).<br />

Diese Frage wurde von 55 % bejaht.<br />

CERNOVSKY, LANDMARK, MERSKEY <strong>und</strong> HUSNI (2004) stellten 111 stationären Patienten<br />

mit Schizophrenie vier Fragen zum Geisteszustand bei Aufnahme sowie zu Gründen <strong>und</strong><br />

zur Berechtigung von Hospitalisierung <strong>und</strong> Pharmakotherapie. Fehlende <strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

wurde kodiert, wenn eine der Fragen nicht »korrekt« beantwortet werden konnte<br />

(S. 822) – in diesem Sinne waren 59 % der Befragten nicht einsichtig.<br />

WEILER, FLEISHER <strong>und</strong> MCARTHUR-CAMPBELL (2000) untersuchten 81 akut-psychiatrische<br />

Patienten mit Schizophrenie mit dem ITAQ. Fehlende <strong>Krankheitseinsicht</strong> wurde durch<br />

totale Verneinung von Item 3 operationalisiert (»Do you have mental [nerve, worry]<br />

problems now?«). Hier waren bei Aufnahme 51 % der Patienten uneinsichtig; bei Entlassung<br />

nach durchschnittlich 13 bis 18 Tagen waren es 37 %.<br />

Zu einem vergleichbaren Ergebnis kamen PYNE, BEAN <strong>und</strong> SULLIVAN (2001), die die<br />

Antworten auf ein ähnliches Item dichotomisierten (»Do you yourself believe that you


143<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

have a mental, emotional, or nervous illness?«): Von 87 hospitalisierten Patienten mit<br />

Schizophrenie-Diagnose antworteten 51 % »vermutlich/definitiv nicht«, von 90 nichtstationären<br />

Patienten hingegen nur 24 %.<br />

Die meisten Studien, denen Informationen zur Häufigkeit von Einsichtsdefiziten bei<br />

Schizophrenie entnommen werden können, verwendeten eine Dichotomisierung des<br />

PANSS-Items G12: So fanden GOLDBERG, GREEN-PADEN, LEHMAN <strong>und</strong> GOLD (2001) bei nur<br />

30 % der 211 Teilnehmer eines Betreuungs- <strong>und</strong> Arbeitsrehabilitationsprogramms für<br />

Menschen mit schweren psychischen Störungen (75 % Psychose-Erkrankungen) eine<br />

intakte Einsicht, definiert als G12 ≤ 2. Noch etwas höher fiel die Prävalenz reduzierter<br />

Einsicht bei 532 ersterkrankten, maximal drei Monate medizierten Teilnehmern einer<br />

Risperidon-Studie aus (KESHAVAN, RABINOWITZ, DESMEDT, HARVEY & SCHOOLER, 2004):<br />

Hier waren sich nur 24 % der Patienten der Erkrankung <strong>und</strong> ihrer Konsequenzen voll<br />

bewusst (G12 ≤ 2). Weitere 21 % (n = 111) waren sich zwar einer psychischen Störung<br />

bewusst, wichen aber in ihren Vorstellungen zur Behandlung von der Expertenmeinung ab<br />

(G12 = 3).<br />

Mit dem strikten G12-Trennwert kamen WALDORF, WIEDL <strong>und</strong> SCHÖTTKE (2007) zu<br />

einem konträren Ergebnis: Sie analysierten die Daten von 195 Teilnehmern stationärer<br />

Rehabilitationsprogramme vor <strong>und</strong> nach einer einmonatigen ergotherapeutischen Behandlung<br />

oder kreativitätsorientierten Beschäftigung. 62 % (t0) bzw. 66 % (t1) der Rehabilitanden<br />

zeigten intakte Einsicht (G12 ≤ 2). Diese war recht stabil (rS = .57, p < .001): 53 %<br />

blieben stabil einsichtig, 25 % uneinsichtig; 13 % verbesserten, 9 % verschlechterten sich.<br />

Dieser Bef<strong>und</strong> stimmt gut überein mit dem Ergebnis der Nachbefragungen von FENNIG et<br />

al. (1996) <strong>und</strong> WEILER et al. (2000).<br />

Die Diskrepanz der Bef<strong>und</strong>e könnte darin begründet liegen, dass in den liberalistischeren<br />

USA im Durchschnitt nur Menschen mit ungünstigeren Erkrankungsverläufen in das<br />

von GOLDBERG et al. (2001) beschriebene Programm aufgenommen wurden, während die<br />

von WALDORF et al. (2007) betrachtete Stichprobe der deutschen Routine-Versorgung<br />

entstammt bzw. ein breites Spektrum von Patienten mit geringen Chancen am kompetitiven<br />

Arbeitsmarkt umfasst <strong>und</strong> so mutmaßlich eher repräsentativ für die Population der<br />

Menschen mit Schizophrenie-Diagnosen ist.<br />

SAEEDI, ADDINGTON <strong>und</strong> ADDINGTON (2007) fanden schließlich in einer Dreijahres-<br />

Längsschnittsstudie an 278 ersterkrankten Patienten ebenfalls einen erheblichen Anteil<br />

(> 60 %) vergleichsweise einsichtiger Probanden, allerdings mit einem liberaleren Trennwert<br />

(G12 ≤ 3). Bei drei Follow-up-Messungen lag der Anteil einsichtiger Teilnehmer<br />

konstant bei ca. 80 %. Eine signifikante Verbesserung auf Gruppenniveau fand nur<br />

während des ersten Jahres statt. 51 % der Probanden blieben stabil einsichtig, 16 % stabil<br />

uneinsichtig, 28 % verbesserten sich, 5 % verschlechterten sich.<br />

Die einzige große Studie, die eine differenzierte Erfassung verschiedener Einsichts-<br />

Dimensionen (mit der Scale to Assess Unawareness of Mental Disorder, SUMD) in einer<br />

großen Schizophrenie-Stichprobe vorgenommen hat <strong>und</strong> Häufigkeiten für ausgeprägte<br />

Uneinsichtigkeit berichtet, stammt von AMADOR et al. (1994): Von 217 Patienten bestritten<br />

nur 33 % eine psychischen Erkrankung völlig (57 % wiesen hier allerdings mindestens<br />

moderate Defizite auf) <strong>und</strong> 32 % sahen keine sozialen Konsequenzen (n = 213); 22 %<br />

berichteten keine Medikationswirkung (n = 198); 40 % waren sich ihrer Halluzinationen<br />

nicht bewusst (n = 157) <strong>und</strong> 58 % nicht ihrer Wahn-Symptomatik (n = 191); 53 % nahmen<br />

keine formalen Denkstörungen wahr (n = 130), 47 % keine Affektverflachung (n = 133),<br />

aber nur 29 % keine Anhedonie <strong>und</strong> 28 % keinen sozialen Rückzug (n = 169).


144<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

Fazit<br />

Ein vorsichtiges Fazit aus der Sichtung von Studien, denen sich Angaben zur<br />

Häufigkeit von Einsichtsdefiziten bei Schizophrenie entnehmen lassen, lautet,<br />

dass diese zwar einerseits häufig sind – regelmäßig verneinen um die 50 % der<br />

Betroffenen Fragen nach einer Erkrankung. Andererseits sind sich aber doch so<br />

viele Betroffene auch in akuten Zuständen ihrer psychischen Erkrankung vollständig<br />

oder partiell bewusst, dass Uneinsichtigkeit nicht als notwendiges<br />

Charakteristikum psychotischer Zustände angesehen werden kann <strong>und</strong> dass<br />

eine erklärungsbedürftige Variation des Phänomens konstatiert werden muss.<br />

6.5.7 Korrelate der Einsicht<br />

Die Forschung zur <strong>Krankheitseinsicht</strong> bei Schizophrenie hat eine Fülle korrelierender<br />

Merkmale aufgedeckt. Diese sollen im Folgenden kurz benannt werden. Eine besondere<br />

Rolle kommt dabei jenen Korrelaten zu, die als relevant betrachtet werden für die Ätiologie<br />

der Uneinsichtigkeit (z. B. kognitive Funktionsmerkmale) oder für die psychosoziale <strong>und</strong><br />

klinische Prognose der Schizophrenie (z. B. negative Emotionalität, Medikationsadhärenz<br />

<strong>und</strong> Behandlungscompliance). Diese werden in eigenen Abschnitten gesondert dargestellt.<br />

Einsicht hängt u. a. zusammen mit einer kürzeren Dauer der unbehandelten Psychose<br />

(COMPTON, WEST & OLFSON, 2006; DE HAAN, PETERS, DINGEMANS, WOUTERS & LINSZEN,<br />

2002; DRAKE, HALEY, AKHTAR & LEWIS, 2000), europäischer (vs. afrikanischer) Ethnie<br />

(JOHNSON & ORRELL, 1996; GOLDBERG et al., 2001), Linkshändigkeit (DAVID et al., 1995;<br />

FERNANDEZ, 2005), bestehender Beziehung (LANG et al., 2003), längerer Symptomfreiheit<br />

(CATON et al., 2006), subjektiver Medikationswirksamkeit (PYNE et al., 2001) <strong>und</strong> positive-<br />

ren Behandlungs- <strong>und</strong> Medikationseinstellungen (GOLDBERG et al., 2001; BARKER,<br />

SHERGILL, HIGGINSON & ORRELL, 1996), weniger Alkohol- <strong>und</strong> Substanz-Missbrauch (YEN et<br />

al., 2009; DICKERSON, BORONOW, RINGEL & PARENTE, 1997), ges<strong>und</strong>heitsbezogenen<br />

Kontrollüberzeugungen (DONOHOE, DONNELL, OWENS & O’CALLAGHAN, 2004), dem<br />

Eindruck sozialer Inferiorität (MCLEOD, COERTZE & MOORE, 2009), geringerer Lebensqualität<br />

in verschiedenen Bereichen (KAROW et al., 2008; HASSON-OHAYON et al., 2006),<br />

höherem sozialen Allgemeinwissen (MCEVOY et al., 1996; VAZ, BÉJAR & CASADO, 2002) <strong>und</strong><br />

verschiedenen Outcome-Kriterien (ROSSI et al., 2000; SCHWARTZ, COHEN & GRUBAUGH,<br />

1997), darunter Einkommen <strong>und</strong> Arbeitsfähigkeit (CERNOVSKY et al., 2004). Obwohl einige<br />

Autoren einen Zusammenhang von Uneinsichtigkeit <strong>und</strong> gewalttätigem Verhalten berichten<br />

(z. B. BUCKLEY et al., 2004), schlossen LINCOLN et al. (2007) aus ihrer Übersicht über<br />

zehn Studien zu diesem Thema, dass die derzeitige Bef<strong>und</strong>lage diese häufig vermutete<br />

Beziehung nicht eindeutig unterstützt.<br />

Generell ist festzustellen, dass eine erhebliche Inkonsistenz der Bef<strong>und</strong>e <strong>und</strong> damit<br />

Unklarheit über das Beziehungsgefüge von Einsicht <strong>und</strong> den sie beeinflussenden bzw. von<br />

ihr beeinflussten Variablen besteht. Dies liegt erstens an einem häufig wenig theoriegeleiteten,<br />

korrelativen Vorgehen, das den Eindruck erweckt, als seien aufgr<strong>und</strong> des hohen<br />

Interesses am Thema ab Mitte der 90er Jahre in Routine-Diagnostik oder anderen Studien<br />

anfallende Daten recht willkürlich in Beziehung zur <strong>Krankheitseinsicht</strong> gesetzt worden.<br />

Zweitens besteht ein Mangel an quantitativen Übersichtsarbeiten – so wurden bislang<br />

erst zwei große Metaanalysen zu kognitiven <strong>und</strong> symptomatischen Korrelaten der Einsicht


145<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

veröffentlicht (MINTZ, DOBSON & ROMNEY, 2003; ALEMAN et al., 2006). Diese werden unten<br />

betrachtet.<br />

Und schließlich ist drittens das Design vieler Studien zu problematisieren, da potenzielle<br />

Mediatoren <strong>und</strong> Moderatoren von Zusammenhängen meistens unkontrolliert bleiben –<br />

auch dies führt zu widersprüchlichen Resultaten. Exemplarisch seien hier die in der<br />

Literatur berichteten Korrelationen von Einsicht mit Variablen des Erkrankungsverlaufs<br />

wie der Anzahl <strong>und</strong> Dauer der Hospitalisierungen genannt: THOMPSON et al. (2001) <strong>und</strong><br />

PRINCE (2007) fanden z. B. einen größeren Anteil einsichtiger Patienten in Gruppen mit<br />

häufigeren Hospitalisierungen. FENNIG et al. (1996) stellten gleichermaßen häufiger vollständige<br />

Einsicht bei Patienten mit mehr als sechs Monaten Gesamtbehandlungsdauer fest.<br />

Hingegen beschrieben MACPHERSON et al. (1996b) einen negativen Zusammenhang von<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong> <strong>und</strong> der Gesamtdauer der Hospitalisierungen. CERNOVSKY et al. (2004)<br />

konnten keinen Zusammenhang mit Verlaufsvariablen finden. PYNE et al. (2001) wiederum<br />

berichteten den paradoxen Bef<strong>und</strong>, dass stationäre Patienten mit weniger als drei Hospitalisierungen<br />

<strong>und</strong> ambulante Patienten mit drei oder mehr Aufnahmen sich mit größerer<br />

Wahrscheinlichkeit einsichtig zeigten.<br />

Ohne an dieser Stelle auf Deutungen dieser Bef<strong>und</strong>e im Sinne von Lern- oder Defensivitätsmodellen<br />

(vgl. MACPHERSON et al., 1996b) oder eine Vorbeugung von Rehospitalisierungen<br />

durch Einsicht einzugehen (vgl. LANG et al., 2003; CATON et al., 2006), sei angemerkt,<br />

dass meist weitgehend unklar bleibt, ob nicht Variablen des Krankheitsverlaufs mit<br />

(anderen) Variablen der Erkrankungsschwere (z. B. neurokognitiven Merkmalen) konf<strong>und</strong>iert<br />

sind. Zwar bietet eine längere Krankengeschichte einerseits zahlreiche Lerngelegenheiten,<br />

so dass die berichteten positiven Zusammenhänge theoretisch plausibel sind.<br />

Andererseits spricht eine langjährige Inanspruchnahme der Versorgungssysteme, über die<br />

die Probanden rekrutiert werden, dafür, dass durch die Verwendung von Trennwerten in<br />

Verlaufsvariablen schwerer erkrankte, möglicherweise kognitiv stärker beeinträchtigte<br />

Personen selegiert werden. Da diese unkontrollierten kognitiven Merkmale aber wiederum<br />

häufig mit <strong>Krankheitseinsicht</strong> zusammenhängen (ALEMAN et al., 2006), zeichnet die<br />

derzeitige Bef<strong>und</strong>lage kein klares Bild des Bedingungsgefüges.<br />

6.5.8 Einsicht <strong>und</strong> negative Emotionalität<br />

Bereits in der Erörterung der Selbststigmatisierung bei Schizophrenie wurde angedeutet,<br />

dass ein Zusammenhang zwischen Einsicht <strong>und</strong> negativer Emotionalität (d. h. Depressivität<br />

<strong>und</strong> Angst) besteht. Dieser Zusammenhang wurde häufig repliziert: So berechneten MINTZ,<br />

DOBSON <strong>und</strong> ROMNEY (2003) in einer Metaanalyse aus 15 Studien (N = 1218) einen<br />

mittleren Effekt von r = .18 (p < .001; 95% CI: -.14 – .49; Fail-safe N = 12), allerdings mit<br />

signifikanter Heterogenität der Effekte. Es ließ sich keine Moderatorvariable identifizieren,<br />

die diese Varianz der Effekte aufklären konnte. Eine differenzierte Analyse der Einsichtsdimensionen<br />

an Substichproben zeigte, dass vor allem Symptombewusstheit akzentuiert<br />

mit Depressivität zusammenhing (r = .39, p < .001; N = 215; k = 4; Fail-safe N = 11).<br />

Es konnten 15 neuere Studien identifiziert werden, die den Zusammenhang von Einsicht<br />

<strong>und</strong> Depressivität <strong>und</strong>/oder Ängstlichkeit bestätigen (SEVY, NATHANSON, VISWESWARAIAH &<br />

AMADOR, 2004; DRAKE et al., 2004; FREUDENREICH, DECKERSBACH & GOFF, 2004; SMITH et<br />

al., 2004; SIM, MAHENDRAN, SIRIS, HECKERS & CHONG, 2004; CRUMLISH et al., 2005;<br />

BIRCHWOOD et al., 2005; GHARABAWI, LASSER, BOSSIE, ZHU & AMADOR, 2006;<br />

SCHWARTZ-STAV, APTER & ZALSMAN, 2006; MUTSATSA, JOYCE, HUTTON & BARNES, 2006;


146<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

MCEVOY et al., 2006; SAEEDI et al., 2007; VRACOTAS, SCHMITZ, JOOBER & MALLA, 2007;<br />

LYSAKER & SALYERS, 2007; GONZALES, 2008). Zwei fanden keinen direkten Zusammenhang<br />

(KAISER, SNYDER, CORCORAN & DRAKE, 2006; COOKE, PETERS, FANNON et al., 2007).<br />

In einer eigenen Arbeit (WALDORF, WIEDL & SCHÖTTKE, 2007) wurde der Effekt von<br />

MINTZ et al. (2003) ebenfalls gef<strong>und</strong>en: Bei 195 Teilnehmern einer einmonatigen ergotherapeutischen<br />

Maßnahme korrelierte Einsicht (G12) zur Baseline schwach mit Depressivität<br />

nach einem Monat (PANSS-Faktor: rS = .18, p < .05). Insgesamt kann gefolgert werden,<br />

dass zumindest ein schwacher querschnittlicher Zusammenhang von Einsicht <strong>und</strong><br />

Depressivität empirisch gut belegt ist.<br />

Mindestens drei Arbeiten weisen darüber hinaus auf einen negativen Zusammenhang<br />

zwischen <strong>Krankheitseinsicht</strong> <strong>und</strong> Selbstwert hin (COOKE, PETERS, GREENWOOD et al., 2007;<br />

LYSAKER, ROE & YANOS, 2007; STARING, VAN DER GAAG, VAN DEN BERGE, DUIVENVOORDEN &<br />

MULDER, 2009), wobei letztere Arbeiten auf eine Moderation durch internalisiertes Stigma<br />

hindeuten.<br />

Mindestens elf quer- <strong>und</strong> längsschnittliche Arbeiten konnten Korrelationen von<br />

Einsichtsdimensionen mit Suizidalität, d. h. Suizidgedanken, Suizidversuchen bzw.<br />

selbstverletzendem Verhalten nachweisen (AMADOR et al., 1996; SCHWARTZ & PETERSEN,<br />

1999; SCHWARTZ, 2000; KIM, JAYATHILAKE & MELTZER, 2003; EVREN & EVREN, 2004;<br />

SCHWARTZ & SMITH, 2004; CRUMLISH et al., 2005; SCHWARTZ-STAV et al., 2006; HARVEY et<br />

al., 2008; GONZALES, 2008; FOLEY et al., 2008). Bei YEN, YEH, CHEN <strong>und</strong> CHUNG (2002) war<br />

Einsicht hingegen nicht von prädiktivem Wert.<br />

Bislang konnte das Wirkgefüge von Einsicht <strong>und</strong> Depression noch nicht eindeutig geklärt<br />

werden. Es bieten sich mindestens vier verschiedene Erklärungsansätze an, die im<br />

Folgenden als klinisch-nosologische Hypothese, als Leidensdruck-Hypothese, als Depressiver-Realismus-Hypothese<br />

<strong>und</strong> als Krankheitsverarbeitungs-Hypothese bezeichnet werden.<br />

Erstens könnten, im Sinne einer rein klinisch-nosologischen Hypothese, Depressivität<br />

<strong>und</strong> Einsicht in gemischten Schizophrenie-Spektrums-Stichproben auf einen benigneren<br />

schizoaffektiven Prägnanztyp zurückgeführt werden. Analog zur klinischen, »Bleulerianischen«<br />

Erklärung der Uneinsichtigkeit (CUESTA & PERALTA, 1994, S. 364) müsste postuliert<br />

werden, dass Personen mit schizodepressiven Störungen deshalb einsichtiger sind, weil sie<br />

weniger psychotisch-krank sind. In Studien zur <strong>Krankheitseinsicht</strong> bei Schizophrenie<br />

werden häufig auch Patienten mit Diagnosen einer schizoaffektiven Erkrankung eingeschlossen,<br />

Unterschiede zur Schizophrenie jedoch kaum untersucht. Indirekte Evidenz<br />

ergibt sich aus Studien, die zeigen, dass Patienten mit schizoaffektiver Störung, deren<br />

klinische <strong>und</strong> psychosoziale Prognose in der Tat günstiger ist als die der Schizophrenie<br />

(z. B. JÄGER, BOTTLENDER, STRAUSS & MÖLLER, 2004), in mehreren Untersuchungen eine<br />

höhere Einsicht aufwiesen als Patienten mit non-affektiven Schizophrenie-Diagnosen (z. B.<br />

PINI, CASSANO, DELL’OSSO & AMADOR, 2001; AMADOR et al., 1994). So waren sich schizoaffektive<br />

Patienten bei AMADOR et al. (1994) ihrer psychischen Erkrankung (g = 0,36), ihrer<br />

Halluzinationen (g = 0,47), Wahnideen (g = 0,49), ihrer Anhedonie (g = 0,46) <strong>und</strong> ihres<br />

sozialen Rückzugs (g = 0,61) signifikant bewusster als schizophrene.<br />

Zweitens lässt sich für den Bef<strong>und</strong> höherer <strong>Krankheitseinsicht</strong> depressiver Patienten<br />

eine alternative Erklärung beibringen: Depressive Stimmung ist definitionsgemäß erlebnispflichtig,<br />

d. h. Einsicht bei nicht-psychotischen Depressionen meist gegeben (AMADOR et<br />

al., 1994). Negative Emotionalität erzeugt Leidensdruck <strong>und</strong> so häufig Behandlungsbereitschaft<br />

(GHAEMI, 2007). Es ist entsprechend plausibel, dass Patienten mit schizodepressiven<br />

Erkrankungen zumindest auf einigen Einsichtsdimensionen als einsichtiger beurteilt


147<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

werden als rein positivsymptomatische Patienten (z. B. bezüglich Störungsgefühl <strong>und</strong> der<br />

allgemeinen Akzeptanz einer »psychischen« Erkrankung). Für Symptombewusstheit gilt<br />

dies in besonderem Maße dann, wenn diese symptom-unspezifisch beurteilt wird.<br />

Drittens könnte, im Einklang mit der Hypothese des depressiven Realismus, Depressivität<br />

zu einer veridikaleren Einschätzung der eigenen Situation <strong>und</strong> (Fehl-)Leistungen führen<br />

– z. B. weil selbstwertdienliche Urteilsverzerrungen abnehmen, die Anwendung negativer<br />

kognitiver Selbst-Schemata zunimmt (vgl. ACKERMANN & DERUBEIS, 1991; TAYLOR &<br />

BROWN, 1988) oder analytische <strong>und</strong> diskrepanzsensitive kognitive Subsysteme gebahnt<br />

werden (KUHL, 2001).<br />

Erwartet würde in diesem Fall, dass das Auftreten depressiver Stimmung im Längsschnitt<br />

einer Erhöhung von Einsicht <strong>und</strong> Behandlungsbereitschaft vorausgeht, was in<br />

einigen wenigen Studien gef<strong>und</strong>en wurde. So stellten SMITH et al. (2004) fest, dass sich nur<br />

bei Patienten mit erhöhten Depressivitätswerten die retrospektive Bewusstheit von Positivsymptomen<br />

über einen Katamnesezeitraum von sechs Monaten verbesserte, während sie<br />

bei den übrigen sogar abnahm (vgl. auch LINCOLN et al., 2007, S. 1336-1337).<br />

Die Krankheitsverarbeitungs-Hypothese interpretiert schließlich negative Emotionalität<br />

als Resultat maladaptiver Coping-Prozesse: Depressivität ist demnach kein notwendiges<br />

Resultat der postpsychotischen Bewusstwerdung einer psychischen Störung, sondern wird<br />

mediiert von dysfunktionalen Bewertungen der eigenen Person, der Welt <strong>und</strong> der Zukunft,<br />

die aus dem subjektiven Krankheitsmodell (v. a. bezüglich der Dauer <strong>und</strong> Konsequenzen<br />

der Erkrankung: LOBBAN, BARROWCLOUGH & JONES, 2004; WATSON et al., 2006) <strong>und</strong> aus<br />

verinnerlichten negativen Stereotypen (Stigmata) abgeleitet werden (z. B. LYSAKER, DAVIS<br />

et al., 2007; WATSON et al., 2006).<br />

Erlebnissen von krankheitsbezogener Hoffnungs-, Wert- <strong>und</strong> Ausweglosigkeit scheint<br />

bei der Entwicklung postpsychotischer Depression (PPD) eine Schlüsselrolle zuzukommen<br />

(z. B. SCHWARTZ-STAV et al., 2006). Entsprechend wird im Cry-of-pain-Modell des Suizids<br />

bei Schizophrenie Hoffnungslosigkeit als bedeutendster Mediator der Selbsttötung<br />

thematisiert (BOLTON, GOODING, KAPUR, BARROWCLOUGH & TARRIER, 2007), was auch<br />

empirisch bestätigt werden konnte (KIM, JAYATHILAKE & MELTZER, 2003). Für eine zentrale<br />

Rolle evaluativer Kognitionen in der PPD spricht auch, dass präsuizidale Probanden v. a.<br />

kognitiv-affektive, nicht aber somatische Depressionssymptome zeigen (SCHWARTZ-STAV et<br />

al., 2006; DRAKE & COTTON, 1985).<br />

Einige Autoren (LEWIS, 2004; WITTMANN & KESHAVAN, 2007) betonen in diesem<br />

Zusammenhang allerdings die Bedeutung einer – nicht notwendigerweise maladaptiven –<br />

postpsychotischen Trauer um Verluste als Ausdruck des Prozesses der integrativen<br />

Krankheitsverarbeitung <strong>und</strong> der Identitätstransformation (vgl. auch MCGLASHAN, LEVY &<br />

CARPENTER, 1975). Eine Erkrankung mit Psychose-Symptomatik kann gravierende Verluste<br />

mit sich bringen: primäre Verluste der kognitiv-affektiven Funktionsfähigkeit <strong>und</strong> sek<strong>und</strong>äre<br />

Verluste an Autonomie der Lebensführung (WITTMANN & KESHAVAN, 2007). LEWIS<br />

(2004) unterscheidet zwei Aspekte der vermuteten Trauerreaktion: erstens das Betrauern<br />

des verlorenen Potenzials, also des Verfehlens angestrebter Lebensziele (vgl. LEWINE,<br />

2005); <strong>und</strong> zweitens das Betrauern der sinnstiftenden psychotischen Realität, in der dem<br />

Akteur eine übersteigerte Bedeutung zukam.<br />

Im Sinne der Defensivitäts-Hypothese wird erwartet, dass die Entwicklung von <strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

negativen emotionalen Reaktionen vorausgeht, was ebenfalls in einigen<br />

wenigen Arbeiten gezeigt wurde (z. B. DRAKE et al., 20004; CRUMLISH et al., 2005): DRAKE<br />

et al. (2004) folgten 185 Patienten mit Erstmanifestation einer Schizophrenie-Spektrums-<br />

Erkrankung über 18 Monate <strong>und</strong> konnten schwache quer- <strong>und</strong> längsschnittliche positive


148<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

Zusammenhänge von Einsicht (BIS, G12) <strong>und</strong> Depressivität nur für die Akutphase der<br />

ersten sechs Wochen entdecken. CRUMLISH et al. (2005) stellten hingegen fest, dass die<br />

Bewusstheit einer psychischen Störung (BIS) sechs Monate nach Erstmanifestation einer<br />

schizophrenen Episode Depressivität <strong>und</strong> Suizidversuche nach vier Jahren vorhersagte (n =<br />

58). In der Diskussion von Krankheitsmodellen bei Schizophrenie wurde außerdem der<br />

Bef<strong>und</strong> von BIRCHWOOD et al., (2005) referiert, die längsschnittlich zwar keine signifikante<br />

Erhöhung der Einsicht (BIS) vor Einsetzen einer postpsychotischen Depression (PPD)<br />

fanden, allerdings ausgeprägtere Kognitionen bezüglich sozialer Erniedrigung, Verlust <strong>und</strong><br />

Schuld (Personal Beliefs about Illness Questionnaire, PBIQ). Während der PPD lagen<br />

zusätzlich eine erhöhte Bewusstheit der Erkrankung, der Symptome <strong>und</strong> Behandlungsbedürftigkeit<br />

sowie Schamgefühle vor.<br />

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass sich die toxischen Elemente der krankheitsbezogenen<br />

Bewertungen in den referierten neueren Arbeiten zu Einsicht, subjektiven<br />

Krankheitsmodellen <strong>und</strong> Stigmatisierung abzuzeichnen beginnen. Wie beschrieben,<br />

scheinen folgende Einschätzungen besonders depressogen zu wirken: (a) die Erwartung<br />

eines ungünstigen, rezidivierenden <strong>und</strong> unvorhersagbaren Verlaufs (hohe Chronifizierung,<br />

Zyklizität) <strong>und</strong> (b) von tiefgreifenden Konsequenzen für das Leben, insbesondere in den<br />

Bereichen Arbeit <strong>und</strong> soziale Beziehungen (LOBBAN et al., 2004, 2005; WATSON et al., 2006;<br />

LEWINE, 2005); (c) die subjektive Wahrnehmung von Diskriminierung <strong>und</strong> v. a. die<br />

Zustimmung zu negativen Stereotypen über Menschen mit psychischen Störungen<br />

(WARNER et al., 1989; RITSHER & PHELAN, 2004; LYSAKER, DAVIS et al., 2007; LYSAKER, ROE<br />

& YANOS, 2007; YANOS et al., 2008); <strong>und</strong> entsprechend (d) die subjektive soziale Degradierung<br />

durch die Krankheit (BIRCHWOOD et al., 2005, 2007).<br />

Bislang wenig berücksichtigt in diesem Wirkgefüge wurde die Rolle der Schizophrenie-<br />

Symptomatik. Es sei noch einmal daran erinnert, dass die Metaanalyse von MINTZ et al.<br />

(2003) einen akzentuierten Zusammenhang von Depressivität mit der Einsichts-Dimension<br />

der Symptombewusstheit herausarbeitete (r = .39).<br />

Dies wurde auch in zwei neueren Studien gef<strong>und</strong>en: Bei FREUDENREICH et al. (2004)<br />

korrelierte die Bewusstheit gestörten Erlebens <strong>und</strong> Verhaltens hochsignifikant mit Depressivität<br />

(HAMD: r = .31) <strong>und</strong> Angst (PANSS: r = .36). Dies wurde auch von SCHWARTZ-STAV<br />

et al. (2006) bestätigt, die schizophrene Adoleszenten (N = 32) mit <strong>und</strong> ohne postpsychotische<br />

Depression (PPD) verglichen <strong>und</strong> in der PPD-Gruppe zwar, möglicherweise wegen der<br />

geringen Teststärke, keine höhere allgemeine <strong>Krankheitseinsicht</strong> (SUMD; g = -0,54), aber<br />

eine deutlich höhere Bewusstheit der eigenen Schizophrenie-Symptomatik (g = -1,63)<br />

fanden. Diese korrelierte in der Gesamtgruppe außerordentlich hoch mit Hoffnungslosigkeit,<br />

Depression <strong>und</strong> Suizidalität (r = .63 bis .76; p < .001).<br />

Um diesen Zusammenhang zu verstehen <strong>und</strong> so die Lücke zwischen Einsicht <strong>und</strong> negativer<br />

Emotionalität zu schließen, soll erneut auf die wenigen Studien rekurriert werden, die<br />

Zusammenhänge zwischen Positivsymptomatik <strong>und</strong> Selbststigmatisierung aufgezeigt haben<br />

(LYSAKER, DAVIS et al., 2007; LYSAKER, ROE & YANOS, 2007). Es wurde dargelegt, dass eine<br />

bewusst als solche wahrgenommene Psychose-Symptomatik erstens eine tiefgreifende<br />

Verunsicherung mit sich bringen sollte <strong>und</strong> zweitens der Selbststigmatisierung durch die<br />

Aktivierung verinnerlichter Vorurteile gegenüber Menschen mit schweren psychischen<br />

Krankheiten Vorschub leisten könnte. Leider wurde der hier postulierte spezifische<br />

Zusammenhang zwischen der Bewusstheit für bestehende Positivsymptomatik als Einsichts-Facette,<br />

Selbststigmatisierung als Mediatorvariable <strong>und</strong> negativer Emotionalität<br />

bislang nicht überprüft.


149<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

Wichtig wäre in diesem Zusammenhang auch die Klärung der Frage, ob die Bewusstheit<br />

von Positivsymptomatik überhaupt einen über den bekannten Zusammenhang von Positiv-<br />

<strong>und</strong> Depressionssymptomatik <strong>und</strong> die Wirkung allgemeiner <strong>Krankheitseinsicht</strong> (z. B.<br />

CRUMLISH et al., 2005) hinausreichenden Beitrag zur Aufklärung negativer Emotionalität<br />

leisten kann. Analog zum Vorgehen von WARNER et al. (1989), die eine signifikante<br />

Interaktion zwischen Einsicht <strong>und</strong> Vorurteilen bei der Prädiktion des Selbstwerts von<br />

Patienten fanden, könnte hierzu eine hierarchische Regression von Depressivität auf<br />

Positivsymptomatik, Einsicht <strong>und</strong> ihre Interaktion vorgenommen werden.<br />

Fazit<br />

Schwache bis moderate korrelative Zusammenhänge von Einsicht <strong>und</strong> Depressivität<br />

konnten durch mindestens 30 Studien belegt werden. Es sind verschiedene,<br />

einander nicht ausschließende Erklärungen denkbar, die als klinischnosologische<br />

Hypothese, Leidensdruck-Hypothese, Depressiver-Realismus-<br />

Hypothese <strong>und</strong> Krankheitsverarbeitungs-Hypothese bezeichnet wurden. Die<br />

gegenwärtige Bef<strong>und</strong>lage erlaubt noch keine Einschätzung der Gültigkeit <strong>und</strong><br />

relativen Bedeutsamkeit dieser Modelle. Einige erste Studien stützen die<br />

plausible Annahme, dass zumindest bei einem Teil der Betroffenen die Entwicklung<br />

postpsychotischer depressiver Reaktionen durch krankheitsbezogene<br />

Kognitionen vermittelt wird. Eine Schlüsselrolle könnte der Bewusstheit von<br />

Positivsymptomatik zukommen, die möglicherweise depressogene Krankheitsrepräsentationen<br />

<strong>und</strong> Selbststigmatisierung begünstigt.<br />

6.5.9 Einsicht <strong>und</strong> Adhärenz<br />

Mangelnde Adhärenz (Compliance) ist bei Patienten mit Schizophrenie-Diagnosen häufig:<br />

Etwa 40 bis 55 % halten sich nicht an das verordnete Medikationsregime (FENTON, BLYLER<br />

& HEINSSEN, 1997). Es besteht daher ein großes Interesse, compliance-relevante Faktoren<br />

zu bestimmen <strong>und</strong> in die erwünschte Richtung zu beeinflussen. Der Wert von Einsicht zur<br />

Sicherung der Compliance wird von einigen Autoren besonders betont (z. B. BUCKLEY et al.,<br />

2007; VAN PUTTEN et al., 1976).<br />

Ein Zusammenhang von <strong>Krankheitseinsicht</strong> <strong>und</strong> Adhärenz ist intuitiv nahe liegend: So<br />

zählte Einsicht in der qualitativen Concept-Mapping-Studie von KIKKERT et al. (2006) zu<br />

den drei wichtigsten Clustern adhärenz-relevanter Aussagen von Patienten, Angehörigen<br />

<strong>und</strong> Behandlern. In einer Befragung von 286 Patienten durch LÖFFLER, KILIAN, TOUMI <strong>und</strong><br />

ANGERMEYER (2003) rangierte die Überzeugung, nicht krank zu sein, mit 27 % auf dem<br />

vierten Platz der Gründe für Noncompliance (hinter Nebenwirkungen [49 %], der Überzeugung,<br />

die Medikation sei gegenwärtig unnötig [40 %] <strong>und</strong> dem Fehlen eines wahrgenommenen<br />

Nutzens [31 %]).<br />

Das Konstrukt Einsicht ist theoretisch gut integrierbar in klassische Modelle des<br />

Ges<strong>und</strong>heitsverhaltens (vgl. CORRIGAN, 2002): So versuchen z. B. das Health-Belief-Modell<br />

(HBM: z. B. JANZ & BECKER, 1984) <strong>und</strong> die Theorie der Schutzmotivation (ROGERS, 1975),<br />

Ges<strong>und</strong>heitsverhalten (wie die Einnahme von Antipsychotika oder die Teilnahme an<br />

psychosozialen Behandlungsprogrammen) unter anderem aus Einschätzungen der<br />

subjektiven Bedrohung (Anfälligkeit für <strong>und</strong> Schweregrad der Schizophrenie) <strong>und</strong> Effizienz<br />

(Kosten <strong>und</strong> Nutzen des Ges<strong>und</strong>heitsverhaltens) vorherzusagen (vgl. PERKINS, 2002;


150<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

ADAMS & SCOTT, 2000). Je nach betrachteter Dimension spielen Einsicht bzw. Krankheitskonzepte<br />

von Personen mit Schizophrenie in beiden Bereichen eine Rolle.<br />

Einsichts-Variablen korrelierten wiederholt moderat positiv mit Medikationsadhärenz <strong>und</strong><br />

Behandlungscompliance bei Schizophrenie (s. LACRO et al., 2002): MCEVOY et al. (1989)<br />

fanden bei der Validierung des ITAQ bei 52 hospitalisierten Patienten erwartungskonforme<br />

querschnittliche Zusammenhänge mit dem vom Pflegepersonal beurteilten Patientenverhalten<br />

bei der Medikationsausgabe (r = -.35, p < .01). Bei MUTSATSA et al. (2003) korrelierte<br />

die Bewusstheit einer psychischen Erkrankung (SAI) von 101 hospitalisierten ersterkrankten<br />

Patienten ebenfalls mit der globalen fremdbeurteilten Compliance (r = .31,<br />

p < .01). COLDHAM, ADDINGTON <strong>und</strong> ADDINGTON (2002) fanden in einer Stichprobe von 186<br />

ersterkrankten Patienten eine signifikant geringere Einsicht (PANSS G12) in einer nonadhärenten<br />

Subgruppe. Auch PRATT, MUESER, DRISCOLL, WOLFE <strong>und</strong> BARTELS (2006)<br />

konnten einen Zusammenhang von Compliance-Fremdbeurteilung <strong>und</strong> SUMD in einer<br />

Stichprobe von 79 ambulanten Patienten mit Psychose-Erkrankungen (79 %) <strong>und</strong> Depression<br />

feststellen (r = .25, p < .05). Zu den meisten Studien ist allerdings anzumerken, dass<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong> (G12, ITAQ, SUMD) mit Behandlungseinstellungen konf<strong>und</strong>iert ist<br />

(MCEVOY et al., 1989; COLDHAM et al., 2002; PRATT et al., 2006).<br />

Andere Studien hinterlassen einen pessimistischeren Eindruck: CUFFEL et al. (1996)<br />

konnten trotz einer Konf<strong>und</strong>ierung von Einsicht <strong>und</strong> Behandlungseinstellungen keine<br />

Korrelation zwischen Einsicht bei Entlassung <strong>und</strong> fremdbeurteilter Adhärenz nach sechs<br />

Monaten belegen (N = 76). GARAVAN et al. (1998) fanden querschnittlich bei 70 ambulanten<br />

Patienten keine Zusammenhänge zwischen Einsicht (SAI/BIS) <strong>und</strong> selbstberichteter<br />

Compliance, allerdings gaben überhaupt nur 20 % eine unregelmäßige Medikamenteneinnahme<br />

zu. Ein Zusammenhang fand sich hingegen mit der wahrgenommenen positiven<br />

Wirkung der Medikation (g = 0,55). Die Wichtigkeit der Einschätzung von antipsychotischer<br />

Medikation als hilfreich <strong>und</strong> wirksam wurde von den Ergebnissen weiterer Studien<br />

unterstrichen (BUCHANAN, 1992; MOORE, SELLWOOD & STIRLING, 2000, LÖFFLER et al., 2003).<br />

OLFSON et al. (2000) berichteten zwar, dass Patienten, die zum Entlassungszeitpunkt<br />

eine geringere Symptombewusstheit erkennen ließen (Item: »How difficult was it for you<br />

to recognize the symptoms of your illness?«) nach drei Monaten häufiger angaben, ihre<br />

Medikation mindestens eine Woche lang ausgesetzt zu haben (χ 2 = 4,4; N = 213; geschätzte<br />

ES = 0,29). Andere Aspekte von <strong>Krankheitseinsicht</strong> erwiesen sich jedoch nicht als prädiktiv,<br />

<strong>und</strong> in den berechneten logistischen Regressionen wurden zwar u. a. familiäre Unterstützung<br />

<strong>und</strong> therapeutische Beziehung, nicht aber Einsicht signifikant. Mit einem<br />

ähnlichen Design konnten HOLZINGER, LÖFFLER, MÜLLER, PRIEBE <strong>und</strong> ANGERMEYER (2002)<br />

Compliance drei Monate nach Entlassung ebenfalls nur aus dem therapeutischen Bündnis<br />

<strong>und</strong> der wahrgenommenen Medikationswirkung, nicht aber aus Aspekten des subjektiven<br />

Krankheitsmodells (Etikett, Ursache, Verlaufserwartung) vorhersagen (R 2 = .21). Auch bei<br />

COLDHAM et al. (2002) trug Einsicht (PANSS-G12) in einer logistischen Regression nichts<br />

zur querschnittlichen Identifikation Nonadhärenter bei, hier war wiederum familiäre<br />

Unterstützung bedeutsam (OR = 0,19; p < .05).


151<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

Die Bef<strong>und</strong>lage zu Einsicht <strong>und</strong> Compliance zeichnet also bislang kein klares Bild, das im<br />

Längsschnitt sogar noch stärker verwischt (LINCOLN et al., 2007). Hierzu sind abschließend<br />

einige klärende Anmerkungen zu machen:<br />

Erstens ist Einsicht selbst aus der Perspektive klassischer Modelle des rationalen<br />

Ges<strong>und</strong>heitsverhaltens nur ein Prädiktor unter vielen (vgl. MCCABE, QUAYLE, BEIRNE &<br />

DUANE, 2000). Sie wird dabei mit Risikowahrnehmung gleichgesetzt (LACRO et al., 2002),<br />

eine Zuordnung, die nur dann sinnvoll ist, wenn alle Aspekte des psychiatrischen Krankheitsmodells<br />

verinnerlicht werden (d. h. wenn Einsicht auch die Anerkennung einer v. a.<br />

somatischen Verursachung <strong>und</strong> einer überdauernden Vulnerabilität bedeutet). Aus der<br />

Diskussion subjektiver Krankheitsmodelle (vgl. MARTIN et al., 2003) lässt sich jedoch die<br />

Möglichkeit ableiten, dass Einsicht besteht, aber abweichende defensive Schlussfolgerungen<br />

für die Behandlung gezogen werden (z. B. dass der Patient für sich in Anspruch nimmt,<br />

an einer passageren Erkrankung zu leiden <strong>und</strong> er die Medikamente daher nach kurzer Zeit<br />

absetzt; oder dass er eine psychische Verursachung für plausibel hält, der mit psychologischen<br />

Methoden zu begegnen ist: z. B. GREENFELD et al., 1989; LALLY, 1989; ROE &<br />

KRAVETZ, 2003).<br />

Zudem besteht die Möglichkeit, dass Einsicht nicht einmal eine notwendige Bedingung<br />

der Compliance darstellt (z. B. NAGEOTTE, SULLIVAN, DUAN & CAMP, 1997): Manche<br />

Patienten geben okkulte Ursachen ihrer Erkrankung an (z. B. Telepathie), scheinen jedoch<br />

keinen Widerspruch zu einer neurochemischen Pathogenese als Endstrecke der Fremdbeeinflussung<br />

zu sehen (s. auch MAYER-GROSS, 1920, S. 196-197) <strong>und</strong> betrachten die<br />

Medikation als Schutzfaktor. So stellten NAGEOTTE et al. (1997) in einer großen Stichprobe<br />

stationärer <strong>und</strong> ambulanter Patienten (N = 195) fest, dass immerhin 38 % der nicht<br />

einsichtigen Patienten eine gute Compliance zeigten.<br />

Weitere compliance-relevante Faktoren beziehen sich vor allem auf die Kosten der<br />

Teilnahme (z. B. Nebenwirkungen wie extrapyramidalmotorische Symptome <strong>und</strong> sexuelle<br />

Dysfunktionen: SHIRZADI & GHAEMI, 2006; KNEGTERING & BRUGGEMAN, 2007; Stigmatisierung<br />

durch Einnahme von Medikamenten oder Beteiligung an Programmen für »Verrückte«:<br />

SAJATOVIC & JENKINS, 2007; FUNG, TSANG & CORRIGAN, 2008) <strong>und</strong> auf den Nutzen von<br />

Compliance (z. B. Vermeidung von Zwangsmaßnahmen, Anerkennung durch Behandlungspersonal).<br />

Zweitens weisen Schizophrenie-Studien, die Adhärenz unter Rückgriff auf Theorien der<br />

rationalen Entscheidung aus Einsicht vorherzusagen versuchen, konzeptuelle Probleme<br />

auf: Diese betreffen v. a. die Vernachlässigung von Variablen, die in der Ges<strong>und</strong>heitspsychologie<br />

herangezogen werden, um die Intentions-Verhaltens-Lücke zu überbrücken (z.<br />

B. spezifische Selbstwirksamkeit, Handlungsplanung: vgl. SCHWARZER, 2004). So fanden<br />

TSANG, FUNG <strong>und</strong> CORRIGAN (2006) einen Zusammenhang zwischen sozialer Selbstwirksamkeit<br />

<strong>und</strong> der Teilnahme an psychosozialen Behandlungsprogrammen (u. a. Arbeitsrehabilitation<br />

<strong>und</strong> soziales Fertigkeitentraining: r = .43, p < .01). Aus dieser Perspektive sind<br />

die häufig geringeren Zusammenhänge von Einsicht <strong>und</strong> Compliance wegen der vielfältigen<br />

<strong>und</strong> komplexen Determination dieses Ges<strong>und</strong>heitsverhaltens nicht verw<strong>und</strong>erlich.<br />

Entsprechend deuten drittens die bereits referierten Hauptkomponentenanalysen<br />

(DAVID et al., 1992; SIMON et al., 2006; HASSON-OHAYON et al., 2006; COOKE, PETERS,<br />

FANNON et al., 2007) darauf hin, dass Items mehrdimensionaler Einsichtsinstrumente (SAI,<br />

SUMD, BIS), die Behandlungseinstellungen, subjektive Medikationswirksamkeit <strong>und</strong><br />

Adhärenz erfassen, vergleichsweise gering auf die übrigen Einsichts-Komponenten laden.<br />

Die Konstruktvalidität von Einsicht sensu DAVID (1990) muss also problematisiert werden:<br />

Es stellt sich die Frage, ob Behandlungseinstellungen überhaupt sinnvoll als »Einsicht«


152<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

konzeptualisiert werden <strong>und</strong> entsprechend in Summenwerte eingehen sollten (s. auch<br />

LINCOLN et al., 2007) – oder ob so nicht eine artifizielle Erhöhung des Zusammenhangs von<br />

Einsicht <strong>und</strong> Compliance durch Konf<strong>und</strong>ierung produziert wird (etwa bei DAY et al., 2005;<br />

vgl. BECK-SANDER, 1998). Vor allem MCEVOYs ITAQ (s. o.) unterliegt diesem Verdacht.<br />

Bei der Validitätsprüfung der Einsicht muss demnach erstens die red<strong>und</strong>ante Erfassung<br />

einer Behandlungsbedürftigkeits-Dimension der Einsicht einerseits <strong>und</strong> von Compliance-<br />

Selbsteinschätzungen andererseits vermieden <strong>und</strong> Einsicht als Prädiktor objektiver<br />

Compliance untersucht werden. Zweitens müssen die von Behandlungseinstellungen<br />

unabhängigen Einsichtsaspekte als Prädiktoren erfasst werden.<br />

Werden diese Forderungen ansatzweise erfüllt, spricht die Bef<strong>und</strong>lage eher gegen den<br />

prognostischen Wert von Einsicht: PRATT, MUESER, DRISCOLL, WOLFE <strong>und</strong> BARTELS (2006)<br />

konnten z. B. keine Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen SUMD-Einsicht <strong>und</strong><br />

objektiver Medikationsadhärenz (Pillenzählung: r = .14, n. s.) <strong>und</strong> eine geringe Korrelation<br />

mit der Compliance-Beurteilung durch Behandler finden (r = .24, p < .05).<br />

Fazit<br />

Obwohl Compliance traditionell als »einsichtiges« Patientenverhalten gewertet<br />

wird, zeichnet die Sichtung empirischer Arbeiten ein inkonsistentes Bild, das<br />

überdies durch eine Konf<strong>und</strong>ierung von Einsicht <strong>und</strong> Behandlungseinstellungen<br />

auf der Ebene der Messinstrumente (z. B. im ITAQ) verzerrt wird. Die<br />

knappe Analyse offenbart Probleme eines Einsichts-Makrokonstrukts sensu<br />

DAVID (1990) – so werden weitere Einflüsse auf Compliance (z. B. subjektive<br />

Nebenwirkungen, therapeutische Beziehung, soziale Unterstützung oder Medikations-Selbstmanagement)<br />

sowie mögliche Mediatoren oder Moderatoren des<br />

Einsichts-Compliance-Zusammenhangs auf diese Weise ausgeklammert.<br />

Compliance ist, wie jedes Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong> Krankheitsverhalten, eingebettet in<br />

ein komplexes Bedingungsgefüge, dem die konzeptuelle Vermengung mit der –<br />

in sich ebenfalls heterogenen – <strong>Krankheitseinsicht</strong> nicht gerecht wird.<br />

6.5.10 Modelle zur Genese der Einsicht<br />

Die Entstehung von <strong>Krankheitseinsicht</strong> ist noch weitgehend unverstanden. Es konnten drei<br />

Modelle ausgemacht werden, die versuchen, den Prozess der Einsichtsgenese zu erfassen.<br />

Hierbei lassen sich zwei unterschiedliche Ansätze unterscheiden: Erstens kann versucht<br />

werden, den Prozess der Einsichtsbildung auf konzeptueller Ebene zu erklären; dies<br />

unternehmen MARKOVÁ <strong>und</strong> BERRIOS (1995a) <strong>und</strong> LINCOLN et al. (2007). Zweitens kann der<br />

Prozess phänomenologisch beschrieben werden (Ko, YEH, HSU, CHUNG & YEN, 2006).<br />

MARKOVÁ <strong>und</strong> BERRIOS (1995a) haben ein hierarchisches Mehrebenen-Modell der Einsicht<br />

vorgelegt, das horizontal drei Pfade (a - c) der Symptom- <strong>und</strong> Einsichtsgenese <strong>und</strong><br />

vertikal drei Ebenen der Einsichtsstruktur (1 - 3) unterscheidet (Abbildung 9). Das Modell<br />

befasst sich v. a. mit Symptombewusstheit, von der die »insight … in relation to disease as<br />

a whole« (S. 749) unterschieden wird.


Pfad b<br />

Interaktionale<br />

Konstruktion<br />

SYMPTOM B<br />

Affektive<br />

Markierung<br />

Neurobiologisches<br />

Substrat<br />

Bewusstheit von<br />

Konsequenzen<br />

Symptom-Bewusstheit<br />

Pfad a<br />

Kognitive<br />

Konzeptbildung<br />

Präprädikatives<br />

Erleben (PS)<br />

153<br />

SYMPTOM A<br />

(Meta-) kognitive<br />

Verarbeitung<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

insight<br />

tagging<br />

Abbildung 9. Relationales Mehrebenen-Modell der Symptom- <strong>und</strong> Einsichtskonstruktion,<br />

modifiziert nach Marková <strong>und</strong> Berrios (1995a)<br />

EBENE 3<br />

EBENE 2<br />

EBENE 1<br />

Ausgangspunkt des Modells ist auf der »neurokognitiven« Ebene 1 eine auf dem Boden<br />

eines gestörten neurobiologischen Prozesses entstehende subjektive »Ursuppe« vorprädikativen<br />

Erlebens, die zugleich affektiv verarbeitet wird. Aus diesem primären Störungserleben<br />

wird auf Pfad a unter Beteiligung soziokulturell geprägter Wissensstrukturen <strong>und</strong><br />

kognitiver Funktionen (nicht dargestellt) ein »Konzept« konstruiert (z. B. eine Beziehungsidee).<br />

Urerleben <strong>und</strong> Konzeptbildung werden dabei in einem parallelen System reflektiert<br />

(»cognitive registration« oder »echoing«). Dieser Parallelprozess, der eine notwendige<br />

Voraussetzung der Einsicht darstellt, wird allerdings unzureichend expliziert. Die beteiligten<br />

kognitiven Funktionen, die nicht näher spezifiziert werden, »… are the same as those<br />

utilized in the appraisal of all (primordial soup) experiences, wether ›normal‹ or pathological«<br />

(MARKOVÁ & BERRIOS, 1995a, S. 748). Da Bewusstheit ein konstitutives Merkmal<br />

sowohl der entlang dieses Pfades konstruierten (Positiv-) Symptomatik als auch der auf sie<br />

bezogenen Einsicht darstellt (»… the shared core of conscious awareness that is essential<br />

for both« [ebd., S. 748]), werden Positivsymptome den Autoren zufolge »einsichtsmarkiert«<br />

(insight tagged). Auf Ebene 1 besteht allerdings noch keine <strong>Krankheitseinsicht</strong> im<br />

engeren Sinn.<br />

Auf Pfad b werden nicht-einsichtsmarkierte Symptome (die Autoren nennen hier z. B.<br />

formale Denkstörungen <strong>und</strong> Affektinkongruenz) vom klinischen Beobachter wahrgenommen<br />

(bzw. konstruiert) <strong>und</strong> vom Betroffenen anhand der sozialen Rückmeldung <strong>und</strong> der<br />

Konsequenzen für das eigene Leben »eingesehen«. Indirekte Belege für eine Wirkung<br />

sozialer Netzwerke werden in Abschnitt 6.5.15 referiert (Normalisierungs-Hypothese).<br />

Pfad c (nicht dargestellt) schließlich beschreibt die Bildung sek<strong>und</strong>ärer Symptome, die<br />

kein direktes Resultat des gestörten neuralen Prozesses sind (z. B. Angst aufgr<strong>und</strong> von<br />

Verfolgungsideen: vgl. SALKOVSKIS [1991] safety seeking behavior).<br />

Auf Ebene 2, die mit Abschluss der Konzeptbildung erreicht wird, »… the patient becomes<br />

aware consciously of the symptom as a symptom« (S. 749), d. h. hier kann erstmals<br />

von echter Symptombewusstheit gesprochen werden, da das Individuum dem jetzt<br />

bewussten Symptom wertend gegenübertritt. Auf Ebene 3 (insight as self-knowledge)


154<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

schließlich werden Erkrankung <strong>und</strong> Symptome in ihrer Bedeutung für das Selbst, die<br />

Funktionsfähigkeit der Person <strong>und</strong> ihre Beziehung zur Welt beurteilt.<br />

Das MARKOVÁ-BERRIOS-Modell weist eine Reihe theoretischer Schwächen auf, die hier<br />

nicht erschöpfend behandelt werden können: So bleibt die Art der Beziehungen zwischen<br />

pathophysiologischer Ebene <strong>und</strong> phänomenaler »Ursuppe« sowie zwischen den Ebenen<br />

unklar, ebenso die Bewusstheitsfähigkeit der Prozesse auf Ebene 1. Die an Symptombildung,<br />

»insight tagging« <strong>und</strong> Einsicht auf Ebene 2 beteiligten kognitiven Prozesse werden<br />

nicht expliziert. Die zentrale »insight tagging function« (S. 748) des Modells erscheint als<br />

theoretische Idiosynkrasie, die keinen über die klassische Unterscheidung zwischen<br />

Erlebens- <strong>und</strong> Verhaltenssymptomen hinausgehenden Erklärungswert zu haben scheint. Es<br />

ist fragwürdig, ob die scheinbar stringente Trennung zwischen den Einsichtspfaden a <strong>und</strong> b<br />

empirisch haltbar ist, insofern als die Einsichtsgewinnung durch Realitätsüberprüfung<br />

positiver »Symptome« auch ein sozialer Prozess ist (z. B. KO et al., 2006; LANDA,<br />

SILVERSTEIN, SCHWARTZ & SAVITZ, 2006; BECK & RECTOR, 2003).<br />

Anders als MARKOVÁ <strong>und</strong> BERRIOS (1995a) orientieren sich LINCOLN et al. (2007) an den<br />

Konzepten von DAVID (1990) <strong>und</strong> AMADOR et al. (1993) <strong>und</strong> versuchen, den Verlauf der<br />

Entstehung der von jenen Autoren postulierten Einsichtskomponenten zu beschreiben. Ihr<br />

Modell beschreibt eine zeitliche Sequenz, die bei der Bewusstwerdung von Symptomen der<br />

Veränderung oder Störung beginnt, die als Voraussetzung der Akzeptanz der Diagnose <strong>und</strong><br />

der Attribution von Symptomen auf die Erkrankung gesehen wird. Die Bewusstheit von<br />

Konsequenzen <strong>und</strong> der Behandlungsbedürftigkeit schließen sich an. LINCOLN et al. (2007)<br />

nehmen jeweils unterschiedliche Einflüsse auf die unterschiedlichen Komponenten an:<br />

Während Symptombewusstheit durch neurokognitive Defizite begrenzt werden soll, wird<br />

die Attribution, v. a. von Urteilsverzerrungen (reasoning biases) beeinträchtigt, die<br />

nächsten beiden Schritte vor allem von krankheits- <strong>und</strong> behandlungsbezogenen Einstellungen.<br />

Leider explizieren die AutorInnen ihr Modell ebenfalls nicht weiter: So bleibt auch hier<br />

unklar, welche kognitiven Funktionen auf welche Weise Symptombewusstheit vermitteln<br />

oder warum Einstellungen nicht bereits den Attributionsschritt mitbestimmen sollten.<br />

Einen qualitativ-empirischen Weg nahmen KO et al. (2006), die 50 teilremittierte Patienten<br />

mit einem Einsichtsinterview (SAI) untersuchten <strong>und</strong> zusätzlich persönliche Narrative<br />

(RIESSMAN, 1993) analysierten, d. h. evozierte Erzählungen über Erlebnisse, die zur<br />

Behandlung führten, über Einschätzungen dieser Erlebnisse im Hinblick auf ihre Krankheitswertigkeit<br />

<strong>und</strong> über wahrgenommene Anzeichen einer Erkrankung. Anhand der<br />

Narrative einsichtiger Probanden wurden vier Phasen der Genese von Einsicht formuliert:<br />

(1.) Unerträglichkeit der Symptome (Feeling that symptoms are unbearable or a loss of<br />

control) – während dieser ersten Phase nehmen unspezifische Prodromalsymptome (z. B.<br />

Schlaflosigkeit, Reizbarkeit, Kontrollverlust) bis zur subjektiven Unerträglichkeit zu,<br />

wodurch sich ein eindeutiges Veränderungs- <strong>und</strong> Störungsgefühl etabliert.<br />

(2.) Vergleich der eigenen Erlebnisse mit Referenzen (Comparison of experiences with<br />

references) – während dieser Phase werden inter- <strong>und</strong> intraindividuelle Vergleiche (auch<br />

mit Mitpatienten nach der ersten Hospitalisierung) zur Einschätzung des Realitätsgehalts<br />

<strong>und</strong> der Normalität der eigenen Erlebnisse sowie der eigenen Leistungsfähigkeit vorgenommen.<br />

KO et al. (2006) nehmen für diese Phase eine Bedeutung frontal-exekutiver<br />

Funktionen an.<br />

(3.) Erlernen der Medikationswirkung durch Erfahrung (Perception that medication<br />

works through trial and error experiments) – diese Phase umfasst die subjektive


155<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

Validierung des psychiatrischen Krankheitsmodells durch die Reflexion einer erfolgreichen<br />

Pharmakotherapie, speziell die Erfahrungen des Rezidivs nach eigenmächtigem Absetzen<br />

der Antipsychotika <strong>und</strong> der erneuten Linderung der Symptome nach Wiederaufnahme des<br />

Medikationsregimes.<br />

(4.) <strong>Krankheitseinsicht</strong> nach pharmakotherapeutisch erzielter Symptomremission<br />

(Awareness of illness after medication relieves symptoms) – während dieser Phase findet<br />

eine kognitive Verknüpfung zwischen dem Erlebnis unerträglicher Symptome, deren<br />

Linderung durch Pharmakotherapie <strong>und</strong> der medizinischen Diagnose statt, die schließlich<br />

zu <strong>Krankheitseinsicht</strong> im engeren Sinne führt.<br />

Fazit<br />

Es können einige Schlussfolgerungen aus den referierten Modellen der<br />

Einsichtsentstehung gezogen werden: Es besteht ein gewisser Konsens über die<br />

Bedeutsamkeit kognitiver Funktionen für die <strong>Krankheitseinsicht</strong>. Alle Modelle<br />

sehen v. a. in der Symptombewusstheit eine kognitive Leistung. Obwohl keines<br />

einsichtsrelevante kognitive Funktionen benennt, lässt sich vermuten, dass<br />

Symptombewusstheit v. a. von höheren Kontrollfunktionen <strong>und</strong> Arbeitsgedächtnis<br />

vermittelt wird. Bei komplexeren Formen von Einsicht, die auf das<br />

psychiatrische Krankheitsmodell aufbauen, sollten hingegen Wirkfaktoren wie<br />

Vorerfahrungen <strong>und</strong> soziokultureller Hintergr<strong>und</strong> an Gewicht zunehmen<br />

(MARKOVÁ & BERRIOS, 1995a; LINCOLN et al., 2007). Folgt man dem MARKOVÁ-<br />

BERRIOS-Modell, so könnte innerhalb der Domäne der Symptombewusstheit<br />

eine Differenzierung der Einsichtsobjekte nach dem Grad primärer Bewusstheit<br />

bzw. »Einsichtsmarkierung« (z. B. Erlebens- vs. Verhaltenssymptome, Positiv-<br />

vs. Negativsymptomatik) gewinnbringend sein.


156<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

6.5.11 Theoretische Perspektiven auf die Genese von Einsichts-Defiziten<br />

In den folgenden Abschnitten werden theoretische Perspektiven auf das Phänomen der<br />

mangelnden <strong>Krankheitseinsicht</strong> bei Schizophrenie erörtert, die im Lauf der vergangenen<br />

zwei Jahrzehnte formuliert bzw. wiederentdeckt wurden (vgl. COOKE, PETERS, KUIPERS &<br />

KUMARI, 2005; AMADOR & DAVID, 2004; BÖKER, 1999). Es lassen sich vier konkurrierende<br />

ätiologische Sichtweisen unterscheiden, von denen drei die Überprüfung von spezifischen<br />

Zusammenhangshypothesen erlauben. Außerdem nehmen einige Autoren eine multifaktorielle<br />

Verursachung an.<br />

(a) Die nosologische oder »klinische« Hypothese der Uneinsichtigkeit nimmt an, diese<br />

sei der Erkrankung inhärent (im Sinne eines Symptoms). Sie stellt damit gewissermaßen<br />

eine Nullhypothese dar.<br />

(b) Neurobiologisch-kognitive Hypothesen nehmen Defizite der Informationsverarbeitung<br />

als Ursache mangelnder <strong>Krankheitseinsicht</strong> an. Als empirische Evidenz werden Korrelationen<br />

zwischen kognitiven <strong>und</strong> Einsichts-Variablen angeführt (ALEMAN et al., 2006).<br />

Für die neuro- bzw. metakognitiven Defizite werden überdies enge Zusammenhänge mit<br />

der somatischen Ebene vermutet: Speziell die Anosognosie-Hypothese, die aus der Beobachtung<br />

mangelnder Bewusstheit von Funktionseinschränkungen bei Patienten mit<br />

bestimmten (v. a. rechtshemisphärischen) Gehirnläsionen abgeleitet wurde, betont den<br />

Primat zentralnervöser (v. a. präfrontaler) Defekte bei der Erklärung schizophrener<br />

Einsichtsdefizite (AMADOR et al., 1991; MCGLYNN & SCHACTER, 1997; SHAD, TAMMINGA,<br />

CULLUM, HAAS & KESHAVAN, 2006; PIA & TAMIETTO, 2006). Entsprechend wurde versucht,<br />

das neurobiologische Substrat der Uneinsichtigkeit mit bildgebenden <strong>und</strong> morphometrischen<br />

Verfahren zu finden (z. B. ROSSELL, COAKES, SHAPLESKE, WOODRUFF & DAVID, 2003;<br />

FLASHMAN et al., 2001).<br />

(c) Motivationale Hypothesen sehen in Uneinsichtigkeit entweder das Resultat eines<br />

allgemein defensiven Umgangs mit persönlichen Schwächen <strong>und</strong> Makeln (Defensivitätshypothese)<br />

oder eine spezifische Form der Krankheitsverarbeitung (Coping-Hypothese).<br />

Dieser Ansatz fußt auf Arbeiten, die die große Bedeutung der Krankheitsbewältigung <strong>und</strong><br />

copingrelevanter Persönlichkeitsmerkmale bei Schizophrenie belegen konnten (zusammenfassend<br />

z. B. WIEDL & SCHÖTTNER, 1989).<br />

(d) Soziokulturelle Lernhypothesen thematisieren die Bedeutung kultureller <strong>und</strong> individueller<br />

Wissensstrukturen <strong>und</strong> Überzeugungen bzw. Lern-Umgebungen für Einsicht. Sie<br />

lassen sich je nach Akzentsetzung in zwei Gruppen einteilen:<br />

(d1) Kulturelle-Distanz-Hypothesen betonen die Bedeutung des soziokulturellen Kontextes<br />

für die Konstruktion <strong>und</strong> Bewusstheit von »Krankheit« <strong>und</strong> des kulturellen Unterschieds<br />

zwischen Patient <strong>und</strong> Behandler für die Beurteilung von »Einsicht« (JOHNSON &<br />

ORRELL, 1995; SARAVANAN, JACOB, PRINCE, BHUGRA & DAVID, 2004).<br />

(d2) Klinische Sozialisationshypothesen weisen darauf hin, dass individuelle erkrankungsspezifische<br />

Kenntnisse, gewonnen durch Erfahrungslernen <strong>und</strong> Wissensvermittlung,<br />

eine Voraussetzung von Einsicht darstellen (MACPHERSON et al., 1996b).<br />

(e) Multifaktorielle Modelle nehmen schließlich an, dass sowohl kognitive als auch<br />

motivationale Merkmale die Ausprägung von <strong>Krankheitseinsicht</strong> bei Schizophrenie<br />

beeinflussen. Hier ist v. a. das Modell von STARTUP (1996) zu nennen.


6.5.12 Die nosologische Hypothese:<br />

Uneinsichtigkeit als Kernmerkmal der Psychose<br />

157<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

Die klinische oder nosologische Auffassung von Einsicht tritt in zwei Fassungen auf. Die<br />

erste begreift »Einsicht« <strong>und</strong> »Psychose« als graduelle Antonymie. Dies ist auf den ersten<br />

Blick nahe liegend <strong>und</strong> für einen begrenzten Phänomenbereich auch durchaus zutreffend:<br />

Wahn in all seinen Erscheinungsformen ist das häufigste Positivsymptom der Schizophrenie.<br />

Er kann definiert werden als »… inhaltlich falsche Überzeugungen, die … mit unmittelbarer<br />

Gewissheit (Evidenz) auftreten <strong>und</strong> an denen die Patienten … unbeirrbar <strong>und</strong><br />

unzugänglich für alle Gegengründe … trotz der Unvereinbarkeit mit … der objektiv<br />

nachprüfbaren Realität festhalten« (HUBER, 1999, S. 272). Zumindest für den Bereich der<br />

entsprechenden Symptombewusstheit (vgl. DAVID, 1990; AMADOR, 1993) ist somit begrifflich<br />

bestimmt, dass Uneinsichtigkeit ein konstitutives Charakteristikum des Psychotischen<br />

sein muss: Wer einsichtig ist, kann nicht wahnhaft sein et vice versa.<br />

Diese Anschauung kommt auch in älteren globalen Einsichts-Einschätzungen zum<br />

Ausdruck, etwa wenn im PANSS-Item G12 ein extremes Einsichtsdefizit u. a. über die<br />

wahnhafte Interpretation der Behandlung operationalisiert wird. Diese Setzung <strong>und</strong> die<br />

hohe klinische Salienz <strong>und</strong> Bedeutung des akuten Wahns hat in der Vergangenheit zu<br />

hohen inversen Zusammenhängen zwischen Einsicht <strong>und</strong> Wahn geführt: So berichten<br />

SARTORIUS, SHAPIRO <strong>und</strong> JABLENSKY (1974) für die International Pilot Study of Schizophrenia,<br />

dass in einer strikt definierten paranoid-halluzinatorischen Kerngruppe (N = 306)<br />

praktisch jeder Patient (97 %) laut Present State Examination uneinsichtig war.<br />

Es sollte bereits deutlich geworden sein, dass dieses Verständnis von Einsicht als Antonym<br />

von Wahn zu kurz greift. Es wurde herausgearbeitet, dass Einsicht mehr umfasst als<br />

die Bewusstheit gestörten Erlebens <strong>und</strong> Verhaltens (so etwa Annahmen über die Natur der<br />

Krankheit).<br />

Dennoch soll der für die Konstruktvalidität der Einsicht wichtigen Frage nach dem<br />

Zusammenhang mit Schizophrenie-Symptomatik kurz nachgegangen werden. Die bislang<br />

einzige Metaanalyse zu diesem Thema (1985 - 2001) berechneten MINTZ, DOBSON <strong>und</strong><br />

ROMNEY (2003): Die Effektstärke für den Zusammenhang von globaler Einsicht <strong>und</strong><br />

Positivsymptomatik betrug nur r = -.25 (95% CI: -.64 bis .13; N = 1616 aus k = 22 Studien;<br />

Fail-safe N = 34) <strong>und</strong> für den Zusammenhang mit Negativsymptomatik r = -.23<br />

(95% CI: -.48 bis .02; N = 1487, k = 20; Fail-safe N = 26).<br />

Während der geringe Zusammenhang von Einsicht <strong>und</strong> Negativsymptomatik, auch vor<br />

dem Hintergr<strong>und</strong> des Modells von MARKOVÁ <strong>und</strong> BERRIOS (1995a), erwartet werden<br />

konnte, überrascht die geringe gemeinsame Varianz von Einsicht <strong>und</strong> Positivsymptomatik.<br />

Eine Moderatorvariablenanalyse ergab hier, dass 88 % der Varianz der Korrelationen von<br />

Einsicht <strong>und</strong> Positivsymptomatik durch den Anteil akuter Patienten erklärt wurde – wo<br />

stärkere Symptomatik vorliegen, erhöht sich die negative Korrelation von Positivsymptomatik<br />

<strong>und</strong> Einsicht. Dies überrascht nicht angesichts der Antonymie von Wahn <strong>und</strong><br />

der Bewusstheit von Positivsymptomatik <strong>und</strong> des hohen Gewichts subjektiver Behandlungsbedürftigkeit<br />

in globalen Einsichtsmaßen wie PANSS-G12 oder ITAQ.<br />

Für differenzierte Aussagen zum Zusammenhang zwischen Einsichtsdimensionen <strong>und</strong><br />

Symptomatik ist die Datengr<strong>und</strong>lage noch recht dünn: In der Metaanalyse von MINTZ et al.<br />

(2003) fiel der Zusammenhang zwischen Symptombewusstheit <strong>und</strong> Positivsymptomatik<br />

mit r = -.23 nicht höher aus als der berichtete globale Effekt (aber: N = 100, k = 3).<br />

SEVY et al. (2004) fanden an 96 stationären Patienten bei Verwendung der SUMD die<br />

meisten signifikanten inversen Zusammenhänge für den Bereich der Symptombewusstheit.


158<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

Der geringste Effekt zeigte sich für die Positivsymptomatik (r = .36; Negativ: r = .58;<br />

feindselige Erregung: r = .56; kognitive Desorganisation: r = .71). Für den Bereich der<br />

Positivsymptomatik <strong>und</strong> ihrer Bewusstheit zeigt sich also auch hier, dass das einfache<br />

Konzept sich ausschließender Phänomene nicht haltbar ist. Möglicherweise wird der<br />

Einfluss der Positivsymptomatik auf Einsicht auch größtenteils mediiert von Erregung,<br />

Feindseligkeit <strong>und</strong> Unkooperativität, wie es ein Strukturgleichungsmodell der PANSS-<br />

Faktoren <strong>und</strong> dem G12-Item von HWANG, CHANG, LEE, AHN <strong>und</strong> KIM (2009) nahelegt<br />

(N = 342 akut psychotische Patienten).<br />

Die zweite Formulierung der nosologischen Hypothese wird meist mit CUESTA <strong>und</strong> PERALTA<br />

(1994) in Verbindung gebracht, die keinerlei Zusammenhänge zwischen einem aus dem<br />

AMDP-System berechneten Einsichts-Index, Symptomatik <strong>und</strong> kognitiver Leistungsfähigkeit<br />

fanden – Einsicht korrelierte sogar moderat negativ mit verbaler <strong>und</strong> visueller<br />

Gedächtnisleistung (N = 40). Die Autoren werteten das Fehlen von Einsicht daraufhin als<br />

»… 'primary' and 'basic' Bleulerian symptom of schizophrenia« (S. 364) <strong>und</strong> publizierten<br />

in der Folge eine Reihe von Bef<strong>und</strong>en, die die putative Unabhängigkeit der Einsicht von<br />

Schizophrenie-Symptomatik (PERALTA & CUESTA, 1994b; CUESTA, PERALTA & ZARZUELA,<br />

2000) <strong>und</strong> kognitiver Funktionsfähigkeit (CUESTA, PERALTA, CARO & DE LEON, 1995;<br />

CUESTA, PERALTA, ZARZUELA & ZANDIO, 2006) belegen sollen.<br />

Diese Ansicht wurde in der Folge von anderen Autorengruppen geteilt, deren Untersuchungen<br />

zu kognitiven Korrelaten ohne Bef<strong>und</strong> blieben. So fanden z. B. CARROLL et al.<br />

(1999) keine Zusammenhänge von <strong>Krankheitseinsicht</strong> bzw. Behandlungseinstellung (ITAQ)<br />

mit Gedächtnis <strong>und</strong> Intelligenz <strong>und</strong> schlossen, mangelnde Einsicht in akuten Phasen der<br />

Erkrankung resultiere teilweise »… from the psychotic disease process itself« (S. 247), sei<br />

also eine Erscheinungsform der gleichen Prozesse, die zu Wahnideen <strong>und</strong> Halluzinationen<br />

führten. Auf die methodischen Probleme dieser Studien soll hier nicht eingegangen werden,<br />

es genüge der Hinweis, dass andere Arbeiten sehr wohl Zusammenhänge gef<strong>und</strong>en haben.<br />

Diese werden im Folgenden beschrieben.<br />

6.5.13 Neurobiologisch-kognitive Hypothesen<br />

Die Bewusstwerdung von Störungen des eigenen Erlebens <strong>und</strong> Verhaltens kann als<br />

kognitive Leistung betrachtet werden, die sich komplementär auf psychischer <strong>und</strong> somatischer<br />

Ebene untersuchen lässt (MARKOVÁ & BERRIOS, 1995a). Über Art <strong>und</strong> Anzahl der<br />

beteiligten neuro- <strong>und</strong> metakognitiven Funktionen, ihre relativen Beiträge <strong>und</strong> ihr<br />

Zusammenspiel können gegenwärtig nur informierte Mutmaßungen angestellt werden (vgl.<br />

SHAD, KESHAVAN, TAMMINGA, CULLUM & DAVID, 2007): Im Prozess der Einsichtsbildung<br />

müssen selbstreferentielle, autobiographische Gedächtnisinhalte abgerufen werden können<br />

(vgl. VOGELEY, KURTHEN, FALKAI & MAIER, 1999), um Modelle der eigenen Person, ihres<br />

prämorbiden Erlebens <strong>und</strong> Verhaltens konstruieren zu können. Zugleich muss korrektive<br />

Information aus der sozialen Umwelt genutzt werden (MARKOVÁ & BERRIOS, 1995a).<br />

Konkurrierende Repräsentationen müssen parallel <strong>und</strong> interferenzfrei aufrechterhalten<br />

(DRAKE & LEWIS, 2003) <strong>und</strong> Inkompatibilitäten entdeckt werden können. All dies sind<br />

Leistungen, an denen kognitive Kontroll- <strong>und</strong> Arbeitsgedächtnisfunktionen beteiligt sind,<br />

wie sie z. B. die Cognitive Neuroscience Treatment Research to Improve Cognition in<br />

Schizophrenia beschreibt (KERNS et al., 2008; BRAVER & BARCH, 2008).


159<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

Die Möglichkeit, konkurrierende kognitive Repräsentationen verschmelzungsfrei aktiv<br />

halten <strong>und</strong> flexibel zwischen ihnen wechseln zu können, ist zugleich eine Fähigkeit, die auf<br />

dem Gebiet der sozialen Kognition die Basis der sog. Theory of Mind (ToM) bildet. Theory<br />

of Mind bzw. Mentalisierungsfähigkeit spiegelt sich u. a. wider in der Reflexion von<br />

Bewusstseinsakten (Metakognition), im Erkennen falscher Überzeugungen, in Perspektivenübernahme<br />

<strong>und</strong> referentieller Kommunikation, der Erkenntnis von Wahrnehmungstäuschungen,<br />

der Zeitvergegenwärtigung <strong>und</strong> im Motivmanagement (vgl. BISCHOF-KÖHLER,<br />

1998, S. 354-370). In diesem Zusammenhang haben einige Autoren v. a. die Bedeutung der<br />

mentalisierenden Einnahme bzw. Simulation einer Außenperspektive für die <strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

betont (LANGDON, CORNER, MCLAREN, WARD & COLTHEART, 2006).<br />

Kandidaten für die kognitive Gr<strong>und</strong>lage mangelnder <strong>Krankheitseinsicht</strong> bei Schizophrenie<br />

sind also (1.) <strong>Exekutivfunktionen</strong> <strong>und</strong> Arbeitsgedächtnis (vgl. FUSTER, 1999; KERNS et<br />

al., 2008), (2.) das sek<strong>und</strong>äre deklarative Gedächtnis <strong>und</strong> (3.) Metakognition bzw. Theory<br />

of Mind.<br />

6.5.13.1 <strong>Exekutivfunktionen</strong> <strong>und</strong> verbales Gedächtnis<br />

Als »exekutive« bzw. »kognitive Kontrollfunktionen« wird die kognitive Gr<strong>und</strong>lage der<br />

menschlichen Fähigkeit bezeichnet, Verhalten auf der Gr<strong>und</strong>lage überdauernder internaler<br />

Repräsentationen <strong>und</strong> wechselnder Kontextinformation, d. h. korrektiver Rückmeldung,<br />

flexibel zu steuern <strong>und</strong> so an die wechselnden Erfordernisse der Umwelt anzupassen (z. B.<br />

KERNS et al., 2008). <strong>Exekutivfunktionen</strong> werden in der Literatur vielfältig <strong>und</strong> unterschiedlich<br />

breit definiert, die Definitionen beinhalten aber meist Hinweise auf Handlungsplanung<br />

<strong>und</strong> -ausführung, Aufmerksamkeitslenkung <strong>und</strong> Kategorienwechsel, Fehlerdetektion, das<br />

Bearbeiten von Gedächtnisinhalten <strong>und</strong> die Hemmung von irrelevanten Informationen,<br />

Impulsen <strong>und</strong> Handlungstendenzen (MÜLLER, 2008; PALMER & HEATON, 2000). <strong>Exekutivfunktionen</strong><br />

<strong>und</strong> Arbeitsgedächtnis wurden bereits ausführlich in Kapitel 3 beschrieben.<br />

Der Bereich der <strong>Exekutivfunktionen</strong> <strong>und</strong> des Arbeitsgedächtnisses gilt seit Beginn der<br />

neueren Forschung zur <strong>Krankheitseinsicht</strong> in den 90er Jahren des 20. Jh. als meistversprechender<br />

Ansatzpunkt einer kognitiven Ätiologie der Uneinsichtigkeit bei Schizophrenie<br />

(s. YOUNG et al., 1998). Die Beziehung zwischen diesem Bereich <strong>und</strong> Einsicht wird aus<br />

mehreren Gründen untersucht:<br />

Erstens zeichnen theoretische <strong>und</strong> phänomenale Analysen Parallelen zwischen <strong>Exekutivfunktionen</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Krankheitseinsicht</strong> (s. o.) – eine selbst-reflexive »Einsicht« in die eigene<br />

Situation <strong>und</strong> Verfassung ohne »exekutive« geistige Funktionen <strong>und</strong> Arbeitsgedächtnis<br />

erscheint nicht nur auf dem Gebiet der psychischen Erkrankungen <strong>und</strong>enkbar.<br />

Zweitens wird die Schizophrenie seit den 90er Jahren des 20 Jh. (wieder) verstärkt aus<br />

einer kognitiven Perspektive betrachtet (GREEN & NUECHTERLEIN, 1999) <strong>und</strong> generell<br />

versucht, Erkrankungsphänomene wie Symptomatik <strong>und</strong> Störungen sozialer Funktionen<br />

aus kognitiven »Kernsymptomen« abzuleiten (FRITH, 1992; GREEN, KERN, BRAFF & MINTZ,<br />

2000; s. aber bereits BLEULER, 1911). Kognitive Erklärungen schizophrener Einsichtsdefizite<br />

sind Teil dieses erstarkenden Paradigmas.<br />

Drittens haben die Ergebnisse der kognitiven Schizophrenieforschung belegt, dass<br />

Störungen der <strong>Exekutivfunktionen</strong> bei Schizophrenie ebenso verbreitet sein dürften wie<br />

mangelnde <strong>Krankheitseinsicht</strong>. So fanden mehrere quantitative Metaanalysen Unterschiede<br />

zwischen Probanden mit Schizophrenie-Diagnosen <strong>und</strong> Kontrollprobanden in Höhe von<br />

knapp einer Standardabweichung (HEINRICHS & ZAKZANIS, 1998; JOHNSON-SELFRIDGE &


160<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

ZALEWSKI, 2001; FIORAVANTI, CARLONE, VITALE, CINTI & CLARE, 2005). Dies gilt auch für<br />

ersterkrankte Personen, ist also kein Chronifizierungsartefakt (MESHOLAM-GATELY,<br />

GIULIANO, GOFF, FARAONE & SEIDMAN, 2009).<br />

Und viertens werden aus einer komplementären neurowissenschaftlichen Perspektive<br />

Tests exekutiver Funktionen als Indikatoren der Intaktheit des Frontallappens betrachtet<br />

(vgl. MILLER & CUMMINGS, 1999; MILNER, 1963), dessen heteromodale Assoziationsfelder<br />

an praktisch allen supervidierenden kognitiven Funktionen des Menschen beteiligt sind<br />

(vgl. VOGELEY et al., 1999). Krankheitsbewusstheit sollte hier, so die Überlegung, keine<br />

Ausnahme darstellen <strong>und</strong> entsprechend mit »Frontalhirntests« untersucht werden können.<br />

Zwar ist die Gleichsetzung von Exekutiv- mit »Frontalhirnfunktionen« inkorrekt, da Tests<br />

exekutiver Funktionen (wie der WCST) häufig auch parietale (Präcuneus), temporale <strong>und</strong><br />

cerebelläre Areale aktivieren (s. SEIFERTH & THIENEL, 2008; BUCHSBAUM et al., 2005).<br />

Dennoch gelten frontale Areale noch immer als die wichtigsten neurobiologischen Substrate<br />

exekutiver Funktionen (vgl. STUSS & LEVINE, 2002) <strong>und</strong> werden tatsächlich vom WCST<br />

beansprucht (DEMAKIS, 2003).<br />

Im Folgenden wird zunächst eine Übersicht über ausgewählte Studien zu Korrelationen<br />

von Einsicht <strong>und</strong> <strong>Exekutivfunktionen</strong> geliefert, bevor weitere kognitive Korrelate in den<br />

Fokus genommen werden. Die neurobiologische Ebene wird im Anschluss beleuchtet.<br />

Während mindestens zwei frühe Arbeiten keine Zusammenhänge zwischen <strong>Exekutivfunktionen</strong>,<br />

gemessen mit dem WCST, <strong>und</strong> verschiedenen Aspekten von <strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

fanden (CUESTA, PERALTA, CARO & DE LEON, 1995b; COLLINS, REMINGTON, COULTER &<br />

BIRKETT, 1997), wurden erste positive Bef<strong>und</strong>e von YOUNG et al. (1993, 1998), LYSAKER <strong>und</strong><br />

BELL (1994) <strong>und</strong> VORUGANTI, HESLEGRAVE <strong>und</strong> AWAD (1997) berichtet.<br />

Die methodisch aussagekräftigste dieser Arbeiten stammt von YOUNG et al. (1998), die<br />

108 ambulante <strong>und</strong> stationäre Patienten mit chronischen Verläufen untersuchten. Erwartungskonform<br />

wurden signifikante Zusammenhänge zwischen WCST (Anzahl Kategorien)<br />

<strong>und</strong> SUMD gef<strong>und</strong>en (Symptombewusstheit: r = .42; Symptomattribution: r = .31).<br />

Ihr Bef<strong>und</strong> wurde teilweise repliziert von SMITH, HULL, ISRAEL <strong>und</strong> WILLSON (2000), die<br />

eine Korrelation der WCST-Kategorien mit der Attribution gegenwärtiger Symptome<br />

fanden (r = .39; p < .05; N = 41), jedoch keinen mit ihrer Bewusstheit. Auch ROSSELL et al.<br />

(2003) fanden in einer vergleichbaren Stichprobe mit chronischen Verläufen eine Korrelation<br />

zwischen Einsicht (SAI-E-Summe) <strong>und</strong> erreichten Kategorien im WCST (r = .27,<br />

p < .05; N = 78). In allen drei Studien korrelierten Einsichtsvariablen allerdings auch mit<br />

dem WAIS-R-IQ bzw. entsprechenden Schätzungen (vgl. SILVERSTEIN, 1981), wenngleich<br />

meist geringfügig schwächer <strong>und</strong> nicht überall signifikant.<br />

Zusammenhänge von kognitiven Variablen <strong>und</strong> <strong>Krankheitseinsicht</strong> wurden nicht nur bei<br />

Patienten mit chronischen Verläufen gef<strong>und</strong>en: DRAKE <strong>und</strong> LEWIS (2003) testeten 33<br />

Patienten mit akuten, nicht-chronifizierten Schizophrenie-Spektrums-Erkrankungen mit<br />

dem Frontal Lobe Score (FLS: ETTLIN & KISCHKA, 1999), der perseveratives Figurenzeichnen<br />

erfasst, <strong>und</strong> dem Brixton-Test (BURGESS & SHALLICE, 1996), der Perseverationen bei<br />

der Anwendung von Regeln zur Vorhersage visueller Ereignisse misst. Während das<br />

Perseverationsmaß signifikant <strong>und</strong> hoch mit der Bewusstheit von Symptomen, Erkrankung<br />

<strong>und</strong> Behandlungsnotwendigkeit korrelierte (rS = -.42 bis -.68), fand sich kein Zusammenhang<br />

mit prämorbider Intelligenz (rS < .17). Auch Maße der semantischen Abstraktionsfähigkeit<br />

<strong>und</strong> der Theory of Mind (Visual-jokes-Test: CORCORAN, CAHILL & FRITH, 1997)<br />

korrelierten nicht signifikant mit Einsicht. Auch KESHAVAN et al. (2004) berichten für 460<br />

ersterkrankte Patienten signifikante lineare Zusammenhänge zwischen Gedächtnis- <strong>und</strong>


161<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

<strong>Exekutivfunktionen</strong> (RVLT bzw. Wortflüssigkeit, WCST) <strong>und</strong> Einsicht (PANSS-G12), nicht<br />

aber für Intelligenz (WAIS-R) oder Vigilanz (CPT).<br />

Möglicherweise lassen sich akzentuierte Zusammenhänge einzelner Einsichtsdimensionen<br />

mit bestimmten kognitiven Funktionsbereichen identifizieren. Auf der Seite der<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong> korrelierte bei YOUNG et al. (1998) <strong>und</strong> DRAKE <strong>und</strong> LEWIS (2003) vor<br />

allem die Symptombewusstheit, die von kulturellen <strong>und</strong> individuellen Wissenstrukturen<br />

relativ unabhängig sein sollte, mit <strong>Exekutivfunktionen</strong>. Einen Zusammenhang von WCST<br />

<strong>und</strong> der Bewusstheit aktueller Symptome fanden in neuerer Zeit auch MONTEIRO, SILVA <strong>und</strong><br />

LOUZÃ (2008) an klinisch stabilen ambulanten Patienten (rS = -.41, p < .01; N = 40).<br />

Hierzu prüften MYSORE et al. (2007) ein hierarchisches Modell von FLASHMAN <strong>und</strong> ROTH<br />

(2004), das drei Typen von Patienten annimmt: Neben einem einsichtigen Typ wird die<br />

Existenz einer kognitiv intakten, symptombewussten, aber fehlattribuierenden Gruppe <strong>und</strong><br />

einer kognitiv beeinträchtigten, symptom-unbewussten Gruppe postuliert. In 56 Patienten<br />

fanden MYSORE et al. (2007) clusteranalytisch (a) 24 vollständig Einsichtige (43 %), (b) 14<br />

Fehlattribuierer (25 %) <strong>und</strong> (c) 18 Symptomunbewusste (32 %). Hypothesenkonform<br />

begingen Letztere signifikant mehr perseverative Fehler im WCST-64 als die Probanden der<br />

beiden anderen Cluster (gc-a = 0,86 bzw. gc-b = 0,68), die sich nicht signifikant unterschieden<br />

<strong>und</strong> deren Performanz im Normalbereich lag.<br />

Wenige Arbeiten haben sich der separaten Analyse der Bewusstheit positiver <strong>und</strong> negativer<br />

Symptome verschrieben (vgl. MARKOVÁ & BERRIOS, 1995a). Die Bef<strong>und</strong>lage ist uneinheitlich:<br />

MOHAMED, FLEMING, PENN <strong>und</strong> SPAULDING (1999) fanden an stationär aufgenommenen<br />

Patienten, dass nur die Bewusstheit positiver Symptome (SUMD) mit der<br />

Kartensortierleistung korrelierte (r = .44, p < .05). In einem weiteren Schritt kontrollierten<br />

MOHAMED et al. (1999) allerdings den IQ, wodurch die Korrelation verschwand <strong>und</strong> eine<br />

Korrelation von <strong>Exekutivfunktionen</strong> mit der Attribution negativer Symptome an ihre Stelle<br />

trat. Problematisiert werden muss die schwache Besetzung der syndromalen Subgruppen<br />

(n < 30) <strong>und</strong> die Kontrolle der Intelligenz, an der exekutive Funktionen klar beteiligt sind.<br />

Die Aussagekraft der Ergebnisse dieses Analyseschritts bleibt daher unklar.<br />

FREUDENREICH et al. (2004) untersuchten ebenfalls die Bewusstheit von Positiv- <strong>und</strong><br />

Negativ-Symptomatik separat, allerdings an 122 nicht-stationären Patienten. Hier wurde<br />

keine Korrelation mit Intelligenz (WAIS-IQ), <strong>Exekutivfunktionen</strong> (WCST) <strong>und</strong> Gedächtnis<br />

(CVLT, Zahlenspanne) signifikant. Die Größe der untersuchten Symptom-Subgruppen wird<br />

nicht berichtet (vgl. ebd. S. 18), angesichts des Samplings nicht-akuter Patienten steht<br />

allerdings zu vermuten, dass auch hier Probleme bestehen. So fällt die Positiv-Symptomatik<br />

der Probanden von FREUDENREICH et al. (2004, Tab. 2, S. 16) deutlich geringer aus<br />

(g = -0,81) als die der PANSS-Normstichprobe (N = 240: vgl. ELLASON & ROSS, 1995, Tab. 3,<br />

S. 239), d. h. es liegt weniger vor, was bewusst werden könnte.<br />

Es existieren kaum Studien, die exekutive Subfunktionen im Zusammenhang mit<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong> differenziert betrachtet haben: Zwar haben DONOHOE, CORVIN <strong>und</strong><br />

ROBERTSON (2005) Inhibition, Arbeitsgedächtnis <strong>und</strong> Kategorienwechsel separat untersucht,<br />

ihre uneinsichtige Subgruppe umfasste jedoch nur 9 Probanden.<br />

Es konnten drei Studien mit größerer Teststärke identifiziert werden, die sowohl Einsicht<br />

als auch <strong>Exekutivfunktionen</strong> mehrdimensional erhoben haben: LYSAKER, WHITNEY<br />

<strong>und</strong> DAVIS (2006) untersuchten differentielle Zusammenhänge an 53 nicht-stationären,<br />

chronifizierten Probanden. Die Bewusstheit der Erkrankung, der Behandlungsnotwendigkeit<br />

<strong>und</strong> ihrer sozialen Konsequenzen (SUMD) wurden explorativ mit Subtests des Delis-<br />

Kaplan Executive Function System (D-KEFS) korreliert. Die höchsten Korrelationen<br />

wurden mit einer Wort-Kontext-Aufgabe erzielt (Verständnis von Nonsenswörtern anhand


162<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

von Hinweisen), gefolgt vom Turm-von-Hanoi (TvH) mit bis zu fünf Scheiben, einer<br />

Stroop-Variante mit dauerndem Wechsel zwischen Wortbedeutung <strong>und</strong> -farbe <strong>und</strong> einer<br />

Wortflüssigkeitsaufgabe mit Kategorienwechseln (rS = -.30 bis -.44). In multiplen Regressionen<br />

klärten TvH <strong>und</strong> Stroop über Symptomatik hinaus 11 bis 18 % der Einsichtsvarianz<br />

auf. Bewusstheit sozialer Konsequenzen hing mit keiner kognitiven Funktion zusammen.<br />

JOVANOVSKI, ZAKZANIS, YOUNG <strong>und</strong> CAMPBELL (2007) testeten ebenfalls nicht-stationäre,<br />

chronifizierte Patienten (N = 21) mit der BADS-Batterie (Behavioural Assessment of the<br />

Dysexecutive Syndrome: WILSON et al., 1998) <strong>und</strong> der SUMD. Hier korrelierte von sechs<br />

Subtests nur das Befolgen <strong>und</strong> Wechseln einfacher Regeln (Rule shift cards) hoch mit<br />

Erkrankungs- <strong>und</strong> Konsequenzbewusstheit, <strong>und</strong> dies auch noch nach IQ-Kontrolle (r = -.43<br />

bzw. .49, p ≤ .06). Bewusstheit der Behandlungsnotwendigkeit korrelierte mit keiner<br />

kognitiven Funktion.<br />

RAFFARD et al. (2009) untersuchten 60 nicht-stationäre Patienten mit SUMD <strong>und</strong> Subtests<br />

der Testbatterie zur Aufmerksamkeitsprüfung (TAP: ZIMMERMANN & FIMM, 2002). Es<br />

zeigte sich, dass die Fähigkeit, Inhalte des Arbeitsgedächtnisses schnell <strong>und</strong> fehlerfrei zu<br />

aktualisieren (updating: n-back-Aufgaben), mit der Bewusstheit der Erkrankung, ihrer<br />

Konsequenzen <strong>und</strong> des Behandlungsbedarfs zusammenhing. Die Soziale-Konsequenz-<br />

Dimension korrelierte zudem mit Inhibition (Go/No-Go) <strong>und</strong> einer Doppelaufgabe.<br />

Die Ergebnisse von LYSAKER et al. (2006), JOVANOVSKI et al. (2007) <strong>und</strong> RAFFARD et al.<br />

(2009), erzielt an ähnlichen Patientengruppen mit der SUMD, aber mit unterschiedlichen<br />

Testsystemen, fallen uneinheitlich aus, v. a. was die Bewusstheit von Erkrankungskonsequenzen<br />

<strong>und</strong> Behandlungsnotwendigkeit betrifft. In allen Studien aber leisten exekutive<br />

Arbeitsgedächtnisfunktionen, die die kontext-abhängige Aktualisierung von <strong>und</strong> den<br />

flexiblen Wechsel zwischen verschiedenen Inhalten möglich machen, einen Beitrag zu<br />

realistischen krankheitsbezogenen Selbsteinschätzungen.<br />

Eine mit der Exekutiven-Funktions-Hypothese der Einsicht konkurrierende – oder sie<br />

zumindest ergänzende – Annahme vermutet in den bei Schizophrenie prävalierenden<br />

Beeinträchtigungen des sek<strong>und</strong>ären verbalen Gedächtnisses (ALEMAN et al., 1999) die<br />

kognitive Gr<strong>und</strong>lage der Einsicht. Diese vor allem von SARTORY et al. (2001) vorgebrachte<br />

Gedächtnis-Hypothese der Uneinsichtigkeit besagt, dass »… a memory template of<br />

previous states must be available for a comparison of the current state and therefore the<br />

insight of illness« (S. 59). Ein alternatives Modell zur Rolle des Gedächtnisses stammt von<br />

MACPHERSON et al. (1996b) <strong>und</strong> betont die Bedeutung der Aneignung erkrankungsspezifischer<br />

Wissensstrukturen (d. h. des psychiatrischen Krankheitsmodells), für die die verbale<br />

Lernfähigkeit einen kritischen Faktor darstellen soll.<br />

Passend zur Gedächtnis-Hypothese der Einsicht fanden SARTORY et al. (2001), dass ein<br />

Gedächtnis-Score (nach WECHSLER, 1987), nicht aber der Modified Card Sorting Test<br />

(MCST) als Maß exekutiver Funktionen mit Symptombewusstheit korrelierte (r = -.48,<br />

p < .01, N = 52). Bei genauerer Betrachtung erlauben die Daten dennoch keinen Schluss auf<br />

eine besondere Rolle des Gedächtnisses an der Symptombewusstheit: Erstens konnte der<br />

Bef<strong>und</strong> in einer zweiten Stichprobe nicht repliziert werden. Zweitens korrelierte der<br />

Desorganisations-Faktor der PANSS hoch mit diesem Einsichtsaspekt (r = .47, p < .01).<br />

Drittens wurde bereits auf die geringere Schwierigkeit <strong>und</strong> möglicherweise veränderte<br />

Konstruktvalidität des MCST hingewiesen (DE ZUBICARAY & ASHTON, 1996; DEMAKIS, 2003).<br />

Und viertens ist anzunehmen, dass beobachtete komplexe exekutive <strong>und</strong> mnestische<br />

Leistungen (teilweise) auf die gleichen latenten Merkmale – etwa die Güte der Encodierung<br />

im Arbeitsgedächtnis oder die Nutzung semantischer Kategorien – zurückzuführen sind


163<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

(z. B. HILL, BEERS, KMIEC, KESHAVAN & SWEENEY, 2004). Korrelationen zwischen <strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

<strong>und</strong> Arbeitsgedächtnistests, z. T. mit exekutiven Anforderungen, wurden<br />

etwas häufiger untersucht <strong>und</strong> gef<strong>und</strong>en (z. B. von UPTHEGROVE, OYEBODE, GEORGE &<br />

HAQUE, 2002; MUTSATSA, JOYCE, HUTTON & BARNES, 2006).<br />

NIEZNANSKI, CHOJNOWSKA, DUNSKI, CZERWINSKA <strong>und</strong> WALCZAK (2005) untersuchten den<br />

Zusammenhang zwischen <strong>Krankheitseinsicht</strong> <strong>und</strong> auditiv-verbalem Lernpotenzial an nichthospitalisierten<br />

Patienten <strong>und</strong> fanden, dass ein Differenzmaß eines dem RAVLT nachemp-<br />

f<strong>und</strong>enen Wortlistentests (3 × 15 Items) signifikante Zusammenhänge mit Einsicht aufwies<br />

(SUMD: v. a. mit der Bewusstheit von Erkrankung <strong>und</strong> Medikationseffekten: rS = -.40 bzw.<br />

-.38; N = 27).<br />

Die erste <strong>und</strong> bislang einzige Metaanalyse des Zusammenhangs zwischen <strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

<strong>und</strong> kognitiven Funktionen bei Psychose-Erkrankungen stammt von ALEMAN et al.<br />

(2006) <strong>und</strong> wurde über die Resultate von bis zu 35 Studien (1992 bis 2003) berechnet.<br />

Tabelle 13 stellt die Ergebnise dar.<br />

Tabelle 13.<br />

Ergebnisse der Metaanalyse von Aleman et al. (2006) zu Kognition <strong>und</strong> Einsicht<br />

Psychose-Erkrankungen<br />

k N r 95 %-CI p<br />

KOGNITION 35 2354 .17 .13 - .21


164<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

Schizophrenie-Kollektiv zeigte sich keine Überlegenheit des WCST, da hier ein stärkerer<br />

IQ-Effekt vorlag (allerdings k = 5 bzw. 4!). Hier wurde auch der Gedächtnisbereich<br />

signifikant (allerdings k = 3!). Die Autoren fanden keinen Hinweis auf differentielle<br />

Zusammenhänge globaler Kognition mit verschiedenen Einsichtsskalen (PANSS G12, SAI,<br />

SUMD, ITAQ).<br />

Fazit<br />

Eine Vielzahl von Studien hat einen Zusammenhang zwischen kognitiven<br />

Kontrollfunktionen <strong>und</strong> <strong>Krankheitseinsicht</strong> bei Schizophrenie <strong>und</strong> anderen<br />

Psychose-Erkrankungen gef<strong>und</strong>en. Entsprechende Korrelationen wurden an<br />

verschiedenen Patientengruppen mit unterschiedlichen Ausprägungen von<br />

Symptomatik <strong>und</strong> unterschiedlich langen Krankheitsgeschichten gef<strong>und</strong>en. Der<br />

Effekt dieses Zusammenhangs fällt allerdings gering aus, so dass eine erklärungsbedürftige<br />

Einsichts-Restvarianz konstatiert werden kann. Zurzeit existieren<br />

zu wenige Arbeiten, um statistisch f<strong>und</strong>ierte Aussagen über selektive<br />

oder akzentuierte Zusammenhänge von kognitiven <strong>und</strong> Einsichts-Dimensionen<br />

machen zu können, es zeichnet sich allerdings auf der Seite der Kognition eine<br />

Überlegenheit exekutiver Tests (v. a. Wisconsin Card Sorting Test) über Intelligenz-<br />

<strong>und</strong> Gedächtnismaße ab. Hier wäre der Einsatz des <strong>dynamisch</strong>en WCST,<br />

der eine validere Abschätzung der <strong>Exekutivfunktionen</strong> bzw. des exekutiven Arbeitsgedächtnisses<br />

erlaubt, wünschenswert (WIEDL et al., 2004). Auf der Seite<br />

der Einsicht ist die Studienlage noch weniger aussagekräftig, bislang wurde allerdings<br />

häufiger ein Zusammenhang von <strong>Exekutivfunktionen</strong> mit Symptombewusstheit<br />

als mit Symptomattribution gef<strong>und</strong>en. Dies entspricht den Annahmen<br />

der Modelle von MARKOVÁ <strong>und</strong> BERRIOS (1995a), FLASHMAN <strong>und</strong> ROTH<br />

(2004) <strong>und</strong> LINCOLN et al. (2007), die eine stärkere Rolle neurokognitiver<br />

Funktionen auf dieser Ebene als auf der der Ebene der Erklärung (Zuschreibung)<br />

von Symptomen postulieren.<br />

6.5.13.2 Metakognition <strong>und</strong> Mentalisierungsfähigkeit<br />

Beeinträchtigungen der Mentalisierungsfähigkeit (Theory of Mind), einer speziellen Form<br />

von Metakognition, sind bei Schizophrenie verbreitet. Neueren Metaanalysen zufolge liegt<br />

das Defizit im Bereich großer Effektstärken <strong>und</strong> ist kein reiner Episodenmarker, kann also<br />

in abgeschwächter Form auch bei remittierten Patienten nachgewiesen werden (BORA,<br />

YUCEL & PANTELIS, 2009; SPRONG, SCHOTHORST, VOS, HOX & VAN ENGELAND, 2007).<br />

Wird Theory of Mind (ToM) definiert als »… cognitive capacity to represent one’s own<br />

and other persons’ mental states, for instance, in terms of thinking, believing, or pretending«<br />

(BRÜNE, 2005, S. 21), so liegt auf der Hand, warum sie für die Erklärung von Einsicht<br />

interessant ist – beide Leistungen, ToM <strong>und</strong> Einsicht, können als Ausdruck einer allgemeinen<br />

Fähigkeit zur Bildung übergeordneter Repräsentationen über mentale Zustände <strong>und</strong><br />

Objekte eingeordnet werden (z. B. BISCHOF-KÖHLER, 1998). Die unterschiedlichen ToM-<br />

Theorien (Modultheorie, Theorie-Theorie <strong>und</strong> Simulations-Theorie) können hier nicht<br />

wiedergegeben werden (s. BRÜNE, 2005). Zusätzliche theoretische Attraktivität gewinnt die<br />

ToM-Hypothese der Einsicht durch die einflussreiche Theorie von FRITH (1992), der schizophrene<br />

Positivsymptomatik auf Dysfunktionen der Selbstbeobachtung (self-monitoring)<br />

<strong>und</strong> der Inferenz fremdpsychischer Zustände, <strong>und</strong> damit auf ein allgemeines Defizit der<br />

Metarepräsentation zurückführt.


165<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

Einige Autoren haben ToM-Tests verwendet, um <strong>Krankheitseinsicht</strong> bei Schizophrenie zu<br />

untersuchen: Bei LANGDON et al. (2006) erwies sich die Leistung beim Anordnen einer<br />

Bildergeschichte, für die eine intakte Theory of Mind benötigt wird, als signifikanter<br />

Prädiktor von <strong>Krankheitseinsicht</strong> (SAI-E; β = .23, t = 1,98; p < .05; N = 34). Dies wurde von<br />

LANGDON <strong>und</strong> WARD (2009) repliziert, die auch nach Kontrolle von prämorbidem IQ <strong>und</strong><br />

verbalem Gedächtnis Zusammenhänge zwischen zwei ToM-Aufgaben (Bildgeschichten<br />

sequenzieren, Bilderwitze erklären) <strong>und</strong> Einsicht fanden (r = .46/.39, p < .05; N = 30). Es<br />

wurde oben bereits erwähnt, dass DRAKE <strong>und</strong> LEWIS (2003) zuvor keinen Zusammenhang<br />

von Einsicht <strong>und</strong> Humorverständnis gef<strong>und</strong>en hatten.<br />

BORA, SEHITOGLU, ASLIER, ATABAY <strong>und</strong> VEZNEDAROGLU (2007) untersuchten 58 klinisch<br />

stabile, nicht-stationäre Patienten mit der SUMD <strong>und</strong> verschiedenen Aufgaben zur<br />

Mentalisierungsfähigkeit. Sie fanden, dass die Fähigkeit, sog. Second-Order-False-Belief-<br />

Aufgaben zu lösen (d. h. korrekt zu erschließen, welche falschen Überzeugungen andere<br />

Personen Dritten zuschreiben), höher mit der SUMD-Summe korrelierte (r = -.55, p < .01)<br />

als WCST-Variablen (z. B. Anzahl Kategorien: r = -.27, p < .05; N = 58).<br />

POUSA, DUÑÓ, NAVARRO, RUIZ, OBIOLS <strong>und</strong> DAVID (2008) untersuchten eine ähnliche<br />

Stichprobe (N = 61) ebenfalls mit SUMD <strong>und</strong> dem Bildersequenzierungstest von LANGDON<br />

et al. (z. B. 2006). Keine der bivariaten Korrelationen zwischen ToM-Leistung <strong>und</strong> fünf<br />

Einsichtsdimensionen wurde signifikant. Allerdings fanden die Autoren, dass ToM in einer<br />

Subgruppe mit höherem globalen Funktionsniveau (Mediansplit: GAF > 60) mit der<br />

Bewusstheit von Medikationseffekten zusammenhing (rS = -.42), was darauf hindeuten<br />

könnte, dass nur global leistungsfähigere Patienten ihrer eigenen, ToM-basierten Einschätzung<br />

folgen.<br />

Es konnten vier Studien identifiziert werden, die andere Formen von Metakognition im<br />

Zusammenhang mit Einsicht untersuchten: TRUNGOLD (2000) nutzte ein Reality-<br />

Monitoring-Paradigma von BRÉBION, SMITH, GORMAN <strong>und</strong> AMADOR, X. (1997) <strong>und</strong> fand,<br />

dass Patienten, die Symptome der Erkrankung fehlattribuierten (SUMD), häufiger auch<br />

external generierte Items für selbst-generiert hielten (r = .39; p < .01; N = 45), also ein<br />

Defizit des Metagedächtnisses aufwiesen. Beeinträchtigungen des Metagedächtnisses,<br />

insbesondere eine zu liberale Akzeptanz <strong>und</strong> eine erhöhte mnestische Konfidenz, werden<br />

seit einiger Zeit von MORITZ <strong>und</strong> Kollegen (z. B. MORITZ, WOODWARD, JELINEK & KLINGE,<br />

2008) als ein dem Wahn zugr<strong>und</strong>e liegendes Kerndefizit diskutiert. Passend hierzu fanden<br />

KIRCHER, KOCH, STOTTMEISTER <strong>und</strong> DURST (2007), dass Patienten mit höherer Symptombewusstheit<br />

(SAI-E) länger darüber nachdachten, ob eine dargebotene Persönlichkeitseigenschaft<br />

sie selbst charakterisierte (r = .51, p ≤ .01; N = 27).<br />

Um die metakognitive Verarbeitung anzuregen, entwarfen KOREN et al. (2004) eine Self-<br />

Monitoring-Version des WCST-64, bei der nach jeder Karte das Vertrauen in die Sortierung<br />

erfragt wurde <strong>und</strong> entschieden werden konnte, ob die Karte zählen sollte. Um die Relevanz<br />

der Entscheidungen zu erhöhen, wurde monetär verstärkt <strong>und</strong> bestraft. Die Autoren<br />

fanden, dass Indices metakognitiver Leistung (z. B. der Genauigkeit der Einschätzung der<br />

eigenen Performanz), nicht aber die Standardkennwerte, SUMD-Einsicht bei Patienten mit<br />

Erstmanifestation gut vorhersagten (R 2 = .56; p < 0,01; N = 30).<br />

LYSAKER et al. (2005) schließlich beurteilten die metakognitive Qualität der Narrative<br />

von Patienten über ihre Lebensgeschichte <strong>und</strong> Krankheit mit Skalen zur Analyse von<br />

Psychotherapie-Transkripten (Metacognition Assessment Scale, MAS: SEMERARI et al.,<br />

2003). Das metakognitive Verständnis der eigenen Psyche (Understanding one's own mind<br />

[ICC = .89]) korrelierte zu r = .26 (p < .05) mit der unabhängig beurteilten <strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

(SUMD).


166<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

Fazit<br />

Zusammengenommen deuten die referierten Bef<strong>und</strong>e auf eine Rolle der Metakognition<br />

im Sinne einer Neigung <strong>und</strong>/oder Fähigkeit zur Reflexion selbstrelevanter<br />

Urteile bei der Bewusstmachung <strong>und</strong> Zuschreibung von Symptomen<br />

hin. Auch Theory of Mind-Leistungen i. e. S. (Erkennen falscher Überzeugungen,<br />

Humorverständnis, Bildergeschichten sequenzieren) scheinen ersten<br />

Studien zufolge mit Einsicht zusammenzuhängen. Obwohl die Mentalisierungsfähigkeit<br />

bei Schizophrenie teilweise domänen-spezifisch, also unabhängig von<br />

<strong>Exekutivfunktionen</strong> ist (s. PICKUP, 2008), bedürfen die Zusammenhänge von<br />

Theory of Mind, weiteren metakognitiven Fähigkeiten (z. B. Metagedächtnis),<br />

<strong>Exekutivfunktionen</strong> <strong>und</strong> Einsicht sowie die Konstruktvalidität von ToM-Tests<br />

noch weiterer Klärung.<br />

6.5.13.3 Anosognosie: Neurobiologische Gr<strong>und</strong>lagen der Einsicht<br />

Wenn eine verringerte <strong>Krankheitseinsicht</strong> auf Beeinträchtigungen kognitiver Funktionen<br />

zurückgeführt wird, muss angenommen werden, dass die neurobiologischen Korrelate<br />

solcher Funktionsbeeinträchtigungen auch im Zusammenhang mit Uneinsichtigkeit beobachtet<br />

werden können bzw. eine primäre ätiologische Rolle spielen (dies wurde oben als<br />

»Anosognosie-Hypothese« bezeichnet).<br />

Bislang existieren nur wenige Bef<strong>und</strong>e zu den neurobiologischen Gr<strong>und</strong>lagen der<br />

Einsicht. Analog zur Suche nach kognitiven Gr<strong>und</strong>lagen der Einsicht lassen sich Studien zu<br />

deren Zusammenhang mit globalen Maßen <strong>und</strong> solche zum Zusammenhang mit Auffälligkeiten<br />

in umschriebenen Gehirnarealen unterscheiden.<br />

Zum ersten Typ gehört die Studie von LARØI et al (2000), die mit Computertomographien<br />

einen starken Zusammenhang zwischen SUMD-Summe <strong>und</strong> kortikaler Atrophie<br />

fanden (r = -.52, p < .05; N = 20). FLASHMAN, MCALLISTER, ANDREASEN <strong>und</strong> SAYKIN (2000),<br />

die die Gehirn-Volumina von 30 stationären Patienten mit Schizophrenie-Spektrums-<br />

Erkrankungen anhand von Magnetresonanztomographie-Scans (MRT) berechneten,<br />

stellten einen ähnlich hohen inversen Zusammenhang mit Einsicht fest (SUMD: r = -.47,<br />

p < .01). Spezifische Zusammenhänge mit frontalem, temporalem <strong>und</strong> parietalem Volumen<br />

überstanden die Kontrolle des intrakraniellen Gesamtvolumens allerdings nicht. MCEVOY et<br />

al. (2006) untersuchten 226 akute Patienten mit Erstmanifestation einer Schizophrenie-<br />

Spektrums-Erkrankung volumetrisch per MRT. Auch hier zeigte sich ein schwacher<br />

Zusammenhang mit dem ITAQ (r = .15, p < .05), der allerdings einen starken Akzent auf<br />

Behandlungseinstellungen setzt. ROSSELL et al. (2003), die eine gemischte Stichprobe von<br />

71 stationären <strong>und</strong> nicht-stationären Patienten ebenfalls per MRT untersuchten, fanden<br />

hingegen keine Beziehung zur SAI-E.<br />

Studien des zweiten Typs haben sich in Anlehnung an die exekutive Hypothese der<br />

Uneinsichtigkeit vor allem auf die strukturelle Integrität des Frontallappens <strong>und</strong> seiner<br />

Subregionen konzentriert: FLASHMAN et al. (2001) setzten im Anschluss an ihre erste Studie<br />

(s. o.) die per MRT vermessenen Volumina acht frontaler Subregionen von 15 stationären<br />

Patienten in Beziehung zu ihrer Einsicht (SUMD). Sie konnten hohe signifikante Zusammenhänge<br />

(r = .72 bis .92) zwischen Erkrankungsbewusstheit <strong>und</strong> dem Volumen des<br />

mittleren frontalen Gyrus (bilateral: u. a. dorsolateraler präfrontaler Kortex, DLPFC) sowie<br />

zwischen Symptombewusstheit <strong>und</strong> den Volumina des rechten Gyrus rectus (ventromedialfrontal<br />

bzw. medial-orbitofrontal) <strong>und</strong> des linken anterioren Cingulums (ACC) finden. Die


167<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

Fehlattribution von Symptomen ging hingegen einher mit signifikant geringeren bilateralen<br />

Volumina von Regionen des oberen Frontallappens (r = .73).<br />

SHAD, MUDDASANI <strong>und</strong> KESHAVAN (2006) betrachteten gezielt Symptombewusstheit <strong>und</strong><br />

-attribution (SUMD) <strong>und</strong> dorsolaterale <strong>und</strong> orbitofrontale Gehirnvolumina (MRT) von 14<br />

ersterkrankten, unmedizierten Patienten mit Schizophrenie. Während Symptombewusstheit,<br />

anders als bei FLASHMAN et al. (2001), mit dem Volumen des rechten DLPFC (rS = .72,<br />

p < .01) korrelierte, hing Symptomattribution negativ mit dem Volumen des rechten<br />

medialen orbitofrontalen Kortex (OFC) zusammen. Linksseitige DLPFC- bzw. OFC-Areale<br />

spielten hingegen keine Rolle. Diese besondere Bedeutung rechtshemisphärischer Regionen<br />

wurde auch für die mangelnde Bewusstheit einer Hemiplegie (z. B. nach Schlaganfall)<br />

gef<strong>und</strong>en (z. B. PIA, NEPPI-MODONA, RICCI & BERTI, 2004) <strong>und</strong> passt daher zum Anosognosie-Modell.<br />

Die inverse Beziehung zwischen OFC-Volumen <strong>und</strong> Symptomattribution wird<br />

von SHAD et al. (2006) im Rahmen der Hypothese der entgleisten Salienzzuschreibung von<br />

KAPUR (2003) gedeutet.<br />

Die von FLASHMAN et al. (2001) <strong>und</strong> SHAD et al. (2006) gef<strong>und</strong>en Korrelationen mit dem<br />

DLPFC sind theoretisch interessant, weil dieser Bereich ein neurobiologisches Substrat des<br />

Arbeitsgedächtnisses <strong>und</strong> der <strong>Exekutivfunktionen</strong> bildet (z. B. STUSS et al., 2000), somit<br />

auch die Bearbeitung des Wisconsin Card Sorting Test vermittelt (DEMAKIS, 2003;<br />

BUCHSBAUM et al., 2005) <strong>und</strong> bei Schizophrenie Funktionsstörungen aufweist (WEINBER-<br />

GER, BERMAN & ZEC, 1986; WEINBERGER, BERMAN & ILLOWSKY, 1988; MINZENBERG et al.,<br />

2009). Der DLPFC integriert darüber hinaus Afferenzen von okzipitalen, parietalen <strong>und</strong><br />

temporalen sensorischen Projektions- <strong>und</strong> Assoziationsarealen <strong>und</strong> bildet so nach<br />

VOGELEY, KURTHEN, FALKAI <strong>und</strong> MAIER (1999) die Gr<strong>und</strong>lage der Konstruktion eines<br />

kohärenten Weltmodells.<br />

Er scheint zudem Teil eines Netzwerks zur Verarbeitung selbst-referentieller Information<br />

zu sein: KIRCHER et al. (2000) fanden in einer fMRT-Studie, dass der DLPFC durch die<br />

Rekognition des eigenen Gesichts, nicht aber durch die Präsentation fremder Gesichter<br />

aktiviert wird. Hierzu passend fanden JOHNSON et al. (2002) ebenfalls mit fMRT, dass<br />

Selbsteinschätzungen nach Art eines Persönlichkeitsfragebogens (z. B. »I get angry<br />

easily«) das posteriore Cingulum (PCC: BA 23, 30, 31), das mit dem DLPFC reziprok<br />

vernetzt ist, <strong>und</strong> Teile des DLPFC (BA 9, 10) über eine Kontrollaufgabe hinaus aktivieren.<br />

In jüngster Zeit werden neben dem PCC auch andere sog. Cortical Midline Structures<br />

(CMS: medialer präfrontaler Kortex, MPFC; anteriores Cingulum, ACC) als neurobiologisches<br />

Substrat selbstreferenzieller Verarbeitungsprozesse in den Blick genommen. So<br />

konnte u. a. gezeigt werden, dass CM-Strukturen differentiell reale (vs. imaginierte) <strong>und</strong><br />

aktuelle (vs. vergangene) selbstrelevante Information codieren (SUMMERFIELD, HASSABIS &<br />

MAGUIRE, 2009; D’ARGEMBEAU et al., 2008). Es konnte zudem ein Zusammenhang<br />

zwischen CMS-Hypoaktivierung <strong>und</strong> Anosognosie bei Personen mit Diagnose einer Mild<br />

Cognitive Impairment (CMS) gef<strong>und</strong>en werden (RIES et al., 2007).<br />

In einer rezenten Metaanalyse an fMRT- <strong>und</strong> PET-Daten aus 20 Studien konnten VAN<br />

DER MEER, COSTAFREDA, ALEMAN <strong>und</strong> DAVID (2009) in der Tat zeigen, dass MPFC <strong>und</strong> ACC<br />

sowie partiell DLPFC bei Selbstreflexionsaufgaben (vs. Kontrollaufgaben) aktiviert werden.<br />

Ihr CMS-Modell weist dem ACC die Heraufregulation der Aufmerksamkeit für die<br />

Verarbeitung personaler Merkmale zu (s. CNTRICS Dynamische Anpassung der Kontrolle<br />

in Tabelle 2), dem PCC den Zugriff auf autobiographische Gedächtnisinhalte (zwecks<br />

Abgleich), dem VMPFC eine emotionale Markierung (Austausch u. a. mit Amygdala), der<br />

Insula eine somatische Markierung <strong>und</strong> dem DMPFC eine abschließende Bewertung der<br />

Selbstrelevanz von Stimuli. Die Beteiligung des DLPFC ist demnach nicht spezifisch für


168<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

Selbstreflexion, sondern liegt in seiner Vernetzung mit dem VMPFC (exekutive Kontrolle),<br />

so dass eine Funktionsstörung zu einer Dysregulation des CMS-Netzwerks <strong>und</strong> somit<br />

indirekt zu einer Störung der Selbstreflexion führen würde.<br />

Nicht alle Studien konnten allerdings eine Sonderrolle des DLPFC belegen. Orbitofrontale<br />

Areale erwiesen sich jedoch wiederholt als bedeutsam: SAPARA et al. (2007) fanden in<br />

ihrer volumetrischen MRT-Studie an 28 nicht-stationären Probanden nach Kontrolle der<br />

Erkrankungsdauer signifikante positive Zusammenhänge zwischen Symptombewusstheit<br />

(BIS/SAI-E) <strong>und</strong> den Volumina der grauen Substanz des rechten orbitofrontalen Gyrus<br />

(OFG: r = .36) sowie zwischen der Bewusstheit einer psychischen Erkrankung <strong>und</strong><br />

Volumina des OFG (bilateral: r = .33) sowie des linken Gyrus frontalis inferior (r = .39).<br />

Für den Bereich des DLPFC (Gyrus frontalis medius) ließen sich keine konsistenten<br />

Zusammenhänge nachweisen. Die Konsequenz- <strong>und</strong> Behandlungs-Dimensionen der<br />

Einsicht korrelierten nicht signifikant mit Gehirnvolumina.<br />

BASSITT, NETO, DE CASTRO <strong>und</strong> BUSATTO (2007) untersuchten 50 nicht-stationäre<br />

Patienten in einer MRT-Studie, die den analytischen Ansatz der voxel-basierten Morphometrie<br />

(VBM) statt einer Festlegung interessierender Bereiche a priori (regions of interest,<br />

ROI) wählte. Die VBM-Methode hat den Vorteil, einen volumetrischen Überblick über das<br />

gesamte Gehirn zu geben <strong>und</strong> dabei nicht auf konsensuelle Festlegungen von Bereichsgrenzen<br />

angewiesen zu sein. Sie fanden mit dieser Methode keinen Hinweis auf eine Korrelation<br />

zwischen zerebraler Atrophie <strong>und</strong> Uneinsichtigkeit (SUMD). Mit der gleichen Methode<br />

(VBM) <strong>und</strong> in einer ähnlichen Stichprobe (N = 52) fanden COOKE et al. (2008) ebenfalls<br />

keine Zusammenhänge von Einsichtsdimensionen (BIS, SAI-E) <strong>und</strong> frontalen Arealen.<br />

Problembewusstheit korrelierte allerdings mit dem Volumen des medialen Parietallappens<br />

(Präcuneus), der in Zusammenhang mit der Verarbeitung selbst-bezüglicher Informationen<br />

gebracht werden konnte (KIRCHER et al., 2000). An Symptombewusstheit <strong>und</strong> -attribution<br />

waren temporale Areale (BA 21) beteiligt. Beide Regionen vermitteln im Zusammenspiel<br />

mit frontalen Arealen auch exekutive Funktionen (BUCHSBAUM et al., 2005).<br />

Fazit<br />

Bislang wurden nur wenige Studien zur Anosognosie-Hypothese der <strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

bei Schizophrenie durchgeführt. Aufgr<strong>und</strong> der häufig geringen<br />

Stichprobengrößen, ihrer unterschiedlichen Symptomschwere <strong>und</strong> einer häufig<br />

unzureichenden Kontrolle konf<strong>und</strong>ierender Variablen (Krankheitsdauer, Medikation)<br />

zeichnen diese noch kein eindeutiges Bild. Ein erstes Modell, das vorliegende<br />

Bef<strong>und</strong>e integriert, stammt von SHAD, KESHAVAN, TAMMINGA, CULLUM<br />

<strong>und</strong> DAVID (2007): Demnach sollen der rechtshemisphärische DLPFC <strong>und</strong><br />

parietale Areale durch ihre Beteiligung an der Kontrolle des Arbeitsgedächtnisses<br />

(z. B. Kategorien- bzw. Perspektivwechsel) <strong>und</strong> am Abruf selbstrelevanter<br />

Gedächtnisinhalte Symptombewusstheit (»Anautognosie«) vermitteln, während<br />

der ACC <strong>und</strong> der rechte mediale OFC über ihre Beteiligung an Fehlerdetektion<br />

<strong>und</strong> der Zuschreibung motivationaler Salienz zu Stimuli Symptomattribution<br />

(»Dysautognosie«) mediieren sollen. Angesichts des in Kapitel 3<br />

skizzierten neurobiologischen Beanspruchungsprofils des WCST, das ebenfalls<br />

Aktivierungen von DLPFC <strong>und</strong> ACC umfasst (BUCHSBAUM et al., 2005; LIE et<br />

al., 2006) rechtfertigen die referierten Bef<strong>und</strong>e zum neurobiologischen Substrat<br />

der Einsicht den häufigen Einsatz des WCST zur Erforschung der kognitiven<br />

Gr<strong>und</strong>lagen des Phänomens.


6.5.14 Motivationale Hypothesen: Abwehr <strong>und</strong> Coping<br />

169<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

Nachdem in den vorhergehenden Abschnitten Annahmen zu gestörten kognitiven Funktionen<br />

<strong>und</strong> den ihnen zugr<strong>und</strong>eliegenden Gehirnstrukturen als Gr<strong>und</strong>lage von Einsichtsdefiziten<br />

vorgestellt wurden, folgen nun drei ätiologische Perspektiven, die Uneinsichtigkeit als<br />

Ausdruck der Verarbeitung der Erkrankung Schizophrenie werten. Diese konzeptualisieren<br />

Einsichtsdefizite als Ausdruck (1.) des Strebens nach Konsistenz des Selbst, (2.) eines<br />

generalisierten defensiven Umgangs mit affektiv negativ besetzten Objekten <strong>und</strong> (3.) einer<br />

Form der spezifischen vermeidenden Bewältigung von Krankheiten, die entweder auf ein<br />

eingeschränktes kognitiv-behaviorales Repertoire an Coping-Reaktionen oder auf einen<br />

personalen Stil zurückzuführen ist. Wie deutlich werden wird, unterscheiden sich diese<br />

Betrachtungsweisen zwar in ihrer theoretischen Provenienz <strong>und</strong> Terminologie, weisen aber<br />

auch deutliche Überlappungen auf.<br />

6.5.14.1 Theoretische Perspektiven auf motivierte Uneinsichtigkeit<br />

Die erste theoretische Perspektive postuliert, dass Menschen eine Bestätigung, Konsistenz<br />

<strong>und</strong> Kontinuität ihres Selbstkonzepts anstreben (»Consistency Seeker«-Modelle der Selbstwahrnehmung<br />

sensu ROBINS <strong>und</strong> JOHN, 1997). Das Erlebnis einer psychotischen Episode<br />

<strong>und</strong> die Diagnose einer tiefgreifenden, chronischen psychischen Erkrankung gefährden die<br />

Kontinuität des Selbst, was zum Versuch der Normalisierung <strong>und</strong> der Identifikation mit der<br />

Gruppe der Ges<strong>und</strong>en führt (z. B. über psychosoziale Kausalattributionen, Zurückweisung<br />

der Diagnose).<br />

Die Konsistenzannahme wurde von ESTROFF (1989) aus soziologischer bzw. psychiatrisch-anthropologischer<br />

Perspektive beschrieben: »… the patient's protest or rejection of<br />

redefinition via diagnosis (or confinement) could signal something altogether different<br />

from pathology. It could be a cry for recognition of persisting, healthy, trying-to-survive<br />

self and personhood« (S. 191). Auch die in Abschnitt 6.4 skizzierte Stigmaforschung kann<br />

am ehesten hier subsumiert werden (v. a. was die Zurückweisung von Stigmata betrifft: vgl.<br />

O’MAHONY, 1982), obwohl sie durchaus auch mit den folgenden Perspektiven kompatibel<br />

ist, insofern als Stigmata negative Affekte auslösen bzw. Bewältigungsaufgaben stellen.<br />

Aus (sozial-)psychologischer Perspektive hat GREENWALD (1980) in seiner Theorie des<br />

»totalitären Ichs« argumentiert, dass egozentrische, attributive <strong>und</strong> konservative Verzerrungen<br />

eine notwendige Folge der evolvierten kognitiven Selbstorganisation des Wissens<br />

darstellt. Auch TAYLOR <strong>und</strong> BROWN (1987) sehen in der Aufrechterhaltung von »Illusionen«<br />

zur Bewahrung von Selbstwert, Selbstwirksamkeit <strong>und</strong> Optimismus durch kognitive Verzerrungen<br />

einen normalpsychischen, adaptiven <strong>und</strong> keinen neurotischen Abwehr-Prozess.<br />

Passend zu diesen Annahmen fanden SACKEIM <strong>und</strong> WEGNER (1986), dass Probanden mit<br />

Schizophrenie im Gegensatz zu solchen mit Depression bei der Attribution experimentell<br />

induzierter Erfolge <strong>und</strong> Fehlschläge die gleichen selbstwertdienlichen Verzerrungen zeigten<br />

wie nicht erkrankte Probanden. O’MAHONY (1982) zeigte an 50 ersterkrankten psychiatrischen<br />

Patienten, dass diese auf semantischen Differentialen zwar Abweichungen ihres<br />

aktuellen Zustands vom üblichen einräumten (u. a. »anxious«, »nervous«), dass aber positive<br />

Eigenschaften deutlich überwogen (»civilized«, »sensitive«, »intelligent«). Gleichzeitig<br />

wurde eine deutliche Distanz zur Gruppe der »mentally ill« gewahrt, die u. a. als signifikant<br />

stärker »disturbed«, »different«, »confused« <strong>und</strong> »unpredictable«, <strong>und</strong> sogar als stärker<br />

»depressed« <strong>und</strong> »unbalanced« eingeschätzt wurden.


170<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

Die zweite, stärker auf die pathologischen Aspekte der Selbsttäuschung fokussierende<br />

Perspektive wurzelt in psycho<strong>dynamisch</strong>en Abwehr-Konzepten (s. PAULHUS, FRIDHANDLER<br />

& HAYES, 1997), die später teilweise kognitionspsychologisch erweitert wurden oder in<br />

Modelle zu Persönlichkeits- bzw. Verarbeitungsstilen eingingen. Diese wurden bereits in<br />

Kapitel 5 beschrieben (z. B. HOROWITZ et al., 1990; ERDELYI, 2006; BREZNITZ, 1988;<br />

GREENWALD, 1997; SACKEIM & GUR, 1979). Gemeinsam ist den Abwehr-Ansätzen das<br />

Postulat eines <strong>dynamisch</strong>en Unbewussten, d. h. von motivierter Selbsttäuschung (etwa,<br />

wenn SACKEIM <strong>und</strong> GUR, 1979, als Kriterium 4 der Selbsttäuschung postulieren: »The act<br />

that determines which belief is and which belief is not subject to awareness is a motivated<br />

act« (S. 149, Hervorh. v. Verf.). Innerhalb der neueren Literatur zu diesem Thema lassen<br />

sich drei Annahmen identifizieren, die im Zusammenhang mit Einsicht bei Schizophrenie<br />

relevant sind:<br />

(a) Es wurde postuliert, dass eine intentionale kognitive Vermeidung aversiver Themen<br />

(z. B. von Diagnose, Symptomen <strong>und</strong> Konsequenzen) eine Vorstufe <strong>und</strong> Voraussetzung von<br />

»Verdrängung« darstellen kann (ERDELYI, 2006; GREENWALD, 1997).<br />

(b) »Leugnung« wird nicht auf die krude Form der Nicht-Anerkennung bedrohlicher<br />

Objekte reduziert, sondern kann sich auch auf die Zurückweisung negativer Begleiterscheinungen<br />

(z. B. der eigenen Psychose-Vulnerabilität) beschränken (vgl. BREZNITZ, 1988;<br />

BAUMEISTER et al., 1998).<br />

(c) Zusätzlich zur Emotionsregulation thematisieren neuere Abwehr-Ansätze verstärkt<br />

ebenfalls die Stabilisierung des Selbstkonzepts (s. CRAMER, 1998a), das durch das<br />

beschämende <strong>und</strong> (selbst-) stigmatisierende Erlebnis einer psychotischen Erkrankung<br />

angegriffen wird (YANOS, ROE, MARKUS & LYSAKER, 2008; BIRCHWOOD et al., 2007; MILLER<br />

& MASON, 2005).<br />

Insgesamt sind die Grenzen insbesondere zu kognitiv-konstruktivistischen Coping-<br />

Modellen (s. u. Perspektive 3) durchlässig, zumal auch das Coping-Kriterium der bewussten,<br />

kontrollierten Verarbeitung (CRAMER, 2000) bereits von LAZARUS <strong>und</strong> FOLKMAN (1984,<br />

S. 151) nicht stringent eingehalten wurde, die der Selbsttäuschung ebenfalls eine Rolle bei<br />

emotionszentrierten Bewältigungshandlungen einräumen. Allerdings beanspruchen Defensivitäts-Modelle<br />

einen breiteren Geltungsbereich, da sie sie sich nicht nur auf Situationen<br />

mit erhöhtem Regulationsbedarf beziehen, sondern (auch) auf die automatisierte Verarbeitung<br />

alltäglicher Bedrohungen von subjektivem Wohlbefinden <strong>und</strong> Selbstwert.<br />

Das einflussreichste Stil-Modell dieser Richtung dürfte Repression-Sensitization (RS)<br />

sein (BYRNE, 1961; WEINBERGER et al., 1979), die Annahme also, dass sich Personen in ihrer<br />

dispositionellen Defensivität – d. h. dem Ausmaß, in dem Angst <strong>und</strong> (andere) beschämende<br />

Wahrnehmungen, Gedanken <strong>und</strong> Taten geleugnet werden – unterscheiden, die mit Hilfe<br />

von Desirabilitätsskalen erfasst werden kann (wie der Marlowe-Crowne-Skala, MCSDS:<br />

CROWNE & MARLOWE, 1960). Theoretisch liegt der Annahme der Validität sogenannter<br />

»Lügenskalen« der postulierte Charakter der Abwehr als – im Ggs. zu Coping – schneller<br />

(automatischer) <strong>und</strong> kruder (generalisierter) Verarbeitungsform zugr<strong>und</strong>e.<br />

Obwohl WEINBERGER et al. (1979) ihren RS-Ansatz in einen eher differentialpsychologischen<br />

Bezugsrahmen stellen <strong>und</strong> wenig explizite Bezüge zu psycho<strong>dynamisch</strong>en Abwehr-<br />

Konzepten herstellen, werden diese deutlich, wenn sie einräumen, dass »… the extent to<br />

which this defensive style is characterized by the use of repression relative to other<br />

defenses such as denial … is not currently known« (S. 370, Hervorh. v. Verf.). Eine<br />

Integration von persönlichkeitspsychologischen <strong>und</strong> psycho<strong>dynamisch</strong>en Konzepten wird<br />

in den neueren Arbeiten von WEINBERGER (z. B. 1998) unternommen.


171<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

Das RS-Konzept liefert einen wesentlichen Begründungszusammenhang für den Einsatz<br />

von Offenheits- bzw. Desirabilitätsskalen im Bereich der <strong>Krankheitseinsicht</strong> bei Schizophrenie.<br />

Das gewählte Instrument scheint dabei angesichts der hohen konvergenten<br />

Validitäten eher von untergeordneter Bedeutung zu sein (s. TURVEY & SALOVEY, 1993;<br />

DERAKSHAN & EYSENCK, 1997a, Studie 2). Wesentlich ist, dass die Konstellation als analog<br />

zum RS-Paradigma aufgefasst werden kann: Der erkrankte Repressor befindet sich in<br />

einem Zustand, der beängstigend <strong>und</strong> beschämend (stigmatisierend) ist (BIRCHWOOD et al.,<br />

2007), jedoch nicht eingestanden wird. Zugleich zeigt die Person ein sozial erwünschtes<br />

Antwortverhalten, d. h. einen defensiven Umgang schon mit geringfügigen, alltäglichen<br />

Verfehlungen.<br />

Kurz erwähnt sei in diesem Zusammenhang eine auf SACKEIM <strong>und</strong> GUR (1978) <strong>und</strong><br />

PAULHUS (1984, 1986) zurückgehende Unterscheidung zwischen (1.) Selbstdarstellung<br />

(Fremdtäuschung: impression management), bei der durch Verneinung alltäglichen<br />

Fehlverhaltens der Eindruck von Tugendhaftigkeit erweckt werden soll (z. B. »Manchmal<br />

lüge ich, wenn ich muß«: MUSCH, BROCKHAUS & BRÖDER, 2002, S. 129), <strong>und</strong> (2.) aufwertender<br />

Selbsttäuschung (self-deception, self-deceptive enhancement), bei der sich eine<br />

Person selbst als unneurotisch, entscheidungs- <strong>und</strong> urteilssicher beurteilt. Die Operationalisierung<br />

dieses Aspekts (z. B. »Ich bin mir meiner Urteile sehr sicher«, ebd., S. 129) weisen<br />

Überlappungen mit der sog. Cognitive Insight auf, also der Neigung zu Überkonfidenz <strong>und</strong><br />

mangelnder Reflexivität (BECK et al., 2004), die als Faktor in der Entstehung von Wahngedanken<br />

angenommen wurde. Bekannt ist, dass traditionelle Desirabilitätsskalen<br />

sensitiver für Simulationsinstruktionen sind (MUSCH, BROCKHAUS & BRÖDER, 2002), hier<br />

also in der Tat eine einfache Form der Selbstdarstellung ihren Ausdruck finden könnte.<br />

Entsprechende zweidimensionale Desirabilitätsskalen (Balanced Inventory of Desirable<br />

Responding, BIDR bzw. Paulhus Deception Scales, PDS: s. PAULHUS, 1998) wurden erst ein<br />

Mal bei Schizophrenie eingesetzt (MOORE, CASSIDY, CARR & O'CALLAGHAN, 1999) <strong>und</strong><br />

erscheinen auf den ersten Blick interessant für die Untersuchung von Einsicht. Dennoch ist<br />

zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Verwendung klassischer Desirabilitätsskalen (d. h. solche<br />

der »Fremdtäuschung«) empfehlenswert:<br />

Erstens sind ihre theoretische Einbettung <strong>und</strong> externe Validität als deutlich besser<br />

einzuschätzen (z. B. FURNHAM et al., 1999, 2003). Die diskriminanten Validitäten der<br />

BIDR-Skalen konnten hingegen bislang nicht eindeutig belegt werden (LANYON & CARLE,<br />

2007). Zweitens liegen sie inhaltlich weit genug von den Merkmalsbereichen der Einsicht<br />

bzw. Wahnhaftigkeit entfernt, um auf diese rekurrierende, triviale Erklärungen von<br />

Zusammenhängen auszuschließen. Drittens sind einige Items des deutschen BIDR (MUSCH<br />

et al., 2002) kompliziert formuliert <strong>und</strong> weit entfernt von der Lebenswirklichkeit mancher<br />

Patienten mit Schizophrenie (z. B. »An meinen Fähigkeiten als Liebhaber habe ich schon<br />

gelegentlich gezweifelt«: S. 129). In einer ersten unveröffentlichten Studie der Osnabrücker<br />

Gruppe um WIEDL (BLANK, 2009) an 32 Patienten mit Schizophrenie ergaben sich entsprechend<br />

interne Konsistenzen der Subskalen von α < .50. Hier wäre eine Skala, die speziell<br />

für Schizophrenie-Patienten entwickelt <strong>und</strong> psychometrisch untersucht wurde, geeigneter<br />

(z. B. die Frankness-Skala des Eppendorfer Schizophrenie-Inventars: MAß, 2001).<br />

Für die Übertragung des RS-Konzepts auf die Erforschung der <strong>Krankheitseinsicht</strong> bei<br />

Schizophrenie wäre schließlich die Frage zu beantworten, unter welchen Umständen<br />

Verdrängung funktionieren kann, d. h. bei welchen Patienten überhaupt ein Zusammenhang<br />

von Defensivität <strong>und</strong> Einsicht zu erwarten ist. Diese Frage muss besonders im<br />

Hinblick auf den vielfach belegten inversen Zusammenhang von Einsicht <strong>und</strong> Positiv-


172<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

symptomatik in akuten Stichproben aufgeworfen werden (MINTZ, DOBSON & ROMNEY,<br />

2003).<br />

Hier können Ergebnisse der RS-Forschung herangezogen werden, die zeigen, dass die<br />

Ambiguität potenziell bedrohlicher Stimuli deren Deutung <strong>und</strong> die Adaptivität von<br />

Defensivität moderiert: Defensive Personen neigten zu weniger bedrohlichen Deutungen<br />

vieldeutiger Stimuli, erinnern weniger beängstigende Implikationen selbstbezüglicher<br />

Stimuli <strong>und</strong> autobiographischer Episoden <strong>und</strong> können ihre kognitive Leistung nach induzierten<br />

Fehlschlägen besser aufrechterhalten, wenn eine externale Attribution angeboten<br />

wird (HOCK & KROHNE, 2004; MYERS, BREWIN & POWER, 1998; MYERS & BREWIN, 1996;<br />

JOHNSON, 1995).<br />

Übertragen auf <strong>Krankheitseinsicht</strong> könnte eine Arbeitshypothese lauten, dass der<br />

Einfluss von Defensivität auf Einsicht bei maximaler Ambiguität der bedrohlichen<br />

Situation am ausgeprägtesten ist. Dies sollte vor allem bei rezent erkrankten Personen <strong>und</strong><br />

bei gering ausgeprägter Positivsymptomatik der Fall sein: Bei längerem Krankheitsverlauf<br />

sollten Lernerfahrungen (Erleben von rezidivierender Symptomatik <strong>und</strong> Rehospitalisierung,<br />

Austausch mit Mitpatienten, Psychoedukation <strong>und</strong> Therapie) die Möglichkeit der<br />

Leugnung abschwächen (LALLY, 1989; THOMPSON et al., 2001). Auch ändert sich mit der<br />

klinischen Sozialisation u. U. die Repräsentation dessen, was »sozial erwünscht« ist. In<br />

akuteren Phasen der Erkrankung hingegen sollten Erkrankung <strong>und</strong> Behandlungsnotwendigkeit<br />

entweder zu salient sein für eine Leugnung oder das Wahngeschehen selbst bzw.<br />

kognitive Desorganisation Einsicht auch bei nicht-defensiven Personen reduzieren.<br />

Die dritte Hypothese geht zurück auf die kognitiv-konstruktivistische bzw. transaktionale<br />

Bewältigungsforschung (LAZARUS & FOLKMAN, 1984; für Schizophrenie s. WIEDL, 1992;<br />

WIEDL & SCHÖTTNER, 1989a, 1989b, 1991). Diese thematisiert die individuellen kognitiven<br />

Bewertungen von »Objekten«, die Menschen vor dem Hintergr<strong>und</strong> ihrer Motive <strong>und</strong><br />

Kompetenzen vornehmen, ihre emotions- <strong>und</strong> problemzentrierten Coping-Reaktionen <strong>und</strong><br />

deren Konsequenzen (vgl. FILIPP & KLAUER, 1988; MOOS & HOLAHAN, 2003).<br />

Das Erleben einer psychotischen Episode <strong>und</strong> ihrer Behandlung sowie die Konfrontation<br />

mit der stigmatisierenden Diagnose werden aus dieser Perspektive heraus als traumatische<br />

Stressoren (MUESER & ROSENBERG, 2003; CHISHOLM, FREEMAN & COOKE, 2006) oder<br />

zumindest als kritische Lebensereignisse betrachtet, die chronische Rollenbelastungen<br />

(s. ALDWIN, 2007) in allen Lebensbereichen (Ges<strong>und</strong>heit, Beruf, Partnerschaft, Elternschaft,<br />

Lebensführung: PEARLIN & SCHOOLER, 1978) mit sich bringen (z. B. durch Überforderung<br />

mit rollenbezogenen Aufgaben, Verluste <strong>und</strong> die Notwendigkeit zur Restrukturierung<br />

von Rollen: PEARLIN, 1983), was sich wiederum negativ auf Emotionalität <strong>und</strong><br />

Selbstkonzept von Erkrankten auswirken kann. Beispielhaft sei hier LEWINE (2005)<br />

genannt, der fand, dass ein höherer sozioökonomischer Status der Herkunftsfamilie bei<br />

jüngeren arbeitslosen Patienten mit einer höheren Erwartung an die eigene Arbeit <strong>und</strong><br />

diese mit höherer Hoffnungslosigkeit einherging. Aus Schizophrenie-Erkrankungen<br />

resultieren also unterschiedliche Bewältigungsobjekte, die in Zusammenhang mit unterschiedlichen<br />

Dimensionen von <strong>Krankheitseinsicht</strong> bzw. Erkrankungsrepräsentation<br />

gebracht werden können (z. B. Diagnose, Verlauf, Konsequenzen).<br />

Coping ist dabei, anders als Abwehr, intentional: Bewältigung richtet sich auf spezifische<br />

Bewältigungsobjekte (z. B. Erkrankung, Symptome). Die forschungsleitende Hypothese zur<br />

Uneinsichtigkeit bei Schizophrenie aus einer Coping-Perspektive lautet entsprechend, dass<br />

diese Ausdruck einer distanzierenden Bewältigung der Schizophrenie ist. Dieser<br />

autoplastische Modus des Coping sollte gerade dann zum Einsatz kommen, wenn


173<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

problemzentrierte Strategien aufgr<strong>und</strong> der Unabänderlichkeit des Problems zum Scheitern<br />

verurteilt sind.<br />

Aus diagnostischer Sicht ist hierbei die Frage bedeutsam, auf welcher Ebene Coping<br />

konzeptualisiert wird. Hierbei muss zwischen einer ereignis- <strong>und</strong> verhaltensnahen<br />

Formulierung, die eine Erfassung über Interviews oder Tagebuchmethoden anstrebt<br />

(WIEDL, 1992; WIEDL & RAUH, 1994) <strong>und</strong> einer dispositionellen Formulierung, erfasst über<br />

Fragebogenmethoden, unterschieden werden (MOOS & HOLAHAN, 2003, SCHWARZER &<br />

SCHWARZER, 1996). Vermutlich wegen des Aufwands der ersten Form der Erfassung bei<br />

Psychosekranken (WIEDL & SCHÖTTNER, 1989b) dominiert in der Schizophrenieforschung,<br />

<strong>und</strong> ganz besonders bei der Untersuchung von <strong>Krankheitseinsicht</strong>, der Fokus auf<br />

Copingstile. In Copingstil-Fragebögen wie dem Ways of Coping Questionnaire (WCQ:<br />

FOLKMAN & LAZARUS, 1988) wird die Selbsteinschätzung des Respondenten hinsichtlich<br />

einer Reihe vorgegebener Coping-Reaktionen auf reale rezente Stressoren erfragt.<br />

An dieser Stelle seien zwei problematische Punkte diskutiert: Der erste betrifft die<br />

Reduktion des prozessorientierten, kontext-sensitiven Coping-Ansatzes durch den Einsatz<br />

solcher Stil-Maße. Eine gewisse Berechtigung bezieht dieses Vorgehen aus einem klassischen<br />

Bef<strong>und</strong> von FOLKMAN et al. (1986), die an einer nicht-klinischen Stichprobe gef<strong>und</strong>en<br />

hatten, dass emotionszentrierte Bewältigungsstrategien wie Vermeidung über fünf<br />

Messungen im Monatsabstand die höchsten mittleren Autokorrelationen aufwiesen (r = .40<br />

bis .47), während problemzentrierte Strategien deutlich instabiler waren. Dies mag als<br />

Hinweis auf generalisierte Abwehrmechanismen verstanden werden oder erklärt sich<br />

einfach dadurch, dass negative Emotionen (als Coping-Objekt) intraindividuell stabiler<br />

bzw. homogener sind als Probleme.<br />

Der zweite Punkt betrifft das Problem der Intentionalität des Copings: Wenn Einsicht<br />

der Bewertung vorausgehen muss, wie kann Uneinsichtigkeit dann als Bewältigungsreaktion<br />

verstanden werden? Und wie kann die Bewältigung der Schizophrenie bei uneinsichtigen<br />

Patienten erfragt werden?<br />

Hier kann erstens entgegnet werden, dass ein vages Erkrankungsgefühl durch eine<br />

Vermeidung kognitiver Elaboration dieses Zustandes bewältigt werden könnte (z. B. durch<br />

eine reduzierte Informationsaufnahme: vgl. Miller, 1987). Zweitens stellt die Konfrontation<br />

mit der stigmatisierenden Diagnose »Schizophrenie« selbst eine Bewältigungssituation<br />

dar, auf die mit defensiven Coping-Strategien reagiert werden kann (z. B. Anzweifeln der<br />

Diagnose, Verschweigen). Und drittens kann auch hier auf den Trait-Charakter emotionszentrierter<br />

Strategien verwiesen werden: Möglicherweise gehen Menschen mit negativen<br />

Gefühlen unabhängig von deren Auslöser intraindividuell ähnlich um, so dass auch ein<br />

allgemeiner Umgang mit Krankheiten (statt mit Schizophrenie) oder sonstigen Stressoren<br />

erfragt werden kann (ALDWIN, 2007).<br />

Ein wichtiger theoretischer Beitrag der Coping-Forschung zum Verständnis der Einsicht bei<br />

Schizophrenie stammt von MCGLASHAN, LEVY <strong>und</strong> CARPENTER (1975), die aufbauend auf<br />

MAYER-GROSS (1920), SOSKIS <strong>und</strong> BOWERS (1969) <strong>und</strong> klinische Beobachtungen zwei<br />

komplexe Stile der Bewältigung einer psychotischen Episode beschrieben: »Integration«<br />

<strong>und</strong> »Sealing over«. Diese wurden ursprünglich als relativ stabile Bewältigungstypen<br />

gedacht, wohingegen zumindest ein neuerer Bef<strong>und</strong> eine gewisse Wandelbarkeit über die<br />

Zeit nahelegt (THOMPSON, MCGORRY & HARRIGAN, 2003). Tabelle 14 gibt einen kompakten<br />

Überblick über ihre Merkmale (nach der Integration/Sealing Over Scale: MCGLASHAN,<br />

WADESON, CARPENTER & LEVY, 1977). Die Nähe zum Konzept der <strong>Krankheitseinsicht</strong> zeigt<br />

sich anschaulich in einer klinischen Beobachtung der Autoren:


174<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

»Some patients prefer not to think about their psychotic experience during<br />

recovery and adopt an attitude of ›the less said the better.‹ … Some patients<br />

manifest an interest in their psychotic experience during recovery and are<br />

willing to discuss their experience in an effort to learn more about themselves.«<br />

(MCGLASHAN et al., 1975, S. 1270)<br />

Tabelle 14.<br />

Integration- <strong>und</strong> Sealing-over-Stil nach McGlashan et al. (1975, 1977)<br />

Auswirkung der Psychose<br />

Verantwortlichkeitszuschreibung<br />

Integration Versiegelung<br />

als schwerwiegend beurteilt,<br />

negativ <strong>und</strong> positiv<br />

internal<br />

(eigene Coping-Defizite)<br />

minimiert,<br />

nur negativ<br />

external<br />

Ursachenmodell psychologisch biomedizinisch<br />

Kontinuität des Selbsterleben<br />

schließt psychotische<br />

Episode ein<br />

unterbrochen, psychotisches<br />

Erleben isoliert<br />

Suche nach sozialer Unterstützung ja nein<br />

Informationsaufnahme (Neugier) ja nein<br />

Thematisierung der Gratifikation<br />

durch psychotisches Erleben<br />

ja nein<br />

Sinnsuche <strong>und</strong> positive Umdeutung ja nein<br />

Einstellung gegenüber<br />

psychischen Erkrankungen<br />

gewandelt<br />

intolerant, ängstlich,<br />

stigmatisierend<br />

Wie diese Charakterisierung erwarten lässt, fanden TAIT, BIRCHWOOD <strong>und</strong> TROWER (2003,<br />

2004) <strong>und</strong> MODESTIN, SOULT <strong>und</strong> MALTI (2004), dass integrierend bewältigende Patienten<br />

eine signifikant größere Adhärenz <strong>und</strong> Inanspruchnahme von Hilfsangeboten zeigten als<br />

versiegelnd bewältigende Patienten. Bei MODESTIN et al. (2004) zeigten letztere darüber<br />

hinaus mehr Negativsymptomatik <strong>und</strong> lebten seltener autonom. D’ANGELO <strong>und</strong> WOLOWITZ<br />

(1986) fanden, dass versiegelnd bewältigende Tagesklinik-Patienten in Reaktion auf die<br />

konflikthaften Geschichten des standardisierten Defense Mechanism Inventory (DMI:<br />

GLESER & IHILEVICH, 1969) signifikant häufiger neutral oder positiv reagierten als integrierende<br />

Patienten (Skala Reaktionsbildung, REV), was als Hinweis auf eine primitive Abwehr<br />

durch Leugnung interpretiert wird (g = 0,70). Interessanterweise hatten bereits GLESER<br />

<strong>und</strong> IHILEVICH (1969) für 67 psychiatrische Patienten einen Zusammenhang der DMI-Skala<br />

REV mit der Skala L des MMPI (r = .55, p < .01) gef<strong>und</strong>en. Bei DRAYTON, BIRCHWOOD <strong>und</strong><br />

TROWER (1998) <strong>und</strong> TAIT et al. (2004) berichteten Sealing-over-Patienten außerdem mehr<br />

negative Bindungserfahrungen <strong>und</strong> ein entsprechendes inneres Arbeitsmodell.<br />

Diese Bef<strong>und</strong>e passen gut zur Vorhersage von HOBFOLLs (1989) Theorie der Ressourcen-<br />

Erhaltung (Conservation-of-Ressources, COR), nach der Menschen mit geringen psychischen<br />

oder materiellen Ressourcen, denen weitere Verluste (z. B. von Selbstvertrauen,<br />

Status) drohen, den häufig inadaptiven Versuch einer kurzfristigen Verlustminimierung<br />

unternehmen, weil ihnen die Mittel einer längerfristig adaptiven Bewältigung abgehen.<br />

Anders als diese Ausführungen vermuten lassen, ist der Zusammenhang des integrativen<br />

Stils mit Kriterien des Erkrankungsausgangs allerdings weniger eindeutig als


175<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

ursprünglich angenommen: Obwohl MCGLASHAN (1987) einen positiven Zusammenhang<br />

zwischen Integration <strong>und</strong> Outcome bei schwer psychisch erkrankten Personen über<br />

durchschnittlich 15 Jahre belegen konnte, war dieser gerade für Schizophrenie <strong>und</strong><br />

schizoaffektive Störungen am schwächsten ausgeprägt (r = .28 bzw. .20). Bei D’ANGELO <strong>und</strong><br />

WOLOWITZ (1986) fand sich kein Zusammenhang des Recovery-Stils mit der sozialen Angepasstheit<br />

des Verhaltens. Distanzierende Bewältigung scheint also für manche Menschen<br />

mit Schizophrenie durchaus zu funktionieren, was aus der kognitiv-transaktionalen<br />

Perspektive nachvollziehbar ist. STARTUP (2006) liefert zwei Kasuistiken für adaptives<br />

Versiegeln <strong>und</strong> den maladaptiven Versuch der Integration einer Psychose.<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong> hing bei DRAYTON et al. (1998) <strong>und</strong> TAIT et al. (2003) nicht mit dem<br />

Bewältigungsstil zusammen, was auf den ersten Blick verw<strong>und</strong>ern mag (vgl. auch STARTUP,<br />

2006). Dies mag teilweise auf die Operationalisierungen zurückgehen, da statt einer<br />

Fremdeinschätzung der Recovery Style Questionnaire von DRAYTON et al. (1989) verwendet<br />

wurde. Aber auch theoretisch muss sich eine solche Korrelation nicht in jedem Fall<br />

einstellen: Einsicht ist zwar eine notwendige, aber keine hinreichende Voraussetzung<br />

integrativer Bewältigung. Der Zusammenhang könnte z. B. von personalen Ressourcen<br />

moderiert werden (s. TAIT et al., 2004; vgl. HOBFOLL, 1989). Auch sollten sich differentielle<br />

Effekte des Bewältigungsstils für unterschiedliche Dimensionen von Einsicht einstellen, so<br />

dass deren Messung eine große Rolle spielt (z. B. sollten soziale Konsequenzen der<br />

Erkrankung <strong>und</strong> eine weitere Behandlungsnotwendigkeit beim Sealing over eher bestritten<br />

werden als die Erkrankung selbst). Und schließlich sollte die Rückwirkung der Versiegelung<br />

auf die Einsichtsmessung kontextabhängig sein (d. h. von Charakteristika der Testsituation<br />

<strong>und</strong> des Behandlungssettings beeinflusst werden).<br />

Auch wenn also kein direkter Beleg für einen Zusammenhang mit globalen Einsichtsdefiziten<br />

erbracht werden konnte, liefern die Forschung zum Sealing-over-Stil der Verarbeitung<br />

psychischer Erkrankungen (MCGLASHAN et al., 1975) <strong>und</strong> die Übertragung der Theorie<br />

der Ressourcenerhaltung auf dieses Gebiet (HOBFOLL, 1989) Hinweise für die Analyse<br />

non-kognitiver Bedingungen von Einsicht. So lässt sich erstens annehmen, dass sich in<br />

elaborierteren Formen von <strong>Krankheitseinsicht</strong> (d. h. Bewusstheit von Konsequenzen <strong>und</strong><br />

künftiger Behandlungsnotwendigkeit) teilweise eine »neugierige« Hinwendung zum Bewältigungsobjekt<br />

(MILLER, 1987) ausdrückt, wie sie für den integrativ bewältigenden Coping-<br />

Stil angenommen wurde (MCGLASHAN et al., 1975, 1977).<br />

Zweitens sollte sich <strong>Krankheitseinsicht</strong> eher bei Menschen einstellen, die reich an Ressourcen<br />

<strong>und</strong> entsprechenden Bewältigungsoptionen sind. Vor allem auf soziale Unterstützung<br />

<strong>und</strong> soziales Coping legen beide Konzepte ein besonderes Gewicht.<br />

6.5.14.2 Empirische Bef<strong>und</strong>e: Defensivität <strong>und</strong> Einsicht<br />

Schon frühe Bef<strong>und</strong>e der psychometrischen Schizophrenieforschung weisen auf eine hohe<br />

Defensivität von Patienten mit Schizophrenie-Diagnosen hin: So untersuchte HAU (1957)<br />

100 stationär aufgenommene Patienten des Landeskrankenhauses Göttingen mit dem<br />

Maudsley Medical Questionnaire (MMQ) <strong>und</strong> fand deutlich erhöhte Werte der Kontrollskala<br />

im Vergleich mit den Normen <strong>und</strong> einer Stichprobe ambulanter »Neurotiker« (g = 1,41<br />

[berechnet aus deskriptiver Statistik, s. Tab. 3, ebd., S. 674, <strong>und</strong> Tab. 6, ebd., S. 678]).<br />

HAVENER <strong>und</strong> IZARD (1962) stellten mit der Lügenskala eines Selbstkonzeptfragebogens<br />

(Tennessee Department of Mental Health Self-Concept Scale) ebenfalls fest, dass hospitalisierte<br />

Patienten mit paranoider Schizophrenie selbst-abwertenden Aussagen signifikant<br />

weniger zustimmten als Kontrollprobanden (d = 0,97).


176<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

Eine höhere Tendenz von Patienten mit Schizophrenie zu sozial erwünschtem Antwortverhalten<br />

– selbst im Vergleich mit anderen psychiatrischen Stichproben – wurde in der<br />

Folge gef<strong>und</strong>en von MCPHERSON, PRESLY, ARMSTRONG <strong>und</strong> CURTIS (1974; Vergleich mit<br />

Ges<strong>und</strong>en: g = 1,53; Vergleich mit »neurotic patients«: g = 0,47; berechnet aus Tab. 5,<br />

ebd., S. 155), CROOKES <strong>und</strong> BUCKLEY (1976; Effekt r = .35, punktbiseriale Korrelation bei<br />

Kontrastierung »non-psychotischer« <strong>und</strong> »psychotischer« [inkl. depressiver] Patienten),<br />

VERMA (1979; Vergleich mit Ges<strong>und</strong>en: g = 0,93; Tab. 4, ebd., S. 33), KIRKCALDY (1986;<br />

Vergleich mit Ges<strong>und</strong>en: g = 0,89; Tab. 2, ebd., S. 125) <strong>und</strong> GARFIELD, ROGOFF <strong>und</strong><br />

STEINBERG (1987; Vergleich mit Ges<strong>und</strong>en: ca. d = 1,0; Abb. 3, ebd., S., 229).<br />

Einen frühen Validitätshinweis für Desirabilitätswerte als Maß der Selbsttäuschung fand<br />

NORMAN (1962), der zeigen konnte, dass Patienten mit hohen Werten auf der Edwards<br />

Social Desirability Scale auch ihre Performanz in einem kognitiven Leistungstest mehrfach<br />

unabhängig vom tatsächlichen Leistungsniveau positiv einschätzten <strong>und</strong> sich dabei auch<br />

durch negative Rückmeldung nicht beirren ließen (vgl. auch HAVENER & IZARD, 1962). Dies<br />

passt zu vergleichbaren Bef<strong>und</strong>en der Selbstüberschätzung an nicht-klinischen Repressors<br />

(FURNHAM, PETRIDES, SISTERSON & BALUCH, 2003).<br />

Inkonsistent blieben bislang Bef<strong>und</strong>e zum Zusammenhang von sozial erwünschtem<br />

Antwortverhalten <strong>und</strong> kognitiver Leistungsfähigkeit von Patienten: Während KIRKCALDY<br />

(1985) einen negativen Zusammenhang (r = -.40) von L-Werten des Eysenck Personality<br />

Inventory (EPI) <strong>und</strong> der Fähigkeit zur Reproduktion geometrischer Figuren fand, war bei<br />

RINA et al. (2004) die Fähigkeit zum Bilderergänzen (WAIS-R) positiv mit der entsprechenden<br />

MMPI-Skala korreliert.<br />

Korrelationen von Offenheit <strong>und</strong> <strong>Krankheitseinsicht</strong> <strong>und</strong> vergleichbar interpretierbare<br />

Bef<strong>und</strong>e liegen vor: HAU (1957) berichtete niedrige Neurotizismus-Werte der schizophrenen<br />

Patienten (Tab. 2, S. 672), jedoch eine sehr hohe negative Korrelation von r = -.73 mit<br />

den Lügenwerten. Er folgerte, bei den von ihm untersuchten Patienten sei »… im hohen<br />

Grade die Neigung anzunehmen, sich selbst-unkritisch bzw. pseudomoralisch oder<br />

geltungsbetont selbstüberschätzend zu äußern <strong>und</strong> in diesem Sinne neurotische Symptomatik<br />

<strong>und</strong> abnormes psychisches Verhalten abzulehnen« (S. 677). Dies stellten mit<br />

geringerem Effekt (r = -.29) später auch CROOKES <strong>und</strong> BUCKLEY (1976) fest.<br />

Keine Korrelation mit Neurotizismus, dafür mit Psychotizismus (r = -.33, p


177<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

reduzierter Symptombewusstheit (SUMD). Dieser Zusammenhang ist unter anderem<br />

deshalb interessant, weil die Autoren angetreten waren, eine kognitive Hypothese der<br />

Einsicht zu testen <strong>und</strong> ihre Arbeit aufgr<strong>und</strong> der gef<strong>und</strong>enen ähnlich hohen Korrelation mit<br />

dem WCST ausschließlich als Beleg dieser Annahme angeführt wird.<br />

Wenn Offenheit, wie von YOUNG et al. (1998) gezeigt, mit Symptombewusstheit<br />

korreliert, dann sollten vor allem sozial unerwünschte, potenziell stigmatisierende<br />

Symptome betroffen sein: Dies fand NELSON (1997), die symptomspezifische Bewusstheit<br />

von Schizophrenie-Patienten aus an Ges<strong>und</strong>en erhobenen Ratings der Symptom-<br />

Erwünschtheit vorhersagen konnte.<br />

Auch MOORE et al. (1999) untersuchten die Zusammenhänge zwischen SUMD-Einsicht<br />

<strong>und</strong> Defensivität, wobei sie mit PAULHUS (1998) zwischen Selbst- <strong>und</strong> Fremdtäuschung<br />

unterschieden (Balanced Inventory of Desirable Responding, BIDR). Hypothesenkonform<br />

fanden die Autoren, dass Aspekte aktueller Uneinsichtigkeit mit Selbsttäuschung korrelierten<br />

(r = .40; N = 46), die gleichen retrospektiven Dimensionen aber mit positivierender<br />

Selbstdarstellung (ca. r = .50). Eine neuere Studie konnte einen Zusammenhang der<br />

Paulhus Deception Scales <strong>und</strong> <strong>Krankheitseinsicht</strong> allerdings nicht bestätigen (KRUCK,<br />

FLASHMAN, ROTH, KOVEN, MCALLISTER & SAYKIN, 2009).<br />

Einen anderen Zugang zur Erforschung von Defensivität wählten WONG, CHIU, MOK,<br />

WONG <strong>und</strong> CHEN (2006), die 85 ambulante Schizophrenie-Patienten <strong>und</strong> 35 Kontrollpersonen<br />

baten, auf einer Checkliste mit 15 Psychose-Symptomen <strong>und</strong> 15 Stress-, Angst- <strong>und</strong><br />

Depressionssymptomen die psychotischen Symptome zu identifizieren. Mit Hilfe der<br />

Signalentdeckungstheorie fanden die Autoren, dass Patienten ein zurückhaltenderes<br />

Antwortverhalten (Parameter c, β) zeigten als Kontrollpersonen, also Symptome relativ<br />

häufiger als Anzeichen von Stress auswiesen.<br />

6.5.14.3 Empirische Bef<strong>und</strong>e: Coping <strong>und</strong> Einsicht<br />

Zumindest zwei Arbeiten deuten darauf hin, dass mit zunehmender Erkrankungsdauer die<br />

Integration der Erkrankung in das eigene Lebensschicksal begünstigt <strong>und</strong> die anfängliche<br />

Leugnung abgebaut wird: LALLY (1989) fand eine positive Korrelation zwischen Dauer der<br />

Erkrankung <strong>und</strong> Akzeptanz der Patientenrolle (r = .25 bis .29). THOMPSON et al. (2001)<br />

berichten ebenfalls einen signifikant größeren Anteil einsichtiger Patienten nach multiplen<br />

Episoden als nach Erstmanifestation. Derartige Bef<strong>und</strong>e können jedoch auch als Beleg für<br />

Sozialisations- <strong>und</strong> Lernhypothesen herangezogen werden.<br />

MIDDELBOE <strong>und</strong> MORTENSEN (1997) befragten 98 chronifizierte Patienten (85 % mit<br />

Diagnosen des Schizophrenie-Spektrums) nach ihrem symptomorientierten Coping <strong>und</strong><br />

stellten einen signifikanten Zusammenhang zwischen der Anzahl aktiver Bewältigungsstrategien<br />

<strong>und</strong> der allgemeinen <strong>Krankheitseinsicht</strong> fest (SAI: r = .30).<br />

Wie bereits dargelegt, scheint sozialer Unterstützung <strong>und</strong> Bewältigung im Zusammenhang<br />

mit Einsicht eine besondere Bedeutung zuzukommen: TAYLOR <strong>und</strong> PERKINS (1991)<br />

fanden, dass Patienten einer Rehabilitationseinrichtung, die psychische Probleme verneinten,<br />

weniger Kontakt zur »Außenwelt« angaben (d. h. weniger Fre<strong>und</strong>e außerhalb der<br />

Einrichtung; Fre<strong>und</strong>e unter den Mitpatienten verlassen die Einrichtung seltener). LYSAKER,<br />

BELL, BRYSON <strong>und</strong> KAPLAN (1998) stellten fest, dass Patienten mit geringer SUMD-Einsicht<br />

ein geringeres fremdbeurteiltes soziales Funktionsniveau aufwiesen (n = 57 – 44; g = -0,57<br />

auf der Interpersonal Relations-Subskala der Quality of Life Scale, QLS: HEINRICHS,<br />

HANLON & CARPENTER, 1984). Zwei Studien korrelierten <strong>Krankheitseinsicht</strong> mit sozialem


178<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

»ges<strong>und</strong>en Menschenverstand« (common sense): McEvoy et al. (1996) fanden eine<br />

Korrelation des Social Knowledge Questionnaire (SKQ: s. ebd., S. 641) mit den Items des<br />

ITAQ, die ausschließlich Krankheitsbewusstheit erfassen (r = .37 bis .40), allerdings<br />

überstand diese die Kontrolle von Alter <strong>und</strong> kognitivem Funktionsniveau nicht (N = 32).<br />

UPTHEGROVE et al. (2002) konnten hingegen keine bivariate Korrelation von SAI-Einsicht<br />

<strong>und</strong> SKQ finden (r = .21, n. s.; N = 30).<br />

COOKE, PETERS, FANNON et al. (2007) untersuchten Zusammenhänge zwischen Einsichtsfaktoren<br />

aus SAI-E <strong>und</strong> BIS <strong>und</strong> dem COPE-Fragebogen (CARVER et al., 1989) <strong>und</strong><br />

fanden, dass krankheitseinsichtige Personen mehr instrumentelle soziale Unterstützung<br />

(r = .46), mehr Planung (r = .32) <strong>und</strong> eine geringere resignative Ablösung vom Bewältigungsobjekt<br />

(r = -.30) als Bewältigungsstrategie angaben (N = 55).<br />

Auch weitere Ressourcen wie krankheitsspezifische Kontrollüberzeugungen, die als<br />

personale Antezedenzien den Bewältigungsprozess moderieren, sollten eine aktive Auseinandersetzung<br />

mit der Schizophrenie begünstigen <strong>und</strong> eine defensive Leugnung unwahrscheinlicher<br />

machen (vgl. HOBFOLL, 1989). Dies bestätigten DONOHOE, DONNELL, OWENS<br />

<strong>und</strong> O’CALLAGHAN (2004), die entsprechende Zusammenhänge zwischen Einsicht <strong>und</strong><br />

ges<strong>und</strong>heitsbezogenem Attributionsstil fanden (Multidimensional Health Locus of Control<br />

Questionnaire, MHLC: WALLSTON, WALLSTON & DEVELLIS, 1978; r = .34 mit internalen<br />

Attributionen, r = -.47 mit Zufallszuschreibungen). Der Attributionsstil wurde auch in einer<br />

schrittweisen Regression signifikanter Prädiktor, nachdem zuvor prämorbide Intelligenz<br />

<strong>und</strong> Symptomatik eingegeben worden waren (adj. R 2 = .30; N = 38).<br />

Fazit<br />

Die dritte Familie ätiologischer Hypothesen zu reduzierter Erkrankungsbewusstheit<br />

bei Schizophrenie umfasst alle »motivationalen« Erklärungen des<br />

Phänomens: Die Erkrankung generiert aufgr<strong>und</strong> funktionaler Einschränkungen<br />

<strong>und</strong> assoziierter (Selbst-) Stigmatisierung eine Reihe stark negativ valenzierter<br />

»Objekte« (z. B. Diagnose, Behandlungsnotwendigkeit, Zukunftsaussichten),<br />

die betroffene Menschen verarbeiten müssen, um die Kontinuität<br />

ihres Selbstkonzepts zu wahren, ihre Emotionalität zu stabilisieren <strong>und</strong> wichtige<br />

Rollenfunktionen ausüben zu können. Aus unterschiedlichen theoretischen<br />

Perspektiven heraus wurden verschiedene Modi der Krankheitsverarbeitung<br />

beschrieben, die den breiten Konzepten »Abwehr« (z. B. Repression) <strong>und</strong> »Bewältigung«<br />

(Coping; z. B. Sealing over) zugeordnet werden können (CRAMER,<br />

2000). Während beide Formen überwiegend als stabile Personenmerkmale gedacht<br />

(oder zumindest erfasst) wurden <strong>und</strong> auch das Bewusstheits- bzw. Automatismus-Kriterium<br />

keine belastbare theoretische Abgrenzung liefert, unterscheiden<br />

sie sich zumindest im Gültigkeitsbereich bzw. in ihrer Objektspezifität:<br />

Abwehr wird meist mit Hilfe von Desirabilitätsskalen erfasst, die<br />

eine generelle Neigung zu positivierender Selbsttäuschung (bzw. -darstellung)<br />

zu erfassen suchen. Eine starke Tendenz von Schizophrenie-Patienten zu sozial<br />

erwünschtem Antwortverhalten kann als gesichert gelten. Bewältigungsstile<br />

werden hingegen über Coping-Skalen gemessen, die diskrete Coping-Akte erfragen.<br />

Insgesamt kann festgestellt werden, dass die Bef<strong>und</strong>lage in beiden Bereichen<br />

recht dünn ist. Es liegen Korrelationen von krankheitsbezogenen<br />

Selbsteinschätzungen von Schizophrenie-Patienten mit Kontrollskalen vor, die<br />

im Sinne von Defensivität interpretiert werden können, allerdings wurden<br />

kaum moderne Einsichtsskalen verwendet. Hier geht eine Stimmenzählung nur


179<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

äußerst knapp zugunsten der Hypothese aus (s. YOUNG et al., 1998; MOORE et<br />

al., 1999; KRUCK et al., 2009). Gerade Defensivität wurde bislang nicht in multifaktorielle<br />

Modelle (STARTUP, 1996) eingearbeitet. Hier wurde eine moderierende<br />

Rolle der Ambiguität angenommen: Interessant ist in diesem Zusammenhang<br />

eine Hypothese von LALLY (1989) <strong>und</strong> THOMPSON et al. (2001), die<br />

einen Abbau von Leugnung mit zunehmender Erkrankungsdauer voraussagen.<br />

Auch wurde der Einfluss von Defensivität v. a. für asymptomatische Erkrankungsphasen<br />

vorhergesagt. Im Bereich der Unterstützungs- <strong>und</strong> Coping-<br />

Forschung konvergieren verschiedene Bef<strong>und</strong>e auf eine besondere Rolle sozialer<br />

Bewältigungsformen <strong>und</strong> Ressourcen. Die Wirkrichtung (reaktive soziale<br />

Bewältigung vs. soziale Normalisierung) konnte bislang nicht geklärt werden.<br />

Im Folgenden werden zusätzlich zu den Bef<strong>und</strong>en zum sozialen Coping auch<br />

Korrelationen von Einsicht mit der Größe des sozialen Netzwerks berichtet, was<br />

einen bidirektionalen Zusammenhang wahrscheinlich macht.<br />

6.5.15 Soziokulturelle Lern-Hypothesen<br />

Aus der Perspektive der – in dieser Arbeit so bezeichneten – »soziokulturellen Lernmodelle«<br />

ist die Genese von Einsicht bzw. die Übernahme von Krankheitsmodellen ein Geschehen,<br />

das nur unter Berücksichtigung des sozialen <strong>und</strong> kulturellen Kontextes angemessen<br />

verstanden werden kann: Menschen, die psychotische Phänomene erleben, konstruieren<br />

ein Modell dieser Erfahrung notwendigerweise unter Rekurs auf Information aus ihrer<br />

sozialen Umwelt (d. h. Familie <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>e, Behandlungspersonal, Massenmedien), die<br />

wiederum in einen kulturellen Kontext eingebettet ist. Dies wurde bereits im Einsichtsmodell<br />

von MARKOVÁ <strong>und</strong> BERRIOS (1995a) für die Entstehung der Bewusstheit nichterlebenspflichtiger<br />

Verhaltenssymptome berücksichtigt.<br />

Arbeiten, die sich unter diese konzeptuelle Perspektive subsumieren lassen, thematisieren<br />

Art <strong>und</strong> Verfügbarkeit einsichtsrelevanter Information, etwa in Form der Forschung<br />

zur Auswirkung von Erkrankungsdauer <strong>und</strong> zu Krankheitsmodellen von Patienten aus<br />

außerokzidentalen Kulturen. Modelle dieser theoretischen Provenienz sind kompatibel mit<br />

anderen Ätiologien, da sie keine Annahmen über die Verarbeitung der thematisierten<br />

Information machen.<br />

6.5.15.1 Kulturelle Distanz-Hypothesen<br />

Ausgehend von einer Auffassung von Einsicht als Übernahme eines kulturspezifischen<br />

explanativen Modells der Schizophrenie weisen Vertreter Kultureller-Distanz-Hypothesen<br />

darauf hin, dass Angehörige ethnischer Minderheiten aus außereuropäischen, nichtindustrialisierten<br />

Ländern psychotische Phänomene häufig übernatürlichen Ursachen<br />

zuschreiben (z. B. MCCABE & PRIEBE, 2004; SARAVANAN, DAVID, BHUGRA, PRINCE & JACOB,<br />

2005; CONRAD et al., 2007). Psychopathologie-Experten der weißen, europäischen Ethnie,<br />

die ein biomedizinisches Modell verträten, würden entsprechend häufiger mangelnde<br />

Einsicht wahrnehmen (SARAVANAN et al., 2007). Diese soziokulturelle Erklärung mangelnder<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong> ist eng verwandt mit der Diskussion um einen kulturellen diagnostischen<br />

Bias weißer Psychiater bei anglokaribischen <strong>und</strong> afroamerikanischen Patienten<br />

(NEIGHBORS, TRIERWEILER, FORD & MUROFF, 2003; HICKLING, MCKENZIE, MULLEN &<br />

MURRAY, 1999).


180<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

Empirisch wurden Hypothesen aus diesem Bereich bislang wenig geprüft: JOHNSON <strong>und</strong><br />

ORRELL (1996) sichteten Aktennotizen über 318 Londoner Psychiatriepatienten mit<br />

psychotischen Symptomen im Hinblick auf Einsicht. Sie fanden, dass 48 % der 203 weißen<br />

britischen Patienten als uneinsichtig beschrieben wurden, jedoch über 70 % der 75<br />

schwarzen Patienten (p < .01).<br />

WHITE, BEBBINGTON, PEARSON, JOHNSON <strong>und</strong> ELLIS (2000) fanden demgegenüber lediglich<br />

signifikante Unterschiede in der Ursachenattribution zwischen in Großbritannien <strong>und</strong><br />

im Ausland (v. a. Afrika, Karibik) geborenen Patienten, nicht aber in der gr<strong>und</strong>sätzlichen<br />

Einsicht. Zu einem ähnlichen Ergebnis kamen MCCABE <strong>und</strong> PRIEBE (2004), die fanden,<br />

dass weiße Briten häufiger biologische Ursachen ihrer Erkrankung (35 %) nannten als<br />

anglokaribische, afrikanische <strong>und</strong> indische Migranten der zweiten Generation (hier<br />

0 bis 11 %), die häufiger übernatürliche Ursachen angaben (z. B. Westafrikaner: 29 %).<br />

Der kulturelle Hintergr<strong>und</strong> scheint also vorwiegend das explanative Modell schizophrener<br />

Patienten zu beeinflussen, nicht aber die gr<strong>und</strong>legende Anerkennung psychischer<br />

Probleme. SARAVANAN et al. (2005) fordern daher auch, die Beurteilung von Einsicht auf<br />

kulturspezifische Krankheitskonzepte, Symptombewusstheit, <strong>und</strong> allgemeines Hilfesuchverhalten<br />

zu gründen. Dies ist allerdings keine neue Forderung, hatten doch schon AMADOR<br />

et al. (1991) Uneinsichtigkeit auf Fälle begrenzt »… in which an individual's perception of<br />

himself is grossly at odds with that of his community and culture« (S. 114).<br />

SARAVANAN et al. (2005) weisen ebenfalls darauf hin, dass Symptom-Bewusstheit in<br />

transkulturellen Studien die höchste Konsistenz <strong>und</strong> Gültigkeit aufwies <strong>und</strong> werten dies als<br />

Hinweis darauf, dass dieser Aspekt weitgehend kulturunabhängig <strong>und</strong> metakognitiv<br />

bedingt ist (SARAVANAN, JACOB, PRINCE, BHUGRA & DAVID, 2004).<br />

6.5.15.2 Klinische Sozialisations- <strong>und</strong> Normalisierungshypothesen<br />

Die hier so bezeichneten »klinischen Sozialisationshypothesen« postulieren einen Zusammenhang<br />

zwischen Einsicht <strong>und</strong> krankheitsbezogenen Wissensstrukturen bzw. der Möglichkeit<br />

ihrer Aneignung über Lernerfahrungen (THOMPSON et al., 2001). Es wurde bereits<br />

beschrieben, dass KO et al. (2006) in der Erfahrung mit Mitpatienten <strong>und</strong> der Wirkung von<br />

Antipsychotika wesentliche Wirkfaktoren bei der Entstehung von <strong>Krankheitseinsicht</strong> sehen.<br />

Eine zweite Quelle von Lernerfahrungen stellen korrektive Rückmeldungen der sozialen<br />

Umwelt dar – dies wird als »Normalisierungshypothese« bezeichnet (vgl. WHITE et al.,<br />

2000).<br />

Der bislang einzige Vorschlag eines Lernmodells der Einsicht stammt von MACPHERSON<br />

et al. (1996b, S. 720; Abbildung 10). Neben einem Pfad, der die Wirkungen von prämorbidem<br />

kognitiven Potenzial <strong>und</strong> Bildung widerspiegelt, wird ein zweiter Pfad für die Wirkung<br />

spezifischer Lernerfahrungen angenommen. Hierunter werden Psychoedukation <strong>und</strong><br />

Erfahrungen mit der eigenen Symptomatik verstanden (patient education and learning<br />

about illness). Leider wird das Modell von den Autoren kaum erläutert – es bleibt unklar,<br />

ob Erfahrungen mit der eigenen Positivsymptomatik (continuing florid sypmtoms) <strong>und</strong> den<br />

Reaktionen der sozialen Umwelt Einsicht fördern soll (Normalisierungsmodell), oder ob<br />

die Autoren eher auf die limitierende Wirkung persistierender psychotischer Zustände<br />

hinweisen wollen. Zusätzlich wird ein negativer Einfluss kognitiver Defizite auf die<br />

Akquisition von störungsspezifischem Wissen angenommen.


Prämorbide<br />

Intelligenz<br />

Psychose-<br />

Erkrankung<br />

Bildung<br />

Positiv-<br />

Symptomatik<br />

Kognitive Defizite<br />

181<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

Abbildung 10. Lernmodell der Einsicht nach MacPherson et al. (1996b, S. 720)<br />

Die empirische Überprüfung von Lernmodellen ist bislang erst in Ansätzen erfolgt. Sie sieht<br />

sich mit einer Reihe von Problemen konfrontiert, die kurz genannt werden sollen: Ein<br />

Problem betrifft die von JASPERS (1920) vermutete »Pseudo-Einsicht«, d. h. die bloße<br />

Aneignung <strong>und</strong> von Behandlungsexperten verstärkte Verwendung inhaltsleerer psychiatrischer<br />

Termini. Alternativ haben THOMPSON et al. (2001) vermutet, dass die Unerfahrenheit<br />

im klinischen Gespräch bzw. geringes psychologisches Ausdrucksvermögen trotz<br />

bestehender Problembewusstheit Einsichtsdefizite suggerieren könnte.<br />

Unklar ist darüber hinaus, ob die prädizierte Zunahme an Einsicht über die Zeit durch<br />

den erfahrungsbasierten Aufbau eines funktionalen Krankheitsmodells (Lernen) oder<br />

durch den Abbau von Abwehr, d. h. der Integration der Erkrankung in das »Lebenskontinuum«<br />

vermittelt wird (BÖKER, 1999, S. 239; vgl. MCGLASHAN et al., 1975).<br />

Ein weiteres Problem betrifft die Validität von Verlaufsvariablen als Indikatoren von<br />

Erkrankungswissen <strong>und</strong> -erfahrung. Da Schizophrenie-Forschung meist an Verfügbarkeitsstichproben<br />

erfolgt, besteht die Möglichkeit einer Konf<strong>und</strong>ierung mit Aspekten der Erkrankungsschwere<br />

– so ist denkbar, dass neurokognitiv schwerer beeinträchtigte Patienten<br />

zugleich weniger einsichtig sind <strong>und</strong> häufigere Aufenthalte in der Akutpsychiatrie benötigen.<br />

Dies ist z. B. recht eindeutig ablesbar an einer clusteranalytischen Arbeit von LYSAKER,<br />

LANCASTER, DAVIS <strong>und</strong> CLEMENTS (2003), in der kognitiv beeinträchtigte uneinsichtige<br />

Patienten mit Abstand die meisten Hospitalisierungen aufwiesen.<br />

6.5.15.3 Empirische Bef<strong>und</strong>e zu Lern-Hypothesen<br />

Einsicht<br />

Psychoedukation<br />

<strong>und</strong> Krankheitserfahrung<br />

Im Sinne einer Normalisierungshypothese lassen sich all jene bereits referierten Bef<strong>und</strong>e<br />

deuten, die Zusammenhänge zwischen <strong>Krankheitseinsicht</strong> <strong>und</strong> sozialen Ressourcen bzw.<br />

quantitativen Netzwerk-Indikatoren gef<strong>und</strong>en haben (TAYLOR & PERKINS, 1991).<br />

WHITE et al. (2000) belegten für 150 nicht-stationäre Patienten einen geringen Zusammenhang<br />

von Einsicht (SAI) mit der Anzahl enger Fre<strong>und</strong>e (r = .21, p < .01). Auch bei<br />

WOJCIECHOWSKA, CECHNICKI <strong>und</strong> WALCZEWSKI (2002) korrelierte in einer Gruppe von 56<br />

nicht-stationären Patienten die Größe des extrafamiliären sozialen Netzwerks mit einer<br />

Einsichts-Fremdbeurteilung (rS = .43, p < .01). ROSSI et al. (2000) fanden bei 30 stationären<br />

Patienten hohe signifikante Zusammenhänge (r = .46 bis .61) zwischen dem Ausmaß<br />

sozialer Kontakte (SCS: STRAUSS & CARPENTER, 1972) <strong>und</strong> der Bewusstheit von


182<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

Negativsymptomatik (Affektverflachung, Anhedonie, sozialer Rückzug). Korrelationen mit<br />

der Bewusstheit von Positivsymptomatik wurden nicht signifikant (r = .33 bis .35, n. s.).<br />

TRANULIS, CORIN <strong>und</strong> KIRMAYER (2008) konnten mit Hilfe einer quantifizierenden<br />

Analyse der Narrative von 18 Patienten <strong>und</strong> ihrer Angehörigen einen hohen Zusammenhang<br />

ihrer krankheitsbezogenen Einschätzungen feststellen (r = .51, p < .05), was sie als<br />

Hinweis auf eine soziale Konstruktion explanativer Modelle werten.<br />

Einige wenige Studien haben auch die Vorhersagen klinischer Sozialisationshypothesen<br />

geprüft: MACPHERSON et al. (1996b) berichten, dass Medikationswissen <strong>und</strong> Erkrankungsdauer<br />

bei Teilnehmern eines psychoedukativen Programms mit Einsicht korreliert war<br />

(SAI: r = .69 bzw. .38; N = 64), während die Korrelation mit der geschätzten prämorbiden<br />

Intelligenz die statistische Signifikanz verfehlte.<br />

THOMPSON et al. (2001) verglichen 71 Patienten mit Erstmanifestation einer Schizophrenie-Spektrums-Störung<br />

mit 204 Patienten mit mehreren Episoden auf drei SUMD-<br />

Dimensionen. Sie konstatierten einen signifikanten Zusammenhang zwischen der Erkrankungsbewusstheit<br />

<strong>und</strong> Episodenstatus: Während sich nach Erstmanifestation nur 27 % der<br />

Betroffenen vollständig einsichtig zeigten, waren es nach multiplen Episoden 42 %<br />

(p < .01). Ein ähnlicher Unterschied zeigte sich für die Bewusstheit erwünschter Medikationseffekte<br />

(38 % 55 %; p < .05), nicht jedoch für die Bewusstheit sozialer Konsequenzen<br />

der Erkrankung. PRINCE (2007) verglich in ähnlicher Weise 105 Patienten mit drei oder<br />

weniger Hospitalisierungen mit 202 Patienten mit vier oder mehr Aufenthalten <strong>und</strong> fand,<br />

dass Personen der häufiger stationär aufgenommenen Gruppe sich ihrer Schizophrenie-<br />

Diagnose signifikant häufiger bewusst waren (70 zu 49 %, p < .01) <strong>und</strong> sie häufiger eine<br />

emotionale oder psychische Erkrankung einräumten. Auch das Behandlungspersonal<br />

schrieb der Gruppe mit häufigeren Rezidiven ein signifikant größeres Wissen um ihre<br />

Erkrankung <strong>und</strong> Medikation zu (g = 0,26 bzw. 0,41).<br />

QUILLAMS <strong>und</strong> ADDINGTON (2003) berichten über einen positiven Zusammenhang zwischen<br />

deklarativem Wissen über Psychosen (Mehrfachauswahltest) <strong>und</strong> <strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

(BIS) – leider werden der Test <strong>und</strong> die Höhe des Zusammenhangs nicht berichtet. Den<br />

Einfluss von Wissen über Schizophrenie auf Einsicht testen indirekt auch drei Studien von<br />

MCEVOY et al. (1993), STARTUP (1997) <strong>und</strong> WONG et al. (2006): MCEVOY et al. (1993) legten<br />

26 stationär aufgenommenen Patienten kurze Beschreibungen einer Person mit jeweils<br />

einem Schizophrenie-Symptom vor <strong>und</strong> ließen sie einschätzen, ob diese psychisch krank<br />

sei. Patienten, die Halluzinationen <strong>und</strong> Verfolgungswahn als krankheitswertiger einschätzten,<br />

waren zugleich selbst im ITAQ einsichtiger (r = .42 bzw. .44, p < .05).<br />

Zu einem anderen Resultat kam STARTUP (1997), der 44 ambulanten Patienten Vignetten<br />

von Personen mit oder ohne Wahnideen, Halluzinationen <strong>und</strong> formale Denkstörungen<br />

darbot. Patienten mit niedriger Einsicht (ITAQ) unterschieden sich in ihren Einschätzungen<br />

der Wahrscheinlichkeit einer psychischen Erkrankung der Dargestellten weder von<br />

Patienten mit hoher Einsicht noch von einer Kontrollgruppe. In allen drei Gruppen<br />

korrelierte die Anzahl der in einer Vignette beschriebenen Symptome hoch mit ihrer<br />

Einschätzung (r =.71 bis .90, p < .05). Alle Patienten erkannten die beschriebenen Phänomene<br />

als Zeichen psychischer Erkrankung <strong>und</strong> alle legten ihrem Urteil den Grad der<br />

absoluten Symptombelastung zugr<strong>und</strong>e.<br />

In ihrer bereits erwähnten Studie, die in einem Signalentdeckungsparadigma die Neigung<br />

von Patienten untersuchte, Psychose-, Angst- <strong>und</strong> Depressions-Symptome als<br />

psychotisch auszuweisen, fanden WONG et al. (2006) neben Hinweisen für Defensivität,<br />

dass Patienten auch eine geringere Trefferquote <strong>und</strong> Sensitivität (d’) erzielten als Kontroll-


183<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

personen, also Psychose-Symptome verpassten (g* = 0,47), was die Autoren als Hinweis<br />

auf Wissenslücken deuten.<br />

Aus klinischen Sozialisationsmodellen lassen sich zwei weitere allgemeine Vorhersagen<br />

ableiten: (1.) Wenn sich die Akquisition von erkrankungsbezogenem Wissen positiv auf<br />

Einsicht auswirken sollte, wie es das Lernmodell von MACPHERSON et al. (1996b) vorhersagt,<br />

dann sollten einsichtsorientierte Interventionen effektiv sein. (2.) Wenn sich Informationsvermittlung<br />

positiv auswirkt, sollte die hohe Prävalenz von Einsichtslücken einen<br />

Hinweis darauf geben, dass Lerngelegenheiten im Klinikalltag nicht immer gegeben sind,<br />

d. h. dass Behandlungsexperten möglicherweise Diagnosen unzureichend kommunizieren<br />

– sei es aus Zweifel an der Validität von Schizophrenie-Diagnosen oder am Verständnis<br />

ihrer Patienten, sei es aus Unbehagen.<br />

Die erste Vorhersage wurde in einem Review von HENRY <strong>und</strong> GHAEMI (2004) überprüft:<br />

Die Autoren konnten 11 randomisierte kontrollierte Studien (1966 - 2002) zur Wirksamkeit<br />

psychologischer Interventionen auffinden, die die Wirkung von (a) Psychoedukation<br />

(k = 6), (b) psychoanalytisch orientierter Psychotherapie (k = 2), (c) kognitiver Verhaltenstherapie<br />

(k = 1) <strong>und</strong> (d) video-gestützter Selbstbeobachtung (k = 2) untersuchten. Aufgr<strong>und</strong><br />

teilweise ungeeigneter Designs <strong>und</strong> der geringen Anzahl an Studien können nur tentative<br />

Schlussfolgerungen aus den betrachteten Arbeiten gezogen werden. Diese lauten, dass individualisierte<br />

Psychoedukation <strong>und</strong> Video-Selbstbeobachtung vielversprechende Ansätze zur<br />

Steigerung von Einsicht sein können.<br />

Zur Überprüfung der zweiten Vorhersage wäre es relevant zu wissen, ob Patienten ihre<br />

Diagnose überhaupt mitgeteilt bekommen – andernfalls kann zumindest dieser Aspekt von<br />

Einsicht kaum erwartet werden. Zur Praxis der Diagnoseeröffnung (diagnostic disclosure)<br />

wurden einige wenige postalische Befragungen von Psychiatern durchgeführt:<br />

GREEN <strong>und</strong> GANT (1987) befragten 246 an psychiatrischen Krankenhäusern der USA<br />

tätige Psychiater, von denen nur 76 % die Familie eines Patienten <strong>und</strong> 58 % den Patienten<br />

selbst von der Diagnose einer Schizophrenie immer oder üblicherweise in Kenntnis setzen.<br />

Dies wurde repliziert von MCDONALD-SCOTT, MACHIZAWA <strong>und</strong> SATOH (1992), die 109<br />

US-amerikanische <strong>und</strong> kanadische Psychiater an Universitätskliniken zur Diagnose-<br />

Eröffnung in einem fiktiven Fall befragten. Nur etwa die Hälfte der Respondenten (53 %)<br />

gab an, dass sie den Patienten aktiv über die Schizophrenie-Diagnose informieren würde.<br />

28 % der Psychiater würden die Diagnose nur auf Anfrage mitteilen <strong>und</strong> 18 % sie verschweigen.<br />

Als häufigster Gr<strong>und</strong> für die Nichteröffnung wurde in einer Teilstichprobe<br />

(N = 23) »Leads to mis<strong>und</strong>erstanding« angegeben (48 %), als zweithäufigster »Hurts<br />

patient« (26 %).<br />

SHERGILL, BARKER <strong>und</strong> GREENBERG (1998) fanden zwar, dass von 24 befragten englischen<br />

Psychiatern 83 % angaben, ihre Patienten üblicherweise über ihre psychiatrische<br />

Diagnose zu informieren. Diese Entscheidung wurde aber bei zwei Dritteln der Befragten<br />

von der Art der Erkrankung dahingehend beeinflusst, dass Schizophrenie-Diagnosen<br />

signifikant seltener mitgeteilt wurden als Diagnosen affektiver Störungen. Als wichtiger<br />

Einflussfaktor erwies sich bei SHERGILL et al. (1998) das Vertrauen in die Diagnose.<br />

Dies korrespondiert mit einem Bef<strong>und</strong> von CLAFFERTY, MCCABE <strong>und</strong> BROWN (2001), die<br />

211 schottische Psychiater befragten <strong>und</strong> eine »conspiracy of silence surro<strong>und</strong>ing schizophrenia«<br />

(S. 339) festzustellen glaubten: Zwar gaben 89 % an, die gesicherte Diagnose<br />

einer rezidivierenden Schizophrenie mitzuteilen, interessanterweise würden dies aber nur<br />

59 % bei einer Ersterkrankung tun <strong>und</strong> allgemein nur 51 % aktiv, d. h. ohne vom Patienten<br />

gefragt zu werden, was die Bef<strong>und</strong>e von GREEN <strong>und</strong> GANT (1987) <strong>und</strong> MCDONALD-SCOTT et<br />

al. (1992) repliziert. Nach ihren Erfahrungen bei der Diagnose-Eröffnung gefragt, stimmten


184<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

57 % zu, dass die meisten Patienten den Begriff Schizophrenie nicht verstünden (cannot<br />

<strong>und</strong>erstand the term) <strong>und</strong> 43 % fühlten sich bei der Eröffnung unbehaglich (makes me feel<br />

uncomfortable).<br />

FERRERI et al. (2000) befragten zu diesem Thema die Psychiater von 336 französischen<br />

Schizophrenie-Patienten. Nur 39 % der Patienten wurde eine Schizophrenie-Diagnose<br />

mitgeteilt, als Hauptgründe wurden »absence d’interrogation« (42 %), »risque de<br />

perturber le patient« (40 %) <strong>und</strong> »cela n’apporterait rien« (32 %) genannt (etwa: »Hat<br />

nicht gefragt« - »Verstört den Patienten« - »Bringt nichts«). 65 % hatten eine alternative<br />

Bezeichnung verwendet. Nur in 41 % der Fälle wurden die Angehörigen über die Diagnose<br />

informiert. Die meisten Patienten (96 %) hatten dagegen die Notwendigkeit einer medikamentösen<br />

Behandlung erklärt bekommen.<br />

Fazit<br />

Nach kognitiven <strong>und</strong> motivationalen Hypothesen konstituieren Annahmen<br />

über die Rolle von krankheitsbezogener Information, die dem Individuum aus<br />

einem soziokulturellen Kontext zufließt, <strong>und</strong> entsprechender Lernprozesse die<br />

dritte Gruppe von Erklärungen mangelnder Einsicht bei Schizophrenie. Hier<br />

wurden drei Annahmen unterschieden: (1.) Die kulturelle Distanz-Hypothese<br />

betont die Diskrepanz von Informationen, die Individuen aus verschiedenen<br />

Kulturen bei der Konstruktion explanativer Modelle zugr<strong>und</strong>e legen. Ihr zufolge<br />

sollten speziell die Krankheitsrepräsentationen von Menschen aus nichtwestlichen<br />

Kulturen sich vom dominierenden biopsychiatrischen Schizophrenie-Paradigma<br />

unterscheiden. Tatsächlich sprechen die empirischen Belege für<br />

einen gewissen kulturellen Einfluss auf die Konstruktion von Krankheitskonzepten.<br />

(2.) Die Normalisierungshypothese postuliert eine korrektive Funktion<br />

sozialer Netzwerke. Es liegen nur wenige Bef<strong>und</strong>e zur sozialen Normalisierung<br />

von Erkrankungsrepräsentationen vor, die überdies z. T. im Sinne aktiver<br />

sozialer Bewältigung gedeutet werden können. (3.) Die klinische Sozialisationshypothese<br />

nimmt an, dass Patienten mit der Zeit durch den Kontakt mit<br />

den Versorgungssystemen, ihrer Sprache <strong>und</strong> ihren Lernmöglichkeiten (Mitpatienten,<br />

Therapie, Psychoedukation, Pharmakotherapie) <strong>und</strong> den entsprechend<br />

gelenkten Erfahrungen mit der eigenen Erkrankung einsichtiger werden. Hierfür<br />

sprechen positive Zusammenhänge von Einsicht mit Erkrankungswissen<br />

<strong>und</strong> Erkrankungsdauer bzw. Hospitalisierungshäufigkeit. Es wurde darüber<br />

hinaus gezeigt, dass Einsicht gr<strong>und</strong>sätzlich förderbar zu sein scheint <strong>und</strong> dass<br />

Patienten oftmals unzureichend über ihren Zustand aufgeklärt werden.


6.5.16 Multifaktorielle Einsichts-Modelle<br />

185<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

Neben kognitiven, motivationalen <strong>und</strong> soziokulturellen Lern-Hypothesen haben fünf empirische<br />

Arbeiten explizit multifaktorielle Entstehungsmodelle der <strong>Krankheitseinsicht</strong> bei<br />

Schizophrenie überprüft. Drei dieser Arbeiten überprüften eine spezifische Vorhersage zur<br />

Form des Zusammenhangs von Einsicht <strong>und</strong> Kognition (STARTUP, 1996, LYSAKER,<br />

LANCASTER, DAVIS & CLEMENTS, 2003; COOKE, PETERS, GREENWOOD et al., 2007), eine<br />

Arbeit berechnete explorativ multiple Regressionen mit Prädiktoren unterschiedlicher<br />

theoretischer Provenienz (RITSNER & BLUMENKRANTZ, 2007) <strong>und</strong> eine betrachtete psychotische<br />

Symptomatik als Moderator der Wirkung von Neurokognition <strong>und</strong> Defensivität<br />

(SUBOTNIK et al., 2o05).<br />

STARTUP (1996) versuchte, kognitive <strong>und</strong> motivationale Hypothesen zu integrieren,<br />

indem er eine kurvilineare (quadratische) Beziehung zwischen Einsicht <strong>und</strong> neurokognitivem<br />

Funktionsniveau postulierte. Die Gr<strong>und</strong>annahme des Modells ist, dass eine gewisse<br />

kognitive Leistungsfähigkeit nicht nur die conditio sine qua non einer veridikalen Selbsteinschätzung,<br />

sondern auch einer konsistenten Selbsttäuschung ist. Hieraus folgt, dass<br />

Personen mit intakten kognitiven Funktionen je nach Motivation zur Abwehr entweder eine<br />

sehr hohe oder aber eine extrem niedrige <strong>Krankheitseinsicht</strong> aufweisen sollten. Personen<br />

mit ausgeprägten kognitiven Defiziten sollten hingegen weder zu veridikaler Selbsteinschätzung<br />

noch zu konsistenter Defensivität in der Lage sein <strong>und</strong> sich aufgr<strong>und</strong> eines<br />

Oszillierens oder einer Kompromissbildung zwischen unterschiedlichen Positionen<br />

mittelgradig einsichtig zeigen. Diesen Sachverhalt illustriert Abbildung 11.<br />

Einsicht<br />

Kognition<br />

Abbildung 11. Modell von Startup (1996): Funktion <strong>und</strong> Prototypen<br />

Ab welchem Defizit-Grad die angenommene intrapsychische Wehrlosigkeit eintritt, wird<br />

nicht spezifiziert, allerdings hat STARTUP (1996) auch kein typologisches Modell i. e. S.<br />

formuliert, sondern nimmt einen kontinuierlichen »… trade-off between two processes …«<br />

(S. 1280) an. Obwohl in der vorliegenden Arbeit auch »Einsichts-Typen« thematisiert <strong>und</strong><br />

mit Hilfe von Cluster-Analysen statistisch gesucht werden sollen, geschieht dies im<br />

Bewusstsein der hiermit vorgenommenen Vereinfachung des ursprünglichen Modells.<br />

Eine wichtige Implikation dieses »STARTUP-Modells« betrifft die Stichproben-Rekrutierung:<br />

Da sichergestellt werden muss, dass Probanden aller Typen in der Stichprobe<br />

enthalten sein können, ist die Gewinnung einer hinsichtlich neurokognitiver Merkmale


186<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

heterogenen Stichprobe erstrebenswert. Der Autor vermutet, dass die Beschränkung auf<br />

homogene Patientengruppen für die teilweise inkonsistenten Ergebnisse zum Zusammenhang<br />

zwischen Kognition <strong>und</strong> Einsicht verantwortlich sein könnte, da die Korrelation –<br />

sollte sich das Modell als geeignete Beschreibung der Verhältnisse erweisen – je nach Wahl<br />

des Ausschnitts aus der wirklichen Verteilung kognitiver <strong>und</strong> Einsichts-Variablen variiert:<br />

»… any kind of correlation … between insight and cognitive deficits could be obtained by<br />

sampling patients from a restricted portion of insight« (S. 1278).<br />

STARTUP (1996) überprüfte sein Modell an einer kleinen, heterogenen Stichprobe von<br />

postakuten Patienten <strong>und</strong> Rehabilitanden mit Schizophrenie (es scheinen dem Streudiagramm<br />

[s. ebd., S. 1279] zufolge lediglich N = 22 Fälle in die Regression eingegangen zu<br />

sein). Der Autor verwendete eine Abschätzung des globalen kognitiven Niveaus als<br />

Kriterium einer Regression, in die der ITAQ als Prädiktor zunächst als lineare, dann als<br />

quadratische Komponente einging. Er berichtet, dass nur die quadratische Komponente<br />

hoch signifikant wurde <strong>und</strong> das Modell ein adjustiertes R 2 = .53 erreichte.<br />

Um die von STARTUP (1996) implizierten Typen zu identifizieren, berechneten LYSAKER<br />

et al. (2003) eine Clusteranalyse an WCST- <strong>und</strong> PANSS-G12-Daten von 64 stabilen, nichtstationären<br />

Patienten mit Schizophrenie-Spektrums-Erkrankungen. Die gewählte Drei-<br />

Cluster-Lösung umfasste ein erstes Cluster (n1 = 28 [44 %]) mit intakter Einsicht (G12 ≤ 3)<br />

<strong>und</strong> durchschnittlicher WCST-Leistung, ein zweites (n2 = 13 [20 %]) mit geringer Einsicht<br />

(G12 = 5,5 ±1,1) bei ebenfalls durchschnittlicher WCST-Leistung <strong>und</strong> ein drittes Cluster (n3<br />

= 23 [36 %]) mit reduzierter Einsicht (G12 = 4,6 ±0,7) bei niedriger WCST-Leistung<br />

(T = 27,4 ± 7,2). Es bestanden keine Unterschiede in Positiv- oder Negativsymptomatik.<br />

Eine teilweise Unterstützung des Modells ergibt sich aus dem Bef<strong>und</strong>, dass Personen des<br />

zweiten Clusters einen signifikant stärker distanzierenden Copingstil (WCQ: FOLKMAN &<br />

LAZARUS, 1988) berichteten als die des dritten Clusters (g = 1,02) – jedoch nicht, wie es<br />

nach STARTUP (1996) zu erwarten gewesen wäre, als die des ersten (hier zeigte sich jedoch<br />

immerhin ein erwartungskonformer nonsignifikanter Effekt von g = 0,48). Weiter verkompliziert<br />

wird die Interpretation des Bef<strong>und</strong>es durch den Umstand, dass die uneinsichtigen<br />

Probanden des zweiten Clusters auf einer kognitiven PANSS-Skala Beeinträchtigungen<br />

aufwiesen (im Vergleich zu Cluster 1: g = -1,24), so dass kognitive Defizite nicht ausgeschlossen<br />

werden können.<br />

Eine weitere Überprüfung des Modells stammt von COOKE, PETERS, GREENWOOD et al.<br />

(2007), die im Rahmen einer KVT-Studie 67 nicht-stationäre, stabile Patienten mit mindestens<br />

einem akzentuierten Positivsymptom untersuchten <strong>und</strong> eine Regression von einem IQ-<br />

Schätzer auf Einsicht (BIS) berechneten. Sie fanden nicht nur einen bivariaten Zusammenhang<br />

(r = .26, p < .05), sondern wie STARTUP (1996) eine inkrementelle Varianzaufklärung<br />

durch eine hochsignifikante quadratische Einsichtskomponente (∆R2 = .13; Gesamtmodell:<br />

adj. R 2 = .17, p < .001), die speziell durch Items zur Krankheitsbewusstheit vermittelt wurde<br />

<strong>und</strong> die Kontrolle der PANSS-Symptomatik überstand. Einschränkend ist anzumerken,<br />

dass Abb. 1 (ebd., S. 235) nahelegt, dass eine für das Modell günstige Verzerrung durch zwei<br />

Ausreißer gegeben sein könnte. Motivationale Merkmale wurden nicht betrachtet.<br />

Zwei Studien haben multifaktorielle Modelle, nicht aber das STARTUP-Modell geprüft: In<br />

einer explorativen Analyse selegierten RITSNER <strong>und</strong> BLUMENKRANTZ (2007) aus einer<br />

Batterie von kognitiven, Persönlichkeits- <strong>und</strong> Coping-Instrumenten, die 107 stabilen ambulanten<br />

Probanden mit remittierten Schizophrenien dargeboten wurde, drei Sätze von<br />

Variablen, die in multiplen Regressionsgleichungen eine maximale Aufklärung von SUMD-<br />

Dimensionen erlaubten:


187<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

Erkrankungsbewusstheit (adj. R 2 = .29) ging einher mit kürzerer Ausbildungs- <strong>und</strong> längerer<br />

Erkrankungsdauer, geringerer Positivsymptomatik (PANSS), einem weniger annäherungs-<br />

<strong>und</strong> neuigkeitsorientierten, stärker belohnungsabhängigen Temperament (TPQ: CLONIN-<br />

GER et al., 1991), einem weniger problemorientierten Copingstil (CISS: ENDLER & PARKER,<br />

1990), geringerem Selbstwert (Rosenberg-Skala), höherer visuomotorischer Geschwindigkeit<br />

<strong>und</strong> besseren <strong>Exekutivfunktionen</strong> (CANTAB: MORRIS et al., 1987).<br />

Die Bewusstheit sozialer Konsequenzen (adj. R 2 = .27) ließ sich vorhersagen aus stärkerer<br />

Belohnungsabhängigkeit, einem weniger problem- <strong>und</strong> emotionsorientierten Copingstil<br />

<strong>und</strong> besserer kognitiver Leistung; die Bewusstheit von Medikationseffekten (adj. R 2 = .29)<br />

wiederum aus kürzerer Bildungsdauer, kognitiver Desorganisation (PANSS), der gleichen<br />

Temperamentsk0nfiguration wie für Erkrankungsbewusstheit, geringerer Selbstwirksamkeitserwartung<br />

<strong>und</strong> geringer problemorientierter <strong>und</strong> stärker vermeidender Bewältigung<br />

sowie wiederum besserer kognitiver Leistung.<br />

Für alle Dimensionen fanden sich also multiple Korrelate aus den Bereichen Symptomatik,<br />

Kognition, Persönlichkeit/Selbstkonzept <strong>und</strong> Bewältigung, die zusammen knapp 30 %<br />

der Einsichtsvarianz aufklären. Erkrankungsdauer <strong>und</strong> <strong>Exekutivfunktionen</strong> haben sich<br />

auch in multivariaten Modellen als prädiktiv für <strong>Krankheitseinsicht</strong> erwiesen. Die Beiträge<br />

der Coping-Variablen stehen jedoch im Gegensatz zur Vorhersage motivationaler Modelle<br />

(d. h. Einsichtige waren weniger problemorientiert <strong>und</strong> stärker vermeidend). Möglicherweise<br />

spiegelt sich hier eine in der Persönlichkeit Betroffener lokalisierbare Ursache der<br />

Zurückweisung des biomedizinischen Modells (z. B. Autonomiebedürfnis) oder eine<br />

depressive Reaktion auf dessen Übernahme wider. Die explorative Modellbildung, ausgehend<br />

von einem Satz von etwa 30 potenziellen Prädiktoren (allein 13 kognitiven), muss<br />

kritisch gesehen werden. Nach nichtlinearen Zusammenhängen <strong>und</strong> Interaktionen, wie sie<br />

das STARTUP-Modell nahelegen, wurde zudem nicht gesucht.<br />

Eine Phasenabhängigkeit der Zusammenhänge von neurokognitiven Funktionen,<br />

Defensivität <strong>und</strong> <strong>Krankheitseinsicht</strong> legt eine Arbeit von SUBOTNIK et al. (2o05) nahe: Die<br />

Autoren fanden mit Hilfe nicht-parametrischer Klassifikationsbäume, dass sich kognitive<br />

Funktionen (Vigilanz <strong>und</strong> Arbeitsgedächtnis: DS-CPT, 3-7 CPT) v. a. bei rezent erkrankten<br />

nicht-psychotischen Patienten (n = 23) als diskriminationskräftig erwiesen, während bei<br />

ebenfalls rezent erkrankten symptomatischen Patienten (n = 29) Defensivität (MMPI-<br />

Skalen K, R) die höhere Klassifikationsgüte aufwies (s. ebd., Abb. 1-3, S. 152-153). Die<br />

Autoren deuten ihren Bef<strong>und</strong> als Beleg dafür, dass der Einfluss stabiler neurokognitiver<br />

Defizite über psychotische Episoden hinausreicht <strong>und</strong> auch in nicht paranoid-halluzinatorischen<br />

Personen Einsicht begrenzt. Zwar ist die Anregung der Kontrolle der Symptomatik<br />

durch SUBOTNIK et al. (2o05) gr<strong>und</strong>sätzlich wertvoll, die Aussagekraft der Studie selbst aber<br />

begrenzt: Es erfolgt keine theoretische Einbettung der verwendeten Defensivitätsvariablen<br />

<strong>und</strong> ihres putativen Zusammenspiels mit Symptomatik, es werden keine bivariaten Zusammenhänge<br />

berichtet, Auswahl <strong>und</strong> Hierarchie der Klassifikationsvariablen erscheinen<br />

arbiträr <strong>und</strong> wegen der schwachen Besetzung der Äste anfällig für Zufallsfluktuationen.<br />

Fazit<br />

Theoretisch f<strong>und</strong>ierte multifaktorielle Modelle könnten das Verständnis der<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong> bei Schizophrenie deutlich voranbringen. Bis heute wurde<br />

nur ein Modell formuliert, das gerichtete Vorhersagen über Konfigurationen<br />

von Einsicht, kognitivem Funktionsniveau <strong>und</strong> Merkmalen der Krankheitsverarbeitung<br />

sowie eine Erklärung inkonsistenter Korrelationen erlaubt (STARTUP,<br />

1996). Dies wurde bislang zweimal überprüft, wobei im Wesentlichen der prä-


188<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

dizierte Zusammenhang von Kognition <strong>und</strong> Einsicht, nicht aber das Zusammenspiel<br />

mit motivationalen Charakteristika (d. h. Coping, Defensivität) bestätigt<br />

werden konnte. Drei Punkte sind verbesserungswürdig:<br />

(1.) Trotz der empirisch gut belegten Bedeutung exekutiver Funktionen <strong>und</strong><br />

vor allem des WCST (ALEMAN et al., 2006) konzentrierten sich die Arbeiten von<br />

STARTUP (1996), SUBOTNIK et al. (2o05) <strong>und</strong> COOKE, PETERS, GREENWOOD et al.<br />

(2007) auf Abschätzungen des globalen kognitiven Niveaus oder auf nichtexekutive<br />

Bereiche. Nur LYSAKER et al. (2003) verwendeten den WCST, konnten<br />

aber die erwarteten Coping-Unterschiede nicht eindeutig belegen. Zur valideren<br />

Messung kognitiver Kontrollfunktionen sollte künftig der beschriebene<br />

WCSTdyn verwendet werden (WIEDL et al., 2004).<br />

(2.) Trotz der wiederholt berichteten Zusammenhänge von sozial erwünschtem<br />

Antwortverhalten bzw. Defensivität <strong>und</strong> Einsicht (z. B. YOUNG et al., 1998)<br />

wurden entsprechende Skalen bislang noch nicht zur Überprüfung des<br />

STARTUP-Modells herangezogen.<br />

(3.) In Weiterführung von SUBOTNIK et al. (2o05) sollte geprüft werden, ob<br />

der Zusammenhang von Defensivität <strong>und</strong> Einsicht von der Erkrankungsphase<br />

abhängig ist. Hier wird im Gegensatz zum Bef<strong>und</strong> von SUBOTNIK et al. (2o05)<br />

ein Einfluss der Defensivität für stabile Erkrankungsphasen angenommen.


7. Fragestellungen <strong>und</strong> Hypothesen<br />

189<br />

Hypothesen<br />

Im Folgenden werden auf der Gr<strong>und</strong>lage der vorausgegangenen theoretischen Überlegungen<br />

Fragestellungen aufgezeigt <strong>und</strong> psychologische Hypothesen generiert. In den meisten<br />

Fällen erfolgt deren Prüfung über Nullhypothesentests. Dennoch wird jeweils die entsprechende<br />

Alternativhypothese spezifiziert <strong>und</strong> auf die Angabe der H0 verzichtet. Neben den<br />

psychologischen Hypothesen werden statistische Prüfverfahren spezifiziert.<br />

7.1 Fragestellung <strong>und</strong> Hypothesen Studie 1<br />

In Studie 1 soll die Retest-Reliabilität der 64-Karten-Version des Wisconsin Card Sorting<br />

Test (WCST-64: KONGS et al., 2000) untersucht werden. Wie im entsprechenden Übersichtsabschnitt<br />

dargestellt wurde (Tabelle 6), kann eine befriedigende Reliabilität des<br />

WCST nicht als gesichert gelten. Zudem existieren bislang noch kaum Bef<strong>und</strong>e zur Stabilität<br />

der Kurzversion des Tests. Die vorliegenden Studien kamen darüber hinaus zu widersprüchlichen<br />

Ergebnissen (GREVE, LOVE, SHERWIN, MATHIAS, HOUSTON et al., 2002; BASSO,<br />

LOWERY, GHORMLEY & BORNSTEIN, 2001; KONGS et al., 2000; WOODS et al., 2006).<br />

Dennoch wird vorhergesagt, dass sich die Variable Anzahl korrekt sortierter Karten wie<br />

bei GREVE, LOVE, SHERWIN, MATHIAS, HOUSTON et al. (2002) als ausreichend stabil erweist<br />

für die angestrebte typologische Auswertung mit Hilfe von Reliable Change Indices:<br />

Hypothese 1: Stabilität des WCST-64<br />

Die Reliabilität des WCST-64 liegt in einem (für die Berechnung von RCIs) akzeptablen<br />

Bereich (rtt ≥ .70).<br />

Verfahren: Retest-Korrelation des WCST-64; Generalisierbarkeitskoeffizienten<br />

7.2 Fragestellung <strong>und</strong> Hypothesen Studie 2<br />

Studie 2 verfolgt zwei generelle Ziele: Die bislang in den Osnabrücker Studien mit dem<br />

<strong>dynamisch</strong>en Wisconsin Card Sorting Test (WCSTdyn) verwendete 15-Punkte- bzw. 1,5-SD-<br />

Regel nach WIENÖBST (1993) <strong>und</strong> WIEDL (1999) soll erstens gegen eine statistisch f<strong>und</strong>ierte<br />

Reliable Change Index (RCI)-Methode ersetzt werden (s. Kapitel 4), wobei auf die Parameterschätzungen<br />

aus Studie 1 zurückgegriffen wird.<br />

Hierfür ist ein gründlicher, auf den WCST-64 zugeschnittener, empirischer Vergleich<br />

der konkurrierenden RCIs notwendig, um ihre Übereinstimmungen <strong>und</strong> die differentiellen<br />

Auswirkungen ihrer statistischen Eigenschaften auf die Klassifikationsquoten abschätzen<br />

zu können. Die Ergebnisse bisheriger Studien zu diesen Fragen erlauben noch keine<br />

eindeutigen Schlussfolgerungen. Die vermuteten Ursachen hierfür wurden in Abschnitt 4.4<br />

dargelegt (Verletzung der Paralleltestannahme bei der Berechnung des GLN; gleichzeitige<br />

Variation der Methoden zur Prüfung der statistischen Signifikanz <strong>und</strong> zur Bestimmung der<br />

Schwelle zum nicht-klinischen Bereich; Verwendung unterschiedlicher Typologien). Die<br />

Hypothesen lauten:


Hypothese 2.1: Zusammenhang von kRCI <strong>und</strong> GLN<br />

190<br />

Hypothesen<br />

Werden die diskutierten Kritikpunkte ausgeräumt, lässt sich aus den Arbeiten von<br />

MCGLINCHEY et al. (2002, 2003), BAUER et al. (2004) <strong>und</strong> ATKINS et al. (2005) ableiten, dass<br />

sich die Ergebnisse des klassischen Reliable Change Index in der Formulierung von<br />

IVERSON et al. (2003) <strong>und</strong> MAASSEN (2004) <strong>und</strong> des Gulliksen-Lord-Novick-Index nach<br />

HSU (1989) <strong>und</strong> SCHÖTTKE, BARTRAM <strong>und</strong> WIEDL (1993) nicht substanziell unterscheiden.<br />

Die Hypothese lautet, dass bei lege artis durchgeführter Analyse an den WCSTdyn-Daten<br />

einer großen Stichprobe von Personen mit Schizophrenie-Diagnosen der Zusammenhang<br />

nicht nur signifikant wird, sondern dass die Inter-Methoden-Konkordanzen nach der auch<br />

als substanziell zu bewerten sind (s. u.).<br />

Diese Hypothese steht im Widerspruch zu den Studien von SPEER <strong>und</strong> GREENBAUM<br />

(1995) <strong>und</strong> HAFKENSCHEID (2000), die dem GLN aufgr<strong>und</strong> ihrer Ergebnisse einen ausgeprägten<br />

statistischen Konservativismus attestierten.<br />

Verfahren: Cohens κ (COHEN, 1960) > .60? (vgl. LANDIS & KOCH, 1977, S. 165)<br />

Hypothese 2.2: Liberalität des URCI<br />

Werden die diskutierten Kritikpunkte ausgeräumt, legen die Arbeiten von HAFKENSCHEID<br />

(2000) <strong>und</strong> MCGLINCHEY et al. (2002, 2003) im Widerspruch zu den Schlussfolgerungen<br />

von BAUER et al. (2004) <strong>und</strong> ATKINS et al. (2005) die Hypothese nahe, dass der »Ultimative«<br />

Reliable Change Index (URCI) nach ZEGERS <strong>und</strong> HAFKENSCHEID (1994) der liberalste<br />

Veränderungsindex der RCI-Familie ist (d. h. die meisten Differenzwerte als statistisch<br />

signifikant verbessert beurteilt). Die mit ihm erzielten Resultate sollten sich signifikant von<br />

den restlichen Klassifikationen unterscheiden.<br />

Verfahren: McNemars χ 2 -Tests<br />

Zweitens sollen in Studie 2 die in der Tradition von BUDOFF (z. B. BUDOFF <strong>und</strong> FRIEDMAN,<br />

1964) stehenden drei WCST-Performanztypen – d. h. Highscorer, Lerner <strong>und</strong> Nichtlerner –<br />

nach WIENÖBST (1993) <strong>und</strong> WIEDL (1999) im Hinblick auf ihre statistische Homogenität<br />

untersucht <strong>und</strong> ggf. die Zuordnungsregeln optimiert werden:<br />

Hypothese 2.3:<br />

Verbesserung des Varianzverhältnisses der WCSTdyn-Lernertypen<br />

Es ist möglich, nach rationalen <strong>und</strong> statistischen Kriterien eine Aggregationsmethode für<br />

die in Abschnitt 4.5 vorgestellten Subtypen zu entwickeln, die eine geringere Varianzheterogenität<br />

erzeugt als die Typisierung nach WIENÖBST (1993). Die Varianzheterogenität<br />

der zu entwickelnden Metatypen liegt im akzeptablen Bereich, d. h. die Prä- <strong>und</strong> Posttest-<br />

Varianz fällt unter die Varianz der Gr<strong>und</strong>gesamtheit (d. h. F < 1: vgl. BACKHAUS et al.,<br />

2006).<br />

Verfahren: Clusteranalysen; Varianzverhältnisse (F)<br />

Anschließend soll die Validität dieser Typologie bei der Vorhersage von Lernpotenzial mit<br />

einem externen Kriterium belegt werden. Es wird vorhergesagt:


Hypothese 2.4: Validierung anhand des verbalen Gedächtnisses<br />

191<br />

Hypothesen<br />

Aussagen über das Lernpotenzial, die aus dem Lernerstatus gemäß der zu entwickelnden<br />

Metatypologie abgeleitet werden, generalisieren auf den Bereich des sek<strong>und</strong>ären verbalen<br />

Gedächtnisses (Auditiv-Verbaler Lerntest, AVLT).<br />

Verfahren: Clusteranalysen zur Identifikation von AVLT-Gruppen; Kontingenztafel (χ 2 )<br />

Um die Natur der Performanz-Beeinträchtigungen von »Lernern« <strong>und</strong> »Nichtlernern« zu<br />

erhellen, soll anschließend auf das Modell von GREVE, LOVE, SHERWIN, MATHIAS, RAMZINSKI<br />

et al. (2002) zurückgegriffen werden (s. Abschnitt 3.5.6). Diese hatten WCST-Faktorwerte<br />

von Rehabilitanden mit strukturellen Hirnschädigungen einer Clusteranalyse unterzogen<br />

<strong>und</strong> vier Cluster identifiziert, die sie mit spezifischen Defiziten in verschiedenen kognitiven<br />

Bereichen in Zusammenhang brachten (der kognitiven Flexibilität, des Problemlösens bzw.<br />

Hypothesentestens <strong>und</strong> der Reaktionserhaltung).<br />

Da das GREVE-Modell bislang weder für die Schizophrenie-Forschung genutzt wurde<br />

noch theoretisch in Zusammenhang mit WCST-Lernpotenzial gebracht wurde, soll erstens<br />

eine Hauptkomponentenanalyse des WCST-64 durchgeführt werden. Zweitens soll überprüft<br />

werden, ob sich die GREVE-Cluster auch in einer Stichprobe von Personen mit<br />

Schizophrenie-Diagnosen identifizieren lassen. Drittens wird ein spezifischer Zusammenhang<br />

zwischen Defizit-Typ <strong>und</strong> Lernpotenzial vorhergesagt:<br />

Hypothese 2.5:<br />

Identifikation von WCST-Clustern nach GREVE et al. (2002) für Probanden mit<br />

Schizophrenie-Diagnosen<br />

Wird an WCST-Faktorwerten oder den entsprechenden Markiervariablen eine Clusteranalyse<br />

durchgeführt, so lassen sich vier Cluster identifizieren, die jeweils durch (I.) intakte<br />

Performanz, (II.) Perseveration (PE: kognitive Flexibilität), (III.) nichtperseverative Fehler<br />

(NPE: Hypothesentesten) <strong>und</strong> (IV.) Konzeptabbrüche (FMS: Reaktionserhaltung, Aufmerksamkeit)<br />

charakterisiert werden.<br />

Verfahren: Hauptkomponentenanalyse; Clusteranalyse<br />

Aufgr<strong>und</strong> ihrer differentiellen Reaktion auf das Sortiertraining des WCSTdyn wird angenommen,<br />

dass Nichtlerner (auch) ein »exekutives« Defizit i. e. S. aufweisen, d. h. eines der<br />

Fähigkeit zum Konzeptwechsel <strong>und</strong> zur Inhibition irrelevanter, interferierender Information.<br />

Lerner hingegen scheinen zwar exekutiv weitgehend intakt zu sein, jedoch entweder<br />

nicht über die notwendigen heuristischen <strong>und</strong> epistemischen Wissensstrukturen zu<br />

verfügen (vgl. CARLSON & WIEDL, 2000) <strong>und</strong>/oder diskrete Defizite von Subsystemen des<br />

auditiven Arbeitsgedächtnisses aufzuweisen (vgl. BADDELEY, 2003).


Hypothese 2.6:<br />

Zusammenhang von GREVE-Clustern <strong>und</strong> Lernertypen<br />

192<br />

Hypothesen<br />

(a) Nichtlerner entfallen überzufällig häufig auf das Perseverations-Cluster, Lerner überzufällig<br />

häufig auf das Nonperseverations-Cluster.<br />

(b) Das Fehlerprofil der Lerner verschiebt sich entsprechend: Sie begehen im Prätest<br />

signifikant mehr nonperseverative Fehler <strong>und</strong> weniger perseverative Fehler.<br />

Verfahren: Kontingenztafel (χ 2 ); varianzanalytische Vergleiche<br />

7.3 Fragestellung <strong>und</strong> Hypothesen Studie 3<br />

In Studie 3 soll der von KRUPA (2005) entwickelte Fragebogen zur <strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

psychometrisch untersucht <strong>und</strong> dessen konvergente Validität mit Hilfe des PANSS-Items<br />

G12 abgesichert werden. Weiterhin werden die Korrelate von <strong>Krankheitseinsicht</strong> exploriert.<br />

Außerdem wird eine deskriptive Betrachtung der Zusammenhänge der Dimensionen der<br />

SAI-E unternommen. Spezifische Vorhersagen betreffen die Zusammenhänge von selbstbeurteilter<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong> <strong>und</strong> Depressivität (vgl. LINCOLN, LÜLLMANN & RIEF, 2007):<br />

Hypothese 3.1: Validierung des Einsichtsfragebogens von KRUPA (2005)<br />

Es besteht ein signifikanter positiver Zusammenhang zwischen dem untersuchten Einsichtsfragebogen<br />

<strong>und</strong> (a) dem PANSS-Item G12 als Maß fremdbeurteilter globaler <strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

sowie (b) fremdbeurteilter Medikationsadhärenz (SAI-E-Items A <strong>und</strong> B):<br />

Einsichtige Patienten akzeptieren die Behandlung stärker <strong>und</strong> engagieren sich stärker aktiv.<br />

Verfahren: Pearson-Korrelationen<br />

Hypothese 3.2: Einsicht <strong>und</strong> Depressivität<br />

(a) Es besteht ein signifikanter positiver Zusammenhang zwischen dem untersuchten<br />

Einsichtsfragebogen sowie dem PANSS-Item G12 einerseits <strong>und</strong> dem PANSS-Depressionsfaktor<br />

nach MAß et al. (2000) andererseits.<br />

(b) Weiterhin sollte <strong>Krankheitseinsicht</strong> vor allem bei solchen Patienten mit Depressivität<br />

zusammenhängen, für die ihre Erkrankung durch erlebte Symptomatik salienter ist: Es<br />

wird vorhergesagt, dass die Interaktion von <strong>Krankheitseinsicht</strong> <strong>und</strong> Positivsymptomatik<br />

über die Beiträge der einzelnen Prädiktoren hinaus Depressionsvarianz aufklärt.<br />

Verfahren: Pearson-Korrelationen, multiple Regression<br />

Ein zentrales Anliegen von Studie 3 besteht in der Überprüfung des Startup-Modells<br />

(STARTUP, 1996), das eine multifaktorielle Ätiologie reduzierter <strong>Krankheitseinsicht</strong> mit<br />

kognitiv <strong>und</strong> motivational bedingten Formen annimmt (s. Abschnitt 6.5.16). Die Hypothesen<br />

betreffen die mutmaßlichen Determinanten von Einsichtsdefiziten, die von STARTUP<br />

(1996) vorhergesagte Kurvenform des Zusammenhangs zwischen kognitivem Funktionsniveau<br />

<strong>und</strong> Einsicht sowie die Identifikation von Typen:


Hypothese 3.3: Einsicht <strong>und</strong> <strong>Exekutivfunktionen</strong><br />

193<br />

Hypothesen<br />

(a) Es besteht ein signifikanter negativer Zusammenhang zwischen <strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

(G12, OSSTI) <strong>und</strong> <strong>Exekutivfunktionen</strong>. Spezifisch wird erwartet, dass die beiden Einsichtsmaße<br />

mit dem <strong>dynamisch</strong>en Wisconsin Card Sorting Test (WCSTdyn) als valideres Maß<br />

exekutiver Defizite, nicht aber mit dem statischen WCST-64 korrelieren.<br />

Es wird angenommen (s. u.), dass sich in dem erwarteten bivariaten Zusammenhang der<br />

Einfluss einer aufgr<strong>und</strong> von kognitiven Beeinträchtigungen moderat uneinsichtigen<br />

Subgruppe niederschlägt (STARTUP, 1996). Analog hierzu wird angenommen, dass Nichtlerner<br />

nach der zu modifizierenden WCST-Performanz-Typologie signifikant geringer<br />

krankheitseinsichtig sind als Lerner <strong>und</strong> Leistungsstarke.<br />

(b) Aufgr<strong>und</strong> des Modells von MARKOVÁ <strong>und</strong> BERRIOS (1995a) <strong>und</strong> der Ergebnisse von<br />

YOUNG et al. (1998) <strong>und</strong> DRAKE <strong>und</strong> LEWIS (2003) wird vorhergesagt, dass Symptombewusstheit<br />

(Item 07 der SAI-E) positiv mit <strong>Exekutivfunktionen</strong> (WCSTdyn) korreliert.<br />

Verfahren: Pearson-Korrelationen, geplanter Kontrast<br />

Hypothese 3.4 (a-c): Offenheit <strong>und</strong> Einsicht<br />

(a) Es besteht ein signifikanter positiver Zusammenhang zwischen Einsicht <strong>und</strong> Offenheit:<br />

Defensive Patienten sind uneinsichtiger bzw. bei der Thematisierung ihrer psychischen<br />

Erkrankung verschlossener.<br />

(b) Da längere Psychiatrieerfahrung die Erwartungs-Erwartungen verändern sollte (z. B.<br />

dadurch, dass Behandlungsexperten signalisieren, dass die Thematisierung der Erkrankung<br />

erwünscht ist) <strong>und</strong> (Selbst-) Stigmatisierung <strong>und</strong> Leugnung abgeschwächt werden (LALLY-<br />

THOMPSON-Hypothese: z. B. durch Erfahrung, Behandlung, Veränderung sozialer Netzwerke),<br />

sollte der Zusammenhang von Offenheit <strong>und</strong> Einsicht durch die Erkrankungserfahrung,<br />

indiziert durch die Anzahl an stationären Aufenthalten, dahingehend moderiert<br />

werden, dass er v. a. in der Gruppe rezent erkrankter Personen auftritt.<br />

SUBOTNIK et al. (2o05) hatten bei rezent erkrankten Patienten eine Moderation des<br />

Zusammenhangs von Defensivität <strong>und</strong> <strong>Krankheitseinsicht</strong> durch psychotische Symptomatik<br />

gef<strong>und</strong>en – <strong>und</strong> zwar dahingehend, dass sich einsichtige <strong>und</strong> uneinsichtige Patienten<br />

während akuter Erkrankungsphasen vor allem durch Offenheit diskriminieren ließen,<br />

während bei Patienten in Remission neurokognitive Variablen stärker ins Gewicht fielen.<br />

Dies wurde allerdings nur mit Hilfe nicht-parametrischer Interaktionsbäume gezeigt, nicht<br />

innerhalb eines Regressionsmodells, so dass der relative Einfluss der Prädiktoren nicht<br />

quantifiziert wurde. Angesichts des erwiesenermaßen starken Einflusses von Symptomatik<br />

auf Einsicht (bzw. der teilweisen Antonymie von Einsicht <strong>und</strong> Wahnhaftigkeit) überrascht<br />

das Ergebnis von SUBOTNIK et al. (2o05). Vor dem Hintergr<strong>und</strong> von Bef<strong>und</strong>en, die einen<br />

Einfluss von Offenheit (Repression) v. a. in ambigen Kontexten aufgezeigt haben (hier: in<br />

Abwesenheit einer starken Erkrankungsidentität), <strong>und</strong> einzelner Bef<strong>und</strong>e der Schizophrenieforschung<br />

(YOUNG et al., 1998) wird daher das Gegenteil vorhergesagt:<br />

(c) Offenheit hängt v. a. bei nicht-psychotischen Patienten mit Einsicht zusammen, d. h. es<br />

wird eine signifikante Interaktion von Offenheit <strong>und</strong> Positivsymptomatik in der Prädiktion<br />

von <strong>Krankheitseinsicht</strong> erwartet.<br />

Verfahren: Pearson-Korrelationen, multiple Regression


Hypothese 3.5: STARTUP-Modell – Regression<br />

194<br />

Hypothesen<br />

Es besteht ein kurvilinearer Zusammenhang zwischen Einsicht <strong>und</strong> kognitivem Funktionsniveau,<br />

speziell den <strong>Exekutivfunktionen</strong>: In einer Regression zur Vorhersage des kognitiven<br />

Funktionsniveaus klärt, wie bei STARTUP (1996), die quadratische Einsichts-Komponente<br />

Kognitionsvarianz jenseits der Aufklärung durch die lineare Komponente auf.<br />

Verfahren: multiple Regression, hierarchisch mit quadratischem Term<br />

Hypothese 3.6: STARTUP-Modell – Cluster<br />

Es wird erwartet, dass eine Drei-Cluster-Lösung auf der Gr<strong>und</strong>lage der Einsichts- <strong>und</strong><br />

WCSTdyn-Variablen die aus dem STARTUP-Modell abzuleitende Merkmals-Konfiguration<br />

aufweist, d. h. es sollte erstens ein hoch einsichtiges, kognitiv intaktes Cluster, zweitens ein<br />

Cluster mit nur moderat uneinsichtigen Personen mit deutlichen exekutiven Defiziten <strong>und</strong><br />

drittens ein sehr uneinsichtiges (»leugnendes«) Cluster ohne kognitive Defizite identifiziert<br />

werden können.<br />

Verfahren: Clusteranalyse<br />

Hypothese 3.7: Depressivität der STARTUP-Cluster<br />

Analog zu Hypothese 3.2a wird angenommen, dass das hoch einsichtige Cluster signifikant<br />

bedrückter <strong>und</strong> ängstlicher ist als die reduziert krankheitseinsichtigen Cluster (PANSS-<br />

Depressionsfaktor nach MAß et al., 2000).<br />

Hypothese 3.8: Offenheit der STARTUP-Cluster<br />

Analog zu Hypothese 3.4 wird vorhergesagt, dass Probanden des kognitiv intakten, stark<br />

uneinsichtigen Clusters auf der Offenheitsskala des Eppendorfer Schizophrenie-Inventars<br />

(ESI-FR) stärker defensiv antworten als Probanden der beiden anderen Cluster.<br />

Hypothese 3.9: Coping der STARTUP-Cluster<br />

Probanden des einsichtigen Clusters zeigen einen signifikant stärker problemorientierten,<br />

weniger vermeidenden Umgang mit Stressoren im Freiburger Fragebogen zur Krankheitsverarbeitung<br />

(FKV) <strong>und</strong> im Coping Strategien Test (CST; d. h. sowohl bei Erkrankungen im<br />

Allgemeinen als auch bei alltäglichen Ärgernissen) als Probanden des kognitiv intakten<br />

uneinsichtigen Clusters. Hier sollten v. a. soziale Bewältigungsformen eine Rolle spielen.<br />

Verfahren: varianzanalytische Vergleiche, t-Test


8. Methoden<br />

8.1 Beschreibung der Instrumente<br />

8.1.1 <strong>Exekutivfunktionen</strong>: Wisconsin Card Sorting Test (WCST)<br />

Statischer <strong>und</strong> <strong>dynamisch</strong>er WCST wurden ausführlich in Kapitel 3 beschrieben.<br />

8.1.2 <strong>Krankheitseinsicht</strong>: Osnabrücker Skala zu Therapieeinstellung <strong>und</strong><br />

Identifikation psychischer Beschwerden bei Schizophrenie (OSSTI)<br />

195<br />

Methoden<br />

Zur Erhebung der selbsteingeschätzten psychischen Verfassung <strong>und</strong> der subjektiven<br />

Behandlungsbedürftigkeit wurde ein Fragebogen von KRUPA (2005) aus der Osnabrücker<br />

Arbeitsgruppe um WIEDL eingesetzt (s. Anhang E). Der Fragebogen, der ursprünglich nur<br />

mit »KE 5.0« überschrieben wurde (auch, weil Begriffe wie »<strong>Krankheitseinsicht</strong>«, »psychische<br />

Beschwerden« ö. ä. für einen Fragebogen für Patienten mit Schizophrenie-Diagnosen<br />

ungeeignet sind), wird seitdem als »Osnabrücker Skala zu Therapieeinstellung <strong>und</strong><br />

Identifikation psychischer Beschwerden bei Schizophrenie« (OSSTI) bezeichnet. So sollen<br />

Verwechslungen mit existierenden ähnlichen Akronymen vermieden werden (z. B. aus<br />

Körpererfahrung, Kooperationseinstellung, Konflikterziehung, kindliche Entwicklung).<br />

Der OSSTI war von KRUPA (2005) in Anlehnung an die SUMD (AMADOR et al., 1993),<br />

BIRCHWOODs (1994) Insight Scale (BIS) <strong>und</strong> den SAIQ (MARKS et al., 2000) konzipiert<br />

worden. Die Ursprungsversion umfasste 24 Items (sechsstufige Likert-Skalen), die drei<br />

Subskalen zugeordnet waren (1: Identifizierung von psychotischen Symptomen;<br />

2: Behandlungsbedürftigkeit <strong>und</strong> Compliance; 3: Konsequenzen einer psychischen<br />

Erkrankung). Die erste Trennschärfenbestimmung erfolgte anhand einer Konstruktionsstichprobe<br />

von 26 Patienten mit Schizophrenie-Spektrums-Diagnosen. Sie führte zum<br />

kompletten Ausschluss von Skala 3 <strong>und</strong> zu einer weiteren Kürzung von 6 Items. Der Autor<br />

berichtet für die finale Version Konsistenzen von α1 = .67 (Items 2, 4, 6, 8) <strong>und</strong> α2 = .77<br />

(Items 1, 3, 5, 7, 9, 10). Weitere psychometrische Analysen konnten aufgr<strong>und</strong> der Stichprobengröße<br />

nicht stattfinde, Validitätsbelege fehlen bislang.<br />

8.1.3 Sek<strong>und</strong>äres verbales Gedächtnis: Auditiv-Verbaler Lerntest (AVLT)<br />

In der geplanten Studie 2 wird der Versuch unternommen, den Klassifikationsalgorithmus<br />

nach WIENÖBST (1993) <strong>und</strong> WIEDL (1999) zur Typisierung von Performanzprofilen im<br />

<strong>dynamisch</strong>en WCST im Hinblick auf die Homogenität der resultierenden Subgruppen zu<br />

verbessern. Die mit diesem Ansatz verb<strong>und</strong>ene Select-by-marker-Strategie, die eine Fall-<br />

Auswahl anhand von Variablen fordert, die reliabler <strong>und</strong> theoretisch f<strong>und</strong>ierter sein sollten<br />

als psychiatrische Diagnosen (z. B. biologische <strong>und</strong> kognitive Marker), dient der Erhöhung<br />

einer definierten Validität (s. HELMCHEN, 1988) – im Fall des WCSTdyn der Vorhersage<br />

von Kriterien des Lern- <strong>und</strong> Rehabilitationserfolgs (vgl. WATZKE et al., 2008; WIEDL &<br />

SCHÖTTKE, 2002; WIEDL et al., 1999).<br />

In Studie 2 wird, wie bei WIEDL et al. (1999), die verbale Lernfähigkeit in dem auf REY<br />

(1964) zurückgehenden <strong>und</strong> durch LEZAK (1983) bekannt gemachten Auditiv-Verbalen<br />

Lerntest (AVLT) in der Übersetzung von HEUBROCK (1992) als eine solche Kriteriumsvariable<br />

herangezogen. Wortlistentests des sek<strong>und</strong>ären verbalen Gedächtnisses wie der AVLT


196<br />

Methoden<br />

haben durch die Wiederholung des zu enkodierenden Materials selbst eine »<strong>dynamisch</strong>e«<br />

Qualität (GREEN et al., 2000, S. 132). Ihre prädiktive Validität für die Vorhersage verschiedener<br />

Kriterien des Functional outcome der Schizophrenie (z. B. die Aneignung sozialer<br />

Fertigkeiten) konnte metaanalytisch gut belegt werden (z. B. GREEN et al., 2000: r = .42).<br />

Der AVLT besteht aus zwei Wortlisten (A <strong>und</strong> B) mit jeweils 15 einfachen Substantiven<br />

(z. B. Trommel, Vorhang, Glocke). In jedem Durchgang wird eine komplette Wortliste im<br />

1s-Takt vorgelesen <strong>und</strong> der Proband instruiert, so viele Wörter wie möglich wiederzugeben,<br />

wobei deren Reihenfolge irrelevant ist. In der Standarddurchführung werden zunächst fünf<br />

Durchgänge mit Liste A durchgeführt (A1 bis A5), dann ein einzelner Durchgang mit der<br />

Interferenzliste B. Abschließend wird der Proband aufgefordert, Liste A ohne erneute<br />

Darbietung des Materials noch einmal abzurufen (A6). Abschließend wird die Rekognitionsleistung<br />

geprüft, indem eine Liste mit Substantiven beider Listen <strong>und</strong> Distraktoren<br />

vorgelegt wird, auf der der Proband die Wörter der Liste A markieren soll.<br />

Ausgewertet werden können nach HEUBROCK (1992) die unmittelbare Merkspanne (in<br />

Durchgang A1 erinnerte Items), die Gesamtleistung (ΣA1-A5), der Anteil an Doppel- <strong>und</strong><br />

Falschnennungen, die Lernverlaufskurve über alle Durchgänge, pro- <strong>und</strong> retroaktive<br />

Hemmungstendenzen, Positionseffekte, die subjektive Organisation des Lernprozesses<br />

(Pair-frequency-Index als Häufigkeit des paarweisen Auftretens von Items, die auch in der<br />

Liste aufeinander folgen) <strong>und</strong> die Rekognitionsleistung. Der Pair-frequency-Index ist<br />

allerdings insofern als Maß der subjektiven Organisation nicht ausreichend, als er lediglich<br />

serielles Lernen, nicht aber die bei Menschen mit Schizophrenie-Diagnosen häufig<br />

reduzierte semantische Organisation des Lernmaterials abbildet (vgl. KAREKEN, MOBERG &<br />

GUR, 1996). Als reliabelstes Maß hat sich in Untersuchungen mit Parallelformen der globale<br />

Lernindex (d. h. ΣA1-A5) erwiesen (GEFFEN, BUTTERWORTH & GEFFEN, 1994; VAN DEN BURG<br />

& KINGMA, 1999), der daher vorrangig analysiert wird. Während die Durchführungsobjektivität<br />

als gesichert gelten kann, wird die Auswertungsobjektivität durch die Schwierigkeit<br />

gemindert, spontane unterstützende Verbalisierungen von Items (s. CARLSON & WIEDL,<br />

1992) von fehlerhaften Doppelnennungen zu unterscheiden.<br />

Es existieren keine deutschen AVLT-Normen im engeren Sinne: HEUBROCK (1994) liefert<br />

nur Werte für 50 junge Erwachsene. Zwar existieren Daten für englische, niederländische,<br />

hebräische u. a. Versionen des REY-AVLT, diese sind jedoch ebenfalls von eher geringem<br />

Umfang, hinsichtlich der ausgewerteten Parameter unvollständig oder decken nur bestimmte<br />

Teilpopulationen (z. B. Patienten von Allgemeinkrankenhäusern, Berufsbewerber)<br />

oder ausgewählte Altersspannen ab (z. B. VAN DER ELST, VAN BOXTEL, VAN BREUKELEN &<br />

JOLLES, 2005; VAN DEN BURG & KINGMA, 1999; VAKIL & BLACHSTEIN, 1997; IVNIK et al.,<br />

1990; BLEECKER et al., 1988; WIENS, MCMINN & CROSSEN, 1988; QUERY & MEGRAN, 1983).<br />

Die einzige bedingt geeignete deutschsprachige Stichprobe wurde für den Verbalen<br />

Lern- <strong>und</strong> Merkfähigkeitstest (VLMT), eine weitere Übersetzung des REY-AVLT, erhoben<br />

<strong>und</strong> stammt von LUX, HELMSTAEDTER <strong>und</strong> ELGER (1999). Die Unterschiede zwischen dem<br />

VLMT <strong>und</strong> der Heubrock-Übersetzung bestehen in jeweils einem Item pro Liste<br />

(A: »Truthahn« statt »Ente«; B: »Arm« statt »Fisch«). Nachteile der deutschen VLMT-<br />

Normen sind die mangelnde Geschlechterdifferenzierung, die Verwendung grober Alterskategorien<br />

(15-30 J. / 31-45 J.) <strong>und</strong> das Fehlen von Normen für ältere Erwachsene. Die<br />

Geschlechterverteilung ist gut mit Schizophrenie-Stichproben vergleichbar (74 % männlich).<br />

In der vorliegenden Arbeit wird die Gedächtnisleistung der Probanden erstens an den<br />

Normwerten von LUX, HELMSTAEDTER <strong>und</strong> ELGER (1999) <strong>und</strong> zweitens an jenen von VAKIL<br />

<strong>und</strong> BLACHSTEIN (1997) relativiert werden. Der Normvergleich erfolgt zwar in der Stichprobenbeschreibung<br />

von Studie 2, steht aber nicht im Vordergr<strong>und</strong>. Für die geplanten


197<br />

Methoden<br />

Select-by-marker-Analysen wird wegen ihrer überlegenen Reliabilität die Summe der<br />

ersten fünf AVLT-Durchgänge (ΣA1-A5) herangezogen.<br />

8.1.4 Symptomatik: Positive and Negative Syndrome Scale (PANSS)<br />

Die Positive and Negative Syndrome Scale (PANSS: KAY, FISZBEIN & OPLER, 1987; KAY,<br />

OPLER & LINDENMAYER, 1987) ist ein Fremdbeurteilungsinstrument zur Einschätzung der<br />

Syndrome von Erkrankungen des Schizophrenie-Spektrums. Die PANSS wurde für die<br />

vorliegende Untersuchung ausgewählt, weil sie – gemessen an der Zitierhäufigkeit – der<br />

Goldstandard der Erfassung von Schizophrenie-Symptomatik ist.<br />

Den theoretischen Hintergr<strong>und</strong> der PANSS bildet CROWS (1985) Annahme zweier<br />

distinkter Schizophrenie-Typen. Die PANSS besteht entsprechend aus einer Positiv-Skala<br />

(P) <strong>und</strong> einer Negativ-Skala (N) mit jeweils 7 Items. 16 weitere Items sollen die allgemeine<br />

Psychopathologie (G), z. B. Angst <strong>und</strong> Depressivität, erfassen. Die Einstufungen auf diesen<br />

30 siebenstufigen Items werden auf der Gr<strong>und</strong>lage von Antworten auf Fragen in einem<br />

halbstrukturierten Interview <strong>und</strong> von Verhaltensbeobachtungen im Klinikalltag vorgenommen.<br />

Zur Ergänzung der Fremdbeurteilungen wurden für die entsprechenden PANSS-<br />

Items Skalen für das Behandlungspersonal zusammen mit den Skalen zur Einschätzung der<br />

Medikationsadhärenz ausgegeben (v. a. Bezugstherapeuten <strong>und</strong> Pflege).<br />

Die Interrater-Reliabilität der PANSS gilt als gut (PERALTA & CUESTA, 1994a). KAY,<br />

OPLER <strong>und</strong> LINDENMAYER (1987) fanden mittlere Interrater-Korrelationen von .69 bis .94<br />

auf Item-Ebene <strong>und</strong> von .83 bis .87 auf Skalen-Ebene. LINDEN, SCHEEL <strong>und</strong> RETTIG (2007)<br />

fanden gute Konsistenzen der Skalen selbst bei untrainierten Beurteilern. Alle beteiligten<br />

Interviewer absolvierten ein videogestütztes Beurteilungstraining zur Absicherung der<br />

Reliabilität (vgl. MÜLLER, ROSSBACH, DAVIDS, WETZEL & BENKERT, 2000). Die hohe konvergente<br />

Validität der PANSS-Skalen wurde von KAY, OPLER <strong>und</strong> LINDENMAYER (1987) durch<br />

Korrelationen mit den korrespondierenden Skalen SANS <strong>und</strong> SAPS von ANDREASEN (1983,<br />

1984) belegt (jeweils r = .77, p < .001).<br />

Die Anpassungsgüte des zweidimensionalen PANSS-Modells hat sich allerdings als nicht<br />

ausreichend herausgestellt (CUESTA & PERALTA, 1995). Die Symptomatik-Dimensionalität<br />

der PANSS wurde daher in einer Reihe von Hauptkomponenten- <strong>und</strong> Faktorenanalysen<br />

untersucht. Das häufigste Resultat ist eine fünfdimensionale Struktur. So fanden MAß,<br />

SCHOEMIG, HITSCHFELD, WALL <strong>und</strong> HAASEN (2000) in PANSS-Daten von 253 stationär<br />

behandelten Patienten mit Schizophrenie-Diagnosen fünf Komponenten. Sie konstruierten<br />

fünf moderat bis hoch reliable Skalen aus 22 hoch ladenden Items:<br />

(1.) feindselige Erregung (P4, P5, P7; G4, G5, G8, G14) α = .91<br />

(2.) Negativsymptomatik (N1, N2, N3, N4, N6, G16) α = .92<br />

(3.) kog.-desorganisierte Symptomatik (P2, N5, G11) α = .81<br />

(4.) Positivsymptomatik (P1, P3, G9) α = .76<br />

(5.) Depression (G2, G3, G6) α = .69<br />

Die Items P6, N7, G1, G7, G10, G11, G12, G13 <strong>und</strong> G15 wurden wegen niedriger Ladungen,<br />

niedriger Kommunalitäten oder extremer Schiefe ausgeschlossen. Die von MAß et al.<br />

(2000) extrahierten Komponenten können als gut repliziert <strong>und</strong> robust gelten (LEVINE &<br />

RABINOWITZ, 2007; VAN DEN OORD et al., 2006). Sie werden daher nach der oben aufgelisteten<br />

Zuordnung auch in den Studien 2 <strong>und</strong> 3 der vorliegenden Arbeit berechnet.


198<br />

Methoden<br />

Das Item G12 zur <strong>Krankheitseinsicht</strong> ist – schon wegen seiner routinemäßigen Verwendung<br />

<strong>und</strong> hohen Ökonomie – auch in der Forschung, v. a. in Studien mit großen Stichproben,<br />

eines der am häufigsten eingesetzten Einsichtsmaße (z. B. SAEEDI, ADDINGTON & ADDING-<br />

TON, 2007; GOLDBERG et al., 2001). Die konkurrente Validität zur Erfassung der Einsicht in<br />

das Vorliegen einer psychischen Erkrankung kann als gesichert gelten, hier fanden z. B.<br />

TRANULIS, LEPAGE <strong>und</strong> MALLA (2008) einen hohen Zusammenhang (r = .66,<br />

p < .001, N = 38) mit der entsprechenden Skala der Scale to Assess Unawareness of Mental<br />

Disorder (SUMD). Das Item G12 wird in Studie 3 zur Validierung eines Fragebogens zur<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong> eingesetzt.<br />

8.1.5 Prämorbide Intelligenz: Wortschatztest (WST)<br />

Der Wortschatztest (WST) von SCHMIDT <strong>und</strong> METZLER (1992) dient als Screening-Instrument<br />

zur Abschätzung der prämorbiden verbalen (kristallinen) Intelligenz. Der WST ist<br />

eine lexikalische Entscheidungsaufgabe, die die Rekognition eines existierenden Zielwortes<br />

inmitten von fünf nicht existierenden, ähnlichen Distraktoren verlangt (z. B. »konzalieren<br />

– ubitieren – prazieren – kinazipieren – nodalieren – konzipieren«). Bestimmte Konstruktionsprinzipien<br />

sollen dabei den Realismus der Distraktor-Items sichern. Eine aktive<br />

Definition ist nicht erforderlich. Derartige Tests des Vokabulars zählen in der Neuropsychologie<br />

zu den sog. »hold«-Tests, die Leistungen messen, die als vergleichsweise wenig<br />

beeinflusst durch Alterung, Erkrankungen <strong>und</strong> Läsionen des Gehirns gelten (s. FRANZEN,<br />

BURGESS & SMITH-SEEMILLER, 1997; KLESGES, WILKENING & GOLDEN, 1981). Die Schätzung<br />

des prämorbiden IQs über Hold-Tests ist auch in der Schizophrenie-Forschung ein häufiges<br />

Verfahren (z. B. RUSSELL et al., 2000).<br />

Der WST wurde auf der Gr<strong>und</strong>lage der probabilistischen Testtheorie konstruiert <strong>und</strong> an<br />

573 Personen normiert. Die Reliabilitäten sind hoch (α = 0,94). Der Test kann inhaltlichlogische<br />

Gültigkeit beanspruchen. Er korreliert hoch mit Schul- <strong>und</strong> Berufserfolg (r = .60<br />

bzw. .63).<br />

In der Untersuchung wurde im Unterschied zur Standarddurchführung die Instruktion<br />

vorgelesen statt ausgehändigt, bevor die Durchführung an Beispielitems geübt wurde. Der<br />

WST ist ein reiner Power-Test, wird also ohne Zeitbeschränkung durchgeführt. Die<br />

Auswertung erfolgte mit Hilfe von Schablonen. Die Rohwerte (Σ richtiger Antworten)<br />

wurden in z- <strong>und</strong> IQ-Werte transformiert.<br />

8.1.6 Offenheit: Eppendorfer Schizophrenie-Inventar (ESI), Skala FR<br />

Zur Erfassung von Offenheit wurde die Skala »Frankness« (FR) des Eppendorfer Schizophrenie-Inventars<br />

ausgewählt (MAß, 2001, 2003; MAß, HAASEN & WOLF, 2000). Das ESI<br />

dient der Erfassung schizophrenie-spezifischer Empfindungen wie Aufmerksamkeitsstörungen,<br />

Wahrnehmungsabweichungen oder Beziehungsideen. Die FR-Skala dient als<br />

Kontrollskala (Bsp.-Item: »Ab <strong>und</strong> zu erzähle ich auch mal eine Lüge«) <strong>und</strong> erhebt wie alle<br />

Offenheitsskalen die Bereitschaft, geringfügige Normverstöße zuzugeben (positive Selbstdarstellung)<br />

<strong>und</strong>/ oder die Wahrnehmung des eigenen sozial unerwünschten Verhaltens<br />

(defensive Selbsttäuschung). Items werden auf einer vierstufigen Skala beantwortet, der<br />

Beurteilungszeitraum umfasst die vergangenen vier Wochen.<br />

Für die Wahl von ESI-FR als Maß der Offenheit sprechen einige wesentliche Gründe:<br />

(1.) Die FR-Skala besteht aus nur fünf Items, ist also hoch ökonomisch, was angesichts der<br />

ohnehin langen Testbatterie wünschenswert ist. Die Items werden für die Untersuchung in


199<br />

Methoden<br />

eine weitere, eher alltagsnahe ESI-Subskala eingebettet (Aufmerksamkeits- <strong>und</strong> Sprachbeeinträchtigungen),<br />

deren Items als Distraktoren dienen <strong>und</strong> nicht ausgewertet werden.<br />

(2.) TURVEY <strong>und</strong> SALOVEY (1993), FURNHAM, PETRIDES <strong>und</strong> SPENCER-BOWDAGE (2002)<br />

<strong>und</strong> DERAKSHAN <strong>und</strong> EYSENCK (1997a, Studie 2) fanden, dass Skalen zu »sozialer Erwünschtheit«,<br />

»Defensivität« oder »Repression/Selbsttäuschung« eine hohe konvergente<br />

Validität aufweisen, so dass gravierende Fehlentscheidungen bei der Operationalisierung<br />

generell nicht zu erwarten sind.<br />

(3.) Ihr weiterer Vorteil gegenüber anderen, ähnlichen Skalen besteht darin, dass ihre<br />

Reliabilität im Zuge der Konstruktion des ESI an einer großen Schizophrenie-Stichprobe<br />

(N = 239) abgesichert werden konnte (α = .73). Es existieren aus dieser Stichprobe auch<br />

Normen für Menschen mit Schizophrenie-Diagnosen, außerdem Normen für eine gemischte<br />

akute stationäre Patienten (N = 221) <strong>und</strong> unbeeinträchtigte Kontrollpersonen (N = 234).<br />

Aus den von MAß (2001) berichteten Normwerten lässt sich erkennen, dass Menschen mit<br />

Schizophrenie-Diagnosen weniger offen antworteten als Ges<strong>und</strong>e (g = -0,43) <strong>und</strong> geringfügig<br />

weniger als selbst die gemischte psychiatrische, stationäre Stichprobe (g = -0,24).<br />

8.1.7 Krankheitsbewältigung:<br />

Freiburger Fragebogen zur Krankheitsverarbeitung (FKV-LIS)<br />

Der Freiburger Fragebogen zur Krankheitsverarbeitung (FKV, MUTHNY, 1989) ist einer der<br />

am häufigsten eingesetzten deutschsprachigen Bewältigungsfragebögen. Er operationalisiert<br />

das auf das Bewältigungsobjekt Erkrankung gerichtete Coping, d. h. »… die Gesamtheit<br />

der Prozesse, um bestehende oder erwartete Belastungen im Zusammenhang mit<br />

Krankheit emotional, kognitiv oder aktional aufzufangen, auszugleichen oder zu meistern«<br />

(S. 5). Die Konstruktion nach der klassischen Testtheorie basiert auf dem Coping-<br />

Modell von LAZARUS <strong>und</strong> der Ways of Coping Checklist (LAZARUS & FOLKMAN, 1984).<br />

Der FKV existiert in einer Langform mit 102 fünfstufigen Items <strong>und</strong> 12 Skalen <strong>und</strong> einer<br />

Kurzform (Listenversion, LIS) mit 35 kurzen Items <strong>und</strong> fünf Skalen. Letztere ist überdies<br />

als Selbst- oder Fremdeinschätzung (SE, FE) verfügbar. Die Skalen der Listenversion<br />

lauten: (F1) Depressive Verarbeitung (5 Items), (F2) Aktives problemorientiertes Coping<br />

(5 Items), (F3) Ablenkung <strong>und</strong> Selbstaufbau (5 Items), (F4) Religiosität <strong>und</strong> Sinnsuche<br />

(5 Items) <strong>und</strong> (F5) Bagatellisierung <strong>und</strong> Wunschdenken (3 Items).<br />

Die Reliabilitäten der Subskalen der Listenversion fallen medioker bis gut aus (α = .68 -<br />

.77), allerdings ist die Berechnung interner Konsistenzen für Coping-Fragebögen nicht<br />

unumstritten (vgl. ALDWIN, 2007). Die faktorielle Gültigkeit der von Muthny (1989)<br />

berichteten Struktur des FKV-LIS SE wurde von HARDT et al. (2003) untersucht<br />

(N > 1200): Während die Faktoren depressive Verarbeitung <strong>und</strong> aktive Bewältigung<br />

weitgehend repliziert werden konnten, wurde empfohlen, die Skala Religiosität <strong>und</strong><br />

Sinnsuche wegen ihrer geringen Konsistenz aufzugeben <strong>und</strong> die beiden übrigen Skalen<br />

(Ablenkung <strong>und</strong> Bagatellisierung) zu kürzen. Für die Skalen aktive Bewältigung, depressive<br />

Verarbeitung <strong>und</strong> Ablenkung konnten Zusammenhänge mit den Skalen des Stressverarbeitungsfragebogens<br />

(SVF: JANKE, ERDMANN & KALLUS, 1985; r = .35 - .58) als Belege der<br />

konvergenten Validität des FKV berichtet werden.<br />

Eine für die geplante Untersuchung günstige Besonderheit des FKV besteht darin, dass<br />

er als flexibles Instrument zur Adaption an verschiedene Erkrankungen bzw. Patientengruppen<br />

<strong>und</strong> Zeitintervalle konzipiert wurde, wobei die Instruktion entsprechend angepasst<br />

werden kann: So wurde der FKV u. a. verwendet bei Morbus Parkinson <strong>und</strong> Epilepsie<br />

(KRAKOW, HALTENHOF & BÜHLER, 1999), Myasthenia gravis (KNIELING, WEIß & FALLER,


200<br />

Methoden<br />

2000), stationär behandelten geriatrischen Patienten (SCHMELING-KLUDAS, 2000), Hirntumoren<br />

(PETZ, DIETE, GADEMANN & WALLESCH, 2001), Leukämie (SCHUMACHER, KESSLER,<br />

RIEDEL & BÜCHNER, 1996) <strong>und</strong> Morbus Crohn (NORMANN & KORDY, 1991), aber auch bei<br />

psychischen Erkrankungen wie Depression (BÜHLER & PAGELS, 2003) <strong>und</strong> Schizophrenie<br />

(SCHMID, NEUNER, CORDING & SPIEßL, 2006; ANDRES et al., 1998; ENGLERT, GEBHARDT,<br />

SAUPE & STIEGLITZ, 1993).<br />

Wegen der hohen Durchführungsökonomie (ca. 10min Bearbeitungszeit) <strong>und</strong> der bereits<br />

existierenden Untersuchungen von Schizophrenie-Stichproben wurde der FKV-LIS SE für<br />

Studie 3 gewählt. Da die Vorgabe des Bewältigungsobjekts »Schizophrenie« o. ä. angesichts<br />

der nicht immer gegebenen Einsicht nicht in jedem Fall geeignet sein dürfte, wurde zur<br />

Erfassung eines Coping-Traits der habituelle Umgang mit Erkrankungen abgefragt (nach<br />

ALDWIN, 2007). Die entsprechende Instruktion findet sich in Anhang F.<br />

8.1.8 Stressbewältigung: Coping-Strategien-Test (CST)<br />

Der Coping-Strategien-Test (CST) ist ein an die neurokognitiven Charakteristika von<br />

Menschen mit Schizophrenie angepasstes Verfahren zur Erfassung habitueller Bewältigungsreaktionen<br />

im Umgang mit Alltagsstressoren.<br />

Die englische Coping Strategies Task wurde von RIVERA-MINDT <strong>und</strong> SPAULDING (2002)<br />

auf der Gr<strong>und</strong>lage des Ways of Coping Questionnaire <strong>und</strong> klinischen Erfahrungen mit<br />

Menschen mit Schizophrenie-Diagnosen konstruiert: Anstelle des üblichen Fragebogens<br />

wurde ein alternatives, einfacheres Antwortformat entwickelt, bei der die Respondenten<br />

große Item-Reaktionskarten in Kästen sortieren, die den Ankern der Skala entsprechen.<br />

Die Items wurden inhaltlich an die Zielpopulation angepasst (z. B. Item 14: » I tried to<br />

make myself feel better by smoking«; Item 50: »I cut myself«), ihre Formulierung wurde<br />

dabei einfacher gestaltet als in anderen Coping-Fragebögen. Die Bewältigungsobjekte<br />

werden vom Respondenten selbst, ggf. unter Rückgriff auf eine Ereignisliste, gewählt. Die<br />

ebenfalls beurteilte Stresshaftigkeit sollte mindestens mittelgradig sein, d. h. 50 von 100<br />

Punkten betragen.<br />

Die Autoren unterscheiden vier Skalen mit insgesamt 67 Items: »Flucht/Vermeidung«<br />

(16 Items), »Planvolles Problemlösen« (16), »Soziale Unterstützungssuche« (16) <strong>und</strong> »Verhaltensreaktionen«<br />

(19). Die Reliabilitäten dieser Subskalen fallen knapp ausreichend bis<br />

sehr gut aus (α = .64 - .90). Ein erster Validitätshinweis ergibt sich aus einer von den<br />

Autoren berichteten Korrelation der Vermeidungsskala mit dem fremdbeurteilten Funktionsniveau<br />

(Nurses’ Observational Scale for Inpatient Evaluation NOSIE-30: HONIGFELD,<br />

GILLIS & KLETT, 1966).<br />

Die CST wurde in der Osnabrücker Arbeitsgruppe um WIEDL im Rahmen einer Diplomarbeit<br />

mit Rückübersetzung <strong>und</strong> Konsensfindung mit den Autoren (s. BRISLIN, 2000)<br />

übersetzt (BUCKTING, 2008). Die Skalen wurden dabei zur Verbesserung der Testökonomie<br />

auf 47 Items gekürzt (CST-R), ohne die Reliabilität zu mindern, die auch nach der Revision<br />

für die deutschsprachige Fassung im Bereich der Originalversion lagen (α = .64 - .90). Das<br />

Testmaterial zum CST kann in Anhang G eingesehen werden.<br />

8.2 Ablauf <strong>und</strong> Durchführung der Untersuchungen<br />

Die vorliegende Arbeit wurde im Rahmen eines eigens geplanten Dissertationsprojekts im<br />

Anschluss an Diplomarbeiten von WALDORF (2005) <strong>und</strong> KRUPA (2005) am Institut für<br />

Psychologie der Universität Osnabrück durchgeführt.


201<br />

Methoden<br />

Obwohl ursprünglich lediglich eine Überprüfung des Einsichtsmodells von STARTUP (1996)<br />

mit dem <strong>dynamisch</strong>en WCST nach WIEDL (1999) intendiert worden war, wurde im Verlauf<br />

der theoretischen Auseinandersetzung zunehmend die Notwendigkeit einer Vorstudie zur<br />

Überprüfung der Retest-Reliabilität des WCST-64 <strong>und</strong> einer Revision des Lernertypen-<br />

Algorithmus nach WIENÖBST (1993) deutlich. Daher wurde die in Kapitel 7 (Fragestellung<br />

<strong>und</strong> Hypothesen) vorgestellte Struktur aus drei aufeinander aufbauenden Studien gewählt.<br />

8.2.1 Ablauf Studie 1<br />

Die Datenerhebung zu Studie 1 wurde in Räumlichkeiten der Berufsfachschulen für Ergotherapie<br />

in Bad Bentheim (Akademie Überlingen Nordhorn) <strong>und</strong> Osnabrück (Deutsche<br />

Angestellten-Akademie Osnabrück-Emsland) zwischen März 2007 <strong>und</strong> Februar 2008<br />

durchgeführt. Das Design sah eine Messwiederholung des WCST-64 bzw. die vollständige<br />

Durchführung eines WCST-128 ohne das konventionelle Abbruchkriterium nach sechs<br />

vollständigen Kategorien vor. Nach 64 Karten wurde eine geringfügig variierte Instruktion<br />

der Standarddurchführung (vgl. Kongs et al., 2000) wiederholt, um Pausendauer <strong>und</strong><br />

Informationsaufnahme an den <strong>dynamisch</strong>en WCST anzugleichen.<br />

Alle Gespräche, Testungen <strong>und</strong> individuellen Feedbacks erfolgten im Einzelsetting<br />

während der regulären Unterrichtszeit, ein generelles Debriefing mit einer Präsentation des<br />

wissenschaftlichen Hintergr<strong>und</strong>s im Klassen- bzw. Übungsgruppenverb<strong>und</strong>. Mit allen Teilnehmern<br />

wurde ein Interview zu soziodemographischem Hintergr<strong>und</strong> <strong>und</strong> relevanten<br />

klinischen Variablen (v. a. Dyschromatopsie) durchgeführt. Alle Teilnehmer erhielten nach<br />

Abschluss der Testung eine Aufwandsentschädigung von 5 €. Die Beschreibung der<br />

Stichprobe (N = 110) erfolgt im entsprechenden Ergebnisteil in Abschnitt 9.1.<br />

8.2.2 Ablauf Studie 2<br />

Um für Studie 2 (Vergleich von RCIs, Revision der Lernertypologie) eine möglichst große,<br />

in ihrer Performanz heterogene Analysestichprobe zu sammeln, wurde die Stichprobe von<br />

Studie 3 (N = 85, s. u.) mit Archivdaten aus verschiedenen Schizophrenie-Studien der<br />

Gruppe um WIEDL gepoolt, in denen v. a. die externe Validität des WCSTdyn betrachtet<br />

wurde (WIENÖBST, 1993; KAUFFELDT, 1997; UHLHORN, 2000; WIEDL & SCHÖTTKE, 2002;<br />

WIEDL, WIENÖBST, SCHÖTTKE & KAUFFELDT, 1999; WIEDL, WIENÖBST, SCHÖTTKE, GREEN &<br />

NUECHTERLEIN, 2001; WIEDL, KEMPER, UHLHORN & SCHÖTTKE, 2005; WALDORF, 2005;<br />

BUCKTING, 2008; HANSEN, 2008). Alle betrachteten Teilnehmer vorgenannter Arbeiten<br />

hatten eine Diagnose einer Schizophrenie-Spektrums-Erkrankung nach DSM-IIIR, DSM-IV<br />

oder ICD-10 erhalten. Die Beschreibung der Gesamtstichprobe (N = 400) erfolgt im<br />

Ergebnisteil von Studie 2 in Abschnitt 10.2.<br />

8.2.3 Ablauf Studie 3<br />

Die Datenerhebung von Studie 3 erfolgte auf allgemeinpsychiatrischen <strong>und</strong> psychotherapeutischen<br />

Stationen psychiatrischer Kliniken (ehemaliges Niedersächsisches Landeskrankenhaus<br />

Osnabrück, jetzt AMEOS-Klinikum [34 % der Stichprobe]; LWL-Klinik<br />

Lengerich [9,4 %]; Zentrum für seelische Ges<strong>und</strong>heit Marienheide [8,2 %]), psychiatrischen<br />

Abteilungen von Allgemeinkrankenhäusern (Bethesda AK, Hamburg-Bergedorf<br />

[7,1 %]), in psychiatrischen Wohn- <strong>und</strong> Pflegeeinrichtungen (Hans-Peter-Kitzig-Haus,<br />

Osnabrück [3,5 %]; Arche-Zentrum, Bremerhaven [20 %]; AWO-Wohnanlagen


202<br />

Methoden<br />

Schlichthorst, Sutthausen <strong>und</strong> Haus am Schölerberg, Osnabrück [9,5 %]; St. Franziskus-<br />

Stift, Steinfeld [1,2 %]), in einer Rehabilitationseinrichtungen für Menschen mit psychischen<br />

Erkrankungen (RPK Osnabrück: 4,7 %) sowie an der poliklinischen Psychotherapie-<br />

Ambulanz Osnabrück [2,4 %]. Auf diese Weise konnten 95 Teilnehmer mit Diagnosen des<br />

Schizophrenie-Spektrums gewonnen werden, von denen für Analysen der OSSTI wegen<br />

fehlender Daten 85 zur Verfügung standen.<br />

Der Kontakt zu potenziellen Teilnehmern erfolgte nach einer Vermittlung durch<br />

Diplom-Psychologen oder Fachärzte der jeweiligen Station bzw. Einrichtung. Die Teilnahme<br />

erfolgte freiwillig: Die Probanden wurden im Gespräch angemessen <strong>und</strong> mit Unterstützung<br />

durch schriftliches Material (Anhang B) informiert <strong>und</strong> um Mitwirkung gebeten, d. h.<br />

es wurde ein informierter Konsens hergestellt. Es wurden schriftliche Einverständniserklärungen<br />

zur Teilnahme, Verwertung der Daten <strong>und</strong> Akteneinsicht eingeholt (Anhang C).<br />

Soziodemographische Daten wurden ebenfalls zu Beginn (Block 1, s. Tabelle 15) strukturiert<br />

erfasst (Anhang D). Die Datenerhebung erfolgte im Einzelsetting. Soweit möglich wurden<br />

Untersuchungsräume des Institutes für Psychologie Osnabrück, Standort Knollstraße,<br />

genutzt. Wo dies nicht möglich war, wurden von den jeweiligen Einrichtungen störungsfreie<br />

Arbeitsräume zur Verfügung gestellt. Nach Abschluss der Datenerhebung erfolgte eine<br />

weitergehende Aufklärung der Teilnehmer über Sinn <strong>und</strong> Zweck der Untersuchung.<br />

Obwohl für alle Teilnehmer Diagnosen von Fachärzten vorlagen, wurden diese nach<br />

Akteneinsicht, halbstrukturiertem klinischen Interview mit dem Teilnehmer <strong>und</strong> entsprechenden<br />

Fremdbeurteilungen durch das Behandlungspersonal mit Hilfe von strukturierten<br />

Diagnose-Checklisten überprüft (IDCL: HILLER, ZAUDIG & MOMBOUR, 2004). Voraussetzung<br />

für einen Einschluss in die Stichprobe war die Erfüllung der Kriterien einer<br />

Erkrankung des Schizophrenie-Spektrums nach DSM-IIIR, DSM-IV oder ICD-10. Die<br />

Beschreibung der Stichprobe erfolgt im Ergebnisteil von Studie 3 in Abschnitt 11.2.<br />

Studie 3 orientiert sich, soweit auf klinisch-psychologische Forschung anwendbar, an<br />

der Deklaration von Helsinki (B10/ 21 Schutz der Würde, Privatsphäre <strong>und</strong> Vertraulichkeit<br />

der Information; B20/ B22 freiwillige Einwilligung <strong>und</strong> Teilnahme nach Aufklärung,<br />

Widerrufsrecht) sowie an §9 (Schweigepflicht) der Musterberufsordnung für deutsche<br />

Ärztinnen <strong>und</strong> Ärzte (MBO Stand 24.11.2006). Eine sorgfältige Abwägung betraf angesichts<br />

des Forschungsgegenstandes (<strong>Krankheitseinsicht</strong>) die Einwilligungsfähigkeit, da hier<br />

»… der geistige Zustand, der die Einholung der Einwilligung … verhindert, ein notwendiger<br />

charakteristischer Faktor für die Forschungspopulation ist« (Deklaration von<br />

Helsinki, B26, S. 119). Um diesem Umstand Rechnung zu tragen, wurde die Aufklärung an<br />

die Voraussetzungen der Teilnehmer angepasst: Anstatt eine psychiatrische Störung mit<br />

entsprechenden Fachtermini zu unterstellen, wurden voraussetzungsärmere Begriffe<br />

gewählt. Die Einwilligung bezieht sich entsprechend auf eine Untersuchung zur »Bewertung<br />

des eigenen seelisch-psychischen Befindens <strong>und</strong> der gegenwärtigen Lebens- <strong>und</strong><br />

Behandlungssituation«. Das Dissertationsprojekt wurde von der Ethik-Kommission der<br />

Universität Osnabrück für ethisch unbedenklich bef<strong>und</strong>en.<br />

Es handelt sich um eine korrelative Querschnittsuntersuchung. Die einzelnen Instrumente<br />

(kognitiven Tests, Fragebögen <strong>und</strong> Interviews) wurden in der Regel auf zwei, selten<br />

auf drei Termine von maximal 50min Dauer aufgeteilt, mit fakultativen kurzen Pausen<br />

zwischen Blöcken. Die gesamte individuelle Untersuchung aufgr<strong>und</strong> der z. T. kurzen<br />

Restverweildauern der Teilnehmer <strong>und</strong> des Gültigkeitsbereichs der PANSS innerhalb von<br />

sieben Tagen beendet. Aufgr<strong>und</strong> der individuellen Behandlungspläne waren einheitliche<br />

feste Intervalle zwischen den Terminen nicht möglich.


203<br />

Methoden<br />

Tabelle 15 stellt den Untersuchungsablauf dar. Hierbei ist zu beachten, dass Fragebögen aus<br />

t1 unmittelbar nach Erhalt versiegelt <strong>und</strong> erst nach Abschluss von t2/t3 auf Vollständigkeit<br />

überprüft wurden.<br />

Tabelle 15.<br />

Untersuchungsablauf von Studie 3<br />

Zeitpunkt Instrument Konstrukt Block<br />

t1 Information, Einverständniserklärung 1<br />

t1 Interview soziodemographische <strong>und</strong> klinische Daten 1<br />

t1 <strong>dynamisch</strong>er Wisconsin Card Sorting Test (WCSTdyn) <strong>Exekutivfunktionen</strong> 2<br />

t1 Wortschatztest (WST)<br />

prämorbide<br />

Intelligenz<br />

t1 Eppendorfer Schizophrenie-Inventar (ESI-AS <strong>und</strong> -FR) Offenheit 3<br />

t1<br />

Osnabrücker Skala zu Therapieeinstellungen <strong>und</strong><br />

Identifikation psychischer Beschwerden (OSTTI)<br />

t2 Auditiv-Verbaler Lerntest (AVLT)<br />

t2<br />

Freiburger Fragebogen zur Krankheitsverarbeitung,<br />

Listenversion, Selbsteinschätzung (FKV-LIS SE)<br />

Einsicht<br />

verbales<br />

Gedächtnis<br />

Coping 5<br />

t2/t3 Coping Strategies Task (CST) Coping 5<br />

t2/t3 Positive and Negative Syndrome Scale (PANSS) Symptomatik 6<br />

t2/t3 Schedule for the Assessment of Insight (SAI-E) Einsicht 6<br />

t2/t3 Debriefing 7<br />

8.2.4 Auswertung<br />

Wie bereits oben beschrieben, kommen Pearson-Korrelationen, RCI-Methoden (s. IVERSON<br />

et al., 2003; SCHÖTTKE et al., 1993; ZEGERS & HAFKENSCHEID, 1994), multiple Regressionen<br />

<strong>und</strong> Clusteranalysen (Ward <strong>und</strong> k-means) zum Einsatz (vgl. BACKHAUS, ERICHSON, PLINKE &<br />

WEIBER, 2006). Überprüfungen auf Normalverteilung (Kolmogorov-Smirnov mit Signifikanz-<br />

korrektur nach Lilliefors) finden sich in Anhang A, zusätzlich wurden aufgr<strong>und</strong> der z. T. großen<br />

Teststärken, die schon bei geringen Abweichungen zu statistisch signifikanten Statistiken führt,<br />

Histogramme <strong>und</strong> P-P-Plots visuell inspiziert <strong>und</strong> im Zweifelsfall dem Augenschein der Vorzug<br />

gegeben (vgl. TABACHNICK & FIDELL, 2007, S. 80).<br />

Effekte für den Vergleich zweier Gruppenmittelwerte (COHEN, 1988; ROSENTHAL &<br />

ROSNOW, 1991) werden berechnet nach der Vorschrift für Hedges g mit gepoolter Standardabweichung<br />

(s. ROSNOW & ROSENTHAL, 1996; SEDLMEIER, 1996; ZAKZANIS, 2001). Da eine<br />

beobachtete Effektstärke den Populationseffekt überschätzt, wurde g mit einem Korrekturfaktor<br />

multipliziert (c = 1 - (3/(4*(N1 + N2 - 2) - 1))) (S. J. RUSTENBACH & Y. NESTORIUC<br />

[persönl. Mitteilung, 16.5.2007]). Bei der Berechnung von Effektstärken für Eingruppen-<br />

Prätest-Posttest-Messungen erfolgte die Standardisierung an der Streuung der Prätest-<br />

Werte der Gesamtstichprobe (dPrä: z. B. MAIER-RIEHLE & ZWINGMANN, 2000), wenn nicht<br />

anders angegeben.<br />

2<br />

3<br />

4


9. Ergebnisse Studie 1:<br />

204<br />

Ergebnisse Studie 1<br />

Zur Reliabilität des Wisconsin Card Sorting Test-64<br />

9.1 Beschreibung der Stichprobe von Studie 1<br />

In Abschnitt 3.7.1 wurde dargelegt, dass keine verwendbare Schätzung der Reliabilität des<br />

Wisconsin Card Sorting Test (WCST-64) in einer hinreichend großen Stichprobe existiert.<br />

Um die Stabilität des WCST-64 bzw. die Testhalbierungs-Reliabilität eines komplett<br />

durchgeführten 128er-WCSTs abschätzen zu können, wurde der WCST-64 zunächst in<br />

einer Stichprobe von 110 nicht-psychiatrischen, nicht-akademischen Probanden durchgeführt.<br />

Die Stichprobe beschreibt Tabelle 16.<br />

Tabelle 16.<br />

Soziodemographische Daten der nicht-klinischen Stichprobe (Studie 1)<br />

N %<br />

Geschlecht weiblich 85 77,3<br />

männlich 25 22,7<br />

Familienstand ledig 51 46,4<br />

Partnerschaft 59 53,6<br />

Schulabschluss Berufsschulreife 9 8,2<br />

mittlerer Bildungsabschluss 49 44,5<br />

Fachhochschulreife 29 26,4<br />

allgemeine Hochschulreife 23 20,9<br />

Ausbildung keine 62 56,4<br />

Lehre, Fachschule 48 43,6<br />

N M SD Min.-Max.<br />

Alter 110 28,58 11,21 18 – 57<br />

Ausbildungsjahre 110 12,25 1,45 10 – 15<br />

Die Stichprobe besteht aus Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern der Berufsfachschulen für Ergotherapie<br />

(67 %) in Bad Bentheim (Akademie Überlingen Nordhorn) <strong>und</strong> Osnabrück<br />

(Deutsche Angestellten-Akademie [DAA] Osnabrück-Emsland) sowie aus Personen in kaufmännischer<br />

Fortbildung <strong>und</strong> Umschulung (ebenfalls DAA Osnabrück-Emsland; 33 %). Die<br />

Rekrutierung erfolgte von März 2007 bis Februar 2008.<br />

Anders als in Schizophrenie-Studien mit vergleichbar großen, gemischten Stichproben,<br />

in denen häufig zwei Drittel der Probanden männlichen Geschlechts sind (z. B. ADDINGTON<br />

& ADDINGTON, 2002, <strong>und</strong> Studie 2), sind drei Viertel der Stichprobe weiblichen<br />

Geschlechts.<br />

Etwa die Hälfte absolvierte Haupt- oder Realschule <strong>und</strong> nur ein Fünftel das Vollabitur.<br />

Der mittlere Bildungsgrad der Stichprobe ist damit vergleichbar mit dem von großen<br />

Schizophrenie-Stichproben: In der finnischen repräsentativen Untersuchung enthospitalisierter<br />

Patienten (N = 2502) von SALOKANGAS, HONKONEN <strong>und</strong> STENGÅRD (2007) besuchten<br />

z. B. ebenfalls 80 % der Befragten 12 Jahre oder weniger die Schule. Allerdings hat in der<br />

betrachtete nicht-psychiatrischen Stichprobe, anders als in Schizophrenie-Stichproben, die


205<br />

Ergebnisse Studie 1<br />

Hälfte auch eine abgeschlossene Lehre (v. a. die Umschulungs- <strong>und</strong> Fortbildungskandidaten).<br />

Kein Proband absolvierte ein Hochschulstudium. Insgesamt kann damit der<br />

Anspruch, eine Stichprobe mit nicht formal-wissenschaftlichem Bildungshintergr<strong>und</strong> mit<br />

dem WCST-64 zu testen, erfüllt werden.<br />

Etwa die Hälfte der ProbandInnen lebte zum Zeitpunkt der Datenerhebung in fester<br />

Partnerschaft. In Schizophrenie-Stichproben sind es üblicherweise deutlich weniger: Bei<br />

SALOKANGAS, HONKONEN <strong>und</strong> STENGÅRD (2007) lebten 70 % als Single, in der Stichprobe<br />

von Studie 2 sind es 90 %.<br />

9.2 Zur Stabilität des WCST<br />

Es wurden zwei Durchgänge (A B) ohne Abbruchkriterium <strong>und</strong> ohne die Intervention der<br />

dynamisierten Version (WIEDL et al., 1999) durchgeführt. Vor jedem Durchgang wurde die<br />

Standardinstruktion des WCST-64 gegeben, um Intertestintervall <strong>und</strong> Bedingungen an den<br />

WCSTdyn anzunähern. In einer Teilstichprobe von 73 Pbn wurde noch ein dritter Durchgang<br />

(C) durchgeführt, um den weiteren Performanzverlauf <strong>und</strong> mögliche Veränderungen<br />

der Stabilität zu erk<strong>und</strong>en. Tabelle 17 zeigt die deskriptive Statistik.<br />

Tabelle 17.<br />

WCSTdyn: deskriptive Statistik der nicht-psychiatrischen<br />

Stichprobe<br />

N M SD Min. Max.<br />

KS_A 110 44,60 9,93 19 58<br />

PE_A 110 10,36 5,70 3 31<br />

NPE_A 110 9,05 5,73 1 32<br />

KAT_A 110 3,04 1,56 0 5<br />

TCFC_A 104 13,71 8,88 10 64<br />

FMS_A 110 0,35 0,63 0 3<br />

KS_B 110 48,17 9,88 21 62<br />

PE_B 110 7,55 5,04 2 27<br />

NPE_B 110 8,27 6,53 0 34<br />

KAT_B 110 3,36 1,66 0 6<br />

TCFC_B 101 14,05 9,39 1 57<br />

FMS_B 110 0,44 0,64 0 2<br />

KS_C 73 50,71 9,58 23 60<br />

PE_C 73 6,59 4,52 1 22<br />

NPE_C 73 6,70 6,37 0 26<br />

KAT_C 73 3,63 1,69 0 5<br />

TCFC_C 66 13,52 7,81 10 55<br />

KAT_C 73 0,64 0,87 0 3<br />

Anmerkungen. Durchgang C wurde nur in einer Teilstichprobe durchgeführt;<br />

KS: korrekte Sortierungen; PE: perseverative Fehler; NPE:<br />

nonperseverative Fehler; KAT: Anzahl erreichter Kategorien; TCFC:<br />

Anzahl Sortierungen bis zum Abschluss der ersten Kategorie (trials-tocomplete-first-category;<br />

fehlender Wert, wenn keine Kategorie erreicht<br />

wurde); FMS: Konzept-Abbrüche (failure-to-maintain-set)


206<br />

Ergebnisse Studie 1<br />

Die Einordnung der durchschnittlichen Leistung der Stichprobe über Vergleiche mit der<br />

US-amerikanischen Normstichprobe (KONGS et al., 2000) <strong>und</strong> einer großen Stichprobe von<br />

Personen mit Schizophrenie-Spektrums-Störungen erfolgt erst in Studie 2, da dort der<br />

Prätest-Mittelwert zur Berechnung verschiedener Trennwerte herangezogen wird.<br />

Es bestehen keine Geschlechtsunterschiede. Bei der Betrachtung der korrekten Sortierungen<br />

ist zunächst eine signifikante Zunahme der Leistung von Durchgang A zu Durchgang<br />

B erkennbar (t[109] = -4,86; p < .001). Diese entspricht allerdings nur einem Effekt<br />

von dPrä = 0,36. Vom zweiten zum dritten Durchgang fällt die Zunahme noch einmal<br />

geringer aus (< 2 Karten), was auf eine Mischung aus starken Deckeneffekten im leistungsstarken<br />

Segment der Stichprobe <strong>und</strong> einer Stagnation im leistungsschwächeren Segment<br />

zurückgeht. Der interessierende Performanzverlauf wurde anhand eines Streudiagrams für<br />

die Durchgänge A <strong>und</strong> B visuell inspiziert (Abbildung 12).<br />

50<br />

40<br />

30<br />

korrekte Sortierungen (B) 60<br />

20<br />

20<br />

30<br />

korrekte Sortierungen (A)<br />

Abbildung 12. Streudiagramm <strong>und</strong> Regressionsgerade<br />

der korrekten Sortierungen einer nicht-klinischen Stichprobe<br />

über zwei Durchgänge im WCST-64 (N = 110)<br />

Es besteht ein linearer Zusammenhang der Durchgänge. Das Streudiagramm zeigt eine<br />

gewisse Klumpung von Fällen im oberen Leistungssegment (ab ca. 45 Karten). Allerdings<br />

wird auch deutlich, dass die Werte über einen großen Ausschnitt des Leistungsbereichs<br />

streuen <strong>und</strong> dass diese Streuung in Durchgang B nicht abnimmt. Im nächsten Schritt wurde<br />

die bivariate Zusammenhangsstruktur relevanter WCST-Variablen über die drei Durchgänge<br />

betrachtet (Tabelle 18). Es lassen sich folgende Sachverhalte erkennen:<br />

(1.) Die Höhe der Stabilität des WCST-64 fällt konform mit Hypothese 1 aus (rtt = .70 für<br />

die korrekt sortierten Karten, rtt = .77 für die Anzahl erreichter Kategorien). Der in<br />

Abbildung 12 gekennzeichnete Fall Nr. 58, der mit einer Posttest-Prätest-Differenz von -27<br />

Karten eine atypische Position einnimmt, senkt die Retest-Korrelation leicht (rtt = .73 nach<br />

Ausschluss), verbleibt aber in der Stichprobe.<br />

40<br />

58<br />

50<br />

.693 * x + 17.251<br />

60


207<br />

Ergebnisse Studie 1<br />

Tabelle 18.<br />

Retest- <strong>und</strong> Interkorrelationen von WCST-64-Variablen in einer nicht-klinischen Stichprobe<br />

über drei Durchgänge (o.: Pearsons r; u.: Spearmans rS)<br />

KS(A) PE(A) KAT(A) NPE(A) FMS(A) KS(B) PE(B) KAT(B) NPE(B) FMS(B) KS(C)<br />

KS(A) -.87 .90 -.87 .08 .70 -.52 .70 -.65 .01 .55<br />

PE(A) -.88 -.74 .50 -.16 -.61 .53 -.58 .52 -.04 -.39<br />

KAT(A) .90 -.74 -.82 -.20 .73 -.54 .77 -.68 -.10 .64<br />

NPE(A) -.88 .58 -.84 .02 -.59 .38 -.63 .60 .03 -.54<br />

FMS(A) .01 -.12 -.22 .05 -.18 .18 -.24 .12 .26 -.29<br />

KS(B) .67 -.58 .73 -.60 -.22 -.80 .92 -.89 .00 .81<br />

PE(B) -.58 .53 -.63 .50 .12 -.82 -.69 .45 -.04 -.63<br />

KAT(B) .68 -.55 .74 -.65 -.24 .92 -.73 -.86 -.28 .82<br />

NPE(B) -.62 .53 -.68 .56 .22 -.94 .63 -.89 .04 -.72<br />

FMS(B) -.01 -.09 -.10 .10 .31 -.15 .06 -.36 .19 -.15<br />

KS(C) .63 -.46 .67 -.59 -.27 .79 -.61 .75 -.74 -.09<br />

Anmerkungen. N = 110 für Durchgänge A, B; N = 73 für Durchgang C<br />

KS: korrekte Sortierungen; PE: perseverative Fehler; KAT: vervollständigte Kategorien; NPE: nonperseverative Fehler;<br />

FMS: Failure-to-maintain-set (Konzept-Abbrüche)<br />

r ≥ ⏐.20⏐: p ≤ .05; r ≥ ⏐.26⏐: p ≤ .01; rS ≥ ⏐.21⏐: p ≤ .05; rS ≥ ⏐.31⏐: p ≤ .01<br />

(2.) Von Durchgang B zu C erhöht sich die Stabilität der korrekten Sortierungen weiter<br />

auf rtt = .81, d. h. die größere Testökonomie des WCST-64 wird mit geringfügigen Zuverlässigkeitsverlusten<br />

erkauft.<br />

(3.) Die perseverativen Fehler weisen in der betrachteten nicht-klinischen Stichprobe<br />

eine unbefriedigend niedrige Stabilität auf (rtt = .53). Auch die nonperseverativen Fehler<br />

(rtt = .60) bleiben hinter den üblichen Anforderungen zurück. Die Konzept-Abbrüche<br />

(Failure-to-maintain-set, FMS) der beiden Durchgänge weisen nur eine sehr geringe<br />

gemeinsame Varianz auf.<br />

(4.) Schon bei Betrachtung der bivariaten Zusammenhänge deutet sich an, dass sich die<br />

in Abschnitt 3.7.3 für klinische Stichprobenen berichteten drei orthogonalen Hauptkomponenten<br />

Perseveration, NPE <strong>und</strong> FMS in den vorliegenden Daten nicht einstellen dürften<br />

(Korrelation PE – NPE: r = .50).<br />

Es wurden außerdem die verfügbaren Korrelate aus dem Bereich der soziodemographischen<br />

Daten betrachtet: Die WCST-Leistung hängt nicht zusammen mit dem Geschlecht<br />

oder dem Alter (das allerdings eine beschränkte Varianz aufweist) <strong>und</strong> korreliert schwach,<br />

aber signifikant mit der Anzahl an Bildungsjahren in Schule <strong>und</strong> Ausbildung (r = .19,<br />

p < .05 für korrekte Sortierungen in Durchgang A).


9.3 Generalisierbarkeitskoeffizienten<br />

208<br />

Ergebnisse Studie 1<br />

Zusätzlich zu den Stabilitäten der Kennwerte wurden wie bei OZONOFF (1995) <strong>und</strong> KONGS et<br />

al. (2000) deren Generalisierbarkeitskoeffizienten ermittelt. In der Generalisierbarkeitstheorie<br />

(G-Theorie) nach CRONBACH, GLESER, NANDA <strong>und</strong> RAJARATNAM (1972) weicht der<br />

Begriff der Reliabilität der Klassischen Testtheorie dem Konzept der Generalisierbarkeit:<br />

Die Nützlichkeit eines beobachteten Wertes hängt demnach davon ab, wie nah er dem<br />

Mittelwert des definierten Universums der Beobachtungsgelegenheiten kommt bzw. wie<br />

das Verhältnis der Varianz der beobachteten Werte zu der der Universalwerte (universe<br />

scores) ausfällt. Hierzu werden interessierende Fehlerquellen (»Facetten«: z. B. Messzeitpunkt,<br />

Rater, Items, Parallelversionen) durch ein varianzanalytisches Vorgehen separat<br />

berücksichtigt. Eine Einführung in die G-Theorie liefern z. B. SHAVELSON, WEBB <strong>und</strong><br />

ROWLEY (1989).<br />

Geschätzt wurden für jeden Kennwert des WCST-64 die mittleren Abweichungsquadrate<br />

(MQs: SAQs/ df) der Personen (MQP der quadrierten Abweichungen der Personenmittelwerte<br />

vom Gesamtmittelwert; mit df = 109), des Durchgangs (MQD der quadrierten<br />

Abweichungen der Durchgangs-Mittelwerte vom Gesamtmittelwert; mit df = 1) sowie der<br />

Residuen (Effekt Person Durchgang: MQR der quadrierten Abweichungen von Person-<br />

<strong>und</strong> Gesamtmittelwert von Personen- <strong>und</strong> Durchgangsmittelwert; mit df = 109).<br />

Die Estimated Variance Component (EVD) der Personen wurde geschätzt durch (MQP -<br />

MQR)/ Anzahl Messzeitpunkte (= 2), die EVC des Durchgangs durch (MQD - MQR)/ N<br />

(= 110), die EVC der Residuen entspricht deren MQ.<br />

Die Decision Variance Component (DVC) der Person ergibt sich aus EVCP/ Messhäufigkeit<br />

(= 1), die DVCD aus EVCD/ Messhäufigkeit (= 2), die DVCR aus EVCR/ Messhäufigkeit<br />

(= 2). Die Generalisierbarkeitskoeffizienten (G) wurden berechnet durch G = DVCP/ (DVCP<br />

+ DVCR). Tabelle 19 zeigt die Ergebnisse. Obwohl der G-Koeffizient für die korrekten<br />

Sortierungen geringfügig niedriger ausfällt als deren Stabilität, scheint diese auch nach der<br />

G-Theorie eine akzeptable Schätzung der Fehlerhaftigkeit darzustellen.<br />

Tabelle 19.<br />

Generalisierbarkeitskoeffizienten der WCST-64-Variablen für<br />

110 nicht-psychiatrische Probanden<br />

G rtt<br />

korrekte Sortierungen (KS) .64 .70<br />

erreichte Kategorien (KAT) .74 .77<br />

Konzeptantworten (CLR) .58 .65<br />

perseverative Fehler (PE) .37 .53<br />

nonperseverative Fehler (NPE) .49 .60<br />

Trials to complete first category (TCFC) .27 .29<br />

Failure to maintain set (FMS) .00 .26


9.4 Hauptkomponentenanalyse des WCST-64<br />

(nicht-klinische Stichprobe)<br />

209<br />

Ergebnisse Studie 1<br />

Es wurde eine Hauptkomponentenanalyse an den standardisierten Variablen korrekte<br />

Sortierungen (KS), Kategorien (KAT), Konzeptantworten (KZA), perseverative <strong>und</strong><br />

nichtperseverative Fehler (PE, NPE), Sortierungen bis zur ersten vollständigen Kategorie<br />

(trials-to-complete-first-category, TCFC) <strong>und</strong> Konzept-Abbrüche (FMS) an 104 Probanden<br />

berechnet (für 6 Pbn fehlten Werte der TCFC-Variable, da keine Kategorie vervollständigt<br />

wurde).<br />

Bartletts Test wurde signifikant (χ 2 [21] = 1366,6). Der KMO-Koeffizient (= .66) fällt<br />

moderat aus, liegt aber im akzeptablen Bereich, ebenso alle MSA-Koeffizienten (.53 - .90)<br />

mit Ausnahme der der FMS-Variable (.14). Nachdem eine HKA mit obliquer Promax-<br />

Rotation (Kappa = 4) zwei orthogonale Faktoren extrahierte (r = -.02), wurde eine<br />

zusätzliche Varimax-Rotation durchgeführt, Tabelle 20 zeigt die rotierte Komponentenmatrix<br />

mit Eigenwerten <strong>und</strong> Kommunalitäten.<br />

Tabelle 20.<br />

Rotierte Komponentenmatrix einer Hauptkomponentenanalyse für<br />

den WCST-64 (nicht-psychiatrische Stichprobe)<br />

Komponente<br />

WCST-Variable I. * II. * h 2<br />

KS .99* .06* .98<br />

PE -.84* -.26* .78<br />

KZA .99* .04* .98<br />

KAT .91* -.27* .90<br />

TCFC -.48* .30* .32<br />

NPE -.87* .16* .78<br />

FMS .02* .95* .90<br />

Eigenwert<br />

% VAR<br />

4,48<br />

64,06<br />

1,16<br />

16,64<br />

Anmerkungen. Erklärte Gesamtvarianz: 80,7%; N = 104; KS: korrekte Sortierungen;<br />

PE: perseverative Fehler; KZA: Konzeptantworten (KZA); KAT: Kategorien; TCFC:<br />

Sortierungen bis zur ersten vollständigen Kategorie (trials-to-complete-firstcategory);<br />

NPE: nichtperseverative Fehler; FMS: Konzept-Abbrüche<br />

*: p < .01 für N > 100 (nach STEVENS, 1992)<br />

Die beiden orthogonalen Komponenten erklären 81 % der Varianz. Die Betrachtung der<br />

Kommunalitäten zeigt, dass nur die nicht eindeutig zuzuordnende TCFC-Variable durch die<br />

beiden extrahierten Faktoren nicht hinreichend repräsentiert wird (h 2 = .32).<br />

Die angesichts der Stichprobengröße tentative Inspektion des Scree-Plots ergab anders<br />

als das Eigenwert-Kriterium nur einen Faktor (s. GOLDMAN et al., 1996). Schließt man die<br />

FMS-Variable wegen ihres niedrigen MSA-Koeffizienten aus, so lässt sich tatsächlich nur<br />

noch eine einzige Komponente extrahieren, die 75% Varianz erklärt.<br />

Zusätzlich wurden zwei weitere, objektivere Verfahren zur Bestimmung der Faktorenanzahl<br />

herangezogen: die Parallelanalyse nach HORN (1965) <strong>und</strong> der Minimum-Average-<br />

Partial-Test (MAP) nach VELICER (1976). Beide wurden mit Programmen von O’CONNOR<br />

(2000) berechnet.


210<br />

Ergebnisse Studie 1<br />

Bei der Parallelanalyse wurden für N = 104 <strong>und</strong> 7 Variablen 1000 Zufallsdatensätze erzeugt<br />

<strong>und</strong> die kritischen Werte (95. Perzentil) der sich ergebenden Eigenwert-Zufallsverteilungen<br />

mit dem empirischen Eigenwerteverlauf verglichen. Für die empirischen WCST-Daten zeigt<br />

sich, dass der erste Eigenwert größer ausfällt (4,50 > 1,53), der zweite bereits nicht mehr<br />

(1,15 < 1,31), d. h. es wird die Extraktion einer Komponente empfohlen.<br />

Beim MAP-Test wird die durch die extrahierten Komponenten aufklärbare, systematische<br />

Varianz schrittweise aus den Korrelationen zwischen den Variablen auspartialisiert<br />

<strong>und</strong> die Komponentenanzahl bestimmt, bei der die mittlere Partialkorrelation der Residualmatrix<br />

minimal wird. Für die vorliegenden Daten wird die mittlere Partialkorrelation<br />

ebenfalls bei einer Komponente minimal (= .15). Auch der revidierte MAP-Test nach<br />

VELICER, EATON <strong>und</strong> FAVA (2000), der die vierte Potenz der mittleren Partialkorrelation<br />

zugr<strong>und</strong>e legt (=.06) empfiehlt die Extraktion einer Komponente.<br />

Die vorgestellte Analyse bestätigt insgesamt den bereits an Tabelle 18 gewonnenen<br />

Eindruck: In der betrachteten nicht-klinischen Stichprobe lassen sich die WCST-Daten<br />

reduzieren auf eine primäre Perseverations- <strong>und</strong> Problemlösungs-Komponente <strong>und</strong>, falls<br />

dies aus theoretischen Erwägungen heraus für sinnvoll erachtet wird, auf eine zweite<br />

Komponente, die durch Konzeptabbrüche konstituiert wird.<br />

9.5 Berechnung einer kritischen Differenz<br />

Es wurde die kritische Differenz für die »klassische« RCI-Variante (S. IVERSON et al., 2003)<br />

berechnet: Werden die in Tabelle 17 berichteten Standardabweichungen von SDA = 9,93<br />

<strong>und</strong> SDB = 9,88 sowie eine rtt = .70 <strong>und</strong> ein zcrit = 1,96 zugr<strong>und</strong>e gelegt, so ergibt sich ein<br />

ger<strong>und</strong>eter Standardfehler der Differenzen von SEDIFF = 7,67 <strong>und</strong> eine kritische Differenz<br />

von 7,67 1,96 = 15,03 (d. h. eine Veränderung um ±15 Karten entspricht einem z-Wert<br />

von ±1,956). Dies entspricht der kritischen Differenz, die WIENÖBST (1993) <strong>und</strong> WIEDL et al.<br />

(1999) anhand der Daten einer deutlich kleineren Stichprobe von Probanden mit Schizophrenie<br />

bestimmt hatten (1,5 SD).<br />

Wird diese kritische Differenz von der im WCST-64 theoretisch möglichen <strong>und</strong> empirisch<br />

gegebenen Decke von 58 korrekt sortierten Karten subtrahiert, so ist einsehbar, dass<br />

oberhalb von 43 Karten (da 43 + 15 = 58) kein statistisch signifikanter Zugewinn mehr<br />

möglich ist, sich also ein Deckeneffekt einstellt (vgl. SCHÖTTKE, BATRAM & WIEDL, 1993).<br />

9.6 Zusammenfassung von Studie 1<br />

Studie 1 konnte zeigen, dass die Stabilität des halbierten, ohne Abbruchkriterium durchgeführten<br />

WCST-64 (korrekte Sortierungen) in einer nicht-psychiatrischen Stichprobe zwar<br />

nicht exzellent, aber mit rtt = .70 noch akzeptabel für das geplante Vorgehen ist. Die von<br />

WIEDL et al. (1999) geschätzte kritische Differenz von 15 Karten konnte bestätigt werden.<br />

In der betrachteten nicht-psychiatrischen Stichprobe ergab sich eine Zwei-Komponenten-<br />

Struktur des Tests.


10. Ergebnisse Studie 2:<br />

211<br />

Ergebnisse Studie 2<br />

Ein Vergleich von Methoden zur Veränderungsmessung<br />

im Einzelfall <strong>und</strong> Entwicklung einer Typologie für den<br />

Dynamischen Wisconsin Card Sorting Test<br />

10.1 Vorbemerkungen <strong>und</strong> Ziele von Studie 2<br />

In Studie 1 wurde die Reliabilität des »statischen« Wisconsin Card Sorting Test (WCST-64)<br />

an einer deutschen, nicht-klinischen Stichprobe untersucht <strong>und</strong> die Populationsparameter<br />

geschätzt, die bei der Anwendung von sog. Reliable Change Index Methoden (RCIs,<br />

s. Abschnitt 4.3) zur Bestimmung von Trennwerten benötigt werden.<br />

Die in Studie 1 gewonnenen Daten sollen auf das »<strong>dynamisch</strong>e« Prätest-Training-<br />

Posttest-Design der Schizophrenieforschung (GREEN et al., 1992; WIEDL et al., 1999)<br />

angewendet werden. Dies erfordert eine informierte Auswahl einer RCI-Methode vor dem<br />

Hintergr<strong>und</strong> vergleichender Betrachtungen der statistischen Eigenschaften der vorgestellten<br />

Verfahren. In Abschnitt 4.4 wurde berichtet, dass empirische Untersuchungen auf<br />

diesem Gebiet bislang kein widerspruchsfreies Bild gezeichnet haben. Diese Situation<br />

wurde auf einige gr<strong>und</strong>legende Fehler zurückgeführt, deren Korrektur durch folgende<br />

einfache Maßnahmen erreicht werden kann:<br />

(1.) Alle betrachteten RCIs sollten mit den gleichen Schätzungen der jeweils benötigten<br />

Parameter berechnet werden. Insbesondere die GLN-Methode muss dabei korrekt, d. h.<br />

gemäß der Paralleltestannahme berechnet werden. (2.) Obwohl eine Absicherung der<br />

Transgression des wahren Trennwerts (CSINDIV: HAGEMAN & ARRINDELL, 1993) sinnvoll sein<br />

mag, erschwert die gleichzeitige Variation statistischer <strong>und</strong> klinischer Veränderungskriterien<br />

die Einschätzung der klassifikatorischen Übereinstimmung. Jeder Veränderungsindex<br />

sollte mit dem gleichen Trennwert kombiniert werden. (3.) Um exakte Vergleiche zu<br />

ermöglichen, muss jede analysierte RCI-Methode in die gleiche Performanz-Typologie<br />

einmünden. Diese sollte jede mögliche Kombination von Niveau <strong>und</strong> Veränderung<br />

abbilden, um detaillierte Einblicke in klassifikatorische Abweichungen der Verfahren zu<br />

erlauben. Eine solche Typologie wurde in Abschnitt 4.5 eingeführt.<br />

Studie 2 zielt erstens darauf ab, unter Berücksichtigung dieser Kritikpunkte eine solidere<br />

Urteilsgr<strong>und</strong>lage für die Auswahl von RCIs zur Veränderungsmessung im WCSTdyn zu<br />

schaffen. Von Interesse ist dabei erstens die Konkordanz der Methoden, zweitens ihre<br />

differentiellen statistischen Eigenschaften im Hinblick auf die Feststellung signifikanter<br />

Veränderung. Es ist nicht das Ziel von Studie 2, die verschiedenen RCI-Methoden unter<br />

Rückgriff auf externe Kriterien zu validieren.<br />

Das zweite Ziel von Studie 2 ist die Komposition statistisch homogener, handhabbarer<br />

»Metatypen« im Anschluss an Vorarbeiten der Osnabrücker Gruppe um WIEDL (z. B.<br />

WIEDL et al., 2001): Da die verwendete »feinkörnige« Typologie nicht weniger als zehn<br />

Subtypen umfasst, müssen angesichts der häufig moderaten Stichprobengrößen in der<br />

Schizophrenieforschung Entscheidungen über die Aggregation von Subtypen getroffen<br />

werden.<br />

Drittens soll die Auswirkung der Verwendung US-amerikanischer Normwerte (alters-<br />

<strong>und</strong> bildungskorrigierte T-Werte) nach KONGS et al. (2000) auf die Klassifikationsfrequenzen<br />

<strong>und</strong> Konkordanzen der unterschiedlichen RCI-Methoden untersucht werden.


10.2 Beschreibung der Stichprobe von Studie 2<br />

212<br />

Ergebnisse Studie 2<br />

Studie 2 wurde an den Daten von 400 Patienten mit Schizophrenie-Spektrums-Störungen<br />

<strong>und</strong> der 110 nicht-klinischen Probanden aus Studie 1 durchgeführt. Die nicht-klinische<br />

Gruppe wurde bereits in Studie 1 beschrieben. Tabelle 21 zeigt die verfügbaren soziodemographischen<br />

<strong>und</strong> klinischen Daten der Schizophrenie-Stichprobe, Tabelle 22 gibt einen<br />

Überblick über Diagnosen <strong>und</strong> Medikation. Die Datensätze sind z. T. unvollständig, da<br />

Fragestellungen der Originalarbeiten variierten, Krankenakten nicht zugänglich oder<br />

lückenhaft waren oder weil die Bearbeitungsgeschwindigkeit einiger Teilnehmer so gering<br />

war, dass Abschnitte der Untersuchung aus Rücksichtnahme auf Probanden <strong>und</strong> Einrichtung<br />

übersprungen werden mussten.<br />

Tabelle 21.<br />

Soziodemographische <strong>und</strong> klinische Daten der Stichprobe (Studie 2)<br />

N % % gültig<br />

Geschlecht weiblich 147 36,8 36,8<br />

männlich 253 63,2 63,2<br />

Familienstand ledig 192 48,0 85,3<br />

Partnerschaft 33 8,2 14,7<br />

keine Angabe 175 43,8<br />

Schulabschluss Berufsschulreife 54 13,5 20,8<br />

mittl. Bildungsabschluss 100 25,0 38,5<br />

Fachhochschulreife 39 9,8 15,0<br />

allg. Hochschulreife 67 16,8 25,8<br />

keine Angabe 140 35,0<br />

Ausbildung keine 131 32,8 47,3<br />

Lehre, Fachschule 117 29,2 42,2<br />

Studium (Uni, FH) 29 7,2 10,5<br />

keine Angabe 123 30,8<br />

N M SD Min.-Max.<br />

Alter 400 33,37 9,88 17 – 71<br />

Erstmanifestationsalter 337 24,93 7,72 9 – 54<br />

Erkrankungsdauer 335 8,47 8,77 0 – 50<br />

Anzahl Hospitalisierungen 329 4,40 4,53 0 – 30<br />

Ausbildungsjahre 400 12,23 2,01 8 – 17<br />

Chlorpromazinäquivalente 238 578,67 544,09 0 – 4722<br />

geschätzter prämorbider IQ 212 97,76 13,16 70 – 129<br />

PANSS Summe Positivskala 257 14,25 5,15 7 – 30<br />

PANSS Summe Negativskala 257 16,05 6,44 5 – 38<br />

PANSS Summe G-Skala 273 30,13 10,79 2 – 62<br />

Anmerkungen. PANSS: Positive and Negative Syndrome Scale; G-Skala: Allgemeine Psychopathologie<br />

Es galten folgende Einschlusskriterien: (1.) Ein behandelnder Facharzt oder Diplom-<br />

Psychologe musste die Diagnose einer Erkrankung des Schizophrenie-Spektrums (F2) nach<br />

den diagnostischen Kriterien des ICD-10 (Dilling, Mombour & Schmidt, 1994) gestellt<br />

haben, d. h. es durfte keine körperlich begründbare oder durch psychotrope Substanzen<br />

induzierte Psychose (F06.x, F1x.5) vorliegen. (2.) Die Teilnehmer mussten nach Einschätzung<br />

der behandelnden Ärzte zur Teilnahme in der Lage sein, d. h. sich in einem sub- oder


213<br />

Ergebnisse Studie 2<br />

postakuten Stadium befinden. (3.) Es durften keine akute Intoxikation (F1x.0), kein<br />

schädlicher Gebrauch (F1x.1) <strong>und</strong> keine Abhängigkeit von einer psychotropen Substanz<br />

(F1x.24) bestehen. (4.) Die geschätzte prämorbide verbale Intelligenz sollte ≥ 70 betragen<br />

(Ausschluss F70). (5.) Der Teilnehmer musste über hinreichende Sprachkenntnisse<br />

verfügen.<br />

Tabelle 22.<br />

Diagnosen <strong>und</strong> Pharmakotherapie<br />

N %<br />

Diagnosen F20.0 263 65,8<br />

Psychopharmakotherapie<br />

F20.1 19 4,8<br />

F20.2 6 1,5<br />

F20.3 15 3,8<br />

F20.5 39 9,8<br />

F20.6 4 1,0<br />

F20.8/ F20.9 8 2,0<br />

F21 1 0,3<br />

F23.3 2 0,5<br />

F25.0 10 2,5<br />

F25.1 19 4,8<br />

F25.2 5 1,3<br />

F25.8/ F25.9 9 2,3<br />

kein Antipsychotikum 10 2,5<br />

Antipsychotika 1. Generation 125 31,3<br />

Antipsychotika 2. Generation 187 46,8<br />

AP-Kombination 78 19,5<br />

AP-Monotherapie 208 52,0<br />

AP-Polytherapie 182 45,5<br />

Anticholinergika 109 27,3<br />

Antidepressiva 77 19,3<br />

Sedativa 90 22,5<br />

Phasenprophylaktika 10 2,5<br />

Rekrutierung<br />

Psychiatrische Klinik 232 57,9<br />

Betreutes Wohnen, Pflegeheim 133 33,3<br />

Rehabilitationseinrichtung 14 3,5<br />

Ambulante Therapie 21 5,3<br />

Eine einfache Mehrheit der Probanden ist männlich <strong>und</strong> schloss eine Volks-, Haupt- oder<br />

Realschule ab. Nur eine Minderheit der Stichprobe (< 10 %) schloss ein FH- oder Universitätsstudium<br />

ab.<br />

Insgesamt können knapp 25 % der Gesamtstichprobe als erst- oder kurzzeitig erkrankt<br />

(≤ 1 Jahr, ≤ 1 Episode) <strong>und</strong> etwa 30 % als chronifiziert gelten (≥ 10 Jahre, ≥ 4 Episoden).<br />

Die beiden großen Diagnose-Gruppen der Stichprobe sind die Schizophrenie (fast 90 %),<br />

meist vom paranoiden Prägnanztyp (ca. 66 %), <strong>und</strong> die schizoaffektive Störung (ca. 11 %).<br />

Auf eine detaillierte Darstellung der Verlaufstypen wurde verzichtet, da diese in den Akten<br />

häufig nicht codiert wurden.


214<br />

Ergebnisse Studie 2<br />

Im Vergleich zu US-amerikanischen PANSS-Referenzwerten (MPOS = 19,86 [±6,27]; MNEG =<br />

21,75 [±6,21]; MGEN = 39,68 [±9,48]; N = 240; Werte aus ELLASON & ROSS, 1995) ist die<br />

Stichprobe deutlich weniger symptomatisch (gPOS = -0,98; gNEG = -0,90; gGEN = -0,94), was<br />

auf die unterschiedlichen Voraussetzungen der Rekrutierung <strong>und</strong> Teilnahme an den<br />

jeweiligen Studien zurückgehen dürfte (siehe Einschlusskriterien).<br />

Die verwendeten Chlorpromazinäquivalente (CPZÄ) wurden BENKERT et al. (2005),<br />

WOODS (2003), RIJCKEN, MONSTER, BROUWERS <strong>und</strong> DE JONG-VAN DEN BERG (2003), ATKINS,<br />

BURGESS, BOTTOMLEY <strong>und</strong> RICCIO (1997) <strong>und</strong> JAHN <strong>und</strong> MUSSGAY (1989) entnommen. Bei<br />

inkonsistenten Angaben wurden, je nach Verteilung <strong>und</strong> Spannweite der Expertenempfehlungen,<br />

Mittelwerte (eng beieinander liegende Angaben) oder Modalwerte (viele Übereinstimmungen<br />

mit einzelnen starken Abweichungen) verwendet. Bei fehlenden Dosierungen<br />

(n = 2) wurde eine untere gemittelte Tagesdosisgrenze nach JAHN <strong>und</strong> MUSSGAY (1989)<br />

verwendet. Es zeigten sich keine Zusammenhänge der CPZÄ mit Symptomatik-Faktoren,<br />

allerdings erhielten Patienten mit Schizophrenie-Diagnosen signifikant höhere Dosen als<br />

solche mit Diagnosen einer schizoaffektiven Erkrankung (U = 2417,5; p < .05; r = .15), die<br />

wiederum häufiger Antidepressiva erhielten (33 vs. 17 %: χ 2 [1] = 5,35; p < .05; OR = 2,3).<br />

Die Klassifikation der Antipsychotika (erste vs. zweite Generation bzw. Typika vs. Atypika)<br />

zeigt, dass etwa zwei Drittel der Patienten mit Antipsychotika der zweiten Generation oder,<br />

seltener, mit einer Kombination klassischer <strong>und</strong> neuerer Medikamente behandelt wurden<br />

<strong>und</strong> nur ein Drittel ausschließlich mit typischen Neuroleptika. Unabhängig vom Typ<br />

erhielten etwas mehr als die Hälfte ein einzelnes Antipsychotikum, etwas weniger als die<br />

Hälfte mehrere gleichzeitig.<br />

In der Tabelle nicht dargestellt wurde, dass die Gabe von Antipsychotika der ersten<br />

Generation hochsignifikant mit der adjuvanten Verabreichung von Anticholinergika (z. B.<br />

Biperiden) zusammenhängt: 57 % der Patienten mit klassischem Neuroleptikum, 41 % der<br />

Patienten mit Kombinationsbehandlung, aber nur 10 % der Patienten mit atypischem<br />

Neuroleptikum erhielt gleichzeitig eine Antiparkinson-Medikation gegen extrapyramidalmotorische<br />

Störungen (χ 2 [3] = 51,55; p < .001; OR = 11,9).<br />

Etwas weniger als ein Fünftel der Stichprobe erhielt außerdem Antidepressiva, was<br />

erwartungsgemäß mit dem PANSS-Depressionsfaktor korreliert (r = .22, p < .01), etwas<br />

mehr Sedativa, was mit dem PANSS-Faktor Feindselige Erregung zusammenhängt (r = .17,<br />

p < .05), jedoch nicht weiteren Symptomatik-Faktoren (s. MAß et al., 2000).<br />

Zur Abschätzung des normrelativierten kognitiven Funktionsniveaus wurden die drei<br />

bereits vorgestellten Tests herangezogen: der Wisconsin Card Sorting Test (WCST) in der<br />

64-Karten-Version von KONGS et al. (2000), der Auditiv-Verbale Lerntest (AVLT) in der<br />

Version von HEUBROCK (1992) <strong>und</strong> der Wortschatztest (WST: SCHMIDT & METZLER, 1992).<br />

Für den WCST-64 wurden trotz bestehender Vorbehalte wegen einer möglichen Unterschätzung<br />

der relativen Leistung der Stichprobe die US-amerikanischen Normen für die<br />

falsch sortierten Karten (total errors, TE) verwendet.<br />

Für den AVLT gestaltete sich die Normrelativierung der Gesamtlernleistung ebenfalls<br />

schwierig: Da die »Normen« von HEUBROCK (1994) aufgr<strong>und</strong> der geringen Stichprobengröße<br />

problematisch sind (Männer: n = 17) <strong>und</strong> andere, fremdsprachige Normen entweder<br />

nicht über alle Trials berichten (z. B. QUERY & MEGRAN, 1983) oder nur für junge oder alte<br />

Menschen erstellt wurden (z. B. WIENS, MCMINN & CROSSEN, 1988; IVNIK et al., 1990;<br />

VAN DEN BURG & KINGMA, 1999), wurden erstens die Normen zum Verbalen Lern- <strong>und</strong><br />

Merkfähigkeitstest (VLMT: LUX, HELMSTAEDTER & ELGER, 1999) verwendet. Der VLMT


215<br />

Ergebnisse Studie 2<br />

entspricht in Ablauf <strong>und</strong> Stimuli dem AVLT, mit Ausnahme eines Items (»Truthahn« statt<br />

»Ente«), ist allerdings nur bis zum Alter von 45 Jahren, nur für zwei grobe Alterskategorien<br />

<strong>und</strong> ohne Geschlechterdifferenzierung normiert. Zweitens wurde eine Relativierung an den<br />

hebräischen AVLT-Normen von VAKIL <strong>und</strong> BLACHSTEIN (1997) vorgenommen. Diese bieten<br />

schmalere Alterskategorien, Werte für ältere Probanden (bis 91 J.) <strong>und</strong> separate Geschlechter-Normen.<br />

Allerdings ist die Übertragbarkeit fremdsprachiger Normen fraglich. Auch<br />

werden die einzelnen AVLT-Durchgänge nur getrennt aufgeführt. Um die zur Berechnung<br />

der Standardabweichungen von ΣA1-A5 benötigten Kovarianzen der Trials zu schätzen,<br />

wurden deren Interkorrelationen aus der Stichprobe herangezogen.<br />

WST<br />

WCST-64<br />

AVLT Norm 1<br />

AVLT Norm 2<br />

-1,20 -1,00 -0,80 -0,60 -0,40 -0,20 0,00<br />

Abbildung 13. Vergleich der Leistungen in WST, WCST <strong>und</strong> AVLT (IQ:<br />

n = 212; WCST-64: N = 400; AVLT-Norm 1: n = 262; Norm 2: n = 226);<br />

Norm 1 nach Lux et al. (1999), Norm 2 nach Vakil & Blachstein (1997)<br />

Abbildung 13 zeigt die relativen Leistungen der Stichprobe in den Bereichen prämorbide<br />

kristalline Intelligenz, Konzeptidentifikation <strong>und</strong> kognitive Flexibilität sowie verbales<br />

Gedächtnis. Es ist zu erkennen, dass die prämorbide kristalline Intelligenz unbeeinträchtigt<br />

ist (Mz_IQ = -0,15 ±0,88). Deutliche Defizite zeigen sich im WCST-64 (Mz_WCST = -1,14<br />

±1,01). Diese liegen im Bereich der metaanalytischen Ergebnisse zum WCST-128<br />

(JOHNSON-SELFRIDGE & ZALEWSKI, 2001: ∆ = -1,42; LAWS, 1999: d = 0,91; HEINRICHS &<br />

ZAKZANIS, 1998: d = 0,88), allerdings muss mit einer leichten Überschätzung der Defizite<br />

durch die US-amerikanischen Normen gerechnet werden.<br />

Die Höhe des relativen Defizits des verbal-deklarativen Gedächtnisses variiert mit den<br />

verwendeten Normen ([1] deutsche VMLT-Norm bis 45 Jahre: Mz_AVLT = -0,96 ±1,37;<br />

[2] hebräische AVLT-Norm: Mz_AVLT = -0,58 ±1,56). Beide Effektstärken fallen niedriger<br />

aus als jene aus Metaanalysen (ALEMAN, HIJMAN, DE HAAN & KAHN, 1999: d = 1,21;<br />

HEINRICHS & ZAKZANIS, 1998: d = 1,41). Ingesamt liefern allerdings die VLMT-Normen von<br />

LUX et al. (1999) ein Ergebnis, das stärker im Einklang mit der Bef<strong>und</strong>lage steht.


10.3 WCST-Performanz auf Gruppenebene<br />

216<br />

Ergebnisse Studie 2<br />

Zunächst wurden die Prätest- <strong>und</strong> Posttestdaten der Schizophrenie-Stichprobe mit Hilfe<br />

eines Streudiagramms visuell inspiziert (Abbildung 14, modifiziert nach JACOBSON &<br />

TRUAX, 1991). Zu Illustrationszwecken wurden Achsenparallelen für den Trennwert <strong>und</strong><br />

Diagonalen zur Markierung eines Konfidenzbandes eingezeichnet. Der hier gewählte<br />

Trennwert von 42 korrekt sortierten Karten wird im Folgenden errechnet. Das Vertrauensintervall<br />

von ±15 Karten entspricht der kritischen Differenz, die von WIENÖBST (1993) <strong>und</strong><br />

WIEDL et al. (1999) durch die 1,5-SD-Regel bestimmt wurde. Die Buchstaben indizieren die<br />

in Abschnitt 4.5 beschriebenen Performanztypen.<br />

POST<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

0<br />

f<br />

h<br />

i<br />

i<br />

10<br />

20<br />

30<br />

j<br />

d<br />

40<br />

a<br />

e<br />

Abbildung 14. Streudiagramm der Prä- <strong>und</strong> Posttest-Performanz von 400 Pbn mit<br />

Schizophrenie im WCSTdyn (korrekt sortierte Karten; Achsenparallelen: Trennwert<br />

[= 42]; Diagonalen: Konfidenzband für signifikante Veränderung [= ±15])<br />

Wird zunächst einmal angenommen, dass die Ordinaten-Parallele einen geeigneten<br />

Trennwert repräsentiert – was weiter unten gezeigt wird –, so ist auf den ersten Blick zu<br />

erkennen, dass die Baseline-Leistung einer einfachen Mehrheit von Probanden in den<br />

dysfunktionalen Wertebereich fällt (Typen d, f, h, i, j). Nach »Osnabrücker Regel« mit<br />

DIFFcrit = 15 <strong>und</strong> c = 43 (15P43) entfallen auf diese Subtypen nahezu 59 % der Stichprobe.<br />

Im Posttest kehren sich die Verhältnisse um, jetzt entfallen (für 15P43) über 85 % der<br />

Pbn auf die funktionalen Typen (a, b, c, d, f). Hiermit korrespondiert eine deutlich positive<br />

mittlere Posttest-Prätest-Differenz von etwa 13 korrekten Sortierungen auf Gruppenebene.<br />

Zu erkennen ist ebenfalls die substanzielle negative Schiefe der Verteilungen, da viele<br />

Probanden bereits im Prätest viele korrekt sortierte Karten erzielten (zSchiefe_PRÄ_ROH =<br />

-3,49/ zKurtosis_PRÄ_ROH = -3,37/ zSchiefe_POST_ROH = -13,56/ zKurtosis_POST_ROH = 10,29). Trotz der<br />

bereits geübten Kritik an der US-amerikanischen Normstichprobe von KONGS et al. (2000)<br />

wurden daher die korrekten Sortierungen in alters- <strong>und</strong> bildungskorrigierte T-Werte<br />

überführt (unter Verwendung der Total Errors [TE = 64 - korrekte Sortierungen]).<br />

Nonsignifikante Kolmogorov-Smirnov-Tests <strong>und</strong> die visuelle Inspektion der Histogramme<br />

zeigten, dass die Normalisierung erfolgreich war (zSchiefe_PRÄ_T = 1,68/ zKurtosis_PRÄ_T = -3,26/<br />

zSchiefe_POST_T = -1,73/ zKurtosis_POST_T = 0,27). Zwar wurde der KS-Test für die Posttest-<br />

50<br />

g<br />

b<br />

b<br />

60<br />

c<br />

Legende Typologie<br />

a leistungsstark, verbessert<br />

b stabil leistungsstark<br />

c leistungsstark, verschlechtert<br />

d Grenzfall aufwärts<br />

e Grenzfall abwärts<br />

f bedeutsam verbessert<br />

g bedeutsam verschlechtert<br />

h leistungsschwach, verbessert<br />

i stabil leistungsschwach<br />

j leistungsschwach, verschlechtert<br />

PRÄ


217<br />

Ergebnisse Studie 2<br />

Verteilung der T-Werte noch immer konventionell signifikant (p < .05), allerdings wird<br />

üblicherweise konservativer getestet <strong>und</strong> bei sehr großen Stichproben dem Augenschein der<br />

Vorzug gegeben (vgl. TABACHNICK & FIDELL, 2007, S. 80).<br />

Es sei vorweggenommen, dass eine hohe Kongruenz zwischen den Ergebnissen der<br />

typologischen Analysen auf der Basis von Roh- <strong>und</strong> T-Werten vorliegt, d. h. die berichteten<br />

Voraussetzungsverletzungen ziehen keine substanziellen Konsequenzen nach sich. Wegen<br />

der bestehenden Zweifel an den Normwerten <strong>und</strong> der üblichen Berechnungs- <strong>und</strong> Berichtspraxis<br />

bei Verwendung des WCST in der Schizophrenieforschung werden die Ergebnisse<br />

vorwiegend für Rohwerte berichtet. Wo es angemessen <strong>und</strong> nützlich erscheint, werden<br />

zusätzlich Angaben zu Ergebnissen von Berechnungen an T-Werten gemacht.<br />

Die Rohwert-Veränderung wurde durch den Wilcoxon-Test für verb<strong>und</strong>ene Stichproben<br />

(WILCOXON, 1945) abgesichert: Die Leistung zu T1 fällt hochsignifikant höher aus als zu T0<br />

(T = 3954,5; p < .001; Effekt r = -.77 bzw. d = 1,13). Tabelle 23 stellt die Gruppenstatistiken<br />

<strong>und</strong> Effektstärken für die Gruppenvergleiche dar. Aufgeführt sind Prä- <strong>und</strong> Posttest der<br />

Schizophrenie-Stichprobe für Roh- <strong>und</strong> T-Werte, die WCST-64-Werte der nicht-klinischen<br />

Stichprobe aus Studie 1 <strong>und</strong> die US-amerikanische WCST-64-Normstichrobe von KONGS et<br />

al. (2000).<br />

Tabelle 23.<br />

Deskriptive Statistik <strong>und</strong> Effektstärken für die WCST-Performanz der betrachteten Personenkollektive<br />

für Roh- <strong>und</strong> T-Werte<br />

N M SD MIN MAX Effektstärken (g bzw. dPRÄ)<br />

ROHWERTE (1.) (2.) (4.) (5.)<br />

(1.) WCST-64-PRÄ-SZ 400 38,38 11,70 10 58 --- -1,13 -0,55 -0,92<br />

(2.) WCSTdyn-POST-SZ 400 51,64 10,20 13 64 --- --- 0,69 0,34<br />

(3.) PPD-SZ 400 13,26 12,24 -20 48 --- --- --- ---<br />

(4.) OS-NK (WCST-64) 110 44,60 9,92 19 58 --- --- --- 0,38<br />

(5.) US-NORM 383 48,25 9,45 n. a. n. a. --- --- --- ---<br />

T-WERTE (1.) (2.) (4.)<br />

(1.) WCST-64-PRÄ-SZ 400 38,60 10,10 20 65 --- -1,55 -0,62<br />

(2.) WCSTdyn-POST-SZ 400 54,22 12,86 21 80 --- --- 0,76<br />

(3.) PPD-SZ 400 15,62 13,51 -14 55 --- --- ---<br />

(4.) OS-NK (WCST-64) 110 44,90 10,07 24 63 --- --- ---<br />

Anmerkungen. Positive Effektstärken spiegeln einen höheren Wert der Gruppe in der jeweiligen Zeile wider, negative ES<br />

einen höheren der Spaltengruppe. OS-NK: Osnabrücker nicht-klinische Stichprobe aus Studie 1; PPD: Posttest-Prätest-<br />

Differenzen; PRÄ, POST: Prä- <strong>und</strong> Posttest; SZ: Pbn mit Schizophrenie; US-NORM: Zensus-Substichprobe der Normen von<br />

KONGS et al. (2002, Tabelle 4, S. 24); WCST-64: Wisconsin Card Sorting Test, 64-Karten-Version; WCSTdyn: <strong>dynamisch</strong>er<br />

WCST.<br />

Bei der Betrachtung der Stichprobenkennwerte lässt sich erstens feststellen, dass die<br />

Patientengruppe eine geringfügig größere Streuung <strong>und</strong> Spannweite der korrekt sortierten<br />

Karten im statischen WCST-64 aufweist. Die Größe der Schizophrenie-Stichprobe ermöglicht<br />

eine recht genaue Schätzung des Populationsmittelwertes (SE = 1,15; 95 %-CI = 37,23<br />

– 39,52), so dass ein gewisses Maß an Vertrauen in die später durchgeführte Kontrolle des<br />

Regressionseffektes gesetzt werden kann.


218<br />

Ergebnisse Studie 2<br />

Zweitens stützen die empirisch gegebenen Maxima die theoretischen Überlegungen zur<br />

Leistungsdecke des WCST-64: Bei der einfachen Win-stay/Loose-shift-Strategie werden<br />

unweigerlich mindestens fünf Perseverationsfehler begangen. Ein weiterer Fehler wird zur<br />

Etablierung der ersten Kategorie oder, falls diese erraten wird, aufgr<strong>und</strong> der entstehenden<br />

Konstellation aus mehrdeutigen Karten bei einem späteren Wechsel gemacht. Entsprechend<br />

erreichte kein einziger der 510 <strong>getestete</strong>n klinischen <strong>und</strong> nicht-klinischen Probanden<br />

im statischen WCST-64-Prätest mehr als 58 korrekt sortierte Karten. Dieser Wert markiert<br />

die eigentliche Leistungsdecke des WCST-64 <strong>und</strong> soll daher zur Berechnung von Cutoff-<br />

Werten verwendet werden.<br />

Drittens ist augenfällig, dass die Osnabrücker 15-Punkte-Regel, die aus einer Standardabweichung<br />

von zehn korrekt sortierten Karten abgeleitet wurde (WIENÖBST, 1993),<br />

offenbar trotz der geringen Datenbasis bereits eine recht genaue Schätzung der Populationsstreuung<br />

zugr<strong>und</strong>e legte. Inwieweit diese 1,5-SD-Regel jedoch mit RCI-Methoden i. e.<br />

S. vergleichbar ist, wird im Folgenden untersucht.<br />

10.4 Bestimmung <strong>und</strong> Vergleich der Trennwerte<br />

Aus den Kennwerten in Tabelle 23 wurden folgende Trennwerte berechnet: (1.) Cutoff c<br />

nach JACOBSON et al. (1984) jeweils mit der US-amerikanischen <strong>und</strong> der Osnabrücker<br />

Stichprobe aus Studie 1 zur Schätzung der Kennwerte der funktionalen Population; (2.) den<br />

Trennwert der GLN-Methode, der sich aus den Überlegungen von SCHÖTTKE et al. (1993)<br />

ergibt: Liegt die Leistungsdecke eines Tests innerhalb des um den vorhergesagten Paralleltestwert<br />

gelegten Konfidenzintervalls, so kann keine statistisch signifikante Verbesserung<br />

mehr konstatiert werden. Es ist also möglich, alternativ zu normativ begründeten Trennwerten<br />

einen rein methodologisch-statistisch f<strong>und</strong>ierten Cutoff zur Identifikation besonders<br />

leistungsstarker Personen zu berechnen <strong>und</strong> diesen mit Cutoff c zu vergleichen.<br />

Hierbei muss allerdings berücksichtigt werden, dass dieser GLN-Cutoff für den regressionsanalytisch<br />

geschätzten Paralleltestwert gilt, der bei hohen Werten näher am Mittelwert der<br />

Population liegt. Zur Abschätzung des Anteils jener Personen, bei denen Deckeneffekte eine<br />

weitere Verbesserung vereiteln, muss dieser Paralleltestwert betrachtet werden. Tabelle 24<br />

gibt eine Übersicht über die berechneten Trennwerte.<br />

Es ist offensichtlich, dass die Trennwerte a <strong>und</strong> b aufgr<strong>und</strong> der starken Überlappung der<br />

Verteilungen zu strikt bzw. zu liberal ausfallen <strong>und</strong> nicht zu gebrauchen sind. Interessanterweise<br />

liegen die beiden aus der US-amerikanischen <strong>und</strong> der Osnabrücker Vergleichsstichprobe<br />

berechneten Trennwerte c, denen zufolge die Leistung der funktionalen<br />

Population bei 42 bzw. 44 korrekten Sortierungen beginnt, nur eine Karte unter bzw. über<br />

dem ursprünglich von WIENÖBST (1993) anhand einer Stichprobe von nur 23 Probanden<br />

bestimmten Trennwert von 43. Der Trennwert für die Verwendung von T-Werten liegt<br />

ebenfalls bei 41,75.


Tabelle 24.<br />

Übersicht über berechnete Trennwerte<br />

Trennwert Berechnung Wert<br />

Trennwert a 38,38 + 2*11,70 61,79<br />

Trennwert b (US) 48,25 - 2*9,45 29,35<br />

Trennwert b (OS) 44,60 - 2*9,92 24,75<br />

Trennwert c (US) 38,38*9,45 + 48,25*11,70<br />

9,45 + 11,70<br />

Trennwert c (OS) 38,38*9,92 + 44,60*11,70<br />

9,92*11,70<br />

219<br />

Ergebnisse Studie 2<br />

43,84<br />

41,75<br />

Standardvorhersagefehler 11,70*(1 - .70 2 ) 0,5 8,36<br />

Trennwert GLN 58 - 8,36*1,96 41,62<br />

Trennwert c (OS), T-Werte 38,60*10,07 + 44,90*10,10<br />

10,07 + 10,10<br />

41,75<br />

Anmerkungen. Die Formeln wurden in Abschnitt 4.3 dargestellt. Die aufgeführten Werte in den<br />

Berechnungen wurden auf zwei Stellen ger<strong>und</strong>et.<br />

Auch die Untergrenze des für die GLN-Methode berechneten Konfidenzintervalls liegt bei<br />

42 (41,62) Karten. Aufgr<strong>und</strong> dieser Ergebnisse <strong>und</strong> den Zweifeln an der WCST-64-Normstichprobe<br />

erscheint somit ein Trennwert c von 42 angemessen. Für die GLN-Methode in<br />

der Formulierung von SCHÖTTKE et al. (1993) handelt es sich jedoch, wie erwähnt, nicht um<br />

einen Wert, der »funktionale« <strong>und</strong> »dysfunktionale« Population trennt, sondern um den<br />

Wert, oberhalb dessen der geschätzte individuelle Paralleltestwert nicht liegen darf, um<br />

überhaupt noch Verbesserung feststellen zu können – alle Personen mit höherem Paralleltestwert<br />

sind leistungsstarke »Deckeneffekt-Probanden«. Obwohl im Folgenden eine<br />

Typisierung in Anlehnung an JACOBSON <strong>und</strong> TRUAX (1991) verwendet wird, soll später der<br />

Anteil dieser Deckeneffekt-Probanden mit dem der funktionalen Probanden bei Verwendung<br />

des Trennwerts c in Kombination mit der GLN-Methode verglichen werden.<br />

Zusätzlich zur klassifikatorischen Übereinstimmung unterschiedlicher RCI-Methoden<br />

mit einem einheitlichen Trennwert von 42 soll im Folgenden auch die »15-Punkte-Regel«<br />

mit den beiden alternativen Cutoffs (15P43/15P42) untersucht werden, um den Vergleich<br />

mit früheren Arbeiten zu erleichtern (z. B. WIEDL et al., 1999).


10.5 Binnendifferenzierungen der Stichprobe<br />

220<br />

Ergebnisse Studie 2<br />

Vor der Anwendung von RCI-Methoden sollen zunächst die Verteilung der klassischen<br />

Osnabrücker Lernertypen (WIENÖBST, 1993; WIEDL et al., 1999) <strong>und</strong> die Konsequenz der<br />

Verschiebung des Trennwertes um einen Punkt (d. h. 43 42 Karten) quantifiziert werden.<br />

Zur Erinnerung: Die Highscorer-Identifikation richtet sich hier ausschließlich nach dem<br />

Prätest, das kritische Intervall zur Identifikation von Lernern beträgt unabhängig von der<br />

Position eines Werts in der Verteilung stets +15 korrekt sortierte Karten, Verschlechterungen<br />

bleiben unberücksichtigt.<br />

Tabelle 25.<br />

Kreuztabelle zweier Varianten des Osnabrücker Typisierungs-Algorithmus<br />

mit variiertem Trennwert<br />

WCST-Lernerstatus<br />

(c = 42)<br />

Anmerkung. κ = .94; c = Trennwert<br />

WCST-Lernerstatus (c = 43)<br />

Nichtlerner Lerner Highscorer Gesamt<br />

Nichtlerner 62 0 0 62<br />

Lerner 0 158 0 158<br />

Highscorer 11 4 165 180<br />

Gesamt 73 162 165 400<br />

Durch die leichte Senkung der Highscorer-Schwelle werden etwa 15 % (11/ 73) der<br />

ursprünglichen Nichtlerner als leistungsstark klassifiziert, entsprechend sinkt die durchschnittliche<br />

Leistung der leistungsschwachen Subgruppe leicht von MPrä = 32,5 (±9,8) bzw.<br />

MPost = 37,4 (±12,7) auf MPrä = 30,8 (±9,7) bzw. MPost = 35,5 (±12,3). Auch aus der<br />

ursprünglichen Lerner-Subgruppe werden vier Pbn (2,5 %) mit einem Startwert von 42<br />

Karten zu Leistungsstarken. Die Verteilungskennwerte der beiden weiteren Subgruppen<br />

ändern sich aufgr<strong>und</strong> deren stärkerer Besetzung praktisch nicht (Lerner: MPrä = 29,7 [±7,9]<br />

bzw. MPost = 54,8 [±5,9] MPrä = 29,4 [±7,7] bzw. MPost = 54,7 [±5,9]; Leistungsstarke:<br />

MPrä = 49,5 [±3,9] bzw. MPost = 54,9 [±6,2] MPrä = 48,9 [±4,2] bzw. MPost = 54,6 [±6,5]).<br />

Die Homogenitäten der Gruppen werden in Tabelle 40 vergleichend dargestellt.<br />

Um eine maximale Binnendifferenzierung der Stichprobe zu erreichen, wurde als<br />

nächster Schritt die in Abschnitt 4.5 vorgestellte statistische Typologie sowohl auf Roh- als<br />

auch auf T-Werte angewendet: Anhand der Kombination des Trennwerts 42 mit vier<br />

Methoden zur Feststellung statistisch signifikanter Veränderung im Einzelfall wurden alle<br />

400 Fälle zehn Performanztypen zugeordnet (d. h. nach Osnabrücker 15-Punkte-Regel:<br />

WIEDL et al., 1999; nach klassischem RCI in der Formulierung von IVERSON et al., 2003;<br />

nach der GLN-Methode: HSU, 1989; SCHÖTTKE et al., 1993; <strong>und</strong> nach dem URCI: ZEGERS &<br />

HAFKENSCHEID, 1994). Die für die Verwendung des URCI (bzw. »RCINDIV«) von HAGEMAN<br />

<strong>und</strong> ARRINDELL (1999) geforderte minimale Zuverlässigkeit der Differenzen von rDD ≥ .40<br />

ist dabei gegeben: Da die korrekten Sortierungen in Prä- <strong>und</strong> Posttest zu r = .38 korrelieren,<br />

ergibt sich angesichts der Streuungen in Tabelle 23 <strong>und</strong> der Reliabilität von rtt = .70<br />

eine Reliabilität der Differenzen von rDD = .52 (s. Formel 1). Bevor die Subtypen-Häufigkeiten<br />

dargestellt werden, wiederholt Tabelle 26 noch einmal die Klassifikationslogik.


Tabelle 26.<br />

Zehn WCST-Performanztypen als Resultat des zweifachen RCI-Kriteriums<br />

WCST-Prätest<br />

Beeinträchtigt (D)<br />

Funktional (F)<br />

Verbesserung<br />

RCI ≥ zcrit<br />

Stabilität<br />

- zcrit < RCI < zcrit<br />

Verschlechterung<br />

RCI ≤ - zcrit<br />

Verbesserung<br />

RCI ≥ zcrit<br />

Stabilität<br />

-zcrit < RCI < zcrit<br />

Verschlechterung<br />

RCI ≤ -zcrit<br />

221<br />

WCST-Posttest<br />

Beeinträchtigt (D) Funktional (F)<br />

verbesserte<br />

Leistungsschwache [NL+]<br />

konstant Leistungsschwache<br />

[NL±]<br />

verschlechterte<br />

Leistungsschwache [NL-]<br />

logisch unmöglicher Fall<br />

Grenzfälle abwärts<br />

[GF-]<br />

Verschlechterer i. e. S.<br />

[VS]<br />

Ergebnisse Studie 2<br />

Verbesserer, Lerner<br />

[LR]<br />

Grenzfälle aufwärts<br />

[GF+]<br />

logisch unmöglicher Fall<br />

verbesserte Leistungsstarke<br />

[HS+]<br />

konstant Leistungsstarke<br />

[HS±]<br />

verschlechterte<br />

Leistungsstarke [HS-]<br />

Anmerkungen. zcrit: kritischer z-Wert, hier 1,96; +: statistisch signifikante Verbesserung; -: statistisch signifikante<br />

Verschlechterung; ±: keine statistische Veränderung; GF: Grenzfälle; HS: »Highscorer«; LR: »Lerner«; NL:<br />

»Nichtlerner«; RCI: Reliable Change Index; VS: Verschlechterer; WCST: Wisconsin Card Sorting Test<br />

Tabelle 27 präsentiert die Häufigkeiten der Subtypen für die verschiedenen RCI-Methoden,<br />

die jeweiligen Standardfehler <strong>und</strong> den Anteil statistisch signifikant verbesserter Probanden<br />

pro Methode (d. h. HS+ + LR + NL+). Insgesamt scheinen die vier Methoden sowohl<br />

innerhalb der Rohwerte als auch innerhalb der T-Werte zu vergleichbaren Ergebnissen zu<br />

gelangen. Unterschiedstests <strong>und</strong> Konkordanzzahlen werden im Anschluss berichtet.<br />

Im betrachteten Personenkollektiv wurden nur neun von zehn möglichen Typen realisiert:<br />

Es fanden sich keine verschlechterten Leistungsstarken – zweifellos, weil eine<br />

statistisch bedeutsame Verschlechterung oberhalb des Trennwerts zugleich eines extrem<br />

hohen Prätestwerts <strong>und</strong> einer starken Verschlechterung bedurft hätte, die auch auf<br />

niedrigerem Leistungsniveau ein sehr seltenes Ereignis darstellt, wie das Feld »Verschlechterer«<br />

belegt (< 1 %).<br />

Die mit Abstand größten Subgruppen bilden die einfachen Highscorer (32-42 %) <strong>und</strong> die<br />

echten Verbesserer (34-42 %), die jeweils ein Drittel bis zwei Fünftel der Gesamtgruppe<br />

ausmachen. Drei Gruppen (verbesserte <strong>und</strong> verschlechterte Leistungsschwache sowie<br />

einfache Wechsler in den dysfunktionalen Bereich) fallen kaum ins Gewicht (< 3,5 %).<br />

Die deutlichsten Divergenzen zwischen den Methoden ergeben sich für die Gruppe der<br />

einfachen Aufwärts-Kategorienwechsler (Grenzfälle aufwärts): Hier kommen bei Verwendung<br />

von Rohwerten (obere Tabellenhälfte) die beiden konservativsten Methoden (kRCI<br />

<strong>und</strong> GLN) zu beinahe achtmal so vielen Fällen wie der liberale URCI, der dafür entsprechend<br />

mehr Probanden als echte Verbesserer klassifiziert. In beiden Score-Bereichen<br />

entscheidet der URCI am häufigsten auf statistisch signifikante Verbesserung (RW: 56 %;<br />

T: 61 %) – die mit Hypothese 2.2 getätigte Vorhersage ist also eingetroffen.


222<br />

Ergebnisse Studie 2<br />

Tabelle 27.<br />

Standardfehler, Häufigkeiten der Subtypen <strong>und</strong> Anteile statistisch signifikant verbesserter<br />

Probanden für die drei RCI-Methoden <strong>und</strong> die zwei 1,5-SD-Regeln<br />

Methode kRCI GLN URCI 15P42 15P43<br />

Rohwerte<br />

SER 8.50 8.36 6.12 n. a. n. a.<br />

RCI ≥ zcrit 147 (36.75 %) 150 (37.50 %) 224 (56.00 %) 176 (44.00 %) 176 (44.00 %)<br />

HS+R 6 (1.50 %) 16 (4.00 %) 43 (10.75 %) 18 (4.50 %) 14 3,50 %<br />

HS±R 166 (41.50 %) 156 (39.00 %) 129 (32.25 %) 154 (38.50 %) 144 36,00 %<br />

GF+R 38 (9.50 %) 39 (9.75 %) 5 (1.25 %) 22 (5.50 %) 29 7,25 %<br />

GF-R 6 (1.50 %) 8 (2.00 %) 8 (2.00 %) 5 (1.25 %) 5 1,25 %<br />

LRR 135 (33.75 %) 134 (33.50 %) 168 (42.00 %) 151 (37.75 %) 155 38,75 %<br />

VSR 2 (0.50 %) 0 (0.00 %) 0 (0.00 %) 3 (0.75 %) 2 0,50 %<br />

NL+R 6 (1.50 %) 0 (0.00 %) 13 (3.25 %) 7 (1.75 %) 7 1,75 %<br />

NL±R 40 (10.0 %) 46 (11.50 %) 34 (8.50 %) 39 (9.75 %) 42 10,50 %<br />

NL-R 1 (0.25 %) 1 (0.25 %) 0 (0.00 %) 1 (0.25 %) 2 0,50 %<br />

T-Werte<br />

SET 8.96 7.21 6.70 n. a. n. a.<br />

RCI ≥ zcrit 171 (42.75 %) 219 (54.75 %) 244 (61.00 %) 203 (50.75 %) n. a. n. a.<br />

HS+T 32 (8.00 %) 65 (16.25 %) 62 (15.50 %) 43 (10.75 %) n. a. n. a.<br />

HS±T 118 (29.50 %) 85 (21.25 %) 88 (22.00 %) 107 (26.75 %) n. a. n. a.<br />

GF+T 54 (13.50 %) 39 (9.75 %) 15 (3.75 %) 33 (8.25 %) n. a. n. a.<br />

GF-T 8 (2.00 %) 8 (2.00 %) 8 (2.00 %) 8 (2.00 %) n. a. n. a.<br />

LRT 138 (34.50 %) 153 (38.25 %) 177 (44.25 %) 159 (39.75 %) n. a. n. a.<br />

VST 0 (0.00 %) 0 (0.00 %) 0 (0.00 %) 0 (0.00 %) n. a. n. a.<br />

NL+T 1 (0.25 %) 1 (0.25 %) 5 (1.25 %) 1 (0.25 %) n. a. n. a.<br />

NL±T 49 (12.25 %) 49 (12.25 %) 45 (11.25 %) 49 (12.25 %) n. a. n. a.<br />

NL-T 0 (0.00 %) 0 (0.00 %) 0 (0.00 %) 0 (0.00 %) n. a. n. a.<br />

Anmerkungen. N = 400; Abkürzungen der Subtypen s. Tabelle 26; Angaben für 15P42 (1,5 SD) für T-Werte basieren auf SD<br />

= 10; kRCI: »klassischer« Reliable Change Index; GLN: Gulliksen-Lord-Novick-Methode; URCI: Zegers-Hafkenscheid-<br />

Methode; 15P42, 15P43: 15-Punkte-Regel mit Trennwert 42 bzw. 43; RCI ≥ zcrit: Häufigkeit statistisch signifikanter<br />

Verbesserung; R: Rohwerte; SE: Standardfehler des jeweiligen RCIs; T: T-Werte<br />

Ein weiterer augenfälliger Unterschied besteht zwischen kRCI <strong>und</strong> GLN-Methode in den<br />

Extrembereichen (konstante vs. verbesserte Leistungsstarke <strong>und</strong> konstante vs. verbesserte<br />

Leistungsschwache): Hier urteilt das GLN-Verfahren, das eine Regression zur Mitte in<br />

Rechnung stellt, konservativer über »konzentrische« Verbesserungen vom unteren Extrem<br />

<strong>und</strong> liberaler über »exzentrische« Verbesserungen zur Decke.<br />

Die Verwendung von T-Werten resultiert schließlich in einem durchgehend höheren<br />

Anteil statistisch signifikant verbesserter Probanden, was größtenteils auf den steigenden<br />

Anteil verbesserter Leistungsstarker (HS+T) zurückgeht (wiederum akzentuiert beim GLN-<br />

Index, wo sich deren Anteil vervierfacht). Dies ist eine Konsequenz aus der Normalisierung<br />

der Daten, bei der hohen Rohwerten zunehmend höhere T-Werte zugeordnet werden (bis<br />

64 korrekt sortierte Karten T = 80). Für die vorliegende Stichprobe lässt sich dieser


223<br />

Ergebnisse Studie 2<br />

Zusammenhang zwischen Posttest-Roh- <strong>und</strong> T-Werten durch die Exponentialfunktion TPräd<br />

= 14,32*e 0,03*WCST_C beschreiben (R 2 = .94). Dies wirkt mit der Berücksichtigung der<br />

Regression zur Mitte der GLN-Methode zusammen, so dass nahe der Decke relativ geringe<br />

Verbesserungen ausreichen, um hohe T-Wert-Differenzen <strong>und</strong> damit statistisch signifikante<br />

Verbesserungen zu erzielen (so reichte z. B. in einem Fall bei 9 Bildungsjahren <strong>und</strong><br />

einem Prätest von 50 eine Posttest-Prätest-Differenz von nur 7 Karten).<br />

Der mit Hilfe der nicht-klinischen Stichprobe bestimmte Trennwert c fällt für T-Werte<br />

offenbar strikter aus: Während die RCIs auf der Basis von Rohwerten insgesamt 172 Pbn als<br />

Leistungsstarke (HS+, HS±) klassifizieren, liegen nur die T-Werte von 150 Pbn durchgängig<br />

überschwellig. Würde tatsächlich ein T-Wert von 50 als Mittelwert der funktionalen<br />

Population verwendet, wären es im Übrigen lediglich 119 Leistungsstarke. Allerdings ist<br />

auch deutlich, dass sich die Differenz auf Grenzfälle <strong>und</strong> Verbesserer verteilt – die Verwendung<br />

von Roh- <strong>und</strong> T-Werten resultiert etwa in der gleichen Zahl Leistungsschwacher (NL:<br />

47 bzw. 50).<br />

Tabelle 28 stellt die deskriptiven Statistiken für Rohwerte separat für jede Rohwert-<br />

Subgruppe über alle Methoden hinweg dar. Aufgr<strong>und</strong> der z. T. kleinen Subgruppengrößen<br />

wurden Wilcoxon-Tests berechnet. Die Effektstärke dPrä (s. MAIER-RIEHLE & ZWINGMANN,<br />

2000) wurde mit der Prätest-Streuung der Gesamtgruppe berechnet. r wurde geschätzt<br />

über Z/N 0,5 .<br />

Tabelle 28.<br />

Deskriptive <strong>und</strong> Teststatistik (Wilcoxon) sowie Effekte der Veränderung für die<br />

Subgruppen nach verschiedenen RCIs (Rohwerte)<br />

Typ RCI<br />

HS+<br />

HS±<br />

GF+<br />

15P43<br />

15P42<br />

kRCI<br />

GLN<br />

URCI<br />

15P43<br />

15P42<br />

kRCI<br />

GLN<br />

URCI<br />

15P43<br />

15P42<br />

kRCI<br />

GLN<br />

URCI<br />

M(SD)PRÄ<br />

(Range)<br />

46,14 (±1,99)<br />

(43 – 49)<br />

45,22 (±2,49)<br />

(42 – 49)<br />

45,00 (±2,10)<br />

(42 – 47)<br />

45,63 (±2,33)<br />

(42 – 49)<br />

45,42 (±2,81)<br />

(42 – 52)<br />

50,02 (±3,82)<br />

(43 – 58)<br />

49,54 (±4,15)<br />

(42 – 58)<br />

49,23 (±4,21)<br />

(42 – 58)<br />

49,44 (±4,21)<br />

(42 – 58)<br />

50,31 (±3,90)<br />

(42 – 58)<br />

39,38 (±2,72)<br />

(31 – 42)<br />

38,36 (±2,42)<br />

(31 – 41)<br />

38,05 (±3,00)<br />

(31 – 41)<br />

36,87 (±3,60)<br />

(29 – 41)<br />

39,20 (±1,79)<br />

(36 – 40)<br />

M(SD)POST<br />

(Range)<br />

62,57 (±1,91)<br />

(59 – 64)<br />

61,50 (±2,68)<br />

(57 – 64)<br />

63,00 (±2,00)<br />

(59 – 64)<br />

62,06 (±2,26)<br />

(58 – 64)<br />

59,37 (±3,30)<br />

(53 – 64)<br />

55,10 (±4,08)<br />

(43-64)<br />

54,86 (±4,17)<br />

(42 – 64)<br />

55,28 (±4,36)<br />

(42 – 64)<br />

54,88 (±4,15)<br />

(42 – 64)<br />

54,28 (±4,15)<br />

(42 – 64)<br />

51,10 (±2,97)<br />

(43 – 56)<br />

49,73 (±3,76)<br />

(42 – 55)<br />

51,16 (±4,06)<br />

(42 – 57)<br />

50,23 (±3,62)<br />

(42 – 56)<br />

46,00 (±4,00)<br />

(42 – 50)<br />

M(SD)PPD<br />

(Range)<br />

16,43 (±1,60)<br />

(15 – 20)<br />

16,28 (±1,49)<br />

(15 – 20)<br />

18,00 (±1,26)<br />

(17 – 20)<br />

16,44 (±1,50)<br />

(15 – 20)<br />

13,95 (±2,34)<br />

(11 – 20)<br />

5,08 (±4,87)<br />

(-9 – 14)<br />

5,32 (±5,00)<br />

(-9 – 14)<br />

6,05 (±5,49)<br />

(-9 – 16)<br />

5,44 (±5,09)<br />

(-9 – 15)<br />

3,97 (±4,29)<br />

(-9 – 10)<br />

11,72 (±2,02)<br />

(7 – 14)<br />

11,36 (±3,29)<br />

(2 – 14)<br />

13,11 (±3,24)<br />

(2 – 16)<br />

13,36 (±3,42)<br />

(2 – 18)<br />

6,80 (±4,38)<br />

(2 – 10)<br />

Test-<br />

statistik<br />

T = 0<br />

p < .001<br />

T = 0<br />

p < .001<br />

T = 0<br />

p < .05<br />

T = 0<br />

p < .001<br />

T = 0<br />

p < .001<br />

T = 599,5<br />

p < .001<br />

T = 671,5<br />

p < .001<br />

T = 671,5<br />

p < .001<br />

T = 671,5<br />

p < .001<br />

T = 671,5<br />

p < .001<br />

T = 0<br />

p < .001<br />

T = 0<br />

p < .001<br />

T = 0<br />

p < .001<br />

T = 0<br />

p < .001<br />

T = 0<br />

p < .06<br />

r <strong>und</strong><br />

dPrä<br />

.89<br />

1,40<br />

.89<br />

1,39<br />

.91<br />

1,54<br />

.89<br />

1,40<br />

.87<br />

1,19<br />

.73<br />

0,43<br />

.73<br />

0,45<br />

.75<br />

0,52<br />

.74<br />

0,46<br />

.68<br />

0,34<br />

.88<br />

1,00<br />

.88<br />

0,97<br />

.87<br />

1,12<br />

.87<br />

1,14<br />

.93<br />

0,58


Tabelle 28 (Fortsetzung).<br />

GF-<br />

LR<br />

VS<br />

NL+<br />

NL±<br />

NL-<br />

15P43<br />

15P42<br />

kRCI<br />

GLN<br />

URCI<br />

15P43<br />

15P42<br />

kRCI<br />

GLN<br />

URCI<br />

45,60 (±2,41)<br />

(43-48)<br />

44,40 (±2,41)<br />

(42 – 47)<br />

44,00 (±2,37)<br />

(42 – 47)<br />

45,00 (±2,73)<br />

(42 – 48)<br />

45,00 (±2,73)<br />

(42 – 48)<br />

30,23 (±7,60)<br />

(15 – 42)<br />

29,91 (±7,45)<br />

(15 – 41)<br />

29,00 (±7,26)<br />

(15 – 41)<br />

29,28 (±7,55)<br />

(15 – 41)<br />

30,74 (±7,53)<br />

(15 – 41)<br />

36,40 (±4,88)<br />

(29-42)<br />

35,20 (±3,77)<br />

(29 – 39)<br />

33,83 (±4,75)<br />

(27 – 39)<br />

33,00 (±4,31)<br />

(27 – 39)<br />

33,00 (±4,31)<br />

(27 – 39)<br />

55,56 (±4,59)<br />

(46-64)<br />

55,50 (±4,64)<br />

(46 – 64)<br />

55,79 (±4,67)<br />

(46 – 64)<br />

56,09 (±4,44)<br />

(46 – 64)<br />

55,03 (±4,71)<br />

(43 – 64)<br />

224<br />

-9,20 (±3,03)<br />

(-14 – -6)<br />

-9,20 (±3,03)<br />

(-14 – -6)<br />

-10,17 (±3,60)<br />

(-15 – -6)<br />

-12,00 (±4,57)<br />

(-18 – -6)<br />

-12,00 (±4,57)<br />

(-18 – -6)<br />

25,34 (±7,67)<br />

(15-48)<br />

25,59 (±7,61)<br />

(15 – 48)<br />

26,79 (±7,15)<br />

(17 – 48)<br />

26,81 (±7,19)<br />

(16 – 48)<br />

24,29 (±8,20)<br />

(11 – 48)<br />

T = 0<br />

p < .06<br />

T = 0<br />

p < .06<br />

T = 0<br />

p < .05<br />

T = 0<br />

p < .05<br />

T = 0<br />

p < .05<br />

T = 0<br />

p < .001<br />

T = 0<br />

p < .001<br />

T = 0<br />

p < .001<br />

T = 0<br />

p < .001<br />

T = 0<br />

p < .001<br />

Ergebnisse Studie 2<br />

-.91<br />

-0,79<br />

-.91<br />

-0,79<br />

-.90<br />

-0,87<br />

-.89<br />

-1,03<br />

-.89<br />

-1,03<br />

.87<br />

2,16<br />

.87<br />

2,19<br />

.87<br />

2,29<br />

.87<br />

2,29<br />

.87<br />

2,07<br />

15P43 48 30/ 31 -18/ -17 n. a. n. a.<br />

15P42<br />

46,00 (±3,46)<br />

(42 – 48)<br />

29,33 (±2,08)<br />

(27 – 31)<br />

-16,67 (±1,53)<br />

(-18 – -15)<br />

n. a. n. a.<br />

kRCI 48 30/ 31 -18/ -17 n. a. n. a.<br />

15P43<br />

17,71 (±2,36)<br />

(16-22)<br />

37,14 (±2,54)<br />

(33-40)<br />

19,43 (±3,05)<br />

(15-23)<br />

T = 0<br />

p < .05<br />

.90<br />

1,66<br />

15P42<br />

17,71 (±2,36)<br />

(16 – 22)<br />

37,14 (±2,54)<br />

(33 – 40)<br />

19,43 (±3,05)<br />

(15 – 23)<br />

T = 0<br />

p < .05<br />

.90<br />

1,66<br />

kRCI<br />

17,33 (±2,34)<br />

(16 – 22)<br />

37,50 (±2,59)<br />

(33 – 40)<br />

20,17 (±2,56)<br />

(17 – 23)<br />

T = 0<br />

p < .05<br />

.90<br />

1,72<br />

URCI<br />

17,08 (±2,06)<br />

(14 – 22)<br />

33,31 (±4,77)<br />

(27 – 40)<br />

16,23 (±4,28)<br />

(11 – 23)<br />

T = 0<br />

p < .01<br />

.88<br />

1,39<br />

15P43<br />

27,29 (±9,93)<br />

(10-42)<br />

28,64 (±7,57)<br />

(13-42)<br />

1,36 (±7,18)<br />

(-14 – 14)<br />

T = 355,5<br />

n. s.<br />

.15<br />

0,12<br />

15P42<br />

26,26 (±9,54)<br />

(10 – 41)<br />

27,77 (±7,09)<br />

(13 – 39)<br />

1,51 (±7,36)<br />

(-14 – 14)<br />

T = 295,5<br />

n. s.<br />

.17<br />

0,13<br />

kRCI<br />

26,10 (±9,47)<br />

(10 – 41)<br />

27,95 (±7,09)<br />

(13 – 39)<br />

1,85 (±7,57)<br />

(-14 – 15)<br />

T = 295,5<br />

n. s.<br />

.21<br />

0,16<br />

GLN<br />

24,96 (±9,34)<br />

(10 – 41)<br />

29,20 (±7,41)<br />

(13 –40)<br />

4,24 (±9,45)<br />

(-14 – 23)<br />

T = 295,5<br />

p < .05<br />

.37<br />

0,36<br />

URCI<br />

28,44 (±9,40)<br />

(10 – 41)<br />

27,38 (±7,66)<br />

(13 – 39)<br />

-1,06 (±6,88)<br />

(-20 – 9)<br />

T = 238,5<br />

n. s.<br />

-.13<br />

-0,09<br />

15P43 41/ 42 21/ 27 -20/ -15 n. a. n. a.<br />

15P42 41 21 -20 n. a. n. a.<br />

kRCI 41 21 -20 n. a. n. a.<br />

GLN 41 21 -20 n. a. n. a.<br />

Anmerkungen. Die Vorzeichen der Effektgrößen (ES) wurden entsprechend der Richtung der Veränderung<br />

gesetzt, d. h. negative Vorzeichen indizieren Verschlechterung. Die Berechnung von r für den Wilcoxon-Test<br />

erfolgte nach ROSENTHAL (1991). Die ES dprä wurde mit der Gesamtpräteststreuung berechnet.<br />

HS+: statistisch signifikant verbesserte Highscorer; HS± stabile Highscorer; GF+: Aufwärts-Grenzfälle; GF-:<br />

Abwärts-Grenzfälle; LR: klinisch bedeutsame Verbesserer, »Lerner«; VS: klinisch bedeutsame Verschlechterer;<br />

NL+ verbesserte Leistungsschwache, »Nichtlerner«; NL±: stabile Leistungsschwache; NL-: verschlechterte<br />

Leistungsschwache; 15P43/ 15P42: 15-Punkte-Regel, Trennwert 43 bzw. 42; kRCI: »klassischer« Reliable<br />

Change Index; GLN: Gulliksen-Lord-Novick-RCI; PPD: Posttest-Prätest-Differenz; URCI: »ultimativer« RCI


10.6 Unterschiedstests <strong>und</strong> Konkordanzen der RCIs<br />

225<br />

Ergebnisse Studie 2<br />

Um Cochrans Q als Omnibus-Test der Unterschiede zwischen den Ergebnissen der Indices<br />

berechnen zu können, wurden diese an zcrit = 1,96 bzw. an PPDcrit = 15 dichotomisiert (d. h.<br />

signifikante Verbesserung vs. keine Verbesserung). Verschlechterer blieben aufgr<strong>und</strong> ihrer<br />

geringen Anzahl unberücksichtigt. Cochrans Q wurde hochsignifikant für den Vergleich<br />

aller vier Methoden (kRCI, GLN, URCI, 15P42: χ 2 [3] = 162.7, p < .001) <strong>und</strong> für den<br />

Vergleich der drei RCIs (χ 2 [2] = 128.2, p < .001). Für jedes Variablenpaar wurden im<br />

Anschluss McNemars χ 2 -Tests berechnet. Diese bestätigen den ersten Eindruck: Alle<br />

Methoden unterscheiden sich hochsignifikant (p < .001), mit Ausnahme von kRCI <strong>und</strong><br />

GLN (p > .05), d. h. Hypothese 2.1 findet Bestätigung.<br />

Als nächstes wurde die klassifikatorische Übereinstimmung der berechneten Indices<br />

untersucht. Betrachtet wurden die absoluten Prozentsätze gleich klassifizierter Probanden<br />

ohne Korrektur durch die Zufallserwartung <strong>und</strong> Cohens Kappa-Werte (COHEN, 1960), also<br />

der Anteil an zufallskorrigierter Übereinstimmung. Tabelle 29 zeigt die Inter-Methoden-<br />

Konkordanzen, d. h. die Übereinstimmungen der Resultate verschiedener RCI-Methoden<br />

innerhalb der Rohwerte bzw. T-Werte <strong>und</strong> die Intra-Methoden-Konkordanzen, d. h. die<br />

Übereinstimmung der Ergebnisse einer Methode für Rohwerte <strong>und</strong> T-Werte.<br />

Tabelle 29.<br />

Inter-Methoden-Konkordanzen der RCI-Methoden (κ) für Rohwerte (o. r.) <strong>und</strong> T-Werte<br />

(u. l.) sowie Intra-Methoden-Konkordanzen (grau)<br />

15P43 382 (95,50 %)<br />

.936<br />

15P42 319 (79,75 %)<br />

0,721<br />

kRCI 368 (92,00 %)<br />

0,893<br />

GLN 372 (93,00 %)<br />

0,907<br />

URCI<br />

T-Werte<br />

15P42 kRCI GLN URCI<br />

359 (89,75 %)<br />

0,860<br />

Inter-Methoden-Konkordanzen (Rohwerte)<br />

356 (89,00 %)<br />

.843<br />

370 (92,50 %)<br />

.892<br />

313 (78,25 %)<br />

0,704<br />

350 (87,50 %)<br />

0,836<br />

327 (81,75 %)<br />

0,757<br />

356 (89,00 %)<br />

.845<br />

371 (92,75 %)<br />

.897<br />

371 (92,75 %)<br />

.897<br />

300 (75,00 %)<br />

0,670<br />

361 (90,25 %)<br />

0,868<br />

335 (83,75 %)<br />

.770<br />

348 (87,00 %)<br />

.815<br />

320 (80,00 %)<br />

.719<br />

325 (81,25 %)<br />

.739<br />

324 (81,00 %)<br />

0,735<br />

Anmerkung. Für 15P43 können keine T-Werte berechnet werden. 15P43, 15P42: 15-Punkte-Regel, Trennwert 43<br />

bzw. 42; kRCI: »klassischer« Reliable Change Index; GLN: Gulliksen-Lord-Novick-RCI; URCI: »ultimativer« RCI<br />

Die Inter-Methoden-Konkordanzen für Rohwerte reichen von κ = .72 (80,00 %: kRCI <strong>und</strong><br />

URCI) bis nahezu .90 (15P42 <strong>und</strong> kRCI) <strong>und</strong> sind damit nach LANDIS <strong>und</strong> KOCH (1977,<br />

S. 165) als »substantial« (κ > .60) bis »almost perfect« (κ > .80) zu bewerten. Nur die<br />

Übereinstimmung zwischen den Varianten der 15-Punkte-Regel mit unterschiedlichen<br />

Trennwerten fällt, wenig verw<strong>und</strong>erlich, noch höher aus. Trivialerweise stimmen die<br />

Ergebnisse der 15P42-Regel etwas besser mit denen der eigentlichen RCIs mit gleichem<br />

Trennwert überein als die der klassischen 15-Punkte-Regel mit c = 43. Für T-Werte liegen<br />

die Übereinstimmungen zwischen κ = .76 <strong>und</strong> .91. Die ursprüngliche Osnabrücker Regel<br />

(15P43) kann auf T-Werte nicht sinnvoll angewendet werden <strong>und</strong> fehlt daher in Tabelle 29.


226<br />

Ergebnisse Studie 2<br />

Die Betrachtung der Rangfolgen der Inter-Methoden-Konkordanzen zeigt sowohl für Roh-<br />

als auch für T-Werte, dass klassischer RCI <strong>und</strong> URCI am geringsten <strong>und</strong> klassischer RCI<br />

<strong>und</strong> 15P42 sehr hoch übereinstimmen. Der deutlichste Unterschied findet sich für den<br />

Vergleich von GLN-Index <strong>und</strong> URCI, die für T-Werte höher übereinstimmen als für<br />

Rohwerte. Die Ursache dieser Diskrepanz liegt darin, dass der URCI für beide Score-Arten<br />

der statistisch liberalste Index ist, der GLN für Rohwerte aber, wie der kRCI, eher konservativ<br />

urteilt (s. Tabelle 27 oben). Für T-Werte jedoch zählt der GLN-Index zu den liberalsten<br />

Methoden, was, wie unten gezeigt wird, wesentlich auf den erhöhten Anteil verbesserter<br />

Leistungsstarker zurückgeht. Schließt man alle Leistungsstarken aus, erhöht sich die<br />

Übereinstimmung von kRCI <strong>und</strong> GLN auch für T-Werte wieder auf κ = .89.<br />

Um die Güte der gemeinsamen Übereinstimmung zu quantifizieren, wurde zusätzlich<br />

Fleiss’ Kappa (κm: FLEISS, 1971), eine Verallgemeinerung auf m Beurteiler berechnet<br />

(s. BORTZ & LIENERT, 2008). Um Fleiss’ Kappa dabei nicht artifiziell zu überhöhen, wurde<br />

der ursprüngliche Osnabrücker Veränderungsindex (15P43) ausgeschlossen (es wurden<br />

also nur die vier Methoden mit gleichem Trennwert einbezogen). Zusätzlich wurden zur<br />

Abschätzung der Konkordanz pro Urteilskategorie kategorienspezifische Kappa-Koeffizien-<br />

ten (κj) berechnet. Die Ergebnisse sind in Tabelle 30 dargestellt.<br />

Tabelle 30.<br />

Fleiss’ Kappa-Koeffizienten für die allgemeine <strong>und</strong> kategorienspezifische<br />

Konkordanz von vier RCI-Methoden für Roh- <strong>und</strong> T-Werte<br />

15P42, kRCI, GLN, URCI (m = 4) R T<br />

κm (alle Performanztypen): .826 .853<br />

kategorienspezifische κj<br />

Verbesserte Leistungsstarke HS+ .521 .762<br />

Konstant Leistungsstarke HS± .900 .860<br />

Aufwärts-Grenzfälle GF+ .561 .676<br />

Abwärts-Grenzfälle GF- [.862] [1]<br />

klinisch bedeutsame Verbesserer bzw. Lerner LR .885 .891<br />

Verschlechterer VS [.264] ---<br />

Verbesserte Leistungsschwache bzw. Nichtlerner NL+ [.479] [.497]<br />

Konstant Leistungsschwache NL± .900 .976<br />

Verschlechterte Leistungsschwache NL+ [.666] ---<br />

Anmerkungen. Eingeklammerte κj weisen geringe Zellenbesetzungen auf (n ≤ 8); 15P42: 15-<br />

Punkte-Regel, Trennwert 42; kRCI: »klassischer« Reliable Change Index; GLN: Gulliksen-Lord-<br />

Novick-RCI; URCI: »ultimativer« RCI<br />

Es lässt sich konstatieren, dass auch die simultane Betrachtung der vier Veränderungsindices<br />

eine substanzielle Konkordanz ergibt. Die Übereinstimmungsquote beträgt für<br />

Rohwerte nahezu 88 % bei einer Zufallserwartung von 30 % (Fleiss’ κ = .83), für T-Werte<br />

sogar leicht höher. Die zusätzlich berechneten kategorienspezifischen Kappa-Koeffizienten<br />

erlauben eine differentielle Interpretation dahingehend, dass sich die höchsten Überein-<br />

stimmungen (κj = .90) bei den beiden durch Konstanz gekennzeichneten Subgruppen<br />

einstellen, was bei einem Vergleich von Veränderungsindices <strong>und</strong> der Verwendung eines<br />

festen Trennwerts nicht verw<strong>und</strong>ert.<br />

Während die schwach besetzten Subgruppen der Verschlechterer (n ≤ 3), der verschlechterten<br />

Leistungsschwachen (n ≤ 2), der Abwärts-Grenzfälle (n ≤ 8) <strong>und</strong> der<br />

verbesserten Leistungsschwachen (n ≤ 13) ausgeklammert bleiben sollen, bedürfen v. a. die


227<br />

Ergebnisse Studie 2<br />

nach LANDIS <strong>und</strong> KOCH (1977) für Rohwerte nur moderat (κj < .60) konkordanten Kategorisierungen<br />

der verbesserten Leistungsstarken <strong>und</strong> der Grenzfälle aufwärts einer Erklärung.<br />

Die Betrachtung der Klassifikationsquoten in Tabelle 27 legt nahe, dass die geringeren<br />

Übereinstimmungen in diesen Veränderungskategorien u. a. auf statistische Eigenschaften<br />

des URCIs zurückzuführen sein dürften, die zu einer vergleichsweise liberalen Signifikanzprüfung<br />

führen. Um dies zu illustrieren, wurden z-Werte für alle möglichen Rohwert-<br />

Differenzwerte innerhalb der empirischen Spannweite aus kRCI <strong>und</strong> URCI vorhergesagt.<br />

Abbildung 15 zeigt die resultierenden Regressionsgeraden.<br />

RCI z-Wert<br />

Abbildung 15. Regressionen der z-Werte von kRCI<br />

<strong>und</strong> URCI auf Rohwert-Differenzen. Die Schnittpunkte<br />

von Achsenparallelen <strong>und</strong> Regressionsgeraden bei<br />

±zcrit markieren die kritischen Differenzen (Kästen)<br />

Die beiden Modelle sind durch zkRCI = 0,12*PPD + 1,8e-15 sowie zURCI = 0,085*PPD + 1,046<br />

gegeben (PPD: Posttest-Prätest-Differenz). Die höhere Konstante führt im Fall des URCI<br />

dazu, dass die Gerade bereits bei einer Differenz von 11 den kritischen z-Wert erreicht. Der<br />

URCI verhält sich zudem asymmetrisch im Hinblick auf Verschlechterungen. Hier wird die<br />

kritische Differenz erst bei -36 Karten erreicht.<br />

Die liberalere Signifikanzprüfung des URCI hat Konsequenzen für die Unterscheidung<br />

von Aufwärts-Grenzfällen <strong>und</strong> echten Verbesserern sowie von konstanten <strong>und</strong> verbesserten<br />

Leistungsstarken. Diese Diskrepanzen sollen für Rohwerte noch einmal quantifiziert<br />

werden anhand zweier gezielter Vergleiche von kRCI <strong>und</strong> URCI bei der Einteilung der<br />

genannten Subgruppen. Die Tabellen 31 <strong>und</strong> 32 stellen die Ergebnisse dar.<br />

Tabelle 31.<br />

Kreuztabelle kRCI*URCI für eine Subgruppe von 173<br />

Verbesserern (LR) <strong>und</strong> Grenzfällen (GF+)<br />

kRCI<br />

5,00<br />

2,50<br />

0,00<br />

-2,50<br />

-5,00<br />

-40<br />

-36 -17<br />

-30<br />

-20<br />

-10<br />

Posttest-Prätest-Differenz<br />

URCI<br />

GF+ LR<br />

GF+ 5 33 38<br />

LR 0 135 135<br />

κ = .19 (p < .001) 5 168 173<br />

0<br />

11 17<br />

10<br />

20<br />

30<br />

kRCI<br />

URCI<br />

1.96<br />

-1.96<br />

40


228<br />

Ergebnisse Studie 2<br />

Aufgr<strong>und</strong> der großen Zahl an Pbn (135/173), die von beiden Methoden als bedeutsam<br />

verbessert eingestuft werden, ist die unkorrigierte Übereinstimmung zwar hoch (81 %),<br />

allerdings fällt aufgr<strong>und</strong> der Tatsache, dass der URCI von den 38 kRCI-Grenzfällen 87 % als<br />

Verbesserer einstuft, das zufallskorrigierte Kappa niedrig aus.<br />

Tabelle 32.<br />

Kreuztabelle kRCI*URCI für eine Subgruppe von 172<br />

Leistungsstarken (HS+ <strong>und</strong> HS±)<br />

kRCI<br />

URCI<br />

HS+ HS±<br />

HS+ 6 0 6<br />

HS± 37 129 166<br />

κ = .20 (p < .001) 43 129 172<br />

Ähnlich verhält es sich mit der zweiten abweichenden Einstufung (Tabelle 32). Auch hier<br />

liegen zwar 135 von 172 Fällen (78 %) in der Diagonale, da jedoch durch den URCI 37 von<br />

166 Fällen (22 %) als verbessert beurteilt werden, beträgt das Kappa nur κ = .20.<br />

Um die statistischen Eigenschaften des GLN-Verfahrens zu explorieren, die sich aus der<br />

Kontrolle des Regressionseffektes ergeben, wurde als nächstes für jeden möglichen WCST-<br />

Ausgangswert die minimale signifikante Posttest-Prätest-Differenz ermittelt. Abbildung 16<br />

zeigt die Lage dieser Signifikanzgrenze in Relation zu jenen von kRCI <strong>und</strong> URCI.<br />

Posttest-Prätest-Differenz<br />

40<br />

20<br />

0<br />

-20<br />

-0.3 * x + 28.35<br />

-0.3 * x - 5.33<br />

10<br />

20<br />

30<br />

WCST-64 Ausgangswert<br />

Abbildung 16. Kritische Posttest-Prätest-Rohwert-Differenzen<br />

für die GLN-Methode in Abhängigkeit vom Ausgangswert sowie<br />

kRCI- <strong>und</strong> URCI-Grenzen (±17/ 11) zum Vergleich (URCI-Untergrenze<br />

nicht dargestellt)<br />

Der Anschaulichkeit halber wurde eine Gerade statt der exakteren Treppenfunktion<br />

gewählt <strong>und</strong> die Geraden trotz der Deckeneffekte über den gesamten Wertebereich gezogen.<br />

Die Abbildung veranschaulicht die Eigenschaft des GLN-Index, geringere Differenzen für<br />

eine statistisch signifikante Verbesserung im oberen Leistungsbereich zu fordern (d. h. hin<br />

40<br />

50<br />

17.0<br />

11.0<br />

-17.0<br />

60


229<br />

Ergebnisse Studie 2<br />

zur Decke, »gegen« die Regression zur Mitte) als für Verbesserungen vom Boden zur Mitte.<br />

Während die GLN-Methode also im unteren Bereich die mit Abstand konservativste aller<br />

RCIs ist, nähert sie sich im oberen Leistungsbereich dem URCI an.<br />

Die Abbildung verdeutlicht weiterhin, warum McNemars χ 2 -Test keinen signifikanten<br />

Unterschied zwischen GLN <strong>und</strong> kRCI findet: Die keilförmigen, von den Grenzen der beiden<br />

Indices abgeteilten Extrembereiche, die unterschiedlich gehandhabt werden, sind nur dünn<br />

besiedelt. Hierbei dürfte es sich v. a. um konstante vs. verbesserte Leistungsschwache bzw.<br />

Leistungsstarke handeln. Die dünne Besiedlung ist v. a. im oberen Bereich auf Deckeneffekte<br />

zurückzuführen – jenseits von etwa 45 korrekten Prätest-Sortierungen ist statistisch<br />

signifikante Verbesserung nach kRCI <strong>und</strong> GLN kaum noch möglich. Im unteren Bereich<br />

wiederum verbessert sich die Mehrheit der anfänglich leistungsschwachen Probanden so<br />

deutlich, dass ihre Differenzwerte oberhalb der oberen GLN-Grenze zu liegen kommen.<br />

Tabelle 33 zeigt die von kRCI <strong>und</strong> GKL gleich <strong>und</strong> abweichend klassifizierten leistungsstarken<br />

<strong>und</strong> leistungsschwachen Probanden. Die obigen Ausführungen zur differentiellen<br />

Behandlung von Veränderung in Extrembereichen werden bestätigt. Cohens Kappa konnte<br />

nur für die Gruppe der Leistungsstarken berechnet werden (nach GLN traten keine<br />

signifikanten Verbesserungen bei Leistungsschwachen auf) <strong>und</strong> fällt ebenfalls eher niedrig<br />

aus (κ =.52). Die GLN-Methode dürfte somit ihren Anteil an den geringen Fleiss’ Kappa-<br />

Werten in den schwach besetzten Verbesserer-Extremgruppen haben.<br />

Tabelle 33.<br />

Kreuztabellen GLN*kRCI für Subgruppen von 172<br />

Leistungsstarken <strong>und</strong> 46 Leistungsschwachen<br />

GLN<br />

kRCI<br />

HS+ HS± NL+ NL± Ges.<br />

HS+ 6 10 16<br />

HS± 0 156 156<br />

NL+ 0 0 0<br />

NL± 6 40 46<br />

Ges. 6 166 6 40 218<br />

Anmerkungen. kRCI: klassischer RCI; GLN: Gulliksen-Lord-Novick-<br />

Methode; HS+: statistisch signifikant verbesserte Leistungsstarke;<br />

HS±: konstant Leistungsstarke; NL+: verbesserte Leistungsschwache;<br />

NL±: konstant Leistungsschwache<br />

Das Fazit dieser detaillierten Betrachtungen lautet, dass der URCI die Signifikanz von<br />

Veränderungen deutlich liberaler beurteilt als die übrigen Varianten, die zu gut vergleich-<br />

baren Ergebnissen gelangen (κ > .80). Die Hypothesen 2.1 <strong>und</strong> 2.2 konnten bestätigt<br />

werden. Die GLN-Methode, die insgesamt hoch mit dem klassischen RCI übereinstimmt,<br />

kommt vor allem bei Verbesserungen in den Extrembereichen der Prätest-Verteilung<br />

wegen der Kontrolle des Regressionseffekts zu abweichenden Resultaten: Hier urteilt sie<br />

deutlich statistisch konservativer im unteren Leistungsbereich <strong>und</strong> liberaler im oberen.


10.7 Kontrolle des Deckeneffekts nach Schöttke et al. (1993)<br />

für die GLN-Methode<br />

230<br />

Ergebnisse Studie 2<br />

Es wurde bereits erwähnt, dass ein Vorschlag von SCHÖTTKE et al. (1993) vorsieht, eine<br />

Unterscheidung zwischen statistisch signifikanten Lernern <strong>und</strong> »Deckeneffekt-Fällen«<br />

vorzunehmen. Bei letzteren handelt es sich um Probanden, deren Konfidenzintervall um<br />

den vorhergesagten parallelen Retest-Score die Leistungsdecke einschließt, so dass eine<br />

weitere Verbesserung nicht statistisch abgesichert werden kann. Obwohl diese Gruppe<br />

offensichtlich leistungsstark sein muss, wird anders als bei der Berechnung von Trennwert<br />

c kein Bezug auf ein funktionales Kollektiv genommen. Um Unterschiede zur Cutoff-<br />

Methode von JACOBSON et al. (1984) zu klären, wurde die Verteilung dieser »Deckeneffekt-<br />

Probanden« auf die GLN-Subtypen für die Leistungsdecken 58 <strong>und</strong> 64 berechnet.<br />

Tabelle 34.<br />

Kreuztabelle GLN-Subtypen*Deckeneffekt-Probanden<br />

Deckenwert 58 Deckenwert 64<br />

resultierender Trennwert (Prätest) >43,5 51,5


10.8 Komposition von Metatypen<br />

231<br />

Ergebnisse Studie 2<br />

Die Gewinne an Homogenität <strong>und</strong> deskriptiver Präzision, die aus der angewendeten<br />

Typologie resultieren, werden mit einem gravierenden Nachteil erkauft: Eine Neun-<br />

Gruppen-Lösung dürfte häufig zu unzureichenden Teststärken führen. Sollen nicht<br />

bestimmte Gruppen aus der Analyse ausgeschlossen werden, bleibt im Rahmen dieses<br />

Ansatzes nur eine Vergröberung der Betrachtung. Diese kann erstens primär durch einen<br />

einfacheren Klassifikationsalgorithmus erfolgen, der in eine geringere Zahl von Typen<br />

einmündet. Ein solcher ist z. B. die 1,5-SD-Regel, die WIEDL et al. (1999, 2001) herangezogen<br />

haben, um ihre Stichproben in der Tradition von BUDOFF <strong>und</strong> FRIEDMAN (1964)<br />

einer Trichotomisierung zu unterziehen (»Highscorer« – »Lerner« – »Nichtlerner«).<br />

Die oben präsentierten Daten bestätigen einerseits dieses Vorgehen: Es wurde gezeigt,<br />

dass über alle Methoden hinweg über 80 % der Stichprobe auf die Klassen der konstant<br />

leistungsstarken <strong>und</strong> -schwachen sowie der bedeutsam verbesserten Probanden entfallen.<br />

Andererseits entfallen etwa 15 % auf Performanztypen, die sich nicht nahtlos in eine<br />

einfache Dreiteilung einfügen. Generell problematisiert werden muss die Zuordnung von<br />

Probanden, die nur eines von zwei Forderungen des Doppelkriteriums nach JACOBSON et al.<br />

(1984) erfüllen oder die sich statistisch signifikant verändern, obwohl sie nach dem<br />

ursprünglichen 15P43-Algorithmus einer leistungskonstanten Gruppe zugeordnet werden<br />

(d. h. Grenzfälle, echte Verschlechterer, verbesserte <strong>und</strong> verschlechterte Nichtlerner,<br />

verbesserte Leistungsstarke). Besonders ins Gewicht fällt die Subgruppe der Grenzfälle, die<br />

nahezu die Größe der konstant leistungsschwachen Gruppe erreicht. Ihre Zuordnung hat,<br />

wie gezeigt werden wird, deutliche Auswirkungen auf die Homogenität der drei Gruppen.<br />

Eine Vergröberung kann zweitens sek<strong>und</strong>är erfolgen. Hierbei werden die vorgestellten<br />

Subtypen nach rationalen <strong>und</strong> statistischen Kriterien zu »Metatypen« zusammengefasst.<br />

Dieser Ansatz soll im Folgenden verfolgt werden.<br />

10.8.1 Identifikation von Performanz-Clustern<br />

Obwohl sich das kompositorische Problem nicht ausschließlich statistisch, sondern letztlich<br />

nur unter Rekurs auf das Erkenntnisinteresse <strong>und</strong> externe Validierungskriterien lösen lässt,<br />

werden zunächst die Varianzhomogenitäten unterschiedlicher Lösungen als statistisches<br />

Kriterium betrachtet. In Anlehnung an das Vorgehen von WIEDL et al. (2001) wurde<br />

entschieden, dass die Optimierung dieses Kriteriums zunächst über Clusteranalysen<br />

erfolgen sollte. Die so gewonnene Lösung soll als Orientierungshilfe bei der Zusammenstellung<br />

von Metatypen dienen. Die ausführliche Darstellung des Aggregationsprozesses<br />

erfolgt für WCST-Rohwerte. Später wird gezeigt, dass die ausführliche Typologie unter<br />

Verwendung von T-Werten auf die gleiche Metatypen-Lösung konvergiert.<br />

Es wurde entsprechend den Empfehlungen von BACKHAUS et al. (2006) eine hierarchischagglomerative<br />

Clusteranalyse auf der Gr<strong>und</strong>lage des Ward-Algorithmus mit der quadrierten<br />

euklidischen Distanz als Proximitätsmaß berechnet. Die so gef<strong>und</strong>ene Lösung wurde<br />

anschließend durch das partitionierende k-means-Verfahren verfeinert. Da Objekte mit<br />

atypischer Merkmalskonfiguration den Fusionierungsprozess verzerren können, wurde das<br />

kontrahierende Nearest-Neighbour-Verfahren zur Identifikation solcher »Ausreißer«<br />

vorgeschaltet. Es konnten vier ungewöhnliche Fälle identifiziert werden, für die das<br />

Dendrogramm eine Fusionierung auf den letzten beiden Stufen abbildet. Drei der Probanden<br />

waren stabil leistungsschwach mit angedeuteter bzw. signifikanter Verschlechterung<br />

<strong>und</strong> einer ein stabil Leistungsschwacher mit dem niedrigsten Prätestwert der Stichprobe<br />

(= 10 korrekte Sortierungen). Die folgende Ward-Analyse wurde jeweils mit <strong>und</strong> ohne diese


232<br />

Ergebnisse Studie 2<br />

Fälle berechnet. Da sich herausstellte, dass diese keinen Einfluss auf die Bestimmung der<br />

Clusterzahl nehmen <strong>und</strong> jenseits der Atypizität ihrer Performanzprofile kein Gr<strong>und</strong> für<br />

einen Ausschluss vorlag, verblieben sie in der Objektgesamtheit.<br />

Analog wurde vorgegangen, um abzuschätzen, ob die Prätest-Posttest-Korrelation<br />

(r = .38) die Analyse beeinträchtigt: Hier wurde die Analyse sowohl an den Rohwerten der<br />

korrekt sortierten Karten in Prä- <strong>und</strong> Posttest berechnet als auch an den unkorrelierten<br />

Faktorwerten einer erzwungenen zweifaktoriellen Lösung einer Hauptkomponentenanalyse<br />

beider WCST-Variablen (d. h. mit 100 % Varianzaufklärung). Die Konkordanz der Resultate<br />

fällt substanziell aus (κ = .81).<br />

Für alle berechneten Varianten (mit <strong>und</strong> ohne Kontrolle von Ausreißern, mit korrelierten<br />

<strong>und</strong> unkorrelierten Variablen) wurde zur Bestimmung einer optimalen Clusterlösung<br />

auf die Entwicklung der Heterogenität (Spur-W-Varianzkriterium) in Abhängigkeit<br />

von der Clusteranzahl zurückgegriffen. Abbildung 17 zeigt beispielhaft das Struktogramm<br />

für die Analyse von WCST-Faktorwerten ohne Ausschluss von Fällen.<br />

Es zeigt sich ein »Ellenbogen« bei einer Drei-Cluster-Lösung, der als Abbruchregel<br />

herangezogen werden kann: Während sich die Intracluster-Fehlerquadratsumme beim<br />

Fusionierungsschritt von 4 zu 3 Clustern nur von 225,01 auf 284,54 vergrößert (+59,53),<br />

führt ein weiterer Schritt zu einer Fehlerquadratsumme von 509,86 (+225,32). Auch die<br />

nicht dargestellten weiteren Ward-Analysen legen deutlich einen Abbruch bei drei Clustern<br />

nahe, so dass diese Lösung als Arbeitsmodell angenommen wurde.<br />

600<br />

500<br />

400<br />

300<br />

200<br />

100<br />

0<br />

2 3 4 5 6 7 8 9 10<br />

Reihe1 509,9 284,5 225 176,1 147,4 130,9 116 103,1 90,90<br />

Abbildung 17. Struktogramm der Heterogenität für eine Ward-<br />

Clusteranalyse von Faktorwerten (korrekte Sortierungen in Prä-<br />

<strong>und</strong> Posttest des WCSTdyn, Schizophrenie-Stichprobe, N = 400)<br />

Zur Verbesserung der Gruppierung wurde im Anschluss das k-means-Verfahren mit drei<br />

Clustern als Startpartition herangezogen, wiederum berechnet an korrelierten <strong>und</strong><br />

unkorrelierten Werten. Die Homogenitäten der drei Cluster aller Analysen wurden mit<br />

Hilfe der Varianz-Verhältnisse (F-Werte) betrachtet. Tabelle 35 zeigt die Ergebnisse. Die<br />

Cluster wurden der Anschaulichkeit halber etikettiert, ohne zuvor die deskriptive Statistik<br />

darzustellen (s. Tabelle 36).


Tabelle 35.<br />

Cluster-Varianzen <strong>und</strong> F-Werte für Prä- <strong>und</strong> Posttest des WCSTdyn<br />

Ward-Cluster HKA<br />

s 2 PRÄ s 2 POST FPrä FPost<br />

Verbesserer 38,47 21,80 0,28 0,21<br />

Leistungsstarke 37,12 16,60 0,27 0,16<br />

Leistungsschwache 147,88 80,31 1,08 0,77<br />

Ward-Cluster RW<br />

Verbesserer 46,98 25,20 0,34 0,24<br />

Leistungsstarke 24,14 22,24 0,18 0,21<br />

Leistungsschwache 121,43 53,80 0,89 0,52<br />

k-means-Cluster HKA<br />

Verbesserer 47,51 27,47 0,35 0,26<br />

Leistungsstarke 29,81 21,03 0,22 0,20<br />

Leistungsschwache 124,23 52,41 0,91 0,50<br />

k-means-Cluster RW<br />

Verbesserer 44,82 24,03 0,33 0,23<br />

Leistungsstarke 26,01 23,73 0,19 0,23<br />

Leistungsschwache 118,25 50,52 0,86 0,49<br />

Anmerkungen. Betrachtet wurden die Rohwerte korrekt sortierter Karten.<br />

N = 400; HKA: Clusteranalyse berechnet an Faktorwerten einer Hauptkomponenten-<br />

Analyse; RW: Rohwerte; F-Werte: Clustervarianz/Gesamtvarianz<br />

233<br />

Ergebnisse Studie 2<br />

Über alle Lösungen hinweg bilden »leistungsstarke« Probanden das homogenste, leistungsschwache<br />

das heterogenste Cluster. Die Prätest-Variable des leistungsschwachen Clusters<br />

der Ward-Analyse an Faktorwerten weist eine Varianz in der Höhe der Gr<strong>und</strong>gesamtheit<br />

auf (F > 1), was als Hinweis auf die Ungeeignetheit einer Lösung interpretiert wird. Die<br />

k-means-Methode, angewendet auf Rohwerte, erbringt das homogenste Cluster für die<br />

Leistungsschwachen. Nur diese Gruppierung soll daher in der Folge für den statistischen<br />

Vergleich zwischen Clusteranalyse <strong>und</strong> RCI-Klassifikation herangezogen werden. Abbildung<br />

18 zeigt die Position der Fälle in den k-means-Clustern relativ zu den Schwellenwerten,<br />

Tabelle 36 deren deskriptive Statistik.<br />

Streudiagramm <strong>und</strong> Substichproben-Mittelwerte weisen die Cluster als Verbesserer<br />

(Prätest < c Posttest ≥ c), Leistungsstarke <strong>und</strong> Leistungsschwache aus. Ein Verschlechterer-Cluster<br />

bildete sich nicht auf dem gewählten Aggregationsniveau heraus.


POST<br />

Abbildung 18. Streudiagramm der Prä- <strong>und</strong> Posttestwerte im<br />

WCSTdyn mit k-means-Cluster-Markierungen (N = 400) <strong>und</strong><br />

Trennwert (c = 42)<br />

Tabelle 36.<br />

Deskriptive WCST-Statistik der drei k-means-Cluster aus Rohwerten<br />

Cluster PRÄ POST T ES: dPool/ dPrä<br />

Verbesserer<br />

(n1 = 138)<br />

Leistungsstarke<br />

(n2 = 209)<br />

Leistungsschwache<br />

(n3 = 53)<br />

M 28,67 54,51 0* 4,40/ 2,21<br />

SD 6,69 4,90<br />

Min. 15 43<br />

Max. 38 64<br />

M 47,56 55,43 912,5* 1,54/ 0,67<br />

SD 5,10 4,87<br />

Min. 38 37<br />

Max. 58 64<br />

M 27,45 29,28 573 0,20/ 0,16<br />

SD 10,87 7,11<br />

Min. 10 13<br />

Max. 48 40<br />

Anmerkungen. ES: Effektstärke (dpool mit Prätest- <strong>und</strong> Posttest-Cluster-SD; dPRÄ mit<br />

Gesamt-SD); PRÄ, POST: WCSTdyn korrekte Sortierungen Prä- <strong>und</strong> Posttest<br />

(Rohwerte); T: Teststatistik (Wilcoxon)<br />

*: p < .001<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

10<br />

20<br />

30<br />

234<br />

40<br />

50<br />

Nichtlerner<br />

Lerner<br />

Highscorer<br />

60<br />

PRÄ<br />

Ergebnisse Studie 2


10.8.2 Übereinstimmung von RCI-Typen <strong>und</strong> Clustern<br />

235<br />

Ergebnisse Studie 2<br />

Die drei k-means-Cluster, die einen Hinweis auf einen geeigneten Kompromiss zwischen<br />

Homogenität <strong>und</strong> Handhabbarkeit liefern sollen, wurden im nächsten Schritt gegen die<br />

RCI-Subgruppen kreuztabelliert. Tabelle 37 stellt dies zunächst für den kRCI dar. Die<br />

Ergebnisse für die 15P42- <strong>und</strong> GLN-Algorithmen fallen sehr ähnlich aus, sie werden daher<br />

nicht dargestellt. Die Resultate für das URCI-Verfahren werden weiter unten geschildert.<br />

Tabelle 37.<br />

Kreuztabelle WCSTdyn-Cluster*kRCI-Typen<br />

kRCI-Typ Verbesserer<br />

k-means-Cluster<br />

Leistungsstarke <br />

Leistungsschwache<br />

Gesamt<br />

Leistungsstark verbessert HS+ 0 6 0 6<br />

Stabil leistungsstark HS± 0 166 0 166<br />

Grenzfall aufwärts GF+ 18 20 0 38<br />

Grenzfall abwärts GF- 0 2 4 6<br />

Bedeutsam verbessert LR 120 15 0 135<br />

Bedeutsam verschlechtert VS 0 0 2 2<br />

Leistungsschwach verbessert NL+ 0 0 6 6<br />

Stabil leistungsschwach NL± 0 0 40 40<br />

Leistungsschwach verschlechtert NL- 0 0 1 1<br />

Gesamt 138 209 53 400<br />

Die Ergebnisse des Methodenvergleichs fallen erwartungskonform aus: Alle drei leistungsschwachen<br />

kRCI-Subtypen werden dem korrespondierenden Cluster zugeordnet, das<br />

überdies die weiteren Verschlechterer-Typen umfasst (d. h. zwei Drittel der Abwärts-<br />

Grenzfälle <strong>und</strong> alle bedeutsamen Verschlechterer). Beide leistungsstarken kRCI-Typen sind<br />

vollständig im entsprechenden Cluster enthalten, das zudem etwas über 50 % der Aufwärts-<br />

Grenzfälle, ein Drittel der Abwärts-Grenzfälle <strong>und</strong> nur 11 % bedeutsame Verbesserer<br />

beinhaltet. Das Verbesserer-Cluster besteht aus der Mehrheit der Probanden mit klinisch<br />

bedeutsamer Verbesserung <strong>und</strong> aus der anderen Hälfte der Aufwärts-Grenzfälle. Keiner der<br />

38 kRCI-Aufwärts-Grenzfälle wurde dem Cluster der Leistungsschwachen zugeordnet.<br />

Insgesamt stellt damit die Zuordnung der ca. 10 % Aufwärts-Grenzfälle für die Komposition<br />

von Metatypen das größte Problem dar. Dies soll noch einmal durch eine Einzelfall-<br />

Auflistung <strong>und</strong> eine Zuordnung des jeweiligen Lernertyps nach der Osnabrücker Regel<br />

(15P43) unterstrichen werden: Wie in Tabelle 38 auszählbar, besteht eine Konsequenz aus<br />

der Verwendung der Osnabrücker 1,5-SD-Regel darin, dass 22 von 38 (58 %) der kRCI-<br />

Aufwärts-Grenzfälle in der Gruppe der Nichtlerner aufgehen würden (grau unterlegte<br />

Zeilen), obwohl sie sich von den konstant Leistungsschwachen nach kRCI klar mit einem<br />

Effekt von g = 1,01 (Prätest) bzw. g = 1,96 (Posttest) <strong>und</strong> einer mittleren PPD von immerhin<br />

+13 korrekt sortierten Karten doch deutlich unterscheiden (s. Tabelle 28). Die Konsequenzen<br />

für die Homogenität dieser Subgruppe werden unten in Tabelle 40 dargestellt.


Tabelle 38.<br />

WCSTdyn-Werte der 38 Aufwärts-Grenzfälle (nach kRCI),<br />

Cluster- <strong>und</strong> 15P43-Zugehörigkeit<br />

PRÄ POST PPD k-means-Cluster 15-Punkte-Regel<br />

1 34 49 15 Verbesserer Lerner<br />

2 38 49 11 Verbesserer Nichtlerner<br />

3 41 55 14 Leistungsstarke Nichtlerner<br />

4 37 51 14 Verbesserer Nichtlerner<br />

5 37 51 14 Verbesserer Nichtlerner<br />

6 32 48 16 Verbesserer Lerner<br />

7 40 56 16 Leistungsstarke Lerner<br />

8 39 50 11 Leistungsstarke Nichtlerner<br />

9 38 51 13 Verbesserer Nichtlerner<br />

10 34 50 16 Verbesserer Lerner<br />

11 31 43 12 Verbesserer Nichtlerner<br />

12 40 50 10 Leistungsstarke Nichtlerner<br />

13 32 48 16 Verbesserer Lerner<br />

14 41 56 15 Leistungsstarke Lerner<br />

15 36 46 10 Verbesserer Nichtlerner<br />

16 41 54 13 Leistungsstarke Nichtlerner<br />

17 40 50 10 Leistungsstarke Nichtlerner<br />

18 36 48 12 Verbesserer Nichtlerner<br />

19 36 51 15 Verbesserer Lerner<br />

20 40 42 2 Leistungsstarke Nichtlerner<br />

21 41 54 13 Leistungsstarke Nichtlerner<br />

22 37 52 15 Verbesserer Lerner<br />

23 40 56 16 Leistungsstarke Lerner<br />

24 38 50 12 Verbesserer Nichtlerner<br />

25 41 56 15 Leistungsstarke Lerner<br />

26 38 51 13 Verbesserer Nichtlerner<br />

27 41 57 16 Leistungsstarke Lerner<br />

28 40 56 16 Leistungsstarke Lerner<br />

29 41 56 15 Leistungsstarke Lerner<br />

30 35 47 12 Verbesserer Nichtlerner<br />

31 40 42 2 Leistungsstarke Nichtlerner<br />

32 38 51 13 Verbesserer Nichtlerner<br />

33 32 47 15 Verbesserer Lerner<br />

34 39 52 13 Leistungsstarke Nichtlerner<br />

35 40 55 15 Leistungsstarke Lerner<br />

36 41 57 16 Leistungsstarke Lerner<br />

37 41 53 12 Leistungsstarke Nichtlerner<br />

38 40 54 14 Leistungsstarke Nichtlerner<br />

236<br />

Ergebnisse Studie 2<br />

Die gleiche Art der Analyse wurde für den Vergleich von URCI-Subtypen <strong>und</strong> k-means-<br />

Clustern durchgeführt (Tabelle 39). Bei einer Metatypologie auf der Basis des URCI muss<br />

kein Problem mit der Zuordnung von Grenzfällen erwartet werden – da dieser Index ein<br />

deutlich liberaleres Akzeptanzkriterium für signifikante Veränderung anlegt, produziert er<br />

kaum Aufwärts-Grenzfälle. Diese werden stattdessen als bedeutsame Verbesserer im Sinne<br />

des Doppelkriteriums eingestuft.


Tabelle 39.<br />

Kreuztabelle WCSTdyn-Cluster*URCI-Typen<br />

URCI-Typ Verbesserer<br />

237<br />

k-means-Cluster<br />

Leistungsstarke<br />

Ergebnisse Studie 2<br />

Leistungsschwache<br />

Gesamt<br />

leistungsstark verbessert [HS+] 0 43 0 43<br />

stabil leistungsstark [HS±] 0 129 0 129<br />

Grenzfall aufwärts [GF+] 1 4 0 5<br />

Grenzfall abwärts [GF-] 0 2 6 8<br />

bedeutsam verbessert [LR] 137 31 0 168<br />

leistungsschwach verbessert [NL+] 0 0 13 13<br />

stabil leistungsschwach [NL±] 0 0 34 34<br />

Gesamt 138 209 53 400<br />

Das Verbesserer-Cluster umfasst einen großen Teil (82 %) der Gruppe der bedeutsamen<br />

Verbesserer, die übrigen 18 % sind im Leistungsstarken-Cluster enthalten. Von den 5<br />

Aufwärts-Grenzfälle, durchgängig zweifelhafte »Nonlearner« nach Osnabrücker Regel,<br />

werden die 4 Probanden, die einen Prätest-Wert von 40 korrekt sortierten Karten aufweisen,<br />

ebenfalls dem Leistungsstarken-Cluster zugeordnet.<br />

10.8.3 Entwicklung einer Metatypologie<br />

Unabhängig vom gewählten RCI muss der Versuch, aus den hoch differenzierten Subgruppen<br />

auf stringente Weise handhabbare Metatypen zu bilden, zu statistisch homogeneren<br />

Subgruppen führen als die einfache Osnabrücker Regel. Insbesondere soll der Frage<br />

nachgegangen werden, ob die aufgr<strong>und</strong> der 15-Punkte-Regel recht heterogene Nichtlerner-<br />

Gruppe auf der Gr<strong>und</strong>lage der vorgestellten Typologie homogenisiert werden kann.<br />

Es ist deutlich geworden, dass der Gruppe der Aufwärts-Grenzfälle in diesem Zusammenhang<br />

besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden muss. Tabelle 40 stellt die<br />

Homogenitäten der WCST-Prä- <strong>und</strong> Posttest-Variablen in den Subgruppen für verschiedene<br />

Zuordnungen dar. Aufgeführt sind erneut die Clusterlösung <strong>und</strong> zusätzlich die beiden<br />

15-Punkte-Regeln mit alternativen Trennwerten. Aufgr<strong>und</strong> inhaltslogischer Erwägungen<br />

wurden zudem zwei Typisierungs-Varianten (A <strong>und</strong> B) formuliert, die exemplarisch auf den<br />

kRCI angewendet wurden:<br />

In Metatypologie A wurden, wie es der Vergleich zwischen Osnabrücker Regel <strong>und</strong><br />

k-means-Clusterlösung nahelegt, alle Grenzfälle der leistungsstarken Gruppe zugeordnet,<br />

da ihre Leistung zu einem Messzeitpunkt oberhalb der Schwelle zum funktionalen<br />

Bereich lag (ohne sich zugleich signifikant zu verändern). Die seltenen<br />

Verschlechterer wurden wegen des Ausmaßes ihres Leistungseinbruchs <strong>und</strong> des<br />

entsprechend niedrigen Posttest-Niveaus den Nichtlernern zur Seite gestellt, was nur<br />

die Prätest-Varianz, nicht aber die bei der 15-Punkte-Regel eher problematische Posttest-Varianz<br />

der korrekt sortierten Karten erhöht. Nur echte Verbesserer wurden<br />

auch als solche klassifiziert.


238<br />

Ergebnisse Studie 2<br />

In Metatypologie B wurden, wie es die alternative Klassifikation von Aufwärts-<br />

Grenzfällen durch den liberaleren URCI anregt, eben jene als Verbesserer eingestuft.<br />

Abwärts-Grenzfälle bleiben Leistungsstarke, ebenso Verschlechterer, da beide den<br />

ersten Messzeitpunkt überschwellig absolvieren <strong>und</strong> dann aus bisher ungeklärten<br />

Ursachen unter den Trennwert absinken. Variante B ist damit in ihrer Highscorer-<br />

Identifikation mit der Osnabrücker Regel identisch (d. h. Kriterium der überschwelligen<br />

Leistung zu t0). Nur echte Leistungsschwache wurden als solche klassifiziert.<br />

Weitere Varianten sind denk- <strong>und</strong> eventuell auch begründbar: Eine dritte Typisierung (C),<br />

die sich von Variante B darin unterscheidet, dass Verschlechterer wie in Variante A als<br />

Nichtlerner eingruppiert werden, wurde nicht verfolgt, da der Unterschied zu Variante B<br />

aufgr<strong>und</strong> der Seltenheit von Verschlechterern marginal ausfällt (n = 2; 0,5 %; κ > .99).<br />

Eine vierte Möglichkeit (D) bestünde in der Beurteilung aller Grenzfälle als leistungsschwach,<br />

was das Risiko falsch positiver Feststellung von Veränderung minimieren <strong>und</strong><br />

eine hoch homogene leistungsstarke Gruppe erzeugen würde. Wie an der in Tabelle 40<br />

dargestellten Analyse der Typologie nach Osnabrücker Regel deutlich werden wird, würde<br />

eine solche Zuordnung allerdings die Homogenität der leistungsschwachen Subgruppe<br />

noch unter deren bereits niedriges Maß hinaus sinken lassen (auf F = 1,46; nicht dargestellt).<br />

Auch widerspräche ein solches Vorgehen den Ergebnissen des Vergleichs von kRCI-<br />

Methode <strong>und</strong> Clusteranalyse (Tabelle 37). Variante D wurde daher nach Berechnung der<br />

Varianzverhältnisse für die 15P42-Typologie von der weiteren Analyse ausgeschlossen. Die<br />

hier untersuchten Alternativen A <strong>und</strong> B stellen insgesamt die vielversprechendsten<br />

Varianten dar. Abbildung 19 veranschaulicht noch einmal die Zuordnung der neun<br />

auftretenden Performanztypen (kRCI) zu den diskutierten Metatypen A <strong>und</strong> B.<br />

leistungsstark<br />

verbessert<br />

stabil leistungsstark<br />

Grenzfall aufwärts<br />

Grenzfall abwärts<br />

bedeutsam<br />

verbessert<br />

bedeutsam<br />

verschlechtert<br />

leistungsschw ach<br />

verbessert<br />

stabil<br />

leistungsschw ach<br />

leistungsschw ach<br />

verschlechtert<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

A, B: HS<br />

A, B: HS<br />

A: HS; B: LR<br />

15P43: NL<br />

A, B: NL<br />

A, B: HS<br />

A, B: NL<br />

A, B: NL<br />

A, B: LR<br />

A: NL, B: HS<br />

Abbildung 19. Komposition der Metatypen A <strong>und</strong> B aus neun kRCI-Lernertypen <strong>und</strong> Performanzprofile<br />

(15P43: Osnabrücker 15-Punkte-Regel; HS: Leistungsstarke; LR: Verbesserer;<br />

NL: Leistungsschwache)


239<br />

Ergebnisse Studie 2<br />

Die dargestellten Verläufe der Grenzfälle abwärts <strong>und</strong> Verschlechterer lassen Metatypologie<br />

A arbiträr erscheinen: Die Mittelwerte der Gruppen tauschen von Prä- zu Posttest die<br />

Position relativ zum Trennwert, so dass sich außer der signifikanten Verschlechterung der<br />

einen Gruppe keine empirische Evidenz für die angedachte Typisierung ergibt <strong>und</strong> Variante<br />

B zumindest den Vorzug aufweist, beide Typen einheitlich zu behandeln.<br />

Nach Abbildung 19 augenscheinlich möglich wäre schließlich auch eine Vierer-<br />

Typologie, in der ein Metatyp der Verschlechterer eingeführt wird, was zu einer symmetrischen<br />

Einteilung von Verbesserern (= Grenzfälle aufwärts + echte Verbesserer) <strong>und</strong><br />

Verschlechterern (= Grenzfälle abwärts + Verschlechterer) führen würde. Diese Variante<br />

wird aufgr<strong>und</strong> der trotz großer Stichprobe geringen Besetzung des entstehenden<br />

Verschlechterer-Metatyps (n = 8 [2 %]) hier nicht weiter verfolgt.<br />

Tabelle 40.<br />

Homogenitäten verschiedener Metatypen<br />

k-means-<br />

Cluster<br />

Metatyp n s 2 PRÄ s 2 POST FPrä FPost<br />

Leistungsstarke 209 26,01 23,73 0,19 0,23<br />

Verbesserer 138 44,82 24,03 0,33 0,23<br />

Leistungsschwache 53 118,25 50,52 0,86 0,49<br />

Highscorer 165 14,90 38,13 0,11 0,37<br />

15-Punkte-<br />

Lerner 162 61,96 34,52 0,45 0,33<br />

Regel (c = 43)<br />

Nichtlerner 73 96,20 161,69 0,70 1,56<br />

Highscorer 180 18,01 41,98 0,13 0,31<br />

15-Punkte-<br />

Lerner 158 59,57 35,15 0,44 0,34<br />

Regel (c = 42)<br />

Nichtlerner 62 94,30 150,84 0,69 1,45<br />

Metatypen<br />

kRCI A<br />

Metatypen<br />

kRCI B<br />

Leistungsstarke [HS+, HS±, GF+, GF-] 216 33,72 34,29 0,25 0,33<br />

Verbesserer [LR] 135 52,66 21,77 0,38 0,21<br />

Leistungsschwache [VS, NL+, NL±, NL-] 49 107,68 52,95 0,79 0,51<br />

Leistungsstarke [HS+, HS±, GF-, VS] 180 18,01 41,98 0,13 0,40<br />

Verbesserer [LR, GF+] 173 57,08 24,19 0,42 0,23<br />

Leistungsschwache [NL+, NL±, NL-] 47 90,87 55,15 0,66 0,53<br />

Anmerkungen. Betrachtet wurden die Rohwerte korrekt sortierter Karten.<br />

HS+: statistisch signifikant verbesserte Leistungsstarke, »Highscorer«; HS± stabile Leistungsstarke; GF+: Aufwärts-<br />

Grenzfälle; GF-: Abwärts-Grenzfälle; LR: klinisch bedeutsame Verbesserer, »Lerner«; VS: klinisch bedeutsame<br />

Verschlechterer; NL+ verbesserte Leistungsschwache, »Nichtlerner«; NL±: stabile Leistungsschwache; NL-:<br />

verschlechterte Leistungsschwache<br />

Tabelle 40 zeigt noch einmal anhand von F-Werten, dass für beide Varianten der Osnabrücker<br />

Regel die Posttest-Varianz in der Nichtlerner-Subgruppe größer ausfällt als in der<br />

Gesamtgruppe (grau unterlegte Felder). Die Herausnahme der Grenzfälle aus dieser<br />

Gruppe (Metatypen A, B) vermag dieses Problem zu lösen: Die Nichtlerner-Gruppe wird<br />

kleiner <strong>und</strong> homogener, während die Prätest-Varianz in der leistungsstarken Gruppe bei<br />

Variante A unwesentlich ansteigt. Beide Varianten sind homogenere Alternativen zur<br />

herkömmlichen Vorgehensweise <strong>und</strong> sind in dieser Hinsicht mit der Clusterlösung<br />

vergleichbar – Hypothese 2.3 konnte somit bestätigt werden.<br />

Insgesamt scheint Variante B die adäquateste Gruppierung darzustellen: Sie erzeugt<br />

eine hoch homogene leistungsstarke Gruppe, die derjenigen entspricht, die entstünde,<br />

wenn Trennwert c auf den statischen WCST-64 angewendet würde (da die Gruppe aus im<br />

Prätest »überschwelligen« Personen zusammengesetzt ist); ferner eine homogene<br />

leistungsschwache Gruppe von Personen mit ausgeprägten exekutiven Funktionsstörungen;


240<br />

Ergebnisse Studie 2<br />

<strong>und</strong> schließlich eine Verbesserer-Gruppe, die kaum weniger homogen ist als in Variante A<br />

<strong>und</strong> in der durch die alternative Zuordnung von Aufwärts-Grenzfällen v. a. das Risiko<br />

liberaler Signifikanzurteile bewusst eingegangen wird. Tabelle 41 zeigt die Übereinstimmungen<br />

der betrachteten Metatypen. Verglichen werden die Metatypologien A <strong>und</strong> B<br />

sowohl mit der clusteranalytischen Einteilung als auch mit den Ergebnissen der Osnabrücker<br />

Regel nach WIENÖBST (1993) mit unterschiedlichen Trennwerten.<br />

Tabelle 41.<br />

Konkordanzen von Clusterlösung <strong>und</strong> Metatypen (o. r.: %; u. l.: κ)<br />

k-means 15P43_OS 15P42_OS kRCI-Meta A kRCI-Meta B<br />

k-means 82,50 % 85,25 % 90,75 % 89,75 %<br />

15P43-OS .718 96,25 % 84,50 % 89,00 %<br />

15P42-OS .757 .940 88,25 % 92,75 %<br />

kRCI-Meta A .842 .749 .806 90,00 %<br />

kRCI-Meta B .829 .822 .881 .832<br />

Anmerkungen: κ: Kappa; %: nicht zufallskorrigierte Übereinstimmung; k-means: Drei-Cluster-Lösung; 15P43,<br />

15P42-OS: Einteilung nach 15-Punkte-Regel mit Trennwert 43 bzw. 42; kRCI-Meta A <strong>und</strong> B: Metatypen<br />

Die hohen Übereinstimmungen der beiden vorgeschlagenen Metatypologien sowohl mit der<br />

clusteranalytischen Lösung als auch mit den 15-Punkte-Regeln sind augenscheinlich. Im<br />

zweiten Punkt schneidet Variante B aufgr<strong>und</strong> ihrer identischen Highscorer-Selektionskriterien<br />

geringfügig besser ab.<br />

Variante B wurde als nächstes zur Aggregation der Rohwert- <strong>und</strong> T-Wert-Subtypen von<br />

15P42, GLN- <strong>und</strong> URCI-Methode angewendet. Das Ergebnis fällt angesichts der Klassifikationslogik<br />

wenig überraschend aus: Die vorgenommene Vergröberung führt innerhalb der<br />

Roh- <strong>und</strong> T-Werte jeweils zu einer perfekten Übereinstimmung der Beurteilungen durch<br />

die vier Indices.<br />

Die Ursache liegt in der Behandlung der problematisierten Bereiche differentieller<br />

Kategorisierung durch verschiedene RCIs: Unterschiede bestehen nur bei Entscheidungen<br />

über die Zugehörigkeit eines Falls zu benachbarten Typen, die sich im Ergebnis der<br />

statistischen Signifikanzprüfung, nicht aber im Ausgangsniveau unterscheiden. Variante B<br />

hebt aber eben jene kritischen Unterschiede auf (d. h. Leistungsstarke + Abwärts-<br />

Grenzfälle + Verschlechterer = »Leistungsstarke«; Verbesserer + Aufwärts-Grenzfälle =<br />

»Verbesserer«; Leistungsschwache = »Leistungsschwache«).<br />

Tabelle 42 zeigt die deskriptiven Statistiken der Osnabrücker 15-Punkte-Regel <strong>und</strong> der<br />

Metatypen nach Variante B. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass die Leistungsstarken-Identifikation<br />

nach 15-Punkte-Regel <strong>und</strong> Metatypologie B denselben Regeln folgt; die<br />

deskriptiven Statistiken unterscheiden sich entsprechend nicht. Der deutlichste Unterschied<br />

zeigt sich für die Gruppe der Nichtlerner: Diese zeigt nach der neuen Metatypologie<br />

eine geringfügig größere Konstanz <strong>und</strong> ein etwas geringeres Niveau der Performanz als<br />

nach der 15-Punkte-Regel, wodurch zwar einerseits die Ununterscheidbarkeit von der<br />

Gruppe der Verbesserer zu t0 verloren geht (d = -0,47), andererseits jedoch die Intragruppen-Homogenität<br />

der leistungsschwachen Gruppe im Posttest zunimmt.


Tabelle 42.<br />

Korrekte Sortierungen im WCSTdyn für verschiedene Metatypen<br />

241<br />

Ergebnisse Studie 2<br />

Typ N M(SD)Prä M(SD)Post PPD T dPrä<br />

Osnabrücker 1,5-SD-Regel mit c = 42<br />

HS 180 48,91 (±4,24) 54,55 (±6,48) 5,64 (±6,91) 1681,50** 0,48<br />

LR 158 29,37 (±7,72) 54,69 (±5,93) 25,32 (±7,57) 0** 2,16<br />

NL 62 30,79 (±9,71) 35,45 (±12,28) 4,66 (±8,37) 411,50** 0,40<br />

kRCI-B auf der Basis von Rohwerten<br />

HS 180 48,91 (±4,24) 54,55 (±6,48) 5,64 (±6,91) 1681,50** 0,48<br />

LR 173 30,99 (±7,56) 54,77 (±4,92) 23,78 (±8,62) o** 2,03<br />

NL 47 25,30 (±9,53) 29,02 (±7,43) 3,72 (±10,00) 338,5** 0,32<br />

kRCI-B auf der Basis von T-Werten<br />

HS_R 158 49,70 (±3,91) 54,67 (±6,30) 4,97 (±6,54) 0,43<br />

HS_T 49,06 (±5,20) 58,13 (±10,52) 9,06 (±10,73) 0,90<br />

LR_R 192 32,20 (±8,06) 54,89 (±4,85) 22,68 (±8,82) 1,94<br />

LR_T 32,39 (±5,45) 56,98 (±9,46) 24,59 (±10,45) 2,43<br />

NL_R 50 26,36 (±10,18) 29,64 (±7,94) 3,28 (±10,46) 0,28<br />

NL_T 29,34 (±6,09) 31,26 (±5,05) 1,92 (±6,74) 0,19<br />

Anmerkungen. Effektstärken dPrä berechnet mit Prätest-SD der Gesamtgruppe. 15P42: 15-Punkte-Regel,<br />

Trennwert 42; GLN: Gulliksen-Lord-Novick-RCI; kRCI: »klassischer« Reliable Change Index – jeweils nach<br />

Metatypologie B; M(SD) Prä, Post: korrekte Sortierungen in Prä- <strong>und</strong> Posttest des <strong>dynamisch</strong>en Wisconsin<br />

Card Sorting Test; T: Teststatistik (Wilcoxon, exakte Tests); R: Rohwerte; T: T-Werte; URCI: »ultimativer«<br />

RCI; *: p < .05; **: p < .001<br />

In Tabelle 42 werden zur Vergleichbarkeit der Metatypen auf der Basis von Roh- <strong>und</strong> T-<br />

Werten auch für die T-Wert-Metatypen WCST-Rohwerte <strong>und</strong> Effektstärken angegeben. Es<br />

wird deutlich, dass die parallele Klassifikation <strong>und</strong> Aggregation von Probanden auf der<br />

Gr<strong>und</strong>lage von Roh- <strong>und</strong> T-Werten zu drei Gruppen führen, die sich hinsichtlich ihrer<br />

WCST-Performanz sehr ähnlich sind bzw. dass eine hohe Übereinstimmung zwischen den<br />

Roh- <strong>und</strong> T-Wert-Metatypen besteht (Tabelle 43).<br />

Tabelle 43.<br />

Konkordanz von Roh- <strong>und</strong> T-Wert-Metatypen<br />

Rohwerte<br />

κ = .87* NL LR HS Ges.<br />

T-Werte<br />

NL 45 2 3 50<br />

LR 1 169 22 192<br />

HS 1 2 155 158<br />

Ges. 47 173 180 400<br />

Anmerkungen. HS: Leistungsstarke, Highscorer; LR: Verbesserer,<br />

Lerner; NL: Leistungsschwache, Nichtlerner<br />

*p < .001


242<br />

Ergebnisse Studie 2<br />

Die wichtigste Erkenntnis dieses Vergleichs ist, dass bei Verwendung der entwickelten<br />

Metatypologie B die Ergebnisse nahezu invariant gegenüber der Verwendung von Roh- vs.<br />

T-Werten sind. Beide Verfahren identifizieren einen harten Kern leistungsschwacher<br />

Personen (11,25 % der Gesamtstichprobe). Die Diskrepanzen der Ergebnisse gehen auf den<br />

strikteren T-Wert-Cutoff zurück.<br />

Der letzte Vergleich dieses Abschnitts widmet sich schließlich der Frage, wie hoch die<br />

Übereinstimmung der ursprünglichen Osnabrücker Regel nach WIENÖBST (1993), inklusive<br />

dem Trennwert von 43, <strong>und</strong> der neuen Metatypologie ausfällt (Tabelle 44).<br />

Tabelle 44.<br />

Konkordanz von 1,5-SD-Regel <strong>und</strong> RCI-Metatypologie<br />

Osnabrücker Regel<br />

κ = .82* NL LR HS Ges.<br />

kRCI<br />

NL 40 7 0 47<br />

LR 22 151 0 173<br />

HS 11 4 165 180<br />

Ges. 73 162 165 400<br />

Anmerkungen. HS: Leistungsstarke, Highscorer; LR: Verbesserer,<br />

Lerner; NL: Leistungsschwache, Nichtlerner<br />

*p < .001<br />

Kurz zusammengefasst zeigt Tabelle 44, dass sich die Absenkung des Trennwertes um<br />

einen Punkt <strong>und</strong> die neue Klassifikationslogik dahingehend auswirken, dass von den<br />

ursprünglich 73 Nichtlernern jetzt 11 als Highscorer klassifiziert werden, weil sie zu t0 42<br />

Karten korrekt sortieren (stabil Leistungsstarke <strong>und</strong> Abwärts-Grenzfälle), <strong>und</strong> 22 als<br />

Lerner, weil sie von t0 zu t1 den Schwellenwert zum funktionalen Bereich passieren<br />

(Aufwärts-Grenzfälle).<br />

10.8.4 Fazit aus der Komposition von Metatypen<br />

In den vorhergehenden Abschnitten wurde eine Metatypologie entwickelt, um die zehn<br />

Subtypen zu handhabbaren Gruppen zusammenfassen zu können. Anhand von Clusteranalysen<br />

wurde gezeigt, dass eine Trichotomie (Nichtlerner, Lerner, Leistungsstarke: BUDOFF &<br />

FRIEDMAN, 1964; WIEDL et al., 2001) statistisch hinreichend homogen ist. Zugleich wurde<br />

aus Vergleichen von kRCI-Subtypen, Clustern <strong>und</strong> 15-Punkte-Regel deutlich, dass v. a. die<br />

Zuordnung der »Aufwärts-Grenzfälle« Probleme aufwirft. Diese Subgruppe sorgt in der<br />

traditionellen Dreiteilung nach WIENÖBST (1993), in der sie den Nichtlernern angehört, für<br />

eine inakzeptable Heterogenität dieser Gruppe. Es wurden verschiedene Zuordnungsalgorithmen<br />

formuliert <strong>und</strong> eine Variante ausgewählt, die diese Grenzfälle als Lerner statt<br />

als Nichtlerner klassifiziert <strong>und</strong> so eine deutlich höhere Homogenität erzielt. Die gewählte<br />

Metatypisierung hat den weiteren Vorteil, dass ihr Resultat invariant ist gegenüber dem<br />

verwendeten Reliable Change Index (kRCI, GLN, URCI). Die Verwendung von korrigierten<br />

T-Werten wirkt sich praktisch nicht auf die Identifikation von Nichtlernern, jedoch auf die<br />

Differenzierung von Lernern <strong>und</strong> Leistungsstarken aus.


10.9 Soziodemographische <strong>und</strong> klinische Daten der Metatypen<br />

243<br />

Ergebnisse Studie 2<br />

Bevor im Folgenden versucht wird, die spezifischen kognitiven Defizite von verbesserten<br />

<strong>und</strong> leistungsschwachen Probanden (bzw. Lernern <strong>und</strong> Nichtlernern) über eine multivariate<br />

Analyse unabhängiger WCST-Variablen zu erhellen, sollen die vorgeschlagenen<br />

RCI-Metatypen durch die verfügbaren soziodemographischen <strong>und</strong> klinischen Variablen<br />

charakterisiert werden. Im Folgenden bezeichnen die Begriffe »Leistungsstarke« <strong>und</strong><br />

»Highscorer«, »Verbesserer« <strong>und</strong> »Lerner« sowie »Leistungsschwache« <strong>und</strong> »Nichtlerner«<br />

jeweils dieselben Gruppen.<br />

Alter. Das Alter zum Zeitpunkt der Untersuchung korrelierte zu beiden Messzeitpunkten<br />

negativ mit der Anzahl korrekt sortierter Karten (jeweils r = -.32, p < .001). Es besteht<br />

ein signifikanter Altersunterschied zwischen den RCI-Performanz-Gruppen, F(2, 397) =<br />

25,89 (p < .001). Während sich zwischen Leistungsstarken (MHS = 31,08 [±8,76]) <strong>und</strong><br />

Verbesserern (MLR = 33,40 [±9,14]) zwar ein signifikanter, aber schwacher Unterschied<br />

zeigte (Games-Howell: p < .05; g = 0,26), war die leistungsschwache Gruppe durchschnittlich<br />

9,8 Jahre älter als die beiden anderen Gruppen (MNL = 42,06 [±11,73]; g = 1,05 zum<br />

gewichteten arithmetischen Mittel).<br />

Geschlecht. Während die Geschlechter in erwarteten Anteilen Lerner stellen,<br />

verschiebt sich das Verhältnis bei Leistungsstarken <strong>und</strong> Leistungsschwachen dahingehend,<br />

dass überzufällig viele Nichtlerner weiblich bzw. Highscorer männlich sind (χ 2 [2] = 10,31; p<br />

< .01). Bei der Betrachtung dieser beiden Typen zeigt das Quotenverhältnis (OR = 2,15),<br />

dass ein Proband 2,15mal wahrscheinlicher als leistungsstark klassifiziert wurde als eine<br />

Probandin.<br />

Schulabschlüsse <strong>und</strong> Ausbildung. Lerner <strong>und</strong> Leistungsstarke unterscheiden sich<br />

nicht in der Anzahl ihrer kumulierten Ausbildungsjahre (MHS = 12,48 [±2,27]; MLR =12,32<br />

[±2,19]), Nichtlerner weisen signifikant kürzere Gesamtausbildungszeiten auf (Helmert-<br />

Kontrast: t[397] = 4,66: p < .001). Für eine Subgruppe von 260 Personen lagen außerdem<br />

Angaben zum Schulabschluss (bzw. zur Anzahl absolvierter Regelschuljahre) vor. Es zeigte<br />

sich, dass Nichtlerner (nNL = 32) häufiger als erwartet Volks- oder Hauptschule (13 statt<br />

erwarteter 6,6) <strong>und</strong> seltener (5/ 13) das Gymnasium besucht haben, während in der<br />

leistungsstarken Gruppe (nHS = 120) umgekehrte Verhältnisse herrschen (Haupt-/<br />

Volksschulen: 16/ 25; Abitur: 60/ 49; χ 2 [6] = 18,34; p < .01). Die Gruppe der Lerner<br />

verteilte sich erwartungsgemäß auf die Schulformen. Es zeigte sich kein signifikanter<br />

Zusammenhang zwischen Lernertyp <strong>und</strong> der Wahrscheinlichkeit, eine Ausbildung<br />

absolviert zu haben (für N = 397; χ 2 [2] = 3,05 n. s.).<br />

Familienstand. Für die Subgruppe von 225 Personen, für die Angaben zum Familienstand<br />

vorlagen (85,3 % ledig – 14,7 % in Partnerschaft) zeigten sich keine bedeutsamen<br />

Abweichungen von der erwarteten Verteilung (χ 2 [2]= 2,72 n. s.).<br />

Alter bei Ersterkrankung <strong>und</strong> Erkrankungsdauer. Während das Alter bei<br />

Ersterkrankung (N = 337) keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen den<br />

Lernertypen aufwies, spiegelte der Bef<strong>und</strong> zur Erkrankungsdauer den des Lebensalters<br />

wider (N = 335; Highscorer: MHS = 6,44 [±7,12] Jahre [nHS = 158] < Lerner: MLR =8,99<br />

[±8,28] Jahre [nLR = 136] < Nichtlerner: MNL = 14,56 [±12,56] Jahre [nNL = 41]). Wegen<br />

ungleicher Gruppengrößen <strong>und</strong> Verletzung der Varianzhomogenitätsannahme wurden<br />

Welch-Test <strong>und</strong> post hoc Games-Howell-Tests berechnet (Welch-F[2; 99, 89] = 10,16;<br />

p < .001; für alle Einzelvergleiche p < .05).<br />

Anzahl Hospitalisierungen. Auch in diesem Bereich wurde die Levene-Statistik<br />

signifikant <strong>und</strong> auf den Welch-Test zurückgegriffen (Welch-F[2; 9,65] = 3,91; p < .05). Der


244<br />

Ergebnisse Studie 2<br />

Unterschied zwischen den 40 betrachteten Nichtlernern (MNL = 6,05 [±5,88] Aufenthalte)<br />

<strong>und</strong> den 158 Leistungsstarken (MHS = 3,72 [±3,90]) verpasste knapp die statistische<br />

Signifikanz (Games-Howell-Test: p < .06). Die 131 Lerner unterschieden sich nicht von den<br />

anderen Gruppen (MLR = 4,70 [±4,65] Hospitalisierungen).<br />

Medikation. Es besteht kein signifikanter Unterschied in den Chlorpromazinäquivalenten<br />

zwischen den Performanztypen. Darüber hinaus wurden die Häufigkeiten der<br />

Vergabe von Antidepressiva, Sedativa <strong>und</strong> Anticholinergika verglichen: Während bei der<br />

Verabreichung von antidepressiver <strong>und</strong> sedierender Medikation keine Abweichungen von<br />

den Zufallserwartungen beobachtet werden konnten, erhielten Nichtlerner (NL) häufiger,<br />

Leistungsstarke (LS) seltener anticholinerge Medikation als erwartet, für Lerner zeigten<br />

sich keine Abweichungen (N = 326; NL: 41,86 % mediziert – LS: 21,62 %; χ 2 [2] = 7,17;<br />

p < .05). Das Quotenverhältnis beim Vergleich der erstgenannten Typen zeigt, dass<br />

Nichtlerner 2,6mal wahrscheinlicher mit Antiparkinson-Medikation behandelt wurden.<br />

Symptomatik. Für den Bereich der Symptomatik stellte sich das Problem, dass in den<br />

Teilstichproben unterschiedliche Instrumente zur Fremdbeurteilung der Symptomatik<br />

verwendet wurden: Für 33 Fälle liegen Daten der Brief Psychiatric Rating Scale (BPRS:<br />

OVERALL & GORHAM, 1962) <strong>und</strong> für 35 Daten der Scale for the Assessment of Negative<br />

Symptoms (SANS: ANDREASEN, 1989) vor. Weitere 226 Patienten wurden mit der Positive<br />

and Negative Syndrome Scale (PANSS: KAY, FISZBEIN & OPLER, 1987) untersucht.<br />

Um eine größtmögliche Power zu erreichen, wurde folgendes Vorgehen gewählt:<br />

Zunächst wurde nach Sichtung der Item-Beschreibungen in den entsprechenden Manualen<br />

eine rationale Zuordnung der Items über die Instrumente hinweg vorgenommen. Dies<br />

gelang eindeutig für Items zu den psychopathologischen Bereichen Wahn bzw. ungewöhnliche<br />

Denkinhalte (PANSS-Positivskala P01, BPRS 11), Halluzinationen (P03/ B10), Grandiositätsideen<br />

(P05/ B08), Misstrauen <strong>und</strong> Verfolgungsideen (P06/ B09), Feindseligkeit (P07/<br />

B06), kognitive Desorganisation (PANSS-Negativskala N05/ B15), emotionaler Rückzug<br />

(N02/ B17), Alogie (N06/ S[ANS]13), motorische Verlangsamung (PANSS-Generelle<br />

Psychopathologie-Skala G07/ B18), Affektverflachung (N01/ S08), Depressivität (G06/<br />

B03), Angst (G02/ B02) <strong>und</strong> Schuldgefühle (G03/ B05). Da Erkenntnisse zur Faktorenstruktur<br />

der PANSS bei der vorliegenden Item-Auswahl mindestens drei Faktoren (Positiv-,<br />

Negativ- <strong>und</strong> Depressionsfaktor) erwarten lassen (s. KAY & SEVY, 1990; BELL et al., 1994;<br />

MAß et al., 2000; CUESTA & PERALTA, 2001), erscheinen Anzahl <strong>und</strong> Gewichtung der Items<br />

knapp ausreichend für explorative Faktorenanalysen (z. B. BÜHNER, 2006).<br />

Es wurde eine Hauptkomponenten-Analyse an standardisierten Werten berechnet<br />

(N = 238). Korrelationsmatrix <strong>und</strong> Item-Auswahl erscheinen geeignet (Bartletts Test: χ 2 =<br />

830,59; p < .001; KMO-Koeffizient = .72; alle MSA > .59); die durch die Kommunalitäten<br />

markierten Untergrenzen der Item-Zuverlässigkeiten liegen ebenfalls ausreichend hoch<br />

(s. Tabelle 45). Insgesamt erscheint eine Aggregation <strong>und</strong> Reduktion der Daten möglich. Da<br />

eine erste oblique Rotation (Promax, Kappa = 4) vier ausreichend unkorrelierte Komponenten<br />

ergab (r = -.02, .03, .09, .13, .19, .20), wurde eine Varimax-Rotation durchgeführt.<br />

Auch hier zeigten Scree-Plot <strong>und</strong> Kaiser-Kriterium vier Hauptkomponenten an, die<br />

zusammen 63 % der Varianz erklären (s. Tabelle 45). Im Einklang mit genannten Studien<br />

ergaben sich drei eindeutig interpretierbare Faktoren (Positiv-, Negativ- <strong>und</strong> Depressionssymptomatik)<br />

<strong>und</strong> ein Feindseligkeitsfaktor, der aufgr<strong>und</strong> unzureichender Variablenbesetzung<br />

nicht interpretierbar ist. Mutmaßlich ebenfalls aufgr<strong>und</strong> unzureichender Operationalisierung<br />

zeigt sich kein eigenständiger kognitiver Faktor; stattdessen wird die Varianz des<br />

Desorganisations-Items v. a. durch die Negativ-Komponente erklärt, was bei der Deutung<br />

folgender Bef<strong>und</strong>e berücksichtigt werden muss.


Tabelle 45.<br />

Rotierte Komponentenmatrix einer Hauptkomponentenanalyse von PANSS,<br />

BPRS <strong>und</strong> SANS<br />

245<br />

Komponente<br />

I.I II. III. IV. h 2<br />

motorische Verlangsamung .83 -.04 .08 .00 .69<br />

Alogie .82 -.08 .01 .06 .68<br />

Affektverflachung .81 -.13 .03 .14 .69<br />

emotionaler Rückzug .65 .01 -.02 .44 .62<br />

kognitive Desorganisation .58 .28 -.18 -.30 .54<br />

Wahn -.07 .84 .17 .09 .74<br />

Halluzination .03 .69 .27 -.02 .55<br />

Grandiosität -.15 .67 -.26 .03 .55<br />

Paranoia .13 .49 .19 .44 .49<br />

Angst -.05 .18 .79 .07 .67<br />

Depression .13 -.02 .75 .22 .63<br />

Schuldgefühle -.06 .07 .74 -.14 .57<br />

Hostilität .08 .10 .02 .87 .78<br />

Eigenwert<br />

Varianz (%)<br />

2,84<br />

21,87<br />

2,03<br />

15,64<br />

1,98<br />

15,22<br />

1,34<br />

10,31<br />

Anmerkungen. N = 238 Pbn mit Schizophrenie-Spektrums-Störungen; h 2 : Kommunalitäten.<br />

Ergebnisse Studie 2<br />

Tabelle 46 zeigt die Symptomatik-Daten über die drei Performanztypen der Osnabrücker<br />

15-Punkte-Regel (obere Hälfte) <strong>und</strong> der RCI-Metatypologie (untere Hälfte) jeweils für die<br />

berechneten Faktoren (N = 238) <strong>und</strong> für 210 Pbn, für die komplette PANSS-Daten<br />

vorliegen. Anstelle einer weiteren Metaanalyse, die nahezu red<strong>und</strong>ante Information<br />

ergeben hätte, wurden die faktorenanalytisch konstruierten PANSS-Skalen nach MAß et al.<br />

(2000) gebildet, zur Vergleichbarkeit ebenfalls z-standardisiert <strong>und</strong> auf ihre interne<br />

Konsistenz in der Stichprobe geprüft. Die Ergebnisse für Faktorwerte <strong>und</strong> PANSS-Skalen<br />

sind augenscheinlich gut vergleichbar.<br />

Tabelle 46.<br />

Symptomatik der Performanz-Metatypen für Osnabrücker Regel (o.) <strong>und</strong> RCI-Typologie (u.)<br />

Typ<br />

nHKA/nPANSS FPOS<br />

PANSS-<br />

POS FNEG<br />

PANSS-<br />

NEG FDEP<br />

PANSS-<br />

DEP<br />

DES-<br />

Items<br />

PANSS-<br />

KOG<br />

PANSS-<br />

HOST<br />

HS M -0,07 -0,02 -0,21 -0,19 0,08 0,08 -0,36 -0,37 -0,11<br />

91/82 SD 0,89 0,91 0,85 0,84 1,03 1,03 0,85 0,86 1,10<br />

LR M 0,01 -0,04 -0,03 0,01 0,03 0,04 0,05 0,09 0,09<br />

99/88 SD 1,07 1,03 0,97 1,01 1,00 1,01 0,90 0,96 0,85<br />

NL M 0,12 0,12 0,45 0,38 -0,22 -0,25 0,59 0,57 0,02<br />

48/40 SD 1,05 1,13 1,19 1,18 0,93 0,90 1,16 1,06 1,10


Tabelle 46 (Fortsetzung).<br />

FPOS<br />

PANSS-<br />

POS FNEG<br />

PANSS-<br />

NEG FDEP<br />

246<br />

PANSS-<br />

DEP<br />

DES-<br />

Items<br />

Ergebnisse Studie 2<br />

PANSS-<br />

KOG<br />

PANSS-<br />

HOST<br />

HS M -0,03 0,01 -0,15 -0,15 0,05 0,06 -0,26 -0,29 -0,07<br />

102/92 SD 1,00 1,00 0,89 0,86 1,03 1,03 0,94 0,90 1,09<br />

LR M -0,02 -0,04 -0,04 0,01 0,01 0,05 0,02 0,07 0,06<br />

101/91 SD 1,05 1,01 1,01 1,07 1,00 1,02 0,89 0,98 0,85<br />

NL M 0,14 0,09 0,54 0,49 -0,17 -0,38 0,72 0,76 0,05<br />

35/27 SD 0,86 0,99 1,12 1,06 0,89 0,78 1,12 0,98 1,15<br />

Anmerkung. N = 238 (Faktoren) bzw. 210 (PANSS); positive Werte bedeuten stärker ausgeprägte Symptomatik. FPOS:<br />

Positiv-Faktor (Komponente II); FNEG: Negativ-Faktor (I); FDEP: Depressions-Faktor (III); PANSS-POS: Positiv-Skala<br />

(P01, P03, G09: α = .81) nach Maß et al. (2000); PANSS-NEG: Negativ-Skala (N01, N02, N03, N04, N06, G16: α = .86);<br />

PANSS-DEP: Depressions-Skala (G02, G03, G06: α = .66); DES-Item: separat betrachtetes PANSS-/BPRS-Item N05 bzw.<br />

BPRS15 (Abstraktionsschwierigkeiten, konzeptuelle Desorganisation); PANSS-KOG: kognitive Skala (P02, N05, G11: α =<br />

.70); PANSS-HOST: Skala feindselige Erregung (P04, P05, P07, G04, G08, G14, G05: α = .63).<br />

Es wurden einfaktorielle Varianzanalysen mit Post-hoc-Tests berechnet: Nichtlerner sind<br />

über beide Einteilungen hinweg negativsymptomatischer <strong>und</strong> kognitiv desorganisierter als<br />

Lerner, die wiederum beeinträchtigter sind als Highscorer (für Negativsymptomatik wird<br />

allerdings nur der Vergleich zwischen den Extremgruppen signifikant). Lerner <strong>und</strong><br />

Highscorer sind nach RCI-Typologie auf der PANSS depressiver als Nichtlerner (p < .10).<br />

Zusammenfassend lässt sich an den Symptomatik-Daten erkennen, dass die Umgruppierung<br />

der Aufwärts-Grenzfälle zu einer etwas negativsymptomatischeren <strong>und</strong> kognitiv<br />

beeinträchtigteren Nichtlerner-Gruppe geführt hat (s. Tabelle 47).<br />

Tabelle 47.<br />

Effektstärken des Vergleichs der Performanztypen auf<br />

Symptomatik-Faktoren<br />

15P43-Typen RCI-Metatypen<br />

FPOS alle g < ⏐0,20⏐ alle g < ⏐0,18⏐<br />

PANSS-POS alle g < ⏐0,16⏐ alle g < ⏐0,13⏐<br />

FNEG NL-LR g = 0,45*<br />

NL-HS g = 0,66**<br />

LR-HS g = 0,20<br />

PANSS-NEG NL-LR g = 0,35<br />

NL-HS g = 0,59*<br />

LR-HS g = 0,21<br />

<br />

<br />

NL-LR g = 0,56*<br />

NL-HS g = 0,72**<br />

LR-HS g = 0,11<br />

NL-LR g = 0,44<br />

NL-HS g = 0,70*<br />

LR-HS g = 0,17<br />

FDEP alle g < ⏐0,30⏐ alle g < ⏐0,22⏐<br />

PANSS-DEP NL-LR g = -0,29<br />

NL-HS g = -0,34<br />

PANSS-KOG NL-LR g = 0,48*<br />

NL-HS g = 1,00***<br />

LR-HS g = 0,50**<br />

<br />

NL-LR g = -0,45+<br />

NL-HS g = -0,45+<br />

NL-LR g = 0,70**<br />

NL-HS g = 1,14***<br />

LR-HS g = 0,38*<br />

PANSS-HOST alle g < ⏐0,21⏐ alle g < ⏐0,13⏐<br />

Anmerkungen. Zur Bedeutung der Symptomatik-Variablen s. Tabelle 46.;<br />

Games-Howell-Post-hoc-Tests: +: p ≤ .10; *: p ≤ .05; **: p ≤ .01; ***: p ≤ .001.


10.10 Externe Validierung der Metatypen<br />

247<br />

Ergebnisse Studie 2<br />

Um die gewählte Aggregation der Subtypen zu Metatypen durch externe kognitive Kriterien<br />

zu untermauern, die Metatypen selbst weiter zu beschreiben <strong>und</strong> schließlich die Generalisierung<br />

von Lernpotenzial zu untersuchen (vgl. WIEDL, WIENÖBST, SCHÖTTKE & KAUFFELDT,<br />

1999), wurden zwei Merkmalsbereiche betrachtet: (1.) die prämorbide Intelligenz, geschätzt<br />

mit dem Wortschatztest (WST: SCHMIDT & METZLER, 1992) <strong>und</strong> (2.) das verbale deklarative<br />

Gedächtnis, operationalisiert über den Auditiv-Verbalen Lerntest (AVLT: HEUBROCK,<br />

1992). Letzterer kann, wie alle Wortlistenlerntests, ebenfalls als implizit »<strong>dynamisch</strong>er«<br />

Test aufgefasst werden (GREEN et al., 2000).<br />

10.10.1 Prämorbide Intelligenz <strong>und</strong> verbales Gedächtnis der kRCI-<br />

Subtypen<br />

Vor dem Vergleich der Metatypen wurden zunächst die Leistungen der Subtypen nach<br />

klassischem RCI verglichen. Aufgenommen wurden nur Subgruppen, für die mindestens<br />

eine der Variablen n ≥ 6 Fälle aufweist (v. a. signifikant verbesserte leistungsschwache Pbn<br />

müssen unter Vorbehalt betrachtet werden). Tabelle 48 zeigt die Ergebnisse.<br />

Tabelle 48.<br />

Verbale Intelligenz <strong>und</strong> verbales Gedächtnis<br />

der kRCI-Subtypen<br />

kRCI-Subtyp IQ AVLT<br />

Stabile<br />

Leistungsstarke<br />

Bedeutsam<br />

Verbesserte<br />

Grenzfall<br />

Aufwärts<br />

Verbesserte<br />

Leistungsschwache<br />

Stabile<br />

Leistungsschwache<br />

Gesamtgruppe<br />

M 101,24 48,13<br />

SD 12,93 11,01<br />

n 82 111<br />

M 98,48 45,06<br />

SD 11,25 9,79<br />

n 67 90<br />

M 97,85 44,61<br />

SD 15,68 14,03<br />

n 17 23<br />

M 88,67 35,00<br />

SD 5,50 7,53<br />

n 6 4<br />

M 89,72 30,57<br />

SD 11,68 8,50<br />

n 29 28<br />

M 97,76 44,55<br />

SD 13,16 11,82<br />

N 212 262<br />

Anmerkungen. Berücksichtigt wurden nur Subgruppen<br />

mit n ≥ 6; für die Gesamtgruppe wurden alle Fälle<br />

berücksichtigt (d. h. Σni < N)<br />

IQ-Werte waren für 212 Patienten verfügbar. Klinisch bedeutsame Verbesserer <strong>und</strong><br />

Aufwärts-Grenzfälle unterscheiden sich nicht. Beide schneiden zwar geringfügig schlechter


248<br />

Ergebnisse Studie 2<br />

ab als Leistungsstarke (g = 0,23), der Unterschied wird jedoch nicht signifikant (t[164] =<br />

1,48; p = .14). Signifikant verbesserte leistungsschwache Probanden unterscheiden sich<br />

wiederum nicht von konstant leistungsschwachen. Für den Bereich der verbalen Intelligenz<br />

kann die Zuordnung der Aufwärts-Grenzfälle zur Gruppe der Lerner daher bestätigt<br />

werden.<br />

Vollständige Daten für den AVLT waren für 262 Probanden verfügbar. Ausgewertet<br />

wurde die Summe der ersten fünf Durchgänge (ΣAVLT A1-A5). Es ist auch hier offensichtlich,<br />

dass sich die 90 Probanden mit klinisch bedeutsamem WCST-Zugewinn <strong>und</strong> die 23<br />

Aufwärts-Grenzfälle nicht unterscheiden. Die 111 stabilen Leistungsstarken schneiden<br />

geringfügig besser ab als beide zusammengenommen (t[222] = 2,18; p < .05; g = 0,29).<br />

Verbesserte leistungsschwache Probanden ähneln, soweit sich dies anhand der schwach<br />

besetzten Zelle beurteilen lässt, am ehesten den stabil leistungsschwachen: Der Unterschied<br />

zu letzteren beträgt g = 0,51, während sie deutlich schlechter abschneiden als bedeutsam<br />

verbesserte Probanden (g = -1,03). Stabil leistungsschwache Probanden schneiden mit<br />

großen Effekten schlechter ab als bedeutsam verbesserte (g = -1,51) <strong>und</strong> konstant leistungsstarke<br />

(g = -1,65).<br />

Insgesamt rechtfertigt das Muster der Unterschiede auch hier vorgenommene Aggregation<br />

der Subtypen: »Aufwärts-Grenzfälle« sind, gemessen an ihrer AVLT-Leistung, eher<br />

Lerner als Nichtlerner.<br />

10.10.2 Prämorbide Intelligenz <strong>und</strong> verbales Gedächtnis der Metatypen<br />

Im nächsten Schritt wurden die Ausprägungen der beiden Variablen für die Lernertypen<br />

nach Osnabrücker 1,5-SD-Regel sowie nach der vorgeschlagenen RCI-Metatypologie<br />

verglichen. Tabelle 49 zeigt die Ergebnisse.<br />

Tabelle 49.<br />

IQ- <strong>und</strong> AVLT-Daten für ausgewählte Performanz-Metatypen<br />

Typ<br />

Highscorer<br />

Lerner<br />

Nichtlerner<br />

15P43 15P42 RCI<br />

IQ AVLT IQ AVLT IQ AVLT<br />

M 101,14 48,71 100,42 47,83 100,42 47,83<br />

SD 13,59 10,62 13,76 11,13 13,76 11,13<br />

n 85 106 92 117 92 117<br />

M 98,54 44,01 98,43 44,23 98,35 44,96<br />

SD 11,42 10,73 11,45 10,79 12,17 10,72<br />

n 84 109 83 106 84 113<br />

M 89,58 36,45 89,66 35,62 89,61 31,13<br />

SD 12,28 12,56 12,34 12,03 10,67 8,40<br />

n 43 47 37 39 36 32<br />

Anmerkungen. 15P43, 15P42: Osnabrücker Regel mit alternativen Trennwerten; RCI: entwickelte<br />

RCI-Metatypologie B<br />

Zunächst ist festzustellen, dass die geringfügige Absenkung des Trennwerts innerhalb der<br />

Osnabrücker Regel (43 42 Karten) weder für das verbale Gedächtnis noch für die IQ-<br />

Schätzung einen relevanten Effekt zeitigt. Der verbale IQ variiert innerhalb der Metatypen<br />

über die verschiedenen Einteilungen hinweg praktisch nicht.


249<br />

Ergebnisse Studie 2<br />

Es besteht ein deutlicher Effekt des Performanztyps auf die verbale Intelligenz dahingehend,<br />

dass sich Leistungsstarke <strong>und</strong> Lerner nicht unterschieden, die leistungsschwachen<br />

Probanden jedoch signifikant <strong>und</strong> deutlich schlechter abschneiden (für Metatypologie B:<br />

g = -0,77; F[2, 209] = 9,58; p < .001; Games-Howell: jeweils p < .001). Es besteht im<br />

Übrigen ein starker Zusammenhang zwischen IQ-Schätzung <strong>und</strong> der berichteten Anzahl<br />

absolvierter Schul- <strong>und</strong> Ausbildungsjahre (r = .48, p < .001), wodurch die IQ-Differenzen<br />

mit den Bildungsunterschieden korrespondieren.<br />

Wie nach den oben berichteten Subtypen-Vergleichen erwartet werden konnte, wirkt<br />

sich die Umgruppierung der Aufwärts-Grenzfälle auf die mittlere Gedächtnisleistung der<br />

Nichtlerner aus: Hier vergrößert sich der Abstand zur Gesamtgruppe der Lerner <strong>und</strong><br />

Highscorer deutlich von g = -0,88 (15P43) bzw. g = -0,93 (15P42) auf g = -1,42 (kRCI-B).<br />

Dies soll noch einmal im Detail anhand einer Betrachtung der Wechsler illustriert<br />

werden. In der Subgruppe der 262 Pbn, für die komplette AVLT-Datensätze verfügbar<br />

waren, traten durch die Änderung der Zuordnungsregeln 17 Wechsler zwischen Nichtlerner-<br />

<strong>und</strong> Lerner-Kategorie auf: 12 Pbn, die von der 1,5-SD-Regel (c = 42) als Nichtlerner<br />

klassifiziert werden, gelten nach Metatypologie B als Lerner, da sie im Posttest den<br />

funktionalen Bereich erreichen, obwohl sie die kritische Differenz verpassen (Aufwärts-<br />

Grenzfälle: MPPD = 11,33 [±3,14]; MWCST_Post = 49,75 [±4,00]). In fünf Fällen verhält es sich<br />

umgekehrt, d. h. diese erreichen zwar die erforderlichen +15 Karten, bleiben aber im<br />

dysfunktionalen Bereich <strong>und</strong> gelten daher nach der neuen RCI-Metatypologie als Nichtlerner<br />

(MPPD = 18,80 [±3,19]; MWCST_Post = 37,00 [±2,92]). Demnach umfasst die Nichtlerner-<br />

Gruppe für den AVLT jetzt 12 - 5 = 7 Fälle weniger.<br />

Tabelle 50 liefert die deskriptive Statistik der Wechsler <strong>und</strong> konkordant klassifizierten<br />

Probanden: Es fällt auf, dass die AVLT-Leistung des ersten Wechsler-Typs (Lerner nach<br />

kRCI-B) nicht von der der konkordant klassifizierten Lerner zu unterscheiden ist, die des<br />

zweiten (Nichtlerner nach kRCI-B) hingegen nicht von der der konkordant klassifizierten<br />

Nichtlerner.<br />

Trotz der Varianz-Inhomogenität der Gruppen <strong>und</strong> der kleinen Fallzahlen kann vorsichtig<br />

gefolgert werden, dass Nichtlerner nach Osnabrücker Regel, die durch die neue<br />

Metatypologie als Lerner klassifiziert werden (Wechsler 1), ein deutlich besseres verbales<br />

Gedächtnis bzw. Lernpotenzial im AVLT aufweisen als statistisch verbesserte Leistungsschwache<br />

(nach RCI-Metatypologie), die nach 15P42 als Lerner gelten (Wechsler 2) <strong>und</strong><br />

auch als konkordant klassifizierte Nichtlerner. Auch dieser Bef<strong>und</strong> rechtfertigt ihre<br />

Umgruppierung.<br />

Tabelle 50.<br />

Verbales Gedächtnis (AVLT) diskordant beurteilter Lerner <strong>und</strong><br />

Nichtlerner (15P42 <strong>und</strong> kRCI-B)<br />

Einteilung nach 15P42 vs. kRCI-B M SD n<br />

konkordante Highscorer 47,83 11,13 117<br />

konkordante Lerner 44,92 10,28 101<br />

Wechsler 1: 15P42 NL kRCI-B LR 45,33 14,49 12<br />

konkordante Nichtlerner 31,30 7,73 27<br />

Wechsler 2: 15P42 LR kRCI-B NL 30,20 12,56 5<br />

Anmerkung. 15P42: 1,5-SD-Regel mit Trennwert 42; kRCI-B: Metatypologie B<br />

(s. o.); LR: Lerner; NL: Nichtlerner


250<br />

Ergebnisse Studie 2<br />

Um die verbesserte Validität der vorgeschlagenen Metatypologie zur Identifikation von<br />

»Lernpotenzial« abschließend noch einmal zu verdeutlich, wurden zusätzlich zum AVLT-<br />

Summenwert noch einmal die Lernverläufe herangezogen – dies geschieht allerdings<br />

wegen der unzureichenden Reliabilität einzelner Durchgänge von Wortlistenlerntests<br />

(GEFFEN, BUTTERWORTH & GEFFEN, 1994; VAN DEN BURG & KINGMA, 1999) rein deskriptiv.<br />

Eine Prüfung der Generalisierbarkeit der kognitiven Modifizierbarkeit im WCSTdyn auf<br />

einen weiteren Lerntest wie den AVLT kann gr<strong>und</strong>sätzlich aus zwei Perspektiven erfolgen:<br />

Erstens können die WCSTdyn-Performanztypen hinsichtlich ihres Lernpotenzials im<br />

zweiten Test verglichen werden – dies wurde mit dem AVLT-Summenscore bereits in<br />

Tabelle 49 getan, so dass nur noch die Lernverlaufskurven nachgetragen werden müssen.<br />

Zweitens kann versucht werden, mit dem WCSTdyn Lernpotenzial im Vergleichstest zu<br />

entdecken (s. u.). Das Ergebnis des ersten Ansatzes zeigt Abbildung 20.<br />

12<br />

11<br />

10<br />

9<br />

8<br />

7<br />

6<br />

5<br />

4<br />

3<br />

A1 A2 A3 A4 A5<br />

AVLT<br />

15P42-NL<br />

15P42-LR<br />

kRCI-B-NL<br />

kRCI-B-LR<br />

Abbildung 20. Vergleich der Lernverlaufskurven von WCSTdyn-<br />

Lernern (LR) <strong>und</strong> Nichtlernern (NL) nach 15P42- bzw. kRCI-Algorithmus<br />

über fünf Durchgänge des Auditiv-Verbalen Lerntests (AVLT)<br />

Es ist erwartungsgemäß zu erkennen, dass die Umgruppierung der 17 Fälle aus Tabelle 50<br />

die Lernkurve der Nichtlerner jenseits des ersten Durchgangs absenkt (A4: 1,2 Wörter bzw.<br />

14 %; A5: 1,1 Wörter bzw. 12 %). Nicht dargestellt ist, dass die Gruppe der Nichtlerner durch<br />

den RCI-Algorithmus auch hinsichtlich ihrer Leistungen in den einzelnen AVLT-<br />

Durchgängen homogenisiert wird: Während das Verhältnis der Gruppen- zur Gesamtvarianz<br />

der Durchgänge A3 bis A5 für die Nichtlerner nach 15P42 noch bei F ≥ 1,11 liegt,<br />

sinkt es für den RCI-Metatyp auf F ≤ 0,76.<br />

Hinsichtlich des zweiten Ansatzes – der Identifikation von »AVLT-Lernpotenzial« durch<br />

den WCSTdyn – besteht das Problem, dass ein typologischer Algorithmus analog zum<br />

Vorgehen beim WCSTdyn wegen der geringeren Reliabilität der Durchgänge nicht zur<br />

Verfügung steht. Die Probanden wurden daher hinsichtlich ihrer Lernleistung geclustert. Es<br />

wurde hierbei a priori angenommen, dass eine Drei-Cluster-Lösung auch beim AVLT<br />

angemessen ist. Die Betrachtung der Fehlerquadratsummen-Entwicklung nach Ward-<br />

Methode (nicht dargestellt) ließ sowohl eine Drei- wie auch eine Fünf-Cluster-Lösung<br />

günstig erscheinen. Aufgr<strong>und</strong> der vorgeschalteten Nearest-Neighbour-Analyse musste ein<br />

atypischer Fall (durchgehend keine Antworten) mit übermäßigem Einfluss auf die nachfolgende<br />

k-means-Analyse ausgeschlossen werden, so dass diese an 261 Fällen durchgeführt<br />

wurde. Tabelle 51 <strong>und</strong> Abbildung 21 zeigen die Abrufleistung der gewählten drei Cluster<br />

über die ersten fünf Durchgänge.


Tabelle 51.<br />

Lernverläufe der AVLT-Cluster<br />

Cluster (n) A1 A2 A3 A4 A5 Σ<br />

NL<br />

(40)<br />

LR<br />

(115)<br />

HS<br />

(106)<br />

Ges.<br />

(261)<br />

M 4,02 4,68 4,92 5,95 6,63 26,20<br />

SD 1,46 1,49 1,94 1,92 2,06 6,72<br />

M 4,72 7,00 8,85 9,92 10,47 40,97<br />

SD 1,19 1,49 1,29 1,45 1,63 3,90<br />

M 6,75 10,26 12,37 13,14 13,27 55,79<br />

SD 1,58 1,76 1,40 1,27 1,40 5,03<br />

M 5,44 7,97 9,68 10,62 11,02 44,72<br />

SD 1,78 2,60 2,97 2,88 2,79 11,52<br />

Anmerkungen. AVLT: Auditiv-Verbaler Lerntest; A1-A5: Durchgänge; HS:<br />

Highscorer; LR: Lerner; NL: Nichtlerner<br />

14<br />

12<br />

10<br />

8<br />

6<br />

4<br />

2<br />

0<br />

A1 A2 A3 A4 A5<br />

Abbildung 21. Lernverlaufskurven der AVLT-Cluster<br />

251<br />

Ergebnisse Studie 2<br />

Das Ziel der Clusteranalyse, homogene Teilmengen von Probanden zu identifizieren, ist<br />

gelungen (d. h. alle SD 2 Cluster/ SD 2 Ges < 0,8). Auch wenn die Performanzverläufe der Cluster<br />

weniger eindeutig sind als für den WCSTdyn (für alle lässt sich ein Zugewinn konstatieren,<br />

<strong>und</strong> zu A1 haben auch »Highscorer« noch Raum für Verbesserung), so fallen sie doch für<br />

die folgende Analyse hinreichend erwartungskonform aus: Schon zu A1 schneidet das<br />

AVLT-Highscorer-Cluster deutlich besser ab als das Lerner-Cluster (gHS-LR_A1 = 1,56) <strong>und</strong><br />

das Nichtlerner-Cluster (gHS-NL_A1 = 1,75), die sich untereinander geringer unterscheiden<br />

(gLR-NL_A1 = 0,55). Alle paarweisen Unterschiede werden schon zu A1 statistisch signifikant<br />

(F[2, 258] = 81,55; p < .001; Post-hoc-Vergleich LR-NL [Games-Howell]: SE = 0,26;<br />

p < .05). Zu A4 <strong>und</strong> A5 liegt im Highscorer-Cluster praktisch ein Deckeneffekt vor. Der<br />

deutliche Unterschied zum Lerner-Cluster besteht nach wie vor, er hat sich allerdings kaum<br />

vergrößert (gHS-LR_A5 = 1,83). Das Lerner-Cluster hingegen setzt sich ab Durchgang A3<br />

deutlich vom Nichtlerner-Cluster ab (hin zu gLR-NL_A5 = 2,18).<br />

Um die in Abbildung 21 angedeutete Interaktion zwischen Cluster <strong>und</strong> Durchgang abzusichern,<br />

wurde eine Varianzanalyse mit Messwiederholung gerechnet. Da der Mauchly-Test<br />

NL<br />

LR<br />

HS


252<br />

Ergebnisse Studie 2<br />

eine Verletzung der Sphärizitätsvoraussetzung anzeigte (χ 2 [9] = 76,08; p < .001), wurden<br />

die Freiheitsgrade mit der Greenhouse-Geisser-Schätzung korrigiert (ε = .86). Sowohl der<br />

Effekt des Testdurchgangs (F[3,43; 883,90] = 508,28; p < .001) als auch der Interaktionseffekt<br />

(F[6,85; 883,90] = 34,00; p < .001) wurden signifikant.<br />

Das AVLT-Nichtlerner-Cluster verbessert sich vom ersten zum letzten Durchgang zwar<br />

konventionell deutlich (dpool_NL_A5-A1 = 1,46 bzw. dPrä_ges. = 1,46), der A5-A1-Zugewinn fällt<br />

aber im Vergleich zum Lerner-Cluster (dpool_LR_A5-A1 = 4,02 bzw. dPrä_ges. = 3,22) <strong>und</strong> zum<br />

Highscorer-Cluster (dpool_HS_A5-A1 = 4,37 bzw. dPrä_ges. = 3,66), deren Lerngewinne sich<br />

ähneln, relativ gering aus. Insgesamt wird deutlich, dass dieses Cluster berechtigterweise<br />

als »AVLT-Nichtlerner« bezeichnet werden kann. Die Überprüfung der Schnittmengen von<br />

AVLT-Nichtlernern <strong>und</strong> der WCST-Nichtlerner-Gruppen nach den verschiedenen Algorithmen<br />

stellt daher die striktere Überprüfung der Generalisierbarkeit von Lernpotenzial-<br />

Beurteilungen dar.<br />

Die AVLT-Cluster wurden hierfür gegen die WCST-Lernergruppen kreuztabelliert (Tabelle<br />

52). Da sich die Validierung des WCSTdyn vor allem auf die Identifikation von<br />

Probanden mit »echten« Defiziten attentional-mnestischer Kontrollfunktionen beziehen<br />

sollte, wurden dichotome Einteilungen (Nichtlerner vs. Lerner + Highscorer) verglichen.<br />

Das Ergebnis bestätigt die Eignung des WCSTdyn im Allgemeinen, <strong>und</strong> insbesondere<br />

der neu entwickelten Typologie für die Identifikation von Lernpotenzial: Von den 221<br />

Probanden, die im AVLT auf hohem oder mittlerem Niveau eindeutig lernen, werden nach<br />

1,5-SD-Regel (15P43) 87 % erkannt (81 % Konkordanz) <strong>und</strong> vom verbesserten Algorithmus<br />

(kRCI-B) 95 % (88 % Konkordanz). Das verbesserte Kappa für die neue RCI-Metatypologie<br />

liegt damit im moderaten Bereich (LANDIS & KOCH, 1977). Hypothese 2.4 kann somit<br />

vorsichtig als bestätigt gelten.<br />

Tabelle 52.<br />

Kreuztabelle AVLT-Cluster*WCST-Metatypen<br />

AVLT-Cluster<br />

NL LR, HS<br />

15P43 NL 19 28 47 χ 2 (1) = 27,83 *<br />

LR, HS 21 193 214 κ = .33 *<br />

15P42 NL 18 21 39 χ 2 (1) = 33,58 *<br />

LR, HS 22 200 222 κ = .36 *<br />

RCI-B NL 20 12 32 χ 2 (1) = 62,55 *<br />

LR, HS 20 209 229 κ = .49 *<br />

Ges. 40 221 261<br />

Anmerkungen. AVLT: Auditiv-Verbaler Lerntest; 15P43, 15P42: Osnabrücker<br />

Regel mit Trennwert 43 (42); RCI-B: Metatypologie B; HS: Highscorer; LR:<br />

Lerner; NL: Nichtlerner<br />

*p < .001


253<br />

Ergebnisse Studie 2<br />

10.10.3 Fazit der externen Validierung der Metatypen durch WST <strong>und</strong> AVLT<br />

Die Herausnahme der Aufwärts-Grenzfälle aus der traditionellen Nichtlerner-Gruppe<br />

konnte bestätigt werden: Der Subtyp unterscheidet sich weder in der prämorbiden<br />

kristallinen Intelligenz noch im verbal-deklarativen Gedächtnis von bedeutsam verbesserten<br />

Probanden. Eine clusteranalytische Untersuchung der Generalisierbarkeit von Aussagen<br />

über das WCST-Lernpotenzial auf den Bereich des verbalen Gedächtnis zeigte, dass die<br />

neue Metatypologie Personen mit <strong>und</strong> ohne substanzielle Verbesserung im Auditiv-<br />

Verbalen Lerntest besser differenziert als die 15-Punkte-Regel.<br />

10.11 Faktorenanalysen des WCST-64 <strong>und</strong> WCSTdyn<br />

(klinische Stichprobe)<br />

In Abschnitt 3.7.3 wurde eine Sichtung verfügbarer Faktorenanalysen zum WCST unternommen<br />

<strong>und</strong> gezeigt, dass die Korrelationsstruktur in klinischen Stichproben zumindest<br />

bei einem liberalen Extraktionskriterium die Berechnung dreier Hauptkomponenten<br />

erlaubt: einer varianzstarken Primärkomponente der Konzeptbildung <strong>und</strong> Perseveration<br />

<strong>und</strong> zweier Komponenten, die durch die Variablen nonperseverative Fehler (NPE) <strong>und</strong><br />

Konzept-Abbrüche (FMS) markiert werden. In nicht-klinischen Stichproben ließen sich<br />

jedoch wiederholt nur zwei Komponenten sinnvoll extrahieren, da der PE-NPE-<br />

Zusammenhang hier höher ausfällt (GREVE, BROOKS et al., 1997; GOLDMAN et al., 1996;<br />

PAOLO et al., 1995). Dies wurde auch in Studie 1 (Abschnitt 9.4) an den Daten der nichtklinischen<br />

Stichprobe gef<strong>und</strong>en. Da die drei Markiervariablen der vermuteten drei<br />

Faktoren in eine Clusteranalyse zur kognitiven Charakterisierung der Performanztypen<br />

eingehen sollen, soll zunächst die bivariate Zusammenhangsstruktur in Daten der Schizophrenie-Stichprobe<br />

betrachtet werden (Tabelle 53), um die Variablen anschließend einer<br />

Hauptkomponentenanalyse zu unterziehen. Wiederum nicht berücksichtigt wurden die<br />

Variablen Fehlersumme (total errors = PE + NPE) <strong>und</strong>, im Einklang mit der in Abschnitt<br />

3.7.3 referierten Literatur, die perseverativ richtigen Antworten.<br />

Vollständige Datensätze waren für 313 Probanden der beschriebenen Stichprobe verfügbar.<br />

Vor allem FMS (n = 313), aber auch Konzeptantworten (n = 313) <strong>und</strong> Versuche bis zur<br />

ersten Kategorie (n = 350) wurden von den beteiligten Zentren teilweise nicht ausgewertet<br />

<strong>und</strong> dokumentiert.<br />

Tabelle 53.<br />

Korrelationen der WCST-64-Kennwerte (o.: Pearson; u.: Kendalls τ) für 313 Personen mit<br />

Schizophrenie-Spektrums-Diagnosen<br />

KS KZA KAT PE NPE FMS TCFC<br />

KS .95 * .88 * -.82 * -.43 * .17 * -.58 *<br />

KZA .83 * .89 * -.77 * -.43 * .14 + -.57 *<br />

KAT .77 * .77 * -.68 * -.44 * -.11 + -.60 *<br />

PE -.67 * -.62 * -.60 * -.17 * -.19 * .53 *<br />

NPE -.41 * -.37 * -.38 * .05 * .00 * .16 *<br />

FMS .10 + .09 + -.09 * -.09 + .07 * .00 *<br />

TCFC -.31 * -.29 * -.39 * .23 * .17 * .07 *<br />

Anmerkungen. N = 313; KS: korrekte Sortierungen; KZA: Konzeptantworten; KAT: Kategorien; PE: perseverative<br />

Fehler; NPE: nichtperseverative Fehler; FMS: Konzeptabbrüche nach min. 5 Karten (FMS); TCFC: Sortierungen<br />

bis zum Abschluss der ersten Kategorie (TCFC)<br />

*: p ≤ .01; +: p ≤ .05 (2-seitig)


254<br />

Ergebnisse Studie 2<br />

Die Korrelationsstruktur zeigt, dass FSM- <strong>und</strong>, in geringerem Maße, auch nichtperseverative<br />

Fehler (NPE) geringer mit den übrigen Variablen des vermuteten Primärfaktors<br />

zusammenhängen als diese untereinander. Die NPE korrelieren mit den PE signifikant<br />

geringer als in der nicht-klinischen Stichprobe aus Studie 1 (Z1 - Z2 = -0,72 [SEDiff = 0,11];<br />

z < -6).<br />

Da das Kaiser-Kriterium die Faktorenzahl eher unterschätzt (ZWICK & VELICER, 1986)<br />

<strong>und</strong> der Scree-Test kein objektives Kriterium darstellt, wurde zusätzlich eine Parallelanalyse<br />

nach HORN (1965) mit dem Programm von O’CONNOR (2000) durchgeführt. Es wurden<br />

für N = 313 <strong>und</strong> 7 Variablen 1000 Zufallsdatensätze erzeugt <strong>und</strong> die kritischen Werte (95.<br />

Perzentil) der sich ergebenden Eigenwert-Zufallsverteilungen mit dem empirischen<br />

Eigenwerteverlauf verglichen.<br />

Für die empirischen WCST-64-Daten zeigt sich, dass der erste <strong>und</strong> der zweite Eigenwert<br />

der unrotierten Lösung größer ausfallen (I. 4,07 > 1,30; II. 1,22 > 1,18), der dritte nicht<br />

mehr (III. 1,01 < 1,10), d. h. es wird zumindest die Extraktion zweier Komponenten<br />

empfohlen. Hierzu ist allerdings anzumerken, dass nach BEAUDUCEL (2001) auch die<br />

Parallelanalyse bei starker erster Komponente, wie sie für den WCST zu erwarten ist, die<br />

wahre Komponentenanzahl unterschätzen kann.<br />

Es wurde zunächst eine Hauptkomponentenanalyse mit Promax-Rotation (Kappa = 4)<br />

berechnet, die drei Faktoren ergab, von denen zwei moderat interkorreliert waren (PE –<br />

NPE: r = .27; die übrigen r = .14 <strong>und</strong> -.07). Es wurde dennoch im Einklang mit der<br />

bisherigen Literatur zum Thema eine HKA mit Varimax-Rotation berechnet. Dies ergab,<br />

wie für eine psychiatrische Stichprobe erwartet, nach dem Kaiser-Kriterium drei Faktoren<br />

mit 90 % erklärter Gesamtvarianz (Tabelle 54).<br />

Tabelle 54.<br />

Rotierte Komponentenmatrix einer Hauptkomponentenanalyse für<br />

den WCST-64 (Schizophrenie-Stichprobe)<br />

WCST-<br />

Komponente<br />

Variable I. II. III. h2 Eigenwert<br />

% VAR<br />

KS .919* .297* .170* .96<br />

PE -.910* .303* -.188* .94<br />

KZA .909* .312* .131* .92<br />

KAT .886* .336* -.148* .96<br />

TCFC -.739* -.011* .116* .99<br />

NPE -.148* -.984* .003* .98<br />

FMS .033* -.004* .987* .56<br />

3,85<br />

55,06<br />

1,36<br />

19,41<br />

1,09<br />

15,60<br />

Anmerkung. Erklärte Gesamtvarianz: 90,07 %; N = 313; KS: korrekte Sortierungen;<br />

KZA: Konzeptantworten; KAT: Kategorien; PE: perseverative Fehler; NPE:<br />

nichtperseverative Fehler; FMS: Failure to maintain set; TCFC: Trials to complete<br />

first category<br />

*: p < .01 für N > 300 (nach STEVENS, 1992)<br />

Die Komponentenmatrix weist nahezu die erwartete Einfachstruktur mit einem Perseverations-,<br />

einem NPE- <strong>und</strong> einem FMS-Faktor auf. Zwar laden drei von fünf Variablen des<br />

ersten Faktors auch auf dem zweiten Faktor signifikant (d. h. > .298 für N = 300), fallen<br />

jedoch nicht interpretierbar (≤ .336) aus (s. STEVENS, 1992).


255<br />

Ergebnisse Studie 2<br />

Angesichts der dargestellten hohen Korrelationen der Variablen PE, NPE, FMS mit den<br />

Werten der entsprechenden Faktoren <strong>und</strong> ihrer niedrigen gemeinsamen Varianzen (Tabelle<br />

53: < 4 %) ist ihre ausschließliche <strong>und</strong> differentielle Verwendung i. S. von Markiervariablen<br />

gerechtfertigt. Zwar könnte für den ersten Faktor auch die eigentliche Markiervariable KS<br />

weiterverarbeitet werden, die ja auch bei der Lernertypisierung mit dem WCSTdyn<br />

verwendet wird, die PE haben jedoch die attraktive Eigenschaft, aufgr<strong>und</strong> ihrer Herleitung<br />

unabhängig von der Markiervariable des zweiten Faktors (NPE) zu sein.<br />

Für den Posttest-Durchgang (WCSTdyn) liegen bislang keine Erkenntnisse zur Komponentenstruktur<br />

vor. Auch hier liegen die empirischen Eigenwerte der ersten beiden<br />

Komponenten laut Parallelanalyse jeweils oberhalb des 95. Perzentils der entsprechenden<br />

Zufallsverteilung (I. 4,42 > 1,32; II. 1,23 > 1,19). Die Hauptkomponentenanalyse des WCST-<br />

Posttests wurde an 269 Probanden mit vollständigen Werten der 7 Variablen durchgeführt.<br />

Vor allem die nonperseverativen Fehler (n = 294) wurden häufig nicht ausgewertet, da oft<br />

nur ein Interesse an der Anzahl korrekter Sortierungen als Maß des Lernerfolgs bestand.<br />

Tabelle 55 zeigt die bivariaten Zusammenhänge der Variablen.<br />

Tabelle 55.<br />

Korrelationen der WCSTdyn-Kennwerte (o.: Pearson; u.: Kendalls τ) für 269 Pbn mit<br />

Schizophrenie-Spektrums-Diagnosen<br />

KS KZA KAT PE NPE FMS TCFC<br />

KS .99* .68* -.92* -.68* .03* -.70*<br />

KZA .97* .67* -.91* -.67* .04* -.71*<br />

KAT .64* .62* -.57* -.55* -.28* -.54*<br />

PE -.85* -.83* -.53* .34* -.14+ .59*<br />

NPE -.80* -.79* -.55* .48* .19* .58*<br />

FMS -.08* -.08* -.35* -.08* .26* .07*<br />

TCFC -.61* -.56* -.40* .45* .60* .11*<br />

Anmerkungen. KS: korrekte Sortierungen; KZA: Konzeptantworten; KAT: Kategorien; PE: perseverative<br />

Fehler; NPE: nichtperseverative Fehler; FMS: Failure to maintain set; TCFC: Sortierungen bis zum Abschluss<br />

der ersten Kategorie (Trials to complete first category).<br />

*: p ≤ .01; +: p ≤ .05<br />

Bereits bei dieser ersten Betrachtung der Zusammenhänge wird deutlich, dass die nonperseverativen<br />

Fehler im Posttest höher mit den Variablen des Primärfaktors zusammenhängen<br />

als dies für den Prätest der Fall war – die hier gef<strong>und</strong>ene Zusammenhangsstruktur des<br />

WCSTdyn ähnelt hierin den in Studie 1 berichteten WCST-64-Daten nicht-klinischer<br />

Probanden. Es steht also zu erwarten, dass auch die NPE-Variable auf dem Konzeptbildungs-<br />

<strong>und</strong> Perseverationsfaktor lädt.<br />

Obwohl 3 von 21 bivariate Korrelationen sehr hoch (r > .90) ausfallen, wurde eine<br />

Hauptkomponentenanalyse gerechnet, um die Lösung mit denen von HKAs aus der<br />

Literatur zum statischen WCST vergleichen zu können. Stichprobe <strong>und</strong> Zusammenhangsstruktur<br />

erscheinen geeignet (KMO = .71; Bartletts Test: χ 2 [21] = 2944,4; p < .001). Eine<br />

erste Promax-Rotation (Kappa = 4) ergab zwei weitgehend unkorrelierte Komponenten<br />

(r = -.10), die zusammen 81 % der Varianz aufklären. Tabelle 56 zeigt Ladungen, Kommunalitäten<br />

<strong>und</strong> MSA-Werte der Variablen für eine HKA mit Varimax-Rotation.<br />

Die Komponentenmatrix bestätigt den ersten Eindruck: Die Intervention hat den ohnehin<br />

schwachen, aber in klinischen Stichproben zumeist eigenständigen NPE-Faktor durch<br />

leichte Erhöhung des Zusammenhangs der NPE mit den Variablen der primären


256<br />

Ergebnisse Studie 2<br />

Komponente zum Verschwinden gebracht. So korrelieren NPE <strong>und</strong> KS für die hier betrachtete<br />

Substichprobe im Prätest zu r = -.42, im Posttest aber zu r = -.68. Die Veränderung des<br />

Zusammenhangs wurde mit Hilfe des Verfahrens von STEIGER (1980) geprüft, wurde<br />

allerdings nicht signifikant (z = -1,59; n. s.).<br />

Tabelle 56.<br />

Rotierte Komponentenmatrix einer Hauptkomponentenanalyse<br />

für den WCSTdyn (Schizophrenie-Stichprobe)<br />

WCST-<br />

Variable<br />

Komponente<br />

I. II. h 2 MSA<br />

KS .984* .035* .97 .65<br />

PE -.890* -.252* .86 .58<br />

KZA .982* .038* .97 .96<br />

KAT .738* -.401* .71 .92<br />

TCFC -.790* .140* .64 .98<br />

NPE -.696* .393* .64 .49<br />

FMS .037* .932* .87 .46<br />

Eigenwert<br />

% VAR<br />

4,38<br />

62,57<br />

1,27<br />

18,15<br />

Anmerkungen. Erklärte Gesamtvarianz: 80,72 %; N = 269; MSA: Maß der<br />

Stichproben-Adäquatheit. KS: korrekte Sortierungen; KZA: Konzeptantworten;<br />

KAT: Kategorien; PE: perseverative Fehler; NPE: nichtperseverative<br />

Fehler; FMS: Failure to maintain set; TCFC: Trials to complete first<br />

category<br />

*: p < .01 für N = 250 - 299 (nach STEVENS, 1992)<br />

Nur die FMS-Fehler zeigen noch immer eine deutliche Unabhängigkeit <strong>und</strong> konstituieren<br />

eine eigene Komponente. Die gef<strong>und</strong>ene Lösung ähnelt damit derjenigen, die in Studie 1 für<br />

die Stichprobe nicht-klinischer Probanden <strong>und</strong> den statischen WCST-64 gef<strong>und</strong>en wurde.<br />

Wie das Modell von GREVE, LOVE, SHERWIN, MATHIAS, RAMZINSKI et al. (2002) annimmt (s.<br />

Abschnitt 3.5.6), laden auch die vollendeten Kategorien negativ auf diese Komponente, da<br />

die Failure-to-maintain-set-Fehler bei Testnehmern mit ansonsten intakten exekutiven<br />

Kontrollfunktionen ja gerade ein Maß für die Häufigkeit sind, mit der eine Zehnerserie<br />

nicht beendet wurde.<br />

Um sicherzustellen, dass die Komponentenstruktur des Prätests auch gegenüber dem<br />

Ausschluss der 44 Probanden, für die vollständige Posttest-Datensätze fehlten, invariant<br />

ist, wurde die HKA der WCST-Prätest-Daten für n = 269 wiederholt. Der Ausschluss hatte<br />

keinen Einfluss auf die für den Prätest gef<strong>und</strong>ene Struktur oder die Charakterisierung der<br />

Hauptkomponenten.


10.12 Analyse von WCST-Fehlerprofilen<br />

257<br />

Ergebnisse Studie 2<br />

Bislang wurde gezeigt, dass sich die betrachtete Gr<strong>und</strong>gesamtheit anhand der Profile ihrer<br />

korrekten Sortierungen im WCSTdyn in relativ homogenere Teilgruppen einteilen lässt.<br />

Trotz der Untersuchung von WIEDL et al. (2004) zur Veränderung der Konstruktvalidität<br />

des WCST durch Dynamisierung ist zu den spezifischen Beeinträchtigungen von Lernern<br />

<strong>und</strong> Nichtlernern im Prätest noch vergleichsweise wenig bekannt. Die dargestellten<br />

separierbaren Faktoren des WCST <strong>und</strong> deren Interpretation sensu GREVE, LOVE, SHERWIN,<br />

MATHIAS, RAMZINSKI et al. (2002) eröffnen die Möglichkeit, eine kognitive Charakterisierung<br />

der Performanztypen anhand von WCST-Fehlertypen zu versuchen.<br />

Im Anschluss an die genannten Autoren wurde, analog zum oben beschriebenen Vorgehen,<br />

zunächst eine hierarchische Clusteranalyse nach Ward berechnet. Verwendet wurden<br />

die unkorrelierten Werte dreier erzwungener Faktoren aus einer Hauptkomponentenanalyse<br />

mit orthogonaler Rotation an den standardisierten Variablen PE, NPE <strong>und</strong> FMS des<br />

statischen WCST-64.<br />

800<br />

700<br />

600<br />

500<br />

400<br />

300<br />

200<br />

100<br />

0<br />

2 3 4 5 6 7 8 9 10<br />

Reihe1 702,61 495,55 341,82 281,57 236,61 195,09 164,21 143,27 126,50<br />

Abbildung 22. Struktogramm der Heterogenitätsentwicklung von<br />

Ward-Clustern auf der Gr<strong>und</strong>lage perseverativer, nonperseverativer<br />

<strong>und</strong> FMS-Fehler im WCST-64 (N = 313 Patienten)<br />

Das Struktogramm (Abbildung 22) zeigt einen Anstieg der Fehlerquadratsumme (Ellbow)<br />

bei einer Vier-Cluster-Lösung. Da diese sowohl mit der einfachsten Erwartung bei drei<br />

weitgehend unkorrelierten Fehlervariablen übereinstimmt (d. h. einer intakten Gruppe <strong>und</strong><br />

einer Gruppe pro Fehlertyp) als auch den Bef<strong>und</strong> von GREVE, LOVE, SHERWIN, MATHIAS,<br />

RAMZINSKI et al. (2002) an neurologischen Patienten repliziert, wurde sie als Startpartition<br />

einer sich anschließenden nicht-hierarchischen Analyse verwendet.<br />

Abbildung 23 zeigt die z-Werte dieser Fehlervariablen für die vier k-means-Cluster. Das<br />

Vorzeichen wurde so gewählt, dass positive Werte eine höhere Leistung, d. h. weniger<br />

Fehler anzeigen. Alle Clustergruppen erwiesen sich als deutlich varianzhomogener als die<br />

Gr<strong>und</strong>gesamtheit (MeF = 0,30; nicht dargestellt). Das Ergebnis ist eindeutig <strong>und</strong> bestätigt<br />

Hypothese 2.5: Neben einer leistungsstarken Gruppe (High-functioning [HI]-Cluster 3)<br />

kann die Gr<strong>und</strong>gesamtheit in drei weitere Cluster mit spezifischen Fehlertypen eingeteilt<br />

werden: Die Probanden des Clusters 1 (PE) begehen im statischen WCST mit deutlichem<br />

Abstand die meisten perseverativen Fehler (z < -2), unterscheiden sich aber augenscheinlich<br />

nicht in den beiden anderen Teilbereichen. Cluster 4 (NPE) ist ausschließlich durch die<br />

Häufung nicht-perseverativer Fehler gekennzeichnet (z < -1), während Cluster 3 (FMS) die<br />

meisten Konzept-Abbrüche zeigt (z < -2,5).


1<br />

0<br />

-1<br />

-2<br />

-3<br />

PE NPE FMS<br />

Abbildung 23. Z-Werte der perseverativen, nonperseverativen <strong>und</strong><br />

Failure-to-maintain-set-Fehler (PE, NPE, FMS) im WCST-64 über vier<br />

k-means-Cluster (N = 313 Patienten). Positive Werte indizieren wenige<br />

Fehler (HI: High-functioning-Gruppe).<br />

258<br />

Ergebnisse Studie 2<br />

Mehrfachvergleiche durch Games-Howell-Tests ergaben für den Bereich Perseverationsfehler<br />

(die folgenden Abkürzungen bezeichnen die Cluster): PE < NPE** < FMS*, HI**; für<br />

den Bereich Nonperseverativer Fehler: NPE < FMS** < HI* < PE*; <strong>und</strong> für den Bereich<br />

Failure-to-maintain-set-Fehler: FMS < NPE, HI** < PE* (*: p < .05; **: p < .001). In den<br />

beiden nicht-perseverativen Fehlerbereichen begeht die Perseverationsgruppe also jeweils<br />

die wenigsten Fehler.<br />

Da die differenzierte Analyse von Prätest-Fehlerprofilen in Anlehnung an GREVE, LOVE,<br />

SHERWIN, MATHIAS, RAMZINSKI et al. (2002) vor allem Hinweise auf die Ursachen kognitiver<br />

Modifizierbarkeit bzw. remediationsrefraktärer Defizite im WCSTdyn liefern soll,<br />

wurden als nächstes die Verläufe der Cluster in Augenschein genommen (Tabelle 57).<br />

Tabelle 57.<br />

WCST-Prä- <strong>und</strong> Posttestwerte der vier k-means-Fehlertypen-Cluster<br />

CL1_PE<br />

CL2_FMS<br />

CL3_HI<br />

CL4_NPE<br />

Cluster KS_A KS_C PE_A PE_C NPE_A NPE_C FMS_A FMS_C<br />

I. PE M 18,58 41,39 40,21 16,73 5,21 6,09 0,09 0,28<br />

(nPE = 33) SD 4,34 15,08 6,14 13,80 3,71 4,50 0,29 0,46<br />

II. FMS M 43,32 52,04 11,14 7,00 9,54 5,25 2,29 0,68<br />

(nFMS = 28) SD 7,10 10,92 5,78 9,34 4,00 3,35 0,53 0,90<br />

III. HI M 46,64 54,60 10,23 4,39 7,14 4,95 0,27 0,82<br />

(nHI = 162) SD 6,23 6,86 5,24 4,41 2,79 3,67 0,45 1,05<br />

IV. NPE M 30,54 52,23 14,80 5,58 18,66 6,23 0,31 0,90<br />

(nNPE = 90) SD 6,52 9,78 6,40 5,68 6,25 5,50 0,47 1,01<br />

Anmerkungen. N = 313; FMS: Failure to maintain set; HI: High-functioning; KS: korrekte Sortierungen; NPE:<br />

nonperseverative Fehler; PE: Perseverationsfehler<br />

Die Verlaufsprofile der vier Cluster lassen sich durch wenige Aussagen charakterisieren:<br />

(1.) Alle Cluster verbessern ihre WCST-Leistung vom Prä- zum Posttest auf Gruppenebene<br />

signifikant, wenn auch auf unterschiedlichen Niveaus (Wilcoxon-Tests: alle p ≤ .001).<br />

(2.) Die Cluster-Unterschiede in den nonperseverativen Fehlern (NPE) werden im Posttest<br />

vollständig nivelliert (Kruskall-Wallis’ H[3] = 2,51; n. s.). (3.) Zwar besteht ein signifikanter<br />

Unterschied für die FMS-Fehlervariable (H[3] = 10,01; p < .05), dieser geht jedoch


259<br />

Ergebnisse Studie 2<br />

ausschließlich auf die im Posttest noch immer niedrigere FMS-Häufigkeit des Perseverationsclusters<br />

zurück (nach Ausschluss: H[2] = 1,48; n. s.). (4.) Der signifikante Unterschied<br />

in den perseverativen Fehlern (H[3] = 31,80; p < .001) geht ausschließlich auf die nach<br />

Intervention noch immer deutlich erhöhte PE-Anzahl des entsprechenden Clusters I zurück<br />

(nach Ausschluss: H[2] = 3,73; n. s.), wobei die geringste Effektstärke (Abstand zu Cluster<br />

II) g = 0,80 beträgt. Auch angesichts der deutlich größeren PE- <strong>und</strong> KS-Posttest-Streuungen<br />

von Cluster I scheint dieses Cluster einen substanziellen Anteil eher leistungsschwacher<br />

Probanden zu enthalten.<br />

Für eine Substichprobe von 210 Probanden, für die komplette PANSS-Daten verfügbar<br />

waren, wurden die Ausprägungen der Subskalen nach MAß et al. (2000) verglichen (die<br />

Verwendung der oben berechneten PANSS-Faktorwerte erbringt hier keinen zusätzlichen<br />

Fall). Tabelle 58 zeigt das Ergebnis.<br />

Tabelle 58.<br />

Symptomatik (PANSS, z-Werte) der WCST-Fehlertypen-Cluster<br />

FMS<br />

POS NEG KOG HOST DEP<br />

M 0,49 -0,56 0,21 -0,21 -0,47<br />

(nFMS = 15) SD 1,28 0,96 1,06 0,72 0,68<br />

PE<br />

M -0,10 0,52 0,75 -0,11 -0,31<br />

(nPE = 24) SD 0,96 0,98 0,91 0,98 0,99<br />

NPE<br />

M 0,00 -0,02 0,08 0,14 0,06<br />

(nNPE = 66) SD 1,01 1,04 1,07 0,97 1,00<br />

HI<br />

M -0,05 -0,03 -0,25 -0,03 0,10<br />

(nHI = 105) SD 0,96 0,94 0,87 1,06 1,02<br />

Anmerkungen. N = 210; positive Werte bedeuten stärker ausgeprägte Symptomatik;<br />

POS, NEG, KOG, HOST, DEP: Faktoren der PANSS, gebildet nach Maß et<br />

al. (2000); FMS: Failure-to-maintain-set-Cluster; HI: High-functioning-Cluster;<br />

NPE: nonperseverative Fehler-Cluster; PE: Perseverationscluster<br />

Wegen der kleinen Teilstichproben (FMS, PE) wurde auf exakte Kruskal-Wallis- <strong>und</strong> Mann-<br />

Whitney-Tests zurückgegriffen: Es besteht ein hochsignifikanter Unterschied auf der<br />

kognitiven Skala (H[3] = 21,33; p < .001), wobei sich das Perseverationscluster (PE) im<br />

Abstraktionsvermögen marginal signifikant vom FMS-Cluster unterscheidet (U = 117,00;<br />

p < .07; r = .29), das sich wiederum ebenfalls tendenziell vom HI-Cluster unterscheidet<br />

(U = 580,5; p < .10; r = .15).<br />

Auch auf der Negativskala besteht ein signifikanter Unterschied (H[3] =13,68; p < .01),<br />

wobei die Extrempole von PE- <strong>und</strong> FMS-Cluster besetzt werden: Probanden des Perseverationsclusters<br />

zeigen die ausgeprägteste Negativsymptomatik, jene des FMS-Clusters die<br />

geringste, NPE- <strong>und</strong> HI-Cluster liegen in der Mitte. Der Unterschied zwischen FMS- <strong>und</strong><br />

HI-Cluster ist signifikant (U = 487,5; p < .05; r = -.22/ g = -0,57), ebenso der zwischen HI-<br />

bzw. NPE-Cluster <strong>und</strong> Perseverationscluster (für HI vs. PE: U = 850,5; p < .05; r = -.22/<br />

g = -0,58).<br />

Ein interessanter Bef<strong>und</strong> zeigt sich auf der Positivskala: Hier fällt auf, dass das eigentlich<br />

leistungsstarke Konzeptabbruch-Cluster (FMS) augenscheinlich mehr Positivsymptomatik<br />

aufweist als das leistungsstärkste Cluster (HI), was eine höhere Distraktionsneigung<br />

erklären könnte – ein Unterschied, der bei nicht-parametrischer Analyse allerdings nicht<br />

signifikant wird (U = 592,5; p < .12; r = .14/ g = 0,53) bzw. erst nach Ausschluss zweier


260<br />

Ergebnisse Studie 2<br />

Extremfälle des HI-Clusters (z > 3,10) marginale Signifikanz erreicht (U = 562,5; p < .09;<br />

r = .16). Die post hoc bestimmte Teststärke des Vergleich ist gering (1 - β = .40).<br />

Um die Hypothese zu prüfen, dass Nichtlerner vor allem exekutive Defizite der kognitiven<br />

Flexibilität (Inhibitionskontrolle) aufweisen, die sich durch die kurze Trainingsphase<br />

nicht remediieren lassen, während Verbesserer vor allem Beeinträchtigungen der Attributidentifikation<br />

<strong>und</strong> des problemlösenden Denkens zeigen sollten (nach GREVE, LOVE,<br />

SHERWIN, MATHIAS, RAMZINSKI et al., 2002, operationalisiert über die NPE-Variable),<br />

wurde zunächst die Übereinstimmung von Fehlertyp-Clustern <strong>und</strong> Performanz-Metatypen<br />

betrachtet (Tabelle 59).<br />

Tabelle 59.<br />

Kreuztabelle Fehlertypen-Cluster*Metatypen<br />

RCI-Metatypen<br />

(beobachtet/erwartet) NL LR HS Gesamt<br />

k-means-Cluster PE 16/4 17/14 0/16 33<br />

NPE 11/10 79/38 0/43 90<br />

FMS 2/3 9/12 17/13 28<br />

HI 5/18 26/68 131/77 162<br />

Gesamt 34 131 148 313<br />

Anmerkungen. χ 2 (6) = 222,88; p < .001; FMS: Failure-to-maintain-set-Cluster; HI: High-functioning-Cluster;<br />

HS: Highscorer; LR: Lerner; NL: Nichtlerner; NPE: nonperseverative Fehler-Cluster;<br />

PE: Perseverationscluster<br />

Es besteht, wie in Hypothese 2.6a vorhergesagt, eine hochsignifikante Assoziation von<br />

Cluster- <strong>und</strong> Metatypen-Zugehörigkeit (χ 2 [6] = 222,88; p < .001): Von den 34 Nichtlernern<br />

gehören 16 (statt erwarteter 3,6), d. h. 47 %, dem Perseverationscluster an. Von den 131<br />

Lernern wiederum gehören 79 (statt erwarteter 37,7), also 60 %, dem NPE-Cluster an. Alle<br />

Leistungsstarken verteilen sich auf FMS- <strong>und</strong> leistungsstärkstes Cluster (d. h. 148 statt<br />

erwarteter 89,8). Tabelle 60 zeigt die deskriptive Statistik für die betrachteten Fehlervariablen<br />

im Prä- <strong>und</strong> Posttest über die drei oben gebildeten Metatypen.<br />

Tabelle 60.<br />

Deskriptive Statistik der WCST-Fehlervariablen PE, NPE, FMS in Prä- <strong>und</strong> Posttest des<br />

WCSTdyn für die drei Metatypen<br />

RCI-Metatyp PE_A PE_C NPE_A NPE_C FMS_A FMS_C<br />

Nichtlerner<br />

M 28,88 24,24 10,76 10,91 0,29 0,39<br />

(nNL = 34) SD 13,06 10,01 9,14 6,71 0,58 0,56<br />

Lerner<br />

M 18,39 4,15 14,44 4,56 0,39 0,80<br />

(nLR = 131) SD 10,16 2,74 7,07 3,08 0,64 0,96<br />

Highscorer<br />

M 8,36 4,01 6,86 4,90 0,53 0,84<br />

(nHS = 148) SD 3,31 3,78 2,76 3,58 0,83 1,08<br />

Anmerkung. N = 313; FMS: Failure-to-maintain-set; NPE: nonperseverative Fehler; PE: Perseverationsfehler


261<br />

Ergebnisse Studie 2<br />

Die Fehler-Mittelwerte der im Prätest leistungsschwächeren Nichtlerner <strong>und</strong> Lerner<br />

spiegeln ihre Übereinstimmungen mit den Fehlerclustern wieder: Zwar erzielen Lerner<br />

bereits im Prätest mehr korrekte Sortierungen als Nichtlerner (g = 0,86), dieser Effekt geht<br />

aber, wie hier ersichtlich, ausschließlich auf eine geringere Perseverationsneigung zurück<br />

(g = -0,97). Wie ihre überzufällig häufige Zugehörigkeit zum NPE-Cluster bereits andeutete,<br />

begingen Lerner im Prätest mehr nonperseverative Fehler als Nichtlerner (U = 1466;<br />

p < .01; r = .24/ g = 0,49), d. h. die Vorhersage von Hypothese 2.6b trifft ein.<br />

Bemerkenswert ist ferner, dass nonperseverative Fehler in der Lernergruppe vollständig<br />

remediierbar waren – es besteht im Posttest kein Unterschied mehr zur leistungsstarken<br />

Gruppe. Für Lerner gilt dies allerdings auch für die perseverativen Fehler: Begingen sie im<br />

Prätest noch deutlich mehr Fehler dieses Typs als Leistungsstarke (g = 1,36), wurde dieser<br />

Unterschied – anders als für die Nichtlerner – im Posttest vollständig nivelliert.<br />

Schließlich lässt sich belegen, dass eine weitere Vorhersage von GREVE, LOVE, SHERWIN,<br />

MATHIAS, RAMZINSKI et al. (2002) eintritt, die aufbauend auf STUSS et al. (2000) postuliert<br />

hatten, dass »… when the WCST problem is solved by providing patients with the sorting<br />

rules, then increased FMS … emerges« (S. 38): Die Konzept-Verluste (FMS) nehmen in den<br />

Gruppen der Leistungsstarken <strong>und</strong> Verbesserer jeweils leicht zu (dPrä = 0,42 <strong>und</strong> dPrä =<br />

0,56), was mit der vermehrten Gelegenheit zu FMS zusammenhängt. Auch hier könnte die<br />

Wirkung weiterer Faktoren der Testbearbeitung diskutiert werden (v. a. des durch die<br />

Instruktion inspirierten Mitzählens).<br />

10.13 Zusammenfassung von Studie 2<br />

Studie 2 hat gezeigt, dass es mit Hilfe einer statistischen Typologie in Anlehnung an<br />

JACOBSON et al. (1982) gelingt, die nach der »Osnabrücker« Regel gebildeten Lernertypen<br />

statistisch zu homogenisieren. Hierfür wurde aufbauend auf Studie 1 der ursprünglich von<br />

WIENÖBST (1993) bestimmte Trennwert von 43 korrekt sortierten Karten auf 42 abgesenkt.<br />

Die statistischen Eigenschaften verschiedener Reliable Change Index-Methoden (kRCI,<br />

GLN, URCI) wurden analysiert: Der »Ultimate« Index (URCI) erwies sich als das Verfahren<br />

mit der liberalsten Veränderungsprüfung. An den Daten der untersuchten Stichprobe von<br />

Probanden mit Schizophrenie-Diagnosen konnten sehr hohe Konkordanzen verschiedener<br />

RCI-Methoden aufgezeigt werden. Neun empirisch gegebene Subtypen wurden zu drei<br />

Metatypen zusammengefasst. Entsprechend der hohen RCI-Übereinstimmungen wurden<br />

pragmatisch Zusammenfassungsregeln vorgeschlagen, die zu einer perfekten Konkordanz<br />

der auf unterschiedlichen RCIs aufbauenden Metatypisierungen führen. Es wurde gezeigt,<br />

dass sich die Unterschiede im WCST-Lernpotenzial in verschiedenen soziodemographischen<br />

<strong>und</strong> klinischen Variablen widerspiegeln. Insbesondere spiegelt sich WCST-Lernpotenzial,<br />

beurteilt nach dem vorgeschlagenen Klassifikationsalgorithmus, auch in einem<br />

Wortlistenlerntest wider. Es wurden Hinweise aus einer Analyse von WCST-Fehlerprofilen<br />

präsentiert, die dafür sprechen, dass Nichtlerner ein Defizit exekutiver Kontrollprozesse,<br />

Lerner hingegen eines des problemlösenden Denkens aufweisen.


11. Ergebnisse Studie 3:<br />

262<br />

Ergebnisse Studie 3<br />

Überprüfung des Einsichtsmodells von Startup (1997)<br />

anhand des <strong>dynamisch</strong>en WCST<br />

11.1 Vorbemerkungen <strong>und</strong> Ziele von Studie 3<br />

Studie 3 verfolgt erstens das Ziel, den von KRUPA (2005) entwickelten Fragebogen zur<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong> erstmals psychometrisch eingehend zu untersuchen. Zweitens soll die<br />

Prävalenz von Einsichtsdefiziten in der betrachteten großen Stichprobe von Patienten mit<br />

Schizophrenie-Spektrums-Diagnosen anhand des Items G12 der PANSS abgeschätzt<br />

werden, das drittens auch zur Bestimmung der konvergenten Validität des Fragebogens<br />

herangezogen wird (Hypothese 3.1a). Viertens wird Medikationsadhärenz mit Hilfe der<br />

Schedule for the Assessment of Insight (SAI-E) untersucht. In diesem Bereich geht es um<br />

die Frage, ob selbstbeurteilte Einsicht <strong>und</strong> Behandlungseinstellungen Compliance vorhersagen<br />

(Hypothese 3.1b) <strong>und</strong> ob die Höhe dieses Zusammenhangs dergestalt ist, dass eine<br />

Konzeptualisierung von Compliance als Einsichtsdimension sensu DAVID (1990) gerechtfertigt<br />

erscheint. Die SAI-E soll fünftens zu einer explorativen Analyse der Struktur von<br />

Einsicht herangezogen werden, wobei vor dem Hintergr<strong>und</strong> der Bef<strong>und</strong>e von COOKE,<br />

PETERS, FANNON et al. (2007) <strong>und</strong> anderen eine eigenständige Symptombewusstheitsdimension<br />

erwartet wird. Sechstens werden die Zusammenhänge von Einsicht mit<br />

soziodemographischen, klinischen <strong>und</strong> kognitiven Variablen betrachtet. Hierbei geht es<br />

darum, ob der <strong>dynamisch</strong>e Wisconsin Card Sorting Test als Operationalisierung exekutiver<br />

Defizite differentiell mit Einsicht korreliert bzw. ob sich die in Studie 2 gebildeten Performanztypen<br />

signifikant in ihrer Einsicht unterscheiden (Hypothese 3.3a). Auch wird ein<br />

Zusammenhang von Einsicht mit Offenheit vorhergesagt, für den eine Moderation durch<br />

Psychiatrieerfahrung <strong>und</strong> Positivsymptomatik angenommen wird (Hypothesen 3.4a-c).<br />

Siebtens wird der Zusammenhang zwischen Einsicht <strong>und</strong> Depressivität näher untersucht,<br />

wobei die Rolle von Positivsymptomatik als Moderator beleuchtet wird (Hypothese<br />

3.2a, b). Achtens soll das Modell von STARTUP (1996) überprüft werden, wobei regressions-<br />

<strong>und</strong> clusteranalytische Methoden zum Einsatz kommen (Hypothesen 3.5, 3.6). Betrachtet<br />

werden schließlich Unterschiede in Offenheit, Coping <strong>und</strong> Depressivität zwischen den<br />

erwarteten Clustern (Hypothesen 3.7, 3.8, 3.9).<br />

11.2 Beschreibung der Stichprobe<br />

Tabelle 61 zeigt die deskriptive Statistik der beiden betrachteten Stichproben. Bei beiden<br />

handelt es sich um Substichproben der Gesamtgruppe aus Studie 2 (N = 400), zudem ist<br />

die kleinere Substichprobe 1, für die vollständige Daten des Einsichtsfragebogens (OSSTI)<br />

vorliegen (n = 85), vollständig enthalten in Substichprobe 2, innerhalb der <strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

mit Hilfe des PANSS-Items G12 operationalisiert wird (n = 226). Eine ausführlichere<br />

Darstellung der Diagnose-Gruppen <strong>und</strong> der Psychopharmakotherapie findet sich für die<br />

Gesamtgruppe in Studie 2.<br />

Alle Analysen zur Schedule for the Assessment of Insight (SAI-E) wurden an Patienten<br />

aus Substichprobe 1 vorgenommen. Für diese Substichprobe liegen außerdem Daten des<br />

Freiburger Fragebogens für Krankheitsverarbeitung (FKV) vor. Die Untersuchungen zu


263<br />

Ergebnisse Studie 3<br />

den Zusammenhängen zwischen Einsicht <strong>und</strong> Depression sowie die Überprüfung des<br />

Modells von STARTUP (1996) wurden an Substichprobe 2 durchgeführt, in der für 210<br />

Probanden komplette PANSS-Datensätze vorliegen.<br />

Tabelle 61.<br />

Soziodemographische <strong>und</strong> klinische Daten der Stichproben (Studie 3)<br />

OSSTI-<br />

Substichprobe 1<br />

(n = 85)<br />

PANSS-/ G12-<br />

Substichprobe 2<br />

(n = 226)<br />

n % n % % gültig<br />

Geschlecht weiblich 41 48,2 94 41,6 41,6<br />

männlich 44 51,8 132 58,4 58,4<br />

Familienstand ledig 71 81,2 189 83,6 85,1<br />

Partnerschaft 14 18,8 33 14,6 14,9<br />

keine Angabe --- 4 1,8 ---<br />

Schulabschluss Berufsschulreife 30 35,3 33 14,6 28,9<br />

Mittl. Bildungsabschluss 23 27,1 40 17,7 35,1<br />

Fachhochschulreife 3 3,5 15 6,6 13,2<br />

allg. Hochschulreife 29 34,1 26 11,5 22,8<br />

keine Angabe --- 112 50,5 ---<br />

Ausbildung keine 48 56,5 52 23,0 34,7<br />

Lehre, Fachschule 31 36,5 79 35,0 52,7<br />

Studium (Uni, FH) 6 7,1 19 8,4 12,7<br />

keine Angabe --- 76 33,6 ---<br />

Diagnosen F20 78 91,8 219 96,9<br />

F21, F23 3 3,5 3 1,3<br />

F25 4 4,7 4 1,8<br />

Medikation AP 1. Generation 23 27,1 50 22,1<br />

AP 2. Generation 43 50,6 103 45,6<br />

AP-Kombination 20 23,5 72 31,9<br />

AP-Monotherapie 52 61,2 106 46,9<br />

AP-Polytherapie 30 35,3 118 52,2<br />

Sedativa 21 24,7 52 23,0<br />

Anticholinergika 23 27,1 54 23,9<br />

Antidepressiva 13 15,3 45 19,9<br />

M SD M SD n<br />

Alter 36,60 10,52 34,91 10,60 226<br />

Erstmanifestationsalter 24,69 8,04 25,39 7,87 216<br />

Erkrankungsdauer 11,36 10,02 9,12 9,16 214<br />

Anzahl Hospitalisierungen 6,42 5,91 4,43 4,54 212<br />

Ausbildungsjahre 12,46 2,43 12,57 2,01 226<br />

Chlorpromazinäquivalente 827,39 780,59 623,60 610,51 162<br />

geschätzter prämorbider IQ 95,53 13,46 97,86 12,74 133<br />

PANSS Summe Positivskala 15,12 5,20 14,26 5,25 210<br />

PANSS Summe Negativskala 16,36 6,54 15,86 6,52 210<br />

PANSS Summe G-Skala 26,71 14,02 29,03 10,87 226<br />

Anmerkungen. AP: Antipsychotikum; PANSS: Positive and Negative Syndrome Scale; G-Skala: Allgemeine<br />

Psychopathologie


264<br />

Ergebnisse Studie 3<br />

11.3 Reliabilität, Komponentenstruktur <strong>und</strong> Validierung der OSSTI<br />

Zunächst wurden die Item- <strong>und</strong> Testkennwerte der Osnabrücker Skala zu Therapieeinstellung<br />

<strong>und</strong> Identifikation psychischer Beschwerden bei Schizophrenie (KRUPA, 2005)<br />

untersucht (Anhang E). Vollständige Angaben waren für 85 Patienten mit Schizophrenie-<br />

Diagnosen verfügbar. Cronbachs α für standardisierte Items liegt in einem akzeptablen<br />

Bereich (α = .79). Diese Konistenz ist invariant gegenüber der Symptombelastung: Eine<br />

Teilung der Gruppe am Median des PANSS-Positivfaktors (MAß et al., 2000) erbringt<br />

nahezu unveränderte Reliabilitäten der Gruppenhälften (αsympt= .76; αasympt = .79). Tabelle<br />

62 zeigt die part-whole-korrigierten Trennschärfen für die 10 Items.<br />

Tabelle 62.<br />

Item- <strong>und</strong> Testkennwerte der OSSTI<br />

Item M SD ritc<br />

01> Nach der Entlassung aus dem Krankenhaus benötige ich weiterhin<br />

ärztliche/ therapeutische Betreuung.<br />

3,81 1,53 .68 **<br />

02> Ich bin ges<strong>und</strong> <strong>und</strong> habe keine psychischen Beschwerden (U). 3,11 1,73 .28 *<br />

03> Zur Bewältigung meiner psychischen Beschwerden ist es notwendig, dass<br />

ich in einem Krankenhaus behandelt werde.<br />

2,34 2,00 .49 **<br />

04> Es gibt Frühwarnzeichen für meine psychischen Beschwerden. 3,28 1,75 .42 **<br />

05> Ich befolge sehr genau den ärztlichen Rat. 4,12 1,04 .29 **<br />

06> Ich berichte meinen Fre<strong>und</strong>en/meiner Familie/meinen Bekannten von<br />

meinen psychischen Beschwerden, um Mißverständnisse zu vermeiden.<br />

07> Wenn ich in Zukunft psychische Beschwerden habe, werde ich professionelle<br />

Hilfe (Psychiater, Therapeut, Facharzt) in Anspruch nehmen.<br />

08> Ich leide an psychischen Beschwerden <strong>und</strong> lasse mich deswegen hier<br />

behandeln.<br />

09> Ich werde nichts gegen meine psychischen Beschwerden unternehmen, weil<br />

sie von alleine wieder abklingen (U).<br />

3,35 1,65 .31 **<br />

4,34 1,03 .56 **<br />

3,89 1,70 .71 **<br />

4,00 1,51 .27 *<br />

10> Auch ohne Medikamente würde ich ges<strong>und</strong> bleiben (U). 3,48 1,72 .60 **<br />

OSSTI-Summe 35,73 9,27 ---<br />

Anmerkungen. N = 85; Cronbachs α (standardisierte Items) = .79; Fishers-Z-gemittelte Item-Interkorrelation<br />

(MIC) = .28; Präzision (Pα) = 0,023<br />

*: p < .05; **: p < .01; U: umgepolt<br />

Vier korrigierte Trennschärfen liegen nach FISSENI (1997) im hohen (Nr. 01, 07, 08, 10),<br />

drei im mittleren (Nr. 03, 04, 06) <strong>und</strong> drei im niedrigen Bereich knapp unter .30 (Nr. 02,<br />

05, 09). Item 5 (»Ich befolge sehr genau den ärztlichen Rat«) weist den zweithöchsten<br />

Mittelwert <strong>und</strong> eine entsprechend eingeschränkte Varianz auf. Die visuelle Analyse des<br />

Streudiagramms für ritc offenbart, dass Deckeneffekte vorliegen: Von den 85 Respondenten<br />

verneinten nur 4 (5 %) das Item teilweise oder vollständig (d. h. xi < 3). Werden diese<br />

ausgeschlossen, sinkt die korrigierte Trennschärfe deutlich (auf ritc = .14).<br />

Eine ähnliche Konstellation liegt für Item 07 (»Wenn ich in Zukunft psychische<br />

Beschwerden habe …«) vor (d. h. höchster Mittelwert, Varianzeinschränkung durch<br />

Deckeneffekt, nur vier Fälle xi < 3). Hier zeigt die visuelle Inspektion jedoch einen soliden<br />

Zusammenhang, der auch nach Ausschluss der Verneiner nur auf ritc = .44 sinkt. Für alle


265<br />

Ergebnisse Studie 3<br />

übrigen Items finden sich keine Hinweise auf Deckeneffekte. Alle übrigen Trennschärfen<br />

werden nicht von Ausreißern beeinflusst.<br />

Die Items 05 <strong>und</strong> 07 wurden dennoch beibehalten: Ein Ausschluss bewirkt erstens keine<br />

Verbesserung der internen Konsistenz. Die OSSTI war zweitens von KRUPA (2005) als<br />

inhaltlich heterogenes Einsichts-Screening konstruiert worden <strong>und</strong> sollte daher nicht allein<br />

aus statistischen Gründen homogenisiert werden. Die Konzeptualisierung von Extremwerten<br />

als »Ausreißer« im Sinne einer Messfehlertheorie könnte drittens unangebracht sein.<br />

Möglicherweise evozieren bestimmte Items verstärkt Abwehrreaktionen <strong>und</strong> tragen über<br />

die Senkung des Summenscores zur Identifikation einer defensiven Subgruppe bei.<br />

Die mittlere Item-Interkorrelation liegt mit .28 noch im optimalen Bereich. Die Präzision<br />

von Alpha liegt allerdings über .01, was als Hinweis für eine Abweichung von der<br />

Eindimensionalität gedeutet werden kann (CORTINA, 1993). Tabelle 63 zeigt die bivariaten<br />

Korrelationen der Items.<br />

Tabelle 63.<br />

Korrelationen der OSSTI-Items (obere Hälfte: r; untere Hälfte: rS)<br />

Item 01 02U 03 04 05 06 07 08 09U 10U<br />

01 --- .31 ** .46 ** .45 ** .14 .25 ** .46 ** .57 ** .15 .61 **<br />

02U .37 ** --- .15 .05 .22 * -.03 .08 .26 * .16 .33 **<br />

03 .43 ** .14 --- .27 * .14 .22 * .32 ** .45 ** .13 .43 **<br />

04 .37 ** .04 .24 * --- .14 .30 ** .33 ** .38 ** .13 .24 *<br />

05 .17 .19 .08 .12 --- .05 .35 ** .32 * .03 .25 *<br />

06 .19 -.03 .19 .31 ** .18 --- .23 * .41 ** .09 .13<br />

07 .49 ** .09 .28 ** .35 ** .36 ** .30 ** --- .52 ** .23 * .44 **<br />

08 .52 ** .30 ** .49 ** .39 ** .27 * .41 ** .53 ** --- .30 ** .47 **<br />

09U .14 .13 .10 .19 * .06 .14 .32 ** .34 ** --- .26 *<br />

10U .56 ** .33 ** .42 ** .31 ** .21 * .13 .41 ** .47 ** .31 ** ---<br />

Anmerkungen. N = 85; Items siehe Tabelle 62<br />

*p ≤ .05; p ≤ .01<br />

Auffällig ist, dass nur geringe Zusammenhänge zwischen Item 02 (»Ich bin ges<strong>und</strong> …«) <strong>und</strong><br />

solchen Items bestehen, in denen psychische Beschwerden bereits durch die Item-<br />

Formulierung unterstellt werden (Items 03, 04, 06, 07, 09) <strong>und</strong> die somit für eine sinnvolle<br />

<strong>und</strong> eindeutige Beantwortung anerkannt werden müssen (z. B. Item 04: »Es gibt Frühwarnzeichen<br />

für meine psychischen Beschwerden«). Es ist unklar, wie diese Items bei<br />

Zurückweisung psychischer Beschwerden« beantwortet wurden.<br />

Zur weiteren Exploration der Teststruktur wurde eine Hauptkomponentenanalyse mit<br />

Promax-Rotation (Delta = 4) durchgeführt. Der Scree-Plot (nicht dargestellt) legt zwar eine<br />

einfaktorielle Lösung nahe, allerdings wird nach Kaiser-Kriterium ein zusätzlicher Faktor<br />

extrahiert. Zusammen erreichen sie 49 % Varianzaufklärung. Die Komponenten sind zu<br />

hoch korreliert (rI-II = .46), um eine orthogonale Rotation gerechtfertigt erscheinen zu<br />

lassen, weshalb die oblique Rotation beibehalten wurde.<br />

Tabelle 64 zeigt die Mustermatrix. Es ist zunächst festzustellen, dass sich eine starke<br />

primäre Komponente bildet, die partielle standardisierte Regressionsgewichte für Items<br />

aufweist, die die »Einsicht« in Behandlungsnotwendigkeit (01, 03, 07, 08) <strong>und</strong>/ oder den<br />

Grad an Psychoedukation (04, 06) erfassen (zu Frühwarnzeichen, Kommunikation).


Tabelle 64.<br />

Mustermatrix einer Hauptkomponentenanalyse<br />

mit Promax-Rotation der OSSTI-Items<br />

Item<br />

266<br />

Komponente<br />

I. II. h 2 MSA<br />

01 .50 .43 .63 .77<br />

02U -.38 .87 .59 .68<br />

03 .47 .26 .40 .91<br />

04 .73 -.11 .48 .83<br />

05 -.05 .55 .28 .64<br />

06 .85 -.39 .57 .75<br />

07 .51 .30 .49 .84<br />

08 .60 .35 .67 .83<br />

09U .11 .33 .15 .68<br />

10U .21 .67 .62 .82<br />

Eigenwert (λ)<br />

(rotiert)<br />

3,67<br />

3,13<br />

1,22<br />

2,88<br />

Anmerkungen. N = 85; Items siehe Tabelle 62; MSA:<br />

measures of sampling adequacy<br />

KMO = .80; Bartletts Test: χ 2 (45) = 218,3 (p < .001)<br />

Ergebnisse Studie 3<br />

Auf der korrelierten zweiten Komponente laden v. a. die Items 2, 5 <strong>und</strong> 10. Sie repräsentiert<br />

somit Items, die allgemeine <strong>Krankheitseinsicht</strong> operationalisieren (Item 2: »Ich bin ges<strong>und</strong><br />

<strong>und</strong> habe keine psychischen Beschwerden«; Item 10: »… würde ich ges<strong>und</strong> bleiben«).<br />

Zusätzlich ist an einen Einfluss der Polung zu denken (s. auch Item 10).<br />

Für Item 5 ist auch ein Einfluss der erwähnten Extremwerte möglich. Eine explorative<br />

Wiederholung der Analyse bestätigt dies: Werden die zwei totalen Verneiner ausgeschlossen<br />

(n = 83), bildet Item 5 eine eigene, dritte Komponente, die nicht bzw. deutlich geringer<br />

mit den ersten beiden Komponenten korreliert (r12 = .36; r13 = .24; r23 = .06). Die Aufteilung<br />

der Gewichte der übrigen Items auf eine <strong>Krankheitseinsicht</strong>s- <strong>und</strong> eine Psychoedukations-<br />

<strong>und</strong> Adhärenzkomponente bleibt bis auf geringe Änderungen erhalten. Ein probeweiser<br />

Ausschluss von Item 5 ergibt erwartungsgemäß wieder zwei Komponenten (r = .46).<br />

Diese lassen sich sehr ähnlich charakterisieren, d. h. die Gewichte der Mustermatrix<br />

entsprechen recht genau denen aus Tabelle 64 ohne Item 5. Insgesamt ist festzuhalten, dass<br />

sich die von KRUPA (2005) intendierte zweidimensionale Struktur zwar ansatzweise<br />

bestätigen lässt, das erwartete Ladungsmuster jedoch nicht (Einsicht: Items 2, 4, 6, 8;<br />

Behandlungsbedürftigkeit: 1, 3, 5, 7, 9, 10).<br />

Es wurden zusätzlich eine Parallelanalyse nach HORN (1965) <strong>und</strong> der Minimum-<br />

Average-Partial-Test (MAP) nach VELICER (1976) mit Programmen von O’CONNOR (2000)<br />

berechnet. Bei der Parallelanalyse wurden für N = 85 <strong>und</strong> 10 Variablen 1000 Zufallsdatensätze<br />

erzeugt <strong>und</strong> die kritischen Werte (95. Perzentil) der Eigenwert-Zufallsverteilungen<br />

mit dem empirischen Eigenwerteverlauf verglichen. Es zeigt sich, dass nur der erste<br />

Eigenwert größer ausfällt (3,67 > 1,75), der zweite bereits nicht mehr (1,22 < 1,51), d. h. es<br />

wird die Extraktion einer Komponente empfohlen. Beim MAP-Test wird die mittlere


267<br />

Ergebnisse Studie 3<br />

Partialkorrelation ebenfalls bei einer Komponente minimal (= .0256). Auch der revidierte<br />

MAP-Test nach VELICER, EATON <strong>und</strong> FAVA (2000), der die vierte Potenz der mittleren<br />

Partialkorrelation zugr<strong>und</strong>e legt (= .0015) empfiehlt die Extraktion einer Komponente.<br />

Da somit die beiden Komponenten hoch korreliert sind <strong>und</strong> Scree-Plot, Parallelanalyse<br />

<strong>und</strong> MAP-Test eine einfaktorielle Lösung nahelegen, wurde entschieden, den Summenwert<br />

zu verwenden. Auf eine weitergehende statistische Homogenisierung wurde verzichtet, da<br />

bei der Operationalisierung des komplexen Einsichtskonstrukts eine gewisse inhaltliche<br />

Heterogenität durchaus angestrebt wurde (KRUPA, 2005).<br />

11.4 Prävalenz von Einsichtsdefiziten<br />

Um die Prävalenz global eingeschätzter Einsichtsdefizite in der Stichprobe zu quantifizieren,<br />

wurde im Einklang mit früheren Arbeiten das PANSS-Item G12 herangezogen.<br />

Verwendet wurde ein Trennwert von 2,5 (G12 ≤ 2 »Einsicht«; G12 >2 »partielle oder<br />

keine Einsicht«). Von den 226 Patienten mit Schizophrenie-Diagnosen, für die G12-Werte<br />

vorliegen, zeigten sich nach diesem Kriterium 131 (58 %) vollständig einsichtig <strong>und</strong> 95<br />

(42 %) nur partiell oder überhaupt nicht einsichtig. Legt man (wie z. B. LYSAKER et al.,<br />

2003) einen konservativeren Trennwert von G12 > 3 an <strong>und</strong> wertet so erst »mäßige«<br />

Defizite als eindeutig oder relevant, sinkt in der betrachteten heterogenen Stichprobe der<br />

Anteil von Patienten mit Defiziten auf 28 %.<br />

11.5 Mehrdimensionale Betrachtung von Einsicht anhand der SAI-E<br />

Mit 58 Personen konnte der Schedule for the Assessment of Insight (SAI-E) vollständig<br />

durchgeführt werden. 36 Patienten (62 %) wiesen mindestens leichte Wahnideen oder<br />

Halluzinationen auf, so dass auch die Items zur Symptombewusstheit <strong>und</strong> -attribution<br />

durchgeführt werden konnten. Berichtet werden im Folgenden sowohl die Korrelationen<br />

der Variablen für die gesamte SAI-E-Stichprobe (ohne Symptombewusstheit <strong>und</strong> Compliance)<br />

als auch die besonders interessierende Zusammenhangsstruktur aller Dimensionen<br />

für die Teilstichprobe der Patienten mit Positivsymptomatik.<br />

Zunächst wurden bivariate Rangkorrelationen der ersten sechs Items für die vollständige<br />

Stichprobe berechnet (s. Tabelle 65: 01: Veränderungsgefühl: »Denken Sie, dass Sie<br />

gefühlsmäßige oder psychische Veränderungen oder Schwierigkeiten erlebt haben?«; 02:<br />

internale Attribution: »Glauben Sie, dass etwas mit Ihnen nicht stimmt (dass Sie z. B.<br />

besonders nervös oder empfindlich sind oder etwas anderes)?«; 03: Einsicht einer<br />

psychischen Erkrankung: »Glauben Sie, dass Sie eine Geisteskrankheit oder psychische<br />

Störung haben?«; 04: Plausibilität des explanativen Modells; 05: Bewusstheit sozialer<br />

Konsequenzen; 06: Notwendigkeit einer Behandlung). Außerdem aufgenommen wurde<br />

Positivsymptomatik.


Tabelle 65.<br />

Bivariate Spearman-Rangkorrelationen der SAI-E-Items 1-6<br />

Item 01 02 03 04 05 06<br />

01 .40 ** .30 * .13 ** .24 + .32 *<br />

02 .61 ** .19 ** .17 + .35 **<br />

03 .42 ** .22 + .46 **<br />

04 .13 + .47 **<br />

05 .36 **<br />

POS .23 + .34 ** .00 -.45 ** -.03 -.09<br />

Anmerkungen. N = 58; SAI-E: Schedule for the Assessment of Insight, expanded<br />

(01: Veränderungs-/ Störungsgefühl; 02: internale Attribution; 03: Einsicht einer psychischen<br />

Erkrankung; 04: Plausibilität des explanativen Modells; 05: Bewusstheit sozialer Konsequenzen;<br />

06: subjektive Behandlungsnotwendigkeit); POS: PANSS-Positivfaktor nach Maß et al.<br />

(2000)<br />

*p ≤ .05; p ≤ .01; +p ≤ .10<br />

268<br />

Ergebnisse Studie 3<br />

Veränderungsgefühl (01) korreliert vor allem mit der internalen Zuschreibung des Problems<br />

(02), wobei dieser Zusammenhang aufgr<strong>und</strong> des quasi-hierarchischen Aufbaus der<br />

SAI-E vor allem von Verneinern gestiftet wird, d. h. diejenigen, die Item 1 verneinen, tun<br />

dies auch bei Item 2. Internale Zuschreibung hängt stark mit der Selbstbeschreibung als<br />

»psychisch krank« zusammen (03). Diese korreliert ihrerseits mit dem Grad der Plausibilität<br />

des Verursachungsmodells (04). Die Bewusstheit sozialer Konsequenzen steht weitgehend<br />

unverb<strong>und</strong>en neben den anderen Aspekten. Die Einsicht der Behandlungsnotwendigkeit<br />

ist hingegen mit allen anderen Facetten von Einsicht moderat bis hoch korreliert,<br />

am höchsten jedoch mit den Variablen von Einsicht im Sinne des psychiatrischen Modells<br />

(03, 04). Positivsymptomatik hängt positiv mit den Variablen des Störungsgefühls (01, 02)<br />

zusammen, ist vollständig unkorreliert mit der Selbsteinschätzung als »psychisch krank«<br />

(03) <strong>und</strong> negativ korreliert mit der Plausibilität des explanativen Modells (04).<br />

36 Personen der Stichprobe waren hinreichend symptomatisch <strong>und</strong> kooperationsbereit,<br />

um eine Einschätzung der Bewusstheit bestehender Positiv-Symptome vornehmen zu<br />

können (PANSS P1 oder P3 ≥ 3). Von diesen äußerte ein Drittel volle oder partielle<br />

Bewusstheit des geringen Wirklichkeitsgehalts ihrer ungewöhnlichen Erlebnisse, etwa ein<br />

Viertel zeigte sich diesbezüglich unsicher <strong>und</strong> fast 40 % wiesen keine oder geringe<br />

Symptombewusstheit auf (Tabelle 66). Positiv-Symptombewusstheit korreliert hoch<br />

negativ mit Positivsymptomatik (rS = -.48, p < .01), d. h. stärker symptomatische Patienten<br />

sind sich dessen weniger bewusst. Obwohl Einsicht (G12) kein Item des PANSS-<br />

Positivfaktors ist, lässt sich dies teilweise aus den PANSS-Kriterien ableiten, da mangelnde<br />

Bewusstheit ein dem Wahn <strong>und</strong> schweren Halluzinationen inhärentes Merkmal ist. Der<br />

OSSTI-Summenwert korreliert zu rS = .41 (p < .05) mit Positiv-Symptombewusstheit.


Tabelle 66.<br />

Symptombewusstheit, Positivsymptomatik <strong>und</strong> OSSTI<br />

Bewusstheit für<br />

Positivsymptomatik<br />

269<br />

PANSS-POS OSSTI<br />

N % M SD Min Max M SD<br />

keine 6 17 12,33 2,50 8 15 30,00 7,35<br />

leichte 8 22 11,75 3,85 7 17 32,25 13,07<br />

unsicher 10 28 10,80 2,44 7 14 34,90 6,76<br />

mittlere 4 11 9,75 2,87 8 14 35,00 12,73<br />

volle 8 22 8,38 1,30 7 11 41,63 4,93<br />

Anmerkungen. N = 36; POS: PANSS-Positivfaktor nach Maß et al. (2000)<br />

Ergebnisse Studie 3<br />

Obwohl das Verhältnis von Item-Anzahl zu Probanden (1:3,6) <strong>und</strong> die Variablenzahl pro<br />

Einsichts-Dimension ungünstig sind, wurde eine explorative Hauptkomponentenanalyse<br />

mit obliquer Rotation an einer Matrix von Spearman-Rangkorrelationen durchgeführt, um<br />

die Korrelationsstruktur der Einsichtsvariablen (inkl. Symptombewusstheit) in dieser<br />

symptomatischen Teilstichprobe übersichtlicher darzustellen.<br />

Es wurden nach dem Kaiser-Kriterium vier korrelierte Komponenten extrahiert (Tabelle<br />

67), die 74 % der Varianz aufklären (mit KMO = .68; Bartlett-Test: χ 2 [45] = 125,31;<br />

p < .001). Komponente I repräsentiert <strong>Krankheitseinsicht</strong> im engeren Sinne, also die<br />

Übernahme des psychiatrischen explanativen Modells (Items 3, 4, 6, 8). Überraschenderweise<br />

weist in dieser symptomatischen Stichprobe Symptombewusstheit eine sehr hohe<br />

Ladung (d. h. partielles standardisiertes Regressionsgewicht) auf dieser Komponente auf.<br />

Komponente II repräsentiert ein eindeutiges Erkrankungsbewusstsein mit tatsächlicher<br />

Akzeptanz der Behandlung (Items 2, 3, A), das jedoch nicht direkt mit der Plausibilität des<br />

Erklärungsmodells zusammenhängt. Dennoch fällt die Korrelation dieser beiden Komponenten,<br />

wie zu erwarten, in den mittleren Bereich. Komponente III repräsentiert eher<br />

Problembewusstsein (Items 1, 5, 6), Komponente IV schließlich Behandlungsinitiative, die<br />

mit keiner der anderen Komponenten korreliert.<br />

Das Compliance-Item A (Akzeptanz) weist in diesem statistischen Modell eine niedrige<br />

Kommunalität <strong>und</strong> ein befriedigendes MSA (>.7), das Compliance-Item B (Initiatve)<br />

hingegen eine hohe Kommunalität, aber ein unzureichendes MSA (< .5) auf: Wie das<br />

Ladungsmuster schon nahelegt, finden sich für Akzeptanz (A) einige moderate Korrelationen<br />

mit Einsichtsvariablen, seine Varianz wird aber insgesamt nicht ausreichend vom<br />

Modell erklärt, während Initiative zwar durch seinen eigenen (schwachen) Faktor »erklärt«<br />

wird, aber zumindest bei symptomatischen Patienten praktisch keine Zusammenhänge mit<br />

Einsichtsaspekten aufweist.


270<br />

Ergebnisse Studie 3<br />

Tabelle 67.<br />

Mustermatrix einer Hauptkomponentenanalyse mit Promax-Rotation der Schedule for<br />

the Assessment of Insight (SAI-E)<br />

Komponente<br />

SAI-E-Item I. II. III. IV. h 2 MSA<br />

Eigenwert (λ)<br />

(rotiert)<br />

01 .14 .25 .54 -.34 .62 .78<br />

02 -.16 .87 .00 .28 .74 .52<br />

03 .41 .60 -.17 -.07 .70 .76<br />

04 .82 .16 -.16 -.16 .77 .66<br />

05 -.13 -.11 .96 .07 .84 .50<br />

06 .37 .15 .51 .11 .65 .84<br />

07 .90 -.17 .00 .28 .78 .80<br />

08 .98 -.20 .09 .00 .89 .66<br />

A -.14 .78 .07 .00 .55 .75<br />

B .10 .18 .01 .92 .91 .41<br />

rII. .45 1<br />

rIII. .34 .19 1<br />

rIV. .00 .01 .06 1<br />

3,77<br />

3,37<br />

1,45<br />

2,52<br />

1,16<br />

1,96<br />

1,06<br />

1,17<br />

rS_Geschlecht .03 ** .00 ** -.11 ** .42 **<br />

rS_Alter .26 ** .35 ** -.22 ** -.09 **<br />

rS_OSSTI .46 ** .46 ** .48 ** .16 **<br />

rS_PANSS-POS -.62 ** -.13 ** -.26 ** .00 **<br />

rS_PANSS-KOG -.25 ** .00 ** -.35 ** -.07 **<br />

rS_PANSS-DEP .25 ** .29 +* .39 ** .14 **<br />

rS_WCSTdyn .19 ** .00 ** .23 +* -.16 **<br />

Anmerkungen. N = 36; MSA: measures of sampling adequacy; KMO = .68; Bartletts Test: χ 2 (45) = 125,3 (p < .001)<br />

SAI-E 01> Veränderungsbewusstsein; 02> internale Zuschreibung; 03> Krankheitsbewusstsein; 04> Plausibilität des<br />

explanativen Modells; 05> Einsicht von Konsequenzen; 06> Einsicht in Behandlungsnotwendigkeit; 07> Symptombewusstheit<br />

(POS); 08> Symptomattribution; Compliance-Fremdbeurteilungen: A> Akzeptanz der Behandlung; B><br />

Behandlungsinitiative<br />

*p ≤ .05; **p ≤ .01; +p < .10


271<br />

Ergebnisse Studie 3<br />

11.6 Konvergente Validität selbst- <strong>und</strong> fremdeingeschätzter Einsicht<br />

Um die konvergente Validität der OSSTI <strong>und</strong> des (blind für dessen Ergebnisse fremdbeurteilten)<br />

PANSS-Items G12 zu überprüfen, wurde zunächst die bivariate Korrelation<br />

berechnet. Der Zusammenhang fällt mit r = .54 (p < .001; N = 85) hoch aus, zeigt allerdings<br />

auch ein substanzielles Maß ungeteilter Varianz der Maße.<br />

Der Zusammenhang wird v. a. von drei atypischen Fällen (3,5 %) leicht in Richtung<br />

einer quadratischen Funktion verzerrt (r = .58; F[2, 82] = 21,11; p < .001). Diese weisen<br />

niedrige OSSTI-Werte, aber laut PANSS keinerlei Einsichtsdefizite auf (G12 = 1). Ohne<br />

diese Fälle läge die Korrelation bei r = .66 (p < .001). Um die Ursachen dieser Konfiguration<br />

zu erk<strong>und</strong>en, wurden die Daten auf Item-Ebene inspiziert: Hier wird deutlich, dass<br />

zwei Respondenten vor allem solche Items stark ablehnend beantworteten, die Behandlungsbedarf<br />

nahelegen (03, 05, 08, 09, 10), während sie in Item 2 psychische Beschwerden<br />

durchaus einräumen. Entweder wurde also die subjektive Behandlungsnotwendigkeit im<br />

G12-Gesamturteil gering gewichtet, oder die Patienten haben sich im Interview in dieser<br />

Hinsicht anders präsentiert als im Fragebogen.<br />

Tabelle 68 zeigt schließlich die Korrelationen der OSSTI mit den Dimensionen des SAI-<br />

E. Auch dessen Durchführung erfolgte blind für die OSSTI-Werte, allerdings nicht blind für<br />

die PANSS. Der OSSTI-Summenwert korreliert mit nahzu allen Dimensionen der SAI-E.<br />

Die höchsten Zusammenhänge zeigen sich mit Items, die Elemente des psychiatrischen<br />

Krankheitsmodells thematisieren. Die höchste Korrelation zeigt sich zwischen der OSSTI<br />

<strong>und</strong> subjektiver Behandlungsnotwendigkeit (SAI-E 06). Der Unterschied zur Korrelation<br />

mit Einsicht im engeren Sinne (SAI-E 03) wurde mit dem Verfahren von OLKIN (1967)<br />

geprüft. Er verfehlt die statistische Signifikanz knapp (z = -1,68, p < .10).<br />

Tabelle 68.<br />

Korrelationen von SAI-E-Dimensionen <strong>und</strong> OSSTI<br />

SAI-E-Items OSSTI<br />

01. Veränderungsgefühl .25 +<br />

02> Störungsgefühl mit internaler Attribution .34 **<br />

03> <strong>Krankheitseinsicht</strong> .42 **<br />

04> Krankheitsattribution .43 **<br />

05> Bewusstheit von Konsequenzen .30 *<br />

06> Einsicht von Behandlungsnotwendigkeit .61 **<br />

07> Symptombewusstheit POS .41 *<br />

07> Symptombewusstheit NEG, KOG .32 *<br />

08> Symptomattribution .49 **<br />

Anmerkungen. OSSTI: Osnabrücker Skala zu Therapieeinstellung <strong>und</strong><br />

Identifikation psychischer Beschwerden; SAI-E: Schedule for the Assessment of<br />

Insight, expanded<br />

N = 58; für SAI-E07: N = 36 (POS)/ 47 (NEG, KOG)<br />

*p ≤ .05; **p ≤ .01; +p < .10


11.7 Analyse von OSSTI-Trennwerten<br />

272<br />

Ergebnisse Studie 3<br />

Um Trennwerte für ein Einsichtsscreening mit der OSSTI zu bestimmen, wurden Receiver-<br />

Operating-Characteristics-Analysen (ROC) durchgeführt. Hierbei wurde das PANSS-Item<br />

G12 mit seinen inhaltlich definierten Kategorien dichotomisiert <strong>und</strong> als externes Klassifikationskriterium<br />

verwendet. Es wurden drei Trennwerte herangezogen (2,5 – 3,5 – 4,5): Ein<br />

G12-Trennwert von 2,5 entspricht dem Mediansplit <strong>und</strong> realisiert die Unterscheidung<br />

zwischen Personen mit <strong>und</strong> ohne »Einsichtsdefizite« (41 % – 59 %). Ein Wert von 3,5<br />

entspricht dem am häufigsten in der Literatur anzutreffenden Trennwert (34 % – 66 %).<br />

Ein Wert von 4,5 entspricht der Differenzierung von Personen mit höchstens moderaten<br />

Einsichtsdefiziten <strong>und</strong> solchen schwerer Uneinsichtigkeit (13 % – 87 %). Tabelle 69 zeigt<br />

Sensitivitäten <strong>und</strong> Spezifitäten für den mittleren OSSTI-Wertebereich <strong>und</strong> die entsprechenden<br />

Yule-Koeffizienten.<br />

Tabelle 69.<br />

Sensitivitäten <strong>und</strong> Spezifitäten der OSSTI für verschiedene PANSS-G12-Trennwerte<br />

Positiv,<br />

wenn<br />

PANSS G12 > 2<br />

Status-Cutoff:<br />

PANSS G12 > 3 PANSS G12 > 4<br />

OSSTI ≤ Sens. Spez. Y Sens. Spez. Y Sens. Spez. Y<br />

30 0,46 0,92 0,38 0,52 0,91 0,43 0,73 0,84 0,57<br />

31,5 0,51 0,88 0,39 0,55 0,86 0,41 0,73 0,78 0,51<br />

32,5 0,57 0,88 0,45 0,62 0,86 0,48 0,82 0,77 0,59<br />

34 0,66 0,84 0,50 0,69 0,80 0,49 0,82 0,70 0,52<br />

35,5 0,71 0,84 0,55 0,72 0,79 0,51 0,82 0,68 0,49<br />

36,5 0,71 0,80 0,51 0,72 0,75 0,47 0,82 0,65 0,47<br />

37,5 0,71 0,72 0,43 0,72 0,68 0,40 0,82 0,60 0,41<br />

38,5 0,71 0,68 0,39 0,72 0,64 0,37 0,82 0,57 0,39<br />

39,5 0,77 0,58 0,35 0,79 0,55 0,35 0,91 0,49 0,40<br />

40,5 0,86 0,50 0,36 0,83 0,45 0,27 0,91 0,39 0,30<br />

Anmerkungen. N = 85. Sens.: Sensitivität; Spez.: Spezifität; Y: Yule-Koeffizient (Sensitivität + Spezifität - 1)<br />

Für die ersten beiden G12-Trennwerte (2,5 <strong>und</strong> 3,5) liegt der optimale OSSTI-Trennwert<br />

bei 35,5 – hierdurch werden jeweils knapp über 70 % der Fälle mit G12-Einsichtsdefiziten<br />

<strong>und</strong> 84 bzw. 79 % ohne Defizite korrekt zugeordnet (für cG12 = 2,5: Likelihood ratio LR =<br />

4,46; Positive Prädiktive Power PPP = .76; Negative Prädiktive Power NPP = .81 [κ = .56];<br />

für cG12 = 3,5: PPP: .64; NPP: .85; LR = 3,38 [κ = .49]).<br />

Für die Identifikation schwerer G12-Defizite (ca. 12 %) ist ein geringerer Cut-off von<br />

32,5 geeigneter (cG12 = 4,5: LR = 3,56; PPP = .35; NPP = .97 [κ = .37]). Stellt diese das<br />

Screening-Ziel dar, so führt die niedrige Prävalenz zu einer sehr niedrigen PPP <strong>und</strong> einer<br />

sehr hohen NPP, d. h. die OSSTI sollte nur verwendet werden, um schwere Uneinsichtigkeit<br />

auszuschließen, nicht um sie festzustellen (s. STREINER, 2003).


11.8 Aktive <strong>und</strong> passive Medikationsadhärenz<br />

273<br />

Ergebnisse Studie 3<br />

56 Teilnehmer erhielten zum Zeitpunkt der Untersuchung antipsychotische Medikation<br />

<strong>und</strong> waren bereit, ihre aktive <strong>und</strong> passive Medikationsadhärenz durch das Behandlungspersonal<br />

mitteilen zu lassen (SAI-E A <strong>und</strong> B).<br />

Eine Analyse der Häufigkeiten zeigt für Item A (passive Akzeptanz), dass 9 % der Patienten<br />

die antipsychotische Medikation praktisch nie akzeptiert, 23 % sich gelegentlich<br />

widersetzen <strong>und</strong> 68 % die Behandlung meistens problemlos annehmen.<br />

Für Item B (Eigeninitiative) zeigt sich, dass 20 % niemals spontan aktiv werden, 54 %<br />

manchmal <strong>und</strong> 27 % oft selbständig nach medikamentöser Behandlung fragen. Tabelle 70<br />

stellt diese Häufigkeiten dar. Es wird zugleich deutlich, dass kein deutlicher <strong>und</strong> statistisch<br />

signifikanter Zusammenhang besteht (rS = .21, n. s.).<br />

Tabelle 70.<br />

Zusammenhang zwischen aktiver <strong>und</strong> passiver Medikations-<br />

Adhärenz (Fremdbeurteilung, SAI-E A/B)<br />

Initiative<br />

Akzeptanz<br />

nie manchmal meistens Gesamt<br />

nie 2 (04 %) 3 (05 %) 6 (11 %) 11 (20 %)<br />

manchmal 3 (05 %) 7 (13 %) 20 (36 %) 30 (54 %)<br />

oft 0 (00 %) 3 (05 %) 12 (21 %) 15 (26 %)<br />

Gesamt 5 (09 %) 13 (23 %) 38 (68 %) 56 (100 %)<br />

Anmerkungen. N = 56; SAI-E: Schedule for the Assessment of Insight,<br />

expanded<br />

11.9 Korrelate der Medikationsadhärenz<br />

Weiterhin wurden für die gleiche Teilstichprobe die Korrelate aktiver <strong>und</strong> passiver<br />

Adhärenz untersucht. Tabelle 71 zeigt die Zusammenhänge mit Aspekten von <strong>Krankheitseinsicht</strong>,<br />

mit Geschlecht <strong>und</strong> fremdbeurteilter Feindseligkeit. Hypothese 3.1 lautete hier,<br />

dass ein Zusammenhang zwischen Einsicht <strong>und</strong> fremdbeurteilter Adhärenz besteht.


Tabelle 71.<br />

Korrelate fremdbeurteilter Adhärenz<br />

274<br />

M SD A B<br />

Ergebnisse Studie 3<br />

SAI-E A> Akzeptanz 1,59 0,65 --- .23 +<br />

SAI-E B> Initiative 1,07 0,68 ---<br />

SAI-E-Summe 01-06 (Störungs-, Problembewusstheit) .23 + .28 *<br />

SAI-E 07 (Bewusstheit POS: n = 40) .12 * .33 *<br />

SAI-E 07 (Bewusstheit NEG, KOG: n = 46) .06 * .06 *<br />

SAI-E 08 (Symptomattribution) .06 * .14 *<br />

PANSS-G12U (Einsicht global, Fremdeinschätzung) .22 + .00 *<br />

OSSTI (Einsicht global, Selbsteinschätzung) .29 * .23 +<br />

Geschlecht -.11 * .43 **<br />

PANSS-Faktor Feindselige Erregung -.37 ** -.12 *<br />

Anmerkungen. N = 56; REL SAI-E Summe 01-06: α = .73; PANSS G12U: umgepoltes Insight-Item der<br />

Positive and Negative Syndrome Scale; SAI-E: Schedule for the Assessment of Insight, expanded<br />

*p ≤ .05; +p < .10<br />

SAI-E-<strong>Krankheitseinsicht</strong> korreliert schwach mit fremdeingeschätzter Eigeninitiative (B).<br />

Die Korrelationen der Adhärenz-Items mit der Summe der Items zu Störungs- <strong>und</strong><br />

Problembewusstheit (ΣSAI-E 01-06) scheinen insgesamt eine Konzeptualisierung von<br />

Adhärenz als Einsichtfacette statt als verhaltensbezogenes Konstrukt nicht zu rechtfertigen,<br />

da maximal 8 % der Varianz der Adhärenz durch Einsicht aufgeklärt wird. Ein differentieller<br />

Effekt zeigt sich für die Bewusstheit von Positivsymptomatik, die mit Initiative (B),<br />

nicht aber mit passiver Adhärenz (A) zusammenhängt.<br />

Die einzig statistisch signifikante Korrelation von Einsicht <strong>und</strong> Adhärenz besteht<br />

zwischen der OSSTI <strong>und</strong> fremdbeurteilter Akzeptanz der Behandlung. Dies gilt v. a. für das<br />

Item 02U (»Ich bin ges<strong>und</strong> <strong>und</strong> habe keine psychischen Beschwerden«: r2A = .39; r2B = .38;<br />

p < .01).<br />

Zusätzlich wurden soziodemographische, klinische, kognitive <strong>und</strong> Coping-Korrelate der<br />

Adhärenz geprüft. Als hervorragender Prädiktor der aktiven Adhärenz erwies sich das<br />

Geschlecht des Patienten: Die 27 Frauen mit Schizophrenie-Diagnosen engagierten sich<br />

deutlich stärker als die 29 Männer (r = .43 bzw. g = 0,91).<br />

Darüber hinaus besteht noch ein Zusammenhang der passiven Adhärenz mit dem<br />

PANSS-Faktor »feindselige Erregung« nach MAß et al. (2000) von r = -.37 (p < .01), d. h.<br />

Patienten, die als feindseliger eingeschätzt werden, werden auch als weniger kooperativ bei<br />

der Medikamentenverabreichung gesehen. Hierbei muss jedoch bedacht werden, dass beide<br />

Urteile von der Pflege abgegeben werden <strong>und</strong> dass die stationäre Psychopharmakotherapie<br />

eine wesentliche Quelle von Konflikten zwischen Patienten <strong>und</strong> Pflegepersonal darstellt.<br />

Weitere Korrelate der Adhärenz fanden sich nicht. Die Geschlechter unterscheiden sich<br />

nicht in ihrer fremdbeurteilten feindseligen Erregung.


11.10 Einsicht, <strong>Exekutivfunktionen</strong> <strong>und</strong> Offenheit<br />

275<br />

Ergebnisse Studie 3<br />

Zur Überprüfung der Hypothesen 3.3a <strong>und</strong> 3.4a (Zusammenhänge von Einsicht mit <strong>Exekutivfunktionen</strong><br />

<strong>und</strong> Offenheit) wurden vor der Überprüfung des Modells von STARTUP (1996)<br />

die bivariaten Zusammenhänge mit soziodemographischen, klinischen <strong>und</strong> weiteren<br />

theoretisch relevanten Merkmalen berechnet (Tabelle 72).<br />

Tabelle 72.<br />

Korrelationen von <strong>Krankheitseinsicht</strong> mit soziodemographischen, klinischen <strong>und</strong><br />

kognitiven Merkmalen sowie Offenheit<br />

G12U OSSTI nG12 nOSSTI<br />

Geschlecht .03 ** .17 * 226 85<br />

Ausbildungsdauer .07 ** .00 * 226 85<br />

Krankheitsdauer -.06 ** .02 * 214 80<br />

Anzahl Hospitalisierungen -.02 ** -.01 * 212 79<br />

PANSS-Positiv -.34 ** -.11 * 210 69<br />

PANSS-Negativ -.15 ** -.04 * 210 69<br />

PANSS-Abstraktionsdefizite -.30 ** -.01 * 210 69<br />

PANSS-feindselige Erregung -.24 ** -.04 * 210 69<br />

PANSS-Depression/ Angst .15 ** .22 * 210 69<br />

Wortschatz-IQ (WST) .21 ** -.11 * 133 68<br />

WCST-Prätest .10 ** .00 * 226 85<br />

WCST-Posttest .18 ** -.08 * 226 85<br />

AVLT Σ1-5 .11 +* -.03 * 206 66<br />

ESI-Offenheit .18 ** .17 + 95 69<br />

Anmerkungen. G12U: umgepoltes Einsichtsitem der PANSS; OSSTI: Osnabrücker Skala zu<br />

Therapieeinstellung <strong>und</strong> Identifikation psychischer Beschwerden; PANSS-Faktoren berechnet nach<br />

MAß et al. (2000); AVLT: Auditiv-Verbaler Lerntest; ESI: Eppendorfer Schizophrenie-Inventar;<br />

WCST: Anzahl korrekter Sortierungen (Prätest – Posttest); WST: Wortschatztest<br />

*p ≤ .05; **p ≤ .01; +p < .10 (nach gerichteter Hypothese einseitig getestet für PANSS-Depression,<br />

WCST-Posttest, ESI-Offenheit)<br />

Hypothese 3.3a konnte partiell bestätigt werden: Fremdeingeschätzte <strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

(G12) hängt schwach positiv mit der Leistung im WCST-Posttest zusammen, nicht aber mit<br />

dem WCST-Prätest (Unterschied der Koeffizienten nach OLKIN [1967]: z = 1,45; p < .10<br />

[einseitig]). Auch findet sich ein geringer Zusammenhang mit der prämorbiden verbalen<br />

Intelligenz, die ihrerseits signifikant höher mit dem WCSTdyn-Posttest als mit dem Prätest<br />

zusammenhängt (r = .23 r = .43; z > 2,56, p < .01, N = 212). Obwohl der geschätzte IQ<br />

hoch mit der Ausbildungsdauer korreliert (r = .48, p < .001, N = 212), hängt diese nicht mit<br />

Einsicht zusammen. Deutlich fällt die Korrelation von G12-Einsicht mit kognitiver<br />

Desorganisation aus (rG12_PANSS-KOG = -.30 bzw. rS_G12_PANSS-KOG = -.31, p < .001, N = 210).<br />

Die von SARTORY et al. (2001) vorgebrachte Gedächtnishypothese wird nur tendenziell<br />

unterstützt: Verbale Merk- <strong>und</strong> Lernfähigkeit, gemessen mit dem AVLT, korreliert schwach


276<br />

Ergebnisse Studie 3<br />

mit fremdbeurteilter Einsicht (rG12U_AVLT_A1 = .15, p < .05; rG12_ΣA1-A5 = .11, p < .10 bzw.<br />

rS_ G12U_AVLT_A1 = .17, p < .01 [einseitig]).<br />

Da darüber hinaus vorhergesagt wurde (Hypothese 3.3b), dass vor allem Symptombewusstheit<br />

durch exekutive Funktionen vermittelt wird, wurden zusätzlich die Zusammenhänge<br />

zwischen SAI-E-Item 07 <strong>und</strong> dem WCST untersucht. Wie bei MOHAMED et al.<br />

(1999) <strong>und</strong> FREUDENREICH et al. (2004) wurden Positiv- <strong>und</strong> Negativsymptomatik/<br />

Desorganisationssymptomatik separat betrachtet, erstmals kam zusätzlich der WCSTdyn<br />

(Posttest) zum Einsatz. Hypothese 3.3b konnte teilweise bestätigt werden: Während der<br />

statische WCST-64 (korrekt sortierte Karten) in der Subgruppe der 47 Teilnehmer mit<br />

relevanter Symptombelastung marginal signifikant mit der Bewusstheit von negativer <strong>und</strong><br />

kognitiver Symptomatik korrelierte (r = .23), fiel der Zusammenhang mit dem Posttest<br />

höher <strong>und</strong> signifikant aus (r = .45). Entgegen der Erwartung korrelierte die Bewusstheit<br />

von Positivsymptomatik (n = 36) v. a. mit dem statischen WCST (r = .36, p < .05), weniger<br />

mit dem Posttest (r = .26, p < .10 [einseitig]). In beiden Fällen unterscheiden sich die<br />

Korrelationen allerdings nicht signifikant (z = 1,43 bzw. z = 0,55).<br />

Auch Hypothese 3.4a erfährt partielle Bestätigung: Offenheit (ESI-FR: α = .69) ist über<br />

beide Instrumente hinweg schwach mit Einsicht verb<strong>und</strong>en, wobei der Zusammenhang für<br />

die OSSTI nur marginal signifikant wird (nichtparametrisch: rS_ESI-FR_G12 = .26, p < .01;<br />

rS_ESI-FR_OSSTI = .18, p < .10 [einseitig]). Eine post hoc durchgeführte Poweranalyse zeigt,<br />

dass die erreichte Teststärke mit 1 - β = .39 (einseitig) gering ausfällt. Um den hypothetischen<br />

geringen Populationseffekt mit einer angemessenen Power zu untersuchen, würden<br />

weitere 154 Pbn benötigt (G*Power 3.0.10: FAUL, ERDFELDER, LANG & BUCHNER, 2007).<br />

Tabelle 73 illustriert zusätzlich den Zusammenhang von Einsicht <strong>und</strong> Offenheit anhand<br />

kategorialer Variablen. Für Einsicht wurde hierfür der inhaltlich begründbare Trennwert<br />

von PANSS-G12 = 2,5 gewählt (d. h. Verdachtsfälle wurden als einsichtig beurteilt), die<br />

Unterscheidung zwischen defensiven <strong>und</strong> offenen Personen wurde wie in der Repression-<br />

Forschung anhand des Medians getroffen (z. B. BURNS, 2000; FRASURE-SMITH et al., 2002).<br />

Tabelle 73.<br />

Einsicht <strong>und</strong> Offenheit: kategoriale Betrachtung<br />

ESI-FR-<br />

Mediansplit (4,5)<br />

G12-Split (2,5)<br />

geringe Einsicht hohe Einsicht Gesamt<br />

defensiv 23 20 43<br />

offen 15 37 52<br />

Gesamt 38 57 95<br />

Anmerkungen. χ 2 (1) = 5,96 (p < .05), ϕ = .25.


277<br />

Ergebnisse Studie 3<br />

Offenheit korreliert mit Negativsymptomatik (r = -.25, p < .05), ansonsten aber mit keinem<br />

der erfassten soziodemographischen, klinischen <strong>und</strong> neurokognitiven Merkmale. Um den<br />

Einfluss von Symptomatik <strong>und</strong> Neurokognition zu kontrollieren, wurde eine hierarchische<br />

Regression von G12-Einsicht auf die Positiv- <strong>und</strong> Negativsymptomatikfaktoren der PANSS,<br />

auf den WCSTdyn <strong>und</strong> ESI-Offenheit gerechnet (Tabelle 74). Das Regressionsmodell zeigt<br />

einen eigenständigen Beitrag der Offenheit. Weitere soziodemographische <strong>und</strong> klinische<br />

Merkmale wurden zunächst nicht berücksichtigt (jedoch im folgenden, ähnlichen Regressionsmodell,<br />

wo sie keinen Beitrag leisten: s. Tabelle 75). Die Partialkorrelation von Einsicht<br />

(G12) <strong>und</strong> Offenheit (ESI-FR) unter Kontrolle der genannten Variablen liegt schließlich bei<br />

r(G12, ESI-FR)-POS, NEG, WCSTdyn = .31 (p < .01).<br />

Tabelle 74.<br />

Prädiktion von Einsicht (G12) aus Symptomatik, Neurokognition <strong>und</strong><br />

Offenheit<br />

Prädiktor B SE β **<br />

Konstante 2,94 0,96<br />

PANSS-POS 0,18 0,04 0,41 **<br />

PANSS-NEG -0,01 0,03 -0,02 **<br />

WCSTdyn -0,02 0,01 -0,13 **<br />

ESI-FR -0,16 0,05 -0,30 **<br />

Anmerkungen. N = 95. Dargestellt ist das finale Modell (Schritt 4): F(4,90) = 7,98**;<br />

Schritt 1 (PANSS-POS): R 2 = .165**; Schritt 2 (+PANSS-NEG): R 2 = .17 (∆R 2 = .005);<br />

Schritt 3 (+WCSTdyn): R 2 = .181 (∆R 2 = .011); Schritt 4 (+ESI-FR): R 2 = .262 (∆R 2 =<br />

.081**), adj. R 2 = .23<br />

ESI-FR: Eppendorfer Schizophrenie-Inventar, Skala Frankness; PANSS: Positive and<br />

Negative Syndrome Scale (POS, NEG: Syndromfaktoren nach Maß et al. [2000]);<br />

WCSTdyn: <strong>dynamisch</strong>er Wisconsin Card Sorting Test<br />

**p ≤ .01 (zweiseitig)<br />

11.11 Interaktionen von Offenheit<br />

mit Psychiatrie-Erfahrung <strong>und</strong> Symptomatik<br />

Ein Lern-Modell der Einsicht (»klinische Sozialisationshypothese«, s. Abschnitt 6.5.15)<br />

wird nicht direkt unterstützt: <strong>Krankheitseinsicht</strong> ist nicht mit Krankheitsdauer oder der<br />

Anzahl an Klinikaufenthalten korreliert. Zur Überprüfung von Hypothese 3.4b (Moderation<br />

des Zusammenhangs von Defensivität <strong>und</strong> Einsicht durch die Anzahl der Hospitalisierungen<br />

[AHOS] als Indikator der Psychiatrie-Erfahrung) wurde die Stichprobe am AHOS-<br />

Median (= 3) gesplittet. Während sich in der Gruppe der 64 Patienten mit drei oder mehr<br />

Klinikaufenthalten kein Zusammenhang einstellt (r = .10), korrelieren die Variablen in der<br />

Gruppe der 22 Patienten mit höchstens zwei Hospitalisierungen <strong>und</strong> im Mittel weniger als<br />

fünf Jahren Erkrankung zu rG12_ESI-FR = .52 bzw. rS_G12_ESI-FR = .56 (p < .01; 7 fehlende<br />

AHOS-Werte). Für die OSSTI zeigte sich kein Effekt.<br />

Um diesen konditionalen Effekt multivariat zu testen, wurde eine multiple Regression<br />

von G12-Einsicht auf soziodemographische Daten, Symptomatik, <strong>Exekutivfunktionen</strong> sowie<br />

Offenheit, Chronizität <strong>und</strong> ihre Interaktion modelliert. Tabelle 75 zeigt die Zusammenfassung<br />

des finalen Modells. Positivsymptomatik, die dichotomisierte Anzahl an


278<br />

Ergebnisse Studie 3<br />

Hospitalisierungen (relativ rezent vs. länger erkrankt), Offenheit <strong>und</strong> Interaktionsterm<br />

klären zusammen 29 % der Varianz auf. Ein einschränkender Kommentar erscheint jedoch<br />

angebracht: Die Dichotomisierung wurde vorgenommen, weil anhand von Akten <strong>und</strong><br />

Patientenangaben gelegentlich nur die Unterscheidung rezent vs. länger erkrankt valide<br />

getroffen werden konnte. Es besteht daher, wie häufig bei der Prüfung von Interaktionen,<br />

ein Multikollinearitätsproblem (Toleranz = 0,01), das aufgr<strong>und</strong> der Dichotomisierung nicht<br />

durch Zentrierung attenuiert werden kann. Auch ist die Prädiktor-N-Relation nach GREEN<br />

(1991) aufgr<strong>und</strong> fehlender Daten zur Krankengeschichte ungünstig (mit n = 86, k = 8).<br />

Tabelle 75.<br />

Prädiktion von Einsicht: Interaktion von Offenheit <strong>und</strong> Psychiatrie-<br />

Erfahrung<br />

Prädiktor B SE β **<br />

Konstante 4,25 1,65<br />

Geschlecht -0,35 0,36 -.10 **<br />

Alter 0,01 0,02 .04 **<br />

AHOS -1,25 0,73 -.32 **<br />

PANSS-POS 0,20 0,04 .44 **<br />

PANSS-NEG -0,02 0,03 -.06 **<br />

WCSTdyn -0,02 0,02 -.16 **<br />

ESI_FR -0,36 0,13 -.69 **<br />

ESI_FR*AHOS 0,28 0,14 .63 **<br />

Anmerkungen. N = 86; dargestellt ist das finale Modell (Schritt 7): F(8, 77) = 3,97**;<br />

Schritt 1 (Geschlecht): R 2 = .00; Schritt 2 (+Alter): R 2 = .00; Schritt 3 (+AHOS): R 2 =<br />

.01; Schritt 4 (+POS +NEG): R 2 = .19 (∆R 2 = .18**); Schritt 5 (+WCSTdyn): R 2 = .20<br />

(∆R 2 = .01); Schritt 6 (+ESI-FR): R 2 = .25 (∆R 2 = .05*); Schritt 7 (+AHOS*ESI-FR): R 2<br />

= .29 (∆R 2 = .04*), adj. R 2 = .22;<br />

AHOS: Anzahl Hospitalisierungen (dichotomisiert an 2,5); ESI-FR: Eppendorfer<br />

Schizophrenie-Inventar, Skala Frankness; PANSS: Positive and Negative Syndrome<br />

Scale (POS: Positivfaktor nach Maß et al. [2000]); WCSTdyn: <strong>dynamisch</strong>er Wisconsin<br />

Card Sorting Test<br />

adjustiertes R 2 nach Stein (STEVENS, 1992) = .13; Durbin-Watson-Statistik = 2,19;<br />

Toleranz des Interaktionsterms = 0,01; Cook-Distanzen < 0,15; kein Hebelwert > 0,31<br />

(3*[k + 1]/N); 5 Mahalanobis-Distanzen (6 %) > 15 (0 > 20) ; |DFBetas| < 1<br />

*p ≤ .05; **p ≤ .01 (zweiseitig)<br />

Da SUBOTNIK et al. (2o05) eine Moderation des Zusammenhangs von Offenheit <strong>und</strong><br />

Einsicht durch psychotische Symptomatik gef<strong>und</strong>en hatten, wurde diese Möglichkeit<br />

ebenfalls untersucht. Es wurde angenommen (Hypothese 3.4c), dass ein defensiver<br />

Reaktionsstil dann zum Tragen kommt, wenn der Einfluss der Positivsymptomatik<br />

abgeschwächt <strong>und</strong> die Ambiguität des Abwehrobjekts entsprechend hoch ist, d. h. bei<br />

Patienten in Remission.<br />

In einem ersten Schritt wurde die bivariate Korrelation separat für symptomatische <strong>und</strong><br />

(weitgehend) asymptomatische Patienten berechnet (PANSS-Positivfaktor nach MAß et al.<br />

[2000], Trennwert = 6,5). Wie erwartet zeigte sich eine Korrelation von Einsicht <strong>und</strong><br />

Offenheit (rESI-FR_G12 = .47, p < .01 bzw. rS_ESI-FR_G12 = .55, p < .001) nur für die 43 Patienten<br />

mit sehr geringer Positivsymptomatik (MPOS_Split_asympt = 4,35 [±1,17]), nicht jedoch für die


279<br />

Ergebnisse Studie 3<br />

52 Patienten mit hoher Symptombelastung (r = .02; MPOS_Split_sympt = 10,25 [±2,91]). Die<br />

Probanden der mutmaßlich »asymptomatischen« Gruppe wurden auf den konstituierenden<br />

Items (P1, P3, G9) fallweise analysiert, um sicherzustellen, dass der zulässige Maximalwert<br />

nicht aus hohen einzelnen Symptom-Scores resultiert. Dies war nicht der Fall (maximal<br />

»leichte« Ausprägungen [= 3] auf maximal einem Item). Die beiden Gruppen unterscheiden<br />

sich nicht im Alter, der Anzahl an Hospitalisierungen, in Offenheit oder WCSTdyn-<br />

Performanz.<br />

Tabelle 76 zeigt das finale Regressionsmodell. Prädiktoren ohne signifikanten Einfluss<br />

in der vorhergehenden Analyse wurden dabei in einem ersten Durchgang überprüft. Da sie<br />

auch hier keinen Beitrag leisten, wird nur die hierarchische Regression auf Positivsymptomatik,<br />

Offenheit <strong>und</strong> ihre Interaktion berichtet. Wie es bei Verwendung von Interaktionstermen<br />

häufig der Fall ist, deutet sich im hohen mittleren Varianzinflationsfaktor (VIF =<br />

6,1) eine Multikollinearitätsproblematik an (rESI-FR-POS*ESI-FR = .75; rPOS-POS*ESI-FR = .65). Dies<br />

erschwert die Abschätzung <strong>und</strong> statistische Absicherung der individuellen Beiträge der<br />

Prädiktoren (s. COHEN & COHEN, 1975). Interaktionseffekte können allerdings nicht ohne<br />

Einzeleffekte geprüft werden. Tests der Interaktion sind zudem nicht invariant gegenüber<br />

linearen Transformationen (s. JUDD, MCCLELLAND & CULHANE, 1995; MCCLELLAND & JUDD,<br />

1993). Die Prädiktorvariablen wurden daher um Null zentriert <strong>und</strong> multipliziert. Die<br />

Interkorrelationen sinken durch diese nichtlineare Transformation auf r < .20.<br />

Hypothese 3.4c kann tentativ bestätigt werden: Bei Beibehaltung der kompletten<br />

Stichprobe wird das Gewicht des Interaktionsterms marginal signifikant (p < .06). Auf die<br />

Berechnung eines Gesamtmodells mit beiden Interaktionen <strong>und</strong> Dreifach-Interaktion<br />

wurde bei N = 86 verzichtet.<br />

Tabelle 76.<br />

Prädiktion von Einsicht: Interaktion von Offenheit <strong>und</strong><br />

Positivsymptomatik<br />

Prädiktor B SE β **<br />

Konstante 2,55 0,15<br />

PANSS-POS 0,19 0,04 .44 **<br />

ESI_FR -0,13 0,05 -.25 **<br />

POS*ESI_FR 0,02 0,01 .18 +*<br />

Anmerkungen. N = 95. Dargestellt ist das finale Modell (Schritt 3) mit zentrierten<br />

Prädiktoren: F(3, 91) = 11,45**; Schritt 1 (POS): R 2 = .19**; Schritt 2 (+ESI-FR): R 2 =<br />

.245 (∆R 2 = .054*); Schritt 3 (+POS*ESI-FR): R 2 = .274 (∆R 2 = .029 + ), adj. R 2 = .25<br />

ESI-FR: Eppendorfer Schizophrenie-Inventar, Skala Frankness; PANSS: Positive and<br />

Negative Syndrome Scale; POS: PANSS-Positivfaktor nach Maß et al. (2000)<br />

adjustiertes R 2 nach Stein (STEVENS, 1992) = .22; Durbin-Watson-Statistik = 2,16;<br />

Toleranzen > .95; Cook-Distanzen < 0,30; 4 Hebelwerte > 0,12 (3*[k + 1]/N); 3<br />

Mahalanobis-Distanzen (3 %) > 15 (1 > 20) ; |DFBetas| < 1; alle Fälle mit kritischem<br />

Leverage wurden beibehalten, bei Ausschluss ergibt sich für den Interaktionsterm: β<br />

= .21 *<br />

+ p ≤ .10; *p ≤ .05; **p ≤ .01 (zweiseitig)


11.12 Einsicht, Positivsymptomatik <strong>und</strong> Depressivität<br />

280<br />

Ergebnisse Studie 3<br />

Hypothese 3.2a wurde bestätigt: Es besteht ein schwacher positiver Zusammenhangs<br />

zwischen Einsicht <strong>und</strong> Depressivität. Es wurde angenommen, dass dieser durch ein<br />

einfaches lineares Modell nicht angemessen abgebildet wird: Uneinsichtigkeit sollte zwar<br />

einerseits das Ausmaß an negativer Emotionalität begrenzen. Andererseits sollte Einsicht<br />

nicht automatisch depressogen wirken, da Mediatoren angenommen werden müssen<br />

(z. B. Krankheitskonzepte, Bewältigungsprozesse). Der Scatterplot (Abbildung 13) scheint<br />

dies zu bestätigen: Der geringe Zusammenhang wird durch die Abwesenheit von Patienten<br />

mit geringer Einsicht <strong>und</strong> hoher Depressivität gestiftet. Die berichtete Korrelation muss<br />

also mit Vorbehalt betrachtet werden.<br />

Depressivität korreliert mit keiner der betrachteten kognitiven Variablen. Zwar hängen<br />

letztere teilweise mit G12-Einsicht zusammen (s. Tabelle 72), ihre Kontrolle ändert den<br />

Zusammenhang mit Depressivität jedoch nicht. Dasselbe gilt für das Geschlecht, obwohl die<br />

85 weiblichen Patienten mit Schizophrenie-Diagnosen als signifikant depressiver beurteilt<br />

wurden als die 125 männlichen (t[156,24] = 2,66; p < .01; g = 0,39).<br />

Komplexer ist der Einfluss der Positivsymptomatik. Patienten in akuteren Erkrankungsphasen,<br />

mit stärker ausgeprägten Wahn- <strong>und</strong> Halluzinationssymptomen, sind durchschnittlich<br />

auch moderat depressiver <strong>und</strong> ängstlicher (s. Abbildung 25). Zugleich korreliert<br />

Positivsymptomatik negativ mit Einsicht: Patienten mit ausgeprägteren produktivpsychotischen<br />

Symptomen sind im Mittel weniger einsichtig <strong>und</strong> behandlungsbereit. Die<br />

Höhe des Zusammenhangs zwischen Einsicht <strong>und</strong> Depression entspricht schließlich recht<br />

genau dem von MINTZ, DOBSON <strong>und</strong> ROMNEY (2003) metaanalytisch ermittelten Effekt.<br />

Abbildung 13. Streudiagramm von Einsicht<br />

<strong>und</strong> Depressivität (PANSS-Faktor: MAß et al.,<br />

2000) sowie Cluster-Zugehörigkeit (s. u.)<br />

-.34 **<br />

Positivsymptomatik<br />

.28 **<br />

Einsicht Depressivität<br />

.15 **<br />

Abbildung 25. Zusammenhänge von Positiv- <strong>und</strong><br />

Depressionssymptomatik <strong>und</strong> <strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

(PANSS-Faktoren nach Maß et al., 2000; Item G12U)<br />

N = 210; *p ≤ .05; **p ≤ .01; +p < .10 (zweiseitig)<br />

Es wurde vorhergesagt (Hypothese 3.2b), dass <strong>Krankheitseinsicht</strong> vor allem bei jenen<br />

Patienten depressogen wirkt, die sich in einem akuten Stadium befinden, da diese ihre<br />

Symptome als solche erleben (starke Erkrankungsidentität) <strong>und</strong> die Konsequenzen<br />

salienter sind. Diese Wirkung sollte über die separaten Beiträge von Einsicht <strong>und</strong> Positivsymptomatik<br />

hinausgehen.<br />

Um dies zu überprüfen, wurden die Fälle entsprechend ihren Ausprägungen von<br />

Einsicht <strong>und</strong> negativer Emotionalität geclustert (N = 210): Es wurde eine hierarche Analyse<br />

an standardisierten Variablen zum Auffinden von Fällen mit atypischen Konfigurationen<br />

berechnet (Nearest-neighbour-Methode), gefolgt von einer Clusteranalyse nach Ward mit<br />

quadrierten euklidischen Distanzen. Das Dendrogramm der Nearest-Neighbour-Analyse


281<br />

Ergebnisse Studie 3<br />

wies einen »atypischen« Fall mit hoher Einsicht <strong>und</strong> der höchsten Depressivität der<br />

Stichprobe aus. Er übte keinen Einfluss auf die Ward-Analyse aus <strong>und</strong> wurde einbezogen.<br />

Abbildung 26 zeigt den Anstieg der Intracluster-Fehlerquadratsumme (Spur-W-Kriterium)<br />

über die Clusteranzahl. Es zeigt sich ein Ellenbogen nach einer Lösung mit drei Clustern.<br />

Abbildung 26. Struktogramm der Ward-Clusteranalyse<br />

an Einsicht <strong>und</strong> Depressivität (PANSS)<br />

Zur weiteren Homogenisierung wurde eine k-means-Analyse für eine Drei-Cluster-Lösung<br />

berechnet. Die Lösungen stimmen hoch überein (κ = .81, p < .001). Tabelle 77 zeigt die<br />

resultierenden Cluster, ihre Homogenitäten (F = Cluster-Varianz zu Gesamtvarianz) <strong>und</strong><br />

die Abstände ihrer Mittelwerte vom Gesamtmittelwert in Gesamtstreuungseinheiten der<br />

betrachteten Variablen (t).<br />

Tabelle 77.<br />

Einsichts-Depressions-Cluster<br />

Cluster I: INS+/ DEP+ II: INS+/ DEP- III: INS-/ DEP-<br />

n 56 (27 %) 99 (47 %) 55 (26 %)<br />

PANSS-DEP 11,25 (±1,97) 4,99 (±1,59) 5,75 (±1,93)<br />

FDEP 0,37 0,24 0,36<br />

tDEP 1,37 -0,58 -0,35<br />

PANSS-G12 1,82 (±0,96) 1,70 (±0,79) 4,84 (±0,94)<br />

FG12 0,35 0,24 0,34<br />

tG12 -0,45 -0,53 1,41<br />

OSSTI 1 39,29 (±5,64) 38,11 (±7,86) 28,39 (±9,67)<br />

PANSS-POS 8,18 (±4,06) 5,55 (±2,58) 8,75 (±4,32)<br />

tPOS 0,29 -0,41 0,44<br />

WCSTdyn 54,13 (±7,11) 51,93 (±10,88) 49,84 (±10,85)<br />

Anmerkungen. Zur Bestimmung der Cluster wurden standardisierte Werte von<br />

PANSS-DEP <strong>und</strong> -G12 herangezogen. Der t-Wert für POS dient der Orientierung.<br />

PANSS: Positive and Negative Syndrome Scale; G12: Einsichts-Item; DEP/ POS:<br />

PANSS-Depressions- <strong>und</strong> Positivfaktoren nach Maß et al. (2000)<br />

1 nOSSTI = 14/ 32/ 23<br />

300<br />

250<br />

200<br />

150<br />

100<br />

50<br />

0<br />

2 3 4 5 6 7 8 9 10<br />

Reihe1 258,38 135,47 108,60 87,11 71,21 56,15 49,33 42,59 38,28<br />

Die Homogenisierung ist gelungen (alle F < 0,5). Die k-means-Clusteranalyse resultiert in<br />

einem großen Cluster II mit hoher Einsicht <strong>und</strong> geringer negativer Emotionalität (»INS+/<br />

DEP-«) <strong>und</strong> zwei etwa gleich großen Clustern, die jeweils ein Viertel der Gesamtgruppe<br />

enthalten: Cluster I (»INS+/ DEP+«) ist hoch einsichtig, aber deutlich bedrückter <strong>und</strong>


282<br />

Ergebnisse Studie 3<br />

ängstlicher als das ebenfalls einsichtige Cluster II (gDEP_I-II = 3,59). Cluster III (»INS-/<br />

DEP-«) hingegen ist deutlich weniger einsichtig als Cluster I (gG12_I-III = -3,17) <strong>und</strong> Cluster<br />

II (gG12_II-III = -3,70) <strong>und</strong> zugleich deutlich weniger depressiv als Cluster I (gDEP_I-III =<br />

-2,81), jedoch geringfügig depressiver als Cluster II (gDEP_I-II = 0,44).<br />

Alle Unterschiede wurden varianzanalytisch geprüft. Für beide Variablen sind die<br />

Cluster varianzhomogen (Levene-Statistik: FDEP[2, 207] = 0,95; FG12[2, 207] = 1,6; n. s.).<br />

Die Varianzanalysen wurden signifikant (Einsicht: F[2, 207] = 253,95, p < .001; Depression:<br />

F[2, 207] = 234,28, p < .001). Post-hoc-Tests (Games-Howell) zeigen die erwarteten<br />

signifikanten Cluster-Unterschiede für Einsicht (I > III; II > III) <strong>und</strong> durchgängig signifikante<br />

Unterschiede für Depressivität.<br />

Positivsymptomatik muss besondere Aufmerksamkeit zuteil werden. Hier sind die<br />

Varianzen eindeutig inhomogen (F[2, 207] = 11,23; p < .01). Es zeigt sich, dass das<br />

einsichtige, wenig depressive Cluster II die geringste Belastung mit Positivsymptomatik<br />

aufweist: Sowohl das ebenso einsichtige, depressivere Cluster I (U = 1684,5; p < .001) als<br />

auch das weniger einsichtige <strong>und</strong> etwas depressivere Cluster III (U = 1494,5; p < .001)<br />

zeigen eine stärker ausgeprägte Positivsymptomatik (r = .33 bzw. .38). Die höchste<br />

Ausprägung negativer Emotionalität zeigen demnach Probanden, die in einem akuten<br />

Erkrankungsstadium vergleichsweise einsichtig sind.<br />

Die bivariate Betrachtung greift daher zu kurz: Während Positivsymptomatik unabhängig<br />

vom Vorliegen von Einsicht mit erhöhter negativer Emotionalität einhergeht, scheint<br />

vor allem die Konstellation aus hoher Einsicht <strong>und</strong> erhöhter Positivsymptomatik mit<br />

erhöhter Depressivität <strong>und</strong> Ängstlichkeit einher zu gehen.<br />

Um zu prüfen, ob Positivsymptomatik <strong>und</strong> Einsicht unabhängige Beiträge zur Aufklärung<br />

von Depressivität leisten <strong>und</strong> ob die Interaktion von Positivsymptomatik <strong>und</strong> Einsicht<br />

inkrementell valide ist, wurde folgendes hierarchisches Regressionsmodell berechnet<br />

(Tabelle 78). Auch hier wurden die Prädiktoren zentriert, wodurch die Interkorrelationen<br />

auf r ≤ .40 sinken.<br />

Tabelle 78.<br />

Regression von Depressivität auf Geschlecht, Positivsymptomatik<br />

<strong>und</strong> G12-Einsicht<br />

Prädiktor B SE β<br />

Konstante 5,51 0,61<br />

Geschlecht 1,08 0,41 0,17 **<br />

POS 0,36 0,06 0,43 **<br />

G12 -0,50 0,13 -0,25 **<br />

POS*G12 -0,09 0,03 -0,20 **<br />

Anmerkungen. N = 210. PANSS: Positive and Negative Syndrome Scale; G12: PANSS-<br />

Einsichts-Item; POS: PANSS-Positivfaktor nach Maß et al. (2000)<br />

Dargestellt ist das finale Modell (Schritt 4) mit zentrierten Prädiktoren. Schritt 1 (Geschlecht):<br />

R 2 = .035; Schritt 2 (+POS): R 2 = .11 (∆R 2 = .075 ** ); Schritt 3 (+G12): R 2 = .178 (∆R 2<br />

= .068 ** ); Schritt 4 (+POS*G12): R 2 = .212 (∆R 2 = .034 ** ), adj. R 2 = .196<br />

F(4, 205) = 13,77 (p < .001); adjustiertes R 2 nach Stein (STEVENS, 1992) = .18; Durbin-<br />

Watson-Statistik = 1,82; Toleranzen > .80; Cook-Distanzen < 0,08; 6 Hebelwerte (2,9 %) ><br />

0,071 (3*[k + 1]/N); 6 Mahalanobis-Distanzen (2,9 %) > 15; |DFBetas| < 1<br />

*p ≤ .05; **p ≤ .01 (zweiseitig)


283<br />

Ergebnisse Studie 3<br />

Insgesamt klären Geschlecht, Positivsymptomatik <strong>und</strong> Einsicht ca. 20 % der Depressionsvarianz<br />

auf. Einsicht leistet nach Einschluss der Positivsymptomatik einen eigenen Beitrag<br />

zur Prädiktion negativer Emotionalität, ebenso wie der Interaktionsterm. Um die Interaktion<br />

von Einsicht <strong>und</strong> Positivsymptomatik zu veranschaulichen, wurden die für hohe,<br />

mittlere <strong>und</strong> niedrige Werte (-1 SD, M, +1 SD) von Positivsymptomatik <strong>und</strong> Einsicht<br />

regressionsanalytisch vorhergesagten Depressionswerte in Abbildung 27 dargestellt (nach<br />

COHEN & COHEN, 1975). Hier ist erstens ein Haupteffekt der Positivsymptomatik zu<br />

erkennen: Symptomatischere Patienten sind bedrückter <strong>und</strong> ängstlicher. Zweitens spielt<br />

die Ausprägung von Positivsymptomatik v. a. bei mittlerer bis hoher <strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

eine Rolle. Bei geringer Symptombelastung geht Einsicht kaum mit negativer Emotionalität<br />

einher, <strong>und</strong> bei geringer Einsicht nimmt Depressivität <strong>und</strong> Angst mit steigender Positivsymptomatik<br />

deutlich weniger zu als bei hoher. In der Terminologie der Bewältigungsforschung<br />

(z. B. ALDWIN, 2007) könnte ein »Buffering-Effekt« der Uneinsichtigkeit speziell<br />

unter hoher Symptombelastung vorliegen.<br />

Für die OSSTI-Teilstichprobe wurde ebenfalls überprüft, ob der Interaktionseffekt für<br />

die per Fragebogen erhobene Einsicht gef<strong>und</strong>en werden kann. Das Modell (nicht dargestellt:<br />

F[3, 64] = 5,33 [p < .01]) klärt bei signifikanten Prädiktoren (POS, Einsicht) ebenfalls<br />

20 % der Depressionsvarianz auf. Die Interaktion wird hier nicht signifikant, allerdings<br />

reicht die Teststärke der Teilstichprobe (n = 69) für das Auffinden vermuteter Interaktionseffekte<br />

nicht aus (s. MCCLELLAND & JUDD, 1993).<br />

Depressivität/ Angst<br />

Depressivität/ Angst<br />

10<br />

9<br />

8<br />

7<br />

6<br />

5<br />

4<br />

3<br />

10<br />

9<br />

8<br />

7<br />

6<br />

5<br />

4<br />

3<br />

hoch (-1 SD) mittel niedrig (+1 SD)<br />

Einsicht (PANSS G12)<br />

hoch (-1 SD) mittel niedrig (+1 SD)<br />

Einsicht (PANSS G12)<br />

Frauen<br />

n F = 85<br />

POS niedrig (-1 SD)<br />

POS mittel<br />

POS hoch (+1 SD)<br />

POS niedrig (-1 SD)<br />

POS mittel<br />

POS hoch (+1 SD)<br />

Männer<br />

n M = 125<br />

Abbildung 27. Vorhergesagte Depressionswerte für verschiedene Niveaus von Positivsymptomatik<br />

(POS) <strong>und</strong> Einsicht (x)<br />

Regression: Ŷ = 1,08*X1 + 0,36*X2 - 0,50* X3 - 0,09* X2*X3 + 5,51 (mit X1 = Geschlecht, X2 =<br />

Positivsymptomatik, X3 = Einsicht)


11.13 Überprüfung des Startup-Modells<br />

284<br />

Ergebnisse Studie 3<br />

Zur Überprüfung von Hypothese 3.5, die mit STARTUP (1996) einen kurvilinearen Zusammenhang<br />

von Einsicht <strong>und</strong> Kognition annimmt, wurde versucht, quadratische Funktionen<br />

an die Daten anzupassen, wobei α entsprechend adjustiert wurde. Einbezogen wurden die<br />

zwei Selbst- <strong>und</strong> Fremdeinschätzungsmaße der Einsicht (G12, OSSTI) <strong>und</strong> Maße der<br />

<strong>Exekutivfunktionen</strong>, des verbalen Gedächtnisses <strong>und</strong> der verbalen Intelligenz (WCST-64,<br />

WCSTdyn, kognitiver PANSS-Faktor nach Maß et al., 2000, AVLT, geschätzter IQ nach<br />

WST <strong>und</strong> LPS). Die Nullhypothese konnte nicht verworfen werden: Wo der quadratische<br />

Term signifikant wurde, leistete er keinen substanziellen Zuwachs an Varianzaufklärung<br />

(∆R 2 ≤ 1,5 %) <strong>und</strong> überstand die α-Adjustierung nicht.<br />

Dies invalidiert jedoch nicht notwendigerweise die Annahme einer differentiellen Verursachung<br />

von Einsichtsdefiziten: Der quadratische Zusammenhang von Kognition auf<br />

Einsicht muss aus theoretischer Perspektive als statistische Hilfskonstruktion betrachtet<br />

werden, deren Anpassungsgüte stark stichprobenabhängig ist. STARTUPs (1996) Modell legt,<br />

wie bereits ausführlich diskutiert, eine typologische Betrachtung nahe. Deren Ziel muss es<br />

sein, innerhalb der hinsichtlich Einsicht <strong>und</strong> kognitivem Funktionsniveau heterogenen<br />

Gr<strong>und</strong>gesamtheit zuverlässig drei homogenere Teilmengen von Personen mit vorhergesagten<br />

Konfigurationen von Einsicht <strong>und</strong> Kognition zu identifizieren. Hier ist wiederum eine<br />

Clusteranalyse das angemessene Vorgehen.<br />

11.13.1 Identifikation von Startup-Clustern<br />

Es wurden wiederum zunächst zwei hierarchische Analysen an standardisierten Variablen<br />

berechnet (Nearest-neighbour-Methode zum Auffinden von Fällen mit atypischen Konfigurationen,<br />

gefolgt von Ward mit quadrierten euklidischen Distanzen). Dabei wurden alle 226<br />

Fälle mit PANSS-G12- <strong>und</strong> WCSTdyn-Werten einbezogen. Trotz der theoriegeleiteten<br />

Annahme dreier Cluster wurde in Abbildung 28 die Entwicklung des Heterogenitätsmaßes<br />

gegen die Clusteranzahl abgetragen (Intracluster-Fehlerquadrate, Spur-W-Kriterium).<br />

300<br />

250<br />

200<br />

150<br />

100<br />

50<br />

0<br />

2 3 4 5 6 7 8 9 10<br />

Reihe1 258,40 138,85 112,08 90,91 76,38 63,85 55,99 48,51 41,35<br />

Abbildung 28. Struktogramm einer Ward-Clusteranalyse für die<br />

Variablen PANSS-G12 <strong>und</strong> WCSTdyn<br />

Es zeigt sich ein deutlicher Elbow bei einer Drei-Clusterlösung. Im Dendrogramm konnte<br />

ein atypischer Fall identifiziert werden, der allerdings keinen Einfluss auf die Zuordnung<br />

ausübte <strong>und</strong> daher eingeschlossen wurde.


285<br />

Ergebnisse Studie 3<br />

Das gleiche Procedere wurde an der Teilstichprobe mit OSSTI- <strong>und</strong> WCSTdyn-Werten<br />

durchgeführt (n = 85). Auch hier wurde ein Objekt mit ungewöhnlicher Merkmalskonfiguration<br />

identifiziert. Auch hier übte der Fall keinen Einfluss aus <strong>und</strong> wurde eingeschlossen.<br />

Als »atpyisch« wurden in beiden Analysen Personen mit sehr geringer (statt mittlerer)<br />

Einsicht bei gleichzeitig ausgeprägter Perseveration ausgewiesen. Das Fehlerquadratkriterium<br />

(nicht dargestellt) erlaubte für diese zweite Analyse keine Entscheidung zwischen<br />

einer Drei- <strong>und</strong> einer Vier-Cluster-Lösung. Ein Vergleich der deskriptiven Statistik beider<br />

Lösungen zeigte jedoch, dass beim Übergang lediglich ein Cluster sehr einsichtiger (MOSSTI<br />

= 44 ±3) <strong>und</strong> kognitiv leistungsstarker Personen (MWCSTdyn = 52 ±3) <strong>und</strong> ein Cluster<br />

moderat einsichtiger (MOSSTI = 34 ±4) <strong>und</strong> kognitiv ebenso intakter Personen (MWCSTdyn =<br />

56 ±5), aggregiert wurden. Die beiden theoretisch interessanten Startup-Cluster, die weiter<br />

unten statistisch beschrieben werden, änderten sich nicht mehr. Es wurde daher theoriegeleitet<br />

auch hier eine Drei-Cluster-Lösung gewählt.<br />

Aus beiden Analysen resultierte, wie von STARTUP (1996) postuliert <strong>und</strong> unten in Tabelle<br />

79 dargestellt, (1.) eine kognitiv leistungsfähige <strong>und</strong> einsichtige, (2.) eine kognitiv stark<br />

beeinträchtigte <strong>und</strong> mittelmäßig einsichtige Gruppe <strong>und</strong> (3.) eine kognitiv leistungsfähige,<br />

uneinsichtige Gruppe.<br />

Die beiden Drei-Cluster-Lösungen für PANSS-G12 <strong>und</strong> OSSTI wurden anschließend auf<br />

ihre Konkordanz hin überprüft (für n = 85): 78 % der Probanden wurden anhand der<br />

beiden Einsichtsinstrumente gleich klassifiziert (χ 2 [4] = 95,7; p < .001) mit moderater bis<br />

guter Übereinstimmung (κ = .58, p < .001) nach LANDIS <strong>und</strong> KOCH (1977).<br />

Im Anschluss wurden zur möglichen Verbesserung der Homogenitäten der Cluster<br />

k-means-Analysen gerechnet. Für die 226 Fälle mit PANSS-G12-Daten kam die partitionierende<br />

Analyse zu einem hoch mit der Ward-Methode übereinstimmenden Ergebnis<br />

(κ = .97, p < .001). Fast 99 % der Fälle wurden gleich geclustert (χ 2 [4] = 423,8; p < .001).<br />

Die Ergebnisse für die OSSTI-Daten (N = 85) fallen etwas diskrepanter aus: 84 % der<br />

Fälle werden von beiden Methoden gleich geclustert (χ 2 [4] = 107,9; p < .001; κ = .69,<br />

p < .001). Die Resultate der beiden k-means-Clusteranalysen an G12- <strong>und</strong> OSSTI-Daten<br />

(N = 85) stimmen geringfügig höher überein als die der Ward-Analysen (χ 2 [4] = 91,7;<br />

p < .001; κ = .63, p < .001).<br />

Die Homogenitäten der Cluster wurden mit Hilfe der Varianz-Verhältnisse (F-Werte)<br />

betrachtet (Tabelle 79). Zur einfacheren Interpretation der Cluster wurden t-Werte<br />

berechnet, die den an der Gesamtstreuung standardisierten Abweichungen der Cluster-<br />

Mittelwerte einer Variablen von ihrem Gesamtmittelwert entsprechen. Es wurde das<br />

umgepolte G12-Item verwendet, damit die t-Werte für WCST <strong>und</strong> Einsicht gleichgerichtet<br />

interpretierbar sind (d. h. positive t-Werte bedeuten ein höheres kognitives Funktionsniveau<br />

<strong>und</strong> mehr Einsicht).


Tabelle 79.<br />

Deskriptive Statistik <strong>und</strong> Homogenitäten der Einsichts-Cluster<br />

Ward<br />

(WCST-C, G12)<br />

k-means<br />

(WCST-C, G12)<br />

Ward<br />

(WCST-C, OSSTI)<br />

k-means<br />

(WCST-C, OSSTI)<br />

Cluster HI DEF KOG<br />

n 143 (63 %) 51 (23 %) 32 (14 %)<br />

WCST-C 55,69 (±4,32) 54,24 (±4,84) 31,09 (±6,85)<br />

FWCST_C 0,20 0,25 0,49<br />

tWCST_C 0,39 0,24 -2,13<br />

PANSS-G12U 6,31 (±0,76) 3,35 (±0,91) 4,88 (±1,76)<br />

FG12U 0,23 0,33 1,23<br />

tG12U 0,55 -1,32 -0,36<br />

n 143 (63 %) 52 (23 %) 31 (14 %)<br />

WCST-C 55,69 (±4,34) 54,00 (±5,08) 30,77 (±6,73)<br />

FWCST_C 0,20 0,27 0,47<br />

tWCST_C 0,39 0,22 -2,16<br />

PANSS-G12U 6,33 (±0,76) 3,35 (±0,90) 4,87 (±1,71)<br />

FG12U 0,23 0,33 1,17<br />

tG12U 0,56 -1,33 -0,36<br />

n 61 (72 %) 11 (13 %) 13 (15 %)<br />

WCST-C 53,77 (±4,57) 55,73 (±5,12) 27,23 (±6,56)<br />

FWCST_C 0,18 0,22 0,36<br />

tWCST_C 0,35 0,53 -2,08<br />

OSSTI 38,93 (±6,32) 19,09 (±3,65) 34,77 (±9,11)<br />

FOSSTI 0,47 0,15 0,97<br />

tOSSTI 0,35 -1,80 -0,10<br />

n 49 (58 %) 24 (28 %) 12 (14 %)<br />

WCST-C 52,69 (±4,67) 56,21 (±4,93) 26,33 (±5,96)<br />

FWCST_C 0,18 0,20 0,30<br />

tWCST_C 0,25 0,57 -2,17<br />

OSSTI 41,47 (±4,39) 24,83 (±6,15) 34,08 (±9,16)<br />

FOSSTI 0,22 0,44 0,98<br />

tOSSTI 0,62 -1,18 -0,18<br />

Anmerkungen. HI: hoch einsichtig; DEF: mutmaßlich defensiv uneinsichtig; KOG: kognitiv<br />

beeinträchtigt; F: Verhältnis Cluster-Varianz zu Gesamtvarianz; t: Abstand Cluster-Mittelwert<br />

von Gesamtmittelwert; G12U: umgepoltes Insight-Item der Positive and Negative Syndrome<br />

Scale (PANSS); OSSTI: Osnabrücker Skala zu Therapieeinstellung <strong>und</strong> Identifikation<br />

psychischer Beschwerden<br />

286<br />

Ergebnisse Studie 3<br />

Deskriptive Statistik <strong>und</strong> t-Werte zeigen, dass bei der Wahl einer Drei-Cluster-Lösung<br />

Hypothese 3.6 bestätigt werden kann: Unabhängig von clusteranalytischer Methode <strong>und</strong><br />

Einsichtsmaß (G12, OSSTI) bilden sich Cluster heraus, deren Konfigurationen von<br />

kognitivem Funktionsniveau <strong>und</strong> Einsicht den Vorhersagen des Startup-Modells folgen. Die<br />

Rangfolge der Einsichtigkeit entspricht dabei den Annahmen (d. h. HI > KOG > DEF).<br />

Die Einsichtsunterschiede sind für beide k-means-Clusterlösungen hochsignifikant<br />

(G12: Welch-F[2; 60,3] = 226,2; p < .001; Games-Howell: alle p < .001; OSSTI:<br />

Welch-F[2; 24,1] = 9,3; p < .01; Games-Howell: DEF < HI, p < .01; KOG < HI, p < .10).<br />

Etwa 60 % der Gesamtgruppe wurde dem einsichtigen Cluster (HI) zugeordnet, etwa<br />

25 % dem mutmaßlich defensiv uneinsichtigen Cluster (DEF) <strong>und</strong> etwa 15 % dem kognitiv<br />

beeinträchtigten Cluster (KOG). Die Trennung von HI <strong>und</strong> DEF erfolgt durch k-means bei


287<br />

Ergebnisse Studie 3<br />

G12 = 3,5 (d. h. HI-Patienten räumen in jedem Fall eine psychische Erkrankung ein,<br />

möglicherweise jedoch keine sozialen Konsequenzen oder Behandlungsnotwendigkeit).<br />

Die Ward-Analyse an OSSTI <strong>und</strong> WCSTdyn identifizierte deutlich mehr einsichtige (HI:<br />

72 %) auf Kosten des DEF-Clusters (13 %). Die k-means-Analyse ergibt jedoch auch für die<br />

OSSTI wieder die Häufigkeitsverteilung der größeren G12-Stichprobe.<br />

Die Homogenisierung gelang für die G12-WCSTdyn-Cluster weitestgehend: Die Cluster-<br />

Varianzen fallen fast durchgängig deutlich geringer aus als die Gesamtvarianzen der<br />

Variablen (F < 1). Die einzige Ausnahme bildet Einsicht im KOG-Cluster (F = 1,17). Die<br />

OSSTI-Clusteranalysen resultieren durchgängig in homogenen Clustern.<br />

Hoch einsichtige (HI) <strong>und</strong> mutmaßlich defensive (DEF) Probanden liegen im WCSTdyn<br />

durchweg im funktionalen Bereich (≥ 42 korrekt sortierte Karten), was entweder ein hohes<br />

Ausgangsniveau oder eine hohe Modifizierbarkeit voraussetzt. Es dürfte sich also – in der<br />

Terminologie der Metatypologie aus Studie 2 – um Lerner <strong>und</strong> Leistungsstarke handeln.<br />

Probanden des KOG-Clusters sind hingegen stark beeinträchtigt. Der Abstand ihres<br />

Cluster-Mittelwertes vom Gesamtmittelwert beträgt mehr als zwei Gesamtstreuungseinheiten.<br />

Um die Unterschiede zwischen den Clustern in Einsicht <strong>und</strong> <strong>Exekutivfunktionen</strong><br />

anschaulicher zu machen, wurden Effektstärken (g) für die k-means-Cluster aus G12 <strong>und</strong><br />

WCSTdyn berechnet (Tabelle 80).<br />

Tabelle 80.<br />

Effektstärken für den Vergleich der k-means-Cluster<br />

in WCSTdyn <strong>und</strong> Einsicht<br />

Cluster mit PANSS-G12<br />

HI DEF<br />

WCST-C G12U WCST-C G12U<br />

DEF 0,37 3,71 --- ---<br />

KOG 5,12 1,47 4,01 -1,19<br />

Cluster mit OSSTI<br />

HI DEF<br />

WCST-C OSSTI WCST-C OSSTI<br />

DEF -0,73 3,28 --- ---<br />

KOG 5,27 1,30 5,52 -1,25<br />

Anmerkungen. Positive Effektstärken (g) indizieren höhere Leistung bzw.<br />

Einsicht des Clusters im Spaltenkopf. HI: hoch einsichtig; DEF: mutmaßlich<br />

defensiv verarbeitend; KOG: mutmaßlich kognitiv uneinsichtig; OSSTI:<br />

Osnabrücker Skala zu Therapieeinstellung <strong>und</strong> Identifikation psychischer<br />

Beschwerden; WCST-C: <strong>dynamisch</strong>er Wisconsin Card Sorting Test, Posttest;<br />

G12U: umgepoltes Insight-Item der Positive and Negative Syndrome Scale<br />

(PANSS)<br />

Probanden des HI-Clusters sind deutlich einsichtiger als die des KOG-Clusters, die<br />

wiederum einsichtiger als die des DEF-Clusters sind. Der Effekt für den Unterschied<br />

zwischen HI- <strong>und</strong> DEF-Cluster (g > 3) entspricht für beide k-means-Clusterlösungen einer<br />

Nichtüberlappung der Verteilungen.<br />

Probanden der HI- <strong>und</strong> DEF-Cluster schneiden im WCSTdyn deutlich besser ab als<br />

Probanden des KOG-Clusters (g > 4). Auch hier entspricht dies für beide Clusterlösungen<br />

einer Nichtüberlappung der Verteilungen. Wie von STARTUP (1996) vermutet, könnten


288<br />

Ergebnisse Studie 3<br />

Sampling-Unterschiede zwischen Studien (z. B. Anteil stark chronifizierter Patienten aus<br />

psychiatrischen Wohneinrichtungen) die Heterogenität der Bef<strong>und</strong>lage zum Zusammenhang<br />

von Einsicht <strong>und</strong> Kognition erklären: Bei Ausschluss des DEF-Clusters steigt in der<br />

vorliegenden Stichprobe der bivariate Zusammenhang zwischen WCSTdyn <strong>und</strong> Einsicht<br />

(G12) trivialerweise stark an (r = .18 .42, p < .001).<br />

11.13.2 Vergleich von Neurokognition <strong>und</strong> Symptomatik der<br />

Startup-Cluster<br />

Die Probanden der G12-Cluster wurden hinsichtlich ihres Wortschatzes, ihres verbalen<br />

Gedächtnisses <strong>und</strong> ihrer Symptomatik (PANSS-Faktoren: MAß et al., 2000) verglichen.<br />

Multivariat zeigte sich ein hochsignifikanter Effekt der Cluster-Zugehörigkeit auf kognitive<br />

Funktionen <strong>und</strong> Symptomatik (Pillai-Spur: V = 0,52; F[12, 246] = 7,19; p < .001). Tabelle<br />

81 zeigt die Ergebnisse der separaten univariaten Vergleiche <strong>und</strong> Post-hoc-Tests (Games-<br />

Howell), wobei die Teststatistik nach Welch korrigiert wurde, wenn die Annahme der<br />

Varianzhomogenität verworfen werden musste. Die OSSTI-Cluster-Effekte wurden<br />

aufgr<strong>und</strong> der Stichprobengröße nicht multivariat getestet.<br />

Es bestehen für die G12-Cluster keine signifikanten Unterschiede zwischen HI- <strong>und</strong><br />

DEF-Cluster auf kognitiven Variablen. Probanden des DEF-Clusters wurden im Mittel als<br />

positivsymptomatischer beurteilt. Hoch einsichtige Probanden werden zudem als signifkant<br />

bedrückter <strong>und</strong> ängstlicher eingeschätzt als leugnende (g = 0,39) <strong>und</strong> kognitiv beeinträchtigte<br />

Probanden (g = 0,45), d. h. Hypothese 3.7 findet Bestätigung.<br />

Für die OSSTI-Lösung ergeben sich ähnliche Effekte für die Depressivität der Cluster<br />

(gHI-DEF = 0,36 bzw. gHI-KOG = 0,47), die Effekte werden hier jedoch statistisch nicht<br />

signifikant (Poweranalyse: 1 - β = .36). Hier liegt allerdings ein Extremwert vor (z > 2,9),<br />

der wegen der geringeren Subgruppengrößen (nDEF = 20) stark ins Gewicht fällt <strong>und</strong> ohne<br />

den der Unterschied (g = 0,55) signifikant würde (p < .05, einseitig).<br />

Der signifikante Unterschied der Ausprägung von Positivsymptomatik zwischen HI- <strong>und</strong><br />

DEF-Cluster (g = -0,77) erlaubt Zweifel an der Deutung des letzteren als Gruppe »defensiver«<br />

Personen. Es wurde berichtet, dass G12-Einsicht <strong>und</strong> PANSS-Positivsymptomatik in<br />

der untersuchten Gruppe ca. 12 % gemeinsame Varianz aufweisen (r = -.34, p < .001). Die<br />

ausgeprägte Uneinsichtigkeit des DEF-Clusters könnte vor diesem Hintergr<strong>und</strong> im Sinne<br />

der klinischen Hypothese als Charakteristikum des Erkrankungsprozesses gewertet werden.<br />

Hierzu muss allerdings vermerkt werden, dass 27 % der Probanden des DEF-Clusters keine<br />

störungswertigen Wahnideen oder Halluzinationen aufweisen (d. h. PANSS P01 <strong>und</strong><br />

P03 ≤ 2), die zu einer Erklärung ihrer mindestens mäßigen Uneinsichtigkeit (d. h. PANSS<br />

G12 ≥ 4) herangezogen werden könnten. Möglicherweise umfasst dieses Cluster wiederum<br />

Personengruppen, deren geringe Einsicht unterschiedliche Ursachen hat – dieser Frage<br />

wird weiter unten nachgegangen.


Tabelle 81.<br />

Kognition <strong>und</strong> Symptomatik der Einsichtscluster<br />

289<br />

Ergebnisse Studie 3<br />

VAR (n) HI DEF KOG F(df) Vergleiche<br />

G12-WCSTdyn-Cluster<br />

WST-IQ 1 101,49 (±11,98) 97,52 (±12,09) 86,54 (±9,13) F(2; 130) = 15,2 *** KOG < HI, DEF **<br />

WCST-Prätest 2 40,72 (±10,58) 39,50 (±11,59) 27,19 (±10,30) F(2; 223) = 20,3 *** KOG < HI, DEF ***<br />

WCST-Posttest 2 55,69 (±4,34) 54,00 (±5,08) 30,77 (±6,73) F(2; 63,2) = 193,1 *** KOG < HI, DEF ***<br />

AVLT ΣA1-A5 3 46,50 (±10,76) 44,55 (±11,31) 31,21 (±9,65) F(2; 203) = 24,1 *** KOG < HI, DEF ***<br />

PANSS-POS 4 6,28 (±3,36) 9,09 (±4,36) 7,53 (±3,59) F(2; 63,7) = 8,5 ** HI < DEF ***<br />

PANSS-NEG 4 12,40 (±5,72) 14,66 (±6,21) 16,50 (±7,14) F(2; 207) = 6,8 ** HI < KOG *<br />

PANSS-KOG 4 6,12 (±2,64) 7,62 (±3,39) 9,53 (±3,25) F(2; 61, 5) = 16,2 *** HI, DEF < KOG */**<br />

PANSS-DEP 4 7,35 (±3,46) 6,11 (±2,39) 5,83 (±2,73) F(2; 76,6) = 5,3 ** DEF, KOG < HI*<br />

OSSTI-WCSTdyn-Cluster<br />

WST-IQ 5 96,19 (±14,43) 100,40 (±11,59) 85,42 (±7,28) F(2; 36,7) = 11,3 *** KOG < HI, DEF **<br />

WCST-Prä 6 41,41 (±9,29) 39,75 (±9,44) 25,58 (±11,07) F(2; 82) = 13,3 *** KOG < HI, DEF **<br />

WCST-Post 6 52,69 (±4,67) 56,21 (±4,93) 26,33 (±5,96) F(2; 82) = 164,1 *** KOG < HI *** < DEF *<br />

AVLT ΣA1-A5 7 39,38 (±14,60) 43,95 (±11,08) 28,83 (±7,00) F(2; 63) = 5,5 ** KOG < HI, DEF **<br />

PANSS-POS 8 7,49 (±3,30) 8,30 (±4,54) 8,50 (±4,50) ns ns<br />

PANSS-NEG 8 14,59 (±5,89) 13,35 (±5,99) 15,00 (±6,66) ns ns<br />

PANSS-KOG 8 6,30 (±3,41) 6,10 (±2,40) 9,08 (±2,61) F(2; 66) = 4,5 ** HI, DEF < KOG *<br />

PANSS-DEP 8 6,95 (±2,90) 5,90 (±2,75) 5,58 (±2,71) ns ns<br />

Anmerkungen. Ergebnisse der univariaten Tests (z. T. Welch-F). HI: hoch einsichtig; DEF: mutmaßlich defensiv; KOG:<br />

mutmaßlich kognitiv uneinsichtig; G12: Insight-Item der PANSS; WST-IQ: Wortschatztest (WST); OSSTI: Osnabrücker<br />

Skala zu Therapieeinstellung <strong>und</strong> Identifikation psychischer Beschwerden; AVLT: Auditiv-Verbaler Lerntest; PANSS:<br />

Positive and Negative Syndrome Scale (Faktoren: MAß et al., 2000: POSitiv, NEGativ, KOGnitiv, HOSTilität, DEPressiv);<br />

WCST: Wisconsin Card Sorting Test<br />

n G12-Cluster (HI/ DEF/ KOG): 1> 80/ 28/ 24; 2> 143/ 52/ 31; 3> 130/ 47/ 29; 4> 133/ 47/ 30<br />

n OSSTI-Cluster (HI/ DEF/ KOG): 5> 36/ 20/12; 6> 49/ 24/ 12; 7> 34/ 20/ 12; 8> 37/ 20/ 12<br />

***p < .001; **p < .01; *p < .05; +p < .10 (zweiseitig); ns: nonsignifikant<br />

11.13.3 WCST-Performanztypen <strong>und</strong> <strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

Hypothese 3.3a konnte, wie oben dargestellt, bestätigt werden: Der WCSTdyn, nicht aber<br />

der WCST-64 (Prätest) ist signifikant mit G12-Einsicht assoziiert. Es wurde analog hierzu<br />

vorhergesagt, dass der Metatyp der Nichtlerner eine signifikant geringere Einsicht aufweist<br />

als Lerner <strong>und</strong> Leistungsstarke. Tabelle 82 zeigt die Einsicht der Performanztypen <strong>und</strong><br />

kreuztabelliert diese gegen die Einsichtscluster.<br />

Tabelle 82.<br />

Einsicht der WCSTdyn-Metatypen<br />

Einsichtscluster WCSTdyn-<br />

ES (g)<br />

N<br />

MG12 (SD)<br />

HI DEF KOG<br />

Metatyp<br />

HS LR<br />

72 27 2 101 Highscorer 2,45 (±1,52) --- ---<br />

71 25 1 97 Lerner 2,48 (±1,56) 0,02 ---<br />

0 0 28 28 Nichtlerner 3,21 (±1,77) 0,48 0,45<br />

Anmerkungen. Klassifikationsregeln für WCST-Performanztypen s. Studie 2; k-means-Cluster aus G12, WCST-C: HI:<br />

hoch einsichtig; DEF: mutmaßlich defensiv; KOG: mutmaßlich kognitiv einsichtsreduziert; HS: Highscorer; LR:<br />

Lerner<br />

N = 226; χ 2 (4) = 201,1 (p < .01)


290<br />

Ergebnisse Studie 3<br />

Die varianzanalytische Prüfung ergab einen marginal signifikanten Effekt des Lernerstatus<br />

auf G12-Einsicht (F[2, 223] = 2,8; p ≤ .06). Zur Absicherung wurde ein geplanter Kontrast<br />

berechnet (Helmert: NL vs. LR, HS). Dieser wird signifikant (t[223] = 2,4; p < .01 [einseitig]),<br />

was nonparametrisch abgesichert wurde (U = 2081,0; exaktes p < .02 [einseitig]):<br />

Nichtlerner sind im Mittel moderat uneinsichtiger als Lerner <strong>und</strong> Highscorer. Alle<br />

Nichtlerner, für die Einsichtsdaten verfügbar sind, fallen entsprechend in das KOG-Cluster,<br />

Lerner <strong>und</strong> Highscorer entfallen hingegen zu fast gleichen Anteilen auf das HI- <strong>und</strong> das<br />

DEF-Cluster.<br />

Die gleiche Analyse wurde für die k-means-Cluster auf der Gr<strong>und</strong>lage der OSSTI berechnet.<br />

Auch hier zeigt sich das gleiche Bild: Von den zwölf Nichtlernern entfallen elf<br />

(92 %) auf das kognitiv einsichtsreduzierte Cluster (χ 2 [4] = 71,0 [p < .01]). Der OSSTI-<br />

Unterschied zwischen den Performanztypen fällt allerdings geringer aus <strong>und</strong> wird auch für<br />

den Vergleich von Leistungsstarken <strong>und</strong> Nichtlernern nicht statistisch signifikant (gHS-NL =<br />

0,28; 1 - β = .21).<br />

11.13.4 Dispositionelle Defensivität der Startup-Cluster<br />

Wie oben dargestellt, konnte Hypothese 3.4a partiell bestätigt werden: Die Offenheitsskala<br />

(FR) des Eppendorfer Schizophrenie-Inventars (ESI) korreliert schwach mit Einsicht<br />

(G12U: r = .18, p < .05; OSSTI: .17, r < .10). In Hypothese 3.8 wurde darüber hinaus<br />

vorhergesagt, dass dieser Effekt auf Offenheitsunterschiede zwischen einer hoch einsichtigen<br />

<strong>und</strong> einer mutmaßlich defensiven Gruppe zurückgeht. Dies wird im Folgenden geprüft.<br />

Tabelle 83 zeigt die Offenheitswerte der k-means-Cluster (aus G12, WCSTdyn). Außerdem<br />

dargestellt sind die Normwerte der ESI-Frankness-Skala. Da festgestellt wurde, dass<br />

sich die Gruppen in mehreren Symptom-Dimensionen unterscheiden <strong>und</strong> Offenheit mit<br />

Negativsymptomatik korreliert (r = -.25, p < .05, n = 95), wurden zusätzlich die PANSS-<br />

Faktoren nach MAß et al. (2000) kontrolliert.<br />

Tabelle 83.<br />

Defensivität der Einsichtscluster, Vergleich mit Normwerten <strong>und</strong> Effektstärken (g) der<br />

Unterschiede<br />

N MESI-FR (SD) DEF KOG zRESPANSS(SD) DEF KOG<br />

HI 51 5,35 (±2,99) 0,38 0,08 0,08 (±1,00) 0,42 -0,08<br />

DEF 22 4,18 (±3,13) --- -0,27 -0,33 (±0,83) --- -0,19<br />

KOG 22 5,09 (±3,38) --- --- 0,15 (±1,00) ---<br />

NORM_SZ 239 5,79 (±3,32) 0,49 0,21 --- --- ---<br />

NORM_KG 234 7,19 (±326) 0,92 0,64 --- --- ---<br />

Anmerkungen. Negative Vorzeichen von g indizieren höhere Werte der Spaltengruppe. ESI-FR: Eppendorfer<br />

Schizophrenie-Inventar, Offenheit (α = .69, rtt = .71); zRESPANSS: standardisierte Residuen, Regression ESI-FR auf<br />

PANSS-POS <strong>und</strong> -NEG-Faktoren nach Maß et al. (2000); NORM_SZ: Schizophrenie-Normstichprobe des<br />

Eppendorfer Schizophrenie-Inventars; NORM_KG: nicht-psychiatrische Normstichprobe des ESI<br />

Mutmaßlich defensiv uneinsichtige Probanden antworten im ESI mit geringem bis<br />

mittlerem Effekt defensiver als die Probanden des hoch einsichtigen Clusters <strong>und</strong> die der<br />

ESI-Normstichprobe. Alle Patienten der Stichprobe, vor allem aber die des DEF-Clusters,<br />

sind weniger offen als die nicht-psychiatrische Normstichprobe.


291<br />

Ergebnisse Studie 3<br />

Aufgr<strong>und</strong> der unterschiedlichen Gruppengrößen wurde der Unterschied zwischen HI- <strong>und</strong><br />

DEF-Cluster nichtparametrisch für ESI-Rohwerte getestet. Der exakte Mann-Whitney-Test<br />

wurde signifikant (U = 410,5; p < .05 [einseitig], geschätztes r = .21).<br />

Hypothese 3.8 wurde somit bestätigt: Probanden des DEF-Clusters antworten im Mittel<br />

defensiver als hoch einsichtige Probanden. Für die OSSTI-Cluster fand sich die gleiche<br />

Rangfolge der Offenheits-Werte, jedoch wurde der Unterschied zwischen HI- <strong>und</strong> DEF-<br />

Cluster nicht signifikant, d. h. Hypothese 3.8 fand nur für die G12-Cluster Bestätigung.<br />

Tabelle 84 zeigt zusätzlich die Kontigenztafel für den Vergleich der Cluster mit den oben<br />

per Mediansplit gebildeten »Repressors«. Während 65 % der hoch einsichtigen (HI)<br />

oberhalb des Medians liegen, trifft dies nur auf 27 % des kognitiv intakten uneinsichtigen<br />

Clusters (DEF) zu.<br />

Tabelle 84.<br />

G12-Einsichtscluster <strong>und</strong> Offenheit: kategoriale Analyse<br />

ESI-FR-<br />

Mediansplit (4,5)<br />

Cluster<br />

KOG DEF HI<br />

Gesamt<br />

defensiv 9 16 18 43<br />

offen 13 6 33 52<br />

Gesamt 22 22 51 95<br />

Anmerkungen. Exakter χ 2 -Test: χ 2 (2) = 8,91 (p < .05), Cramers V = .31.<br />

Um zu prüfen, ob sich das Mittel der ESI-FR-Werte des DEF-Clusters von dem von MAß<br />

(2001) berichteten durchschnittlichen Offenheitswert von Patienten mit Schizophrenie-<br />

Diagnosen unterscheidet (µ = 5,79; N = 239), wurde ein Ein-Stichproben-T-Test berechnet.<br />

Dieser wurde signifikant (t[21] = -2,41; SE = 0,67; p < .05; CI95%: 2,80 – 5,57).<br />

Um die Beiträge von Positivsymptomatik <strong>und</strong> Offenheit sowie ihrer Interaktion zur<br />

Differenzierung von HI- <strong>und</strong> DEF-Cluster zu testen, wurde schließlich eine binäre logistische<br />

Regression zur Vorhersage der Gruppenzugehörigkeit gerechnet. Tabelle 85 fasst das<br />

Modell zusammen. Positivsymptomatik <strong>und</strong> Offenheit werden signifikant, der Interaktionsterm<br />

verfehlt die statistische Signifikanz knapp.<br />

Tabelle 85.<br />

Logistische Regression zur Vorhersage der Cluster-Zugehörigkeit<br />

(hoch einsichtige vs. stark uneinsichtige kognitiv intakte Probanden)<br />

Prädiktor B(SE)<br />

Konstante 1,18 ** (0,35)<br />

95% CI für OR<br />

CI-U OR CI-O<br />

Positivsymptomatik (POS) -0,27 ** (0,09) 0,64 0,76 0,90<br />

Offenheit (ESI-FR) 0,29 ** (0,13) 1,03 1,34 1,74<br />

POS*ESI-FR -0,06 + (0,03) 0,88 0,94 1,00<br />

Anmerkungen. n = 73. Dargestellt ist das finale Modell (Block 3) mit zentrierten Prädiktoren.<br />

Modell-χ 2 (3) = 18,70; R 2 = .23 (COX & SNELL), .32 (NAGELKERKE), .21 (HOSMER & LEMESHOW)<br />

*p ≤ .05; **p ≤ .01; +p ≤ .10; (zweiseitig)


11.13.5 Zusammenhänge von Krankheitsverarbeitungsstilen,<br />

Kognition <strong>und</strong> Offenheit<br />

292<br />

Ergebnisse Studie 3<br />

Es wurden zwei Instrumente zur Erfassung von Bewältigungsstilen appliziert: (1.) der<br />

Freiburger Fragebogen zur Krankheitsverarbeitung, Listenversion zur Selbsteinschätzung<br />

(FKV-LIS SE: MUTHNY, 1989) mit modifizierter Instruktion nach Empfehlungen von<br />

ALDWIN (2007) zur Erfassung allgemeiner Krankheitsbewältigung <strong>und</strong> (2.) der Coping-<br />

Strategien-Test (CST), der von RIVERA-MINDT <strong>und</strong> SPAULDING (2002) zur Erfassung des<br />

Umgangs mit selbstgewählten belastenden Ereignissen von Menschen mit Schizophrenie-<br />

Diagnosen entwickelt wurde.<br />

Auf eine Faktorenanalyse der Coping-Skalen wurde wegen der zu geringen Stichprobengrößen<br />

verzichtet (nFKV = 84; nCST = 43). Für den FKV wurden die fünf von MUTHNY (1989)<br />

faktorenanalytisch hergeleiteten Skalen verwendet. Zusätzlich wurden diese gemäß ihren<br />

Interkorrelationen zu zwei Superskalen zusammengefasst, die auf einer Ebene hoher<br />

Generalisierung aktiv-problemorientierte <strong>und</strong> passiv-defensive Krankheitsverarbeitung<br />

erfassen sollen. Da der FKV keine Skala zum sozialen Coping umfasst, wurde Item 32<br />

(»Hilfe anderer in Anspruch nehmen«) zusätzlich betrachtet.<br />

Für den CST wurden die von RIVERA-MINDT <strong>und</strong> SPAULDING (2002) empfohlenen Skalen<br />

gebildet, die für die deutsche Version zuvor im Hinblick auf Testökonomie <strong>und</strong> Konsistenz<br />

revidiert worden waren (CST-R: BUCKTING, 2008). Analog zum Vorgehen für den FKV<br />

wurden zwei unabhängige Superskalen gebildet, die vergleichsweise heterogene Coping-<br />

Akte zusammenfassen. Tabelle 86 zeigt die deskriptive Statistik <strong>und</strong> Reliabilitäten der<br />

Coping-Variablen.<br />

Tabelle 86.<br />

Deskriptive Statistik <strong>und</strong> Reliabilitäten der Coping-Instrumente (FKV, CST)<br />

nFKV = 84 α M SD F2 F3 F4 F5<br />

FKV-LIS F1, depressive Verarbeitung .62 13,00 3,67 -.10 .03 .38 ** .60 **<br />

FKV-LIS F2, aktives Coping .67 17,39 4,00 --- .50 ** .18 -.09<br />

FKV-LIS F3, Ablenkung, Selbstaufbau .50 17,11 3,15 --- .36 ** .09<br />

FKV-LIS F4, Religiosität, Sinnsuche .57 14,76 4,12 --- .34<br />

FKV-LIS F5, Bagatell., Wunschdenken .59 7,18 2,81 ---<br />

FKV-AKT (FKV-LIS2 + 3) .72 34,51 6,19 rAKTCOPE-DEFCOPE = -.04<br />

FKV-DEF (FKV-LIS1 + 5) .75 20,18 5,80<br />

nCST = 43 VR FV PP<br />

CST-R SU soziale Unterstützung .89 19,86 8,25 -.10 .10 .30*<br />

CST-R VR Verhaltensreaktionen .79 16,63 7,42 --- .32* -.24<br />

CST-R FV Flucht, Vermeidung .68 18,42 7,07 --- .08<br />

CST-R PP planvolles Problemlösen .82 23,51 6,51 ---<br />

CST-R-AKT (SU + PP) .87 43,37 11,93 rAKTCOPE-DEFCOPE = -.06<br />

CST-R-DEF (VR + FV) .80 35,05 11,77<br />

Anmerkungen. FKV-LIS-Skalen: nFKV = 84; CST-Skalen: nCST = 43; FKV1 (5 Items) = 09, 16, 22, 26, 34; FKV2 (5<br />

Items) = 01, 07, 08, 14, 15; FKV3 (5 Items)= 13, 17, 18, 19, 20; FKV4 (5 Items) = 21, 23, 24, 25, 30; FKV5 (3 Items)<br />

= 02, 03, 04; CST-R SU (9 Items) = 01, 08, 28, 40, 47, 55, 57, 58, 65; CST-R VR (16 Items) = 02U, 12U, 22U, 23U,<br />

35U, 36U, 38, 43, 44, 48, 49, 52, 59, 60, 63, 67; CST-R FV (13 Items) = 05, 10, 14, 17, 21, 25, 30, 39, 41, 46, 50, 51,<br />

62; CST-R PP (9 Items) = 07, 11, 15, 20, 26, 29, 45, 53, 54<br />

*p ≤ .05; **p ≤ .001


293<br />

Ergebnisse Studie 3<br />

Es ist auffällig, dass die internen Konsistenzen der mit fünf bzw. drei Items recht kurzen<br />

FKV-Skalen unbefriedigend niedrig ausfallen (α = .50 – .67). Die hohen Interkorrelationen<br />

der Skalen F1 <strong>und</strong> F5 bzw. F2 <strong>und</strong> F3 lassen eine Zusammenfassung allerdings gerechtfertigt<br />

erscheinen. Die Reliabilitäten der FKV-Superskalen fallen entsprechend höher <strong>und</strong><br />

akzeptabel aus. Mit einer Ausnahme (Flucht/Vermeidung) ergeben sich gute bis sehr gute<br />

Konsistenzkoeffizienten für die deutlich längeren CST-Skalen. Hier erscheint die Zusammenfassung<br />

zu Superskalen weniger gerechtfertigt (d. h. diese sind heterogener als im Falle<br />

des FKV), allerdings ergeben sich auch hier zwei hoch konsistente <strong>und</strong> unabhängige Skalen.<br />

Tabelle 87 zeigt die konvergenten Validitäten. Hierzu sind einige relativierende Anmerkungen<br />

angebracht: Die Interpretation der folgenden Koeffizienten als »konvergente«<br />

Validitäten setzt voraus, dass die Instrumente als Operationalisierung generalisierter<br />

Coping-Stile konzeptualisiert werden. Dies ist jedoch nicht selbstverständlich, denn erstens<br />

erfassen sie Bewältigung auf unterschiedlichen Ebenen (FKV: Krankheit allgemein – CST:<br />

selbst gewählte Coping-Objekte), zweitens umfassen sie teilweise unterschiedliche Kategorien<br />

von Bewältigung (z. B. erfasst der FKV keine sozialen oder ausagierenden Coping-<br />

Akte). Angesichts dieser Einschränkungen fallen die Korrelationen der jeweiligen Superskalen<br />

befriedigend aus (r = .45 bzw. .39).<br />

Oben wurde dargestellt, dass FKV-Item 32 als Indikator sozialer Bewältigung gewählt<br />

wurde, die ansonsten über den FKV nicht operationalisiert wird. Eine Betrachtung der<br />

Korrelation mit der entsprechenden, hoch reliablen CST-R-Skala ergab, dass das Item<br />

hierfür eine hohe konvergente Validität aufweist (rFKV-32-CST-R SU = .64, p < .001).<br />

Tabelle 87.<br />

Konvergente Validitäten von FKV-LIS <strong>und</strong> CST-R<br />

FKV-F1 FKV-F2 FKV-F3 FKV-F4 FKV-F5 FKV-AKT FKV-DEF FKV-32<br />

CST-R SU .02 .33 * .31 * .10 .04 .36 * .03 .64 **<br />

CST-R VR .44 ** -.25 -.17 .22 .29 + -.24 .44 ** .12<br />

CST-R FV .20 .10 .01 .15 .11 .07 .19 .11<br />

CST-R PP -.09 .41 ** .21 -.01 .05 .37 * -.04 .10<br />

CST-R-AKT -.04 .45 ** .33 * .06 .06 .45 ** .00 .50<br />

CST-R-DEF .40 ** -.10 -.10 .22 .25 -.11 .39 * .14<br />

Anmerkungen. N = 43; CST-R: revidierter Coping-Strategien-Test; FKV: Freiburger Fragebogen zur Krankheitsverarbeitung;<br />

FKV-LIS F1: depressive Verarbeitung; F2: aktives Coping; F3: Ablenkung, Selbstaufbau; F4:<br />

Religiosität, Sinnsuche; F5: Bagatellisierung, Wunschdenken; FKV-AKT: F2 + F3; FKV-DEF: F1 + F5; FKV-32:<br />

»Hilfe anderer in Anspruch nehmen«; CST-R SU: soziale Unterstützung; VR: Verhaltensreaktionen; FV: Flucht,<br />

Vermeidung; PP: planvolles Problemlösen; CST-R-AKT: SU + PP; CST-R-DEF: VR + FV<br />

*p ≤ .05; **p ≤ .01; +p < .10<br />

Im nächsten Schritt wurden die Zusammenhänge zwischen Coping <strong>und</strong> soziodemographischen,<br />

klinischen <strong>und</strong> kognitiven Variablen sowie <strong>Krankheitseinsicht</strong> betrachtet (Tabelle<br />

88). Es fanden sich keine Zusammenhänge von Coping, Geschlecht <strong>und</strong> Lebensalter, mit<br />

der Ausnahme, dass jüngere Teilnehmer ihre im CST berichtete Bewältigung als effektiver<br />

(r = -.41, p < .01) <strong>und</strong> die Coping-Objekte als kontrollierbarer einschätzten (r = -.31,<br />

p < .06). Coping-Variablen korrelieren nicht mit der Erkrankungsdauer oder der Anzahl<br />

bisheriger Hospitalisierungen. Es fanden sich keine Zusammenhänge mit Bildung oder<br />

geschätzter prämorbider verbaler Intelligenz. Ausnahmen bilden Zusammenhänge des


294<br />

Ergebnisse Studie 3<br />

Verbal-IQs mit aktiver Krankheitsbewältigung (FKV-LIS F2: r = .27, p < .05, n = 67) <strong>und</strong><br />

Verhaltensreaktionen im Umgang mit Stressoren (CST-R-VR: r = -.31, p < .05, n = 43).<br />

Es zeigte sich ein interessantes Zusammenhangsmuster von Bewältigungs- <strong>und</strong><br />

Symptomatik-Aspekten: Positivsymptomatik (PANSS-Faktor nach MAß et al., 2000) geht<br />

einher mit stärker vermeidender, bagatallisierender <strong>und</strong> depressiv-ängstlicher Krankheitsverarbeitung<br />

(FKV-DEF: r = .41, p < .001; n = 68). Der Zusammenhang besteht auch nach<br />

Kontrolle von aktueller Depressionssymptomatik unverändert fort. Negativsymptomatik<br />

hingegen korreliert mit einer reduzierten aktiven Verarbeitung (FKV-AKT: r = -.30, p < .05,<br />

n = 68). Dieser Zusammenhang lässt sich über beide Instrumente hinweg beobachten<br />

(CST-R-AKT: r = -.37, p < .05, n = 43). PANSS-Depressionssymptomatik schließlich ist für<br />

den FKV-LIS assoziiert mit stärker passiv-vermeidender Krankheitsbewältigung (r = .47,<br />

p < .001). Neurokognitive <strong>und</strong> Bewältigungsvariablen hängen nicht signifikant zusammen.<br />

Ein interessanter Bef<strong>und</strong> betrifft das Muster der Zusammenhänge zwischen Coping-<br />

Variablen <strong>und</strong> Offenheit. Dieses wird, zusammen mit den bereits berichteten Ergebnissen<br />

für die Symptomatik, in Tabelle 88 dargestellt. Über beide Coping-Instrumente hinweg<br />

korrelieren sozial unerwünschte passive, defensive Stile mit Offenheit, während sich keine<br />

Zusammenhänge mit aktiven <strong>und</strong> sozialen Stilen zeigen.<br />

Tabelle 88.<br />

Zusammenhänge von Coping, Defensivität,<br />

Einsicht <strong>und</strong> Symptomatik<br />

ESI-FR G12U OSSTI POS NEG<br />

FKV-LIS F1 .44 ** .08 .04 .32 ** -.15<br />

FKV-LIS F2 .03 -.11 .01 -.08 -.23 +<br />

FKV-LIS F3 .22 + -.20 + .03 .08 -.29 *<br />

FKV-LIS F4 .34 ** -.15 .03 .21 + -.32 **<br />

FKV-LIS F5 .46 ** -.07 -.02 .43 ** -.15<br />

FKV-32 .11 .03 .24 * -.02 -.08<br />

FKV-AKT .13 -.18 .02 -.02 -.30 *<br />

FKV-DEF .51 ** .02 .01 .41 ** -.17<br />

n 68 84 84 68 68<br />

CST-R SU .09 .18 .32* .00 -.36 *<br />

CST-R VR .43 ** .14 .18 .20 .13<br />

CST-R FV .26 + .08 .17 .20 -.15<br />

CST-R PP .11 -.20 -.09 .12 -.21<br />

CST-R-AKT .13 .01 .17 .06 -.37 *<br />

CST-R-DEF .43 ** .14 .21 .25 .00<br />

n 43 43 43 43 43<br />

Anmerkungen. CST-R: revidierter Coping-Strategien-Test; ESI-FR: Eppendorfer<br />

Schizophrenie-Inventar, Offenheits-Skala; FKV-LIS: Freiburger<br />

Fragebogen zur Krankheitsverarbeitung, Listenversion; G12U: Insight-Item<br />

der Positive and Negative Syndrome Scale (PANSS), umgepolt; OSSTI:<br />

Osnabrücker Skala zu Therapieeinstellung <strong>und</strong> Identifikation psychischer<br />

Beschwerden; POS, NEG: PANSS-Faktoren, berechnet nach MAß et al.<br />

(2000); FKV-LIS F1: depressive Verarbeitung; F2: aktives Coping; F3:<br />

Ablenkung, Selbstaufbau; F4: Religiosität, Sinnsuche; F5: Bagatellisierung,<br />

Wunschdenken; FKV-AKT: F2 + F3; FKV-DEF: F1 + F5; CST-R SU: soziale<br />

Unterstützung; VR: Verhaltensreaktionen; FV: Flucht, Vermeidung; PP:<br />

planvolles Problemlösen; CST-R-AKT: SU + PP; CST-R-DEF: VR + FV<br />

*p ≤ .05; **p ≤ .01; +p < .10


295<br />

Ergebnisse Studie 3<br />

Im nächsten Schritt wurden zur Überprüfung von Hypothese 3.9 das hoch einsichtige <strong>und</strong><br />

das mutmaßlich defensiv uneinsichtige Cluster verglichen. Tabelle 89 zeigt die Ergebnisse.<br />

Hypothese 3.9 erfährt für die G12-Cluster keine Bestätigung: Es zeigen sich keine signifikanten<br />

Unterschiede zwischen den beiden kognitiv intakten Clustern auf den Skalen des<br />

FKV oder des CST-R.<br />

Tabelle 89.<br />

Vergleich der Bewältigungsstile der kognitiv intakten Cluster<br />

mit hoher <strong>und</strong> geringer <strong>Krankheitseinsicht</strong>.<br />

G12-Cluster<br />

HI DEF nHI nDEF g 1 - β<br />

FKV-AKT 34,36 (±5,99) 35,04 (±7,17) 47 24 n. s.<br />

FKV-DEF 20,26 (±5,71) 20,46 (±5,86) 47 24 n. s.<br />

FKV-32 3,47 (±1,00) 3,50 (±1,00) 47 24 n. s.<br />

CST-R SU 20,05 (±7,47) 17,08 (±8,38) 21 13 n. s. 0,37 .17<br />

CST-R-VR 16,48 (±6,47) 15,92 (±6,65) 21 13 n. s.<br />

CST-R FV 18,67 (±6,98) 16,15 (±6,97) 21 13 n. s.<br />

CST-R-PP 23,19 (±6,65) 23,15 (±6,11) 21 13 n. s.<br />

OSSTI-Cluster<br />

FKV-AKT 34,69 (±5,56) 34,17 (±7,58) 49 24 n. s.<br />

FKV-DEF 20,29 (±5,46) 20,54 (±6,24) 49 24 n. s.<br />

FKV-32 3,76 (±0,97) 3,04 (±0,91) 49 24 U = 348 ** 0,74 .83<br />

CST-R SU 20,70 (±7,25) 15,00 (±7,71) 23 12 U = 78 * 0,75 .53<br />

CST-R-VR 17,26 (±8,18) 16,17 (±5,64) 23 12 n. s.<br />

CST-R FV 19,26 (±6,22) 15,83 (±8,73) 23 12 n. s.<br />

CST-R-PP 23,30 (±5,94) 22,42 (±7,31) 23 12 n. s.<br />

Anmerkungen. CST-R: revidierter Coping-Strategien-Test (SU: soziale Unterstützung; VR: Verhaltensreaktionen; FV:<br />

Flucht/Vermeidung; PP: planvolles Problemlösen); FKV-LIS: Freiburger Fragebogen zur Krankheitsverarbeitung, Listenversion<br />

(FKV-AKT: aktives Coping + Ablenkung <strong>und</strong> Selbstaufbau; FKV-DEF: depressive Verarbeitung + Bagatellisierung <strong>und</strong> Wunschdenken);<br />

OSSTI: Osnabrücker Skala zu Therapieeinstellung <strong>und</strong> Identifikation psychischer Beschwerden<br />

**p ≤ .01; *p ≤ .05; n. s.: nonsignifikant; 1 - β kalkuliert für zweiseitige Tests<br />

Das einzige Verarbeitungsmerkmal, in dem sich die OSSTI-Cluster unterscheiden, ist die<br />

selbstberichtete soziale Bewältigung: Hier berichten Probanden des DEF-Clusters weniger<br />

soziale Bewältigungshandlungen bei Alltagsstressoren <strong>und</strong> Erkrankungen (FKV-32). Der<br />

geringe Unterschied auf CST-R-SU wird für die G12-Lösung nicht signifikant.<br />

Um sicherzustellen, dass hoch einsichtige Probanden nicht vor allem aufgr<strong>und</strong> zusätzlicher<br />

Bewältigungsobjekte aus dem wichtigen Bereich »Krankheit« eine stärkere Suche nach<br />

sozialer Unterstützung berichten, wurden die Stressoren für die CST-Substichprobe<br />

(n = 43) klassifiziert: Insgesamt wählten nur 12 % der Befragten überhaupt krankheitsbezogene<br />

Stressoren aus, darunter eine Person (4 %) des hoch einsichtigen <strong>und</strong> drei Personen<br />

(25 %) des mutmaßlich defensiven Clusters. Insgesamt zeigten sich keine Unterschiede der<br />

Anteile an Bewältigungsobjekten aus verschiedenen Lebensbereichen (χ2[4] = 7,02; n. s.).<br />

Es sei auch noch einmal darauf hingewiesen, dass die hohe Korrelation zwischen FKV-32<br />

<strong>und</strong> CST-R-SU trotz wechselnder Bewältigungsobjekte eher einen Trait-Charakter des<br />

sozialen Copings nahelegt.


11.14 Zusammenfassung von Studie 3<br />

296<br />

Ergebnisse Studie 3<br />

In Studie 3 wurde erstmals eine psychometrische Analyse <strong>und</strong> Validierung der Osnabrücker<br />

Skala zu Therapieeinstellung <strong>und</strong> Identifikation psychischer Beschwerden bei<br />

Schizophrenie (OSSTI) von KRUPA (2005) durchgeführt. Die Analyse ergab, dass die OSSTI<br />

hinreichend reliabel <strong>und</strong> als einfaktorielles, konvergent valides Einsichts-Screening<br />

durchaus geeignet ist (Korrelation mit PANSS-G12).<br />

Der Anteil von Personen, der in der betrachteten großen, gemischten Schizophrenie-<br />

Stichprobe eine reduzierte <strong>Krankheitseinsicht</strong> nach G12 aufweisen, liegt mit 30 – 40 % eher<br />

am unteren Rand der in der Literatur kursierenden Schätzungen (vgl. BÖKER, 1999).<br />

Mit Hilfe der mehrdimensionalen Schedule for the Assessment of Insight (SAI-E) wurde<br />

an einer Substichprobe eine Binnendifferenzierung des Insight-Konstruktes vorgenommen.<br />

Obwohl kein echtes hierarchisches Modell getestet werden konnte, fanden sich Hinweise<br />

darauf, dass (a) Veränderungsgefühl eine notwendige, aber nicht hinreichende Voraussetzung<br />

für eine internale Zuschreibung der wahrgenommenen Probleme darstellt; dass<br />

(b) ein hoher Zusammenhang besteht zwischen internaler Attribution der Störung <strong>und</strong> der<br />

Verwendung eines im psychiatrischen Sinne korrekten Erkrankungsbegriffes; <strong>und</strong> dass<br />

(c) die Übernahme des Labels eine nahezu hinreichende, aber nicht notwendige Voraussetzung<br />

eines plausiblen Erklärungsmodells ist. Ein wichtiger Einflussfaktor scheint in<br />

diesem Zusammenhang die Positivsymptomatik zu sein, die komplett unkorreliert mit der<br />

Selbsteinschätzung als »psychisch krank« ist, jedoch hoch mit der Plausibilität des<br />

explanativen Modells zusammenhängt.<br />

Es wurde für eine kleine Teilstichprobe von Patienten mit psychotischen Symptomen<br />

eine Hauptkomponentenanalyse zur Veranschaulichung der Korrelationsstruktur gerechnet.<br />

In dieser fand sich keine separate Symptombewusstheitskomponente, dafür separate,<br />

jedoch korrelierte Komponenten, die unterschiedlich spezifische Formen des Problem- <strong>und</strong><br />

Erkrankungsbewusstseins repräsentieren.<br />

Die Analyse der fremdeingeschätzten aktiven <strong>und</strong> passiven Medikationsadhärenz ergab,<br />

dass eine deutliche Mehrheit von Patienten (70 – 80 %) meistens mit dem Behandlungspersonal<br />

kooperiert <strong>und</strong> sich zumindest gelegentlich aktiv für die antipsychotische<br />

Medikation engagiert. Sieht man von fremdbeurteilter Feindseligkeit ab, erwiesen sich<br />

Variablen der <strong>Krankheitseinsicht</strong> nach dem Geschlecht als einziger Prädiktor der Adhärenz.<br />

Die Hypothesen 3.2, 3.3 <strong>und</strong> 3.4 konnten bestätigt werden: <strong>Krankheitseinsicht</strong> korreliert<br />

mit <strong>Exekutivfunktionen</strong> (WCSTdyn), Defensivität <strong>und</strong> Depressivität <strong>und</strong> Ängstlichkeit.<br />

Entsprechend unterscheiden sich die in Studie 2 gebildeten WCST-Performanztypen<br />

signifikant im Grad ihrer <strong>Krankheitseinsicht</strong> (Highscorer, Lerner > Nichtlerner).<br />

Der Zusammenhang von Einsicht <strong>und</strong> Depressivität wurde detailliert untersucht. Hier<br />

konnte sowohl deskriptiv als auch clusteranalytisch gezeigt werden, dass Einsicht keine<br />

hinreichende Voraussetzung von erhöhter negativer Emotionalität (Depressivität <strong>und</strong><br />

Ängstlichkeit) darstellt. In diesem Zusammenhang konnte Hypothese 3.2b bestätigt<br />

werden: Die Interaktion von Einsicht <strong>und</strong> Positivsymptomatik scheint über die Beiträge der<br />

einzelnen Prädiktoren hinaus Depressivität vorherzusagen.<br />

Schließlich wurden die Vorhersagen des Modells von STARTUP (1996) überprüft. Hier<br />

fand Hypothese 3.5 eines kurvilinearen Zusammenhangs zwischen Kognition <strong>und</strong> Einsicht<br />

keine Bestätigung. Allerdings konnten auf der Gr<strong>und</strong>lage des WCSTdyn drei »Startup-<br />

Cluster« gebildet werden, die exakt die vorhergesagte Konfiguration aus Einsicht <strong>und</strong><br />

kognitiven Defiziten aufweisen (d. h. Hypothese 3.6 wurde bestätigt). Dabei berichteten


297<br />

Ergebnisse Studie 3<br />

kognitiv leistungsfähige, hoch einsichtige Probanden über mehr Niedergeschlagenheit <strong>und</strong><br />

Ängstlichkeit als kognitiv intakte, stark uneinsichtige Probanden (Hypothese 3.7).<br />

Bezüglich der angenommenen Coping- <strong>und</strong> Abwehr-Merkmale konnte nur Hypothese<br />

3.8 bestätigt werden: Das mutmaßlich leugnende Cluster zeigt eine höhere Defensivität als<br />

das hoch einsichtige Cluster. Es fanden sich allerdings keine mit Hypothese 3.9 konformen<br />

Unterschiede der Stress- <strong>und</strong> Krankheitsverarbeitung mit der Ausnahme eines stärker<br />

sozialen Coping-Stils hoch einsichtiger Probanden beim Umgang mit Alltagsstressoren.


12. Zusammenschau, Diskussion <strong>und</strong> Ausblick<br />

298<br />

Diskussion<br />

Die vorliegende Arbeit hat erstmals zwei distinkte Forschungstraditionen zusammengeführt,<br />

die sich – jede auf ihre Weise – mit der Lern- <strong>und</strong> Reflexionsfähigkeit von Menschen<br />

mit Schizophrenie-Diagnosen auseinandersetzen: Dies sind die Dynamische Testdiagnostik<br />

(DTD: GUTHKE & WIEDL, 1996), bei der Testprozeduren mit didaktischen Interventionen<br />

zur Klärung bedeutsamer Fragen zu Neurokognition, Lern- <strong>und</strong> Rehabilitationspotenzial<br />

eingesetzt werden (s. Kapitel 3); <strong>und</strong> die Erforschung der <strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

(s. Kapitel 6).<br />

Das Bindeglied dieser Forschungsfelder bildet der in der klinisch-neuropsychologischen<br />

Diagnostik außerordentlich populäre Wisconsin Card Sorting Test, der das Testverfahren<br />

ist, das am häufigsten <strong>und</strong> erfolgreichsten zur Untersuchung der kognitiven Gr<strong>und</strong>lagen<br />

der <strong>Krankheitseinsicht</strong> bei Schizophrenie eingesetzt wurde (vgl. ALEMAN et al., 2006) <strong>und</strong><br />

dessen <strong>dynamisch</strong>e Version (WCSTdyn: WIEDL, 1999) ebenfalls Eingang in die Schizophrenieforschung<br />

gef<strong>und</strong>en hat (z. B. REMPFER et al., 2006; SERGI et al., 2005). Die Gründe<br />

der vom »Wisconsin« ausgehenden Faszination beschreiben BUCHSBAUM et al. (2005):<br />

Taken as a whole, the WCST captures something profo<strong>und</strong> about human cognition: the<br />

ability to apply a rule derived from the observation of a series of events, and then,<br />

critically, as the environment changes or new evidence surfaces, to discard (and replace)<br />

that rule … What the WCST highlights is both the frailty and the extraordinary<br />

flexibility of inductive reasoning, that the rules derived from data are only temporary,<br />

provisional things, and that, as the philosopher David Hume famously observed,<br />

although the sun has always risen before, it may yet not rise tomorrow. In this sense,<br />

then, the WCST mirrors the scientific enterprise itself … (S. 42-43)<br />

Die Arbeit besteht aus drei Studien: Die ersten beiden beschäftigten sich ausschließlich mit<br />

Veränderungsmessung beim <strong>dynamisch</strong>en WCST <strong>und</strong> der Klärung ihrer Voraussetzungen,<br />

Studie 3 thematisiert schließlich <strong>Krankheitseinsicht</strong> <strong>und</strong> ihren Zusammenhang mit dem<br />

WCSTdyn. Bevor die Ergebnisse dieser Studien einzeln <strong>und</strong> in der Zusammenschau<br />

diskutiert werden, werden sie im Folgenden noch einmal kurz wiederholt. Am Ende jeder<br />

Zusammenfassung folgt eine Übersicht über die Hypothesen.<br />

12.1 Rekapitulation der Ergebnisse<br />

12.1.1 Ergebnisse Studie 1: Reliabilität des WCST-64<br />

Studie 1 diente der Abschätzung der Stabilität der 64-Karten-Version des Wisconsin Card<br />

Sorting Test (WCST-64), die eine Voraussetzung der vorgenommenen Reliable Change<br />

Index (RCI)-Analysen der Performanz von Patienten mit Schizophrenie-Diagnosen im<br />

<strong>dynamisch</strong>en WCST darstellt. Zudem wurden die für die Berechnung von Trennwerten<br />

notwendigen Parameter bestimmt. Diese Vorstudie wurde nötig, da ein eigenes qualitatives<br />

Review (s. Abschnitt 3.7) ein uneinheitliches Bild der Reliabilität des Tests gezeichnet hatte<br />

<strong>und</strong> der von KONGS et al. (2000) an einer kleinen Stichprobe bestimmte Generalisierbarkeitskoeffizient<br />

unrealistisch hoch ausfällt. Zudem erscheint die Stichprobe, die der in die<br />

Jahre gekommenen US-Norm zugr<strong>und</strong>e liegt (HEATON, 1981; HEATON et al., 1993), recht<br />

leistungsstark (39 % Berufspiloten <strong>und</strong> Studenten).


299<br />

Diskussion<br />

An einer nicht-psychiatrischen, nicht-akademischen Stichprobe von 110 Personen konnte<br />

gezeigt werden, dass die Variable korrekte Sortierungen (bzw. richtige Antworten) eine für<br />

RCI-Algorithmen ausreichende Stabilität von rtt = .70 aufweist. Der entsprechende<br />

G-Koeffizient liegt unwesentlich niedriger (Generalisierbarkeitstheorie, GT). Das Hauptresultat<br />

von Studie 1 ermöglicht somit das weitere Vorgehen der RCI-Einzelfallanalyse. Es<br />

lassen sich einige interessante weitere Ergebnisse notieren:<br />

(1.) Während 60 % der Stichprobe bereits auf sehr hohem Niveau startete, hatten 40 %<br />

der Probanden deutliche Schwierigkeiten. Für 28 % zeigte sich kein Übungseffekt, nur 10 %<br />

konnte sich im zweiten Durchgang signifikant verbessern, so dass der verkürzte WCST-64<br />

hier gegenüber dem WCST-128 zu abweichenden Ergebnissen gelangt.<br />

(2.) Insgesamt lässt sich festhalten, dass die Osnabrücker Stichprobe leistungsschwächer<br />

ist (g = -0,38) als die US-Normstichprobe.<br />

(3.) Wird mit den gewonnenen Kennwerten (rtt, SD1, SD2) der »klassische« RCI berechnet<br />

(vgl. MAASSEN, 2000b), so zeigt sich, dass die von WIENÖBST (1993) nach der 1,5-SD-<br />

Regel ermittelte kritische Posttest-Prätest-Differenz von 15 korrekt sortierten Karten für<br />

diese nicht-klinische Stichprobe mit dem RCI-Kriterium übereinstimmt.<br />

(4.) Die Korrelation der Hauptfehlertypen PE <strong>und</strong> NPE (perseverativ – nonperseverativ)<br />

fällt mit r = .50 recht hoch aus (vgl. das eigene qualitative Review in Abschnitt 3.7.3).<br />

Zur Erinnerung: In klinischen Stichproben bilden sich häufig eine primäre Exekutiv-<br />

Komponente (u. a. korrekte Sortierungen, Perseveration), eine NPE- <strong>und</strong> eine Failure-tomaintain-set-Komponente<br />

(FMS) heraus. In nicht-klinischen Stichproben luden PE <strong>und</strong><br />

NPE jedoch wiederholt auf einem Faktor (GREVE, BROOKS et al., 1997; GOLDMAN et al.,<br />

1996; PAOLO et al., 1995). Auch in der untersuchten nicht-klinischen Stichprobe ließen sich<br />

lediglich zwei Komponenten sinnvoll extrahieren, PE <strong>und</strong> NPE luden auf der ersten, die<br />

FMS-Variable bildete die zweite. Eine Parallelanalyse legte sogar eine Ein-Komponenten-<br />

Lösung nahe, die sich nach Kaiser-Kriterium auch ergibt, wenn FMS wegen ihrer niedrigen<br />

Retest-Korrelation bzw. ihres MSA-Koeffizienten ausgeschlossen wird.<br />

Es sei bereits an dieser Stelle erwähnt, dass in Studie 2 gezeigt wurde, dass die beiden<br />

Fehlervariablen in der Schizophrenie-Stichprobe hochsignifikant geringer korrelieren.<br />

Entsprechend ließen sich hier die für klinische Samples erwarteten drei Komponenten (PE,<br />

NPE, FMS) finden. In den Posttest-Daten zeigt sich jedoch wieder die Zwei-Komponenten-<br />

Struktur.<br />

Hypothese Gegenstand Ergebnis<br />

1 Akzeptable Stabilität der Variable korrekte<br />

Sortierungen des WCST-64 (rtt ≥ .70).<br />

bestätigt für KTT,<br />

nahezu bestätigt<br />

für GT<br />

12.1.2 Ergebnisse Studie 2: RCI-Vergleich <strong>und</strong> WCSTdyn-Typologie<br />

Studie 2 verfolgte zwei unterschiedliche Zielsetzungen: Vor dem Hintergr<strong>und</strong> der in Kapitel<br />

4 dargestellten komplexen RCI-Debatte <strong>und</strong> der damit verb<strong>und</strong>enen Unsicherheit im<br />

Hinblick auf die Auswahl einer geeigneten Methode für den WCSTdyn in der Schizophrenieforschung<br />

sollte erstens Licht in die statistischen Eigenschaften der unterschiedlichen<br />

RCIs in diesem Verwendungszusammenhang gebracht werden.<br />

Zweitens sollten die typologischen Ergebnisse der von WIENÖBST (1993) vorgeschlagenen<br />

Osnabrücker 1,5-SD-Regel mit jenen der Gulliksen-Lord-Novick-Methode (GLN) von


300<br />

Diskussion<br />

HSU (1989) <strong>und</strong> SCHÖTTKE et al. (1993) <strong>und</strong> anderer RCIs verglichen werden. Unter<br />

Verwendung der Ergebnisse sollten ggf. die Schwelle des funktionalen Wertebereichs<br />

verschoben <strong>und</strong>, aufbauend auf JACOBSON et al. (1984), methodische Alternativen zur 1,5-<br />

SD-Regel aufgezeigt werden.<br />

Die wesentlichen Ergebnisse aus Studie 2 lauten: Der Schwellenwert wurde leicht<br />

abgesenkt. Der »Ultimate« Index (URCI) hat sich als das Verfahren mit dem liberalsten<br />

Kriterium für statistische Signifikanz der Veränderung erwiesen. Insgesamt wurden sehr<br />

hohe Konkordanzen verschiedener RCI-Methoden gef<strong>und</strong>en (Fleiss’ κm [Rohwerte] = .83).<br />

Die 1,5-SD-Regel stellt unabhängig vom gewählten Schwellenwert eine gute Approximation<br />

des klassischen RCIs <strong>und</strong> der Gulliksen-Lord-Novick-Methode dar (κ ≥ .84).<br />

Legt man allerdings clusteranalytische Bewertungskriterien zugr<strong>und</strong>e, schneidet die<br />

Osnabrücker Regel im Hinblick auf die Posttest-Homogenität der Nichtlerner-Gruppe<br />

weniger gut ab (d. h. F > 1). Dies bedeutet nichts anderes, als dass diese Subgruppe zu viele<br />

Probanden umfasst, deren Performanz sich um den Schwellenwert herum bewegt <strong>und</strong> die<br />

die kritische Differenz nur knapp verfehlen. Es wurde daher vorgeschlagen, »Aufwärts-<br />

Grenzfälle«, die nur Kriterium 1 von JACOBSON et al. (1984) erfüllen (d. h. Wechsel in den<br />

funktionalen Wertebereich), als Lerner einzustufen. Es konnte gezeigt werden, dass der<br />

vorgeschlagene Klassifikationsalgorithmus auf RCI-Basis varianzhomogene Subgruppen<br />

produziert <strong>und</strong> dass seine Ergebnisse höher als die der Osnabrücker Regel mit einer<br />

clusteranalytischen Lösung übereinstimmen.<br />

Es wurden erste Schritte in Richtung einer Validierung der vorgelegten Typologie unternommen:<br />

Die Aufwärts-Grenzfälle wurden erstens im Hinblick auf ihre geschätzte prämorbide<br />

Intelligenz <strong>und</strong> ihre verbale Merk- <strong>und</strong> Lernfähigkeit untersucht <strong>und</strong> zeigten hier<br />

keine Unterschiede zu echten Lernern, wohl aber zu den Nichtlerner-Subtypen. Ihre<br />

Umgruppierung (Nichtlerner Lerner) sorgt damit für ein Absinken des mittleren<br />

Leistungsniveaus der Nichtlerner im Auditiv-Verbalen Lerntest (AVLT). Mit Hilfe einer<br />

Clusteranalyse zur Identifikation von Lernverlaufsclustern im AVLT wurde zusätzlich<br />

gezeigt, dass WCST-Nichtlerner überzufällig häufig (d. h. zu 2/3) substanzielle Defizite der<br />

verbalen Lernfähigkeit aufweisen.<br />

Zweitens wurde in Weiterführung einer Arbeit von GREVE, LOVE, SHERWIN, MATHIAS,<br />

RAMZINSKI et al. (2002) erstmals eine Analyse von WCST-Fehlerprofilen bei Schizophrenie<br />

vorgelegt, die ebenfalls gewisse Validitätsaussagen über die vorgestellte Metatypologie<br />

erlaubt. Zur Erinnerung: Die Autoren nehmen eine kognitive Funktionshierarchie an, deren<br />

Stufen von unterschiedlichen WCST-Variablen operationalisiert werden. Perseverative<br />

Fehler (PE) sollen v. a. auf Defizite der exekutiven Inhibitionskontrolle zurückzuführen<br />

sein, nonperseverative Fehler (NPE) mit Schwierigkeiten des problemlösenden Denkens<br />

einhergehen <strong>und</strong> Failure-to-maintain-set-Fehler (FMS) auf Störungen des parietalen<br />

Aufmerksamkeitssystems. Um dieses Modell auf die Lernertypen anzuwenden, wurden vier<br />

Cluster mit vergleichsweise reinen Fehlerprofilen (PE, NPE, FMS, keine Fehler) gebildet<br />

<strong>und</strong> zu den RCI-Lernertypen in Beziehung gesetzt. Tatsächlich begehen Nichtlerner im<br />

Prätest vorwiegend perseverative Fehler. Dies verw<strong>und</strong>ert insofern nicht, als PE der<br />

häufigste Fehlertyp <strong>und</strong> die Nichtlerner die leistungsschwächste Gruppe ist. Lerner<br />

hingegen zeigen überzufällig häufig ein NPE-Profil.


Hypothese Gegenstand Ergebnis<br />

2.1 Substanzielle Übereinstimmung von kRCI <strong>und</strong><br />

GLN-Index (κ > .60).<br />

2.2 Signifikante Abweichung des URCI von den<br />

Klassifikationen durch kRCI/GLN, statistisch<br />

relativ liberalster Index.<br />

2.3 Entwickelter Typisierungsalgorithmus resultiert<br />

in Varianzverhältnis F < 1 für alle Lernertypen.<br />

2.4 Zusammenhang von WCST-Lernpotenzial<br />

gemäß alternativem Algorithmus <strong>und</strong> verbaler<br />

Merk- <strong>und</strong> Lernfähigkeit (AVLT).<br />

2.5 Replikation des GREVE-Modells für Schizophrenie:<br />

Clusterlösung an PE, NPE <strong>und</strong> FMS mit<br />

vier distinkten, reinen Fehlerprofilen.<br />

2.6 Zusammenhang von GREVE-Clustern <strong>und</strong><br />

Performanztypen (PE Nichtlerner; NPE <br />

Lerner).<br />

12.1.3 Ergebnisse Studie 3: OSSTI <strong>und</strong> Startup-Modell<br />

301<br />

bestätigt<br />

bestätigt<br />

bestätigt<br />

bestätigt<br />

bestätigt<br />

bestätigt<br />

Diskussion<br />

Studie 3 verfolgte zwei Ziele: Erstens sollte der von KRUPA (2005) entwickelte, aber noch<br />

nicht hinreichend überprüfte Fragebogen zur <strong>Krankheitseinsicht</strong> (Osnabrücker Skala zu<br />

Therapieeinstellung <strong>und</strong> Identifikation psychischer Beschwerden, OSSTI) erstmals<br />

psychometrisch eingehend untersucht werden.<br />

Zweitens sollte ein spezifisches Modell eines kurvilinearen Zusammenhangs von<br />

Einsicht <strong>und</strong> kognitiven Funktionen geprüft werden (STARTUP, 1996), wobei erstmals in<br />

diesem Zusammenhang der <strong>dynamisch</strong>e Wisconsin Card Sorting Test (WCSTdyn) als Maß<br />

exekutiver Kontrollfunktionen zum Einsatz kam. Konkret wurde vorhergesagt, dass<br />

Einsicht (nur) in einer Subgruppe von Patienten durch neurokognitive Defizite limitiert<br />

wird, während im übrigen Merkmale der Krankheitsverarbeitung (Offenheit <strong>und</strong> Coping-<br />

Stil) eine größere Rolle spielen.<br />

Nebenfragestellungen betrafen potenzielle Moderatoren des vielfach berichteten, jedoch<br />

nicht durchgängig replizierten Zusammenhangs von Einsicht <strong>und</strong> negativer Emotionalität<br />

sowie des seltener untersuchten Zusammenhangs mit Offenheit.<br />

Es konnte eine gute Reliabilität des Einsichtsfragebogens gesichert werden (α = .79).<br />

Seine konvergente Validität wurde durch eine Korrelation mit einer unabhängig durchgeführten<br />

standardisierten Fremdbeurteilung belegt (PANSS-Item G12: r = .58). Es konnten<br />

jedoch auch Konstruktionsmängel ausgemacht werden: Zwar konnte, wie von KRUPA<br />

(2005) angestrebt, eine zweifaktorielle Struktur mit korrelierten Komponenten gef<strong>und</strong>en<br />

werden, die (a) den Grad an Psychoedukation <strong>und</strong> Behandlungseinstellungen <strong>und</strong><br />

(b) <strong>Krankheitseinsicht</strong> im engeren Sinne repräsentieren. Das Ladungsmuster der von<br />

KRUPA (2005) rational <strong>und</strong> mit Hilfe von Konsistenzanalysen zwei Subskalen zugeordneten<br />

Items folgt allerdings nicht den Erwartungen des Autors. Vor allem die eigentliche<br />

Einsichtskomponente ist zu schwach besetzt, so dass keine reliablen Subskalen gebildet<br />

werden können. Es konnten Hinweise auf Polungseffekte gef<strong>und</strong>en werden.


302<br />

Diskussion<br />

Die zentralen Hypothesen von Studie 3 konnten bestätigt werden: <strong>Krankheitseinsicht</strong>,<br />

operationalisiert über das Item G12 der Positive and Negative Syndrome Scale (PANSS),<br />

korreliert, wie vorhergesagt, mit dem WCSTdyn, d. h. die in Studie 2 gebildeten Performanztypen<br />

unterscheiden sich signifikant in ihrer Einsicht (Highscorer, Lerner > Nichtler-<br />

ner, g ≥ 0,45).<br />

Zwar wies die nach STARTUP (1996) vorhergesagte quadratische Funktion der Regression<br />

von Kognition auf Einsicht keine überlegene Passung auf, es konnten jedoch drei theoretisch<br />

sinnvolle Cluster von Patienten mit modellkonformen Merkmalskonfigurationen<br />

identifiziert werden (d. h. [I.] hohe Einsicht – neurokognitiv intakt; [II.] mittlere Einsicht –<br />

neurokognitiv beeinträchtigt; [III.] sehr geringe Einsicht – neurokognitiv intakt). Es gibt<br />

dabei keinen Unterschied der Verteilungen von Highscorern <strong>und</strong> Lernern auf die Cluster I<br />

<strong>und</strong> III; beide Performanztypen enthalten etwa 25 % stark uneinsichtige Cluster-III-<br />

Probanden. Die höhere mittlere Einsicht dieser beiden Performanztypen im Vergleich mit<br />

den Nichtlernern (s. o.) geht also auf einen Anteil von 75 % sehr einsichtiger Patienten an<br />

diesen Gruppen zurück.<br />

Es fand sich der erwartete Unterschied in Offenheit zwischen den Clustern mit intakten<br />

neurokognitiven Funktionen <strong>und</strong> hoher vs. niedriger Einsicht (g = 0,38). Die Hypothese<br />

systematischer Unterschiede in selbsteingeschätzten aktiven <strong>und</strong> passiven Bewältigungsstilen<br />

fand hingegen, mit Ausnahme eines stärker sozial orientierten Copings hoch einsichtiger<br />

Patienten, keine Bestätigung.<br />

Der Zusammenhang von Einsicht <strong>und</strong> negativer Emotionalität wurde cluster- <strong>und</strong><br />

regressionsanalytisch untersucht. Es konnte gezeigt werden, dass <strong>Krankheitseinsicht</strong> vor<br />

allem bei hoher Belastung mit Positivsymptomatik mit erhöhter Depressivität <strong>und</strong> Ängstlichkeit<br />

einhergeht (signifikanter Moderatoreffekt). Auch die Bedingungen, unter denen<br />

Offenheit mit Einsicht zusammenhängt, wurden näher beleuchtet: Ebenfalls durch<br />

signifikante Interaktionen konnte die Vermutung bestätigt werden, dass Defensivität vor<br />

allem bei rezent erkrankten <strong>und</strong> nicht-psychotischen Patienten mit fremdeingeschätzter<br />

Einsicht zusammenhängt.<br />

Hypothese Inhalt Ergebnis<br />

3.1 Positive Korrelation des Einsichtsfragebogens von<br />

KRUPA (2005) mit (a) fremdbeurteilter Einsicht<br />

(PANSS-G12) <strong>und</strong> (b) Adhärenz (SAI-E-Items A, B).<br />

3.2 (a) Positiver Zusammenhang von Einsicht<br />

(G12, OSSTI) <strong>und</strong> Depressivität (PANSS-Faktor),<br />

(b) moderiert durch Positivsymptomatik.<br />

3.3 (a) Signifikanter positiver Zusammenhang zwischen<br />

Einsicht (G12, OSSTI) <strong>und</strong> <strong>Exekutivfunktionen</strong><br />

(WCSTdyn).<br />

(b) Akzentuierter Zusammenhang zwischen<br />

Symptombewusstheit (SAI-E) <strong>und</strong> <strong>Exekutivfunktionen</strong><br />

(WCSTdyn).<br />

3.4 (a) Signifikanter positiver Zusammenhang von<br />

Einsicht (G12, OSSTI) <strong>und</strong> Offenheit (ESI-FR),<br />

für G12 moderiert von (b) Psychiatrieerfahrung<br />

(Anzahl Aufenthalte) <strong>und</strong> (c) Positivsymptomatik<br />

(PANSS-Faktor).<br />

(a) bestätigt<br />

(b) teilweise bestätigt<br />

bestätigt<br />

teilweise bestätigt:<br />

(a) bestätigt für G12<br />

(b) bestätigt für<br />

Negativ- <strong>und</strong><br />

Desorganisationssymptomatik<br />

(a) bestätigt für G12<br />

(b) bestätigt<br />

(c) bestätigt (p < .06)


3.5 Kurvilinearer Zusammenhang (quadratischer Term)<br />

zwischen Einsicht (G12) <strong>und</strong> <strong>Exekutivfunktionen</strong><br />

(WCSTdyn).<br />

3.6 Bei Wahl einer Drei-Cluster-Lösung (aus G12,<br />

WCSTdyn) ergeben sich die von STARTUP (1996)<br />

vorhergesagten Konfigurationen von Einsicht <strong>und</strong><br />

Neurokognition (I. G12[+], WCSTdyn[+];<br />

II. G12[±], WCSTdyn[-]; III. G12[-], WCSTdyn[+]).<br />

3.7 Depressivität (PANSS-Faktor) des hoch einsichtigen<br />

Clusters höher als die des kognitiv intakten<br />

uneinsichtigen Clusters.<br />

3.8 Kognitiv intaktes uneinsichtiges Cluster signifikant<br />

weniger offen als einsichtiges Cluster.<br />

3.9 Stärker problemorientiertes, weniger vermeidendes<br />

Coping (FKV, CST) des einsichtigen Clusters.<br />

12.2 Diskussion der Ergebnisse der einzelnen Studien<br />

12.2.1 Diskussion Studie 1: Reliabilität des WCST-64<br />

303<br />

nicht bestätigt<br />

bestätigt<br />

bestätigt<br />

bestätigt<br />

nicht bestätigt<br />

Diskussion<br />

Studie 1 stellt die erste Arbeit überhaupt dar, der sich eine Abschätzung der kurzfristigen<br />

Stabilität von WCST-64-Scores entnehmen lässt, die für die Veränderungsmessung im<br />

WCSTdyn mit RCI-Methoden nutzbar ist. In Kapitel 3 wurde dargestellt, dass in einer<br />

eigenen Sichtung der existierenden Studien lediglich vier identifiziert werden konnten, die<br />

die Stabilität des WCST-64 betrachtet haben (BASSO et al., 2001; GREVE et al., 2002; KONGS<br />

et al., 2000; WOODS et al., 2006). Alle haben ein N ≤ 57, drei ein Intertestintervall (ITI) von<br />

fast einem Jahr, nur eine unabhängige Studie (GREVE et al., 2002) fand eine hohe Stabilität<br />

der Fehlersumme (rS = .77), zwei (BASSO et al., 2001; WOODS et al., 2006) sehr niedrige<br />

Reliabilitätskennwerte (rtt < .40).<br />

Angesichts dieser enttäuschenden Bef<strong>und</strong>lage ist die gef<strong>und</strong>ene akzeptable Stabilität<br />

ermutigend: Es wird so erstmals möglich, Veränderungsmessung im WCSTdyn auf ein<br />

psychometrisch solides F<strong>und</strong>ament zu stellen. Die Stärken der Studie liegen (1.) in der<br />

Größe der gezogenen Stichprobe, die doppelt so groß ist wie alle, die bislang betrachtet<br />

wurden; <strong>und</strong> (2.) in der Angleichung des Intertestintervalls an den WCSTdyn durch eine<br />

zwischengeschaltete Wiederholung der Instruktion. Als weiteres Ergebnis resultiert, zieht<br />

man den klassischen Reliable Change Index (kRCI) zur Veränderungsmessung heran, aus<br />

der Retest-Korrelation <strong>und</strong> den Standardabweichungen der Durchgänge eine kritische<br />

Differenz von 15 korrekt sortierten Karten. Dies bestätigt die kritische Differenz, die<br />

WIENÖBST (1993) aus dem einfachen neuropsychologischen 1,5-SD-Kriterium abgeleitet hat<br />

<strong>und</strong> die in einer Reihe von Studien der Osnabrücker Gruppe zum Einsatz kam (z. B. WIEDL<br />

et al., 2001).<br />

Die beiden wesentlichen Kritikpunkte an Studie 1 sind folgende: Die Abschätzung der<br />

Retest-Reliabilität hätte erstens optimalerweise an einer großen Stichprobe aus der<br />

Population vorgenommen werden müssen, in der der Test verwendet werden soll – also an<br />

Probanden mit Schizophrenie-Diagnosen. Stattdessen wurde der Test an einer Verfügbarkeitsstichprobe<br />

durchgeführt, wobei nur soweit gegangen wurde, Probanden mit überwiegend<br />

nicht-akademischem Bildungshintergr<strong>und</strong> zu selegieren (Berufsfachschüler <strong>und</strong><br />

Teilnehmer kaufmännischer Fortbildungen <strong>und</strong> Umschulungen). Dies schränkt die


304<br />

Diskussion<br />

Möglichkeit der Generalisierung deutlich ein, d. h. es handelt sich eher um eine Pilotstudie,<br />

der weitere Arbeiten folgen sollten. Einzelne Autoren (z. B. OZONOFF, 1995) haben vermutet,<br />

dass die Stabilität des WCST in klinischen Stichproben mit neurokognitiven Beeinträchtigungen<br />

höher ausfällt – dies wäre zu prüfen.<br />

Begründet liegt dieses Manko in den Schwierigkeiten bei der Rekrutierung von Patienten<br />

mit Schizophrenie, die auf das recht kurze Klinik-Zeitfenster zwischen Entaktualisierung<br />

<strong>und</strong> Entlassung <strong>und</strong> die nicht immer gegebene Motivation zur Teilnahme an wissenschaftlichen<br />

Untersuchungen zurückgehen. Allein die Rekrutierung einer ähnlich großen<br />

Patienten-Reliabilitätsstichprobe hätte so die gesamte Studienzeit in Anspruch genommen.<br />

Aus dem gleichen Gr<strong>und</strong> wurde darauf verzichtet, die »nicht-klinischen« Probanden einem<br />

strukturierten Screening (z. B. CIDI/DIA-X, MINI) auf psychiatrisch relevante Auffälligkeiten<br />

zu unterziehen. Angesichts der bekannten hohen Prävalenzen subklinischer Symptome<br />

<strong>und</strong> psychischer Erkrankungen ist der Nutzen einer solchen Selektionsstrategie jedoch<br />

ohnehin in Frage zu stellen.<br />

Empfehlenswert wäre also, eine kontrollierte Studie mit der neuropsychiatrischen bzw.<br />

rehabilitativen Routine-Diagnostik zu verbinden, indem Patienten mit Schizophrenie-<br />

Diagnosen der statischen oder <strong>dynamisch</strong>en Bedingung zugelost <strong>und</strong> entsprechend dreimal<br />

mit dem WCST-64 nach KONGS et al. (2000) getestet oder der didaktischen Intervention<br />

nach WIEDL (1999) unterzogen würden. Auf diese Weise ginge keine diagnostische<br />

Information des statischen WCST-64 verloren <strong>und</strong> es wäre möglich, Stabilität <strong>und</strong> Übungseffekte<br />

erstmals methodisch sauber zu untersuchen.<br />

Auf Dauer ließe sich so, analog zu RCI-Methoden, eine standardisierte regressionsbasierte<br />

Veränderungsmessung für den WCSTdyn bei Schizophrenie etablieren (MCSWEENEY<br />

et al., 1993; CHELUNE, 2003), indem in einer großen klinischen Normierungsstichprobe<br />

(ohne Intervention) ein multiples Regressionsmodell zur Vorhersage von Retest-Werten<br />

aus Baseline-Werten <strong>und</strong> weiteren interessierenden Prädiktoren (z. B. Alter, Geschlecht,<br />

Bildungsindikatoren) berechnet wird, das anschließend herangezogen werden kann, um die<br />

statistische Signifikanz von Veränderungen (d. h. Abweichungen von prädizierten Werten)<br />

im Einzelfall zu prüfen.<br />

Zweitens ist die gezogene Reliabilitätsstichprobe nur bedingt mit der Schizophreniestichprobe<br />

aus Studie 2 vergleichbar: Hier fällt v. a. der Unterschied in der Geschlechterverteilung<br />

ins Auge: Während die betrachteten Schizophrenie-Stichproben, wie häufig,<br />

überwiegend (52 - 63 %) männlich sind, umfasst die Reliabilitätsstichprobe nur 23 %<br />

männliche Teilnehmer. Grob vergleichbar ist hingegen das mittlere Alter (klinisch: 33 ±10;<br />

nicht-klinisch: 29 ±11 Jahre).<br />

Auch im Hinblick auf den Bildungsweg sind die Stichproben aufgr<strong>und</strong> des Samplings<br />

nicht weit auseinander. Die Ausbildungsdauer in Jahren unterscheidet sich nicht, die<br />

Qualität der Abschlüsse nur geringfügig: In der Schizophrenie-Stichprobe haben etwa 41 %<br />

FH- oder allgemeine Hochschulreife erlangt, in der nicht-klinischen Stichprobe 47 %; auch<br />

der Anteil von Personen ohne bereits abgeschlossene Ausbildung ist ähnlich (47 – 56 %).<br />

Eingeräumt werden muss allerdings, dass die Personen der Reliabilitätsstichprobe,<br />

zumindest im Segment der Berufsfachschüler, in dieser Hinsicht ein höheres Potenzial<br />

mitbringen, d. h. hier mehr Abschlüsse zu erwarten sind als in der Schizophrenie-<br />

Stichprobe, so dass die reinen Prozentangaben über die tatsächlich bestehenden Leistungsunterschiede,<br />

die sich ja auch im WCST ablesen ließen, hinwegtäuschen mögen.


12.2.2 Diskussion Studie 2: RCI-Vergleich <strong>und</strong> WCSTdyn-Typologie<br />

305<br />

Diskussion<br />

Der originäre Beitrag von Studie 2 besteht in der erstmaligen Anwendung von Reliable<br />

Change Index-Methoden (RCIs) auf Daten des WCSTdyn in der Schizophrenieforschung,<br />

dem Vergleich der Resultate <strong>und</strong> der Verfeinerung einer statistischen Typologie (WIEDL,<br />

1999) zur Differenzierung von »Leistungsstarken«, »Lernern« <strong>und</strong> »Nichtlernern«. Es<br />

konnte hierfür eine außergewöhnlich große, klinisch heterogene Stichprobe von Patienten<br />

mit Schizophrenie-Diagnosen akkumuliert werden (N = 400), wobei ein Viertel dieser<br />

Stichprobe eigens rekrutiert wurde.<br />

Auf deskriptiver Ebene leistet Studie 2 einen Beitrag zur Einschätzung der Häufigkeiten<br />

unterschiedlicher WCSTdyn-Leistungsprofile in der Population der Patienten im Versorgungssystem.<br />

Generell wird einmal mehr belegt, dass Menschen mit Schizophrenie-<br />

Diagnosen mehrheitlich nicht unter einer »Dementia of the prefrontal type« (GOLDBERG et<br />

al., 1987, S. 1008) leiden <strong>und</strong> sich durch didaktische Interventionen zumindest kurzfristig<br />

deutlich verbessern können; zugleich bestätigt sich der für den statischen WCST metaanalytisch<br />

(z. B. MESHOLAM-GATELY et al., 2009) gewonnene Bef<strong>und</strong> einer nur etwa 50prozentigen<br />

Überlappung der Verteilungen von Patienten <strong>und</strong> Kontrollpersonen: Während im<br />

Prätest noch etwa 59 % der Stichprobe auf den »dysfunktionalen« Bereich entfallen<br />

(gemessen an der Leistung nicht-klinischer Probanden), sind es nach dem Training weniger<br />

als 25 %. Je nach gewähltem Typisierungsalgorithmus, Trennwert <strong>und</strong> Score-Bereich (Roh-<br />

vs. T-Werte) bleiben 38 bis 43 % konstant leistungsstark (d. h. im »funktionalen« Wertebereich),<br />

was Studien zu einer High-functioning-Schizophrenie-Subgruppe (z. B. PALMER et<br />

al., 1997) bestätigt. 34 bis 44 % verbessern sich substanziell (d. h. statistisch <strong>und</strong> klinisch<br />

bedeutsam), <strong>und</strong> nur 9 bis 12 % verbessern sich eindeutig nicht (d. h. weder statistisch noch<br />

klinisch bedeutsam).<br />

Die Schwelle des funktionalen Bereichs ist natürlich abhängig vom gewählten Trennwert:<br />

In diesem Zusammenhang muss nachdrücklich eine Aktualisierung der WCST-<br />

Normen gefordert werden. Sowohl die Literaturrecherche bzw. der zweite Blick in die<br />

Manuale von HEATON et al. (1993) <strong>und</strong> KONGS et al. (2000) als auch das Leistungsniveau<br />

der Probanden aus Studie 1 lassen den Verdacht aufkommen, dass diese veraltet sind <strong>und</strong><br />

die Normstichprobe möglicherweise ungünstig zusammengesetzt (d. h. zu leistungsstark)<br />

ist. Der nach JACOBSON et al. (1984) aus den US-Normen resultierende Trennwert liegt<br />

jedenfalls zwei Punkte über dem von WIEDL (1999) empfohlenen <strong>und</strong> an den Daten aus den<br />

Studien 1 <strong>und</strong> 2 berechneten. Künftigen Anwendern von RCI-Methoden auf WCSTdyn-<br />

Daten wird geraten, auf die Verwendung der US-Normen zu verzichten.<br />

Bei der vergleichenden Analyse der drei wichtigsten Reliable Change Indices (klassischer<br />

RCI, Gulliksen-Lord-Novick-Index, Ultimativer RCI) wurden einige der Probleme früherer<br />

Untersuchungen vermieden, indem folgende Maßnahmen ergriffen wurden:<br />

(1.) Für alle RCIs wurden dieselben Schätzungen der benötigten Parameter verwendet.<br />

Die Schätzung des Mittelwerts der betrachteten sehr großen Schizophrenie-Stichprobe fällt<br />

dabei, betrachtet man sein enges Konfidenzintervall, recht genau aus, was günstig für die<br />

Berechnung des GLN-Index, des URCI <strong>und</strong> die Bestimmung von Trennwerten ist. Was die<br />

Reliabilität anbelangt, resultiert die in Studie 1 gef<strong>und</strong>ene moderate Stabilität der WCST-<br />

64-Scores (rtt = .70) eher in einer vorsichtigen Schätzung der Konkordanzen. Wie bei<br />

Betrachtung der Formeln einsehbar ist <strong>und</strong> die Simulationsstudie von ATKINS et al. (2005)<br />

gezeigt hat, steigen die Konkordanzen der RCIs mit der Reliabilität des Instruments.<br />

(2.) Die Ergebnisse der Prä- <strong>und</strong> Posttest-Scores des WCSTdyn sowie der jeweiligen<br />

RCI-Signifikanztests wurden mit einem einheitlichen Kategorisierungssystem verarbeitet,


306<br />

Diskussion<br />

das aus der Arbeit von JACOBSON <strong>und</strong> TRUAX (1991) abgeleitet wurde. Es erlaubt, jeden Fall<br />

genau einem von zehn Performanztypen zuzuordnen, was eine informative <strong>und</strong> zugleich<br />

ökonomische Beschreibung der Stichprobe <strong>und</strong> einen direkten Vergleich der RCIs erlaubt.<br />

Auf diese Weise können die Ergebnisse bezüglich Typen-Häufigkeiten <strong>und</strong> Konkordanzen<br />

leicht auch mit denen früherer <strong>und</strong> künftiger Arbeiten verglichen werden, selbst wenn dort<br />

nur das statistische Signifikanzkriterium berücksichtigt wurde (z. B. SPEER & GREENBAUM,<br />

1991; HAFKENSCHEID, 2000).<br />

(3.) Bei der Berechnung des GLN-Index wurde die Annahme berücksichtigt, dass Prä-<br />

<strong>und</strong> Posttestwerte in Abwesenheit von Trainingseffekten als parallele Messungen aufgefasst<br />

werden (d. h. MPrä = MPost).<br />

(4.) Nur die interessierende Signifikanzprüfung wurde isoliert variiert (d. h. nur Kriterium<br />

b von JACOBSON et al. [1984]), statt zwischen Methodenpaketen mit verschiedenen<br />

Cutoff-Bestimmungen zu wechseln (z. B. HAGEMAN & ARRINDELL, 1999). Dies ist bedeutsam,<br />

da ein Teil der inkonsistenten Bef<strong>und</strong>e zum URCI (liberalere Signifikanzprüfung, aber<br />

konservativere Beurteilung von Normalisierung der Leistung) auf die Verwendung einer<br />

alternativen Berechnungsvorschrift für die Schwelle zum funktionalen Bereich zurückgehen<br />

dürfte.<br />

Bevor die Ergebnisse dieses Vergleichs diskutiert werden, sei auf eine im Zusammenhang<br />

mit kategorialen RCI-Analysen naheliegende F<strong>und</strong>amentalkritik an diesem Vorgehen<br />

eingegangen, die den notwendigen Informationsverlust beim Verzicht auf eine dimensionale<br />

Betrachtung betont – d. h. die individuellen Ausprägungen von Veränderungen können<br />

nicht mehr, wie bei Posttest-Prätest-Differenzen (PPD), direkt verglichen werden. Hierzu<br />

wurde bereits in Kapitel 4 dargestellt, dass Umstände eintreten können, unter denen die<br />

Reliabilität dieser vermeintlichen Alternative (PPD) dramatisch verfällt (bei Annäherung<br />

der Retest-Korrelation an die Reliabilitäten der Einzeltests) (vgl. STELZL, 2005). Dies führt<br />

zu einer deutlichen Limitierung ihrer externalen Validität, was für den WCSTdyn bei<br />

Psychose-Erkrankungen von WEINGARTZ, WIEDL <strong>und</strong> WATZKE (2008) <strong>und</strong> WALDORF,<br />

WEINGARTZ <strong>und</strong> WATZKE (2010) demonstriert wurde.<br />

Aber auch PPD-Scores sind nicht immer informativ. So bleibt aufgr<strong>und</strong> des fehlenden<br />

normativen Bezugs unklar, an welcher Stelle im Leistungsspektrum eine bestimmte<br />

Differenz auftritt; besonders eine Nulldifferenz ist offensichtlich als Resultat eines Deckeneffekts<br />

gänzlich anders zu bewerten als als Ausdruck von Nonresponsivität. Hier bietet die<br />

vorgeschlagene Performanz-Typologie einen pragmatischen Ausweg, indem sie ein<br />

transparentes Klassifikationssystem bereitstellt, das der einfachen <strong>und</strong> doch hinreichend<br />

präzisen Kommunikation einer WCSTdyn-Leistung dienen kann.<br />

Und schließlich ist Diagnostik in Anwendungskontexten meistens mit Selektions- oder<br />

Modifikations-Entscheidungen verb<strong>und</strong>en, <strong>und</strong> derartige Entscheidungen (bzw. die auf<br />

ihrer Gr<strong>und</strong>lage getroffenen oder unterlassenen Maßnahmen) sind, wie signifikante<br />

Veränderungen, letztendlich binäre Ereignisse. Insofern ist ein RCI-basiertes, kategorisierendes<br />

Vorgehen, das sich auf die sorgfältige Prüfung der statistischen Signifikanz von<br />

Veränderung konzentriert <strong>und</strong> zugleich ein Performanzprofil vergröbernd beschreibt, sogar<br />

praxisnäher als dimensionale Maße.<br />

Es konnten einige wesentliche Unklarheiten ausgeräumt werden, die sich bezüglich der<br />

statistischen Eigenschaften der drei wichtigsten RCIs durch die Literatur ziehen: Die<br />

Omnibus-Konkordanz der betrachteten Methoden (inkl. der 1,5-SD-Methode von WIEDL,<br />

1999) ist mit κ = .83 ermutigend hoch, so dass bei der Auswahl einer RCI-Prozedur keine<br />

gravierenden Fehlentscheidungen zu erwarten sind.


307<br />

Diskussion<br />

Insbesondere scheint eine Kontrolle von Regressionseffekten keine dramatischen Auswirkungen<br />

auf die Klassifikationsquoten zu haben: Die nonsignifikante Diskrepanz der<br />

Resultate des klassischen RCI <strong>und</strong> des GLN-Index nach HSU (1989) <strong>und</strong> SCHÖTTKE et al.<br />

(1993) bestätigen die Arbeiten von MCGLINCHEY et al. (2002), BAUER et al. (2004) <strong>und</strong><br />

ATKINS et al. (2005) erstmals für den WCSTdyn. Zwar ist es so, dass der GLN-Index<br />

aufgr<strong>und</strong> der Kontrolle von Regressionseffekten Veränderungen aus dem unteren<br />

Leistungsbereich hin zur Mitte etwas konservativer beurteilt (<strong>und</strong> Verbesserungen hin zur<br />

Decke im oberen Leistungssegment entsprechend etwas liberaler). Entsprechend niedriger<br />

fallen hier die kategorienspezifischen Kappas aus. Dies fällt aber, betrachtet man die sehr<br />

hohe Konkordanz von GLN-Index <strong>und</strong> kRCI (κ = .90), selbst bei der gegebenen suboptimalen<br />

Reliabilität (rtt = .70) offensichtlich kaum ins Gewicht. Dieser Bef<strong>und</strong> bestätigt das<br />

Argument von NACHTIGALL <strong>und</strong> SUHL (2002b, 2005), dass auch der klassische RCI in<br />

Stichproben mit breitem Leistungsspektrum eine Bereinigung der Werte vornimmt. Die<br />

sehr hohe Gesamt-Konkordanz mag auch auf die dünne Zellenbesetzung in diesbezüglich<br />

störenden Extremkategorien zurückzuführen sein, dies allerdings dürfte die Populationsverhältnisse<br />

widerspiegeln (d. h. sich signifikant verbessernde Highscorer <strong>und</strong> sich<br />

signifikant, aber nicht klinisch verbessernde Nichtlerner sind seltene Ereignisse).<br />

Für T-Werte fällt die kRCI-GLN-Übereinstimmung etwas geringer aus (κ = .84), was auf<br />

eine effektive Anhebung der Leistungsdecke durch die Kontrolle von Alter <strong>und</strong> Ausbildungsdauer<br />

<strong>und</strong> damit auf den höheren Anteil signifikant verbesserter Leistungsstarker<br />

zurückgeht. Bei der klinisch meist interessierenden Differenzierung von Lernern <strong>und</strong><br />

Nichtlernern kommen kRCI <strong>und</strong> GLN-Index unabhängig von der Verwendung von Roh-<br />

oder T-Werten zu hoch übereinstimmenden Ergebnissen (κ = .89).<br />

Empfehlenswert mag also der Einsatz der Gulliksen-Lord-Novick-Methode bei Extremgruppen<br />

sehr schwacher bzw. sehr leistungsfähiger Probanden sein, die aufgr<strong>und</strong> ihrer<br />

Merkmalsausprägung selegiert wurden. Hier könnte der GLN-Index das Risiko von α- bzw.<br />

β-Fehlern senken (wobei externe Validierungskriterien benötigt werden, um sinnvoll von<br />

»Sensitivität« <strong>und</strong> »Spezifität« von RCI-Methoden sprechen zu können: vgl. HSU, 1999).<br />

Dann allerdings sollte sich der Anwender Gedanken über die Auswahl eines adäquaten<br />

Mittelwertes zur Kontrolle des Regressionseffektes durch die GLN-Methode machen. Es<br />

könnte in einem solchen Fall empfehlenswert sein, den in Studie 2 gelieferten Mittelwert<br />

dem Sample-Mittelwert vorzuziehen.<br />

Bezüglich der statistischen Eigenschaften des URCI ließen sich erstens die Bef<strong>und</strong>e von<br />

HAFKENSCHEID (2000) <strong>und</strong> MCGLINCHEY et al. (2002) zur relativ größten Liberalität dieses<br />

Prüfverfahrens bestätigen. Durch eine Regression von RCI-z-Werten auf Differenzen<br />

konnte veranschaulicht werden, dass der URCI bereits bei einer Differenz von 11 korrekt<br />

sortierten Karten den kritischen z-Wert (= 1,96) annimmt. Der kRCI weist hier nur z = 1,27<br />

auf <strong>und</strong> erreicht den kritischen z-Wert erst bei 17 Karten, WIEDL (1999) hatte eine kritische<br />

Differenz von 15 empfohlen. Diese deutlich geringere kritische Differenz als Resultat von<br />

KELLEYs (1947) Formel zur Schätzung der wahren Differenzwerte ist die Ursache dafür,<br />

dass der URCI die erwähnte Subgruppe der Aufwärts-Grenzfälle (GF+) beinahe zum<br />

Verschwinden bringt (10 1 %), da er der nicht-perfekten Reliabilität der Differenzen<br />

Tribut zollt. Dieser Umstand wird weiter unten bei der Diskussion der Konstruktion von<br />

Performanz-Metatypen wieder aufgegriffen.<br />

Zweitens erhärten die präsentierten Ergebnisse den Verdacht, dass die Ergebnisse von<br />

Studien, die mit dem URCI geringere Anteile klinisch signifikanter Verbesserung gef<strong>und</strong>en<br />

haben (MCGLINCHEY et al., 2002; ATKINS et al., 2005), auf die Verwendung des


308<br />

Diskussion<br />

modifizierten »wahren« Trennwerts ctrue bzw. auf das zugehörige Prüfverfahren CSINDIV von<br />

HAGEMAN <strong>und</strong> ARRINDELL (1999) zurückgehen. Selbstverständlich mögen sowohl ein<br />

statistischer Test der Überschreitung des Trennwerts für sich genommen als auch der<br />

Einsatz von Methodenpaketen (wie CSINDIV + RCINDIV) absolut gerechtfertigt sein. Letzten<br />

Endes haben hier externe Validierungskriterien das letzte Wort. Bevor jedoch derartige<br />

Validierungsstudien sinnvoll durchgeführt werden können, sollten die statistischen<br />

Eigenschaften der konkurrierenden Prüfverfahren geklärt worden sein, so dass deren<br />

Ergebnisse richtig eingeordnet werden können. Diese Arbeit geht einen Schritt in diese<br />

Richtung.<br />

Bezüglich der Entscheidung zwischen Roh- <strong>und</strong> Normwerten zur Überprüfung von<br />

Veränderung fällt es schwer, definitive Empfehlungen zu geben, da Studie 2 hierzu<br />

empirisch wenig beizutragen hat. Es war zu beobachten, dass die Intramethoden-<br />

Konkordanzen (z. B. kRCI mit Roh- <strong>und</strong> T-Werten: κ = .70) etwas geringer ausfallen als die<br />

Intermethoden-Konkordanzen der RCIs für Roh- <strong>und</strong> T-Werte (z. B. kRCI <strong>und</strong> GLN: κRW =<br />

.90 bzw. κT = .84). Vereinfacht könnte hieraus geschlussfolgert werden, dass die Wahl der<br />

Werte einen größeren Unterschied machen kann als die Wahl der RCI-Methode.<br />

Hierzu ist erstens daran zu erinnern, dass Zweifel über die Angemessenheit der USamerikanischen<br />

Normstichprobe zur Relativierung von Daten von Patienten mit Schizophrenie-Diagnosen<br />

geäußert wurden. Zweitens läuft die Entscheidung auf die Frage der<br />

relativen Validität von Roh- <strong>und</strong> T-Werten hinaus, die von künftigen Arbeiten beantwortet<br />

werden muss. Ideal wäre hier eine Studie wie jene von WATZKE et al. (2008), die die<br />

prognostische Validität von WCSTdyn-Performanztypen zur Prädiktion von Arbeitsfähigkeiten<br />

<strong>und</strong> beruflicher Integration längsschnittlich untersucht hat. Bei derartigen Validitäts-Studien<br />

zum Vergleich von RCI-Methoden sowie Roh- <strong>und</strong> Normwerten sollte der<br />

klassische RCI aufgr<strong>und</strong> seiner Einfachheit <strong>und</strong> weiten Verbreitung als »Nullmethode«<br />

(MCGLINCHEY et al., 2002, S. 542) gesehen werden, gegen die sich die elaborierteren<br />

Methoden bewähren müssen. Wegen der hohen Konkordanz von kRCI <strong>und</strong> GLN dürfte vor<br />

allem eine Kontrastierung von kRCI <strong>und</strong> URCI Erkenntnisgewinne bringen.<br />

Und schließlich sind die hohen Konkordanzen der Osnabrücker 1,5-SD-Regel mit klassischem<br />

RCI <strong>und</strong> GLN-Methode in zweierlei Hinsicht erfreulich: Sie rechtfertigen erstens<br />

deren Applikation in Studien von WIEDL <strong>und</strong> Kollegen (z. B. 1999, 2001) <strong>und</strong> zweitens<br />

deren Empfehlung als »Daumenregel« signifikanter Veränderung für die Anwendung des<br />

WCSTdyn in klinischen Praxis-Settings.<br />

Die verwendete Typologie in Anlehnung an JACOBSON <strong>und</strong> TRUAX (1991) hat sich für eine<br />

detaillierte Beschreibung der Stichprobe <strong>und</strong> für die Untersuchung der Konkordanzen von<br />

RCIs bewährt. Es wäre zu begrüßen, wenn auch künftige Studien mit RCI-Analysen sich<br />

dieser universell einsetzbaren Typologie zur Ergebnisdarstellung bedienen würden, selbst<br />

wenn Teilgruppen (z. B. Verschlechterer), die nicht im Fokus des Interesses liegen, von<br />

weiteren Analysen ausgeschlossen werden.<br />

Zwar mag ihr Auflösungsgrad hoch erscheinen, vor allem weil zwangsläufig schwach<br />

besetzte Subgruppen resultieren, die auf der Ebene der Gruppenstatistik die Teststärke<br />

begrenzen. Auch wird sich sicherlich nicht jede Differenzierung von Subtypen als valide<br />

erweisen (z. B. verbesserte vs. konstante Leistungsstarke). Dennoch sind diese hoch<br />

homogenen Subgruppen als Analyseeinheit im Aggregationsprozess äußerst wertvoll, weil<br />

sie die Transparenz vergröberter Kategoriensysteme (z. B. Highscorer, Lerner, Nichtlerner:<br />

vgl. WIEDL, 1999) erhöhen <strong>und</strong> so helfen, inhaltliche <strong>und</strong> statistische Probleme von


309<br />

Diskussion<br />

»Metatypen« zu klären (s. u.). Die gewählte Beschreibungsebene stellt also eine wichtige<br />

Voraussetzung der Komposition von Typologien höherer Ordnung dar <strong>und</strong> erlaubt zugleich<br />

den exakten Nachvollzug des analytischen Vorgehens.<br />

Es lässt sich zudem zweifellos ein zurzeit noch bestehendes Missverhältnis der Anzahl<br />

an Subtypen <strong>und</strong> differentiellen Remediationsoptionen kritisieren. Mit anderen Worten:<br />

Die vorgeschlagene Einteilung zieht noch keine Konsequenzen für die klinische Praxis nach<br />

sich. Dies ist zwar zutreffend, allerdings sollte ein Mangel an Handlungsoptionen eher<br />

deren Entwicklung stimulieren als das gr<strong>und</strong>sätzliche Erkenntnisinteresse limitieren. In<br />

Abschnitt 3.9 wurden einige vielversprechende Kandidaten beschrieben, die sich in<br />

Verbalisierungsansätze (z. B. PERRY et al., 2001), Errorless Learning (KERN et al., 1996)<br />

<strong>und</strong> Scaffolded Instruction (YOUNG et al., 2002) einteilen lassen. Es wäre eine reizvolle<br />

Aufgabe, angelehnt an neuere kognitive Funktionstaxonomien wie die der CNTRICS-<br />

Initiative (Cognitive Neuroscience Treatment Research to Improve Cognition in Schizophrenia:<br />

s. KERNS et al., 2008; BARCH & SMITH, 2008) mehrdimensionale Profile der<br />

Stärken <strong>und</strong> Schwächen der Subtypen zu erstellen (s. u.), entsprechende Hypothesen für<br />

neurokognitive Validierungsstudien abzuleiten <strong>und</strong> den o. g. Gruppen passende Trainingsmodule<br />

zu entlehnen oder neu zu entwickeln.<br />

Es wurden durch den hohen Auflösungsgrad zwei Subgruppen auffällig, die theoretische<br />

bzw. statistische Probleme bereiten: Dies sind erstens die beiden sich verschlechternden<br />

Subgruppen (d. h. »echte« Verschlechterer nach Doppelkriterium <strong>und</strong> Abwärts-Grenzfälle,<br />

die nur den funktionalen Wertebereich verlassen), die etwa 2 % der Fälle ausmachen. Es<br />

bleibt unklar, warum Probanden, die mit etwa 45 korrekt sortierten Karten im Prätest <strong>und</strong><br />

damit im funktionalen Bereich starten, also Kategorien <strong>und</strong> Regeln bereits früh verstanden<br />

haben, nach der detaillierten Instruktion im Mittel um 10 bis fast 20 Karten absinken.<br />

Die wahrscheinlichste Erklärung ist ein fehlgeschlagenes Monitoring durch stilles Mitzählen<br />

korrekt sortierter Karten nach Mitteilung der entsprechenden Zehner-Regel.<br />

Probanden könnten sich so selbst eine Dual task stellen, was auch bei Leistungsstarken das<br />

Arbeitsgedächtnis überlasten kann. Gelegentlich wird trotz der entsprechenden Instruktion<br />

außerdem nicht verstanden, dass eine fehlerlose Serie gelegt werden muss, bevor sich das<br />

Kriterium ändert.<br />

Aufgr<strong>und</strong> dessen wird angeregt, die Win-stay/Loose-shift-Strategie durch eine Ergänzung<br />

der Instruktion zum Kategorienwechsel während des Trainings explizit zu fördern.<br />

Diese Ergänzung könnte in etwa wie folgt aussehen:<br />

Nachdem Sie nun eine fehlerfreie Serie von zehn Karten nach … gelegt haben,<br />

ändert sich jetzt die Regel. Sie müssen ab jetzt entweder nach … oder nach …<br />

sortieren. Eine von beiden Kategorien ist die neue Regel. Außerdem rate ich<br />

Ihnen, beim Sortieren nie leise mitzuzählen, das lenkt nämlich ab. Hören Sie<br />

einfach auf meine Rückmeldungen <strong>und</strong> konzentrieren Sie sich ganz darauf,<br />

welche Regel gerade gilt. Sortieren Sie einfach so lange danach weiter, bis die<br />

Serie zu Ende ist. Auf diese Weise erreichen Sie die meisten Treffer.<br />

Die zweite Subgruppe, die durch die verwendete Typologie erstmals in den Fokus der<br />

Betrachtung rückt, ist die der »Aufwärts-Grenzfälle« (GF+), also der Probanden, denen<br />

zwar der Übergang zum funktionalen Wertebereich gelingt, die sich jedoch nach den<br />

meisten RCI-Prüfverfahren dabei nicht statistisch signifikant verbessern, obwohl sie eine<br />

mittlere PPD > 11 erreichen. Ihre Größe variiert deutlich zwischen 1 <strong>und</strong> 14 %.


310<br />

Diskussion<br />

Die Existenz dieser Gruppe verweist auf ein deutliches Homogenitäts-Problem der 1,5-SD-<br />

Regel nach WIENÖBST (1993) <strong>und</strong> WIEDL (1999), die Aufwärts-Grenzfälle mehrheitlich als<br />

»Nichtlerner« einstuft. Dies führt dazu, dass die Posttest-Varianz der Nichtlerner-Gruppe<br />

größer ist als die Gesamtvarianz, wodurch das Ziel einer sinnvollen Binnendifferenzierung<br />

verfehlt wird.<br />

Dennoch erscheint die Bereitstellung eines vergröberten Kategoriensystems (d. h.<br />

Highscorer, Lerner, Nichtlerner: vgl. WIEDL, 1999) als lohnenswerte Aufgabe: Nur äußerst<br />

selten werden Schizophrenie-Stichproben eine Größe erreichen, die die markiervariablenorientierte<br />

Strategie (vgl. HELMCHEN, 1988) auf Subgruppen-Ebene sinnvoll erscheinen<br />

lässt. Eine validierte Trichotomie wäre zudem für den klinischen Einsatz des WCSTdyn von<br />

großem Vorteil.<br />

Es wurde daher entschieden, auf der Gr<strong>und</strong>lage der Zehner-Typologie eine neue statistische<br />

»Metatypologie« für den WCSTdyn vorzuschlagen, um in Studie 3 den Zusammenhang<br />

zwischen Einsicht <strong>und</strong> Lernpotenzial bzw. <strong>Exekutivfunktionen</strong> auf dieser kategorialen<br />

Analyseebene betrachten zu können. Hierzu wurde, in Anlehnung an WIEDL et al. (2001),<br />

eine Clusteranalyse zur Bildung dreier leistungshomogener Subgruppen herangezogen.<br />

Durch Vergleiche mit dieser Lösung wurde entschieden, Aufwärts-Grenzfälle wie echte<br />

Verbesserer zu behandeln.<br />

Dies erfolgte keinesfalls arbiträr, sondern aufgr<strong>und</strong> folgender Überlegungen: Eine Einstufung<br />

der Aufwärts-Grenzfälle als Nichtlerner ergibt bei einem mittleren Posttest-Score<br />

um die 50 <strong>und</strong> inhomogenen Gruppen weder normativ noch statistisch einen Sinn. Auch<br />

die Clusteranalyse ordnete keinen Aufwärts-Grenzfall dem leistungsschwachen Cluster zu.<br />

Eine Zuordnung zu den Leistungsstarken wäre unter Homogenitätsaspekten zwar günstig,<br />

würde aber bei einem Prätest-Wert < 40 eindeutig die erste Regel von JACOBSON et al.<br />

(1984) verletzen. Eine Zuordnung zu den Lernern hingegen erfüllt dieses Kriterium <strong>und</strong><br />

kann zumindest durch den URCI auch statistisch abgesichert werden, der 87 % der<br />

Aufwärts-Grenzfälle nach klassischem RCI als Lerner einstuft. Hiermit wäre auch das<br />

zweite Kriterium von JACOBSON et al. (1984) erfüllt. Auch diese Metatypologie erzeugt mit<br />

F < 0,8 homogene Typen.<br />

Zwar mag es immer noch beliebig erscheinen, wenn eine in dieser Hinsicht opportun<br />

erscheinende RCI-Testprozedur zur statistischen Legitimation herausgegriffen wird. Dieser<br />

Kritik lässt sich zumindest entgegenhalten, dass erstens alle Alternativen theoretisch (im<br />

Hinblick auf die Kriterien reliabler Veränderung) <strong>und</strong> statistisch schlechter abschneiden<br />

<strong>und</strong> dass zweitens eine <strong>dynamisch</strong>e Prozedur zur Identifikation von Lernpotenzial zunächst<br />

einmal die Voraussetzungen einer maximalen Sensitivität für das zu entdeckende Merkmal<br />

mitbringen sollte. Deren Überprüfung erfordert allerdings wiederum einen Rückgriff auf<br />

externe Kriterien, worauf schon im Zusammenhang mit den Subtypen hingewiesen wurde.<br />

Die vorgeschlagene Metatypologie stellt den plausibelsten, aber nicht den einzig möglichen<br />

Kandidaten einer Typologie höherer Ordnung dar. Künftige Validitätsuntersuchungen<br />

werden auch hier eine klarere Sprache sprechen.<br />

Die ersten Schritte in Richtung einer – allerdings nicht vergleichenden – Validierung der<br />

Performanztypen wurde bereits genannt: Lernpotenzial spiegelte sich auch im Bereich der<br />

verbalen Merk- <strong>und</strong> Lernfähigkeit (AVLT) wider.<br />

Schließlich wurden WCST-Fehlerprofile analysiert <strong>und</strong> Hinweise gef<strong>und</strong>en, dass Nichtlerner<br />

ein Defizit exekutiver Kontrollprozesse, Lerner hingegen eines des problemlösenden<br />

Denkens aufweisen: Überzufällig viele Nichtlerner begehen vor allem perseverative Fehler,<br />

überzufällig viele Lerner werden im Prätest durch ein nonperseveratives Fehlermuster<br />

charakterisiert. Auffällig ist in diesem Zusammenhang auch die Dissoziation dieser


311<br />

Diskussion<br />

Fehlertypen: Während im Posttest <strong>und</strong> mehr noch bei der nicht-klinischen Stichprobe aus<br />

Studie 1 perseverative <strong>und</strong> nonperseverative Fehler signifikant korrelieren, bildeten sie<br />

unabhängige Komponenten der WCST-64-Leistung der Patienten. Diese Struktur kann am<br />

ehesten durch die Existenz einer selektiv non-exekutiv beeinträchtigten Subgruppe<br />

(»Lerner«) erklärt werden sowie dadurch, dass bei Probanden ohne akzentuierte frontalexekutive<br />

Defizite perseverative Fehler eine andere Bedeutung haben (z. B. einen Mangel<br />

an Alternativen oder idiosynkratische Regeln repräsentieren).<br />

Was bedeuten diese Bef<strong>und</strong>e nun für das Verständnis der differentiellen Defizite von<br />

Nichtlernern <strong>und</strong> Lernern im WCSTdyn? Dies soll im Folgenden unter Rückgriff auf die<br />

eigene integrative Darstellung der an der WCST-Bearbeitung beteiligten kognitiven<br />

Prozesse (Abbildung 4, Kapitel 3) erfolgen.<br />

Was die Nichtlerner betrifft, ist ätiologisch erstens an das für Schizophrenie metaanalytisch<br />

belegte Defizit des Arbeitsgedächtnisses zu denken. In Abschnitt 3.5.2 wurden<br />

Zusammenhänge zwischen statischem WCST <strong>und</strong> Arbeitsgedächtnistests referiert.<br />

Angesichts der pervasiven Natur der kognitiven Schwierigkeiten der Nichtlerner kommen<br />

hier alle von der CNTRICS formulierten Ebenen exekutiver Kontrolle (Generierung <strong>und</strong><br />

Auswahl von Regeln, <strong>dynamisch</strong>e Anpassung der Kontrolle) <strong>und</strong> des Arbeitsgedächtnisses<br />

(Ziel- <strong>und</strong> Kontext-Repräsentation, Interferenzkontrolle) in Frage.<br />

Auf neurobiologischer Ebene könnte dies mit einer Hypoaktivierung oder Dyskonnektivität<br />

exekutiver Kontrollnetzwerke korrespondieren, in die der dorsolaterale <strong>und</strong> der<br />

ventrolaterale präfrontale Kortex (DLPFC: abstrakte Repräsentation <strong>und</strong> Wechsel von<br />

Regeln; VLPFC: Interferenzkontrolle) sowie das anteriore Cingulum (ACC: Detektion von<br />

Reaktionskonflikten, Adjustierung der Kontrolle) eingeb<strong>und</strong>en sind (LIE et al., 2006;<br />

MINZENBERG et al., 2009). OHRMANN et al. (2008) hatten Lernfähigkeit im WCSTdyn mit<br />

der neuronalen Integrität des ACCs in Verbindung bringen können, was als Hinweis auf<br />

eine funktionierende kompensatorische Fehlerdetektion bei Lernern gewertet wurde.<br />

Eine zweite, hiermit zusammenhängende Möglichkeit betrifft ein Defizit der Attributidentifikation,<br />

möglicherweise bedingt durch eine Abschwächung der Top-down-Verarbeitung<br />

<strong>und</strong>/oder eine Störung der Nutzung semantischer Strukturen. Die resultierende<br />

Dominanz des perzeptuellen Aufwärtsstroms könnte dazu führen, dass Nichtlerner weniger<br />

auf abstrakte Stimulusdimensionen als auf »Gestalten« (d. h. farbige Formen) reagieren<br />

<strong>und</strong> dabei höchst individuelle, durch den Beobachter schwer nachvollziehbare Ähnlichkeitsmetriken<br />

anlegen.<br />

Und drittens könnte bei Nichtlernern ein basales Problem der Nutzung korrektiver<br />

Rückmeldung bestehen, das weniger auf Arbeitsgedächtnisprobleme zurückgehen, sondern<br />

Ausdruck einer Dysregulation des dopamin-basierten Belohnungssystems sein soll (GOLD<br />

et al., 2008).<br />

Was die Lerner betrifft, so ist deren exekutive Kontrolle offensichtlich intakt – andernfalls<br />

ließe sich ihr Performanzniveau nicht durch eine kurze didaktische Intervention<br />

normalisieren. Für die Schwierigkeiten im Prätest kommen zwei Kandidatenbereiche in<br />

Frage: Erstens besteht die Möglichkeit einer vergleichsweise diskreten Beeinträchtigung<br />

mnestischer Subsysteme (phonologischer Speicher, Auffrischung).<br />

Zweitens könnte das Problem der Lerner in der Akquisition von Regeln bzw. im Fehlen<br />

bestimmter kristalliner heuristischer Strukturen bestehen. In Abschnitt 3.5.3 war auf die<br />

Bedeutung des Sparsamkeitsprinzips hingewiesen worden. Eine Simulationsstudie<br />

(DEHAENE & CHANGEUX, 1991) hatte gezeigt, dass sich die Konstruktion zusätzlicher<br />

idiosynkratischer Regeln äußerst ungünstig auf die WCST-Performanz auswirken kann.


312<br />

Diskussion<br />

In diese Richtung weist auch die erstmalige Verbindung des clusteranalytisch untersuchten<br />

Modells von GREVE, LOVE, SHERWIN, MATHIAS, RAMZINSKI et al. (2002) mit dem WCSTdyn:<br />

Lerner begehen im Prätest trotz ihrer im Vergleich zu Nichtlernern höheren Gesamtsortierleistung<br />

signifikant mehr nonperseverative Fehler. Diese wurden teilweise als Ausdruck<br />

notwendigen Explorationsverhaltens gewertet (BARCELÓ & KNIGHT, 2002), d. h. Lerner<br />

begehen mehr Fehler, weil sie häufiger neue, falsche Regeln ausprobieren. Selbstverständlich<br />

mag dies auch bei Lernern auf eine abgeschwächte Wirkung korrektiven Feedbacks<br />

oder begrenzte attentional-mnestische Ressourcen zurückzuführen sein. Dennoch liegt der<br />

Verdacht nahe, dass zumindest einige Lerner übermäßig komplexe Regeln vermuten statt<br />

Identitätsklassifikationen zu bevorzugen. Entsprechend besteht die Möglichkeit, dass auch<br />

»perseverative« Prätest-Fehler in der Lerner-Gruppe kein exekutives Defizit, sondern<br />

andere Faktoren erfassen (z. B. Rückversicherung, Hilflosigkeit, Frustration, Regel-<br />

Idiosynkrasien).<br />

Wie ließe sich nun die künftige Erforschung der neuro- <strong>und</strong> metakognitiven Gr<strong>und</strong>lagen<br />

des WCSTdyn <strong>und</strong> ihrer potentiellen differentiellen Beeinträchtigungen bei Lernern <strong>und</strong><br />

Nichtlernern strategisch gestalten? Hierzu können einige allgemein gehaltene Empfehlungen<br />

abgegeben werden:<br />

Erstens sollten Studien verstärkt prozessreinere Tests einbeziehen, d. h. solche, die eine<br />

höhere Konstruktvalidität bei der Erfassung der mutmaßlich beteiligten Prozesse aufweisen<br />

als WCST-Fehlervariablen. Prozessreinere Tests lassen sich umfangreichen neuropsychologischen<br />

Testbatterien (z. B. der Cambridge Neuropsychological Test Automated Battery,<br />

CANTAB) sowie den Vorschlägen der CNTRICS entnehmen (BARCH, BERMAN et al.,<br />

2009; BARCH, BRAVER et al., 2009).<br />

Um die Fähigkeit zur Abstraktion <strong>und</strong> zur Identifikation einfacher Regeln zu erfassen,<br />

bietet sich der Intradimensional-Extradimensional-Subtest (IED) der CANTAB-Batterie<br />

an, der bereits von JAZBEC et al. (2006) zusammen mit dem WCST eingesetzt wurde<br />

(s. Abschnitt 3.5.1). In Weiterführung dieses Bef<strong>und</strong>s könnte die Hypothese geprüft<br />

werden, dass die Leistung in frühen CANTAB-Testabschnitten (Reizdiskrimination,<br />

intradimensionale Shifts) stärker mit dem Prätest, die eher exekutive Fähigkeit zu den<br />

später erforderlichen extradimensionalen Shifts stärker mit dem Posttest zusammenhängt.<br />

Varianten der klassischen Stroop-Aufgabe lassen sich verwenden, um die durch den<br />

dorsolateralen präfrontalen Kortex (DLPFC) vermittelte Aufrechterhaltung <strong>und</strong> Nutzung<br />

von Regel-Repräsentationen zu testen (sog. Switching-Stroop, bei dem die Regel [Wort vs.<br />

Farbe] vor jedem Trial angekündigt <strong>und</strong> häufig gewechselt wird). Zusätzlich könnte der<br />

Konflikt-<strong>und</strong>-Fehler-Adaptions-Stroop zur Erfassung der u. a. durch das anteriore Cingulum<br />

(ACC) vermittelten <strong>dynamisch</strong>e Anpassung der Kontrolle eingesetzt werden, die bei<br />

Nichtlernern beeinträchtigt zu sein scheint. Von Interesse ist hier, ob eine Erhöhung der<br />

Reaktionsgeschwindigkeit nach inkongruenten Trials stattfindet (Konflikt-Adaptation).<br />

Und schließlich wäre es erhellend, Kapazität <strong>und</strong> Interferenzkontrolle des Arbeitsgedächtnisses<br />

über eine Spannen-Aufgabe abzuschätzen (d. h. gleichzeitiges Memorieren<br />

von Material <strong>und</strong> Ausführung mentaler Operationen). Hier hatten MORICE <strong>und</strong> DELAHUNTY<br />

(1996) bereits eine hohe Korrelation mit dem statischen WCST gef<strong>und</strong>en. Aufgr<strong>und</strong> der<br />

Ergebnisse von WIEDL et al. (2004) <strong>und</strong> OHRMANN et al. (2008) kann erwartet werden, dass<br />

prozessreinere Tests der beiden letztgenannten Bereiche (<strong>dynamisch</strong>e Anpassung der<br />

Kontrolle, Interferenzkontrolle) höher mit dem Post- als mit dem Prätest korrelieren.<br />

Während bereits einige Paradigmen zur Erfassung neurokognitiver Subfunktionen zur<br />

Verfügung stehen, würde sich die validere Operationalisierung der weiteren diskutierten


313<br />

Diskussion<br />

Funktionsbereiche (schnelles Trial-by-trial-Lernen durch positive Verstärkung; Einsatz<br />

angemessener Problemlöseheuristiken) schwierig gestalten. Generell erscheint hier erstens<br />

der Einsatz von Tests affektiv-motivationaler Einflüsse auf die Entscheidungsbildung<br />

lohnenswert (z. B. Verlustaversion: TRÉMEAU et al., 2008; Iowa Gambling Task: YIP et al.,<br />

2009), zweitens die Nutzung einfacher computerbasierter Problemlöseaufgaben, um den<br />

spezifischen Problemen der Lerner auf den Gr<strong>und</strong> zu gehen.<br />

Gerade dieser zweite Punkt dürfte sich schwierig gestalten, da praktisch alle Problemlöseaufgaben<br />

die Intaktheit der neurokognitiven Ebene voraussetzen (z. B. Turm von<br />

Hanoi: vgl. NUECHTERLEIN et al., 2004). Ein mögliches Vorgehen illustriert der MicroDYN-<br />

Ansatz von FUNKE (in Druck), mit dem mentale Modelle kausaler Beziehungen zwischen<br />

exogenen <strong>und</strong> endogenen Variablen erhoben werden können, nachdem der Proband ein<br />

System (z. B. Chemielabor) exploriert hat. Über Variationen derartiger Prozeduren zur<br />

katalytischen Kompensation von Arbeitsgedächtnisdefiziten kann nachgedacht werden.<br />

Zweitens sollten künftige Studien weitere systematische, theoriegeleitete Variationen<br />

sowohl mit dem statischen als auch mit dem <strong>dynamisch</strong>en Wisconsin Card Sorting Test<br />

vornehmen. Hier kann das konzeptuelle Schema zur Analyse der Testperformanz von<br />

CARLSON <strong>und</strong> WIEDL (2000) helfen, das Vorgehen zu strukturieren:<br />

Auf der Ebene der Aufgabencharakteristika könnte das Stimulusmaterial des WCST in<br />

einer Weise modifiziert werden, die den Anteil des benötigten linguistisch-konzeptuellen<br />

Wissens variiert. Hier ist als Beispiel der rezente Bef<strong>und</strong> von KANTROWITZ et al. (2009) mit<br />

dem Rockland Face Sorting Test (RFST) zu nennen – schon die Substitution der abstrakten<br />

WCST-Formen durch lächelnde Gesichter (Sortierung nach Geschlecht, Alter, Haarfarbe)<br />

hatte die Leistung erhöht. Eine Variante, die das linguistische Wissen hingegen stark<br />

fordert, war von DELIS et al. (1992) als California Card Sorting Test (CCST) eingeführt<br />

worden, bei dem Wort-Karten nach semantischen Kategorien sortiert werden müssen.<br />

Auf der Ebene der personalen Faktoren, auf die ja auch schon oben durch die Forderung<br />

nach prozessreineren neurokognitiven Tests abgezielt wurde, könnte auch mit Hilfe des<br />

WCST-Stimulusmaterials selbst versucht werden, Einsicht in beeinträchtigte Strukturen<br />

<strong>und</strong> Prozesse zu nehmen. In diese Richtung geht z. B. die Arbeit von CINAN <strong>und</strong> TANÖR<br />

(2002), die versucht haben, durch eindimensionale Zielkarten <strong>und</strong> Sortier-Urnen alle<br />

irrelevanten Stimuli aus der Testsituation herauszunehmen. Eine inkrementelle stimulusformende<br />

Vorgehensweise wäre v. a. interessant zur Bestimmung der für Nichtlerner<br />

kritischen Charakteristika der Aufgabe <strong>und</strong> würde so Rückschlüsse auf performanzlimitierende<br />

personale Faktoren erlauben. Einschränkend muss hinzugefügt werden, dass<br />

Studie 2 gezeigt hat, dass echte Nichtlerner nach Herausnahme der Aufwärts-Grenzfälle ein<br />

seltenes Ereignis darstellen (ca. 12 %), so dass eine gezielte Rekrutierungsstrategie sich z. B.<br />

auf psychiatrische Wohneinrichtungen konzentrieren müsste.<br />

Auf der Ebene der diagnostischen Ansätze ließen sich durch Modifikationen <strong>und</strong> Erweiterungen<br />

des WCSTdyn kognitive Defizite aus prosthetischen <strong>und</strong> katalytischen Kompensationseffekten<br />

erschließen. Erstens könnte hier z. B. die ursprüngliche Strategie von<br />

GOLDBERG et al. (1987) wieder aufgenommen werden, das WCST-Training stärker in<br />

sequenziell dargebotene didaktisch instruierende <strong>und</strong> praktisch übende Module zu<br />

unterteilen [z. B. Test Training 1 Test Training 2 Test]. Zwar hatten GOLDBERG et<br />

al. (1987), wie berichtet, nur Effekte der Card-by-card-Instruktion gef<strong>und</strong>en, aber auch eine<br />

stark chronifizierte Stichprobe betrachtet. Möglicherweise würden in einer (für die<br />

Patientenpopulation im Akutbereich) repräsentativeren Stichprobe »kristalline« Lerner<br />

gef<strong>und</strong>en, die bereits von der Explikation von Stimulusdimensionen, Kategorienwechseln<br />

<strong>und</strong> Strategie deutlich profitieren würden, während andere, »fluide« Lerner zusätzliche


314<br />

Diskussion<br />

Sortierübungen benötigen. Eine Ergänzung durch qualitative Interviews nach der<br />

Darbietung des statischen WCSTs könnte zusätzlich helfen, Hypothesen über die a priori<br />

bestehenden Heuristiken von Lernern zu gewinnen.<br />

Zweitens könnte der WCSTdyn durch weitere <strong>dynamisch</strong>e Komponenten jenseits der<br />

didaktischen Elemente angereichert werden (s. Abschnitt 3.9.3). Als Beispiel sei der Bef<strong>und</strong><br />

von STRATTA et al. (1997) genannt, die gef<strong>und</strong>en hatten, dass zwar die Hälfte ihrer Probanden<br />

mit Schizophrenie von einer einfachen Verbalisierungsinstruktion profitierte (prosthetische<br />

oder katalytische Kompensation), sich jedoch ein Viertel hierdurch im Vergleich zur<br />

Baseline verschlechterte (Inhibition). Hier könnte vorhergesagt werden, dass sich STRATTAs<br />

Verbesserer durch ein anschließendes didaktisches Training weiter verbessern würden<br />

(d. h. Lerner sind), weil die Verbalisierung bei ihnen eine konzeptgeleitete Verarbeitung des<br />

Materials (Metakognition) anregt <strong>und</strong>/oder diskrete Defizite mnestischer Subsysteme<br />

kompensiert. Verschlechterer, die durch die Verbalisierung sogar stärker perseverierten,<br />

sollten hingegen ein zentrales Defizit der Interferenzkontrolle aufweisen <strong>und</strong> sich auch in<br />

einem anschließenden didaktischen WCST-Training als Nichtlerner erweisen.<br />

Zur Klärung der Art der Kompensation von Lerner-Defiziten wäre schließlich die Untersuchung<br />

von Generalisierungseffekten bedeutsam. Hierzu könnten weitere Tests der Kategorienbildung<br />

in WYGOTSKI-GOLDSTEIN-Tradition eingesetzt werden, etwa der schwierigere<br />

Halstead/Booklet Category Test (HCT: vgl. CHOCA, LAATSCH, WETZEL & AGRESTI, 1997).<br />

Eine deutliche Generalisierung bei Lernern könnte darauf hinweisen, dass tatsächlich ein<br />

fluide exekutive Merkmale »katalysierender« Aufbau von Heuristiken stattgef<strong>und</strong>en hat.<br />

12.2.3 Diskussion Studie 3: OSSTI <strong>und</strong> Startup-Modell<br />

Studie 3 leistet zwei Hauptbeiträge zur Erforschung der <strong>Krankheitseinsicht</strong> bei Schizophrenie:<br />

Erstens wurde die Osnabrücker Skala zu Therapieeinstellungen <strong>und</strong> Identifikation<br />

psychischer Beschwerden bei Schizophrenie (OSSTI) erstmals an Daten einer größeren<br />

Stichprobe von Patienten mit Diagnosen des Schizophrenie-Spektrums psychometrisch<br />

untersucht. Die Studie führt damit die Arbeit von KRUPA (2005) zu einem vorläufigen Ende.<br />

Zweitens wurde das Einsichtsmodell von STARTUP (1996) nach LYSAKER et al. (2003)<br />

<strong>und</strong> COOKE, PETERS, GREENWOOD et al. (2007) zum vierten Mal überprüft, allerdings mit<br />

zwei Neuerungen: Anders als STARTUP (1996) <strong>und</strong> COOKE, PETERS, GREENWOOD et al.<br />

(2007), aber wie LYSAKER et al. (2003), bediente sich Studie 3 zum zweiten Mal des<br />

Wisconsin Card Sorting Test (WCST), was angesichts seiner Verbreitung in der Erforschung<br />

der kognitiven Gr<strong>und</strong>lagen von <strong>Krankheitseinsicht</strong> <strong>und</strong> der diesbezüglichen Metaanalyse<br />

von ALEMAN et al. (2006) sinnvoll <strong>und</strong> unverzichtbar erschien. Anders als LYSAKER et al.<br />

(2003) bedient sich Studie 3 jedoch erstmals auch des <strong>dynamisch</strong>en WCST nach WIEDL<br />

(1999), dessen Validität für die Erfassung exekutiver Kontrollfunktionen <strong>und</strong> zur Vorhersage<br />

rehabilitativer Kriterien mehrfach belegt wurde (s. Abschnitt 3.9.4).<br />

Zusätzlich wurden nicht nur, wie bei LYSAKER et al. (2003), Coping-Stile erfasst, sondern<br />

erstmals auch Offenheit. Korrelationen von <strong>Krankheitseinsicht</strong> <strong>und</strong> Offenheit wurden zwar<br />

mehrfach mit gemischtem Erfolg gesucht (s. Abschnitt 6.5.14), bislang jedoch nie im<br />

Zusammenhang mit dem Modell von STARTUP (1996), das derartige Zusammenhänge nur<br />

innerhalb einer neurokognitiv intakten Teilmenge von Patienten erwarten lässt.


12.2.3.1 Diskussion der OSSTI<br />

315<br />

Diskussion<br />

Mit der OSSTI liegt erstmals für den deutschsprachigen Raum ein psychometrisch<br />

überprüfter Fragebogen zur Selbsteinschätzung der psychischen Verfassung <strong>und</strong> Behandlungsbedürftigkeit<br />

bei Schizophrenie vor. Die interne Konsistenz liegt mit α = .79 noch im<br />

guten Bereich, <strong>und</strong> er korreliert zu rOSSTI-G12 = .54 mit einer unabhängig durchgeführten<br />

Fremdbeurteilung (PANSS).<br />

Aus klinisch-praktischer Perspektive ist dies zu begrüßen, ist doch das Thema <strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

relevant für Wohlergehen, Sicherheit <strong>und</strong> Adhärenz von Patienten mit<br />

Schizophrenie-Diagnosen – in Abschnitt 6.5.8 war u. a. ein Zusammenhang mit Depressivität<br />

aufgezeigt worden. Mit seiner Kürze (10 Items) bietet er sich als ökonomisches<br />

Screening für entaktualisierte Patienten an, während seine inhaltlich vergleichsweise<br />

heterogenen Items (angelehnt an das Einsichtskonzept von AMADOR et al. [1993]) auch bei<br />

der Betrachtung des Einzelfalls therapierelevante Hinweise liefern können.<br />

Die Größe der klinisch heterogenen Analyse-Stichprobe ist dabei ausreichend für die<br />

durchgeführten Analysen (Probanden-Item-Verhältnis = 8,5). Allerdings wäre für die<br />

praktische Anwendung der OSSTI die Bereitstellung von Vergleichswerten von Referenzstichproben<br />

aus verschiedenen Bereichen des Versorgungssystems (Akutpsychiatrie,<br />

Tageskliniken, psychiatrische Wohneinrichtungen) wünschenswert, die hier nicht geleistet<br />

werden konnte.<br />

Die durchgeführten Analysen liefern aber auch Hinweise auf mutmaßliche methodologische<br />

<strong>und</strong> psychometrische Schwachpunkte der OSSTI. Diese liegen in der Evozierung sozial<br />

erwünschter Antworten (v. a. Item 5: »Ich befolge sehr genau den ärztlichen Rat«), in der<br />

starken Gewichtung der subjektiven Behandlungsnotwendigkeit (Items 1, 3, 5, 7, 8, 9, 10)<br />

bei gleichzeitiger Operationalisierung weiterer Facetten durch einzelne Items (Items 4, 6),<br />

in der Voraussetzung von Einsicht zur eindeutigen Beantwortung bestimmter Items (3, 4,<br />

6, 9: z. B. »Es gibt Frühwarnzeichen für meine psychischen Beschwerden«, Hervorh. v.<br />

Verf.) <strong>und</strong> schließlich in der Vermischung zweier Aussagen (Items 6, 8: z. B. »Ich leide an<br />

psychischen Beschwerden <strong>und</strong> lasse mich deswegen hier behandeln«). Es können entsprechend<br />

einige Empfehlungen abgeleitet werden, um – je nach Zielsetzung – die OSSTI zu<br />

verbessern oder einen neuen Einsichtsfragebogen zu konstruieren:<br />

(1.) Der Mehrdimensionalität gegenwärtiger Einsichtskonzepte (DAVID, 1990; AMADOR<br />

et al., 1993) sollte stärker Rechnung getragen werden. Obwohl sich bestimmte Dimensionen<br />

von Einsicht (z. B. Symptombewusstheit) nur schwer über ein universell einsetzbares<br />

Selbstbeurteilungsinstrument abbilden lassen, könnten zumindest die Dimensionen der<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong> <strong>und</strong> der subjektiven Behandlungsbedürftigkeit methodisch sauberer<br />

erfasst werden. Obwohl argumentiert werden kann, dass konzeptuell zwischen <strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

<strong>und</strong> Behandlungseinstellungen differenziert werden sollte, sind letztere in der<br />

Einsichtsforschung <strong>und</strong> in der klinischen Praxis zu wichtig, um nicht zumindest über eine<br />

kurze Subskala gemessen zu werden. Bei der Entwicklung sollte stärker auf die Faktorreinheit<br />

der Items geachtet, Doppel-Aussagen entsprechend vermieden werden (Orthogonalität<br />

ist allerdings weder ein realistisches noch ein theoretisch sinnvolles Ziel).<br />

Wichtig ist hierbei eine ausgewogene Anzahl der Items der Subskalen. Dies war von<br />

KRUPA (2005) zwar beabsichtigt worden, allerdings konnte die postulierte Struktur in<br />

Studie 3 empirisch nicht bestätigt werden. Adhärenz-Aussagen sind klar überrepräsentiert.<br />

Obwohl nach dem Kaiser-Kriterium zwei Komponenten extrahiert werden (Behandlungseinstellungen<br />

<strong>und</strong> <strong>Krankheitseinsicht</strong>), kann die zweite Komponente mit nur zwei Ladungen<br />

(bzw. drei unter dem Einfluss zweier Extremwerte) nicht als stabil betrachtet werden.


316<br />

Diskussion<br />

Alle anderen Extraktionskriterien empfehlen daher nur die Extraktion einer Komponente,<br />

wodurch <strong>Krankheitseinsicht</strong> kaum noch berührt würde.<br />

(2.) Die Formulierungen einiger OSSTI-Items sollten verbessert bzw. bestimmte Formulierungen<br />

vermieden werden (z. B. Item 3, »Zur Bewältigung meiner psychischen<br />

Beschwerden …«), da hier eine Beantwortung bzw. Interpretation nicht eindeutig <strong>und</strong><br />

voraussetzungsfrei erfolgen kann. Ein Fragebogen zur Einsicht muss dem Respondenten<br />

die Möglichkeit einräumen, das Expertenmodell zurückzuweisen <strong>und</strong> es dem Anwender<br />

erlauben, seine Zurückweisung als eine solche zu erkennen. Konjunktionen (»A <strong>und</strong> B<br />

treffen nicht zu«) <strong>und</strong> Kausalaussagen (»B weil A trifft nicht zu«) sind in dieser Hinsicht<br />

ungeeignet <strong>und</strong> sollten selbst dann vermieden werden, wenn ein inhaltlich heterogenes<br />

Screening konstruiert werden soll.<br />

Um diesen Punkten Rechnung zu tragen, wird der OSSTI am Osnabrücker Labor einer<br />

Revision unterzogen. In einer ersten Stichprobe von 36 Patienten mit Schizophrenie-<br />

Spektrums-Diagnosen (DUDENBOSTEL, 2009) konnte gezeigt werden, dass es gelingt, kurze,<br />

homogene Skalen (3 - 5 Items, α = .65 - .83) zu Problembewusstsein, der Bewusstheit einer<br />

psychischen Erkrankung, allgemeiner Symptombewusstheit, subjektiver Behandlungsnotwendigkeit,<br />

Vulnerabilitätsempfinden <strong>und</strong> der Bewusstheit sozialer Konsequenzen zu<br />

konstruieren.<br />

Verzichtet wurde auf eine umfassende Konstruktvalidierung der OSSTI, die zum gegenwärtigen<br />

Stand angesichts der geschilderten Kritikpunkte auch nicht angezeigt ist. Ein<br />

erster Hinweis auf die Konstruktvalidität ergibt sich aus der unabhängigen Durchführung<br />

des SAI-E-Interviews. Hier korrelierte die OSSTI, wie zu erwarten, sowohl mit Einsicht als<br />

auch – höher noch – mit der subjektiven Behandlungsnotwendigkeit (r = .61). Der<br />

Unterschied der Korrelationskoeffizienten spiegelt also auf den ersten Blick den Überhang<br />

von Adhärenz-Items wider, verfehlt allerdings knapp die statistische Signifikanz (p < .10).<br />

Was den Zusammenhang zwischen <strong>Krankheitseinsicht</strong> <strong>und</strong> fremdbeurteilter Compliance<br />

betrifft, so konnte zwar Hypothese 3.1b teilweise bestätigt werden – es besteht eine<br />

Korrelation zwischen der OSSTI <strong>und</strong> fremdbeurteilter Akzeptanz der Behandlung (SAI-E<br />

A). Unabhängig von der korrelativen Natur dieses Bef<strong>und</strong>es (Einsicht könnte auch eine<br />

Folge von besserer Medikationsadhärenz sein), fällt eine eindeutige Schlussfolgerung aus<br />

diesem Ergebnis aufgr<strong>und</strong> der vermuteten Probleme der Konstruktvalidität der OSSTI<br />

allerdings schwer: Hängt Compliance hier stärker mit Einsicht oder mit Behandlungseinstellungen<br />

zusammen? Dies kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht beantwortet<br />

werden.<br />

Insgesamt bestätigt sich aber, wie in Abschnitt 6.5.9 ausgeführt, dass <strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

kein starker Prädiktor der Compliance ist. Künftige Studien, die sich mit diesem Zusammenhang<br />

beschäftigen, sollten Einsicht in ges<strong>und</strong>heitspsychologische Prädiktionsmodelle<br />

einbetten, so dass die relativen Beiträge weiterer Indikatoren der subjektiven Utilität<br />

adhärenten Verhaltens sowie seiner Planung <strong>und</strong> Umsetzung ermittelt werden können.


12.2.3.2 Einsicht <strong>und</strong> Depressivität<br />

317<br />

Diskussion<br />

Der Effekt von MINTZ et al. (2003) konnte bestätigt werden: Einsicht <strong>und</strong> Depressivität<br />

korrelieren in der Gesamtgruppe schwach zu r = .15 (p < .01). Bereits die genannte<br />

Metaanalyse hatte eine signifikante Heterogenität der einbezogenen Effekte gef<strong>und</strong>en, die<br />

nicht durch die betrachteten soziodemographischen <strong>und</strong> klinischen Variablen erklärt<br />

werden konnte. Aus der Sichtung der Literatur (Abschnitt 6.5.8) hatten sich jedoch<br />

Hinweise ergeben, dass eine bivariate Betrachtung der Komplexität des vermuteten<br />

Zusammenhangs nicht gerecht wird, sondern weiter gezielt nach Moderations- <strong>und</strong><br />

Mediationseffekten gesucht werden sollte. So fanden MINTZ et al. (2003) einen akzentuierten<br />

Effekt für die Einsichtsdimension der Symptombewusstheit. Auch lässt sich aus<br />

quantitativen Studien zu spezifischen Krankheitskognitionen bei Schizophrenie ableiten,<br />

dass nicht das Wissen um die Identität der Erkrankung an sich, sondern Konsequenz- <strong>und</strong><br />

Chronifizierungserwartungen sowie die Verinnerlichung negativer Stereotypen (»Selbststigmatisierung«)<br />

depressogen wirken (LOBBAN et al., 2004, 2005; WATSON et al., 2006;<br />

LEWINE, 2005; WARNER et al., 1989).<br />

Es wurde daher angenommen, dass Positivsymptomatik eine entscheidende Rolle als<br />

Moderatorvariable zukommt, da sie die Möglichkeit zur Symptombewusstheit eröffnet <strong>und</strong><br />

die genannten »toxischen« Krankheitskognitionen fördert. Zum ersten Mal wurde daher an<br />

einer hinreichend großen Stichprobe (N = 210) zunächst eine explorative Clusteranalyse<br />

anhand von Einsicht <strong>und</strong> Depressivität <strong>und</strong> anschließend eine Regressionsanalyse mit<br />

entsprechendem Interaktionsterm berechnet, um das Zusammenspiel von Einsicht <strong>und</strong><br />

Positivsymptomatik zu erhellen.<br />

Auf diese Weise konnte gezeigt werden, dass etwa ein Viertel der Stichprobe eine Konstellation<br />

aus erhöhter Positivsymptomatik, hoher Einsicht <strong>und</strong> hoher Depressivität aufwies<br />

(Cluster I). Positivsymptomatik bei gleichzeitiger Einsicht war also für einen substanziellen<br />

Teil der Stichprobe möglich, d. h. es besteht keine strenge Polarität.<br />

Ein weiteres Cluster (III), das ebenfalls ein Viertel der Fälle umfasst, zeigt zwar eine<br />

deutlich geringere negative Emotionalität (g = -2,8) <strong>und</strong> <strong>Krankheitseinsicht</strong> (g = -3,17), die<br />

Patienten dieses Clusters sind jedoch im Mittel ebenso positivsymptomatisch (g = 0,14).<br />

Dies lässt erste Zweifel an einer rein nosologischen Erklärung aufkommen, die eine<br />

Korrelation von Einsicht <strong>und</strong> Depressivität ausschließlich aus der Beimischung von Fällen<br />

eines benigner verlaufenden schizoaffektiven Prägnanztyps ableiten würde.<br />

Einsicht <strong>und</strong> ihre Interaktion mit Positivsymptomatik erklären nach Kontrolle des Geschlechts<br />

<strong>und</strong> der Positivsymptomatik etwa 10 % der Varianz der Depressivität (Gesamt-R 2<br />

= .20), was deutlich über den mittleren Effekt von MINTZ et al. (2003) hinausgeht (r = .18).<br />

Zugleich zeigt sich jedoch noch immer eine erklärungsbedürftige Residualvarianz.<br />

Die besondere klinisch-praktische Relevanz der Erkenntnis einer Akzentuierung des<br />

Zusammenhangs von <strong>Krankheitseinsicht</strong> <strong>und</strong> Depressivität in symptomatischen Stadien<br />

einer Schizophrenie-Erkrankung liegt in seinen Implikationen für den psychoedukativen<br />

<strong>und</strong> -therapeutischen Prozess mit betroffenen Patienten: Angesichts der eindeutig erhöhten<br />

Risikos dieser Gruppe für suizidale Handlungen, u. a. mediiert von Hoffnungslosigkeit (KIM<br />

et al., 2003; BOLTON et al., 2007), muss bei residualer Psychose-Symptomatik eine<br />

sorgfältige Planung <strong>und</strong> Abwägung therapeutischer <strong>und</strong> edukativer Maßnahmen mit dem<br />

Ziel einer Erhöhung von <strong>Krankheitseinsicht</strong> <strong>und</strong> eine engmaschige Überprüfung krankheits-,<br />

selbst-, <strong>und</strong> zukunftsbezogener Kognitionen erfolgen.<br />

Aus dem Bef<strong>und</strong> ergeben sich offene Fragen, die künftige Forschungsanstrengungen<br />

stimulieren könnten: Um zu prüfen, ob die vielfach berichtete Kovariation von Einsicht <strong>und</strong>


318<br />

Diskussion<br />

Depressivität Ausdruck eines erhöhten Leidensdrucks ist bzw. sich ausschließlich auf<br />

Problem- <strong>und</strong> Symptombewusstheit stützt, sollten künftige Studien Zusammenhänge<br />

getrennt für Problem- <strong>und</strong> <strong>Krankheitseinsicht</strong> i. e. S. betrachten <strong>und</strong> Korrelationen mit<br />

Symptombewusstheit immer (auch) in Bezug auf die wichtigsten Einzelsymptome berichten<br />

(vgl. AMADOR et al., 1994). Hierbei muss jedoch bedacht werden, dass die Bewusstheit<br />

unterschiedlicher Symptombereiche auch unterschiedlich starken motivationalen Einflüssen<br />

unterworfen sein kann (vgl. NELSON, 1997).<br />

Um beobachter- bzw. methodenspezifische Varianz künftig stärker zu kontrollieren,<br />

sollte eine Art MTMM-Betrachtung unter Einbezug einer reliablen Selbsteinschätzung der<br />

Depressivität (z. B. BDI) <strong>und</strong> verschiedener Einsichtsdimensionen vorgenommen werden.<br />

Beide Forderungen erfüllt ansatzweise eine neuere, unveröffentlichte Arbeit der Osnabrücker<br />

Gruppe um WIEDL (DUDENBOSTEL, 2009), bei der mit einer ersten Revision der<br />

OSSTI zwar Zusammenhänge zwischen BDI <strong>und</strong> selbstberichteter Störungs-, Symptom-<br />

<strong>und</strong> Vulnerabilitätsbewusstheit gef<strong>und</strong>en wurde (rS = .46 bis .54, N = 34), jedoch kein<br />

Zusammenhang mit der Bewusstheit einer psychischen Erkrankung. Fremdbeurteilte<br />

PANSS-Depressivität korrelierte zwar mit selbstberichteter, jedoch nicht mit fremdbeurteilter<br />

Einsicht. Vermutlich aus der Aggregation verschiedener Einsichts- <strong>und</strong> Einstellungsaspekte<br />

im G12-Item, möglicherweise auch aufgr<strong>und</strong> von Messfehlern ergaben sich<br />

differentielle konvergente Validitäten bei der Erfassung von Depressivität (rBDI-PANSS = .67,<br />

p < .01) <strong>und</strong> der Bewusstheit einer psychischen Erkrankung (rOSSTI-R-G12 = .40 bei α = .81).<br />

Bereits diese wenigen eigenen Bef<strong>und</strong>e lassen die methodischen Probleme erahnen, die die<br />

Erforschung des Zusammenhangs von Einsicht <strong>und</strong> Depressivität <strong>und</strong> die Integration<br />

entsprechender Bef<strong>und</strong>e erschweren <strong>und</strong> künftig durch Multimethoden-Ansätze <strong>und</strong><br />

konstruktvalide Einsichtsskalen angegangen werden sollten.<br />

Um Krankheitsverarbeitungs- <strong>und</strong> Depressiver-Realismus-Hypothese vergleichend<br />

prüfen zu können, bedarf es längsschnittlicher Analysen der Sequenz von Einsicht <strong>und</strong><br />

Depressivität (vgl. DRAKE et al., 20004; CRUMLISH et al., 2005). Insgesamt wäre es<br />

forschungsstrategisch günstig, die Untersuchung von Fragestellungen aus diesem Bereich<br />

in komplexere Studien zur Krankheitsverarbeitung einzubetten, für die Empfehlungen<br />

weiter unten ausführlich besprochen werden.<br />

Eine Maßnahme könnte in einer Homogenisierung der Stichprobe durch eine Konzentration<br />

auf junge ersterkrankte Patienten nosologisch vergleichbarer Schizophrenie-Erkrankungen<br />

bestehen, die durch die akute Episode <strong>und</strong> den sich anschließenden Behandlungs-<br />

<strong>und</strong> Rehabilitationszeitraum hindurch verfolgt werden. Zum Einsatz sollten hierbei nicht<br />

nur Einsichtsskalen <strong>und</strong> Maße von Depressivität <strong>und</strong> Hoffnungslosigkeit kommen, sondern<br />

zusätzlich Instrumente, die Aufschluss über weitere krankheitsbezogene Kognitionen (inkl.<br />

Selbststigmatisierung) geben, die depressive Reaktionen mediieren können (z. B. LOBBAN et<br />

al., 2004, 2005).


12.2.3.3 Einsicht <strong>und</strong> <strong>Exekutivfunktionen</strong><br />

319<br />

Diskussion<br />

In ihrer rezenten Metaanalyse zum Zusammenhang zwischen kognitiven Funktionen <strong>und</strong><br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong> bei Schizophrenie hatten ALEMAN et al. (2006) einen mittleren Effekt<br />

von r = .25 (95 %-CI .14 - .36) für den Wisconsin Card Sorting Test berechnet. Studie 3 mit<br />

226 Patienten konnte dies für Einsicht <strong>und</strong> den statischen WCST-64 nicht bestätigen, dafür<br />

jedoch für den <strong>dynamisch</strong>en WCST, d. h. den Posttest (r = .18, p < .01).<br />

Gemessen am herkömmlichen Einteilungskriterium (COHEN, 1988) handelt es sich<br />

hierbei um einen schwachen Effekt. In diesem Zusammenhang sei jedoch daran erinnert,<br />

dass Einsicht in Kapitel 6 als Resultat einer Vielzahl von Einflussfaktoren beschrieben<br />

wurde, einige davon neurokognitiver, andere motivationaler <strong>und</strong> soziokultureller Natur.<br />

Eine kognitive Verursachung von Einsichtsdefiziten wurde vor dem Hintergr<strong>und</strong> des<br />

Modells von STARTUP (1996) nur für eine Subgruppe von Patienten angenommen, nämlich<br />

für die neurokognitiv beeinträchtigten Nichtlerner aus Studie 2. Tatsächlich unterscheiden<br />

sich Nichtlerner mit mittlerem Effekt von den anderen Typen (Highscorer, Lerner), die sich<br />

untereinander nicht unterscheiden. Die Ursache für den sich andeutenden Unterschied<br />

zwischen den Korrelationen von G12-Einsicht einerseits <strong>und</strong> Prä- <strong>und</strong> Posttest des<br />

WCSTdyn andererseits (p < .10) sind also jene Probanden, die vom Training profitieren.<br />

Dies wirft zwei Fragen auf: Warum haben US-amerikanische Studien eine Korrelation<br />

des statischen WCST <strong>und</strong> Einsicht gef<strong>und</strong>en (s. ALEMAN et al., 2006)? Und welche Veränderung<br />

der Konstruktvalidität ist es, die den WCSTdyn in der vorliegenden Arbeit höher<br />

mit <strong>Krankheitseinsicht</strong> zusammenhängen lässt?<br />

Zur Beantwortung der ersten Frage empfiehlt sich ein Blick auf die Stichprobencharakteristika<br />

der Studien, die einen Zusammenhang von WCST <strong>und</strong> Einsicht berichten. Hier ist<br />

auffällig, dass manche der von ALEMAN et al. (2006) berücksichtigten Studien an Stichproben<br />

von Patienten mit chronischen Verläufen durchgeführt wurden. So waren die Patienten<br />

von YOUNG et al. (1998) seit 17 (±7) Jahren krank, SMITH et al. (2000) geben zwar nicht die<br />

Erkrankungsdauer, jedoch eine mittlere Anzahl von Hospitalisierungen an, die mit 7,7<br />

(+3,5) höher <strong>und</strong> homogener ist als in Studie 3.<br />

Es besteht daher die Möglichkeit, dass aufgr<strong>und</strong> von Merkmalen des Versorgungs- oder<br />

Forschungssystems relativ mehr Nichtlerner gesammelt wurden als in Studie 3 (ca. 15 %).<br />

Dass eine Selektion von Nichtlernern möglich ist, zeigt bereits die so nicht replizierte<br />

Remediationsstudie von GOLDBERG et al. (1987). Die Möglichkeit, über die Komposition<br />

eines Samples praktisch beliebige Zusammenhänge zwischen Kognition <strong>und</strong> Einsicht<br />

herzustellen, thematisierte auch STARTUP (1996). Es muss also v. a. in kleineren Stichproben<br />

mit einer stark sampling-abhängigen Variation des Zusammenhangs von Einsicht<br />

<strong>und</strong> statischem WCST gerechnet werden, mit akzentuierten Zusammenhängen dort, wo<br />

Nichtlerner deutlich überrepräsentiert sind. Hierdurch können die Eignung des statischen<br />

WCST <strong>und</strong> der Beitrag so gemessener »exekutiver« Funktionen überschätzt werden.<br />

Mit diesen Ausführungen sei ein Appell für den Einsatz des WCSTdyn in der Einsichtsforschung<br />

verb<strong>und</strong>en, der außer einem höheren Zeitaufwand keinerlei Nachteile birgt. Zwar<br />

ließe sich so das ubiquitäre Problem der Stichprobenabhängigkeit der Ergebnisse nicht<br />

direkt lösen. Die vorgelegten Typenhäufigkeiten, die die bislang repräsentativsten Angaben<br />

zu den Verhältnissen in der Patientenpopulation darstellen dürften, sowie die zusätzlich<br />

über den Posttest gewonnene Information würden jedoch helfen, Stichproben besser<br />

einzuordnen <strong>und</strong> künftig (auch metaanalytisch) ein klareres Bild möglicher exekutiver<br />

Beiträge zur Einsichtsbildung zu zeichnen.


320<br />

Diskussion<br />

Über die Antwort auf die zweite Frage kann nur spekuliert werden: Warum sollte der<br />

<strong>dynamisch</strong>e WCST die neurokognitiven Gr<strong>und</strong>lagen von Einsicht besser erfassen als der<br />

statische? In Kapitel 3 wurde beschrieben, dass der Bearbeitung des statischen WCST<br />

mindestens fünf separierbare personale Faktoren zugr<strong>und</strong>e liegen (vgl. auch die CNTRICS-<br />

Taxonomie: KERNS et al., 2008; BARCH & SMITH, 2008). Dies sind (1.) die Fähigkeit zur<br />

Attributidentifikation <strong>und</strong> (2.) eine einfache Problemlöse-Heuristik, (3.) eine zentrale<br />

Interferenzkontrolle, (4.) ein Arbeitsgedächtnis <strong>und</strong> (5.) die Nutzung korrektiver Rückmeldung.<br />

Es kann nun mit WIEDL et al. (2004) angenommen werden, dass durch die Trainingsintervention<br />

von WIEDL (1999) eine Kompensation kristalliner Performanzfaktoren<br />

zugunsten einer unverzerrteren Abschätzung fluider Faktoren (Interferenzkontrolle,<br />

Arbeitsgedächtnis, Feedback-Nutzung) stattfindet. Der WCSTdyn wäre somit ein validerer<br />

Test exekutiver Funktionen <strong>und</strong> weniger ein Test des Problemlösens wie der statische<br />

WCST (MATRICS: Reasoning and problem solving, s. NUECHTERLEIN et al. [2004]). Eigene<br />

empirische Hinweise auf eine solche Anreicherung der Konstruktvalidität des WCSTdyn<br />

hatten sich bereits aus Studie 2 ergeben, in der u. a. gef<strong>und</strong>en worden war, dass echte<br />

WCST-Nichtlerner im Auditiv-Verbalen-Lerntest (AVLT) mit großem Effekt schlechter<br />

abschneiden als echte Lerner (g = -1,5). Beide werden vom WCST-64 nicht differenziert.<br />

Es lassen sich hier verschiedene Ansatzpunkte für ein neurokognitives Einsichtsmodell<br />

ausmachen: Ein Patient mit Schizophrenie-Diagnose muss im Prozess der Einsichtsbildung<br />

die eigenen rezenten Erlebnisse mit Referenzwerten aus der eigenen Vergangenheit oder<br />

der sozialen Umwelt vergleichen (s. KO et al., 2006). Dazu müssen relevante episodische<br />

Gedächtnisinhalte abgerufen werden (s. SARTORY et al., 2001). Korrigierendes Feedback<br />

muss eine gewisse Salienz erreichen. Verschiedene, mit dem eigenen Eindruck konkurrierende<br />

Modelle der eigenen Verfassung (von Experten, Familienmitgliedern <strong>und</strong> Bekannten,<br />

Mitpatienten) müssen verschmelzungsfrei aufrechterhalten <strong>und</strong> verglichen, Unstimmigkeiten<br />

müssen entdeckt <strong>und</strong> beurteilt werden.<br />

In Abschnitt 6.5.13.3 wurde dargestellt, dass bei der Konstruktion kohärenter Modelle<br />

<strong>und</strong> der Verarbeitung selbstreferentieller Information im Arbeitsgedächtnis dem dorsolateralen<br />

präfrontalen Kortex (DLPFC) eine besondere Bedeutung zukommt, während die Entdeckung<br />

von Verarbeitungskonflikten <strong>und</strong> die notwendige Heraufregulierung der zentralen<br />

Kontrolle u. a. vom anterioren Cingulum (ACC) vermittelt wird. Beide Bereiche konnten<br />

sowohl zu <strong>Krankheitseinsicht</strong> als auch zur WCST-Performanz in Beziehung gesetzt werden.<br />

Insbesondere die Rolle des Konfliktdetektors ACC für das Lernpotenzial im WCSTdyn<br />

konnte kürzlich von OHRMANN et al. (2008) mit Hilfe der Magnetresonanzspektroskopie<br />

( 1 H-MRS) nachgewiesen werden. Eine Replikation dieses Bef<strong>und</strong>es <strong>und</strong> eine Erweiterung<br />

derartiger Arbeiten um mehrdimensionale Einsichtsmaße wären wünschenswert. So wäre<br />

z. B. der Versuch einer längsschnittlichen Prädiktion der Einsichtsentwicklung ersterkrankter<br />

Patienten aus der N-Acetyl-Aspartat (NAA)-Konzentration in DLPFC <strong>und</strong> ACC<br />

während der WCSTdyn-Bearbeitung hoch interessant.<br />

Die weiteren Empfehlungen für künftige Fragestellungen lehnen sich unmittelbar an die<br />

Empfehlungen an, die in der Diskussion von Studie 2 zur Klärung der neurokognitiven<br />

Leistungskomponenten des WCSTdyn gegeben wurden: Wenn nach OHRMANN et al. (2008)<br />

eine besondere Bedeutung der Regulation der exekutiven Kontrolle durch den ACC<br />

postuliert wird, bietet es sich an, zusätzlich prozessreinere Tests dieses neurokognitiven<br />

Funktionsmerkmals einzubeziehen (z. B. Konflikt-<strong>und</strong>-Fehler-Adaptions-Stroop: BARCH et<br />

al., 2009). Zusätzlich ist es vor dem Hintergr<strong>und</strong> der Bef<strong>und</strong>e von DRAKE <strong>und</strong> LEWIS<br />

(2003), LYSAKER et al. (2006), RAFFARD et al. (2009) <strong>und</strong> RITSNER <strong>und</strong><br />

BLUMENKRANTZ (2007) empfehlenswert, die Fähigkeiten zur Interferenzkontrolle im


321<br />

Diskussion<br />

Arbeitsgedächtnis (z. B. Operation-span-Aufgabe: BARCH, BERMAN et al., 2009) <strong>und</strong> zum<br />

Wechsel zwischen Regel-Repräsentationen (z. B. Switching-Stroop) in Beziehung zur<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong> zu setzen. Problematisiert werden muss allerdings die oftmals ungesicherte<br />

Zuverlässigkeit computerbasierter Labormaßen kognitiver Einzelfähigkeiten.<br />

Zugleich sollten die verschiedenen Dimensionen von Einsicht im Hinblick auf eine<br />

differentielle neurokognitive Verursachung von Defiziten untersucht werden. Anregungen<br />

zur diesbezüglichen Ordnung von Einsichtsvariablen lassen sich dabei der Übersicht über<br />

Faktorenanalysen in Abschnitt 6.5.5 entnehmen. Eine Vorhersage, die künftig eingehender<br />

zu prüfen wäre, lautet, dass neurokognitive Leistungsmerkmale bei jenen Einsichtsdimensionen<br />

eine besondere Rolle spielen, bei denen es primär auf die Fähigkeit zur distanzierenden<br />

Reflexion von ungewöhnlichen Erlebnissen <strong>und</strong> Verhaltensweisen ankommt<br />

(Symptombewusstheit, Bewusstheit psychischer Probleme <strong>und</strong> ihrer sozialen Konsequenzen).<br />

Ihre Bedeutung sollte abnehmen, je stärker der Akzent auf einer Übernahme des<br />

psychiatrischen Expertenmodells liegt (z. B. Kenntnis der Diagnose).<br />

In Studie 3 konnten, passend zu dieser Vorhersage, Korrelationen von Symptombewusstheit<br />

<strong>und</strong> WCSTdyn gef<strong>und</strong>en werden, hier sind die symptomatischen Substichproben<br />

jedoch zu klein (n ≤ 47) für weitreichende Schlussfolgerungen.<br />

Erste Schritte in diese Richtung haben kürzlich LYSAKER et al. (2006), JOVANOVSKI et al.<br />

(2007) <strong>und</strong> RAFFARD et al. (2009) getan, die die SUMD <strong>und</strong> unterschiedliche neuropsychologische<br />

Testbatterien eingesetzt haben. Hier wäre noch wünschenswert, Symptombewusstheit<br />

mit zu erfassen <strong>und</strong> sich – zumindest vorübergehend – an einer gemeinsamen<br />

neurokognitiven Funktions-Taxonomie <strong>und</strong> Testbatterie zu orientieren, wie sie z. B. die<br />

CNTRICS bereitstellt.<br />

Ein letzter erklärungsbedürftiger Bef<strong>und</strong> aus diesem Bereich betrifft die Nullkorrelation<br />

der OSSTI mit dem WCSTdyn. Hier ist neben der geringeren Teststärke in der Teilstichprobe<br />

zweierlei zu bedenken: Erstens könnte die OSSTI, wie bereits diskutiert, nicht<br />

ausreichend valide für die Messung von <strong>Krankheitseinsicht</strong> im engeren Sinne sein, sondern<br />

ein zu starkes Gewicht auf Behandlungseinstellungen legen, für die ein Zusammenhang mit<br />

kognitiven Funktionen nicht konsistent belegt ist. Und zweitens könnte kein Zusammenhang<br />

von Einsicht <strong>und</strong> Neurokognition, sondern eine Urteilsverzerrung auf Seiten des<br />

Interviewers bestehen: Möglicherweise strahlt ein höheres kognitives Funktionsniveau<br />

(z. B. über die Differenziertheit der expressiven Sprache) auf die Einsichtsfremdbeurteilung<br />

ab. Dies würde auch die beobachtete Korrelation von Abstraktionsdefiziten (PANSS) mit<br />

G12 erklären, die sich ebenfalls für die OSSTI nicht eingestellt hat.<br />

Gegen diese Deutung spricht die Existenz vergleichsweise harter Beurteilungskriterien<br />

für die Stufen des PANSS-Items G12 (anders z. B. als beim AMDP-System). Auch wurde ein<br />

Zusammenhang von Selbstbeurteilungsmaßen <strong>und</strong> Perseveration von DRAKE <strong>und</strong> LEWIS<br />

(2003) berichtet. Beides schließt natürlich eine Urteilsverzerrung in Studie 3 nicht aus. Die<br />

einzige echte Lösung besteht in der vollständigen Trennung von kognitiver Testung <strong>und</strong><br />

psychopathologischer Bef<strong>und</strong>erhebung durch zwei unabhängige <strong>und</strong> hypothesenblinde<br />

Forscher, möglichst in Verbindung mit einer methodisch rigorosen inhaltsanalytischen<br />

Auswertungsprozedur zur Steigerung der Objektivität (mehrere unabhängige Beurteiler,<br />

Urteilskonferenzen).


12.2.3.4 Einsicht <strong>und</strong> Offenheit<br />

322<br />

Diskussion<br />

Es konnte ein hypothesenkonformer Zusammenhang zwischen <strong>Krankheitseinsicht</strong> <strong>und</strong><br />

Offenheit gef<strong>und</strong>en werden, dessen Effekt allerdings auf Gruppenebene gering ausfällt.<br />

Anders als der Zusammenhang von Neurokognition <strong>und</strong> Einsicht bestand dieser über die<br />

beiden unabhängig erhobenen Einsichtsmaße (d. h. Fremd- <strong>und</strong> Selbstbeurteilung) hinweg.<br />

Was lässt sich über die theoretische <strong>und</strong> klinisch-praktische Bedeutsamkeit dieses Ergebnisses<br />

sagen?<br />

In der Tradition psycho<strong>dynamisch</strong> inspirierter differentialpsychologischer Abwehrkonzepte<br />

(s. PAULHUS et al., 1997), unter ihnen Repression-Sensitization, wurde angenommen,<br />

dass die Verneinung von Fragen nach ubiquitären menschlichen Schwächen auf eine<br />

generalisierte Form der Verarbeitung selbstwertbedrohlicher Objekte schließen lässt, die<br />

geprägt ist von motivierter Selbsttäuschung, kognitiver Vermeidung <strong>und</strong>/oder positivierender<br />

Selbstdarstellung, <strong>und</strong> dass sich dieser Verarbeitungsstil bei Menschen mit Schizophrenie-Diagnosen<br />

auch auf den Umgang mit der eigenen Erkrankung erstreckt. Der vorgelegte<br />

Bef<strong>und</strong> deutet in diese Richtung.<br />

In diesem Zusammenhang sei noch einmal angemerkt, dass zwar die konvergente <strong>und</strong><br />

Kriteriumsvalidität entsprechender »Lügenskalen« als gut gesichert gelten kann (hier<br />

wurde die für Patienten mit Schizophrenie-Diagnosen entwickelte ESI-FR-Skala verwendet),<br />

letzte Fragen zur Bewusstheit von »Leugnung« (d. h. zur Konstruktvalidität) hier<br />

jedoch nicht beantwortet werden können: Ob defensiv antwortende, als krankheitsuneinsichtig<br />

beurteilte Patienten alltägliche Normverletzungen <strong>und</strong> ihre psychische Erkrankung<br />

tatsächlich nicht reflektieren (Selbsttäuschung), ob sie Gedanken an aversive Objekte<br />

kognitiv vermeiden <strong>und</strong> der Konfrontation mit ihnen ausweichen wollen oder ob sie<br />

bewusst strategisch reagieren, um einen bestimmten Eindruck zu erzeugen (Selbstdarstellung,<br />

Fremdtäuschung) bleibt letztlich unklar. Möglicherweise handelt es sich um verschiedene,<br />

äquifinale Pfade zu hohen L-Scores. Im klinischen Umgang mit Patienten dürften alle<br />

drei Varianten mit bestimmten therapeutischen Problemen einhergehen.<br />

Während erhöhte L-Werte von Patienten mit Schizophrenie-Diagnosen seit langem<br />

bekannt sind, ist diese Arbeit nach YOUNG et al. (1998), MOORE et al. (1999), SUBOTNIK et al.<br />

(2o05) <strong>und</strong> KRUCK et al. (2009) die fünfte Arbeit, die den Zusammenhang von Offenheit<br />

<strong>und</strong> <strong>Krankheitseinsicht</strong> untersucht (<strong>und</strong> dies mit N = 95 an der zweitgrößten Stichprobe),<br />

die zweite, die zugleich neurokognitive Defizite in den Blick nimmt <strong>und</strong> die erste, die dabei<br />

von einem spezifischen theoretischen Modell (STARTUP, 1996) geleitet ist.<br />

Nur drei dieser Vorläuferarbeiten haben einen Zusammenhang von Offenheit <strong>und</strong><br />

Einsicht gef<strong>und</strong>en, <strong>und</strong> nur YOUNG et al. (1998) <strong>und</strong> MOORE et al. (1999) haben ihn auch<br />

quantifiziert. Verglichen mit ihren Ergebnissen (r ≥ .35) ist der hier gef<strong>und</strong>ene Effekt eher<br />

niedrig. Dies könnte auf unterschiedliche Zusammensetzungen der Stichproben zurückgehen<br />

(vgl. STARTUP, 1996). So wurde angenommen, dass die Anteile länger erkrankter <strong>und</strong><br />

akut kranker Patienten den vermuteten Zusammenhang abschwächen. Deutliche Unterschiede<br />

zu den Stichproben von YOUNG et al. (1998) <strong>und</strong> MOORE et al. (1999) sind allerdings<br />

nicht auszumachen.<br />

Der vorgelegte Bef<strong>und</strong> erweitert also das theoretische Verständnis von <strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

bei Schizophrenie: Erneut konnte ein statistisch signifikanter Zusammenhang<br />

gef<strong>und</strong>en werden, der die Annahme bestätigt, dass neben kognitiven auch motivationale<br />

Personenmerkmale Einsicht bei Schizophrenie determinieren (vgl. bereits MAYER-GROSS,<br />

1920). Angesichts des gegenwärtig die Schizophrenieforschung dominierenden biopsychiatrischen<br />

Paradigmas, aus dem heraus Defizite der <strong>Krankheitseinsicht</strong> ausschließlich analog


323<br />

Diskussion<br />

zur hirnorganisch verursachten Anosognosie gedeutet werden (MCGLYNN & SCHACTER,<br />

1989, 1997), ist dies keineswegs trivial.<br />

Dies leitet über zum nächsten Gesichtspunkt: Der Beitrag von Defensivität zur Erklärung<br />

von Uneinsichtigkeit ist auf Gruppenebene zweifellos gering. Unabhängig von den<br />

Implikationen für die therapeutisch-bedingungsanalytische Betrachtung des Einzelfalls<br />

wäre es jedoch aus einer biopsychiatrischen Perspektive heraus voreilig, dieses Ergebnis<br />

aufgr<strong>und</strong> geringer Varianzaufklärung als inhaltlich insignifikant zu verwerfen. Hier nämlich<br />

sieht die Bef<strong>und</strong>lage quantitativ durchaus vergleichbar aus: Die Metaanalyse von ALEMAN<br />

et al. (2006), die einen Zusammenhang von Kognition <strong>und</strong> Einsicht belegte, wartete mit<br />

einem mittleren Effekt von r = .23 (95 %-CI: .15 - .30) auf. Der Unterschied zwischen der<br />

empirischen F<strong>und</strong>ierung von Anosognosie- <strong>und</strong> Leugnungs-Modell besteht also derzeit vor<br />

allem in der statistischen Konfidenz. Auf beiden Seiten können aufgr<strong>und</strong> der meist nicht<br />

vermeidbaren nicht-experimentellen Untersuchungen Tertium-quid-Probleme nicht ausgeschlossen<br />

werden.<br />

Es können einige allgemeine Empfehlungen für die künftige Forschung abgegeben<br />

werden: Erstens würden weitere Replikationsstudien, die sich der Untersuchung von<br />

Einsicht <strong>und</strong> Defensivität verschreiben, helfen, auch hier über eine metaanalytische Integration<br />

der Ergebnisse <strong>und</strong> ggf. Moderatoranalysen Klarheit in dieser Frage herzustellen<br />

<strong>und</strong> der motivationalen Perspektive entweder wissenschaftliche Plausibilität zu verleihen<br />

oder sie zu verwerfen.<br />

Ein besonderes Augenmerk muss dabei auf die Reliabilität <strong>und</strong> inhaltliche Angemessenheit<br />

der für Patienten mit Schizophrenie-Diagnosen verwendeten Desirabilitätsskalen<br />

gelegt werden (vgl. z. B. MUSCH et al., 2002). Hier konnte in der betrachteten Stichprobe<br />

nur eine interne Konsistenz von α = .69 erreicht werden, was noch einmal geringfügig unter<br />

der von MAß (2001) berichteten liegt. Auch dies könnte eine Ursache für den im Vergleich<br />

zu YOUNG et al. (1998) <strong>und</strong> MOORE et al. (1999) geringeren Zusammenhang sein. Diese<br />

Arbeiten haben zwar keine speziell entwickelten, immerhin aber längere Offenheitsskalen<br />

verwendet.<br />

Zweitens könnten quasi-experimentelle Studien, die sich an der neueren differentialpsychologischen<br />

Repression-Forschung orientieren, helfen, die Konstruktvalidität von<br />

Desirabilitätsskalen bei Schizophrenie zu klären <strong>und</strong> weitere konvergierende Belege für die<br />

Relevanz motivationaler Faktoren zu liefern. Hier sind die Modelle von WEINBERGER et al.<br />

(1979), KROHNE (z. B. 1993) <strong>und</strong> M. EYSENCK (z. B. 1997) besonders hervorzuheben. In<br />

Kapitel 5 wurden bereits Untersuchungsanordnungen geschildert, die helfen könnten, eine<br />

kognitive Vermeidung <strong>und</strong> nicht-bedrohliche Interpretation potenziell bedrohlicher<br />

externaler <strong>und</strong> internaler Information zu operationalisieren. Im Kern ginge es darum zu<br />

prüfen, ob kognitiv intakte, asymptomatische, krankheitsuneinsichtige Repressors mit<br />

Schizophrenie-Diagnosen eine (weitere) Diskrepanz der Ergebnisse von Selbsteinschätzungen,<br />

systematischer Verhaltensbeobachtung <strong>und</strong> autonomen physiologischen Maßen zeigen<br />

(z. B. NEWTON & CONTRADA, 1992). So könnten z. B. gefilmte Teilnehmer eines therapeutischen<br />

Gruppenprogramms ihre eigene Ängstlichkeit während evozierter Redebeiträge<br />

beurteilen (s. DERAKSHAN & EYSENCK, 1997a). Kognitiv intakte Patienten mit geringer<br />

Einsicht sollten hier eine signifikante Diskrepanz zur Fremdbeurteilung desselben Materials<br />

aufweisen. Auch die im Hinblick auf Einsicht verblindete Fremdbeurteilung defensiver<br />

Verarbeitungsprozesse ist anzudenken (z. B. Defensive Control Processes: ZNOJ, 2000).<br />

Drittens sollte der Blick über den personalen Reaktionsstil hinaus auf den soziokulturellen<br />

Kontext erweitert werden, in dem die Konstruktion von Erkrankungsmodellen<br />

stattfindet. Ein bislang kaum beachteter potenzieller Einflussfaktor auf Einsicht ist die


324<br />

Diskussion<br />

verbreitete Stigmatisierung von Menschen mit Schizophrenie-Diagnosen. In Abschnitt 6.4<br />

wurde dargestellt, dass die Übernahme der Patientenrolle mit einer Verinnerlichung<br />

assoziierter negativer Stereotype einhergehen kann (LALLY, 1989; CORRIGAN & RÜSCH,<br />

2002). Eine Abgrenzung gegen die stigmatisierte Gruppe <strong>und</strong> eine Verheimlichung des<br />

Etiketts müssen als einsichtsreduzierende Krankheitsverarbeitungsformen zur Stabilisierung<br />

des Selbstwerts in Betracht gezogen werden. Hieraus leitet sich die Empfehlung ab,<br />

in die Erforschung von <strong>Krankheitseinsicht</strong> künftig ein Instrument zur Erfassung von<br />

Vorurteilen (d. h. geteilten negativen Stereotypen) gegenüber Menschen mit psychischen<br />

Erkrankungen einzubeziehen. Ein solches ist z. B. die Self-Stigma of Mental Illness Scale<br />

(SSMIS: CORRIGAN, WATSON & BARR, 2006), die die Möglichkeit bietet, Stereotypen-<br />

Wahrnehmung, Vorurteile <strong>und</strong> Selbststigmatisierung separat zu erfassen. Eine weitere<br />

Vorhersage betrifft die Möglichkeit einer positiven Wirkung entstigmatisierender Interventionen<br />

auf <strong>Krankheitseinsicht</strong>, die sich sogar im Rahmen einer randomisierten kontrollierten<br />

Studie überprüfen ließe.<br />

Viertens wurde dargelegt, dass nicht unbedingt davon ausgegangen werden kann, dass<br />

Offenheit auf Gruppenebene hoch mit <strong>Krankheitseinsicht</strong> korreliert, sondern dass eine<br />

Moderation des Zusammenhangs durch weitere klinische <strong>und</strong> Verlaufsmerkmale wahrscheinlich<br />

ist. Die betrachtete Stichprobe bietet aufgr<strong>und</strong> ihrer Heterogenität <strong>und</strong> Größe<br />

(n = 95) noch die Möglichkeit der Überprüfung solcher oft geringen Moderationseffekte,<br />

was positiv hervorzuheben ist. Zugleich sollten die berechneten Regressionsmodelle<br />

aufgr<strong>und</strong> des Prädiktor-N-Verhältnisses mit Vorsicht betrachtet <strong>und</strong> weiter validiert<br />

werden (s. GREEN, 1991).<br />

Mit LALLY (1989) <strong>und</strong> THOMPSON et al. (2001) wurde argumentiert, dass mit einer längeren<br />

Erkrankungsdauer die Möglichkeit <strong>und</strong> Motivation zur Abwehr abnehmen sollte:<br />

Einsichtsfördernde Lerngelegenheiten nehmen zu (z. B. Therapie, Rehospitalisierungen,<br />

Erfahrungen mit positiven Medikationswirkungen, Vergleich mit Mitpatienten u. a.: vgl. KO<br />

et al., 2006), was die Ambiguität des eigenen Zustands verringert. Eine geringe Ambiguität<br />

potenziell bedrohlicher Informationen stellt aber eine ungünstige Bedingung für Abwehr<br />

dar (DERAKSHAN & EYSENCK, 1997b; JOHNSON, 1995). Im Rahmen der klinischen Sozialisation<br />

ändern sich zudem die Normen angepassten Verhaltens (z. B. durch den Einfluss von<br />

Behandlungspersonal), was einen Einfluss auf sozial erwünscht reagierende Patienten<br />

haben sollte.<br />

Aus diesen Überlegungen wurden zwei potenzielle Moderatorvariablen abgeleitet, die in<br />

multiplen Regressionsmodellen signifikant wurden. Dies sind (a) die Anzahl an stationären<br />

Aufenthalten <strong>und</strong> (b) die Positivsymptomatik, wobei für letztere erwartungsgemäß <strong>und</strong> im<br />

Widerspruch zu SUBOTNIK et al. (2005) gef<strong>und</strong>en wurde, dass Defensivität v. a. bei gering<br />

ausgeprägter Symptomatik Einsicht vorhersagt. Die Ursache könnte sowohl darin zu sehen<br />

sein, dass sich die Krankheitszuschreibung in asymptomatischen Erkrankungsphasen<br />

leichter zurückweisen lässt, als auch darin, dass ausgeprägte Symptomatik Einsicht auf<br />

anderen Wegen reduziert <strong>und</strong> den Einfluss des Verarbeitungsstils abschwächt. Analog<br />

hierzu nahm STARTUP (1996) an, dass Patienten mit ausgeprägten neurokognitiven Beeinträchtigungen<br />

keinen konsistenten Verarbeitungsstil organisieren können.<br />

Ein weiterer potenzieller Moderator, der hier nicht berücksichtigt wurde, ist das oben<br />

erörterte Stigma psychischer Erkrankung: Möglicherweise wird diese nur bei ausgeprägten<br />

Vorurteilen <strong>und</strong> der entsprechenden Gefahr der Selbststigmatisierung zu einem bedrohlichen<br />

Abwehrobjekt. Würden künftig auch Vorurteile erfasst, könnte erstmalig eine<br />

Interaktion von Stereotypen-Zustimmung <strong>und</strong> Offenheit bei der Vorhersage von Einsicht<br />

geprüft werden.


12.2.3.5 Überprüfung des Einsichtsmodells von Startup (1996)<br />

325<br />

Diskussion<br />

Zusätzlich zur Überprüfung der Korrelation von Offenheit <strong>und</strong> Einsicht auf Gruppenebene<br />

wurde das Einsichtsmodell von STARTUP (1996) überprüft, das bislang das einzige geblieben<br />

ist, das spezifische Vorhersagen über die Funktion des Zusammenhangs von Einsicht <strong>und</strong><br />

Neurokognition <strong>und</strong> über zu erwartende Patiententypen macht. Studie 3 ist damit nach<br />

LYSAKER et al. (2003) <strong>und</strong> COOKE, PETERS, GREENWOOD et al. (2007) erst die dritte Arbeit,<br />

die STARTUPs (1996) Modell <strong>und</strong> Bef<strong>und</strong> überprüft. Sie ist die erste, die dabei sowohl das<br />

vorhergesagte Regressionsmodell als auch Patienten-Typen untersucht <strong>und</strong> dafür Fremd-<br />

<strong>und</strong> Selbsteinschätzungsmaße der <strong>Krankheitseinsicht</strong>, den <strong>dynamisch</strong>en WCST zur<br />

Erfassung von <strong>Exekutivfunktionen</strong> <strong>und</strong> eine Offenheitsskala (s. o.) heranzieht.<br />

Hypothese 3.5, die sich auf die Vorhersage einer quadratischen Regression von Kognition<br />

auf Einsicht bezieht, konnte nicht bestätigt werden (die Vorhersagerichtung entgegen<br />

der postulierten Verursachungsrichtung dient lediglich der Bestimmbarkeit der Funktion).<br />

Eine wesentliche statistische Ursache besteht im Fehlen eines Seltenheitsbereichs in der<br />

Verteilung von Einsicht auf die kognitiv intakten Patienten. Zwar konnte modellkonform<br />

gef<strong>und</strong>en werden, dass Patienten mit ausgeprägten kognitiven Beeinträchtigungen im<br />

WCSTdyn relativ seltener sehr hohe <strong>und</strong> sehr niedrige Ausprägungen von <strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

aufweisen. Dies reicht aber für eine überlegene Anpassung der quadratischen<br />

Funktion nicht aus. Hierfür dürfte es nur wenige mittelmäßig einsichtige Patienten geben,<br />

was eindeutig nicht der Fall ist.<br />

Es bleibt also festzuhalten, dass neurokognitive Beeinträchtigungen <strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

zwar im Mittel leicht herabzusetzen scheinen, jedoch auch innerhalb der kognitiv leistungsfähigen<br />

Patienten das gesamte Spektrum von Einsicht inkl. mittlerer Ausprägungen anzutreffen<br />

ist. Die quadratische Regressionsfunktion ist somit zur Beschreibung des Zusammenhangs<br />

von Einsicht <strong>und</strong> Neurokognition ungeeignet. Sie führt überdies bei der<br />

Untersuchung weiterer vermuteter Einflussgrößen wie Defensivität <strong>und</strong> Coping nicht<br />

weiter. In einem zweiten Schritt wurde daher die Stichprobe auf der Gr<strong>und</strong>lage von<br />

Einsicht <strong>und</strong> <strong>Exekutivfunktionen</strong> (WCSTdyn) geclustert.<br />

Auch hier müssen reifizierende Schlussfolgerungen vermieden werden: Die Clusteranalyse<br />

liefert lediglich homogene Subgruppen einsichtiger <strong>und</strong> uneinsichtiger Patienten <strong>und</strong><br />

eröffnet so die Möglichkeit hypothesengeleiteter Vergleiche hinsichtlich weiterer, nicht zur<br />

Gruppierung herangezogener Merkmale. Der geringe Zusammenhang von Einsicht <strong>und</strong><br />

Offenheit auf Gruppenebene übersetzt sich so in einen etwas größeren Unterschied<br />

zwischen HI- <strong>und</strong> DEF-Cluster. Patienten des DEF-Clusters liegen zudem etwa eine halbe<br />

Standardabweichung unterhalb der Schizophrenie-Normstichprobe des Eppendorfer<br />

Schizophrenie-Inventars (MAß, 2001).<br />

Zumindest diese Ableitung aus STARTUP (1996) trifft also für die betrachtete Stichprobe<br />

zu: Defensivität spielt vor allem auf hohem neurokognitiven Niveau eine Rolle. Ob, wie von<br />

dem Autor angenommen, ein gewisses Funktionsniveau eine notwendige Voraussetzung<br />

der Selbsttäuschung darstellt oder andere, noch unbekannte Faktoren hierbei eine Rolle<br />

spielen, bleibt unklar.<br />

Alternativ könnte das mittlere Einsichtsniveau des KOG-Clusters in Verbindung mit der<br />

großen Varianz dieses Clusters dahingehend gedeutet werden, dass es Patienten mit<br />

ausgeprägten kognitiven Defiziten nicht gelingt, ein konsistentes Modell ihres eigenen<br />

Zustands zu konstruieren. Möglicherweise bestehen bei ihnen Krankheitskognitionen zu<br />

verschiedenen Bereichen (Identität <strong>und</strong> Symptomatik, Behandlungsbedarf, Konsequenzen)<br />

unverb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> teilweise widersprüchlich nebeneinander, sind instabil <strong>und</strong> fluktuierend,


326<br />

Diskussion<br />

leicht beeinflussbar <strong>und</strong> kaum einer effektiven Realitätsprüfung ausgesetzt – auch dies<br />

würde im Mittel zu einem leicht abgesenkten Einsichtswert führen. Künftige Studien sollten<br />

daher den Zusammenhang von Neurokognition <strong>und</strong> Konsistenz der Antworten auf<br />

Offenheits- <strong>und</strong> Einsichtsitems untersuchen.<br />

In Studie 3 wurde ausschließlich die von STARTUP (1996) <strong>und</strong> dem Elbow-Kriterium<br />

nahegelegte, zuvor bereits von LYSAKER et al. (2003) gewählte Clusterzahl betrachtet. Das<br />

DEF-Cluster umfasst einen substanziellen Teil der Stichprobe, der in den verwendeten<br />

Instrumenten keine neurokognitiven Defizite, aber eine deutlich reduzierte <strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

zeigt. Die bestehenden Unterschiede in der Positivsymptomatik erlauben keine<br />

vollständige Erklärung, zumal etwas mehr als ein Viertel des DEF-Clusters zum Zeitpunkt<br />

der Datenerhebung asymptomatisch war. Hier sollte künftig weiter der oben bereits<br />

diskutierten Möglichkeit nachgegangen werden, dass kognitiv intakte, gering krankheitseinsichtige<br />

Patienten stark symptomatisch oder asymptomatisch-defensiv sein könnten.<br />

Die Wahl weiterer, stärker partitionierender Lösungen ist durchaus denkbar, falls<br />

entsprechende theoretische Erwartungen formuliert werden können. Es ist möglich, dass<br />

eine theoretisch besser f<strong>und</strong>ierte Lösung mit der gleichzeitigen Berücksichtigung weiterer<br />

in Kapitel 6 diskutierter Variablen (z. B. Vorurteile, erkrankungsspezifisches Wissen,<br />

Positivsymptomatik) die nach STARTUP (1996) nicht vorhergesehenen Patienten psychologisch<br />

näher charakterisieren kann.<br />

Nach LYSAKER et al. (2003) wurden zum zweiten Mal auch Coping-Skalen zur Überprüfung<br />

des STARTUP-Modells eingesetzt. Da wegen der Objektgerichtetheit von Coping-Prozessen<br />

die psychische Erkrankung bei mangelnder <strong>Krankheitseinsicht</strong> nicht als Bewältigungsobjekt<br />

vorgegeben werden kann, wurde mit dem Freiburger Fragebogen zur Krankheitsverarbeitung<br />

(FKV) der Umgang mit Erkrankungen im Allgemeinen (vgl. ALDWIN, 2007) <strong>und</strong><br />

mit dem Coping-Strategien-Test (CST) die Bewältigung selbstgewählter Stressoren des<br />

täglichen Lebens erfragt. Dies entspricht einer retrospektiven Erfassung von Coping-Stilen<br />

auf unterschiedlichen Generalisierungsebenen, wobei sich Hinweise auf eine konvergente<br />

Validität der Instrumente ergaben. Gerechtfertigt wurde diese Vorgehensweise mit<br />

Bef<strong>und</strong>en, die eine moderate Stabilität speziell emotionsfokussierender Bewältigungsformen<br />

gef<strong>und</strong>en haben (FOLKMAN et al., 1986) sowie Studien, die eine höhere Stabilität der<br />

Verarbeitung bei Patienten mit Schizophrenie-Diagnosen vermuten lassen (VENTURA et al.,<br />

2002; MACDONALD et al., 1998).<br />

Es war vorhergesagt worden, dass kognitiv intakte uneinsichtige Patienten mit Erkrankungen<br />

<strong>und</strong> anderen Stressoren weniger problem- <strong>und</strong> stärker emotionszentriert <strong>und</strong><br />

distanzierend umgehen. Dies ließ sich nicht bestätigen. Die einzige Ausnahme stellte eine<br />

stärkere Suche nach sozialer Unterstützung bei krankheitseinsichtigen Patienten dar.<br />

Dieser Bef<strong>und</strong> steht zwar im Einklang mit einer sozialen Normalisierungshypothese<br />

(s. Abschnitt 6.5.15), konnte jedoch nur für die OSSTI-Cluster, nicht für die Einteilung nach<br />

dem PANSS-Item G12 gef<strong>und</strong>en werden. Hier mag die Teststärke eine Rolle spielen, da<br />

CST-Daten nur für eine kleinere Teilstichprobe erhoben werden konnten.<br />

Eine gewichtigere Ursache dürfte aber darin zu sehen sein, dass einzelne OSSTI-Items<br />

Aspekte der <strong>Krankheitseinsicht</strong> <strong>und</strong> der sozialen Bewältigung von Erkrankungen konf<strong>und</strong>ieren<br />

(v. a. »Ich berichte meinen Fre<strong>und</strong>en … von meinen psychischen Beschwerden …«;<br />

»Wenn ich in Zukunft psychische Beschwerden habe, werde ich professionelle Hilfe … in<br />

Anspruch nehmen«). Dies zeigt zweierlei: Zwar verspricht der Einsatz spezifischer, an<br />

Fragestellung <strong>und</strong> Zielgruppe angepasster Bewältigungsskalen eine höhere Validität für die<br />

Prädiktion von Einsicht. Wegen des breiten konzeptuellen Rahmens (u. a. Bewusstheit


327<br />

Diskussion<br />

sozialer Konsequenzen: AMADOR et al., 1993) droht dabei jedoch die Konvergenz auf ein<br />

theoretisches Konstrukt.<br />

Es sollen im Folgenden mögliche Ursachen für die ansonsten ausgebliebenen Zusammenhänge<br />

von Bewältigungsstilen <strong>und</strong> <strong>Krankheitseinsicht</strong> diskutiert werden. Hier ist<br />

zunächst an die innerhalb der Coping-Forschung geführte Diskussion um die Validität<br />

retrospektiver Messungen (wie im CST) zur Erfassung des Bewältigungsverhaltens in<br />

konkreten Situationen zu denken. Es konnten vielfach nur moderate Übereinstimmungen<br />

der Ergebnisse retrospektiver <strong>und</strong> zeitnaher Messungen gef<strong>und</strong>en werden (vgl. TODD,<br />

TENNEN, CARNEY, ARMELI & AFFLECK, 2004). Solche ereignisnahen Methoden umfassen<br />

Tagebücher (WIEDL & RAUH, 1994) <strong>und</strong> Techniken der wiederholten situativen »Momentaufnahme«<br />

(Ecological Momentary Assessment, EMA; Experience-Sampling, ES) mittels<br />

elektronischer Geräte, wie sie zur Abklärung der Entwicklungs- <strong>und</strong> Situationsdynamik<br />

psychotischer Symptome verwendet werden (z. B. OORSCHOT, KWAPIL, DELESPAUL &<br />

MYIN-GERMEYS, 2009). Mit einer Verzerrung der retrospektiven Selbsteinschätzung durch<br />

neuro- <strong>und</strong> metakognitive Faktoren muss gerade bei Menschen mit Schizophrenie-<br />

Diagnosen gerechnet werden (ALEMAN et al., 1999).<br />

Ebenfalls diskutiert wird die Angemessenheit einer dispositionellen Perspektive bzw. die<br />

Validität von Trait-Fragebögen (z. B. FKV) zur Vorhersage spezifischer Reaktionen auf<br />

unterschiedliche Bewältigungsobjekte: Möglicherweise war die Annahme einer hohen<br />

transsituationalen Stabilität des Bewältigungsverhaltens zu optimistisch. Um von Reaktionen<br />

auf abstrakte Stressor-Kategorien (»Krankheit«) bzw. auf individuelle, wählbare<br />

Bewältigungsobjekte (z. B. Konflikte mit Familienmitgliedern) auf die Krankheitsverarbeitung<br />

bei Schizophrenie schließen zu können, muss vorausgesetzt werden, dass Patienten<br />

mit Schizophrenie-Diagnosen eine uniforme Art des Umgangs mit Belastungen pflegen. Ist<br />

dies nicht der Fall, muss die interne Validität der gewählten Methode diskutiert werden: In<br />

Kapitel 5 wurde dargelegt, dass Schizophrenie häufig sowohl symptomzentriertes Coping<br />

als auch eine Anpassung an eine veränderte Lebenswelt notwendig macht (WIEDL &<br />

SCHÖTTNER, 1989a), also eine Fülle von Bewältigungsobjekten mit unterschiedlichen<br />

adaptiven Anforderungen <strong>und</strong> Coping-Reaktionen hervorbringt. Inter- <strong>und</strong> intrapersonelle<br />

Unterschiede sind aufgr<strong>und</strong> der verschiedenen Erscheinungs-, Ausprägungs- <strong>und</strong> Verlaufsformen<br />

der Erkrankung zu erwarten. Diese Heterogenität sollte sowohl die individuelle<br />

Konzeption der Erkrankung als Bewältigungsobjekt (d. h. die Krankheitsrepräsentation) als<br />

auch das Spektrum der Bewältigungsobjekte beeinflussen. Die Erfassung von Coping über<br />

ein globales Trait-Maß mit großem Deutungsspielraum <strong>und</strong> ein Instrument mit wählbarem<br />

Bewältigungsobjekt (FKV bzw. CST) läuft daher Gefahr, das personale <strong>und</strong> Stressor-<br />

Variabilität konf<strong>und</strong>iert sind (vgl. ALDWIN, 2007).<br />

Hiermit zusammen hängt das Problem der Intentionalität von Bewältigung, also der<br />

»Stellungnahme des Kranken zur Krankheit« (JASPERS, 1920): Zwar kann anhand der<br />

Messung nicht entschieden werden, ob ein Zustand »wirklich« uneinsichtig ist. Wo dies<br />

allerdings der Fall ist, befindet sich das Individuum (noch) nicht in einem krankheitsspezifischen<br />

Bewältigungsprozess <strong>und</strong> orientiert sich notwendigerweise an früheren Erfahrungen<br />

mit anderen Erkrankungen, die aufgr<strong>und</strong> geringerer Bedrohlichkeit oder einer hohen<br />

Coping-Variabilität möglicherweise keine defensiven Reaktionen auslösen – oder überhaupt<br />

keine Coping-Reaktion (STONE, GREENBERG, KENNEDY-MOORE & NEWMAN, 1991).<br />

Ist Einsicht hingegen gegeben, werden Respondenten häufig auf die in ihrem Leben<br />

saliente Schizophrenie-Erkrankung reagieren, auch wenn dies nicht direkt evoziert wird.<br />

Dies kann, je nach fokussiertem Erkrankungsaspekt <strong>und</strong> personalen Ressourcen, eher<br />

annähernd <strong>und</strong> problemorientiert oder vermeidend <strong>und</strong> emotionsorientiert erfolgen. Die


328<br />

Diskussion<br />

Art des aktuellen Copings muss dabei aber keineswegs mit aktueller Einsicht korrelieren,<br />

befindet sich das bewältigende Individuum doch in einem fortlaufenden Transaktionsprozess<br />

mit seiner Umwelt: Bewertungen, die den aktuellen Umgang mit Belastungen<br />

bestimmen, sind stets auch das Ergebnis vorauslaufender Bewältigungsbemühungen<br />

(LAZARUS & FOLKMAN, 1984). Diese können sich von gegenwärtigen Coping-Anstrengungen<br />

deutlich unterscheiden (z. B. aktiver gewesen sein) <strong>und</strong> werden von Einpunkt-Messungen<br />

nicht erfasst. »<strong>Krankheitseinsicht</strong>« kann also als fortlaufender Prozess der kognitiven<br />

Konstruktion spezifischer Bewältigungsgegenstände beschrieben werden, der in einer<br />

reziprok-interdependenten Beziehung zum Coping steht <strong>und</strong> qualitativ neue Bewältigungsgegenstände<br />

hervorbringen kann (vgl. MARKOVÁ & BERRIOS, 1995a), die wiederum neue,<br />

individuelle Coping-Reaktionen notwendig machen.<br />

Eine weitere Schwierigkeit liegt in der potenziellen Äquifinalität unterschiedlicher<br />

Formen von Bewältigungshandlungen (vgl. FILIPP & KLAUER, 1988). Es ist zwar durchaus<br />

denkbar, dass Coping-Anstrengungen über ein Reappraisal <strong>Krankheitseinsicht</strong> reduzieren<br />

(z. B. indem ihr Outcome als inkonsistent mit der aktuellen Krankheitsrepräsentation<br />

beurteilt wird), dies kann jedoch auf unterschiedlichen Wegen bewirkt werden. Die<br />

gewählten Instrumente stehen in einer theoretischen Tradition, die eine Entflechtung von<br />

Form <strong>und</strong> Funktion (Fokus) der Bewältigung sowie empirische Outcome-Beurteilungen<br />

anstrebt (LAZARUS & FOLKMAN, 1984). Die Funktion eines Coping-Aktes wird bei dieser<br />

deskriptiven Herangehensweise jedoch vernachlässigt, was sich in der Coping-Forschung in<br />

der notorischen Instabilität von Faktor-Strukturen niederschlägt (SKINNER et al., 2003).<br />

Und schließlich kann von einem Einfluss eines generalisierten defensiven Reaktionsstils<br />

auf die Selbsteinschätzung des Bewältigungsstils ausgegangen werden: Gerade Patienten<br />

mit geringer Offenheit sollten eben jene Formen des Copings, für die ein Zusammenhang<br />

mit <strong>Krankheitseinsicht</strong> angenommen wurde, weniger repräsentieren oder einräumen. Ein<br />

Beleg für diese Annahme ergibt sich aus Korrelationen von Offenheit (ESI-FR) mit FKV-<br />

<strong>und</strong> CST-Skalen, die ausagierende, intrapsychisch-distanzierende <strong>und</strong> ruminative Verarbeitungsformen<br />

erfassen.<br />

Die Unsicherheit bezüglich stark defensiver Probanden geht jedoch noch tiefer: Es kann<br />

nicht ausgeschlossen werden, dass gerade die Freiheitsgrade von Coping-Skalen bei der<br />

Auswahl <strong>und</strong> Interpretation von Bewältigungsgegenständen vielfältige Möglichkeiten zu<br />

Abwehr bzw. kognitiver Vermeidung persönlich brisanter Themen bieten.<br />

Schon in diesen kurzen Ausführungen zeichnet sich ab, dass kontinuierliche Modelle<br />

<strong>und</strong> Querschnittsmessungen mit Trait-Skalen nicht ausreichen könnten, um die Komplexität<br />

des Krankheitsverarbeitungsprozesses bei Schizophrenie angemessen zu erfassen. Eine<br />

Antwort auf diese theoretischen Herausforderungen könnte in der Entwicklung <strong>dynamisch</strong>er<br />

Stadienmodelle von Einsicht <strong>und</strong> Bewältigung einer Schizophrenie bestehen, die<br />

phasenspezifische Bewältigungsaufgaben <strong>und</strong> -formen sowie Phasenübergänge berücksichtigen<br />

<strong>und</strong> die jeweiligen neurokognitive Voraussetzungen spezifizieren.<br />

Die wenigen Modelle zur Entstehung von Einsicht (MARKOVÁ & BERRIOS, 1995a; KO et<br />

al., 2006; LINCOLN et al., 2007) legen nahe, dass sinnstiftende <strong>und</strong> symptomzentrierte<br />

Bewältigungsprozesse in einem frühen Stadium verortet werden sollten, während die<br />

Anpassung an eine veränderte Lebensumwelt (z. B. Bewusstheit sozialer Konsequenzen) in<br />

späteren Stadien anzusiedeln ist. Es liegen nur wenige quantitative empirische Arbeiten<br />

vor, die erste Schritte in diese Richtung gehen. Hier wäre die Studie von ROE et al. (2008)<br />

zu nennen, die durch qualitative <strong>und</strong> quantitative Methoden Subgruppen von Tagesklinik-<br />

Patienten mit verschiedenen Konfigurationen der Ausprägung auf einsichts- <strong>und</strong> copingrelevanten<br />

Variablen beschrieben. So ließen sich Patienten identifizieren, die zwar die


329<br />

Diskussion<br />

Diagnose zurückwiesen, zugleich jedoch aktiv nach einer Beschreibung <strong>und</strong> Erklärung ihres<br />

Zustands suchten.<br />

Welche Desiderata künftiger Forschung zum Zusammenhang von Krankheitsverarbeitung<br />

<strong>und</strong> -einsicht können formuliert werden? Es wurde erstens auf das Problem der funktionalen<br />

Äquivalenz unterschiedlicher Bewältigungsformen hingewiesen: Trotz der Möglichkeit,<br />

statistisch konsistente Ordnungen diskreter Coping-Akte innerhalb von Stichproben<br />

zu finden, sagen diese nichts über das Ziel der Bewältigungsbemühungen aus.<br />

An dieser Stelle findet eine dispositionelle Perspektive ihre Berechtigung: So sollten sich<br />

vergleichsweise stabile personale Merkmale ausmachen lassen, die als Antezedenzien von<br />

Bewertungs- <strong>und</strong> Bewältigungsprozessen fungieren <strong>und</strong> theoriegeleitet mit Bewältigungszielen<br />

in Verbindung gebracht werden können. Vielversprechende Kandidaten sind die<br />

bereits im Zusammenhang mit Offenheit erörterten Vorurteile gegenüber Menschen mit<br />

psychischen Erkrankungen (Stigmatisierung), aber auch allgemeine ges<strong>und</strong>heitsbezogene<br />

Kontrollüberzeugungen (DONOHOE et al., 2004), Selbstwert (COOKE, PETERS, GREENWOOD<br />

et al., 2007) <strong>und</strong> subjektive soziale Unterstützung bzw. die Bindungsrepräsentation als<br />

überdauernde Widerstandsressource (vgl. TAIT et al., 2004).<br />

Zweitens wurde auf eine mögliche Konf<strong>und</strong>ierung von personen- <strong>und</strong> situationsbezogenen<br />

Variablen hingewiesen. Während für die Überprüfung des Modells von STARTUP (1996)<br />

eine heterogene Stichprobe herangezogen wurde, um auch neurokognitiv stark beeinträchtigte<br />

Patienten zu erfassen, bietet sich hier eine Homogenisierung der Stichprobe an.<br />

Insbesondere eine Konzentration auf junge Patienten im postakuten Stadium der Erstmanifestation<br />

nosologisch vergleichbarer Schizophrenie-Erkrankungen verspricht für die Untersuchung<br />

der Einflüsse von Offenheit <strong>und</strong> Coping auf die Entwicklung von Einsicht fruchtbar<br />

zu sein. Analog zu den Empfehlungen, die bereits für die weitere Erforschung von<br />

Offenheit bzw. Repression <strong>und</strong> Einsicht gegeben wurden, bieten sich auch quasi-experimentelle<br />

Untersuchungen von Bewältigungsreaktionen mit Konstanthaltung des Stressors<br />

an, um fehlerfreie interpersonelle Variabilität herauszuarbeiten.<br />

Gerade im Zusammenhang mit einer Untersuchung von Patienten mit Erstmanifestation<br />

wäre drittens ein multimodaler Prozess-Ansatz mit längsschnittlichem Design wertvoll.<br />

Dies muss nicht den Einsatz von EMA-/ES-Techniken vorsehen, aber eine regelmäßige,<br />

höherfrequente Messung von <strong>Krankheitseinsicht</strong> <strong>und</strong> der Bewertung <strong>und</strong> Bewältigung<br />

krankheitsbezogener Stressoren erscheint angeraten, um Entwicklungsdynamiken abbilden<br />

zu können. Als weitere Informationsquellen bieten sich (a) Skalen zur Selbsteinschätzung<br />

der genannten Personenmerkmale, (b) wiederholte standardisierte Fremdbeurteilungen<br />

von Bewältigungsverhaltensweisen im klinischen Alltag durch professionelle Helfer<br />

<strong>und</strong> (c) inhaltsanalytisch ausgewertete halbstrukturierte Interviews zu verschiedenen<br />

krankheitsbezogenen Anforderungsbereichen (vgl. WIEDL & SCHÖTTNER, 1989b) an.<br />

Viertens wurde das Problem der Intentionalität krankheitsbezogener Bewältigungsanstrengungen<br />

genannt: Wie kann die Bewältigung der Erkrankung bei reduzierter Einsicht<br />

überhaupt erfasst werden? Die Auswahl <strong>und</strong> Trait-Instruktion des FKV zur Lösung dieses<br />

Problem hat sich hier nicht als zielführend erwiesen.<br />

Verarbeitungsstile könnten dennoch einen Beitrag leisten, wenn die einer allgemeinen<br />

Problem- <strong>und</strong> Erkrankungsbewusstheit nachgeordneten Aspekte der Erkrankung betrachtet<br />

werden. In Kapitel 6 wurde ausgeführt, dass zunehmend ges<strong>und</strong>heitspsychologische<br />

Theorien der Krankheitsrepräsentation auch für die Schizophrenieforschung genutzt<br />

werden (LOBBAN et al., 2003). Aus dieser Perspektive interessiert weniger die<br />

Übereinstimmung des subjektiven Erkrankungsmodells mit dem psychiatrischen


330<br />

Diskussion<br />

Expertenmodell, sondern die Ausformung spezifischer Krankheitskognitionen. Eine solche<br />

Perspektive könnte helfen, distinkte Bewältigungsobjekte aus dem Komplex »Schizophrenie«<br />

herauszulösen, die Gegenstand weiterer Messungen des Coping-Prozesses werden<br />

könnten. Erkenntnisse zu depressogenen Elementen subjektiver Krankheitsmodelle<br />

(LOBBAN et al., 2004, 2005; WATSON et al., 2006) legen nahe, dass – neben der drohenden<br />

Stigmatisierung – insbesondere die Erwartung von Chronifizierung <strong>und</strong> Rollenbelastungen<br />

wichtige Bewältigungsobjekte darstellen.<br />

Hierbei könnte eine Konzentration auf die intrapsychische Aufmerksamkeitsorientierung<br />

(z. B. Monitoring-Blunting: vgl. MILLER, 1989; LIPOWSKI, 1970) sowie auf die in der<br />

neueren Coping-Literatur diskutierte sinnstiftende Bewältigung (z. B. »meaning-making«,<br />

»benefit-finding«, »stress-related growth« oder »transformational coping«: s. ALDWIN,<br />

2007) weiterführen – beide Merkmale waren bereits von MCGLASHAN et al. (1975, 1977)<br />

dem integrativen Verarbeitungsstil zugeordnet worden. So würde das bereits von MAYER-<br />

GROSS (1920) beschriebene Ringen des Individuums um die Erhaltung der »Existenzwerte«,<br />

um Bedeutung <strong>und</strong> Integration der identitätserschütternden Erfahrung einer psychotischen<br />

Episode angemessen gewürdigt.


12.3 Schlusswort<br />

331<br />

Diskussion<br />

Die vorliegende Arbeit ging von der Annahme aus, dass die Konstruktion von Erkrankungsrepräsentationen<br />

ein zu vielschichtiger Prozess ist, um allein durch die mit Schizophrenie<br />

einhergehenden kognitiven Beeinträchtigungen erklärt werden zu können. Es wurde<br />

argumentiert, dass neben psychotischen Erkrankungsphänomenen <strong>und</strong> neurokognitiven<br />

Defiziten auch motivationale Dispositionen des betroffenen Individuums, seine Wissensstrukturen<br />

<strong>und</strong> sein soziokultureller Kontext ihren Platz in einem multifaktoriellen Modell<br />

der <strong>Krankheitseinsicht</strong> einnehmen müssen, wenn diese umfassend verstanden werden soll.<br />

Der gef<strong>und</strong>ene substanzielle Anteil kognitiv intakter, stark uneinsichtiger Patienten <strong>und</strong> der<br />

separate Beitrag, den Defensivität über Positivsymptomatik <strong>und</strong> Kognition hinaus zu deren<br />

Identifikation leistet, sollte Anlass geben, die Suche nach non-kognitiven psychischen,<br />

sozialen <strong>und</strong> kulturellen Einflüssen auf Einsicht auf die Forschungsagenda zu setzen.<br />

Diese Forderung mag zwar dem in Rehabilitation <strong>und</strong> Psychotherapie tätigen Experten,<br />

der betroffene Menschen mit ihren existenziellen Ängste, ihren Versuchen des Begreifens<br />

<strong>und</strong> Bewältigens einer Psychose-Erkrankung begleitet, nahezu trivial erscheinen. Dass sie<br />

dennoch gestellt werden muss, wird nur im Hinblick auf einen Zeitgeist verstehbar, aus<br />

dem heraus nach einer Epoche nosologischer Erklärungsversuche seit Anfang der 1990er<br />

Jahre eine weitgehende Beschränkung auf kognitive <strong>und</strong> neurobiologische Korrelate der<br />

Einsicht vorgenommen <strong>und</strong> <strong>Exekutivfunktionen</strong> bzw. präfrontalen Gehirnarealen eine<br />

besondere Bedeutung zugemessen wurde. Die Entwicklung der Forschungslandschaft folgt<br />

hier dem biopsychiatrischen Mainstream, der sich nicht nur aus der zunehmenden<br />

Verfügbarkeit immer leistungsfähigerer Untersuchungsmethoden (v. a. der funktionellen<br />

Bildgebung) speist, sondern der auch mit der »neo-kraepelinianischen Revolution« der<br />

US-Psychiatrie <strong>und</strong> ihrem expliziten Fokus auf die biologischen Aspekte psychischer<br />

Erkrankungen verb<strong>und</strong>en ist (KLERMAN, 1978; COMPTON & GUZE, 1995). Diese »kognitivneurowissenschaftliche<br />

Wende« hat das Verständnis der Schizophrenie <strong>und</strong> die Möglichkeit<br />

zur Prädiktion ihrer funktionalen Konsequenzen zweifellos immens bereichert<br />

(s. GREEN et al., 1999, 2000) – auf dem Gebiet der <strong>Krankheitseinsicht</strong> scheint sie allerdings<br />

an ihre Grenzen zu stoßen (vgl. die Metaanalyse von ALEMAN et al., 2006).<br />

Die Zeit erscheint also reif für die Entwicklung eines biopsychosozialen Modells der<br />

Einsicht, das kognitiven <strong>und</strong> motivationalen Prozessen gleichermaßen Rechnung trägt <strong>und</strong><br />

die Ableitung von Interventionen ermöglicht, die auf das Individuum zugeschneidert <strong>und</strong><br />

bewältigungsorientiert sind. Hier ist zu denken an<br />

(a) eine nachvollziehbare Erklärung <strong>und</strong> Normalisierung psychotischer Symptome auf<br />

der Gr<strong>und</strong>lage von Bef<strong>und</strong>en zur Kontinuität entsprechenden Erlebens in der Population<br />

(JOHNS & VAN OS, 2001);<br />

(b) eine Ent-schuldigung der Person durch eine Erweiterung des ätiologisch-pathogenetischen<br />

Verständnisses auf der Gr<strong>und</strong>lage des Vulnerabilitäts-Stress-Coping-Modells<br />

(vgl. aber auch CORRIGAN & WATSON, 2004; LUCHINS, 2004);<br />

(c) eine Stärkung nicht-krankheitsbezogener Anteile der Person, <strong>und</strong> damit ihres<br />

Selbstwerts <strong>und</strong> ihrer Selbstwirksamkeit, durch erlebnisorientierte Maßnahmen zur Entdeckung<br />

<strong>und</strong> Entwicklung von Ressourcen auf der Gr<strong>und</strong>lage eines umfassenderen salutogenetischen<br />

Verständnisses von Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Krankheit (s. WIEDL & KAUFFELDT, 2009);<br />

(d) gezielte Entstigmatisierung durch eine Anfechtung negativer öffentlicher Stereotype<br />

sowie ggf. auch durch die Nutzung positiver Recovery-Beispiele, v. a. bei der Arbeit im<br />

Gruppensetting (z. B. LAUVENG, 2008);


332<br />

Diskussion<br />

(e) die Verwendung einer an neurokognitive Beeinträchtigungen angepassten Didaktik,<br />

u. a. durch die Ergänzung wissensvermittelnder Vorträge durch spielerische, auf eigene<br />

Entdeckungen <strong>und</strong> Aktivation abzielende Lehrformen; <strong>und</strong><br />

(f) eine auch kultursensitive Unterstützung bei der Entwicklung funktionaler Krankheitsmodelle<br />

bei Patienten mit Migrationshintergr<strong>und</strong>.<br />

Eine letzte Anmerkung betrifft die nicht zu unterschätzende gesellschaftliche Dimension<br />

des Problems. Es wurde herausgearbeitet, dass durch die Erkrankung bedingte negative<br />

Erwartungen (Unerreichbarkeit erstrebenswerter gesellschaftlicher Rollen, soziale<br />

Degradierung <strong>und</strong> Diskriminierung) Angst, Depressivität <strong>und</strong> Hoffnungslosigkeit von<br />

Patienten prädizieren. Der Abbau motivationaler Barrieren bei der Inanspruchnahme von<br />

Behandlung (vgl. CORRIGAN & RÜSCH, 2002) <strong>und</strong> die therapeutische Entwicklung einer<br />

funktionalen <strong>Krankheitseinsicht</strong> würden zweifellos erleichtert, wenn derartigen Ängsten<br />

der Boden entzogen <strong>und</strong> geeignete gesellschaftliche Rahmenbedingungen für eine funktionale<br />

Erholung geschaffen würden, die über die symptomatische Remission hinausgeht.<br />

Angesichts der persistierenden öffentlichen Vorurteile (ANGERMEYER & DIETRICH, 2006)<br />

<strong>und</strong> der noch immer unzureichenden Möglichkeiten Betroffener zur sinnstiftenden<br />

Partizipation am Arbeitsleben (MARWAHA & JOHNSON, 2004) muss auch auf dieser Ebene<br />

weiter an der Entwicklung von »Einsicht« gearbeitet werden.


Literatur<br />

ACKERMANN, R. & DERUBEIS, R. J. (1991). Is depressive realism real? Clinical Psychology Review, 11(5), 565-584.<br />

333<br />

Literatur<br />

ADAMS, J. & SCOTT, J. (2000). Predicting medication adherence in severe mental disorders. Acta Psychiatrica<br />

Scandinavica, 101(2), 119-124.<br />

ADDINGTON, J. & ADDINGTON, D. (2002). Cognitive functioning in first-episode schizophrenia. Journal of Psychiatry &<br />

Neuroscience, 27(3), 188-192.<br />

ADDINGTON, D., ADDINGTON, J. & SCHISSEL, B. (1990). A depression rating scale for schizophrenics. Schizophrenia<br />

Research, 3(4), 247-251.<br />

ADDINGTON, J., ADDINGTON, D. & MATICKA-TYNDALE, E. (1991). Cognitive functioning and positive and negative<br />

symptoms in schizophrenia. Schizophrenia Research, 5(2), 123-134.<br />

AGRAWAL, N. & HIRSCH, S. R. (2004). Schizophrenia: evidence for conceptualising it as a brain disease. Journal of<br />

Primary Prevention, 24(4), 437-444.<br />

AJZEN, I. & MANSTEAD, A. S. R. (2007). Changing health-related behaviours: An approach based on the theory of planned<br />

behaviour. In M. HEWSTONE, H. A. W. SCHUT, J. B. F. DE WIT, K. VAN DEN BOS & M. S. STROEBE (Hrsg.), The scope of<br />

social psychology: Theory and applications (S. 43-63). New York: Psychology Press.<br />

ALEMAN, A., AGRAWAL, N., MORGAN, K. D. & DAVID, A. S. (2006). Insight in psychosis and neuropsychological function:<br />

meta-analysis. British Journal of Psychiatry, 189(3), 204-212.<br />

ALEMAN, A., HIJMAN, R., DE HAAN, E. H. F. & KAHN, R. S. (1999). Memory impairment in schizophrenia: A meta-analysis.<br />

American Journal of Psychiatry, 156(9), 1358-1366.<br />

ALLEN, D. N., GOLDSTEIN, G. & WARNICK, E. (2003). A consideration of neuropsychologically normal schizophrenia.<br />

Journal of the International Neuropsychological Society, 9(1), 56-63.<br />

ALDWIN, C. M. (2007). Stress, coping, and development: An Integrative Perspective (2. Aufl.). Guilford Press.<br />

ALEMAN, A., AGRAWAL, N., MORGAN, K. D. & DAVID, A. S. (2006). Insight in psychosis and neuropsychological function:<br />

Meta-analysis. British Journal of Psychiatry, 189(3), 204-212.<br />

ALLARDYCE, J., GAEBEL, W., ZIELASEK, J. & VAN OS, J. (2007). Deconstructing Psychosis Conference February 2006: The<br />

validity of schizophrenia and alternative approaches to the classification of psychosis. Schizophrenia Bulletin, 33(4),<br />

863-867.<br />

AMADOR, X. F. & DAVID, A. S. (Hrsg.). (2004). Insight and psychosis: Awareness of illness in schizophrenia and related<br />

disorders (2. Aufl.). New York: Oxford University Press.<br />

AMADOR, X. F., FLAUM, M., ANDREASEN, N. C., STRAUSS, D. H., YALE, S. A., CLARK, C. C. & GORMAN, J. M. (1994).<br />

Awareness of illness in schizophrenia and schizoaffective and mood disorders. Archives of General Psychiatry,<br />

51(10), 826-836.<br />

AMADOR, X. F., FRIEDMAN, J. H., KASAPIS, C., YALE, S. A., FLAUM, M. & GORMAN, J. M. (1996). Suicidal behavior in<br />

schizophrenia and its relationship to awareness of illness. American Journal of Psychiatry, 153(9), 1185-1188.<br />

AMADOR, X. F. & GORMAN, J. M. (1998). Psychopathologic domains and insight in schizophrenia. Psychiatric Clinics of<br />

North America, 21(1), 27-42.<br />

AMADOR, X. F. & PAUL-ODOUARD, R. (2000). Defending the Unabomber: Anosognosia in schizophrenia. Psychiatric<br />

Quarterly, 71(4), 363-371.<br />

AMADOR, X. F., & STRAUSS, D. H. (1990). The Scale to Assess Unawareness of Mental Disorders. New York: Columbia<br />

University and New York Psychiatric Institute.<br />

AMADOR, X. F., STRAUSS, D. H., YALE, S. A. & GORMAN, J. M. (1991). Awareness of illness in schizophrenia. Schizophrenia<br />

Bulletin, 17(1), 113-132.<br />

AMADOR, X. F., STRAUSS, D. H., YALE, S. A., FLAUM, M. M., ENDICOTT, J. & GORMAN, J. M. (1993). Assessment of insight in<br />

psychosis. American Journal of Psychiatry, 150(6), 873-879.<br />

AMDP (1979). Das AMDP-System. Manual zur Dokumentation psychiatrischer Bef<strong>und</strong>e (3. Aufl.). Berlin: Springer.<br />

AMELANG, M. & SCHMIDT-ATZERT, L. (2006). Psychologische Diagnostik <strong>und</strong> Intervention (4. Aufl.). Heidelberg:<br />

Springer Medizin.<br />

ANDERSON, S. W., DAMASIO, H., JONES, R. D. & TRANEL, D. (1991). Wisconsin Card Sorting Test performance as a measure<br />

of frontal lobe damage. Journal of Clinical and Experimental Neuropsychology, 13(6), 909-922.<br />

ANDREASEN, N. C. (1983). The Scale for the Assessment of Negative Symptoms (SANS). Iowa City, USA: University of<br />

Iowa.<br />

ANDREASEN, N. C. (1984). The Scale for the Assessment of Positive Symptoms (SAPS). Iowa City, USA: University of<br />

Iowa.<br />

ANDRES, K., SCHINDLER, F., BRENNER, H. D., GARST, F., DONZEL, G. & SCHAUB, A. (1998). Bewältigungsorientierte<br />

Gruppentherapie für Patienten mit schizophrenen oder schizoaffektiven Störungen: Eine explorative Studie.<br />

Fortschritte der Neurologie, Psychiatrie, 66(5), 225-232.<br />

ANDRÉS, P. (2003). Frontal cortex as the central executive of working memory: Time to revise our view. Cortex, 39(4-5),<br />

871-895.<br />

ANDRICH, D. & STYLES, I. (1994). Psychometric evidence of intellectual growth spurts in early adolescence. Journal of<br />

Early Adolescence, 14(3), 328-344.


334<br />

Literatur<br />

ANGERMEYER, M. C. & DIETRICH, S. (2006). Public beliefs about and attitudes towards people with mental illness: A<br />

review of population studies. Acta Psychiatrica Scandinavica, 113(3), 163-179.<br />

ANGERMEYER, M. C. & KLUSMANN, D. (1988). The causes of functional psychoses as seen by patients and their relatives: I.<br />

The patients' point of view. European Archives of Psychiatry & Neurological Sciences, 238(1), 47-54.<br />

ANONYMOUS (2007). Why having a mental illness is not like having diabetes. Schizophrenia Bulletin, 33(4), 846-847.<br />

ANTONOVSKY, A. (1990). Pathways leading to successful coping and health. In M. ROSENBAUM (Hrsg.), Learned<br />

resourcefulness: On coping skills, self-control, and adaptive behavior (S. 31-63). New York, USA: Springer.<br />

ARIETI, S. (1973). Anxiety and beyond in schizophrenia and psychotic depression. American Journal of Psychotherapy,<br />

27(3), 338-345.<br />

ARON, A. R., SHOHAMY, D., CLARK, J., MYERS, C., GLUCK, M. A. & POLDRACK, R. A. (2004). Human midbrain sensitivity to<br />

cognitive feedback and uncertainty during classification learning. Journal of Neurophysiology, 92(2), 1144-1152.<br />

ASHBY, F. G. & MADDOX, W. T. (2005). Human category learning. Annual Review of Psychology, 56, 149-178.<br />

ATKINS, D. C., BEDICS, J. D., MCGLINCHEY, J. B. & BEAUCHAINE, T. P. (2005). Assessing clinical significance: Does it<br />

matter which method we use? Journal of Consulting and Clinical Psychology, 73(5), 982-989.<br />

ATKINS, M., BURGESS, A., BOTTOMLEY, C. & RICCIO, M. (1997). Chlorpromazine equivalents: A consensus of opinion for<br />

both clinical and research applications. Psychiatric Bulletin, 21(4), 224-226.<br />

AXELROD, B. N., GOLDMAN, R. S., HEATON, R. K., CURTISS, G., THOMPSON, L. T., CHELUNE, G. J. & KAY, G. G. (1996).<br />

Discriminability of the Wisconsin Card Sorting Test using the standardization sample. Journal of Clinical and<br />

Experimental Neuropsychology, 18(3), 338-342.<br />

AXELROD, B. N., GOLDMAN, R. S. & WOODARD, J. L. (1992). Interrater reliability in scoring the Wisconsin Card Sorting<br />

Test. Clinical Neuropsychologist, 6(2), 143-155.<br />

AXELROD, B. N., JIRON, C. C. & HENRY, R. R. (1993). Performance of adults ages 20 to 90 on the abbreviated Wisconsin<br />

Card Sorting Test. Clinical Neuropsychologist, 7(2), 205-209.<br />

BABINSKI, J. (1914). Contribution à l'étude des troubles mentaux dans l'hémiplégie organique cérébrale (Anosognosie).<br />

Revue Neurologique, 27, 845-848.<br />

BACKHAUS, K., ERICHSON, B., PLINKE, W. & WEIBER, R. (2006). Multivariate Analysemethoden. Eine anwendungsorientierte<br />

Einführung (11. Aufl.). Berlin: Springer.<br />

BADDELEY, A. (2003). Working memory: Looking back and looking forward. Nature Reviews Neuroscience, 4(10), 829-<br />

839.<br />

BADRE, D. & WAGNER, A. D. (2007). Left ventrolateral prefrontal cortex and the cognitive control of memory.<br />

Neuropsychologia, 45(13), 2883-2901.<br />

BAKER, R. & HALL, J. N. (1988). REHAB: A new assessment instrument for chronic psychiatric patients. Schizophrenia<br />

Bulletin, 14(1), 97-111.<br />

BANDURA, A. (1977). Self-efficacy: Toward a unifying theory of behavioral change. Psychological Review, 84(2), 191-215.<br />

BARCELÓ, F. (2001). Does the Wisconsin Card Sorting Test measure prefrontal function? Spanish Journal of Psychology,<br />

4(1), 79-100.<br />

BARCELÓ, F. & KNIGHT, R. T. (2002). Both random and perspective errors <strong>und</strong>erlie WCST deficits in prefrontal patients.<br />

Neuropsychologia, 40(3), 349-356.<br />

BARCH, D. M., BERMAN, M. G., ENGLE, R., JONES, J. H., JONIDES, J., MACDONALD III, A., NEE, D. E., REDICK, T. S. &<br />

SPONHEIM, S. R. (2009). CNTRICS final task selection: Working memory. Schizophrenia Bulletin, 35(1), 136-152.<br />

BARCH, D. M., BRAVER, T. S., CARTER, C. S., ROBBINS, T. W. & POLDRACK, R. A. (2009). CNTRICS final task selection:<br />

Executive control. Schizophrenia Bulletin, 35(1), 115-135.<br />

BARCH, D. M. & SMITH, E. (2008). The cognitive neuroscience of working memory: Relevance to CNTRICS and<br />

schizophrenia. Biological Psychiatry, 64, 11-17.<br />

BARD, M. & DYK, R. B. (1956). The psychodynamic significance of beliefs regarding the cause of serious illness.<br />

Psychoanalytic Review, 43, 146-162.<br />

BARDE, L. H. F. & THOMPSON-SCHILL, S. L. (2002). Models of functional organization of the lateral prefrontal cortex in<br />

verbal working memory: Evidence in favor of the process model. Journal of Cognitive Neuroscience, 14(7), 1054-<br />

1063.<br />

BARKER, D. A., SHERGILL, S. S., HIGGINSON, I. & ORRELL, M. W. (1996). Patients' views towards care received from<br />

psychiatrists. British Journal of Psychiatry, 168(5), 641-646.<br />

BASSITT, D. P., NETO, M. R. L., DE CASTRO, C. C. & BUSATTO, G. F. (2007). Insight and regional brain volumes in<br />

schizophrenia. European Archives of Psychiatry and Clinical Neuroscience, 257(1), 58-62.<br />

BASSO, M. R., BORNSTEIN, R. A. & LANG, J. M. (1999). Practice effects on commonly used measures of executive function<br />

across twelve months. Clinical Neuropsychologist, 13(3), 283-292.<br />

BASSO, M. R., LOWERY, N., GHORMLEY, C., & BORNSTEIN, R. A. (2001). Practice effects on the Wisconsin Card Sorting Test<br />

– 64 card version across 12 months. Clinical Neuropsychologist, 15(4), 471-478.<br />

BAUER, A. & VOLLMANN, J. (2002). Einwilligungsfähigkeit bei psychisch Kranken: Eine Übersicht empirischer<br />

Untersuchungen. Nervenarzt, 73(10), 1031-1038.<br />

BAUER, S., LAMBERT, M. J. & NIELSEN, S. L. (2004). Clinical significance methods: A comparison of statistical techniques.<br />

Journal of Personality Assessment, 82(1), 60-70.


335<br />

Literatur<br />

BAUMEISTER, R. F., DALE, K. & SOMMER, K. L. (1998). Freudian defense mechanisms and empirical findings in modern<br />

social psychology: Reaction formation, projection, displacement, <strong>und</strong>oing, isolation, sublimation, and denial.<br />

Journal of Personality, 66(6), 1081-1124.<br />

BEAUDUCEL, A. (2001). Problems with parallel analysis in data sets with oblique simple structure. Methods of<br />

Psychological Research, 6, 141-157.<br />

BECK, A. T. (1967). Cognitive therapy and the emotional disorders. New York: Meridian.<br />

BECK, A. T. & RECTOR, N. A. (2002). Delusions: A cognitive perspective. Journal of Cognitive Psychotherapy, 16(4), 455-<br />

468.<br />

BECK, A. T. & RECTOR, N. A. (2003). A cognitive model of hallucinations. Cognitive Therapy and Research, 27(1), 19-52.<br />

BECK, A. T., BARUCH, E., BALTER, J. M., STEER, R. A. & WARMAN, D. M. (2004). A new instrument for measuring insight:<br />

the Beck Cognitive Insight Scale. Schizophrenia Research, 68(2-3), 319-329.<br />

BECK-SANDER, A. (1998). Is insight into psychosis meaningful? Journal of Mental Health, 7(1), 25-34.<br />

BELL, M. D., GREIG, T. C., KAPLAN, E. & BRYSON, G. (1997). Wisconsin Card Sorting Test dimensions in schizophrenia:<br />

Factorial, predictive, and divergent validity. Journal of Clinical and Experimental Neuropsychology, 19(6), 933-<br />

941.<br />

BELL, M. D., LYSAKER, P. H., BEAM-GOULET, J. L., MILSTEIN, R. M. & LINDENMAYER, J.-P. (1994). Five-component model<br />

of schizophrenia: Assessing the factorial invariance of the Positive and Negative Syndrome Scale. Psychiatry<br />

Research, 52(3), 295-303.<br />

BELLACK, A. S., MUESER, K. T., MORRISON, R. L., TIERNEY, A. & PODELL, K. (1990). Remediation of cognitive deficits in<br />

schizophrenia. American Journal of Psychiatry, 147(12), 650-655.<br />

BENGE, J. F., CAROSELLI, J. S. & TEMPLE, R. O. (2007). Wisconsin Card Sorting Test: Factor structure and relationship to<br />

productivity and supervision needs following severe traumatic brain injury. Brain Injury, 21(4), 395-400.<br />

BENINGER, R. J., WASSERMAN, J., ZANIBBI, K., CHARBONNEAU, D., MANGELS, J., BENINGER, B. V. (2003). Typical and<br />

atypical antipsychotic medications differentially affect two nondeclarative memory tasks in schizophrenic patients:<br />

A double dissociation. Schizophrenia Research, 61(2-3), 281-292.<br />

BENKERT, O., HIPPIUS, H., ANGHELESCU, I., DAVIDS, E., FEHR, C., GRÜNDER, G., HIEMKE, C., LANGE-ASSCHENFELDT, C.,<br />

MÜLLER, M. J. & SZEGEDI, A. (2005). Kompendium der psychiatrischen Pharmakotherapie (5. Aufl.). Heidelberg:<br />

Springer Medizin.<br />

BENTALL, R. P. (2003). Madness explained. Psychosis and human nature. London: Penguin.<br />

BENTON, A. L., & HAMSHER, K. DES. (1976). Multilingual Aphasia Examination. Manual of instruction. Iowa City:<br />

University of Iowa, Department of Neurology.<br />

BERG, E. A. (1948). A simple objective technique for measuring flexibility in thinking. Journal of General Psychology,<br />

39, 15-22.<br />

BERMAN, K. F., OSTREM, J. L., RANDOLPH, C., GOLD, J., GOLDBERG, T. E., COPPOLA, R., CARSON, R. E., HERSCOVITCH, P. &<br />

WEINBERGER, D. R. (1995). Physiological activation of a cortical network during performance of the Wisconsin Card<br />

Sorting Test: A positron emission tomography study. Neuropsychologia, 33(8), 1027-1046.<br />

BEUTEL, M. (1988). Bewältigungsprozesse bei chronischen Erkrankungen. Weinheim: VCH.<br />

BILDER, R. M., REITER, G., BATES, J., LENCZ, T., SZESZKO, P., GOLDMAN, R. S., ROBINSON, D., LIEBERMAN, J. A. & KANE, J.<br />

M. (2006). Cognitive development in schizophrenia: Follow-back from the first episode. Journal of Clinical and<br />

Experimental Neuropsychology, 28(2), 270-282.<br />

BILLINGS, A. G. & MOOS, R. H. (1981). The role of coping responses and social resources in attenuating the stress of life<br />

events. Journal of Behavioral Medicine, 4, 139-157.<br />

BIRCHWOOD, M. (2003). Pathways to emotional dysfunction in first-episode psychosis. British Journal of Psychiatry,<br />

182(5), 373-375.<br />

BIRCHWOOD, M. & CHADWICK, P. (1997). The omnipotence of voices: Testing the validity of cognitive model. Psychological<br />

Medicine, 27(6), 1345-1353.<br />

BIRCHWOOD, M., IQBAL, Z. & UPTHEGROVE, R. (2005). Psychological pathways to depression in schizophrenia: Studies in<br />

acute psychosis, post psychotic depression and auditory hallucinations. European Archives of Psychiatry and<br />

Clinical Neuroscience, 255(3), 202-212.<br />

BIRCHWOOD, M., MASON, R., MACMILLAN, F. & HEALY, J. (1993). Depression, demoralization and control over psychotic<br />

illness: A comparison of depressed and non-depressed patients with a chronic psychosis. Psychological Medicine,<br />

23(2), 387-395.<br />

BIRCHWOOD, M., SMITH, J., DRURY, V., HEALY, J., MACMILLAN, F. & SLADE, M. (1994). A self-report insight scale for<br />

psychosis: Reliability, validity and sensitivity to change. Acta Psychiatrica Scandinavica, 89(1), 62-67.<br />

BIRCHWOOD, M., TROWER, P., BRUNET, K., GILBERT, P., IQBAL, Z. & JACKSON, C. (2007). Social anxiety and the shame of<br />

psychosis: A study in first episode psychosis. Behaviour Research and Therapy, 45(5), 1025-1037.<br />

BIRD, C. M., PAPADOPOULOU, K., RICCIARDELLI, P., ROSSOR, M. N. & CIPOLOTTI, L. (2004). Monitoring cognitive changes:<br />

Psychometric properties of six cognitive tests. British Journal of Clinical Psychology, 43(2), 197-210.<br />

BISCHOF-KÖHLER, D. (1998). Zusammenhänge zwischen kognitiver, motivationaler <strong>und</strong> emotionaler Entwicklung in der<br />

frühen Kindheit <strong>und</strong> im Vorschulalter. In H. KELLER (Hrsg.), Lehrbuch Entwicklungspsychologie (S. 319-376).<br />

Bern: Huber.<br />

BLANK, J. (2009). <strong>Krankheitseinsicht</strong> <strong>und</strong> Bewältigung bei Schizophrenie. Unveröffentlichte Diplomarbeit, Universität<br />

Osnabrück.


336<br />

Literatur<br />

BLEECKER, M. L., BOLLA-WILSON, K., AGNEW, J. & MEYERS, D. A. (1988). Age-related sex differences in verbal memory.<br />

Journal of Clinical Psychology, 44(3), 403-411.<br />

BLEULER, E. (1911). Dementia praecox oder die Gruppe der Schizophrenien. In G. ASCHAFFENBURG (Hrsg.), Handbuch<br />

der Psychiatrie, Spezieller Teil, 4. Abtheilung. Leipzig: Franz Deuticke.<br />

BÖKER, W. (1999). Störungswahrnehmung <strong>und</strong> <strong>Krankheitseinsicht</strong> schizophrener Patienten. Fortschritte der<br />

Neurologie, Psychiatrie, 67(6), 237-248.<br />

BOKAT, C. E. & GOLDBERG, T. E. (2003). Letter and category fluency in schizophrenic patients: A meta-analysis.<br />

Schizophrenia Research, 64(1), 73-78.<br />

BOLLES, M. & GOLDSTEIN, K. (1938). A study of the impairment of 'abstract behavior' in schizophrenic patients.<br />

Psychiatric Quarterly, 12, 42-65.<br />

BOLTON, B. & ROESSLER, R. (1986). The Work Personality Profile: Factor scales, reliability, validity, and norms.<br />

Vocational Evaluation & Work Adjustment Bulletin, 19(4), 143-149.<br />

BOLTON, C., GOODING, P., KAPUR, N., BARROWCLOUGH, C. & TARRIER, N. (2007). Developing psychological perspectives of<br />

suicidal behaviour and risk in people with a diagnosis of schizophrenia: We know they kill themselves but do we<br />

<strong>und</strong>erstand why? Clinical Psychology Review, 27(4), 511-536.<br />

BONANNO, G. A., DAVIS, P. J., SINGER, J. L. & SCHWARTZ, G. E. (1991). The repressor personality and avoidant information<br />

processing: A dichotic listening study. Journal of Research in Personality, 25(4), 386-401.<br />

BOONE, K. B., GHAFFARIAN, S., LESSER, I. M., HILL-GUTIERREZ, E. & BERMAN, N. G. (1993). Wisconsin Card Sorting Test<br />

performance in healthy, older adults: Relationship to age, sex, education, and IQ. Journal of Clinical Psychology,<br />

49(1), 54-60.<br />

BORA, E., SEHITOGLU, G., ASLIER, M., ATABAY, I. & VEZNEDAROGLU, B. (2007). Theory of mind and unawareness of illness<br />

in schizophrenia: Is poor insight a mentalizing deficit? European Archives of Psychiatry and Clinical Neuroscience,<br />

257(2), 104-111.<br />

BORA, E., YUCEL, M. & PANTELIS, C. (2009). Theory of mind impairment in schizophrenia: Meta-analysis. Schizophrenia<br />

Research, 109(1-3), 1-9.<br />

BORTZ, J. & DÖRING, N. (1995). Forschungsmethoden <strong>und</strong> Evaluation (2. Aufl.). Berlin: Springer.<br />

BOTVINICK, M. M., BRAVER, T. S., BARCH, D. M., CARTER, C. S. & COHEN, J. D. (2001). Conflict monitoring and cognitive<br />

control. Psychological Review, 108(3), 624-652.<br />

BRÉBION, G., SMITH, M. J., GORMAN, J. M. & AMADOR, X. (1997). Discrimination accuracy and decision biases in<br />

different types of reality monitoring in schizophrenia. Journal of Nervous and Mental Disease, 185(4), 247-253.<br />

BREZNITZ, S. (1988). The seven kinds of denial. In P. B. DEFARES (Hrsg.), Stress and anxiety (Vol. 11) (S. 73-90). New<br />

York: Hemisphere/Harper & Row.<br />

BRISLIN, R.W. (2000). Back-translation. In A. E. Kazdin (Hrsg.), Encyclopedia of psychology Vol. 1 (S. 359-360). New<br />

York: Oxford University Press.<br />

BRÜNE, M. (2005). 'Theory of Mind' in schizophrenia: A review of the literature. Schizophrenia Bulletin, 31(1), 21-42.<br />

BRUGGEMANS, E. F., VAN DE VIJVER, F. J. R. & HUYSMANS, H. A. (1997). Assessment of cognitive deterioration in<br />

individual patients following cardiac surgery: Correcting for measurement error and practice effects. Journal of<br />

Clinical and Experimental Neuropsychology, 19(4), 543-559.<br />

BRYSON, G., GREIG, T., LYSAKER, P. & BELL, M. (2002). Longitudinal Wisconsin Card Sorting performance in schizophrenia<br />

patients in rehabilitation. Applied Neuropsychology, 9(4), 203-209.<br />

BUCHANAN, A. (1992). A two-year prospective study of treatment compliance in patients with schizophrenia. Psychological<br />

Medicine, 22(3), 787-797.<br />

BUCHSBAUM, B. R., GREER, S., CHANG, W.-L. & BERMAN, K. F. (2005). Meta-analysis of neuroimaging studies of the<br />

Wisconsin Card-Sorting task and component processes. Human Brain Mapping, 25(1), 35-45.<br />

BUCKLEY, P. F., HROUDA, D. R., FRIEDMAN, L., NOFFSINGER, S. G., RESNICK, P. J. & CAMLIN-SHINGLER, K. (2004). Insight<br />

and its relationship to violent behavior in patients with schizophrenia. American Journal of Psychiatry, 161(9),<br />

1712-1714.<br />

BUCKLEY, P. F., WIRSHING, D. A., BHUSHAN, P., PIERRE, J. M., RESNICK, S. A. & WIRSHING, W. C. (2007). Lack of insight in<br />

schizophrenia: Impact on treatment adherence. CNS Drugs, 21(2), 129-141.<br />

BUCKTING, J. L. (2008). Bewältigungsverhalten bei Schizophrenie: Übersetzung <strong>und</strong> Erprobung einer deutschen<br />

Version der „Coping Strategies Task“ (CST). Unveröffentlichte Diplomarbeit, Universität Osnabrück.<br />

BUDOFF, M. (1970). Learning potential: Assessing ability to reason in the educable mentally retarded. Acta Paedopsychiatrica,<br />

37(9-10), 293-309.<br />

BUDOFF, M. & FRIEDMAN, M. (1964). 'Learning potential' as an assessment approach to the adolescent mentally retarded.<br />

Journal of Consulting Psychology, 28(5), 434-439.<br />

BUDOFF, M. & PAGELL, W. (1968). Learning potential and rigidity in the adolescent mentally retarded. Journal of<br />

Abnormal Psychology, 73(5), 479-486.<br />

BÜHLER, K.-E. & PAGELS, S. (2003). Der Einfluss von Biographie, Lebensereignissen <strong>und</strong> chronischen Schwierigkeiten<br />

auf den Verlauf stationärer Therapie Depressiver. Nervenheilk<strong>und</strong>e, 22(9), 475-481.<br />

BÜHNER, M. (2006). Einführung in die Test- <strong>und</strong> Fragebogenkonstruktion (2. Aufl.). München: Pearson Studium.<br />

BURGESS, P. W. & SHALLICE, T. (1996). Bizarre responses, rule detection and frontal lobe lesions. Cortex, 32(2), 241-259.


337<br />

Literatur<br />

BURNS, J. W. (2000). Repression predicts outcome following multidisciplinary treatment of chronic pain. Health<br />

Psychology, 19(1), 75-84.<br />

BYRNE, D. (1961). The repression-sensitization scale: Rationale, reliability, and validity. Journal of Personality, 29(3),<br />

334-349.<br />

CAMPBELL, J. D. (1990). Self-esteem and clarity of the self-concept. Journal of Personality and Social Psychology, 59(3),<br />

538-549.<br />

CARLSON, J. S. & WIEDL, K. H. (1992). Principles of dynamic assessment: The application of a specific model. Learning<br />

and Individual Differences, 4(2), 153-166.<br />

CARLSON, J. S. & WIEDL, K. H. (2000). The validity of dynamic assessment. In C. LIDZ & J. G. ELLIOTT (Hrsg.), Dynamic<br />

assessment: Prevailing models and applications (S. 681-712). New York: Elsevier.<br />

CARROLL, A., FATTAH, S., CLYDE, Z., COFFEY, I., OWENS, D. G. C. & JOHNSTONE, E. C. (1999). Correlates of insight and<br />

insight change in schizophrenia. Schizophrenia Research, 35(3), 247-253.<br />

CARSKY, M., SELZER, M. A., TERKELSEN, K. G. & HURT, S. W. (1992). The PEH: A questionnaire to assess acknowledgment<br />

of psychiatric illness. Journal of Nervous and Mental Disease, 180(7), 458-464.<br />

CARVER, C. S., SCHEIER, M. F. & WEINTRAUB, J. K. (1989). Assessing coping strategies: A theoretically based approach.<br />

Journal of Personality and Social Psychology, 56(2), 267-283.<br />

CATON, C. L. M., HASIN, D. S., SHROUT, P. E., DRAKE, R. E., DOMINGUEZ, B., SAMET, S. & SCHANZER, B. (2006). Predictors<br />

of Psychosis Remission in Psychotic Disorders that Co-occur with Substance Use. Schizophrenia Bulletin, 32(4),<br />

618-625.<br />

CERNOVSKY, Z. Z., LANDMARK, J. A., MERSKEY, H. & HUSNI, M. (2004). Clinical correlates of insight in schizophrenia.<br />

Psychological Reports, 95(3), 821-827.<br />

CHAPMAN, L. J. & CHAPMAN, J. P. (1973). Problems in the measurement of cognitive deficits. Psychological Bulletin,<br />

79(6), 380-385.<br />

CHELUNE, G. J. (2003). Assessing reliable neuropsychological change. In R. D. FRANKLIN (Hrsg.), Prediction in forensic<br />

and neuropsychology: So<strong>und</strong> statistical practices (S. 123-147). Mahwah, NJ, USA: Lawrence Erlbaum.<br />

CHEN, Z. & KLAHR, D. (1978). All other things being equal: Acquisition and transfer of the Control of Variables Strategy.<br />

Child Development, 70(5), 1098-1120.<br />

CHOCA, J. P., LAATSCH, L., WETZEL, L. & AGRESTI, A. (1997). The Halstead Category Test: A fifty year perspective.<br />

Neuropsychology Review, 7(2), 61-75.<br />

CHOI, J. & KURTZ, M. M. (2009). A comparison of remediation techniques on the Wisconsin Card Sorting Test in<br />

schizophrenia. Schizophrenia Research, 107(1), 76-82.<br />

CHOI, J. & MEDALIA, A. (im Druck). Intrinsic motivation and learning in a schizophrenia spectrum sample. Schizophrenia<br />

Research.<br />

CHRISTENSEN, L. & MENDOZA, J. L. (1986). A method of assessing change in a single subject: An alteration of the RC<br />

index. Behavior Therapy, 17, 305-308.<br />

CICERONE, K. D. & TUPPER, D. E. (1986). Cognitive assessment in the neuropsychological rehabilitation of head injured<br />

adults. In B. Uzzel & J. Gross (Hrsg)., Clinical neuropsychology of intervention (S. 59-83). Boston: Nijhoff.<br />

CINAN, S. & TANÖR, Ö. Ö. (2002). An attempt to discriminate different types of executive functions in the Wisconsin<br />

Card Sorting Test. Memory, 10(4), 277-289.<br />

CIRILLO, M. A. & SEIDMAN, L. J. (2003). Verbal declarative memory dysfunction in schizophrenia: From clinical<br />

assessment to genetics and brain mechanisms. Neuropsychology Review, 13(2), 43-77.<br />

CLAFFERTY, R. A., MCCABE, E. & BROWN, K. W. (2001). Conspiracy of silence? Telling patients with schizophrenia their<br />

diagnosis. Psychiatric Bulletin, 25(9), 336-339.<br />

CLONINGER, C. R., PRZYBECK, T. R. & ŠVRAKIC, D. M. (1991). The Tridimensional Personality Questionnaire: U. S.<br />

normative data. Psychological Reports, 69(3, 1), 1047-1057.<br />

COHEN, J. (1960). A coefficient of agreement for nominal scales. Educational and Psychological Measurement, 20, 37-<br />

46.<br />

COHEN, J. (1988). Statistical power analysis for the behavioral sciences (2. Aufl.). Hillsdale, NJ, USA: Lawrence<br />

Earlbaum.<br />

COHEN, J. & COHEN, P. (1975). Applied multiple regression/ correlation analysis for the behavioral sciences. Hillsdale,<br />

NJ, USA: Erlbaum.<br />

COHEN, J. D. & SERVAN-SCHREIBER, D. (1992). Context, cortex, and dopamine: A connectionist approach to behavior and<br />

biology in schizophrenia. Psychological Review, 99(1), 45-77.<br />

COLDHAM, E. L., ADDINGTON, J. & ADDINGTON, D. (2002). Medication adherence of individuals with a first episode of<br />

psychosis. Acta Psychiatrica Scandinavica, 106(4), 286-290.<br />

COLLINS, A. A., REMINGTON, G. J., COULTER, K. & BIRKETT, K. (1997). Insight, neurocognitive function and symptom<br />

clusters in chronic schizophrenia. Schizophrenia Research, 27(1), 37-44.<br />

COMPTON, M. T., WEST, J. C. & OLFSON, M. (2006). Prolonged duration of untreated psychosis in nonaffective firstepisode<br />

psychotic disorders compared to other psychoses. International Journal of Psychiatry in Clinical Practice,<br />

10(4), 264-268.


338<br />

Literatur<br />

COMPTON, W. M. & GUZE, S. B. (1995). The neo-Kraepelinian revolution in psychiatric diagnosis. European Archives of<br />

Psychiatry and Clinical Neuroscience, 245(4-5), 196-201.<br />

CONRAD, R., SCHILLING, G., NAJJAR, D., GEISER, F., SHARIF, M. & LIEDTKE, R. (2007). Cross-cultural comparison of<br />

explanatory models of illness in schizophrenic patients in Jordan and Germany. Psychological Reports, 101(2), 531-<br />

546.<br />

CONUS, P., COTTON, S., SCHIMMELMANN, B., MCGORRY, P. D. & LAMBERT, M. (2007). The First-Episode Psychosis<br />

Outcome Study: Premorbid and baseline characteristics of an epidemiological cohort of 661 first-episode psychosis<br />

patients. Early Intervention in Psychiatry, 1(2), 191-200.<br />

COOKE, M. A., FANNON, D., KUIPERS, E., PETERS, E., WILLIAMS, S. C. & KUMARI, V. (2008). Neurological basis of poor<br />

insight in psychosis: A voxel-based MRI study. Schizophrenia Research, 103(1-3), 40-51.<br />

COOKE, M. A., PETERS, E., FANNON, D., ANILKUMAR, A. P. P., ASEN, I., KUIPERS, E. & KUMARI, V. (2007). Insight, distress<br />

and coping styles in schizophrenia. Schizophrenia Research, 94, 12-22.<br />

COOKE, M. A., PETERS, E. R., GREENWOOD, K. E., FISHER, P. L., KUMARI, V. & KUIPERS, E. (2007). Insight in psychosis:<br />

Influence of cognitive ability and self-esteem. British Journal of Psychiatry, 191(3), 234-237.<br />

COOKE, M. A., PETERS, E. R., KUIPERS, E. & KUMARI, V. (2005). Disease, deficit or denial? Models of poor insight in<br />

schizophrenia. Acta Psychiatrica Scandinavica, 112(1), 4-17.<br />

CORCORAN, R., CAHILL, C. & FRITH, C. D. (1997). The appreciation of visual jokes in people with schizophrenia: A study<br />

of 'mentalizing' ability. Schizophrenia Research, 24(3), 319-327.<br />

CORNBLATT, B. A., LENCZ, T., SMITH, C. W., CORRELL, C. U., AUTHER, A. M. & NAKAYAMA, E. (2003). The schizophrenia<br />

prodrome revisited: A neurodevelopmental perspective. Schizophrenia Bulletin, 29(4), 633-651.<br />

CORRIGAN, P. W. (2002). Adherence to anti-psychotic medications and health behavior theories. Journal of Mental<br />

Health, 11(3), 243-254.<br />

CORRIGAN, P. W. & RÜSCH, N. (2002). Mental illness stereotypes and clinical care: Do people avoid treatment because of<br />

stigma? Psychiatric Rehabilitation Skills, 6(3), 312-334.<br />

CORRIGAN, P. W. & WATSON, A. C. (2002). The paradox of self-stigma and mental illness. Clinical Psychology: Science<br />

and Practice, 9(1), 35-53.<br />

CORRIGAN, P. W. & WATSON, A. C. (2004). At Issue: Stop the Stigma: Call Mental Illness a Brain Disease. Schizophrenia<br />

Bulletin, 30(3), 477-479.<br />

CORRIGAN, P. W., WATSON, A. C. & BARR, L. (2006). The self-stigma of mental illness: Implications for self-esteem and<br />

self-efficacy. Journal of Social & Clinical Psychology, 25(8), 875-884.<br />

CORTINA, J. M. (1993). What is coefficient alpha? An examination of theory and applications. Journal of Applied<br />

Psychology, 78(1), 98-104.<br />

CRAMER, P. (1998a). Defensiveness and defense mechanisms Journal of Personality, 66(6), 879-894.<br />

CRAMER, P. (1998b). Coping and defense mechanisms: What’s the difference? Journal of Personality, 66(6), 919-946.<br />

CRAMER, P. (2000). Defense mechanisms in psychology today: Further processes for adaptation. American Psychologist,<br />

55(6), 637-646.<br />

CRONBACH, L. J. & FURBY, L. (1970). How we should measure 'change': Or should we? Psychological Bulletin, 74(1), 68-<br />

80.<br />

CRONBACH, L. J. & GLESER, G. C. (1959). Interpretation of reliability and validity coefficients: Remarks on a paper by<br />

Lord. Journal of Educational Psychology, 50(5), 230-237.<br />

CRONBACH, L. J., GLESER, G. C., NANDA, H. & RAJARATNAM, N. (1972). The dependability of behavioral measurements:<br />

Theory of generalizability of scores and profiles. New York: Wiley.<br />

CROOKES, T. G. & BUCKLEY, S. J. (1976). Lie score and insight. Irish Journal of Psychology, 3(2), 134-136.<br />

CROW, T. J. (1985). The two-syndrome concept: Origins and current status. Schizophrenia Bulletin, 11(3), 471-486.<br />

CROWNE, D. P. & MARLOWE, D. (1960). A new scale of social desirability independent of psychopathology. Journal of<br />

Consulting Psychology, 24(4), 349-354.<br />

CRUMLISH, N., WHITTY, P., KAMALI, M., CLARKE, M., BROWNE, S., MCTIGUE, O., LANE, A., KINSELLA, A., LARKIN, C. &<br />

O'CALLAGHAN, E. (2005). Early insight predicts depression and attempted suicide after 4 years in first-episode<br />

schizophrenia and schizophreniform disorder. Acta Psychiatrica Scandi-navica, 112(6), 449-455.<br />

CUESTA, M. J. & PERALTA, V. (1994). Lack of insight in schizophrenia. Schizophrenia Bulletin, 20(2), 359-366.<br />

CUESTA, M. J. & PERALTA, V. (1995). Psychopathological dimensions in schizophrenia. Schizophrenia Bulletin, 21(3),<br />

473-482.<br />

CUESTA, M. J., PERALTA, V., CARO, F. & DE LEON, J. (1995a). Schizophrenic syndrome and Wisconsin Card Sorting Test<br />

dimensions. Psychiatry Research, 58(1), 45-51.<br />

CUESTA, M. J., PERALTA, V., CARO, F. & DE LEON, J. (1995b). Is poor insight in psychotic disorders associated with poor<br />

performance on the Wisconsin Card Sorting Test? American Journal of Psychiatry, 152(9), 1380-1382.<br />

CUESTA, M. J., PERALTA, V. & ZARZUELA, A. (2000). Reappraising insight in psychosis: Multi-scale longitudinal study.<br />

British Journal of Psychiatry, 177, 233-240.<br />

CUESTA, M. J., PERALTA, V., ZARZUELA, A. & ZANDIO, M. (2006). Insight dimensions and cognitive function in psychosis:<br />

A longitudinal study. BMC Psychiatry, 6(26).<br />

CUFFEL, B. J., ALFORD, J., FISCHER, E. P. & OWEN, R. R. (1996). Awareness of illness in schizophrenia and outpatient<br />

treatment adherence. Journal of Nervous and Mental Disease, 184(11), 653-659.


339<br />

Literatur<br />

DABAN, C., AMADO, I., BOURDEL, M.-C., LOO, H., OLIÉ, J.-P., POIRIER, M.-F. & KREBS, M.-O. (2005). Cognitive<br />

dysfunctions in medicated and unmedicated patients with recent-onset schizophrenia. Journal of Psychiatric<br />

Research, 39(4), 391-398.<br />

DABAN, C., AMADO, I., BAYLÉ, F., GUT, A., WILLARD, D., BOURDEL, M.-C., LOO, H., OLIÉ, J.-P., MILLET, B., KREBS, M.-O. &<br />

POIRIER, M.-F. (2002). Correlation between clinical syndromes and neuropsychological tasks in unmedicated<br />

patients with recent onset schizophrenia. Psychiatry Research, 113(1-2), 83-92.<br />

D'ANGELO, E. J. & WOLOWITZ, H. M. (1986). Defensive constellation and styles of recovery from schizophrenic episodes.<br />

Hillside Journal of Clinical Psychiatry, 8(1), 3-14.<br />

D'ARGEMBEAU, A., FEYERS, D., MAJERUS, S., COLLETTE, F., VAN DER LINDEN, M., MAQUET, P. & SALMON, E. (2008). Selfreflection<br />

across time: Cortical midline structures differentiate between present and past selves. Social Cognitive<br />

and Affective Neuroscience, 3(3), 244-252.<br />

DAVID, A. S. (1990). Insight and psychosis. British Journal of Psychiatry, 156, 798-808.<br />

DAVID, A. S. (1999). »To see oursels as others see us«: Aubrey Lewis’s insight. British Journal of Psychiatry, 175, 210-<br />

216.<br />

DAVID, A. S., BUCHANAN, A., REED, A. & ALMEIDA, O. (1992). The assessment of insight in psychosis. British Journal of<br />

Psychiatry, 161(5), 599-602.<br />

DAVID, A. S. & KEMP, R. (1997). Five perspectives on the phenomenon of insight in psychosis. Psychiatric Annals, 27(12),<br />

791-797.<br />

DAVID, A. S., VAN OS, J., JONES, P., HARVEY, I., FOERSTER, A. & FAHY, T. (1995). Insight and psychotic illness. Crosssectional<br />

and longitudinal associations. British Journal of Psychiatry, 167, 621-628.<br />

DAY, J. C., BENTALL, R. P., ROBERTS, C., RANDALL, F., ROGERS, A., CATTELL, D., HEALY, D., RAE, P. & POWER, C. (2005).<br />

Attitudes Toward Antipsychotic Medication: The Impact of Clinical Variables and Relationships With Health<br />

Professionals. Archives of General Psychiatry, 62(7), 717-724.<br />

DEFFENBACHER, J. L., OETTING, E. R., HUFF, M. E. & CORNELL, G. R. & DALLAGER, C. J. (1996). Evaluation of two<br />

cognitive-behavioral approaches to general anger reduction. Cognitive Therapy and Research, 20(6), 551-573.<br />

DE HAAN, L., PETERS, B., DINGEMANS, P., WOUTERS, L. & LINSZEN, D. (2002). Attitudes of patients toward the first<br />

psychotic episode and the start of treatment. Schizophrenia Bulletin, 28(3), 431-442.<br />

DEHAENE, S. & CHANGEUX, J.-P. (1991). The Wisconsin Card Sorting Test: Theoretical analysis and modeling in a<br />

neuronal network. Cerebral Cortex, 1(1), 62-79.<br />

DEHAENE, S., PIAZZA, M., PINEL, P. & COHEN, L. (2003). Three parietal circuits for number processing. Cognitive<br />

Neuropsychology, 20(3-6), 487-506.<br />

DEIMLING, G. T., WAGNER, L. J., BOWMAN, K. F., STERNS, S., KERCHER, K. & KAHANA, B. (2006). Coping among olderadult,<br />

long-term cancer survivors. Psycho-Oncology, 15(2), 143-159.<br />

DELIS, D. C., SQUIRE, L. R., BIHRLE, A. & MASSMAN, P. J. (1992). Componential analysis of problem-solving ability:<br />

Performance of patients with frontal lobe damage and amnesic patients on a new sorting test. Neuropsychologia,<br />

30(8), 683-697.<br />

DEMAKIS, G. J. (2003). A meta-analytic review of the sensitivity of the Wisconsin Card Sorting Test to frontal and<br />

lateralized frontal brain damage. Neuropsychology, 17(2), 255-264.<br />

DERAKSHAN, N., & EYSENCK, M. W. (1997a). Interpretive biases for one's own behaviour and physiology in high-traitanxious<br />

individuals and repressors. Journal of Personality and Social Psychology, 73(4), 1–10.<br />

DERAKSHAN, N. & EYSENCK, M. W. (1997b). Repression and repressors: Theoretical and experimental approaches.<br />

European Psychologist, 2(3), 235-246.<br />

DE ZUBICARAY, G., & ASHTON, R. (1996). Nelson’s (1976) Modified Card Sorting Test: A review. Clinical Neuropsychologist,<br />

10, 245-254.<br />

DIBBEN, C. R. M., RICE, C., LAWS, K. & MCKENNA, P. J. (2009). Is executive impairment associated with schizophrenic<br />

syndromes? A meta-analysis. Psychological Medicine, 39(3), 381-392.<br />

DICKINSON, D. & GOLD, J. M. (2008). Less unique variance than meets the eye: Overlap among traditional neuropsychological<br />

dimensions in schizophrenia. Schizophrenia Bulletin, 34(3), 423-434.<br />

DICKINSON, D., RAMSEY, M. E. & GOLD, J. M. (2007). Overlooking the obvious: A meta-analytic comparison of digit<br />

symbol coding tasks and other cognitive measures in schizophrenia. Archives of General Psychiatry, 64(5), 532-<br />

542.<br />

DICKERSON, F. B., BORONOW, J. J., RINGEL, N. & PARENTE, F. (1997). Lack of insight among outpatients with schizophrenia.<br />

Psychiatric Services, 48(2), 195-199.<br />

DICKERSON, F. B., SOMMERVILLE, J., ORIGONI, A. E., RINGEL, N. B. & PARENTE, F. (2002). Experiences of stigma among<br />

outpatients with schizophrenia. Schizophrenia Bulletin, 28(1), 143-156.<br />

DIXON, M. J. & KING, S. (1995). The concordance between symptom information gathered from remitted schizophrenic<br />

patients and their relatives. Journal of Psychiatric Research, 29(6), 447-456.<br />

DÖRNER, D. (1979). Problemlösen als Informationsverarbeitung (2. Aufl.). Stuttgart: Kohlhammer.<br />

DONOHOE, G., CLARKE, S., MORRIS, D., NANGLE, J.-M., SCHWAIGER, S., GILL, M., CORVIN, A. & ROBERTSON, I. H. (2006).<br />

Are deficits in executive sub-processes simply reflecting more general cognitive decline in schizophrenia? Schizophrenia<br />

Research, 85(1-3), 168-173.


340<br />

Literatur<br />

DONOHOE, G., CORVIN, A. & ROBERTSON, I. H. (2005). Are the cognitive deficits associated with impaired insight in<br />

schizophrenia specific to executive task performance? Journal of Nervous and Mental Disease, 193(12), 803-808.<br />

DONOHOE, G., DONNELL, C. O., OWENS, N. & O'CALLAGHAN, E. (2004). Evidence that health attributions and symptom<br />

severity predict insight in schizophrenia. Journal of Nervous and Mental Disease, 192(9), 635-637.<br />

DRAKE, R. E. & COTTON, P. G. (1986). Depression, hopelessness and suicide in chronic schizophrenia. British Journal of<br />

Psychiatry, 148, 554-559.<br />

DRAKE, R. J., HALEY, C. J., AKHTAR, S. & LEWIS, S. W. (2000). Causes and consequences of duration of untreated<br />

psychosis in schizophrenia. British Journal of Psychiatry, 177, 511-515.<br />

DRAKE, R. J. & LEWIS, S. W. (2003). Insight and neurocognition in schizophrenia. Schizophrenia Research, 62(1-2), 165-<br />

173.<br />

DRAKE, R. J., PICKLES, A., BENTALL, R. P., KINDERMAN, P., HADDOCK, G., TARRIER, N. & LEWIS, S. W. (2004). The evolution<br />

of insight, paranoia and depression during early schizophrenia. Psychological Medicine, 34(2), 285-292.<br />

DRAYTON, M., BIRCHWOOD, M. & TROWER, P. (1998). Early attachment experience and recovery from psychosis. British<br />

Journal of Clinical Psychology, 37(3), 269-284.<br />

DREWE, E. A. (1974). The effect of type and area of brain lesion on Wisconsin Card Sorting Test performance. Cortex,<br />

10(2), 159-170.<br />

EDELSTEIN, E. L., NATHANSON, D. L. & STONE, A. M. (Hrsg.). (1989). Denial: A clarification of concepts and research.<br />

New York: Plenum.<br />

EISEN, J. L., PHILLIPS, K. A., BAER, L., BEER, D. A., ATALA, K. D. & RASMUSSEN, S. A. (1998). The Brown Assessment of<br />

Beliefs Scale: Reliability and validity. American Journal of Psychiatry, 155(1), 102-108.<br />

ELING, P., DERCKX, K. & MAES, R. (2008). On the historical and conceptual backgro<strong>und</strong> of the Wisconsin Card Sorting<br />

Test. Brain and Cognition, 67(3), 247-253.<br />

ELLASON, J. W. & ROSS, C. A. (1995). Positive and negative symptoms in dissociative identity disorder and schizophrenia:<br />

A comparative analysis. Journal of Nervous and Mental Disease, 183(4), 236-241.<br />

ELVEVÅG, B. & GOLDBERG, T. E. (1999). Commentary on Laws: Refining Laws — A rejoinder. Cognitive Neuropsychiatry,<br />

4(1), 33-35.<br />

ENDLER, N. S. & PARKER, J. D. A. (1990). Multidimensional assessment of coping: A critical evaluation. Journal of<br />

Personality and Social Psychology, 58(5), 844-854.<br />

ENGLERT, J. S., GEBHARDT, R., SAUPE, R. & STIEGLITZ, R.-D. (1993). Erfassung von Krankheitsbewältigung. Validierungsstudie<br />

zur 'Ways of Coping Checklist' (WCCL) bei schizophrenen Patienten. Zeitschrift für Klinische Psychologie,<br />

22(1), 77-82.<br />

ERDELYI, M. H. (2006). The unified theory of repression. Behavioral and Brain Sciences, 29(5), 499-511.<br />

ERTUGRUL, A. & ULUG, B. (2004). Perception of stigma among patients with schizophrenia. Social Psychiatry and<br />

Psychiatric Epidemiology, 39(1), 73-77.<br />

ESTROFF, S. E. (1989). Self, identity, and subjective experiences of schizophrenia: In search of the subject. Schizophrenia<br />

Bulletin, 15(2), 189-196.<br />

ETTLIN, T. & KISCHKA, U. (1999). Bedside frontal lobe testing: The »Frontal Lobe Score«. In B. L. MILLER & J. L.<br />

CUMMINGS (Hrsg.) The human frontal lobes: Functions and disorders (S. 233-246). New York: Guilford Press.<br />

EVREN, C. & EVREN, B. (2004). Characteristics of schizophrenic patients with a history of suicide attempt. International<br />

Journal of Psychiatry in Clinical Practice, 8(4), 227-234.<br />

EYSENCK, M. W. (1997). Anxiety and cognition: A unified theory. Hove, UK: Psychology Press.<br />

EYSENCK, M. W. & KEANE, M. T. (2005). Cognitive psychology: a student’s handbook (5. Aufl.). Hove, UK: Psychology<br />

Press.<br />

FABRIGAR, L. R., WEGENER, D. T., MACCALLUM, R. C. & STRAHAN, E. J. (1999). Evaluating the use of exploratory factor<br />

analysis in psychological research. Psychological Methods, 4(3), 272-299.<br />

FAHRIG, H., KRONMÜLLER, K. T., HARTMANN, M. & RUDOLF, G. (1996). Therapieerfolg analytischer Psychotherapie bei<br />

Kindern <strong>und</strong> Jungendlichen. Die Heidelberger Studie zur analytischen <strong>und</strong> Kinder- <strong>und</strong> Jugendlichen-<br />

Psychotherapie. Zeitschrift für Psychosomatische Medizin <strong>und</strong> Psychoanalyse, 42(4), 375-395.<br />

FARHALL, J., GREENWOOD, K. M. & JACKSON, H. J. (2007). Coping with hallucinated voices in schizophrenia: A review of<br />

self-initiated strategies and therapeutic interventions. Clinical Psychology Review, 27(4), 476-793.<br />

FAUL, F., ERDFELDER, E., LANG, A.-G., & BUCHNER, A. (2007). G*Power 3: A flexible statistical power analysis program for<br />

the social, behavioral, and biomedical sciences. Behavior Research Methods, 39, 175-191.<br />

FELDMAN, J. (2003). The Simplicity Principle in Human Concept Learning. Current Directions in Psychological Science,<br />

12(6), 227-232.<br />

FENNIG, S., EVERETT, E., BROMET, E. J., JANDORF, L., FENNIG, S. R., TANENBERG-KARANT, M. & CRAIG, T. J. (1996). Insight<br />

in first-admission psychotic patients. Schizophrenia Research, 22(3), 257-263.<br />

FERNANDEZ, C. F. (2006). Association between handedness and insight into illness in schizophrenia. Dissertation<br />

Abstracts International: Section B: The Sciences and Engineering, 65(9-B), 4827.


341<br />

Literatur<br />

FERRERI, M., ROUILLON, F., NUSS, P., BAZIN, N., FARAH, S., DJABALLAH, K. & GERARD, D. (2000). De quelles informations<br />

les patients souffrant de schizophrénie disposent-ils sur leur maladie et leur traitement? [What is the schizophrenic<br />

patients' level of information about their disease and their treatment?] L'Encéphale, 26(1), 30-38.<br />

FEY, E. T. (1951). The performance of young schizophrenics and young normals on the Wisconsin Card Sorting Test.<br />

Journal of Consulting Psychology, 15(4), 311-319.<br />

FILIPP, S.-H. & KLAUER, T. (1988). Ein dreidimensionales Modell zur Klassifikation von Formen der Krankheitsbewältigung.<br />

In H. KÄCHELE & W. STEFFENS (Hrsg.), Bewältigung <strong>und</strong> Abwehr. Zur Psychologie <strong>und</strong> Psychotherapie<br />

schwerer körperlicher Krankheiten. Berlin: Springer.<br />

FISSENI, H.-J. (2004). Lehrbuch der psychologischen Diagnostik (3. Aufl.). Göttingen: Hogrefe.<br />

FRAZIER, T. W., YOUNGSTROM, E. A., CHELUNE, G. J., NAUGLE, R. I. & LINEWEAVER, T. T. (2004). Increasing the reliability<br />

of ipsative interpretations in neuropsychology: A comparison of reliable components analysis and other factor<br />

analytic methods. Journal of the International Neuropsychological Society, 10(4), 578-589.<br />

FELDSTEIN, S. N., KELLER, F. R., PORTMAN, R. E., DURHAM, R. L., KLEBE, K. J. & DAVIS, H. P. (1999). A comparison of<br />

computerized and standard versions of the Wisconsin Card Sorting Test. Clinical Neuropsychologist, 13(3), 303-<br />

313.<br />

FENTON, W. S., BLYLER, C. R. & HEINSSEN, R. K. (1997). Determinants of medication compliance in schizophrenia:<br />

Empirical and clinical findings. Schizophrenia Bulletin, 23(4), 637-651.<br />

FERRING, D. & FILIPP, S.-H. (1996). Messung des Selbstwertgefühls: Bef<strong>und</strong>e zu Reliabilität, Validität <strong>und</strong> Stabilität der<br />

Rosenberg-Skala. Diagnostica, 42(3), 284-292.<br />

FIORAVANTI, M., CARLONE, O., VITALE, B., CINTI, M. E. & CLARE, L. (2005). A meta-analysis of cognitive deficits in adults<br />

with a diagnosis of schizophrenia. Neuropsychology Review, 15(2), 73-95.<br />

FLASHMAN, L. A. & GREEN, M. F. (2004). Review of cognition and brain structure in schizophrenia: profiles, longitudinal<br />

course, and effects of treatment. Psychiatric Clinics of North America, 27(1), 1-18.<br />

FLASHMAN, L. A., MCALLISTER, T. W., ANDREASEN, N. C. & SAYKIN, A. J. (2000). Smaller brain size associated with<br />

unawareness of illness in patients with schizophrenia. American Journal of Psychiatry, 157(7), 1167-1169.<br />

FLASHMAN, L. A., MCALLISTER, T. W., JOHNSON, S. C., RICK, J. H., GREEN, R. L. & SAYKIN, A. J. (2001). Specific frontal lobe<br />

subregions correlated with unawareness of illness in schizophrenia: A preliminary study. Journal of Neuropsychiatry<br />

& Clinical Neurosciences, 13(2), 255-257.<br />

FLASHMAN, L. A. & ROTH, R. M. (2004). Neural correlates of unawareness of illness in psychosis. In X. F. AMADOR & A.<br />

S. DAVID (Hrsg.), Insight and psychosis: Awareness of illness in schizophrenia and related disorders (2. Aufl.) (S.<br />

157 – 176). New York: Oxford University Press.<br />

FLEISS, J. L. (1971). Measuring nominal scale agreement among many raters. Psychological Bulletin, 76(5), 378-382.<br />

FLYNN, J. R. (1984). The mean IQ of Americans: Massive gains 1932 to 1978. Psychological Bulletin, 95(1), 29-51.<br />

FLYNN, J. R. (1987). Massive IQ gains in 14 nations: What IQ tests really measure. Psychological Bulletin, 101(2), 171-<br />

191.<br />

FLYNN, J. R. & WEISS, L. G. (2007). American IQ gains from 1932 to 2002: The WISC subtests and educational progress.<br />

International Journal of Testing, 7(2), 209-224.<br />

FOLEY, S., JACKSON, D., MCWILLIAMS, S., RENWICK, L., SUTTON, M., TURNER, N., KINSELLA, A. & O'CALLAGHAN, E. (2008).<br />

Suicidality prior to presentation in first-episode psychosis. Early Intervention in Psychiatry, 2(4), 242-246.<br />

FOLKMAN, S. (1986). Dynamics of a stressful encounter: Cognitive appraisal, coping, and encounter outcomes. Journal of<br />

Personality and Social Psychology, 50(5), 992-1003.<br />

FOLKMAN, S., LAZARUS, R. S., GRUEN, R. J. & DELONGIS, A. (1986). Appraisal, coping, health status, and psychological<br />

symptoms. Journal of Personality and Social Psychology, 50(3), 571-579.<br />

FRANZEN, M. D., BURGESS, E. J. & SMITH-SEEMILLER, L. (1997). Methods of estimating premorbid functioning. Archives<br />

of Clinical Neuropsychology, 12(8), 711-738.<br />

FRASURE-SMITH, N., LESPÉRANCE, F., GRAVEL, G., MASSON, A., JUNEAU, M. & BOURASSA, M. G. (2002). Long-term<br />

survival differences among low-anxious, high-anxious and repressive copers enrolled in the Montreal Heart Attack<br />

Readjustment Trial. Psychosomatic Medicine, 64(4), 571-579.<br />

FREEDMAN, D. J. & MILLER, E. K. (2008) Neural mechanisms of visual categorization: Insights from neurophysiology.<br />

Neuroscience & Biobehavioral Reviews, 32(2), 311-329.<br />

FREEMAN, D. (2007). Suspicious minds: The psychology of persecutory delusions. Clinical Psychology Review, 27(4),<br />

425-457.<br />

FRERICHS, R. J. & TUOKKO, H. A. (2005). A comparison of methods for measuring cognitive change in older adults.<br />

Archives of Clinical Neuropsychology, 20(3), 321-333.<br />

FREUD, A. (1984/ 1936). Das Ich <strong>und</strong> die Abwehrmechanismen (17. Aufl.). Frankfurt/ M.: Fischer.<br />

FREUD, S. (1924). Der Realitätsverlust bei Neurose <strong>und</strong> Psychose. Internationale Zeitschrift für Psychoanalyse, 10, 374-<br />

379.<br />

FREUDENREICH, O., CATHER, C., EVINS, A. E., HENDERSON, D. C. & GOFF, D. C. (2004). Attitudes of schizophrenia<br />

outpatients toward psychiatric medications: relationship to clinical variables and insight. Journal of Clinical<br />

Psychiatry, 65(10), 1372-1376.<br />

FRISTOE, N. M., SALTHOUSE, T. A. & WOODARD, J. L. (1997). Examination of age-related deficits on the Wisconsin Card<br />

Sorting Test. Neuropsychology, 11(3), 428-436.


FRITH, C. D. (1992). The cognitive neuropsychology of schizophrenia. Hove, UK: Erlbaum.<br />

342<br />

Literatur<br />

FUCHS, T. (2005). Delusional mood and delusional perception – a phenomenological analysis. Psychopathology, 38(3),<br />

133-139.<br />

FUNAHASHI, S., BRUCE, C. J. & GOLDMAN-RAKIC, P. S. (1989). Mnemonic coding of visual space in the monkey's<br />

dorsolateral prefrontal cortex. Journal of Neurophysiology, 61(2), 331-349.<br />

FUNG, K. M. T., TSANG, H. W. H. & CORRIGAN, P. W. (2008). Self-stigma of people with schizophrenia as predictor of their<br />

adherence to psychosocial treatment. Psychiatric Rehabilitation Journal, 32(2), 95-104.<br />

FUNKE, J. (in Druck). Complex problem solving: a case for complex cognition? Cognitive Processing.<br />

FURMAN, B. & AHOLA, T. (1988). Return of the question 'why': Advantages of exploring pre-existing explanations. Family<br />

Process, 27(4), 395-409.<br />

FURNHAM, A., PETRIDES, K. V., SISTERSON, G. & BALUCH, B. (2003). Repressive coping style and positive selfpresentation.<br />

British Journal of Health Psychology, 8(2), 223-249.<br />

FURNHAM, A., PETRIDES, K. V. & SPENCER-BOWDAGE, S. (2002). The effects of different types of social desirability on the<br />

identification of repressors. Personality and Individual Differences, 33(1), 119-130.<br />

FURNHAM, A. & TRAYNAR, J. (1999). Repression and effective coping styles. European Journal of Personality, 13(6),<br />

465-492.<br />

FUSTER, J. M. (1999). Cognitive functions of the frontal lobes. In B. L. MILLER & J. L. CUMMINGS (Hrsg.), The human<br />

frontal lobes: Functions and disorders (S. 187-195). New York: Guilford.<br />

GAMBINI, O., MACCIARDI, F., ABBRUZZESE, M. & SCARONE, S. (1992). Influence of education on WCST performances in<br />

schizophrenic patients. International Journal of Neuroscience, 67(1-4), 105-109.<br />

GARAVAN, J., BROWNE, S., GERVIN, M., LANE, A., LARKIN, C. & O'CALLAGHAN, E. (1998). Compliance with neuroleptic<br />

medication in outpatients with schizophrenia: Relationship to subjective response to neuroleptics, attitudes to<br />

medication, and insight. Comprehensive Psychiatry, 39(4), 215-219.<br />

GARCELÁN, S. P. & RODRÍGUEZ, A. G. (2002). Coping strategies in psychotics: Conceptualization and research results.<br />

Psychology in Spain, 6, 26-40.<br />

GARETY, P. A. & FREEMAN, D. (1999). Cognitive approaches to delusions: A critical review of theories and evidence.<br />

British Journal of Clinical Psychology, 38(2), 113-154.<br />

GARFIELD, D. A., ROGOFF, M. L. & STEINBERG, S. (1987). Affect recognition and self-esteem in schizophrenia. Psychopathology,<br />

20(5), 225-233.<br />

GEFFEN, G. M., BUTTERWORTH, P. & GEFFEN, L. B. (1994). Test-retest reliability of a new form of the Auditory Verbal<br />

Learning Test (AVLT). Archives of Clinical Neuropsychology, 9(4), 303-316.<br />

GHAEMI, S. N. (2007). Feeling and time: The phenomenology of mood disorders, depressive realism, and existential<br />

psychotherapy. Schizophrenia Bulletin, 33(1), 122-130.<br />

GHARABAWI, G. M., LASSER, R. A., BOSSIE, C. A., ZHU, Y. & AMADOR, X. F. (2006). Insight and its relationship to clinical<br />

outcomes in patients with schizophrenia or schizoaffective disorder receiving long-acting risperidone. International<br />

Clinical Psychopharmacology, 21(4), 233-240.<br />

GLESER, G. C. & IHILEVICH, D. (1969). An objective instrument for measuring defense mechanisms. Journal of<br />

Consulting and Clinical Psychology, 33(1), 51-60.<br />

GLICKSOHN, J. & BAR-EL, I. (2004). Assessing personality and cognitive psychopathology in psychiatric patients.<br />

Imagination, Cognition and Personality, 24(1), 25-40.<br />

GOFFMAN, E. (1963). Stigma: Notes on the management of spoiled identity. Englewood Cliffs, NJ, USA: Prentice Hall.<br />

GOLD, J. M., CARPENTER, C., RANDOLPH, C., GOLDBERG, T. E. & WEINBERGER, D. R. (1997). Auditory working memory and<br />

Wisconsin Card Sorting Test performance in schizophrenia. Archives of General Psychiatry, 54(2), 159-165.<br />

GOLD, J. M., WALTZ, J. A., PRENTICE, K. J., MORRIS, S. E. & HEEREY, E. A. (2008). Reward processing in schizophrenia: A<br />

deficit in the representation of value. Schizophrenia Bulletin, 34(5), 835-847.<br />

GOLDBECK, R. (1997). Denial in physical illness. Journal of Psychosomatic Research, 43(6), 575-593.<br />

GOLDBERG, R. W., GREEN-PADEN, L. D., LEHMAN, A. F. & GOLD, J. M. (2001). Correlates of insight in serious mental<br />

illness. Journal of Nervous and Mental Disease, 189(3), 137-145.<br />

GOLDBERG, T. E. & WEINBERGER, D. R. (1988). Probing prefrontal function in schizophrenia with neuropsychological<br />

paradigms. Schizophrenia Bulletin, 14(2), 179-183.<br />

GOLDBERG, T. E. & WEINBERGER, D. R. (1994). Schizophrenia, training paradigms, and the Wisconsin Card Sorting Test<br />

redux. Schizophrenia Research, 11(3), 291-296.<br />

GOLDBERG, T. E. & WEINBERGER, D. R. (2000). Thought disorder in schizophrenia: A reappraisal of older formulations<br />

and an overview of some recent studies. Cognitive Neuropsychiatry, 5(1), 1-19.<br />

GOLDBERG, T. E., WEINBERGER, D. R., BERMAN, K. F., PLISKIN, N. H. & PODD, M. H. (1987). Further evidence for dementia<br />

of the prefrontal type in schizophrenia? A controlled study of teaching the Wisconsin Card Sorting Test. Archives of<br />

General Psychiatry, 44(11), 1008-1014.<br />

GOLDMAN, R. S., AXELROD, B. N., HEATON, R. K., CHELUNE, G. J., CURTISS, G., KAY, G. G. & THOMPSON, L. L. (1996). Latent<br />

structure of the WCST with the standardization samples. Assessment, 3(1), 73-78.<br />

GOLDMAN, R. S., AXELROD, B. N., TANDON, R. & BERENT, S. (1991). Analysis of executive functioning in schizophrenics<br />

using the Wisconsin Card Sorting Test. Journal of Nervous and Mental Disease, 179(8), 507-508.


343<br />

Literatur<br />

GOLDMAN, R. S., AXELROD, B. N. & TOMPKINS, L. M. (1992). Effect of instructional cues on schizophrenic patients'<br />

performance on the Wisconsin Card Sorting Test. American Journal of Psychiatry, 149(12), 1718-1722.<br />

GOLDSTEIN, G. (2004). Abstract reasoning and problem solving in adults. In G. GOLDSTEIN, S. R. BEERS & M. HERSEN<br />

(Hrsg.), Comprehensive handbook of psychological assessment, Vol. 1: Intellectual and neuropsychological<br />

assessment (S. 293-308). Hoboken, USA: John Wiley & Sons.<br />

GOLDSTEIN, K. & SCHEERER, M. (1941). Abstract and concrete behavior: An experimental study with special tests.<br />

Psychological Monographs, 53, 2 (whole no. 239).<br />

GOLIN, S., HERRON, E. W. & LAKOTA, R. (1967). Factor analytic study of the manifest anxiety, extraversion, and<br />

repression-sensitization scales. Journal of Consulting Psychology, 31(6), 564-569.<br />

GONTERMAN, A. R. (2005). The structure of insight in patients with psychosis. Dissertation Abstracts International,<br />

65(12-B), 6651.<br />

GONZALEZ, V. M. (2008). Recognition of mental illness and suicidality among individuals with serious mental illness.<br />

Journal of Nervous and Mental Disease, 196(10), 727-734.<br />

GONZÁLEZ-HERNÁNDEZ, J. A., PITA-ALCORTA, C., CEDEÑO, I., BOSCH-BAYARD, J., GALÁN-GARCIA, L., SCHERBAUM, W. &<br />

FIGUEREDO-RODRIGUEZ, P. (2002). Wisconsin Card Sorting Test synchronizes the prefrontal, temporal and posterior<br />

association cortex in different frequency ranges and extensions. Human Brain Mapping, 17(1), 37-47.<br />

GOOD, K. P., RABINOWITZ, J., WHITEHORN, D., HARVEY, P. D., DESMEDT, G. & KOPALA, L. C. (2004). The relationship of<br />

neuropsychological test performance with the PANSS in antipsychotic naive, first-episode psychosis patients.<br />

Schizophrenia Research, 68(1), 11-19.<br />

GOTTESMAN, I. I. & GOULD, T. D. (2003). The endophenotype concept in psychiatry: Etymology and strategic intentions.<br />

American Journal of Psychiatry, 160(4), 636-645.<br />

GRANT, D. A. & BERG, E. (1948). A behavioral analysis of degree of reinforcement and ease of shifting to new responses in<br />

a Weigl-type card-sorting problem. Journal of Experimental Psychology, 38(4), 404-411.<br />

GREEN, M. F. (1993). Cognitive remediation in schizophrenia: Is it time yet? American Journal of Psychiatry, 150(2),<br />

178-187.<br />

GREEN, M. F. (1996). What are the functional consequences of neurocognitive deficits in schizophrenia? American<br />

Journal of Psychiatry, 153(3), 321-330.<br />

GREEN, M. F. (1998). Schizophrenia from a neurocognitive perspective: Probing the impenetrable darkness. Boston:<br />

Allyn & Bacon.<br />

GREEN, M. F., GANZELL, S., SATZ, P. & VACLAV, J. F. (1990). Teaching the Wisconsin Card Sorting Test to schizophrenic<br />

patients. Archives of General Psychiatry, 47(1), 91-92.<br />

GREEN, M. F., HELLMAN, S. & KERN, R. S. (1997). Feasibility studies of cognitive remediation in schizophrenia: Grasping<br />

the little picture. In H. D. BRENNER, W. BÖKER & R. GENNER (Hrsg.), Towards a comprehensive therapy for schizophrenia<br />

(S. 79-93). Ashland, USA: Hogrefe & Huber.<br />

GREEN, M. F., SATZ, P., GANZELL, S. & VACLAV, J. F. (1992). Wisconsin Card Sorting Test performance in schizophrenia:<br />

Remediation of a stubborn deficit. American Journal of Psychiatry, 149(1), 62-67.<br />

GREEN, M. F., KERN, R. S., BRAFF, D. L. & MINTZ, J. (2000). Neurocognitive deficits and functional outcome in<br />

schizophrenia: Are we measuring the 'right stuff'? Schizophrenia Bulletin, 26(1), 119-136.<br />

GREEN, M. F. & NUECHTERLEIN, K. H. (1999). Should schizophrenia be treated as a neurocognitive disorder? Schizophrenia<br />

Bulletin, 25(2), 309-318.<br />

GREEN, S. B. (1991). How many subjects does it take to do a regression analysis? Multivariate Behavioral Research,<br />

26(3), 499-510.<br />

GREEN, R. S. & GANTT, A. B. (1987). Telling patients and families the psychiatric diagnosis: A survey of psychiatrists.<br />

Hospital & Community Psychiatry, 38(6), 666-668.<br />

GREENFELD, D., STRAUSS, J. S., BOWERS, M. B. & MANDELKERN, M. (1989). Insight and interpretation of illness in recovery<br />

from psychosis. Schizophrenia Bulletin, 15(2), 245-252.<br />

GREENWALD, A. G. (1980). The totalitarian ego: Fabrication and revision of personal history. American Psychologist,<br />

35(7), 603-618.<br />

GREENWALD, A. G. (1997). Self-knowledge and self-deception: Further consideration. In M. S. MYSLOBODSKY (Hrsg.),<br />

The mythomanias: The nature of deception and self-deception (S. 51-72). Hillsdale, NJ, England: Lawrence Erlbaum.<br />

GREVE, K. W. (2001). The WCST-64: A standardized short-form of the Wisconsin Card Sorting Test. Clinical<br />

Neuropsychologist, 15(2), 228-234.<br />

GREVE, K. W., BIANCHINI, K. J., HARTLEY, S. M. & ADAMS, D. (1999). The Wisconsin Card Sorting Test in stroke<br />

rehabilitation: Factor structure and relationship to outcome. Archives of Clinical Neuropsychology, 14(6), 497-509.<br />

GREVE, K. W., BROOKS, J., CROUCH, J. A., RICE, W. J., CICERONE, K. & ROWLAND, L. (1993). Factorial structure of the<br />

Wisconsin Card Sorting Test. Clinical Neuropsychologist, 7, 350-351.<br />

GREVE, K. W., BROOKS, J., CROUCH, J. A., WILLIAMS, M. C. & RICE, W. J. (1997). Factorial structure of the Wisconsin Card<br />

Sorting Test. British Journal of Clinical Psychology, 36(2), 283-285.<br />

GREVE, K. W., INGRAM, F. & BIANCHINI, K. J. (1998). Latent structure of the Wisconsin Card Sorting Test in a clinical<br />

sample. Archives of Clinical Neuropsychology, 13(7), 597-609.<br />

GREVE, K. W., LOVE, J. M., SHERWIN, E., MATHIAS, C. W., HOUSTON, R. J. & BRENNAN, A. (2002). Temporal stability of the<br />

Wisconsin Card Sorting Test in a chronic traumatic brain injury sample. Assessment, 9(3), 271-277.


344<br />

Literatur<br />

GREVE, K. W., LOVE, J. M., SHERWIN, E., MATHIAS, C. W., RAMZINSKI, P. & LEVY, J. (2002). Wisconsin Card Sorting Test in<br />

chronic severe traumatic brain injury: Factor structure and performance subgroups. Brain Injury, 16(1), 29-40.<br />

GREVE, K. W., STICKLE, T. R., LOVE, J. M., BIANCHINI, K. J. & STANFORD, M. S. (2005). Latent structure of the Wisconsin<br />

Card Sorting Test: A confirmatory factor analytic study. Archives of Clinical Neuropsychology, 20(3), 355-364.<br />

GREVE, K. W., WILLIAMS, M. C., HAAS, W. G., LITTELL, R. R. & REINOSO, C. (1996). The role of attention in Wisconsin Card<br />

Sorting Test performance. Archives of Clinical Neuropsychology, 11(3), 215-222.<br />

GULLIKSEN, H. (1950). Theory of mental tests. Oxford: Wiley.<br />

GUR, R. C. & SACKEIM, H. A. (1979). Self-deception: A concept in search of a phenomenon. Journal of Personality and<br />

Social Psychology, 37(2), 147-169.<br />

GUTHKE, J., BECKMANN, J. F. & WIEDL, K. H. (2003). Dynamik im <strong>dynamisch</strong>en Testen. Psychologische R<strong>und</strong>schau,<br />

54(4), 225-232.<br />

GUTHKE, J. & WIEDL, K. H. (1996). Dynamisches Testen. Zur Psychodiagnostik der intraindividuellen Variabilität.<br />

Göttingen: Hogrefe.<br />

GUTTMAN, L. (1945). A basis for analyzing test-retest reliability. Psychometrika, 10, 255-282.<br />

HAAN, N. (1963). Proposed model of ego functioning: Coping and defense mechanism in relationship to IQ change.<br />

Psychological Monographs, 77, 1-23.<br />

HAAN, N. (1965). Coping and defense mechanisms related to personality inventories. Journal of Consulting Psychology,<br />

29(4), 373-378.<br />

HAAN, N. (1969). A tripartite model of ego functioning values and clinical and research applications. Journal of Nervous<br />

and Mental Disease, 148(1), 14-30.<br />

HAAN, N. (Hrsg.). (1977). Coping and defending. New York: Academic Press.<br />

HACKING, I. (1983). Representing and intervening: Introductory topics in the philosophy of natural science.<br />

Cambridge: University Press.<br />

HAFKENSCHEID, A. J. P. M. (2000). Psychometric measures of individual change: An empirical comparison with the<br />

Brief Psychiatric Rating Scale (BPRS). Acta Psychiatrica Scandinavica, 101(3), 235-242.<br />

HAFKENSCHEID, A. J. P. M. (2002). De onverbeterlijke neiging tot 'verbetering' van veranderingsscores: Terug naar de<br />

oorspronkelijke index voor betrouwbare verandering. [Researchers' insatiable need for "improving" Reliable Change<br />

(RC) indices: A reappraisal of the simple RC approach.] Gedragstherapie, 35(4), 317-327.<br />

HAGEMAN, W. J. J. M. & ARRINDELL, W. A. (1993). A further refinement of the Reliable Change (RC) Index by improving<br />

the pre-post difference score: Introducing RC-sub(ID). Behaviour Research and Therapy, 31(7), 693-700.<br />

HAGEMAN, W. J. J. M. & ARRINDELL, W. A. (1999). Establishing clinically significant change: Increment of precision and<br />

the distinction between individual and group level of analysis. Behaviour Research and Therapy, 37(12), 1169-1193.<br />

HAGGER, C., BUCKLEY, P., KENNY, J. T., FRIEDMAN, L., UBOGY, D. & MELTZER, H. Y. (1993). Improvement in cognitive<br />

functions and psychiatric symptoms in treatment-refractory schizophrenic patients receiving clozapine. Biological<br />

Psychiatry, 34(10), 702-712.<br />

HAGGER, M. S. & ORBELL, S. (2003). A meta-analytic review of the common-sense model of illness representations.<br />

Psychology & Health, 18(2), 141-184.<br />

HAMILTON, M. (1960). A rating scale for depression. Journal of Neurology, Neurosurgery & Psychiatry, 23, 56-61.<br />

HANFMANN, E. & KASANIN, J. (1937). A method for the study of concept formation. Journal of Psychology, 3, 521-540.<br />

HANSEN, C. (2008). Neurokognition <strong>und</strong> Bewältigungsverhalten schizophren Erkrankter. Unveröffentlichte<br />

Diplomarbeit, Universität Osnabrück.<br />

HARDT, J., PETRAK, F., EGLE, U. T., KAPPIS, B., SCHULZ, G. & KÜSTNER, E. (2003). Was misst der FKV? Eine Überprüfung<br />

des Freiburger Fragebogens zur Krankheitsverarbeitung bei Patienten mit unterschiedlichen Erkrankungen.<br />

Zeitschrift für Klinische Psychologie <strong>und</strong> Psychotherapie: Forschung <strong>und</strong> Praxis, 32(1), 41-50.<br />

HARRIS, C. W. (1963) (Hrsg.). Problems in measuring change. Madison: The University of Wisconsin Press<br />

HARTMAN, M., STEKETEE, M. C., SILVA, S., LANNING, K. & ANDERSSON, C. (2003). Wisconsin Card Sorting Test<br />

performance in schizophrenia: The role of working memory. Schizophrenia Research, 63(3), 201-217.<br />

HARVEY, P. D., GREEN, M. F., MCGURK, S. R. & MELTZER, H. Y. (2003). Changes in cognitive functioning with<br />

risperidone and olanzapine treatment: A large-scale, double blind, randomized study. Psychopharmacology, 169(3-<br />

4), 404-411.<br />

HARVEY, P. D., PALMER, B. W., HEATON, R. K., MOHAMED, S., KENNEDY, J. & BRICKMAN, A. (2005). Stability of cognitive<br />

performance in older patients with schizophrenia: An 8-week test-retest study. American Journal of Psychiatry,<br />

162(1), 110-117.<br />

HARVEY, S. B., DEAN, K., MORGAN, C., WALSH, E., DEMJAHA, A., DAZZAN, P., MORGAN, K., LLOYD, T., FEARON, P., JONES, P.<br />

B. & MURRAY, R. M. (2008). Self-harm in first-episode psychosis. British Journal of Psychiatry, 192(3), 178-184.<br />

HASSON-OHAYON, I., KRAVETZ, S., ROE, D., DAVID, A. S. & WEISER, M. (2006). Insight into psychosis and quality of life.<br />

Comprehensive Psychiatry, 47(4), 265-269.<br />

HAU, T. F. (1957). Vergleichende Untersuchungen an Schizophrenen <strong>und</strong> Neurotikern mit dem MMQ (Maudsley-<br />

Persönlichkeitsfragebogen). Zeitschrift für Experimentelle <strong>und</strong> Angewandte Psychologie, 4, 669-688.<br />

HAVENER, P. H. & IZARD, C. E. (1962). Unrealistic self-enhancement in paranoid schizophrenics. Journal of Consulting<br />

Psychology, 26(1), 65-68.


345<br />

Literatur<br />

HAYGOOD, R. C. & BOURNE, L. E. (1965). Attribute- and rule-learning aspects of conceptual behavior. Psychological<br />

Review, 72(3), 175-195.<br />

HEATON, R. K. (1981). A manual for the Wisconsin Card Sorting Test. Odessa, FL, USA: Psychological Assessment<br />

Ressources.<br />

HEATON, R. K., CHELUNE, G. J., TALLEY, J. L., KAY, G. G. & CURTISS, G. (1993). Wisconsin Card Sorting Test manual<br />

(revised and expanded). Odessa, FL, USA: Psychological Assessment Ressources.<br />

HEATON, R. K. & PAR STAFF (2005). WCST-64 TM Computer Version 2 Scoring Program, Research Edition (Version<br />

4.20.017) [Computer Software]. Lutz, USA: Psychological Assessment Ressources.<br />

HEIDER, B. (2000). Visual form agnosia: Neural mechanisms and anatomical fo<strong>und</strong>ations. Neurocase, 6(1), 1-12.<br />

HEINRICHS, D. W., COHEN, B. P. & CARPENTER, W. T. (1985). Early insight and the management of schizophrenic<br />

decompensation. Journal of Nervous And Mental Disease, 173(3), 133-138.<br />

HEINRICHS, D. W., HANLON, T. E. & CARPENTER, W. T. (1984). The Quality of Life Scale: An instrument for rating the<br />

schizophrenic deficit syndrome. Schizophrenia Bulletin, 10(3), 388-398.<br />

HEINRICHS, R. W. (1990). Variables associated with Wisconsin Card Sorting Test performance in neuropsychiatric<br />

patients referred for assessment. Neuropsychiatry, Neuropsychology, & Behavioral Neurology, 3(2), 107-112.<br />

HEINRICHS, R. W. (2005). The primacy of cognition in schizophrenia. American Psychologist, 60(3), 229-242.<br />

HEINRICHS, R. W. & ZAKZANIS, K. K. (1998). Neurocognitive deficit in schizophrenia: A quantitative review of the<br />

evidence. Neuropsychology, 12(3), 426-445.<br />

HELLMAN, S. G., KERN, R. S., NEILSON, L. M. & GREEN, M. F. (1998). Monetary reinforcement and Wisconsin Card Sorting<br />

performance in schizophrenia: Why show me the money? Schizophrenia Research, 34(1-2), 67-75.<br />

HELMCHEN, H. (1988). Methodologische <strong>und</strong> strategische Erwägungen in der Schizophrenie-Forschung. Fortschritte der<br />

Neurologie, Psychiatrie, 56(12), 383-393.<br />

HEMSLEY, D. R. (2005). The schizophrenic experience: Taken out of context? Schizophrenia Bulletin, 31(1), 43-53.<br />

HENRY, J. D. & CRAWFORD, J. R. (2005). A meta-analytic review of verbal fluency deficits in schizophrenia relative to<br />

other neurocognitive deficits. Cognitive Neuropsychiatry, 10(1), 1-33.<br />

HENRY, C. & GHAEMI, S. N. (2004). Insight in psychosis: A systematic review of treatment interventions. Psychopathology,<br />

37(4), 194-199.<br />

HEUBROCK, D. (1992). Der Auditiv-Verbale Lerntest (AVLT) in der klinischen <strong>und</strong> experimentellen Neuropsychologie.<br />

Durchführung, Auswertung <strong>und</strong> Forschungsergebnisse. Zeitschrift für Differentielle <strong>und</strong> Diagnostische Psychologie,<br />

13(3), 161-174.<br />

HEUBROCK, D. (1994). Auditiv-Verbales Lernen unter standardisierten Bedingungen. Erste deutsche Normen für 18- bis<br />

26jährige Männer <strong>und</strong> Frauen zum Auditiv-Verbalen Lerntest (AVLT). Zeitschrift für Differentielle <strong>und</strong> Diagnostische<br />

Psychologie, 15(2), 65-76.<br />

HEYDEBRAND, G., WEISER, M., RABINOWITZ, J., DELISI, L. E., CSERNANSKY, J. G. & HOFF, A. L. (2004). Correlates of<br />

cognitive deficits in first episode schizophrenia. Schizophrenia Research, 68(1), 1-9.<br />

HICKLING, F. W., MCKENZIE, K., MULLEN, R. & MURRAY, R. (1999). A Jamaican psychiatrist evaluates diagnoses at a<br />

London psychiatric hospital. British Journal of Psychiatry, 175, 283-285.<br />

HILL, K., MANN, L., LAWS, K. R., STEPHENSON, C. M. E., NIMMO-SMITH, I. & MCKENNA, P. J. (2004). Hypofrontality in<br />

schizophrenia: A metaanalysis of functional imaging studies. Acta Psychiatrica Scandinavica, 110(4), 243-256.<br />

HILL, S. K., BEERS, S. R., KMIEC, J. A., KESHAVAN, M. S. & SWEENEY, J. A. (2004). Impairment of verbal memory and<br />

learning in antipsychotic-naïve patients with first-episode schizophrenia. Schizophrenia Research, 68(2-3), 127-136.<br />

HILLER, W., ZAUDIG, M. & MOMBOUR, W. (2004). IDCL. Internationale Diagnosen Checklisten für ICD-10 <strong>und</strong> DSM-IV<br />

(2. Aufl.). Bern: Huber.<br />

HIRSCH, S., BOWEN, J., EMAMI, J. & CRAMER, P. (1996). A one year prospective study of the effect of life events and<br />

medication in the aetiology of schizophrenic relapse. British Journal of Psychiatry, 168(1), 49-56.<br />

HOBFOLL, S. E. (1989). Conservation of resources: A new attempt at conceptualizing stress. American Psychologist,<br />

44(3), 513-524.<br />

HOCK, M. (1993). Coping dispositions, attentional direction, and anxiety states. In H. W. KROHNE (Hrsg.), Attention and<br />

avoidance: Strategies in coping with aversiveness (S. 139-169). Göttingen: Hogrefe.<br />

HOCK, M. & KROHNE, H. W. (2004). Coping with threat and memory for ambiguous information: Testing the repressive<br />

discontinuity hypothesis. Emotion, 4(1), 65-86.<br />

HOCK, M., KROHNE, H. W., & KAISER, J. (1996). Coping dispositions and the processing of ambiguous stimuli. Journal of<br />

Personality and Social Psychology, 70(5), 1052-1066.<br />

HOEKERT, M., KAHN, R. S., PIJNENBORG, M. & ALEMAN, A. (2007). Impaired recognition and expression of emotional<br />

prosody in schizophrenia: Review and meta-analysis. Schizophrenia Research, 96(1-3), 135-145.<br />

HOFF, A. L., SAKUMA, M., WIENEKE, M., HORON, R., KUSHNER, M. & DELISI, L. E. (1999). Longitudinal neuropsychological<br />

follow-up study of patients with first-episode schizophrenia. American Journal of Psychiatry, 156(9), 1336-1341.<br />

HOLTHAUSEN, E. A. E., WIERSMA, D., SITSKOORN, M. M., DINGEMANS, P. M., VAN DEN BOSCH, R. J., SCHENE, A. H. &<br />

HIJMAN, R. (2002). Schizophrenic patients without neuropsychological deficits: Subgroup, disease severity or<br />

cognitive compensation? Psychiatry Research, 112(1), 1-11.<br />

HOLZINGER, A., BECK, M., MUNK, I., WEITHAAS, S. & ANGERMEYER, M. C. (2003). Das Stigma psychischer Krankheit aus<br />

der Sicht schizophren <strong>und</strong> depressiv Erkrankter. Psychiatrische Praxis, 30(7), 395-401.


346<br />

Literatur<br />

HOLZINGER, A., KILIAN, R., LINDENBACH, I., PETSCHELEIT, A. & ANGERMEYER, M. C. (2003). Patients' and their relatives'<br />

causal explanations of schizophrenia. Social Psychiatry and Psychiatric Epidemiology, 38(3), 155-162.<br />

HOLZINGER, A., LÖFFLER, W., MÜLLER, P., PRIEBE, S., ANGERMEYER, M. (2002). Subjective illness theory and antipsychotic<br />

medication compliance by patients with schizophrenia. Journal of Nervous and Mental Disease, 190(9), 597-<br />

603.<br />

HONIGFELD, G., GILLIS, R. D. & KLETT, C. J. (1966). NOSIE-30: A treatment-sensitive ward behavior scale. Psychological<br />

Reports, 19(1), 180-182.<br />

HORI, H., NOGUCHI, H., HASHIMOTO, R., NAKABAYASHI, T., OMORI, M., TAKAHASHI, S., TSUKUE, T., ANAMI, K.,<br />

HIRABAYASHI, N., HARADA, S., SAITOH, O., IWASE, M., KAJIMOTO, O., TAKEDA, M., OKABE, S. & KUNUGI, H. (2006).<br />

Antipsychotic medication and cognitive function in schizophrenia. Schizophrenia Research, 86(1-3), 138-146.<br />

HORN, J. L. (1965). A rationale and test for the number of factors in factor analysis. Psychometrika, 30(2), 179-185.<br />

HOWES, O. D. & KAPUR, S. (2009). The dopamine hypothesis of schizophrenia: Version III—The final common pathway.<br />

Schizophrenia Bulletin, 35(3), 549-562.<br />

HULTMAN, C. M., WIESELGREN, I.-M., & ÖHMAN, A. (1997). Relationships between social support, social coping and life<br />

events in the relapse of schizophrenic patients. Scandinavian Journal of Psychology, 38(1), 3-13.<br />

HSU, L. M. (1989). Reliable changes in psychotherapy: Taking into account regression toward the mean. Behavioral<br />

Assessment, 11(4), 459-467.<br />

HSU, L. M. (1995). Regression toward the mean associated with measurement error and the identification of improvement<br />

and deterioration in psychotherapy. Journal of Consulting and Clinical Psychology, 63(1), 141-144.<br />

HSU, L. M. (1996). On the identification of clinically significant client changes: Reinterpretation of Jacobson's cut scores.<br />

Journal of Psychopathology and Behavioral Assessment, 18(4), 371-385.<br />

HSU, L. M. (1999). Caveats concerning comparisons of change rates obtained with five methods of identifying significant<br />

client changes: Comment on Speer and Greenbaum (1995). Journal of Consulting and Clinical Psychology, 67(4),<br />

594-598.<br />

HUBER, G. (2005). Psychiatrie: Lehrbuch für Studium <strong>und</strong> Weiterbildung (7. Aufl.). Stuttgart: Schattauer.<br />

HWANG, S. S.-H., CHANG, J. S., LEE, K. Y., AHN, Y. M. & KIM, Y. S. (2009). The causal model of insight in schizophrenia<br />

based on the positive and negative syndrome scale factors and the structural equation modeling. Journal of Nervous<br />

and Mental Disease, 197(2), 79-84.<br />

IANCU, I., POREH, A., LEHMAN, B., SHAMIR, E. & KOTLER, M. (2005). The Positive and Negative Symptoms Questionnaire:<br />

A self-report scale in schizophrenia. Comprehensive Psychiatry, 46(1), 61-66.<br />

INGRAM, F., GREVE, K. W., FISHEL INGRAM, P. T. & SOUKUP, V. M. (1999). Temporal stability of the Wisconsin Card Sorting<br />

Test in an untreated patient sample. British Journal of Clinical Psychology, 38(2), 209-211.<br />

INHELDER, B. & PIAGET, J. (1958). The growth of logical thinking: From childhood to adolescence. New York: Basic<br />

Books.<br />

IVERSON, G. L., LOVELL, M. R. & COLLINS, M. W. (2003). Interpreting change on ImPACT following sports concussion.<br />

Clinical Neuropsychologist, 17(4), 460-467.<br />

IVNIK, R. J., MALEC, J. F., TANGALOS, E. G., PETERSEN, R. C., KOKMEN, E. & KURLAND, L. T. (1990). The Auditory-Verbal<br />

Learning Test (AVLT): Norms for ages 55 years and older. Psychological Assessment, 2(3), 304-312.<br />

JACOBSON, N. (2001). Experiencing recovery: A dimensional analysis of recovery narratives. Psychiatric Rehabilitation<br />

Journal, 24(3), 248-256.<br />

JACOBSON, N. S., FOLLETTE, W. C. & REVENSTORF, D. (1984). Psychotherapy outcome research: Methods for reporting<br />

variability and evaluating clinical significance. Behavior Therapy, 15(4), 336-352.<br />

JACOBSON, N. S., FOLLETTE, W. C. & REVENSTORF, D. (1986). Toward a standard definition of clinically significant change.<br />

Behavior Therapy, 17, 308-311.<br />

JACOBSON, N. S. & REVENSTORF, D. (1988). Statistics for assessing the clinical significance of psychotherapy techniques:<br />

Issues, problems, and new developments. Behavioral Assessment, 10(2), 133-145.<br />

JACOBSON, N. S., ROBERTS, L. J., BERNS, S. B. & MCGLINCHEY, J. B. (1999). Methods for defining and determining the<br />

clinical significance of treatment effects: Description, application, and alternatives. Journal of Consulting and<br />

Clinical Psychology, 67(3), 300-307.<br />

JACOBSON, N. S. & TRUAX, P. (1991). Clinical significance: A statistical approach to defining meaningful change in<br />

psychotherapy research. Journal of Consulting and Clinical Psychology, 59(1), 12-19.<br />

JÄGER, M., BOTTLENDER, R., STRAUSS, A. & MÖLLER, H. -J. (2004). Fifteen-year follow-up of ICD-10 schizoaffective<br />

disorders compared with schizophrenia and affective disorders. Acta Psychiatrica Scandinavica, 109(1), 30-37.<br />

JAHN, T. & MUSSGAY, L. (1989). Die statistische Kontrolle möglicher Medikamenteneinflüsse in experimentalpsychologischen<br />

Schizophreniestudien: Ein Vorschlag zur Berechnung von Chlorpromazinäquivalenten. Zeitschrift<br />

für Klinische Psychologie, 18(3), 257-267.<br />

JANKE, W., ERDMANN, G. & KALLUS, W. (1985). Der Stressverarbeitungsfragebogen (SVF). Göttingen: Hogrefe.<br />

JANSEN, L.M., GISPEN-DE-WIED, C.C. & KAHN, K.S. (1999). Coping with stress in schizophrenia. Schizophrenia Research,<br />

36, 176.<br />

JANZ, N. K. & BECKER, M. H. (1984). The Health Belief Model: A decade later. Health Education Quarterly, 11(1), 1-47.


JANZARIK, W. (2003). Der Psychose-Begriff <strong>und</strong> die Qualität des Psychotischen. Nervenarzt, 74(1), 3-11.<br />

347<br />

Literatur<br />

JAZBEC, S., PANTELIS, C., ROBBINS, T., WEICKERT, T., WEINBERGER, D. R. & GOLDBERG, T. E. (2007). Intradimensional/extra-dimensional<br />

set-shifting performance in schizophrenia: Impact of distractors. Schizophrenia<br />

Research, 89(1-3), 339-349.<br />

JENSEN, J., WILLEIT, M., ZIPURSKY, R. B., SAVINA, I., SMITH, A. J., MENON, M., CRAWLEY, A. P. & KAPUR, S. (2008). The<br />

formation of abnormal associations in schizophrenia: Neural and behavioral evidence. Neuropsychopharmacology,<br />

33(3), 473-479.<br />

JERUSALEM, M. & SCHWARZER, R. (1992). Self-efficacy as a resource factor in stress appraisal processes. In R. SCHWARZER<br />

(Hrsg.), Self-efficacy: Thought control of action (S. 195-213). Washington: Hemisphere Publishing.<br />

JETTEN, J., SPEARS, R. & MANSTEAD, A. S. R. (1996). Intergroup norms and intergroup discrimination: Distinctive selfcategorization<br />

and social identity effects. Journal of Personality and Social Psychology, 71(6), 1222-1233.<br />

JOHNS, L. C. & VAN OS, J. (2001). The continuity of psychotic experiences in the general population. Clinical Psychology<br />

Review, 21(8), 1125-1141.<br />

JOHNSON, E. A. (1995). Self-deceptive coping: Adaptive only in ambiguous contexts. Journal of Personality, 63(4), 759-<br />

791.<br />

JOHNSON, S. & ORRELL, M. (1995). Insight and psychosis: A social perspective. Psychological Medicine, 25(3), 515-520.<br />

JOHNSON, S. & ORRELL, M. (1996). Insight, psychosis and ethnicity: A case-note study. Psychological Medicine, 26(5),<br />

1081-1084.<br />

JOHNSON, S. C., BAXTER, L. C., WILDER, L. S., PIPE, J. G., HEISERMAN, J. E. & PRIGATANO, G. P. (2002). Neural correlates<br />

of self-reflection. Brain, 125(8), 1808-1814.<br />

JOHNSON-SELFRIDGE, M. & ZALEWSKI, C. (2001). Moderator variables of executive functioning in schizophrenia: Metaanalytic<br />

findings. Schizophrenia Bulletin, 27(2), 305-316.<br />

JOLLEY, S. & GARETY, P. A. (2004). Insight and delusions: A cognitive psychological approach. In X. F. Amador & A. S.<br />

David (Hrsg.), Insight and psychosis: Awareness of illness in schizophrenia and related disorders (2. Aufl.) (S. 89-<br />

100). New York: Oxford University Press.<br />

JONES, E. G. & MENDELL, L. M. (1999). Assessing the decade of the brain. Science, 284 (5415), 739.<br />

JONIDES, J., LACEY, S. C. & NEE, D. E. (2005). Processes of working memory in mind and brain. Current Directions in<br />

Psychological Science, 14(1), 2-5.<br />

JOVANOVSKI, D., ZAKZANIS, K. K., YOUNG, D. A. & CAMPBELL, Z. (2007). Assessing the relationship between insight and<br />

everyday executive deficits in schizophrenia: A pilot study. Psychiatry Research, 151(1-2), 47-54.<br />

JUDD, C. M., MCCLELLAND, G. H. & CULHANE, S. E. (1995). Data analysis: Continuing issues in the everyday analysis of<br />

psychological data. Annual Review of Psychology, 46, 433-465.<br />

KAISER, S. L., SNYDER, J. A., CORCORAN, R. & DRAKE, R. J. (2006). The relationships among insight, social support, and<br />

depression in psychosis. Journal of Nervous and Mental Disease, 194(12), 905-908.<br />

KAPUR, S. (2003). Psychosis as a state of aberrant salience: A framework linking biology, phenolmenology, and<br />

pharmacology in schizophrenia. American Journal of Psychiatry, 160(1), 13-23.<br />

KARATZIAS, T., GUMLEY, A., POWER, K. & O'GRADY, M. (2007). Illness appraisals and self-esteem as correlates of anxiety<br />

and affective comorbid disorders in schizophrenia. Comprehensive Psychiatry, 48(4), 371-375.<br />

KAREKEN, D. A., MOBERG, P. J. & GUR, R. C. (1996). Proactive inhibition and semantic organization: Relationship with<br />

verbal memory in patients with schizophrenia. Journal of the International Neuropsychological Society, 2(6), 486-<br />

493.<br />

KAROW, A., PAJONK, F.-G., REIMER, J., HIRDES, F., OSTERWALD, C., NABER, D. & MORITZ, S. (2008). The dilemma of<br />

insight into illness in schizophrenia: Self- and expert-rated insight and quality of life. European Archives of Psychiatry<br />

and Clinical Neuroscience, 258(3), 152-159.<br />

KATHMANN, N. (2001). Neurokognitive Gr<strong>und</strong>lagen schizophrener Symptome: Ein Überblick. Zeitschrift für Klinische<br />

Psychologie <strong>und</strong> Psychotherapie: Forschung <strong>und</strong> Praxis, 30(4), 241-250.<br />

KAUFFELDT, S. (1997). Generalisierbarkeit von Lernpotential im Bereich frontaler <strong>und</strong> temporaler Hirnfunktionen.<br />

Unveröffentlichte Diplomarbeit, Universität Osnabrück.<br />

KAY, S. R., FISZBEIN, A. & OPLER, L. A. (1987). The Positive and Negative Syndrome Scale (PANSS) for schizophrenia.<br />

Schizophrenia Bulletin, 13(2), 261-276.<br />

KAY, S. R. & SEVY, S. (1990). Pyramidical model of schizophrenia. Schizophrenia Bulletin, 16(3), 537-545.<br />

KEEFE, R. S. E. (2000). Working memory dysfunctions and its relevance to schizophrenia. In T. SHARMA & P. HARVEY<br />

(Hrsg.), Cognition in schizophrenia: Impairments, importance, and treatment strategies (S. 16-50). New York:<br />

Oxford University Press.<br />

KEEFE, R. S. E., BILDER, R. M., DAVIS, S. M., HARVEY, P. D., PALMER, B. W., GOLD, J. M., MELTZER, H. Y., GREEN, M. F.,<br />

CAPUANO, G., STROUP, T. S., MCEVOY, J. P., SWARTZ, M. S., ROSENHECK, R. A., PERKINS, D. O., DAVIS, C. E., HSIAO, J.<br />

K. & LIEBERMAN, J. A. (2007). Neurocognitive effects of antipsychotic medications in patients with chronic schizophrenia<br />

in the CATIE trial. Archives of General Psychiatry, 64(6), 633-647.<br />

KEEFE, R. S. E. & FENTON, W. S. (2007). How should DSM-V criteria for schizophrenia include cognitive impairment?<br />

Schizophrenia Bulletin, 33(4), 912-920.<br />

KELLEY, T. L. (1947). F<strong>und</strong>amentals of statistics. Oxford: Harvard University Press.


348<br />

Literatur<br />

KERN, R. S., GREEN, M. F., MARSHALL, B. D. Jr., WIRSHING, W. C., WIRSHING, D. MCGURK, S. R., MARDER, S. R. & MINTZ,<br />

J. (1999). Risperidone versus haloperidol on secondary memory: Can newer medications aid learning? Schizophrenia<br />

Bulletin, 25(2), 223-232.<br />

KERN, R. S., WALLACE, C. J., HELLMAN, S. G., WOMACK, L. M. & GREEN, M. F. (1996). A training procedure for<br />

remediating WCST deficits in chronic psychotic patients: An adaptation of errorless learning principles. Journal of<br />

Psychiatric Research, 30(4), 283-294.<br />

KERN, R. S., WALLACE, C. J., HELLMAN, S. G., WOMACK, L. M. & GREEN, M. F. (1997). 'A training procedure for<br />

remediating WCST deficits in chronic psychotic patients: An adaptation of errorless learning principles': Erratum.<br />

Journal of Psychiatric Research, 31(3), 1.<br />

KERNS, J. G., NUECHTERLEIN, K. H., BRAVER, T. S. & BARCH, D. M. (2008). Executive functioning component mechanisms<br />

and schizophrenia. Biological Psychiatry, 64, 26-33.<br />

KERR, A. & MCCLELLAND, H. (1991). (Hrsg.). Concepts of mental disorder: A continuing debate. London: Gaskell.<br />

KESHAVAN, M. S., TANDON, R., BOUTROS, N. N. & NASRALLAH, H. A. (2008). Schizophrenia, 'just the facts': What we know<br />

in 2008: Part 3: Neurobiology. Schizophrenia Research, 106(2-3), 89-107.<br />

KIKKERT, M. J.;, SCHENE, A. H., KOETER, M. W. J., ROBSON, D., BORN, A., HELM, H., NOSE, M., GOSS, C., THORNICROFT, G.<br />

& GRAY, R. J. (2006). Medication adherence in schizophrenia: Exploring patients', carers' and professionals' views.<br />

Schizophrenia Bulletin, 32(4), 786-794.<br />

KIM, C.-H., JAYATHILAKE, K. & MELTZER, H. Y. (2003). Hopelessness, neurocognitive function, and insight in schizophrenia:<br />

Relationship to suicidal behavior. Schizophrenia Research, 60(1), 71-80.<br />

KINDERMAN, P., SETZU, E., LOBBAN, F. & SALMON, P. (2006). Illness beliefs in schizophrenia. Social Science & Medicine,<br />

63(7), 1900-1911.<br />

KINGDON, D., GIBSON, A., KINOSHITA, Y., TURKINGTON, D., RATHOD, S. & MORRISON, A. (2008). Acceptable terminology<br />

and subgroups in schizophrenia: An exploratory study. Social Psychiatry and Psychiatric Epidemiology, 43(3),<br />

239-243.<br />

KIRCHER, T. T. J., KOCH, K., STOTTMEISTER, F. & DURST, V. (2007). Metacognition and reflexivity in patients with<br />

schizophrenia. Psychopathology, 40(4), 254-260.<br />

KIRCHER, T. T. J., SENIOR, C., PHILLIPS, M. L., BENSON, P. J., BULLMORE, E. T., BRAMMER, M., SIMMONS, A., WILLIAMS, S. C.<br />

R., BARTELS, M. & DAVID, A. S. (2000). Towards a functional neuroanatomy of self-processing: Effects of faces and<br />

words. Cognitive Brain Research, 10(1-2), 133-144.<br />

KIRKBY, K. C., MONTGOMERY, I. M., BADCOCK, R. & DANIELS, B. A. (1995). A comparison of age-related deficits in memory<br />

and frontal lobe function following oral lorazepam administration. Journal of Psychopharmacology, 9(4), 319-325.<br />

KIRKCALDY, B. D. (1986). Personality profiles of psychiatric groups. Personality and Individual Differences, 7(1), 125-<br />

126.<br />

KIRKCALDY, B. D. (1987). Personality correlates of Benton's Visual Retention Test. Personality and Individual<br />

Differences, 8(1), 141-143.<br />

KIRKPATRICK, B., FENTON, W. S., CARPENTER, W. T. JR. & MARDER, S. R. (2006). The NIMH-MATRICS consensus<br />

statement on negative symptoms. Schizophrenia Bulletin, 32(2), 214-219.<br />

KIRMAYER, L. J. & LOOPER, K. J. (2006). Abnormal illness behaviour: Physiological, psychological and social dimensions<br />

of coping with distress. Current Opinion in Psychiatry, 19(1), 54-60.<br />

KIZILBASH, A. & DONDERS, J. (1999). Latent structure of the Wisconsin Card Sorting Test after pediatric traumatic head<br />

injury. Child Neuropsychology, 5(4), 224-229.<br />

KLEIM, B., VAUTH, R., ADAM, G., STIEGLITZ, R.-D., HAYWARD, P. & CORRIGAN, P. (2008). Perceived stigma predicts low<br />

self-efficacy and poor coping in schizophrenia. Journal of Mental Health, 17(5), 482-491.<br />

KLEINMAN, A. (1980). Patients and healers in the context of culture. Berkeley, USA: University of California Press.<br />

KLERMAN, G. L. (1978). The evolution of a scientific nosology. In J. C. SHERSHOW (Hrsg.), Schizophrenia: science and<br />

practice (S. 99-121) Cambridge: Harvard University Press.<br />

KLESGES, R. C., WILKENING, G. N. & GOLDEN, C. J. (1981). Premorbid indices of intelligence: A review. Clinical<br />

Neuropsychology, 3(3), 32-39.<br />

KLIMITZ, H. (2006). Psychoedukation bei schizophrenen Störungen – Psychotherapie oder »Unterwanderung«?<br />

Psychiatrische Praxis, 33(8), 372-379.<br />

KNEGTERING, H. & BRUGGEMAN, R. (2007). What are the effects of antipsychotics on sexual functioning? Primary<br />

Psychiatry, 14(2), 51-56.<br />

KNIELING, J., WEIß, H. & FALLER, H. (2000). Psychosomatische Krankheitstheorien bei Myasthenia-gravis-Patienten –<br />

ein Ausdruck maladaptiver Krankheitsverarbeitung? Zeitschrift für Klinische Psychologie, Psychiatrie <strong>und</strong> Psychotherapie,<br />

48(1), 72-86.<br />

KNUDSON, B. & COYLE, A. (1999). Coping strategies for auditory hallucinations: A review. Counselling Psychology<br />

Quarterly, 12(1), 25-38.<br />

KO, N.-Y., YEH, M.-L., HSU, S.-T., CHUNG, H.-H. & YEN, C.-F. (2006). Investigation of insight formation using narrative<br />

analyses of people with schizophrenia in remission. Journal of Nervous and Mental Disease, 194(2), 124-127.<br />

KOBASA, S. C. (1979). Stressful life events, personality, and health: An inquiry into hardiness. Journal of Personality and<br />

Social Psychology, 37(1), 1-11.<br />

KOHS, S. C. (1923). Intelligence measurement. New York: Macmillan.


349<br />

Literatur<br />

KOLB, B. & WHISHAW, I. Q. (1985). F<strong>und</strong>amentals of human neuropsychology (2. Aufl.). New York: W. H. Freeman.<br />

KONGS, S. K., THOMPSON, L. L., IVERSON, G. L. & HEATON, R. K. (2000). WCST-64. Wisconsin Card Sorting Test – 64<br />

card version. Lutz, USA: Psychological Assessment Ressources.<br />

KOREN, D., SEIDMAN, L. J., HARRISON, R. H., LYONS, M. J., KREMEN, W. S., CAPLAN, B., GOLDSTEIN, J. M., FARAONE, S. V. &<br />

TSUANG, M. T. (1998). Factor structure of the Wisconsin Card Sorting Test: Dimensions of deficit in schizophrenia.<br />

Neuropsychology, 12(2), 289-302.<br />

KOREN, D., SEIDMAN, L. J., POYUROVSKY, M., GOLDSMITH, M., VIKSMAN, P., ZICHEL, S. & KLEIN, E. (2004). The<br />

neuropsychological basis of insight in first-episode schizophrenia: A pilot metacognitive study. Schizophrenia<br />

Research, 70(2-3), 195-202.<br />

KORTTE, K. B. & WEGENER, S. T. (2004). Denial of illness in medical rehabilitation populations: Theory, research, and<br />

definition. Rehabilitation Psychology, 49(3), 187-199.<br />

KRAKOW, K., HALTENHOF, H. & BÜHLER, K.-E. (1999). Coping with Parkinson's disease and refractory epilepsy. Journal<br />

of Nervous and Mental Disease, 187(18), 503-508.<br />

KREMEN, W. S., SEIDMAN, L. J., FARAONE, S. V., TOOMEY, R. & TSUANG, M. T. (2000). The paradox of normal neuropsychological<br />

function in schizophrenia. Journal of Abnormal Psychology, 109(4), 743-752.<br />

KROHNE, H. W. (1974). Investigations with a German form of (Byrne's) Repression-Sensitization Scale. Zeitschrift für<br />

Klinische Psychologie, 3(4), 238-260.<br />

KROHNE, H. W. (1993). Vigilance and cognitive avoidance as concepts in coping research. In H. W. Krohne (Hrsg.),<br />

Attention and avoidance: Strategies in coping with aversiveness (S. 19-50). Göttingen: Hogrefe & Huber.<br />

KROHNE, H. W. & EGLOFF, B. (1999). Das Angstbewältigungs-Inventar. ABI. Frankfurt a. M.: Swets.<br />

KRUCK, C. L., FLASHMAN, L. A., ROTH, R. M., KOVEN, N. S., MCALLISTER, T. W. & SAYKIN, A. J. (2009). Lack of<br />

relationship between psychological denial and unawareness of illness in schizophrenia-spectrum disorders. Psychiatry<br />

Research, 169(1), 33-38.<br />

KRUPA, T. (2005). <strong>Krankheitseinsicht</strong>, Copingstrategien <strong>und</strong> neurokognitive Beeinträchtigungen bei schizophrenen<br />

Patienten. Unveröffentlichte Diplomarbeit, Universität Osnabrück.<br />

KUHL, J. (2001). Motivation <strong>und</strong> Persönlichkeit. Interaktionen psychischer Systeme. Göttingen: Hogrefe.<br />

KUHN, D., GARCIA-MILA, M., ZOHAR, A. & ANDERSEN, C. (1995). Strategies of knowledge acquisition. Monographs of the<br />

Society for Research in Child Development, 60(4, Serie 245), 1-128.<br />

KURTZ, M. M. (2005). Neurocognitive impairment across the lifespan in schizophrenia: An update. Schizophrenia<br />

Research, 74(1), 15-26.<br />

KURTZ, M. M., JEFFREY, S. B. & ROSE, J. (im Druck). Elementary neurocognitive function, learning potential and<br />

everyday life skills in schizophrenia: What is their relationship? Schizophrenia Research.<br />

KURTZ, M. M., MOBERG, P. J., GUR, R. C. & GUR, R. E. (2001). Approaches to cognitive remediation of neuropsychological<br />

deficits in schizophrenia: A review and meta-analysis. Neuropsychology Review, 11(4), 197-210.<br />

KURTZ, M. M. & WEXLER, B. E. (2006). Differences in performance and learning proficiency on the Wisconsin Card<br />

Sorting Test in schizophrenia: Do they reflect distinct neurocognitive subtypes with distinct functional profiles?<br />

Schizophrenia Research, 81(2-3), 167-171.<br />

LACRO, J. P., DUNN, L. B., DOLDER, C. R., LECKBAND, S. G. & JESTE, D. V. (2002). Prevalence of and risk factors for<br />

medication nonadherence in patients with schizophrenia: A comprehensive review of recent literature. Journal of<br />

Clinical Psychiatry, 63(10), 892-909.<br />

LALLY, S. J. (1989). 'Does being in here mean there is something wrong with me?' Schizophrenia Bulletin, 15(2), 253-<br />

265.<br />

LANDA, Y., SILVERSTEIN, S. M., SCHWARTZ, F. & SAVITZ, A. (2006). Group cognitive behavioral therapy for delusions:<br />

Helping patients improve reality testing. Journal of Contemporary Psychotherapy, 36(1), 9-17.<br />

LANDIS, J. R. & KOCH, G. G. (1977). The measurement of observer agreement for categorical data. Biometrics, 33(1), 159-<br />

174.<br />

LANG, A., BERGHOFER, G., KAGER, A., STEINER, E., SCHMITZ, M., SCHMIDL, F. & RUDAS, S. (2003). Predictors of insight into<br />

mental illness among psychotic and non-psychotic patients. European Journal of Psychiatry, 17(4), 213-222.<br />

LANGDON, R., CORNER, T., MCLAREN, J., WARD, P. B. & COLTHEART, M. (2006). Externalizing and personalizing biases in<br />

persecutory delusions: The relationship with poor insight and theory-of-mind. Behaviour Research and Therapy,<br />

44(5), 699-713.<br />

LANGDON, R. & WARD, P. B. (2009). Taking the perspective of the other contributes to awareness of illness in schizophrenia.<br />

Schizophrenia Bulletin, 35(5), 1003-1011.<br />

LANYON, R. I. & CARLE, A. C. (2007). Internal and external validity of scores on the Balanced Inventory of Desirable<br />

Responding and the Paulhus Deception Scales. Educational and Psychological Measurement, 67(5), 859-876.<br />

LARØI, F., FANNEMEL, M., RONNEBERG, U., FLEKKOY, K., OPJORDSMOEN, S., DULLERUD, R. & HAAKONSEN, M. (2000).<br />

Unawareness of illness in chronic schizophrenia and its relationship to structural brain measures and neuropsychological<br />

tests. Psychiatry Research: Neuroimaging, 100(1), 49-58.<br />

LARUELLE, M. & ABI-DARGHAM, A. (1999). Dopamine as the wind of the psychotic fire: New evidence from brain imaging<br />

studies. Journal of Psychopharmacology, 13(4), 358-371.<br />

LAUVENG, A. (2008). Morgen bin ich ein Löwe. Wie ich die Schizophrenie besiegte. München: btb.


LAUX, L. & WEBER, H. (1987). Person-centred coping research. European Journal of Personality, 1(3), 193-214.<br />

350<br />

Literatur<br />

LAUX, L. & WEBER, H. (1991). Presentation of self in coping with anger and anxiety: An intentional approach. Anxiety<br />

Research, 3(4), 233-255.<br />

LAVIE, N., HIRST, A., DE FOCKERT, J. W. & VIDING, E. (2004). Load Theory of Selective Attention and Cognitive Control.<br />

Journal of Experimental Psychology: General, 133(3), 339-354.<br />

LAWS, K. R. (1999). A meta-analytic review of Wisconsin Card Sort studies in schizophrenia: General intellectual deficit<br />

in disguise? Cognitive Neuropsychiatry, 4(1), 1-30.<br />

LAZARUS, R. S. (1966). Psychological stress and the coping process. New York: McGraw-Hill.<br />

LAZARUS, R. S. & FOLKMAN, S. (1984). Stress, appraisal, and coping. New York: Springer.<br />

LAZARUS, R. S. & FOLKMAN, S. (1987). Transactional theory and research on emotions and coping. European Journal of<br />

Personality, 1, 141-169.<br />

LEE, J. & PARK, S. (2005). Working memory impairments in schizophrenia: A meta-analysis. Journal of Abnormal<br />

Psychology, 114(4), 599-611.<br />

LEE-BAGGLEY, D., PREECE, M. & DELONGIS, A. (2005). Coping with interpersonal stress: Role of Big Five traits. Journal of<br />

Personality, 73(5), 1141-1180.<br />

LEVINE, J., WARRENBURG, S., KERNS, R., SCHWARTZ, G., DELANEY, R., FONTANA, A. et al. (1987). The role of denial in<br />

recovery from coronary heart disease. Psychosomatic Medicine, 49(2), 109-117.<br />

LEVINE, S. Z. & RABINOWITZ, J. (2007). Revisiting the 5 dimensions of the Positive and Negative Syndrome Scale.<br />

Journal of Clinical Psychopharmacology, 27(5), 431-436.<br />

LEWINE, R. R. J. (2005). Social class of origin, lost potential, and hopelessness in schizophrenia. Schizophrenia<br />

Research, 76(2-3), 329-335.<br />

LEWIS, A. (1934). The psychopathology of insight. British Journal of Medical Psychology, 14, 332-348.<br />

LEWIS, L. (2004). Mourning, insight, and reduction of suicide risk in schizophrenia. Bulletin of the Menninger Clinic,<br />

68(3), 231-244.<br />

LEZAK, M. D. (1983). Neuropsychological assessment (2. Aufl.) New York: Oxford University Press.<br />

LIDZ, C. & ELLIOTT, J. G. (2000) (Hrsg.). Dynamic assessment: Prevailing models and applications. Amsterdam:<br />

Elsevier.<br />

LIE, C. H., SPECHT, K., MARSHALL, J. C. & FINK, G. R. (2006). Using fMRI to decompose the neural processes <strong>und</strong>erlying<br />

the Wisconsin Card Sorting Test. Neuroimage, 30(3), 1038-1049.<br />

LIN, C. C. H., CHEN, W. J., YANG, H.-J., HSIAO, C. K. & TIEN, A. Y. (2000). Performance on the Wisconsin Card Sorting<br />

Test among adolescents in Taiwan: Norms, factorial structure, and relation to schizotypy. Journal of Clinical and<br />

Experimental Neuropsychology, 22(1), 69-79.<br />

LIN, I. F., SPIGA, R. & FORTSCH, W. (1979). Insight and adherence to medication in chronic schizophrenics. Journal of<br />

Clinical Psychiatry, 40(10), 430-432.<br />

LINCOLN, T. M., LÜLLMANN, E. & RIEF, W. (2007). Correlates and long-term consequences of poor insight in patients with<br />

schizophrenia. A systematic review. Schizophrenia Bulletin, 33(6), 1324-1342.<br />

LINDEN, M., SCHEEL, T. & RETTIG, K. (2007). Validation of the factorial structure of the Positive and Negative Syndrome<br />

Scale in use by untrained psychiatrists in routine care. International Journal of Psychiatry in Clinical Practice,<br />

11(1), 53-60.<br />

LINDEN, W., PAULHUS, D. L. & DOBSON, K. S. (1986). Effects of response styles on the report of psychological and somatic<br />

distress. Journal of Consulting and Clinical Psychology, 54(3), 309-313.<br />

LINK, B. G., CULLEN, F. T., STRUENING, E., SHROUT, P. E. & DOHRENWEND, B. P. (1989). A modified labeling theory<br />

approach to mental disorders: An empirical assessment. American Sociological Review, 54(3), 400-423.<br />

LINK, B. G. & PHELAN, J. C. (2001). Conceptualizing stigma. Annual Review of Sociology, 27, 363-385.<br />

LINN, R. L. & SLINDE, J. A. (1977). The determination of the significance of change between pre- and posttesting periods.<br />

Review of Educational Research, 47(1), 121-150.<br />

LIPOWSKI, Z. J. (1970). Physical illness, the individual, and the coping process. Psychiatric Medicine, 1(2), 91-102.<br />

LOBBAN, F., BARROWCLOUGH, C. & JONES, S. (2003). A review of the role of illness models in severe mental illness.<br />

Clinical Psychology Review, 23, 171–196.<br />

LOBBAN, F., BARROWCLOUGH, C. & JONES, S. (2004). The impact of beliefs about mental health problems and coping on<br />

outcome in schizophrenia. Psychological Medicine, 34(7), 1165-1176.<br />

LOBBAN, F., BARROWCLOUGH, C. & JONES, S. (2005). Assessing cognitive representations of mental health problems. I.<br />

The illness perception questionnaire for schizophrenia. British Journal of Clinical Psychology, 44(2), 147-162.<br />

LÖFFLER, W., KILIAN, R., TOUMI, M. & ANGERMEYER, M. C. (2003). Schizophrenic patients' subjective reasons for<br />

compliance and noncompliance with neuroleptic treatment. Pharmacopsychiatry, 36(3), 105-112.<br />

LORD, F. M. & NOVICK, M. R. (1968). Statistical theories of mental test scores. Oxford, England: Addison-Wesley.<br />

LUCHINS, D. J. (2004). At issue: Will the term brain disease reduce stigma and promote parity for mental illnesses?<br />

Schizophrenia Bulletin, 30(4), 1043-1048.<br />

LUX, S., HELMSTAEDTER, C. & ELGER, C. E. (1999). Normierungsstudie zum Verbalen Lern- <strong>und</strong> Merkfähigkeitstest<br />

(VLMT). Diagnostica, 45(4), 205-211.


351<br />

Literatur<br />

LYSAKER, P. H. & BELL, M. (1994). Insight and cognitive impairment in schizophrenia: Performance on repeated<br />

administrations of the Wisconsin Card Sorting Test. Journal of Nervous and Mental Disease, 182(11), 656-660.<br />

LYSAKER, P. H., BELL, M. & BEAM-GOULET, J. (1995). Wisconsin Card Sorting Test and work performance in schizophrenia.<br />

Psychiatry Research, 56(1), 45-51.<br />

LYSAKER, P. H., BELL, M. D., BRYSON, G. J. & KAPLAN, E. (1998). Insight and interpersonal function in schizophrenia.<br />

Journal of Nervous and Mental Disease, 186(7), 432-436.<br />

LYSAKER, P. H., CARCIONE, A., DIMAGGIO, G., JOHANNESEN, J. K., NICOLÒ, G., PROCACCI, M. & SEMERARI, A. (2005).<br />

Metacognition amidst narratives of self and illness in schizophrenia: Associations with neurocognition, symptoms,<br />

insight and quality of life. Acta Psychiatrica Scandinavica, 112(1), 64-71.<br />

LYSAKER, P. H., CLEMENTS, C. A., PLASCAK-HALLBERG, C. D., KNIPSCHEER, S. J. & WRIGHT, D. E. (2002). Insight and<br />

personal narratives of illness in schizophrenia. Psychiatry: Interpersonal and Biological Processes, 65(3), 197-206.<br />

LYSAKER, P. H., DAVIS, L. W., WARMAN, D. M., STRASBURGER, A. & BEATTIE, N. (2007). Stigma, social function and<br />

symptoms in schizophrenia and schizoaffective disorder: Associations across 6 months. Psychiatry Research, 149(1-<br />

3), 89-95.<br />

LYSAKER, P. H., LANCASTER, R. S., DAVIS, L. W. & CLEMENTS, C. A. (2003). Patterns of neurocognitive deficits and<br />

unawareness of illness in schizophrenia. Journal of Nervous and Mental Disease, 191(1), 38-44.<br />

LYSAKER, P. H., ROE, D. & YANOS, P. T. (2007). Toward <strong>und</strong>erstanding the insight paradox: Internalized stigma<br />

moderates the association between insight and social functioning, hope, and self-esteem among people with schizophrenia<br />

spectrum disorders. Schizophrenia Bulletin, 33(1), 192-199.<br />

LYSAKER, P. H. & SALYERS, M. P. (2007). Anxiety symptoms in schizophrenia spectrum disorders: Associations with social<br />

function, positive and negative symptoms, hope and trauma history. Acta Psychiatrica Scandinavica, 116(4), 290-<br />

298.<br />

LYSAKER, P. H., TAYLOR, A., MILLER, A., BEATTIE, N., STRASBURGER, A. & DAVIS, L. W. (2006). The Scale to Assess<br />

Narrative Development: Association with other measures of self and readiness for recovery in schizophrenia spectrum<br />

disorders. Journal of Nervous and Mental Disease, 194(3), 223-225.<br />

LYSAKER, P. H., WHITNEY, K. A. & DAVIS, L. W. (2006). Awareness of illness in schizophrenia: Associations with multiple<br />

assessments of executive function. Journal of Neuropsychiatry & Clinical Neurosciences, 18(4), 516-520.<br />

MAASSEN, G. H. (2000a). Kelley's formula as a basis for the assessment of reliable change. Psychometrika, 65(2), 187-<br />

197.<br />

MAASSEN, G. H. (2000b). Principles of defining reliable change indices. Journal of Clinical and Experimental<br />

Neuropsychology, 22(5), 622-632.<br />

MAASSEN, G. H. (2001). The unreliable change of reliable change indices. Behaviour Research and Therapy, 39(4), 495-<br />

498.<br />

MAASSEN, G. H. (2004). The standard error in the Jacobson and Truax Reliable Change Index: The classical approach to<br />

the assessment of reliable change. Journal of the International Neuropsychological Society, 10(6), 888-893.<br />

MACPHERSON, R., JERROM, B. & HUGHES, A. (1996a). A controlled study of education about drug treatment in<br />

schizophrenia. British Journal of Psychiatry, 168(6), 709-717.<br />

MACPHERSON, R., JERROM, B. & HUGHES, A. (1996b). Relationship between insight, educational backgro<strong>und</strong> and<br />

cognition in schizophrenia. British Journal of Psychiatry, 168(6), 718-722.<br />

MAIER-RIEHLE, B. & ZWINGMANN, C. (2000). Effektstärkevarianten beim Eingruppe-Prä-Post-Design: Eine kritische<br />

Betrachtung. Rehabilitation, 39, 189-199.<br />

MALMO, H. P. (1974). On frontal lobe functions: Psychiatric patient controls. Cortex, 10(3), 231-237.<br />

MANSOURI, F. A. & TANAKA, K. (2002). Behavioral evidence for working memory of sensory dimension in macaque<br />

monkeys. Behavioural Brain Research, 136(2), 415-426.<br />

MARKOVÁ, I. S. (2005). Insight in psychiatry. Cambridge: University Press.<br />

MARKOVÁ, I. S. & BERRIOS, G. E. (1992a). The meaning of insight in clinical psychiatry. British Journal of Psychiatry,<br />

160, 850-860.<br />

MARKOVÁ, I. S. & BERRIOS, G. E. (1992b). The assessment of insight in clinical psychiatry: A new scale. Acta Psychiatrica<br />

Scandinavica, 86(2), 159-164.<br />

MARKOVÁ, I. S. & BERRIOS, G. E. (1995a). Insight in clinical psychiatry: A new model. Journal of Nervous and Mental<br />

Disease, 183(12), 743-751.<br />

MARKOVÁ, I. S. & BERRIOS, G. E. (1995b). Insight in clinical psychiatry revisited. Comprehensive Psychiatry, 36(5), 367-<br />

376.<br />

MARKOVÁ, I. S., ROBERTS, K. H., GALLAGHER, C., BOOS, H., MCKENNA, P. J. & BERRIOS, G. E. (2003). Assessment of insight<br />

in psychosis: A re-standardization of a new scale. Psychiatry Research, 119(1-2), 81-88.<br />

MARTIN, R., ROTHROCK, N., LEVENTHAL, H. & LEVENTHAL, E. (2003). Common sense models of illness: Implications for<br />

symptom perception and health-related behaviors. In J. Suls & K. A. Wallston (Hrsg.), Social psychological fo<strong>und</strong>ations<br />

of health and illness (S. 199-225). Malden, MA, USA: Blackwell Publishing.<br />

MARTÍNEZ, M. P. & BOTELLA, C. (2005). An exploratory study of the efficacy of a cognitive-behavioral treatment for<br />

hypochondriasis using different measures of change. Psychotherapy Research, 15(4), 392-408.


352<br />

Literatur<br />

MARWAHA, S. & JOHNSON, S. (2004). Schizophrenia and employment: A review. Social Psychiatry and Psychiatric<br />

Epidemiology, 39(5), 337-349.<br />

MAß, R. (2001). ESI. Eppendorfer Schizophrenie-Inventar. Manual. Göttingen: Hogrefe.<br />

Maß, R. (2003). Charakteristische Selbstwahrnehmungen kognitiver Dysfunktionen Schizophrener. Aachen: Shaker.<br />

MAß, R., HAASEN, C. & WOLF, K. (2000). Das Eppendorfer Schizophrenie-Inventar (ESI). Entwicklung <strong>und</strong> Evaluation<br />

eines Fragebogens zur Erfassung charakteristischer Selbstwahrnehmungen kognitiver Dysfunktionen schizophren<br />

Erkrankter. Nervenarzt, 71(11), 885-892.<br />

MAß, R., SCHOEMIG, T., HITSCHFELD, K., WALL, E. & HAASEN, C. (2000). Psychopathological syndromes of schizophrenia:<br />

Evaluation of the dimensional structure of the Positive and Negative Syndrome Scale. Schizophrenia Bulletin, 26(1),<br />

167-177.<br />

MASUDA, M. & HOLMES, T. H. (1978). Life events: Perceptions and frequencies. Psychosomatic Medicine, 40(3), 236-261.<br />

MATTES, R., COHEN, R., BERG, P., CANAVAN, A. G. & HOPMANN, G. (1991). Slow cortical potentials (SCPs) in schizophrenic<br />

patients during performance of the Wisconsin card-sorting test (WCST). Neuropsychologia, 29(2), 195-205.<br />

MAYER-GROSS, W. (1920). Über die Stellungnahme zur abgelaufenen akuten Psychose. Eine Studie über verständliche<br />

Zusammenhänge in der Schizophrenie. Zeitschrift für die gesamte Neurologie <strong>und</strong> Psychiatrie, 60, 160-212.<br />

MAZEH, D., BODNER, E., WEIZMAN, R., CHOLOSTOY, A., BARAK, Y., MARTIN, T. & DELAYAHU, Y. (2009). Co-morbid social<br />

phobia in schizophrenia. International Journal of Social Psychiatry, 55(3), 198-202.<br />

MCCABE, R. & PRIEBE, S. (2004). Explanatory models of illness in schizophrenia: Comparison of four ethnic groups.<br />

British Journal of Psychiatry, 185(1), 25-30.<br />

MCCABE, R. & QUAYLE, E. (2002). Knowing your own mind. The Psychologist, 15(1), 14-16.<br />

MCCABE, R., QUAYLE, E., BEIRNE, A. D. & DUANE, M. M. A. (2000). Is there a role for compliance in the assessment of<br />

insight in chronic schizophrenia? Psychology, Health & Medicine, 5(2), 173-178.<br />

MCCABE, R., QUAYLE, E., BEIRNE, A. D. & DUANE, M. M. A. (2002). Insight, global neuropsychological functioning and<br />

symptomatology in chronic schizophrenia. Journal of Nervous and Mental Disease, 190(8), 519-525.<br />

MCCAFFREY, R. J., DUFF, K. & WESTERVELT, H. J. (2000). Practitioner's guide to evaluating change with neuropsychological<br />

assessment instruments. Dordrecht, Niederlande: Kluwer Academic Publishers.<br />

MCCAY, E. A. & SEEMAN, M. V. (1998). A scale to measure the impact of a schizophrenic illness on an individual's selfconcept.<br />

Archives of Psychiatric Nursing, 12(1), 41-49.<br />

MCCLELLAND, D. C., KOESTNER, R. & WEINBERGER, J. (1989). How do self-attributed and implicit motives differ?<br />

Psychological Review, 96(4), 690-702.<br />

MCCLELLAND, G. H. & JUDD, C. M. (1993). Statistical difficulties of detecting interactions and moderator effects.<br />

Psychological Bulletin, 114(2), 376-390.<br />

MCDONALD, E.M., PICA, S. & MCDONALD, S. (1998). Stress and coping in early psychosis: Role of symptoms, self-efficacy,<br />

and social support in coping with stress. British Journal of Psychiatry, 172(33), 122-127.<br />

MCDONALD-SCOTT, P., MACHIZAWA, S. & SATOH, H. (1992). Diagnostic disclosure: A tale in two cultures. Psychological<br />

Medicine, 22(1), 147-157.<br />

MCEVOY, J. P., APPERSON, L. J., APPELBAUM, P. S., ORTLIP, P., BRECOSKY, J., HAMMILL, K., GELLER, J. L. & ROTH, L. (1989).<br />

Insight in schizophrenia: Its relationship to acute psychopathology. Journal of Nervous and Mental Disease, 177(1),<br />

43-47.<br />

MCEVOY, J. P., HARTMAN, M., GOTTLIEB, D., GODWIN, S., APPERSON, L. J. & WILSON, W. (1996). Common sense, insight,<br />

and neuropsychological test performance in schizophrenia patients. Schizophrenia Bulletin, 22(4), 635-641.<br />

MCEVOY, J. P., JOHNSON, J., PERKINS, D., LIEBERMAN, J. A., HAMER, R. M., KEEFE, R. S. E., TOHEN, M., GLICK, I. D. &<br />

SHARMA, T. (2006). Insight in first-episode psychosis. Psychological Medicine, 36(10), 1385-1393.<br />

MCEVOY, J. P., SCHOOLER, N. R., FRIEDMAN, E., STEINGARD, S. & ALLEN, M. (1993). Use of psychopathology vignettes by<br />

patients with schizophrenia or schizoaffective disorder and by mental health professionals to judge patients' insight.<br />

American Journal of Psychiatry, 150(11), 1649-1653.<br />

MCGHIE, A. & CHAPMAN, J. (1961). Disorders of attention and perception in early schizophrenia. British Journal of<br />

Medical Psychology, 34, 103-116.<br />

MCGLASHAN, T. H. (1987). Recovery style from mental illness and long-term outcome. Journal of Nervous and Mental<br />

Disease, 175(11), 681-685.<br />

MCGLASHAN, T. H., LEVY, S. T. & CARPENTER, W. T. (1975). Integration and sealing over. Archives of General Psychiatry,<br />

32(10), 1269-1272.<br />

MCGLASHAN, T. H., WADESON, H. S., CARPENTER, W. T. & LEVY, S. T. (1977). Art and recovery style from psychosis.<br />

Journal of Nervous and Mental Disease, 164(3), 182-190.<br />

MCGLINCHEY, J. B., ATKINS, D. C. & JACOBSON, N. S. (2002). Clinical significance methods: Which one to use and how<br />

useful are they? Behavior Therapy, 33(4), 529-550.<br />

MCGLINCHEY, J. B., ATKINS, D. C. & JACOBSON, N. S. (2003). 'Clinical significance methods: Which one to use and how<br />

useful are they?': Erratum. Behavior Therapy, 34(1), 127.<br />

MCGLYNN, S. M. & SCHACTER, D. L. (1989). Unawareness of deficits in neuropsychological syndromes. Journal of Clinical<br />

and Experimental Neuropsychology, 11(2), 143-205.<br />

MCGLYNN, S. M. & SCHACTER, D. L. (1997). The neuropsychology of insight: Impaired awareness of deficits in a<br />

psychiatric context. Psychiatric Annals, 27(12), 806-811.


353<br />

Literatur<br />

MCGUIGAN, F. J. (1974). Amount learned: An empirical basis for grading teachers and students. Teaching of Psychology,<br />

1(1), 10-15.<br />

MCGURK, S. R., COLEMAN, T., HARVEY, P. D., REICHENBERG, A., WHITE, L., FRIEDMAN, J., PARRELLA, M. & DAVIS, K. L.<br />

(2004). Working Memory Performance in Poor Outcome Schizophrenia: Relationship to Age and Executive Functioning.<br />

Journal of Clinical and Experimental Neuropsychology, 26(2), 153-160.<br />

MCGURK, S. R., TWAMLEY, E. W., SITZER, D. I., MUESER, K. T. & MCHUGO, G. J. (2007). A meta-analysis of cognitive<br />

remediation in schizophrenia. American Journal of Psychiatry, 164(12), 1791-1802.<br />

MCKAY, D., NEZIROGLU, F., TODARO, J. & YARYURA-TOBIAS, J. A. (1996). Changes in personality disorders following<br />

behavior therapy for obsessive-compulsive disorder. Journal of Anxiety Disorders, 10(1), 47-57.<br />

MCKENNA, M. C., ZEVON, M. A., CORN, B. & ROUNDS, J. (1999). Psychosocial factors and the development of breast cancer:<br />

A meta-analysis. Health Psychology, 18(5), 520-531.<br />

MCLEOD, H. J., COERTZE, L. & MOORE, E. (2009). The relationship between insight and social rank appraisals in people<br />

with schizophrenia. British Journal of Clinical Psychology, 48(3), 329-334.<br />

MCPHERSON, F. M., PRESLY, A. S., ARMSTRONG, J. & CURTIS, R. H. (1974). 'Psychoticism' and psychotic illness. British<br />

Journal of Psychiatry, 125(585), 152-160.<br />

MCSWEENY, A. J., NAUGLE, R. I., CHELUNE, G. J. & LÜDERS, H. (1993). 'T Scores for Change': An illustration of a<br />

regression approach to depicting change in clinical neuropsychology. Clinical Neuropsychologist, 7(3), 300-312.<br />

MECHANIC, D. (1991). Some modes of adaptation: Defense. In A. MONAT & R. S. LAZARUS (Hrsg.), Stress and coping: An<br />

anthology (3. Aufl.) (S. 337-351). New York: Columbia University Press.<br />

MECHANIC, D., MCALPINE, D., ROSENFIELD, S. & DAVIS, D. (1994). Effects of illness attribution and depression on the<br />

quality of life among persons with serious mental illness. Social Science & Medicine, 39(2), 155-164.<br />

MEDALIA, A. & THYSEN, J. (2008). Insight into neurocognitive dysfunction in schizophrenia. Schizophrenia Bulletin,<br />

34(6), 1221-1230.<br />

MENNINGER, K. A. (1954). Psychological aspects of the organism <strong>und</strong>er stress. Part I: The homeostatic regulatory<br />

function of the ego. Journal of the American Psychoanalytic Association, 2, 67-106.<br />

MESHOLAM-GATELY, R. I., GIULIANO, A. J., GOFF, K. P., FARAONE, S. V. & SEIDMAN, L. J. (2009). Neurocognition in firstepisode<br />

schizophrenia: A meta-analytic review. Neuropsychology, 23(3), 315-336.<br />

METZ, J. T., JOHNSON, M. D., PLISKIN, N. H. & LUCHINS, D. J. (1994). Maintenance of training effects on the Wisconsin<br />

Card Sorting Test by patients with schizophrenia or affective disorders. American Journal of Psychiatry, 151(1),<br />

120-122.<br />

MILLER, B. L. & CUMMINGS, J. L. (1999). (Hrsg.). The human frontal lobes. Functions and disorders. New York:<br />

Guilford.<br />

MILLER, P. H. (2002). Theories of developmental psychology (4. Aufl.). New York: Worth.<br />

MILLER, R. & MASON, S. E. (2005). Shame and guilt in first-episode schizophrenia and schizoaffective disorders. Journal<br />

of Contemporary Psychotherapy, 35(2), 211-221.<br />

MILLER, S. M. (1987). Monitoring and blunting: Validation of a questionnaire to assess styles of information seeking<br />

<strong>und</strong>er threat. Journal of Personality and Social Psychology, 52(2), 345-353.<br />

MILLER, S. M. (1989). Cognitive informational styles in the process of coping with threat and frustration. Advances in<br />

Behaviour Research & Therapy, 11(4), 223-234.<br />

MILLER, S. M., RODOLETZ, M., SCHROEDER, C. M., MANGAN, C. E. & SEDLACEK, T. V. (1996). Applications of the monitoring<br />

process model to coping with severe long-term medical threats. Health Psychology, 15(3), 216-225.<br />

MILNER, B. (1963). Effect of different brain lesions on card sorting. The role of the frontal lobes. Archives of Neurology,<br />

9, 100-110.<br />

MINAUF, M. (2005). Psychoanalytische Aspekte zur Ätiologie <strong>und</strong> zum Verständnis schizophrener Psychosen.<br />

Fortschritte der Neurologie, Psychiatrie, 73(1), 78-83.<br />

MINTZ, A. R., DOBSON, K. S. & ROMNEY, D. M. (2003). Insight in schizophrenia: A meta-analysis. Schizophrenia<br />

Research, 61(1), 75-88.<br />

MIYAKE, A. & SHAH, P. (1999). (Hrsg.). Models of working memory: Mechanisms of active maintenance and executive<br />

control. New York: Cambridge University Press.<br />

MODESTIN, J., SOULT, J. & MALTI, T. (2004). Correlates of Coping Styles in Psychotic Illness. Psychopathology, 37(4),<br />

175-180.<br />

MÖLLER-LEIMKÜHLER, A. M., BOTTLENDER, R., STRAUß, A. & RUTZ, W. (2004). Is there evidence for a male depressive<br />

syndrome in inpatients with major depression? Journal of Affective Disorders, 80(1), 87-93.<br />

MONSELL, S. (2003). Task switching. Trends in Cognitive Sciences, 7(3), 134-140.<br />

MONTEIRO, L. C., SILVA, V. A. & LOUZÃ, M. R. (2008). Insight, cognitive dysfunction and symptomatology in schizophrenia.<br />

European Archives of Psychiatry and Clinical Neuroscience, 258(7), 402-405.<br />

MOORE, A., SELLWOOD, W. & STIRLING, J. (2000). Compliance and psychological reactance in schizophrenia. British<br />

Journal of Clinical Psychology, 39(3), 287-295.<br />

MOORE, O., CASSIDY, E., CARR, A. & O'CALLAGHAN, E. (1999). Unawareness of illness and its relationship with depression<br />

and self-deception in schizophrenia. European Psychiatry, 14(5), 264-269.<br />

MOOS, R. H. & HOLAHAN, C. J. (2003). Dispositional and contextual perspectives on coping: Toward an integrative<br />

framework. Journal of Clinical Psychology, 59(12), 1387-1403.


354<br />

Literatur<br />

MORICE, R. & DELAHUNTY, A. (1996). Frontal/ executive impairments in schizophrenia. Schizophrenia Bulletin, 22(1),<br />

125-137.<br />

MORITZ, S., IVERSON, G. L. & WOODWARD, T. S. (2003). Reliable change indexes for memory performance in schizophrenia<br />

as a means to determine drug-induced cognitive decline. Applied Neuropsychology, 10(2), 115-120.<br />

MORITZ, S., WOODWARD, T. S., JELINEK, L. & KLINGE, R. (2008). Memory and metamemory in schizophrenia: A liberal<br />

acceptance account of psychosis. Psychological Medicine, 38(6), 825-832.<br />

MORRIS, R. G., EVENDEN, J. L., SAHAKIAN, B. J. & ROBBINS, T. W. (1987). Computer-aided assessment of dementia:<br />

Comparative studies of neuropsychological deficits in Alzheimer-type dementia and Parkinson's disease. In S. M.<br />

STAHL, S. D. IVERSEN & E. C. GOODMAN (Hrsg.), Cognitive neurochemistry (S. 21-36). New York: Oxford University<br />

Press.<br />

MOUNTAIN, M. A. & SNOW, W. G. (1993). Wisconsin Card Sorting Test as a measure of frontal pathology: A review.<br />

Clinical Neuropsychologist, 7(1), 108-118.<br />

MOYER, A. & LEVINE, E. G. (1998). Clarification of the conceptualization and measurement of denial in psychosocial<br />

oncology research. Annals of Behavioral Medicine, 20(3), 149-160.<br />

MÜLLER, B. (2008). Exekutive Funktionen bei Schizophrenie. In T. KIRCHER & S. GAUGGEL (Hrsg.), Neuropsychologie<br />

der Schizophrenie. Symptome, Kognition, Gehirn (S. 285-302). Heidelberg: Springer Medizin.<br />

MÜLLER, M. J., ROSSBACH, W., DAVIDS, E., WETZEL, H. & BENKERT, O. (2000). Evaluation eines standardisierten<br />

Trainings für die “Positive and Negative Syndrome Scale” (PANSS). Nervenarzt, 71(3), 195-204.<br />

MUSCH, J., BROCKHAUS, R. & BRÖDER, A. (2002). Ein Inventar zur Erfassung von zwei Faktoren sozialer Erwünschtheit.<br />

Diagnostica, 48(3), 121-129.<br />

MUTSATSA, S. H., JOYCE, E. M., HUTTON, S. B. & BARNES, T. R. E. (2006). Relationship between insight, cognitive function,<br />

social function and symptomatology in schizophrenia: The West London first episode study. European Archives of<br />

Psychiatry and Clinical Neuroscience, 256(6), 356-363.<br />

MUTHNY, F.A. (1989). Freiburger Fragebogen zur Krankheitsverarbeitung. Weinheim: Beltz.<br />

MUTSATSA, S. H., JOYCE, E. M., HUTTON, S. B., WEBB, E., GIBBINS, H., PAUL, S. & BARNES, T. R. E. (2003). Clinical<br />

correlates of early medication adherence: West London first episode schizophrenia study. Acta Psychiatrica Scandinavica,<br />

108(6), 439-446.<br />

MYERS, L. B., & BREWIN, C. (1996). Illusions of well-being and the repressive coping style. British Journal of Social<br />

Psychology, 35(4), 443–457.<br />

MYERS, L. B., BREWIN, C. R. & POWER, M. J. (1998). Repressive coping and the directed forgetting of emotional material.<br />

Journal of Abnormal Psychology, 107(1), 141-148.<br />

MYSORE, A., PARKS, R. W., LEE, K.-H., BHAKER, R. S., BIRKETT, P. & WOODRUFF, P. W. R. (2007). Neurocognitive basis of<br />

insight in schizophrenia. British Journal of Psychiatry, 190, 529-530.<br />

NACHTIGALL, C. & SUHL, U. (2002a). Regression zur Mitte. Mythos <strong>und</strong> Wirklichkeit. metheval report 4(2). Verfügbar<br />

unter: www.uni-jena.de/metheval/report/<br />

NACHTIGALL, C. & SUHL, U. (2002b). Warum kompliziert, wenn es auch einfach geht? Teil 1: Zur Analyse intraindividueller<br />

Veränderung. metheval report 4(3). Verfügbar unter: www.uni-jena.de/metheval/report/<br />

NACHTIGALL, C. & SUHL, U. (2002c). Warum kompliziert, wenn es auch einfach geht? Teil 2: Ergebnisse einer<br />

Simulationsstudie zum Vergleich von Veränderungskennwerten. metheval report 4(4). Verfügbar unter: www.unijena.de/metheval/report/<br />

NACHTIGALL, C. & SUHL, U. (2005). Evaluation intraindividueller Veränderung. Ein Vergleich verschiedener Veränderungskennwerte.<br />

Zeitschrift für klinische Psychologie <strong>und</strong> Psychotherapie, 34(4), 241-247.<br />

NAGEOTTE, C., SULLIVAN, G., DUAN, N. & CAMP, P. L. (1997). Medication compliance among the seriously mentally ill in a<br />

public mental health system. Social Psychiatry and Psychiatric Epidemiology, 32(2), 49-56.<br />

NASAR, S. (1998). A beautiful mind. New York: Simon & Schuster.<br />

NEIGHBORS, H. W., TRIERWEILER, S. J., FORD, B. C. & MUROFF, J. R. (2003). Racial Differences in DSM Diagnosis Using a<br />

Semi-Structured Instrument: The Importance of Clinical Judgment in the Diagnosis of African Americans. Journal<br />

of Health and Social Behavior, 44(3), 237-256.<br />

NEISSER, U. (1967). Cognitive psychology. East Norwalk, CT, USA: Appleton-Century-Crofts.<br />

NEISSER, U. & WEENE, P. (1962). Hierarchies in concept attainment. Journal of Experimental Psychology, 64(6), 640-<br />

645.<br />

NELSON, H. E. (1976). A modified card sorting test sensitive to frontal lobe defects. Cortex, 12(4), 313-324.<br />

NELSON, E. (1997). »Poor insight« as a manifestation of psychological defensiveness in schizophrenia (Doctoral<br />

dissertation, New York University, 1997). Dissertation Abstracts International, 58(4-B), 2132.<br />

NELSON, H. E. & O'CONNELL, N. A. (1978). Dementia: The estimation of premorbid intelligence levels using the New<br />

Adult Reading Test. Cortex, 14(2), 234-244.<br />

NES, L. S. & SEGERSTROM, S. C. (2006). Dispositional optimism and coping: A meta-analytic review. Personality and<br />

Social Psychology Review, 10(3), 235-251.<br />

NEWTON, T. L. & CONTRADA, R. J. (1992). Repressive coping and verbal-autonomic response dissociation: The influence<br />

of social context. Journal of Personality and Social Psychology, 62(1), 159-167.


355<br />

Literatur<br />

NIEUWENSTEIN, M. R., ALEMAN, A. & DE HAAN, E. H. F. (2001). Relationship between symptom dimensions and<br />

neurocognitive functioning in schizophrenia: A meta-analysis of WCST and CPT studies. Journal of Psychiatric<br />

Research, 35(2), 119-125.<br />

NIEZNANSKI, M., CHOJNOWSKA, A., DUNSKI, W., CZERWINSKA, M. & WALCZAK, S. (2005). The Association of Verbal<br />

Learning Deficits with Unawareness of Mental Disorder: Implications for Psychological Treatments in Schizophrenia.<br />

In M. E. ABELIAN (Hrsg.), Focus on psychotherapy research (S. 83-101). Hauppauge, NY, USA: Nova Science<br />

Publishers.<br />

NISBET, H., SIEGERT, R., HUNT, M. & FAIRLEY, N. (1996). Improving schizophrenic in-patients' Wisconsin card-sorting<br />

performance. British Journal of Clinical Psychology, 35(4), 631-633.<br />

NORMANN, D. & KORDY, H. (1991). Coping bei Morbus Crohn-Patienten unter differentieller Perspektive: Ein Beitrag zur<br />

Spezifitätsdiskussion. Psychotherapie Psychosomatik Medizinische Psychologie, 41(1), 11-21.<br />

NORMAN, D. A. & SHALLICE, T. (1986). Attention to action: Willed and automatic control of behaviour. In R. J. DAVIDSON,<br />

G. E. SCHWARTZ & D. SHAPIRO (Hrsg.), Consciousness and self-regulation. Advances in research and theory, Vol. 4<br />

(S. 1-18). New York: Plenum.<br />

NORMAN, R. P. (1962). Social desirability and self-evaluation in chronic schizophrenics. Journal of Clinical Psychology,<br />

18(3), 349-350.<br />

NUECHTERLEIN, K. H., BARCH, D. M., GOLD, J. M., GOLDBERG, T. E., GREEN, M. F. & HEATON, R. K. (2004). Identification<br />

of separable cognitive factors in schizophrenia. Schizophrenia Research, 72(1), 29-39.<br />

NUECHTERLEIN, K. H. & DAWSON, M. E. (1984). A heuristic vulnerability/stress model of schizophrenic episodes.<br />

Schizophrenia Bulletin, 10(2), 300-312.<br />

O'CARROLL, R. E., SMITH, K. B., GRUBB, N. R., FOX, K. A. A. & MASTERSON, G. (2001). Psychological factors associated with<br />

delay in attending hospital following a myocardial infarction. Journal of Psychosomatic Research, 51(4), 611-614.<br />

O'CONNOR, B. P. (2000). SPSS and SAS programs for determining the number of components using parallel analysis and<br />

Velicer's MAP test. Behavior Research Methods, Instrumentation, and Computers, 32, 396-402.<br />

OFFER, R., LAVIE, R., GOTHELF, D. & APTER, A. (2000). Defense mechanisms, negative emotions, and psychopathology in<br />

adolescent inpatients. Comprehensive Psychiatry, 41(1), 35-41.<br />

OGLES, B. M., LUNNEN, K. M. & BONESTEEL, K. (2001). Clinical significance: History, application, and current practice.<br />

Clinical Psychology Review, 21(3), 421-446.<br />

OHRMANN, P., KUGEL, H., BAUER, J., SIEGMUND, A., KÖLKEBECK, K., SUSLOW, T., WIEDL, K. H., ROTHERMUNDT, M.,<br />

AROLT, V. & PEDERSEN, A. (2008). Learning potential on the WCST in schizophrenia is related to the neuronal<br />

integrity of the anterior cingulate cortex as measured by proton magnetic resonance spectroscopy. Schizophrenia<br />

Research, 106(2-3), 156-163.<br />

O'LEARY, A. (1985). Self-efficacy and health. Behaviour Research and Therapy, 23(4), 437-451.<br />

O'LEARY, D. S., FLAUM, M., KESLER, M. L., FLASHMAN, L. A., ARNDT, S. & ANDREASEN, N. C. (2000). Cognitive correlates<br />

of the negative, disorganized, and psychotic symptom dimensions of schizophrenia. Journal of Neuropsychiatry<br />

and Clinical Neurosciences, 12(1), 4-15.<br />

OLFSON, M., MECHANIC, D., HANSELL, S., BOYER, C. A., WALKUP, J. & WEIDEN, P. J. (2000). Predicting medication<br />

noncompliance after hospital discharge among patients with schizophrenia. Psychiatric Services, 51(2), 216-222.<br />

OLKIN, J. (1967). Correlations revisited. In J. C. Stanley (Hrsg.), Improving experimental design and statistical analysis<br />

(S. 102-128). Chicago: Rand McNally.<br />

O'MAHONY, P. D. (1982). Psychiatric patient denial of mental illness as a normal process. British Journal of Medical<br />

Psychology, 55(2), 109-118.<br />

OORSCHOT, M., KWAPIL, T., DELESPAUL, P. & MYIN-GERMEYS, I. (2009). Momentary assessment research in psychosis.<br />

Psychological Assessment, 21(4), 498-505.<br />

ORWIN, R. G. (1983). A fail-safe N for effect size in meta-analysis. Journal of Educational Statistics, 8(2), 157-159.<br />

OVERALL, J. E. & GORHAM, D. R. (1962). The Brief Psychiatric Rating Scale. Psychological Reports, 10, 799-812.<br />

OZONOFF, S. (1995). Reliability and validity of the Wisconsin Card Sorting Test in studies of autism. Neuropsychology,<br />

9(4), 491-500.<br />

PALMER, B. W. & HEATON, R. K. (2000). Executive dysfunctions in schizophrenia. In T. SHARMA & P. HARVEY (Hrsg.),<br />

Cognition in schizophrenia: Impairments, importance, and treatment strategies (S. 51-72). New York: Oxford<br />

University Press.<br />

PALMER, B. W., HEATON, R. K., PAULSEN, J. S., KUCK, J., BRAFF, D., HARRIS, M. J., ZISOOK, S. & JESTE, D. V. (1997). Is it<br />

possible to be schizophrenic yet neuropsychologically normal? Neuropsychology, 11(3), 437-446.<br />

PAOLO, A. M., AXELROD, B. N. & TRÖSTER, A. I. (1996). Test-retest stability of the Wisconsin Card Sorting Test.<br />

Assessment, 3(2), 137-143.<br />

PAOLO, A. M., TRÖSTER, A. I., AXELROD, B. N. & KOLLER, W. C. (1995). Construct validity of the WCST in normal elderly<br />

and persons with Parkinson's disease. Archives of Clinical Neuropsychology, 10(5), 463-473.<br />

PARK, S. (1997). Association of an oculomotor delayed response task and Wisconsin Card Sort Test in schizophrenic<br />

patients. International Journal of Psychophysiology, 27(2), 147-151.


356<br />

Literatur<br />

PATTERSON, T. L., GOLDMAN, S., MCKIBBIN, C. L., HUGHS, T. & JESTE, D. V. (2001). USCD performance-based skills<br />

assessment: Development of a new measure of everyday functioning for severely mentally ill adults. Schizophrenia<br />

Bulletin, 27(2), 235-245.<br />

PAULHUS, D. L. (1984). Two-component models of socially desirable responding. Journal of Personality and Social<br />

Psychology, 46(3), 598-609.<br />

PAULHUS, D. L. (1986). Self-deception and impression management in test responses. In A. ANGLEITNER & J. S. WIGGINS<br />

(Hrsg.), Personality assessment via questionnaires. Current issues in theory and measurement (S. 143-165). Berlin:<br />

Springer.<br />

PAULHUS, D. L. (1998). The Paulhus deception scales: BIDR Version 7. Toronto: Multi-Health Systems.<br />

PAULHUS, D. L., FRIDHANDLER, B. & HAYES, S. (1997). Psychological defense. Contemporary theory and research. In R.<br />

HOGAN, J. A. JOHNSON & S. R. BRIGGS (Hrsg.), Handbook of personality psychology (S. 543-579). San Diego:<br />

Academic Press.<br />

PAULHUS, D. L. & JOHN, O. P. (1998). Egoistic and moralistic biases in self-perception: The interplay of self-deceptive<br />

styles with basic traits and motives. Journal of Personality, 66(6), 1025-1060.<br />

PAULHUS, D. L. & REID, D. B. (1991). Enhancement and denial in socially desirable responding. Journal of Personality<br />

and Social Psychology, 60(2), 307-317.<br />

PAWLIK, K. (1982). Modell- <strong>und</strong> Praxisdimensionen psychologischer Diagnostik. In K. PAWLIK (Hrsg.), Diagnose der<br />

Diagnostik: Beiträge zur Diskussion der psychologischen Diagnostik in der Verhaltensmodifikation (2. Aufl.) (S.<br />

13-43). Stuttgart: Klett-Cotta.<br />

PEARLIN, L. I. (1983). Role strains and personal stress. In H. B. KAPLAN (Hrsg.), Psychosocial stress (S. 3-32). New York:<br />

Academic Press.<br />

PEARLIN, L. I. & SCHOOLER, C. (1978). The structure of coping. Journal of Health and Social Behavior, 19(1), 2-21.<br />

PENN, D. L., KOHLMAIER, J. R. & CORRIGAN, P. W. (2000). Interpersonal factors contributing to the stigma of schizophrenia:<br />

Social skills, perceived attractiveness, and symptoms. Schizophrenia Research, 45(1-2), 37-45.<br />

PERALTA, V. & CUESTA, M. J. (1994a). Psychometric properties of the Positive and Negative Syndrome Scale (PANSS) in<br />

schizophrenia. Psychiatry Research, 53(1), 31-40.<br />

PERALTA, V. & CUESTA, M. J. (1994b). Lack of insight: Its status within schizophrenic psychopathology. Biological<br />

Psychiatry, 36(8), 559-561.<br />

PERALTA, V. & CUESTA, M. J. (2001). How many and which are the psychopathological dimensions in schizophrenia?<br />

Issues influencing their ascertainment. Schizophrenia Research, 49(3), 269-285.<br />

PERKINS, D. O. (2002). Predictors of noncompliance in patients with schizophrenia. Journal of Clinical Psychiatry,<br />

63(12), 1121-1128.<br />

PERRINE, K. (1993). Differential aspects of conceptual processing in the Category Test and Wisconsin Card Sorting Test.<br />

Journal of Clinical and Experimental Neuropsychology, 15(4), 461-473.<br />

PERRY, J. C. & COOPER, S. H. (1989). An empirical study of defense mechanisms I: Clinical interview and life vignette<br />

ratings. Archives of General Psychiatry, 46(5), 444-452.<br />

PERRY, W. & BRAFF, D. L. (1998). A multimethod approach to assessing perseverations in schizophrenia patients.<br />

Schizophrenia Research, 33(1-2), 69-78.<br />

PERRY, W., HEATON, R. K., POTTERAT, E., ROEBUCK, T., MINASSIAN, A. & BRAFF, D. L. (2001). Working memory in<br />

schizophrenia: Transient 'on-line' storage versus executive functioning. Schizophrenia Bulletin, 27(1), 157-176.<br />

PERRY, W., POTTERAT, E. G. & BRAFF, D. L. (2001). Self-monitoring enhances Wisconsin Card Sorting Test performance<br />

in patients with schizophrenia: Performance is improved by simply asking patients to verbalize their sorting strategy.<br />

Journal of the International Neuropsychological Society, 7(3), 344-352.<br />

PETERSON, J. B., DEYOUNG, C. G., DRIVER-LINN, E., SÉGUIN, J. R., HIGGINS, D. M., ARSENEAULT, L. & TREMBLAY, R. E.<br />

(2003). Self-deception and failure to modulate responses despite accruing evidence of error. Journal of Research in<br />

Personality, 37(3), 205-223.<br />

PETRIDES, M. (2002). The mid-ventrolateral prefrontal cortex and active mnemonic retrieval. Neurobiology of Learning<br />

and Memory, 78(3), 528-538.<br />

PETZ, T., DIETE, S., GADEMANN, G. & WALLESCH, C.-W. (2001). Krankheitsverarbeitung bei Hirntumorpatienten: Eine<br />

Untersuchung im Verlauf der Bestrahlung. Psychotherapie Psychosomatik Medizinische Psychologie, 51(7), 281-<br />

287.<br />

PHILLIPS, C. M., COOKE, M. A., COOKE, A. & PETERS, E. R. (2007). Identity and cause of problems: The perceptions of<br />

patients with a diagnosis of schizophrenia. Behavioural and Cognitive Psychotherapy, 35(2), 237-240.<br />

PIA, L., NEPPI-MODONA, M., RICCI, R. & BERTI, A. (2004). The anatomy of anosognosia for hemiplegia: A meta-analysis.<br />

Cortex, 40(2), 367-377.<br />

PIA, L. & TAMIETTO, M. (2006). Unawareness in schizophrenia: Neuropsychological and neuroanatomical findings.<br />

Psychiatry and Clinical Neurosciences, 60(5), 531-537.<br />

PICK, A. (1882). Ueber Krankheitsbewusstsein in psychischen Krankheiten. Eine historisch-klinische Studie. Archiv für<br />

Psychiatrie <strong>und</strong> Nervenkrankheiten, 13(3), 518-581.<br />

PICKUP, G. J. (2008). Relationship between Theory of Mind and executive function in schizophrenia: A systematic<br />

review. Psychopathology, 41(4), 206-213.<br />

PILOWSKY, I. (1969). Abnormal illness behaviour. British Journal of Medical Psychology, 42(4), 347-351.


357<br />

Literatur<br />

PINI, S., CASSANO, G. B., DELL'OSSO, L. & AMADOR, X. F. (2001). Insight into illness in schizophrenia, schizoaffective<br />

disorder, and mood disorders with psychotic features. American Journal of Psychiatry, 158(1), 122-125.<br />

PILOWSKY, I. (1978). A general classification of abnormal illness behaviours. British Journal of Medical Psychology,<br />

51(2), 131-137.<br />

PLUTCHIK, R. (1995). A theory of ego defenses. In H. R. CONTE & R. PLUTCHIK (Hrsg.), Ego defenses: Theory and<br />

measurement (S. 13-37). Oxford, England: John Wiley & Sons.<br />

POSNER, M. I. & DEHAENE, S. (1994). Attentional networks. Trends in Neurosciences, 17(2), 75-79.<br />

POSNER, M. I. & PETERSEN, S. E. (1990). The attention system of the human brain. Annual Review of Neuroscience, 13,<br />

25-42.<br />

POSNER, M. I. & ROTHBART, M. K. (2007). Research on attention networks as a model for the integration of psychological<br />

science. Annual Review of Psychology, 58, 1-23.<br />

POUSA, E., DUÑÓ, R., NAVARRO, J. B., RUIZ, A. I., OBIOLS, J. E. & DAVID, A. S. (2008). Exploratory study of the<br />

association between insight and theory of mind (ToM) in stable schizophrenia patients. Cognitive Neuropsychiatry,<br />

13(3), 210-232.<br />

PRATT, S. I., MUESER, K. T., DRISCOLL, M., WOLFE, R. & BARTELS, S. J. (2006). Medication nonadherence in older people<br />

with serious mental illness: Prevalence and correlates. Psychiatric Rehabilitation Journal, 29(4), 299-310.<br />

PRENTICE, K. J., GOLD, J. M. & BUCHANAN, R. W. (2008). The Wisconsin Card Sorting impairment in schizophrenia is<br />

evident in the first four trials. Schizophrenia Research, 106(1), 81-87.<br />

PRIGATANO, G. P. & KLONOFF, P. S. (1998). A clinician’s rating scale for evaluating impaired self-awareness and denial of<br />

disability after brain injury. The Clinical Neuropsychologist, 12(1), 56-67.<br />

PRIGATANO, G. P. & SCHACTER, D. L. (1991). Awareness of deficit after brain injury: Clinical and theoretical issues. New<br />

York, NY, US: Oxford University Press.<br />

PRINCE, J. D. (2007). Therapeutic alliance, illness awareness, and number of hospitalizations for schizophrenia. Journal<br />

of Nervous and Mental Disease, 195(2), 170-174.<br />

PURDON, S. E. & WALDIE, B. (2001). A short form of the Wisconsin Card Sorting Test. Journal of Psychiatry &<br />

Neuroscience, 26(3), 253-256.<br />

PYNE, J. M., BEAN, D. & SULLIVAN, G. (2001). Characteristics of patients with schizophrenia who do not believe they are<br />

mentally ill. Journal of Nervous and Mental Disease, 189(3), 146-153.<br />

QUERY, W. T. & MEGRAN, J. (1983). Age-related norms for AVLT in a male patient population. Journal of Clinical<br />

Psychology, 39(1), 136-138.<br />

QUILLAMS, L. & ADDINGTON, J. (2003). Insight, knowledge, and beliefs about illness in first-eisode psychosis. The<br />

Canadian Journal of Psychiatry, 48(5), 350.<br />

RABIN, L. A., BARR, W. B. & BURTON, L. A. (2005). Assessment practices of clinical neuropsychologists in the United<br />

States and Canada: A survey of INS, NAN, and APA Division 40 members. Archives of Clinical Neuropsychology,<br />

20(1), 33-65.<br />

RAFFARD, S., BAYARD, S., GELY-NARGEOT, M.-C., CAPDEVIELLE, D., MAGGI, M., BARBOTTE, E., MORRIS, D. & BOULENGER,<br />

J.-P. (2009). Insight and executive functioning in schizophrenia: A multidimensional approach. Psychiatry Research,<br />

167(3), 239-50<br />

RAGLAND, J. D., YOON, J., MINZENBERG, M. J. & CARTER, C. S. (2007). Neuroimaging of cognitive disability in schizonphrenia:<br />

Search for a pathophysiological mechanism. International Review of Psychiatry, 19(4), 419-429.<br />

REICHENBERG, A. & HARVEY, P. D. (2007). Neuropsychological impairments in schizophrenia: Integration of performance-based<br />

and brain imaging findings. Psychological Bulletin, 133(5), 833-858.<br />

REITAN, R. M. (1958). Validity of the Trail Making Test as an indicator of organic brain damage. Perceptual and Motor<br />

Skills, 8, 1958. pp. 271-276.<br />

REITAN, R. M. (1979). A manual for the administration of neuropsychological test batteries for adults and children.<br />

Tucson, USA: Neuropsychological Laboratory.<br />

REITAN, R. M. & WOLFSON, D. (1994). A selective and critical review of neuropsychological deficits and the frontal lobes.<br />

Neuropsychology Review, 4(3), 161-198.<br />

RÉMILLARD, S., POURCHER, E. & COHEN, H. (2005). The effect of neuroleptic treatments on executive function and<br />

symptomatology in schizophrenia: A 1-year follow up study. Schizophrenia Research, 80(1), 99-106.<br />

REMPFER, M., HAMERA, E., BROWN, C. & BOTHWELL, R. J. (2006). Learning proficiency on the Wisconsin Card Sorting<br />

Test in people with serious mental illness: What are the cognitive characteristics of good learners? Schizophrenia<br />

Research, 87(1-3), 316-322.<br />

REY, A. (1964). L'examen clinique en psychologie. Presses Universitaires de France.<br />

RHODES, M. G. (2004). Age-related differences in performance on the Wisconsin Card Sorting Test: A meta-analytic<br />

review. Psychology and Aging, 19(3), 482-494.<br />

RIES, M., JABBAR, B., SCHMITZ, T., TRIVEDI, M., GLEASON, C., CARLSSON, C., ROWLEY, H. A., ASTHANA, S. & JOHNSON, S. C.<br />

(2007). Anosognosia in mild cognitive impairment: Relationship to activation of cortical midline structures involved<br />

in self-appraisal. Journal of the International Neuropsychological Society, 13(3), 450-461.<br />

RIESSMAN, C. K. (1993). Narrative analysis. Thousand Oaks, USA: Sage Publications.


358<br />

Literatur<br />

RIJCKEN, C. A.W., MONSTER, T. B.M., BROUWERS, J. R. B. J. & DE JONG-VAN DEN BERG, L. T. W. (2003). Chlorpromazine<br />

equivalents versus defined daily doses: How to compare antipsychotic drug doses? Journal of Clinical Psychopharmacology,<br />

23(6), 657-659.<br />

RINA, H., TERAO, T., NAKANO, H., OKAMOTO, T., IWATA, N. & NAKAMURA, J. (2004). Predicting denial function of<br />

schizophrenic patients by the picture completion subtest of WAIS-R. Progress in Neuro-Psychopharmacology &<br />

Biological Psychiatry, 28(7), 1185-1187.<br />

RITSHER, J. B., OTILINGAM, P. G. & GRAJALES, M. (2003). Internalized stigma of mental illness: psychometric properties<br />

of a new measure. Psychiatry Research, 121(1), 31-49.<br />

RITSHER, J. B. & PHELAN, J. C. (2004). Internalized stigma predicts erosion of morale among psychiatric outpatients.<br />

Psychiatry Research, 129(3), 257-265.<br />

RITSNER, M. S. & BLUMENKRANTZ, H. (2007). Predicting domain-specific insight of schizophrenia patients from<br />

symptomatology, multiple neurocognitive functions, and personality related traits. Psychiatry Research, 149(1-3),<br />

59-69.<br />

RIVERA-MINDT, M. & SPAULDING, W. (2002). The coping strategies task: Assessment of coping in schizophrenia.<br />

Psychiatric Rehabilitation Skills, 6(3), 428-453.<br />

ROBINS, R. W. & JOHN, O. P. (1997). The quest for self-insight: Theory and research on accuracy and bias in selfperception.<br />

In R. HOGAN, J. A. JOHNSON & S. R. BRIGGS (Hrsg.), Handbook of personality psychology (S. 649-679).<br />

San Diego: Academic Press.<br />

RODER, V., BRENNER, H. D. & KIENZLE, N. (2002). Integriertes Psychologisches Therapieprogramm bei schizophren<br />

Erkrankten – IPT (5. Aufl.). Weinheim: Beltz.<br />

ROE, D. & BEN-YISHAI, A. (1999). Exploring the relationship between the person and the disorder among individuals<br />

hospitalized for psychosis. Psychiatry: Interpersonal and Biological Processes, 62(4), 370-380.<br />

ROE, D. & CHOPRA, M. (2003). Beyond coping with mental illness: Toward personal growth. American Journal of<br />

Orthopsychiatry, 73(3), 334-344.<br />

ROE, D., HASSON-OHAYON, I., KRAVETZ, S., YANOS, P. T. & LYSAKER, P. H. (2008). Call it a monster for lack of anything<br />

else: Narrative insight in psychosis. Journal of Nervous and Mental Disease, 196(12), 859-865.<br />

ROE, D. & KRAVETZ, S. (2003). Different Ways of Being Aware of a Psychiatric Disability: A Multifunctional narrative<br />

approach to insight into mental disorder. Journal of Nervous and Mental Disease, 191(7), 417-424.<br />

ROE, D., YANOS, P. T. & LYSAKER, P. H. (2006). Coping with psychosis: An integrative developmental framework. Journal<br />

of Nervous and Mental Disease, 194(12), 917-924.<br />

ROESCH, S. C. & WEINER, B. (2001). A meta-analytic review of coping with illness: Do causal attributions matter? Journal<br />

of Psychosomatic Research, 50(4), 205-219.<br />

ROGERS, R. W. (1975). A protection motivation theory of fear appeals and attitude change. Journal of Psychology:<br />

Interdisciplinary and Applied, 91(1), 93-114.<br />

ROGOSA, D. R. (1995). Myth and methods: 'Myth about longitudinal research' plus supplemental questions. In J. M.<br />

GOTTMAN (Hrsg.), The analysis of change (S. 6-66). Mahwah, NJ, USA: Lawrence Erlbaum.<br />

ROME, H. P. (1979). The classifications of schizophrenia: An historical review. Psychiatric Annals, 9(1), 12-31.<br />

ROOKE, O. & BIRCHWOOD, M. (1998). Loss, humiliation and entrapment as appraisals of schizophrenic illness: A<br />

prospective study of depressed and non-depressed patients. British Journal of Clinical Psychology, 37(3), 259-268.<br />

ROSENTHAL, R. (1991). Meta-analytic procedures for social research (rev. ed.). Thousand Oaks, CA, USA: Sage.<br />

ROSENTHAL, R. & ROSNOW, R. L. (1991). Essentials of behavioral research: Methods and data analysis (2. Aufl.). New<br />

York: McGraw Hill.<br />

ROSNOW, R. L., & ROSENTHAL, R. (1996). Computing contrasts, effect sizes, and counternulls on other people's published<br />

data: General procedures for research consumers. Pyschological Methods, 1, 331-340.<br />

ROSSELL, S. L., COAKES, J., SHAPLESKE, J., WOODRUFF, P. W. R. & DAVID, A. S. (2003). Insight: Its relationship with<br />

cognitive function, brain volume and symptoms in schizophrenia. Psychological Medicine, 33(1), 111-119.<br />

ROSSI, A., ARDUINI, L., PROSPERINI, P., KALYVOKA, A., STRATTA, P. & DANELUZZO, E. (2000). Awareness of illness and<br />

outcome in schizophrenia. European Archives of Psychiatry and Clinical Neuroscience, 250(2), 73-75.<br />

ROTTER, J. B. (1975). Some problems and misconceptions related to the construct of internal versus external control of<br />

reinforcement. Journal of Consulting and Clinical Psychology, 43(1), 56-67.<br />

RÜGER, U., BLOMERT, A. F. & FÖRSTER, W. (1990). Coping: theoretische Konzepte, Forschungsansätze, Messinstrumente<br />

zur Krankheitsbewältigung. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.<br />

RÜSCH, N. & ANGERMEYER, M. C. & CORRIGAN, P. W. (2005). Das Stigma psychischer Erkrankung: Konzepte, Formen <strong>und</strong><br />

Folgen. Psychiatrische Praxis, 32(5), 221-232.<br />

RUSSELL, A. J., MUNRO, J., JONES, P. B., HAYWARD, P., HEMSLEY, D. R. & MURRAY, R. M. (2000). The National Adult<br />

Reading Test as a measure of premorbid IQ in schizophrenia. British Journal of Clinical Psychology, 39(3), 297-<br />

305.<br />

SACKEIM, H. A., & GUR, R. C. (1978). Self-deception, self-confrontation, and consciousness. In G. E. Schwartz & D.<br />

Shapiro (Hrsg.), Consciousness and self-regulation: Advances in research, Vol. 2 (S. 139-197). New York: Plenum<br />

Press.


359<br />

Literatur<br />

SACKEIM, H. A. & GUR, R. C. (1979). Self-deception, other-deception, and self-reported psychopathology. Journal of<br />

Consulting and Clinical Psychology, 47(1), 213-215.<br />

SACKEIM, H. A. & GUR, R. C. (1985). Voice recognition and the ontological status of self-deception. Journal of Personality<br />

and Social Psychology, 48(5), 1365-1368.<br />

SACKEIM, H. A. & WEGNER, A. Z. (1986). Attributional patterns in depression and euthymia. Archives of General<br />

Psychiatry, 43(6), 553-560.<br />

SAEEDI, H., ADDINGTON, J., ADDINGTON, D. (2007). The association of insight with psychotic symptoms, depression, and<br />

cognition in early psychosis: A 3-year follow-up. Schizophrenia Research, 89(1-3), 123-128.<br />

SAJATOVIC, M. & JENKINS, J. H. (2007). Is antipsychotic medication stigmatizing for people with mental illness?<br />

International Review of Psychiatry, 19(2), 107-112.<br />

SALKOVSKIS, P. M. (1991). The importance of behaviour in the maintenance of anxiety and panic: A cognitive account.<br />

Behavioural Psychotherapy, 19(1), 6-19.<br />

SALOKANGAS, R. K. R., HONKONEN, T. & STENGÅRD, E. (2007). Social role behaviour of patients with long-term<br />

schizophrenia in the community during sharp decline in number of psychiatric beds. Journal of Mental Health,<br />

16(5), 663-678.<br />

SANZ, M., CONSTABLE, G., LOPEZ-IBOR, I., KEMP, R. & DAVID, A. S. (1998). A comparative study of insight scales and their<br />

relationship to psychopathological and clinical variables. Psychological Medicine, 28, 437-446.<br />

SAPARA, A., COOKE, M., FANNON, D., FRANCIS, A., BUCHANAN, R. W., ANILKUMAR, A. P. P., BARKATAKI, I., AASEN, I.,<br />

KUIPERS, E. & KUMARI, V. (2007). Prefrontal cortex and insight in schizophrenia: A volumetric MRI study. Schizophrenia<br />

Research, 89(1-3), 22-24.<br />

SARAVANAN, B., DAVID, A. S., BHUGRA, D., PRINCE, M. & JACOB, K. S. (2005). Insight in people with psychosis: The<br />

influence of culture. International Review of Psychiatry, 17(2), 83-87.<br />

SARAVANAN, B., JACOB, K. S., JOHNSON, S., PRINCE, M., BHUGRA, D. & DAVID, A. S. (2007) Belief models in first episode<br />

schizophrenia in South India. Social Psychiatry and Psychiatric Epidemiology, 42(6), 446-451.<br />

SARAVANAN, B., JACOB, K. S., PRINCE, M., BHUGRA, D. & DAVID, A. S. (2004). Culture and insight revisited. British Journal<br />

of Psychiatry, 184(2), 107-109.<br />

SARTORIUS, N., SHAPIRO, R. & JABLENSKY, A. (1974). The international pilot study of schizophrenia. Schizophrenia<br />

Bulletin, 1(11), 21-34.<br />

SARTORY, G., THOM, A., GRIESE, J., YOUNG, D., BUTORAC, M., POKRAJA-BULIAN, A. & SENDULA, M. (2001). Lack of insight<br />

and concomitant neuropsychological deficits in schizophrenia. Zeitschrift für Neuropsychologie, 12(1), 54-60.<br />

SATZ, P. (1993). Brain reserve capacity on symptom onset after brain injury: A formulation and review of evidence for<br />

threshold theory. Neuropsychology, 7(3), 273-295.<br />

SAYRE, J. (2000). The patient's diagnosis: Explanatory models of mental illness. Qualitative Health Research, 10(1), 71-<br />

83.<br />

SCHEFF, T. J. (1966). Being mentally ill: A sociological theory. Chicago: Aldine.<br />

SCHEIER, M. F. & CARVER, C. S. (1985). Optimism, coping, and health: Assessment and implications of generalized<br />

outcome expectancies. Health Psychology, 4(3), 219-247.<br />

SCHMELING-KLUDAS, C. (2000). Bewältigungsformen, Behandlungszufriedenheit <strong>und</strong> Adaption stationär behandelter<br />

geriatrischer Patienten. Zeitschrift für Gerontologie <strong>und</strong> Geriatrie, 33(2), 134-142.<br />

SCHMID, R., NEUNER, T., CORDING, C. & SPIEßL, H. (2006). Lebensqualität schizophren Erkrankter <strong>und</strong> ihr Zusammenhang<br />

mit Krankheitsbewältigungsstrategien <strong>und</strong> Behandlungsaspekten. Psychiatrische Praxis, 33(7), 337-343.<br />

SCHMIDT, K.-H. & METZLER, P. (1992). Wortschatztest (WST). Weinheim: Beltz.<br />

SCHÖTTKE, H. (2000). Arbeitsgedächtnis, Kontextinformation <strong>und</strong> Problemlösen mit dem Turm von Hanoi nach einer<br />

traumatischen Hirnschädigung. Zeitschrift für Differentielle <strong>und</strong> Diagnostische Psychologie, 21(4), 304-318.<br />

SCHÖTTKE, H., BARTRAM, M. & WIEDL, K. H. (1993). Psychometric implications of learning potential assessment: A<br />

typological approach. In J. H. M. HAMERS, K. SIJTSMA & A. J. J. M. RUIJSSENAARS (Hrsg.), Learning potential<br />

assessment: Theoretical, methodological and practical issues (S. 153-174). Amsterdam: Swets & Zeitlinger.<br />

SCHRETLEN, D. (1997). Brief Test of Attention. Odessa, FL, USA: Psychological Assessment Ressources.<br />

SCHULTZ, W. & DICKINSON, A. (2000). Neuronal coding of prediction errors. Annual Review of Neuroscience, 23, 473-<br />

500.<br />

SCHUMACHER, A., KESSLER, T., RIEDEL, A. & BÜCHNER, T. (1996). Lebensqualität <strong>und</strong> Krankheitsverarbeitung bei<br />

Patienten mit akuter myeloischer Leukämie. Psychotherapie Psychosomatik Medizinische Psychologie, 46(11), 385-<br />

390.<br />

SCHUMACHER, J. & RESCHKE, K. (1994). Theoretische Konzepte <strong>und</strong> empirische Methoden der Bewältigungsforschung. In<br />

Verband Deutscher Rentenversicherungsträger (Hrsg.), Die Norm des Ges<strong>und</strong>seins – Lebensqualität <strong>und</strong> Kranksein<br />

(Bd. 6: Klinische Psychologie in der Rehabilitationsklinik) (S. 41-73). Frankfurt a. M.: VdR.<br />

SCHWARTZ, R. C. (2000). Insight and suicidality in schizophrenia: A replication study. Journal of Nervous and Mental<br />

Disease, 188(4), 235-237.<br />

SCHWARTZ, R. C., COHEN, B. N. & GRUBAUGH, A. (1997). Does insight affect long-term inpatient treatment outcome in<br />

chronic schizophrenia? Comprehensive Psychiatry, 38(5), 283-288.<br />

SCHWARTZ, R. C. & PETERSEN, S. (1999). The relationship between insight and suicidality among patients with<br />

schizophrenia. Journal of Nervous and Mental Disease, 187(6), 376-378.


360<br />

Literatur<br />

SCHWARTZ, R. C. & SMITH, S. D. (2004). Suicidality and psychosis: The predictive potential of symptomatology and<br />

insight into illness. Journal of Psychiatric Research, 38(2), 185-191.<br />

SCHWARTZ-STAV, O., APTER, A. & ZALSMAN, G. (2006). Depression, suicidal behavior and insight in adolescents with<br />

schizophrenia. European Child & Adolescent Psychiatry, 15(6), 352-359.<br />

SCHWARZER, R. (2004). Psychologie des Ges<strong>und</strong>heitsverhaltens. Einführung in die Ges<strong>und</strong>heitspsychologie (3. Aufl.).<br />

Göttingen: Hogrefe.<br />

SCHWARZER, R. & SCHWARZER, C. (1996). A critical survey of coping instruments. In M. ZEIDNER & N. S. ENDLER (Hrsg.),<br />

Handbook of coping: Theory, research, applications (S. 107-132). Oxford, England: John Wiley & Sons.<br />

SEDLMEIER, P. (1996). Jenseits des Signifikanztest-Rituals: Ergänzungen <strong>und</strong> Alternativen. Methods of Psychological<br />

Research Online, 1(4), 41-63.<br />

SEIDMAN, L. J., BUKA, S. L., GOLDSTEIN, J. M. & TSUANG, M. T. (2006). Intellectual Decline in Schizophrenia: Evidence<br />

from a Prospective Birth Cohort 28 Year Follow-up Study. Journal of Clinical and Experimental Neuropsychology,<br />

28(2), 225-242.<br />

SEIDMAN, L. J., PEPPLE, J. R., FARAONE, S. V., KREMEN, W. S., CASSENS, G., MCCARLEY, R. W. & TSUANG, M. T. (1991).<br />

Wisconsin Card Sorting Test performance over time in schizophrenia. Preliminary evidence from clinical follow-up<br />

and neuroleptic reduction studies. Schizophrenia Research, 5(3), 233-242.<br />

SEIFERTH, N. Y. & THIENEL, R. (2008). <strong>Exekutivfunktionen</strong> – Bildgebung. In T. KIRCHER & S. GAUGGEL (Hrsg.),<br />

Neuropsychologie der Schizophrenie. Symptome, Kognition, Gehirn (S. 303-315). Heidelberg: Springer Medizin.<br />

SELYE, H. (1956). The stress of life. New York: McGraw-Hill.<br />

SEMERARI, A., CARCIONE, A., DIMAGGIO, G., FALCONE, M., NICOLO, G., PROCACCI, M. & ALLEVA, G. (2003). How to<br />

evaluate metacognitive functioning in psychotherapy? The Metacognition Assessment Scale and its applications.<br />

Clinical Psychology & Psychotherapy, 10(4), 238-261.<br />

SERGI, M. J., KERN, R. S., MINTZ, J. & GREEN, M. F. (2005). Learning potential and the prediction of work skill<br />

acquisition in schizophrenia. Schizophrenia Bulletin, 31(1), 67-72.<br />

SEVY, S., NATHANSON, K., VISWESWARAIAH, H. & AMADOR, X. F. (2004). The relationship between insight and symptoms<br />

in schizophrenia. Comprehensive Psychiatry, 45(1), 16-19.<br />

SHAD, M. U., KESHAVAN, M. S., TAMMINGA, C. A., CULLUM, C. M. & DAVID, A. S. (2007). Neurobiological <strong>und</strong>erpinnings<br />

of insight deficits in schizophrenia. International Review of Psychiatry, 19(4), 439-448.<br />

SHAD, M. U., MUDDASANI, S. & KESHAVAN, M. S. (2006). Prefrontal subregions and dimensions of insight in first-episode<br />

schizophrenia--A pilot study. Psychiatry Research: Neuroimaging, 146(1), 35-42.<br />

SHAD, M. U., TAMMINGA, C. A., CULLUM, M., HAAS, G. L. & KESHAVAN, M. S. (2006). Insight and frontal cortical function<br />

in schizophrenia: A review. Schizophrenia Research, 86(1-3), 54-70.<br />

SHAVELSON, R. J., WEBB, N. M. & ROWLEY, G. L. (1989). Generalizability theory. American Psychologist, 44(6), 922-932.<br />

SHEDLER, J., MAYMAN, M. & MANIS, M. (1993). The illusion of mental health. American Psychologist, 48(11), 1117-1131.<br />

SHEPARD, P. D., HOLCOMB, H. H. & GOLD, J. M. (2006). The Presence of absence: Habenular regulation of dopamine<br />

neurons and the encoding of negative outcomes. Schizophrenia Bulletin, 32(3), 417-421.<br />

SHERGILL, S. S., BARKER, D. & GREENBERG, M. (1998). Communication of psychiatric diagnosis. Social Psychiatry and<br />

Psychiatric Epidemiology, 33(1), 32-38.<br />

SHIRZADI, A. A. & GHAEMI, S. N. (2006). Side Effects of Atypical Antipsychotics: Extrapyramidal Symptoms and the<br />

Metabolic Syndrome. Harvard Review of Psychiatry, 14(3), 152-164.<br />

SHOHAMY, D., MYERS, C. E., GROSSMAN, S., SAGE, J., GLUCK, M. A. & POLDRACK, R. A. (2004). Cortico-striatal<br />

contributions to feedback-based learning: Converging data from neuroimaging and neuropsychology. Brain, 127(4),<br />

851-859.<br />

SIEBERT, A. (2000). My transforming peak experience was diagnosed as paranoid schizophrenia. In F. J. FRESE (Hrsg.),<br />

The role of organized psychology in treatment of the seriously mentally ill (S. 103-111). San Francisco: Jossey-Bass.<br />

SILVERSTEIN, A. B. (1982). Two- and four-subtest short forms of the Wechsler Adult Intelligence Scale-Revised. Journal<br />

of Consulting and Clinical Psychology, 50(3), 415-418.<br />

SILVERSTEIN, S. M. & BELLACK, A. S. (2008). A scientific agenda for the concept of recovery as it applies to schizophrenia.<br />

Clinical Psychology Review, 28(7), 1108-1124.<br />

SIM, K., MAHENDRAN, R., SIRIS, S. G., HECKERS, S. & CHONG, S. A. (2004). Subjective quality of life in first episode<br />

schizophrenia spectrum disorders with comorbid depression. Psychiatry Research, 129(2), 141-147.<br />

SIMON, A. E., BERGER, G. E., GIACOMINI, V., FERRERO, F. & MOHR, S. (2006). Insight, symptoms and executive functions<br />

in schizophrenia. Cognitive Neuropsychiatry, 11(5), 437-451.<br />

SINGER, J. L. (1990). (Hrsg.). Repression and dissociation: Implications for personality theory, psychopathology, and<br />

health. Chigaco: The University of Chicago Press.<br />

SITSKOORN, M. M., ALEMAN, A., EBISCH, S. J. H., KAHN, R. S. & APPELS, M. C. M. (2004). Cognitive deficits in relatives of<br />

patients with schizophrenia: a meta-analysis. Schizophrenia Research, 71(2-3), 285-295.<br />

SKINNER, E. A., EDGE, K., ALTMAN, J. & SHERWOOD, H. (2003). Searching for the structure of coping: A review and<br />

critique of category systems for classifying ways of coping. Psychological Bulletin, 129(2), 216-269.<br />

SMITH, L. B. (1989). A model of perceptual classification in children and adults. Psychological Review, 96(1), 125-144.<br />

SMITH, R. C., INFANTE, M., SINGH, A. & KHANDAT, A. (2001). The effects of olanzapine on neurocognitive functioning in<br />

medication-refractory schizophrenia. International Journal of Neuropsychopharmacology, 4(3), 239-250.


361<br />

Literatur<br />

SMITH, T. E., HULL, J. W., HUPPERT, J. D., SILVERSTEIN, S. M., ANTHONY, D. T. & MCCLOUGH, J. F. (2004). Insight and<br />

recovery from psychosis in chronic schizophrenia and schizoaffective disorder patients. Journal of Psychiatric<br />

Research, 38(2), 169-176.<br />

SMITH, T. E., HULL, J. W., ISRAEL, L. M. & WILLSON, D. F. (2000). Insight, symptoms, and neurocognition in<br />

schizophrenia and schizoaffective disorder. Schizophrenia Bulletin, 26(1), 193-200.<br />

SMITH-SEEMILLER, L., FRANZEN, M. D. & BOWERS, D. (1997). Use of Wisconsin Card Sorting Test short forms in clinical<br />

samples. Clinical Neuropsychologist, 11(4), 421-427.<br />

SNITZ, B. E., CURTIS, C. E., ZALD, D. H., KATSANIS, J. & IACONO, W. G. (1999). Neuropsychological and oculomotor<br />

correlates of spatial working memory performance in schizophrenia patients and controls. Schizophrenia Research,<br />

38(1), 37-50.<br />

SOMSEN, R. J. M., VAN DER MOLEN, M. W., JENNINGS, J. R. & VAN BEEK, B. (2000). Wisconsin card sorting in adolescents:<br />

Analysis of performance, response times and heart rate. Acta Psychologica, 104(2), 227-257.<br />

SOSKIS, D. A. & BOWERS, M. B. (1969). The schizophrenic experience: A follow-up study of attitude and posthospital<br />

adjustment. Journal of Nervous and Mental Disease, 149(6), 443-449.<br />

SOTA, T. L. & HEINRICHS, R. W. (2004). Demographic, clinical, and neurocognitive predictors of quality of life in<br />

schizophrenia patients receiving conventional neuroleptics. Comprehensive Psychiatry, 45(5), 415-421.<br />

SPEER, D. C. (1992). Clinically significant change: Jacobson and Truax (1991) revisited. Journal of Consulting and<br />

Clinical Psychology, 60(3), 402-408.<br />

SPEER, D. C. (1993). 'Clinically significant change: Jacobson and Truax (1991) revisited': Correction. Journal of<br />

Consulting and Clinical Psychology, 61(1), 27.<br />

SPEER, D. C. (1999). What is the role of two-wave designs in clinical research? Comment on Hageman and Arrindell.<br />

Behaviour Research and Therapy, 37(12), 1203-1210.<br />

SPEER, D. C. & GREENBAUM, P. E. (1995). Five methods for computing significant individual client change and<br />

improvement rates: Support for an individual growth curve approach. Journal of Consulting and Clinical Psychology,<br />

63(6), 1044-1048.<br />

SPEER, D. C. & GREENBAUM, P. E. (2002). 'Five methods for computing significant individual client change and<br />

improvement rates: Support for and individual growth curve approach.' Correction to Speer and Greenbaum (1995).<br />

Journal of Consulting and Clinical Psychology, 70(6), 1239.<br />

SPRONG, M., SCHOTHORST, P., VOS, E., HOX, J. & VAN ENGELAND, H. (2007). Theory of mind in schizophrenia. British<br />

Journal of Psychiatry, 191, 5-13.<br />

STARING, A.B.P., VAN DER GAAG, M., VAN DEN BERGE, M., DUIVENVOORDEN, H.J. & MULDER, C.L. (2009). Stigma<br />

moderates the associations of insight with depressed mood, low self-esteem, and low quality of life in patients with<br />

schizophrenia spectrum disorders. Schizophrenia Research.<br />

STARTUP, M. (1996). Insight and cognitive deficits in schizophrenia: Evidence for a curvilinear relationship. Psychological<br />

Medicine, 26(6), 1277-1281.<br />

STARTUP, M. (1997). Awareness of own and others' schizophrenic illness. Schizophrenia Research, 26(2-3), 203-211.<br />

STARTUP, M. (2006). Cognitive behaviour therapy and recovery from acute psychosis: Case studies of two contrasting<br />

sytles. Journal of Contemporary Psychotherapy, 36(1), 19-24.<br />

STEFFENS, W. & KÄCHELE, H. (1988). Abwehr <strong>und</strong> Bewältigung – Vorschläge zu einer integrativen Sichtweise.<br />

Psychotherapie, Psychosomatik, Medizinische Psychologie, 38, 3-7.<br />

STEIGER, J. H. (1980). Tests for comparing elements of a correlation matrix. Psychological Bulletin, 87, 245-251.<br />

STELZL, I. (2005). Fehler <strong>und</strong> Fallen der Statistik für Psychologen, Pädagogen <strong>und</strong> Sozialwissenschaftler. Münster:<br />

Waxmann.<br />

STERNBERG, R. J. & GRIGORENKO, E. L. (2002). Dynamic testing: The nature and measurement of learning potential.<br />

New York: Cambridge University Press.<br />

STEYER, R., HANNÖVER, W., TELSER, C. & KRIEBEL, R. (1997). Zur Evaluation intraindividueller Veränderung. Zeitschrift<br />

für Klinische Psychologie, 26(4), 291-299.<br />

STONE, A. A., GREENBERG, M. A., KENNEDY-MOORE, E. & NEWMAN, M. G. (1991). Self-report, situation-specific coping<br />

questionnaires: What are they measuring? Journal of Personality and Social Psychology, 61(4), 648-658.<br />

STONE, C. A. & DAY, M. C. (1978). Levels of availability of a formal operational strategy. Child Development, 49(4), 1054-<br />

1065.<br />

STRATTA, P., DANELUZZO, E., PROSPERINI, P., BUSTINI, M., MATTEI, P. & ROSSI, A. (1997). Is Wisconsin Card Sorting Test<br />

performance related to working memory' capacity? Schizophrenia Research, 27(1), 11-19.<br />

STRATTA, P., MANCINI, F., MATTEI, P., CASACCHIA, M. & ROSSI, A. (1994). Information processing strategy to remediate<br />

Wisconsin Cart Sorting Test performance in schizophrenia: A pilot study. American Journal of Psychiatry, 151(6),<br />

915-918.<br />

STRATTA, P., MANCINI, F., MATTEI, P., DANELUZZO, E., BUSTINI, M., CASACCHIA, M. & ROSSI, A. (1997). Remediation of<br />

Wisconsin Card Sorting Test performance in schizophrenia. A controlled study. Psychopathology, 30(2), 59-66.<br />

STRATTA, P., ROSSI, A., MANCINI, F., CUPILLARI, M., MATTEI, P. & CASACCHIA, M. (1993). Wisconsin Card Sorting Test<br />

performance and educational level in schizophrenic and control samples. Neuropsychiatry, Neuropsychology, &<br />

Behavioral Neurology, 6(3), 149-153.<br />

STRAUSS, J. S. & CARPENTER, W. T. (1974). The prediction of outcome in schizophrenia II: Relationships between<br />

predictor and outcome variables. Archives of General Psychiatry, 31(1), 37-42.


362<br />

Literatur<br />

STREINER, D. L. (2003). Diagnosing tests: Using and misusing diagnostic and screening tests. Journal of Personality<br />

Assessment, 81(3), 209-219.<br />

STROOP, J. R. (1935). Studies of interference in serial verbal reactions. Journal of Experimental Psychology, 18(6), 643-<br />

662.<br />

STUSS, D. T. & LEVINE, B. (2002). Adult clinical neuropsychology: Lessons from studies of the frontal lobes. Annual<br />

Review of Psychology, 53(1), 401-433.<br />

STUSS, D. T., LEVINE, B., ALEXANDER, M. P., HONG, J., PALUMBO, C., HAMER, L., MURPHY, K. J. & IZUKAWA, D. (2000).<br />

Wisconsin Card Sorting Test performance in patients with focal frontal and posterior brain damage: Effects of lesion<br />

location and test structure on separable cognitive processes. Neuropsychologia, 38(4), 388-402.<br />

SU, C.-Y., LIN, Y.-H., KWAN, A.-L. & GUO, N.-W. (2008). Construct validity of the Wisconsin Card Sorting Test-64 in<br />

patients with stroke. Clinical Neuropsychologist, 22(2), 273-287.<br />

SUBOTNIK, K. L., NUECHTERLEIN, K. H., IRZHEVSKY, V., KITCHEN, C. M., WOO, S. M. & MINTZ, J. (2005). Is unawareness of<br />

psychotic disorder a neurocognitive or psychological defensiveness problem? Schizophrenia Research, 75(2-3), 147-<br />

157.<br />

SÜLLWOLD, L. & HUBER, G. (1986). Schizophrene Basisstörungen. Berlin: Springer.<br />

SULLIVAN, E. V., MATHALON, D. H., ZIPURSKY, R. B., KERSTEEN-TUCKER, Z., KNIGHT, R. T. & PFEFFERBAUM, A. (1993).<br />

Factors of the Wisconsin Card Sorting Test as measures of frontal-lobe function in schizophrenia and in chronic<br />

alcoholism. Psychiatry Research, 46(2), 175-199.<br />

SULS, J. & FLETCHER, B. (1985). The relative efficacy of avoidant and nonavoidant coping strategies: A meta-analysis.<br />

Health Psychology, 4(3), 249-288.<br />

SUMMERFELT, A. T., ALPHS, L. D., WAGMAN, A. M. I., FUNDERBURK, F. R., HIERHOLZER, R. M. & STRAUSS, M. E. (1991).<br />

Reduction of perseverative error in patients with schizophrenia using monetary feedback. Journal of Abnormal<br />

Psychology, 100(4), 613-616.<br />

SUMMERFIELD, J., Hassabis, D., & Maguire, E. (2009). Cortical midline involvement in autobiographical memory.<br />

NeuroImage, 44(3), 1188-1200.<br />

SWEENEY, J. A., KEILP, J. G., HAAS, G. L., HILL, J. & WEIDEN, P. J. (1991). Relationships between medication treatments<br />

and neuropsychological test performance in schizophrenia. Psychiatry Research, 37(3), 297-308.<br />

SZÖKE, A., TRANDAFIR, A., DUPONT, M.-E., SCHÜRHOFF, F., LEBOYER, M. & MÉARY, A. (2008). Longitudinal studies of<br />

cognition in schizophrenia: Meta-analysis. British Journal of Psychiatry, 192(4), 248-257.<br />

TAIT, L., BIRCHWOOD, M. & TROWER, P. (2003). Predicting engagement with services for psychosis: Insight, symptoms<br />

and recovery style. British Journal of Psychiatry, 182(2), 123-128.<br />

TAIT, L., BIRCHWOOD, M. & TROWER, P. (2004). Adapting to the challenge of psychosis: Personal resilience and the use of<br />

sealing-over (avoidant) coping strategies. British Journal of Psychiatry, 185(5), 410-415.<br />

TANDON, R., NASRALLAH, H. A. & KESHAVAN, M. S. (2009). Schizophrenia, “just the facts” 4. Clinical features and<br />

conceptualization. Schizophrenia Research, 110(1-3), 1-23.<br />

TARRIER, N., KHAN, S., CATER, J. & PICKEN, A. (2007). The subjective consequences of suffering a first episode psychosis:<br />

Trauma and suicide behaviour. Social Psychiatry and Psychiatric Epidemiology, 42(1), 29-35.<br />

TATE, R. L., PERDICES, M. & MAGGIOTTO, S. (1998). Stability of the Wisconsin Card Sorting Test and the determination of<br />

reliability of change in scores. Clinical Neuropsychologist, 12(3), 348-357.<br />

TAYLOR, S. E. & BROWN, J. D. (1988). Illusion and well-being: A social psychological perspective on mental health.<br />

Psychological Bulletin, 103(2), 193-210.<br />

TAYLOR, K. E. & PERKINS, R. E. (1991). Identity and coping with mental illness in long-stay psychiatric rehabilitation.<br />

British Journal of Clinical Psychology, 30(1), 73-85.<br />

TEMKIN, N. R., HEATON, R. K., GRANT, I. & DIKMEN, S. S. (1999). Detecting significant change in neuropsychological test<br />

performance: A comparison of four models. Journal of the International Neuropsychological Society, 5(4), 357-<br />

369.<br />

TERRACE, H. S. (1963). Errorless discrimination learning in the pigeon: Effects of chlorpromazine and imipramine.<br />

Science, 140(3564), 318-319.<br />

THOMPSON, K. N., MCGORRY, P. D. & HARRIGAN, S. M. (2001). Reduced awareness of illness in first-episode psychosis.<br />

Comprehensive Psychiatry, 42(6), 498-503.<br />

THOMPSON, K. N., MCGORRY, P. D. & HARRIGAN, S. M. (2003). Recovery style and outcome in first-episode psychosis.<br />

Schizophrenia Research, 62(1-2), 31-36.<br />

THOMPSON, R. W., RUMA, P. R., BREWSTER, A. L., BESETSNEY, L. K. & BURKE, R. V. (1997). Evaluation of an Air Force child<br />

physical abuse prevention project using the reliable change index. Journal of Child and Family Studies, 6(4), 421-<br />

434.<br />

THORBURN, W. M. (1918). The myth of Occam’s razor. Mind, 27(3), 345-353.<br />

TODD, M., TENNEN, H., CARNEY, M. A., ARMELI, S. & AFFLECK, G. (2004). Do We Know How We Cope? Relating daily<br />

coping reports to global and time-limited retrospective assessments. Journal of Personality and Social Psychology,<br />

86(2), 310-319.<br />

TORREY, E. R. (2002). Studies of individuals with schizophrenia never treated with antipsychotic medications: A review.<br />

Schizophrenia Research, 58(2-3), 101-115.<br />

TRANULIS, C., CORIN, E. & KIRMAYER, L. J. (2008). Insight and psychosis: Comparing the perspectives of patient,<br />

entourage and clinician. International Journal of Social Psychiatry, 54(3), 225-241.


363<br />

Literatur<br />

TRANULIS, C., LEPAGE, M. & MALLA, A. (2008). Insight in first episode psychosis: Who is measuring what? Early<br />

Intervention in Psychiatry, 2(1), 34-41.<br />

TRAUER, T. & SACKS, T. (2000). The relationship between insight and medication adherence in severely mentally ill<br />

clients treated in the community. Acta Psychiatrica Scandinavica, 102(3), 211-216.<br />

TRÉMEAU, F., BRADY, M., SACCENTE, E., MORENO, A., EPSTEIN, H., CITROME, L., MALASPINA, D. & JAVITT, D. (2008). Loss<br />

aversion in schizophrenia. Schizophrenia Research, 103(1-3), 121-128.<br />

TRUNGOLD, S. (2000). Reality monitoring and its relation to positive symptoms and insight in schizophrenia-spectrum.<br />

disorders. Dissertation Abstracts International, 61(4-B), 2225.<br />

TSANG, H. W. H., FUNG, K. M. T. & CORRIGAN, P. W. (2006). Psychosocial treatment compliance scale for people with<br />

psychotic disorders. Australian and New Zealand Journal of Psychiatry, 40(6-7), 561-569.<br />

TURKINGTON, D., KINGDON, D. & WEIDEN, P. J. (2006). Cognitive Behavior Therapy for Schizophrenia. American Journal<br />

of Psychiatry, 163(3), 365-373.<br />

TURVEY, C. & SALOVEY, P. (1993). Measures of repression: Converging on the same construct? Imagination, Cognition<br />

and Personality, 13, 279–289.<br />

UHLHAAS, P. J. & MISHARA, A. L. (2007). Perceptual anomalies in schizophrenia: Integrating phenomenology and<br />

cognitive neuroscience. Schizophrenia Bulletin, 33(1), 142-156.<br />

UHLHAAS, P. J. & SILVERSTEIN, S. M. (2005). Perceptual organization in schizophrenia spectrum disorders: Empirical<br />

research and theoretical implications. Psychological Bulletin, 131(4), 618-632.<br />

UHLHORN, S. (2000). Die Erfassung der Arbeitsfähigkeit schizophrener Patienten. Unveröffentlichte Diplomarbeit,<br />

Universität Osnabrück.<br />

UPTHEGROVE, R., OYEBODE, F., GEORGE, M. & HAQUE, M. S. (2002). Insight, social knowledge and working memory in<br />

schizophrenia. Psychopathology, 35(6), 341-346.<br />

VAILLANT, G. E. (1971). Theoretical hierarchy of adaptive ego mechanisms: A 30-year follow-up of 30 men selected for<br />

psychological health. Archives of General Psychiatry, 24(2), 107-118.<br />

VAILLANT, G. E. (1977). Adaption to life: How the best and the brightest came of age. Boston: Little Brown.<br />

VAILLANT, G. E. (1998). Where do we go from here? Journal of Personality, 66(6), 1147-1157.<br />

VAILLANT, G. E., BOND, M. & VAILLANT, C. O. (1986). An empirically validated hierarchy of defense mechanisms. Archives<br />

of General Psychiatry, 43(8), 786-794.<br />

VAKIL, E. & BLACHSTEIN, H. (1997). Rey AVLT: Developmental norms for adults and the sensitivity of different memory<br />

measures to age. Clinical Neuropsychologist, 11(4), 356-369.<br />

VAN DEN BURG, W. & KINGMA, A. (1999). Performance of 225 Dutch school children on Rey's Auditory Verbal Learning<br />

Test (AVLT): Parallel test-retest reliabilities with an interval of 3 months and normative data. Archives of Clinical<br />

Neuropsychology, 14(6), 545-559.<br />

VAN DEN OORD, E. J. C. G., RUJESCU, D., ROBLES, J. R., GIEGLING, I., BIRRELL, C., BUKSZÁR, J., MURRELLE, L., MÖLLER, H.-<br />

J., MIDDLETON, L. & MUGLIA, P. (2006). Factor structure and external validity of the PANSS revisited. Schizophrenia<br />

Research, 82(2-3), 213-223.<br />

VAN DER DOES, A. W. & VAN DEN BOSCH, R. J. (1992). What determines Wisconsin Card Sorting performance in<br />

schizophrenia? Clinical Psychology Review, 12(6), 567-583.<br />

VAN DER ELST, W., VAN BOXTEL, M. P. J., VAN BREUKELEN, G. J. P. & JOLLES, J. (2005). Rey's verbal learning test:<br />

Normative data for 1855 healthy participants aged 24-81 years and the influence of age, sex, education, and mode of<br />

presentation. Journal of the International Neuropsychological Society, 11(3), 290-302.<br />

VAN DER MEER, L., COSTAFREDA, S., ALEMAN, A., & DAVID, A. (2009). Self-reflection and the brain: A theoretical review<br />

and meta-analysis of neuroimaging studies with implications for schizophrenia. Neuroscience and Biobehavioral<br />

Reviews, 34, 935-946.<br />

VAN PUTTEN, T., CRUMPTON, E. & YALE, C. (1976). Drug refusal in schizophrenia and the wish to be crazy. Archives of<br />

General Psychiatry, 33(12), Dec 1976. pp. 1443-1446.<br />

VAN SNELLENBERG, J. X., TORRES, I. J. & THORNTON, A. E. (2006). Functional neuroimaging of working memory in<br />

schizophrenia: Task performance as a moderating variable. Neuropsychology, 20(5), 497-510.<br />

VAYALAKKARA, J., DEVARAJU-BACKHAUS, S., BRADLEY, J. D. D., SIMCO, E. R. & GOLDEN, C. J. (2000). Abbreviated form of<br />

the Wisconsin Card Sort Test. International Journal of Neuroscience, 103(1-4), 131-137.<br />

VAZ, F. J., BÉJAR, A. & CASADO, M. (2002). Insight, psychopathology, and interpersonal relationships in schizophrenia.<br />

Schizophrenia Bulletin, 28(2), 311-317.<br />

VELICER, W. F. (1976). Determining the number of components from the matrix of partial correlations. Psychometrika,<br />

41, 321-327.<br />

VELICER, W. F., EATON, C. A. & FAVA, J. L. (2000). Construct explication through factor or component analysis: A review<br />

and evaluation of alternative procedures for determining the number of factors or components. In R. D. GOFFIN & E.<br />

HELMES (Hrsg.), Problems and solutions in human assessment (S. 41-71). Boston: Kluwer.<br />

VENTURA, J., NUECHTERLEIN, K. H. & SUBOTNIK, K. L. (2002). Coping with interpersonal stressors in schizophrenia. In<br />

H. KASHIMA, I. R. H. FALOON, M. MIZUNO & M. ASAI (Hrsg.), Comprehensive treatment of schizophrenia. Linking


364<br />

Literatur<br />

neurobehavioral findings to psychosocial approaches. Keio University International Symposia for Life Sciences<br />

and Medicine (Vol. 8). Tokio: Springer.<br />

VENTURA, J., NUECHTERLEIN, K. H., SUBOTNIK, K. L., GREEN, M. F. & GITLIN, M. J. (2004). Self-efficacy and neurocognition<br />

may be related to coping responses in recent-onset schizophrenia. Schizophrenia Research, 69(2-3), 343-352.<br />

VERDOUX, H., MAGNIN, E. & BOURGEOIS, M. (1995). Neuroleptic effects on neuropsychological test performance in<br />

schizophrenia. Schizophrenia Research, 14(2), 133-139.<br />

VERMA, R. M. (1979). Dissimulation function in some functional psychoses. Acta Psychiatrica Scandinavica, 60(1), 29-<br />

38.<br />

VOGELEY, K., KURTHEN, M., FALKAI, P. & MAIER, W. (1999). Essential functions of the human self model are implemented<br />

in the prefrontal cortex. Consciousness and Cognition, 8(3), 343-363.<br />

VOLLEMA, M. G., GEURTSEN, G. J. & VAN VOORST, A. J. P. (1995). Durable improvements in Wisconsin Card Sorting Test<br />

performance in schizophrenic patients. Schizophrenia Research, 16(3), 209-215.<br />

VORUGANTI, L. N. P., HESLEGRAVE, R. J. & AWAD, A. G. (1997). Neurocognitive correlates of positive and negative<br />

syndromes in schizophrenia. Canadian Journal of Psychiatry, 42(10), 1066-1071.<br />

VRACOTAS, N., SCHMITZ, N., JOOBER, R. & MALLA, A. (2007). Subjective distress in first-episode psychosis: Role of<br />

symptoms and self-esteem. Early Intervention in Psychiatry, 1(3), 251-258.<br />

WAGER, T. D. & SMITH, E. E. (2003). Neuroimaging studies of working memory: A meta-analysis. Cognitive, Affective &<br />

Behavioral Neuroscience, 3(4), 255-274.<br />

WALDORF, M. (2005). Neurokognition, Lernpotential <strong>und</strong> subjektive Aufmerksamkeitsdefizite bei Schizophrenie.<br />

Unveröffentlichte Diplomarbeit, Universität Osnabrück.<br />

WALDORF, M., WEINGARTZ, S. & WATZKE, S. (2010, April). Welche Veränderungsmaße des Dynamischen Wisconsin<br />

Card Sorting Test eignen sich für die Vorhersage von Behandlungserfolg? Ein Methodenvergleich. Vortrag,<br />

gehalten auf dem VIII. Internationalen Schizophrenie-Symposium Bern (ISSB).<br />

WALDORF, M., WIEDL, K. H. & SCHÖTTKE, H. (2007, Mai). Verlaufsformen, Korrelate <strong>und</strong> Prädiktion der Einsicht von<br />

Rehabilitanden mit Schizophrenie. Poster präsentiert auf dem 25. Symposium der Fachgruppe Klinische Psychologie<br />

<strong>und</strong> Psychotherapie der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (DGPs), Tübingen.<br />

WALKER, E., KESTLER, L., BOLLINI, A. & HOCHMAN, K. M. (2004). Schizophrenia: Etiology and course. Annual Review of<br />

Psychology, 55, 401-430.<br />

WALKER, E., MITTAL, V. & TESSNER, K. (2008). Stress and the hypothalamic pituitary adrenal axis in the developmental<br />

course of schizophrenia. Annual Review of Clinical Psychology, 4, 189-216.<br />

WALLACE, C. J., LIBERMAN, R. P., MACKAIN, S. J., BLACKWELL, G. & ECKMAN, T. A. (1992). Effectiveness and replicability<br />

of modules for teaching social and instrumental skills to the severely mentally ill. American Journal of Psychiatry,<br />

149(5), 654-658.<br />

WALLSTON, K. A., WALLSTON, B. S. & DEVELLIS, R. (1978). Development of the Multidimensional Health Locus of Control<br />

(MHLC) scales. Health Education Monographs, 6(2), 160-170.<br />

WAMPOLD, B. E. & JENSON, W. R. (1986). Clinical significance revisited. Behavior Therapy, 17, 302-305.<br />

WAR DEPARTMENT, ADJUTANT GENERAL’S OFFICE (1944). The Army Individual Test manual. Washington, DC: US War<br />

Department.<br />

WARMAN, D. M. & MARTIN, J. M. (2006). Cognitive insight and delusion proness: An investigation using the Beck<br />

Cognitive Insight Scale. Schizophrenia Research, 84(2-3), 297-304.<br />

WARMAN, D. M., LYSAKER, P. H. & MARTIN, J. M. (2007). Cognitive insight and psychotic disorder: The impact of active<br />

delusions. Schizophrenia Research, 90(1-3), 325-333.<br />

WARNER, R., TAYLOR, D., POWERS, M. & HYMAN, J. (1989). Acceptance of the mental illness label by psychotic patients:<br />

Effects on functioning. American Journal of Orthopsychiatry, 59(3), 398-409.<br />

WATSON, A. C., CORRIGAN, P., LARSON, J. E. & SELLS, M. (2007). Self-stigma in people with mental illness. Schizophrenia<br />

Bulletin, 33(6), 1312-1318.<br />

WATSON, P. W. B., GARETY, P. A.; WEINMAN, J., DUNN, G., BEBBINGTON, P. E., FOWLER, D., FREEMAN, D. & KUIPERS, E.<br />

(2006). Emotional dysfunction in schizophrenia spectrum psychosis: The role of illness perceptions. Psychological<br />

Medicine, 36(6), 761-770.<br />

WATSON, D. & HUBBARD, B. (1996). Adaptational style and dispositional structure: Coping in the context of the five-factor<br />

model. Journal of Personality, 64(4), 737-774.<br />

WATZKE, S., BRIEGER, P., KUSS, O., SCHÖTTKE, H. & WIEDL, K. H. (2008). A longitudinal study of learning potential and<br />

rehabilitation outcome in schizophrenia. Psychiatric Services, 59(3), 248-255.<br />

WECHSLER, D. (1981). Wechsler Adult Intelligence Scale-Revised. Manual. New York: The Psychological Corporation.<br />

WECHSLER, D. (1987). Wechsler Memory Scale-Revised. Manual. San Antonio, USA: The Psychological Corporation.<br />

WEICKERT, T. W., GOLDBERG, T. E., GOLD, J. M., BIGELOW, L. B., EGAN, M. F. & WEINBERGER, D. R. (2000). Cognitive<br />

impairments in patients with schizophrenia displaying preserved and compromised intellect. Archives of General<br />

Psychiatry, 57(9), 907-913.<br />

WEIGL, E. (1927). Zur Psychologie sogenannter Abstraktionsprozesse. I. Untersuchungen über das 'Ordnen'. Zeitschrift<br />

für Psychologie, 103, 1-45.


365<br />

Literatur<br />

WEILER, M. A., FLEISHER, M. H. & MCARTHUR-CAMPBELL, D. (2000). Insight and symptom change in schizophrenia and<br />

other disorders. Schizophrenia Research, 45(1-2), 29-36.<br />

WEINBERGER, D. A. (1990). The construct validity of the repressive coping style. In J.L. Singer (Hrsg.), Repression and<br />

dissociation: Implications for personality theory, psychopathology, and health (S. 337–386). Chicago: University<br />

of Chicago Press.<br />

WEINBERGER, D. A. (1998). Defenses, personality structure, and development: Integrating psychodynamic theory into a<br />

typological approach to personality. Journal of Personality, 66(6), 1061-1080.<br />

WEINBERGER, D. A., & SCHWARTZ, G. E. (1990). Distress and restraint as superordinate dimensions of self-reported<br />

adjustments: A typological perspective. Journal of Personality, 58, 381–417.<br />

WEINBERGER, D. A., SCHWARTZ, G. E. & DAVIDSON, R. J. (1979). Low-anxious, high-anxious, and repressive coping styles:<br />

Psychometric patterns and behavioral and physiological responses to stress. Journal of Abnormal Psychology,<br />

88(4), 369-380.<br />

WEINBERGER, D. R., BERMAN, K. F. & ILLOWSKY, B. P. (1988). Physiological dysfunction of dorsolateral prefrontal cortex<br />

in schizophrenia III: A new cohort and evidence for a monoaminergic mechanism. Archives of General Psychiatry,<br />

45(7), 609-615.<br />

WEINBERGER, D. R., BERMAN, K. F. & ZEC, R. F. (1986). Physiologic dysfunction of dorsolateral prefrontal cortex in<br />

schizophrenia: I. Regional cerebral blood flow evidence. Archives of General Psychiatry, 43(2), 114-124.<br />

WEINGARTZ, S., WIEDL, K. H. & WATZKE, S. (2008). Dynamic assessment of executive functioning: (How) can we<br />

measure change? Journal of Cognitive Education and Psychology, 7(3), 368-387.<br />

WEINMAN, J., PETRIE, K. J., MOSS-MORRIS, R. & HORNE, R. (1996). The Illness Perception Questionnaire: A new method<br />

for assessing the cognitive representation of illness. Psychology & Health, 11(3), 431-445.<br />

WEINSTEIN, E. A. & KAHN, R. L. (1955). Denial of illness. Oxford, England: Charles C. Thomas.<br />

WENDT, A. & PETERMANN, F. (1996). Meßverfahren zur Erfassung des Bewältigungsverhaltens: Eine kritische<br />

Bestandsaufnahme. Zeitschrift für Klinische Psychologie <strong>und</strong> Psychotherapie, 44(1), 3-32.<br />

WEXLER, B. E., ZHU, H., BELL, M. D., FULBRIGHT, R. K., COLIBAZZI, T., BANSAL, R., PETERSON, B. S., AMAT, J., GORE, J. C.<br />

& NICHOLLS, S. S. (2009). Neuropsychological near normality and brain structure abnormality in schizophrenia.<br />

American Journal of Psychiatry, 166(2), 189-195.<br />

WHITE, R., BEBBINGTON, P., PEARSON, J., JOHNSON, S. & ELLIS, D. (2000). The social context of insight in schizophrenia.<br />

Social Psychiatry and Psychiatric Epidemiology, 35(11), 500-507.<br />

WHITE, R. G., MCCLEERY, M., GUMLEY, A. I., MULHOLLAND, C. (2007). Hopelessness in schizophrenia: The impact of<br />

symptoms and beliefs about illness. Journal of Nervous and Mental Disease, 195(12), 968-975.<br />

WHO (1973). Report of the International Pilot Study of Schizophrenia. Genf: World Health Organization.<br />

WIEDL, K. H. (1992). Assessment of coping with schizophrenia: Stressors, appraisals, and coping behaviour. British<br />

Journal of Psychiatry, 161(18), 114-122.<br />

WIEDL, K. H. (1999). Cognitive modifiability as a measure of readiness for rehabilitation. Psychiatric Services, 50(11),<br />

1411-1413.<br />

WIEDL, K. H., KEMPER, K., UHLHORN, S. & SCHÖTTKE, H. (2005). Welche schizophrenen Patienten verbessern sich unter<br />

Arbeitstherapie, welche nicht? Ein Beitrag zur differenziellen Wirksamkeitsprüfung. Fortschritte der Neurologie,<br />

Psychiatrie, 73(11), 674-680.<br />

WIEDL, K. H. & RAUH, D.-A. (1994). Ein halbstrukturiertes Tagebuch als Zugang zur Belastungsbewältigung schizophrener<br />

Patienten. In E. HEIM & M. PERREZ (Hrsg.), Belastungsverarbeitung im Zusammenhang mit Erkrankungen (S.<br />

13-31). Göttingen: Hogrefe.<br />

WIEDL, K. H. & SCHÖTTKE, H. (2002). Vorhersage des Erfolgs schizophrener Patienten in einem psychoedukativen<br />

Behandlungsprogramm durch Indikatoren des Veränderungspotentials im Wisconsin Card Sorting Test. Verhaltenstherapie,<br />

12(2), 90-96.<br />

WIEDL, K. H., SCHÖTTKE, H., GREEN, M. F. & NUECHTERLEIN, K. H. (2004). Dynamic testing in schizophrenia: Does<br />

training change the construct validity of a test? Schizophrenia Bulletin, 30(4), 703-711.<br />

WIEDL, K. H. & SCHÖTTNER, B. (1989a). Die Bewältigung von Schizophrenie (I): theoretische Perspektiven <strong>und</strong><br />

empirische Bef<strong>und</strong>e. Zeitschrift für Klinische Psychologie, Psychiatrie <strong>und</strong> Psychotherapie, 37(2), 176-194.<br />

WIEDL, K. H. & SCHÖTTNER, B. (1989b). Die Bewältigung einer schizophrenen Erkrankung (II): weiterführende<br />

Forschungsansätze. Zeitschrift für Klinische Psychologie, Psychopathologie <strong>und</strong> Psychotherapie, 37(3), 317-340.<br />

WIEDL, K. H. & SCHÖTTNER, B. (1991). Coping with symptoms related to schizophrenia. Schizophrenia Bulletin, 17(3),<br />

525-538.<br />

WIEDL, K. H. & UHLHORN, S. (2006). O-AFP: Osnabrücker Arbeitsfähigkeitenprofil. Göttingen: Hogrefe.<br />

WIEDL, K. H. & WIENÖBST, J. (1999). Interindividual differences in cognitive remediation research with schizophrenic<br />

patients – indicators of rehabilitation potential? International Journal of Rehabilitation Research, 22(1), 55-60.<br />

WIEDL, K. H., WIENÖBST, J., SCHÖTTKE, H., GREEN, M. F. & NUECHTERLEIN, K. H. (2001). Attentional characteristics of<br />

schizophrenia patients differing in learning proficiency on the Wisconsin Card Sorting Test. Schizophrenia Bulletin,<br />

27(4), 687-696.<br />

WIEDL, K. H., WIENÖBST, J., SCHÖTTKE, H. & KAUFFELDT, S. (1999). Differentielle Aspekte kognitiver Remediation bei<br />

schizophren Erkranten auf der Gr<strong>und</strong>lage des Wisconsin Card Sorting Tests. Zeitschrift für Klinische Psychologie,<br />

28(3), 214-219.<br />

WIENÖBST, J. (1993). WCST-Leistung <strong>und</strong> Trainingserfolg. Unveröffentlichte Diplomarbeit, Universität Osnabrück.


366<br />

Literatur<br />

WIENS, A. N., MCMINN, M. R. & CROSSEN, J. R. (1988). Rey Auditory-Verbal Learning Test: Development of norms for<br />

healthy young adults. Clinical Neuropsychologist, 2(1), 67-87.<br />

WILCOXON, F. (1945). Individual comparisons by ranking methods. Biometrics Bulletin, 1(6), 80-83.<br />

WILDER-WILLIS, K. E., SHEAR, P. K., STEFFEN, J. J. & BORKIN, J. (2002). The relationship between cognitive dysfunction<br />

and coping abilities in schizophrenia. Schizophrenia Research, 55(3), 259-267.<br />

WILK, C. M., GOLD, J. M., MCMAHON, R. P., IANNONE, V. N., BUCHANAN, R. W. & HUMBER, K. (2005). No, It Is Not<br />

Possible to Be Schizophrenic Yet Neuropsychologically Normal. Neuropsychology, 19(6), 778-786.<br />

WILLIAMS, C. C. (2008). Insight, stigma, and post-diagnosis identities in schizophrenia. Psychiatry: Interpersonal and<br />

Biological Processes, 71(3), 246-256.<br />

WILLIAMS, C. C. & COLLINS, A. (2002). Factors associated with insight among outpatients with serious mental illness.<br />

Psychiatric Services, 53(1), 96-98.<br />

WILLIAMS, M. C., LITTELL, R. R., REINOSO, C. & GREVE, K. (1994). Effect of wavelength on performance of attentiondisordered<br />

and normal children on the Wisconsin Card Sorting Test. Neuropsychology, 8(2), 187-186.<br />

WILSON, B. A., EVANS, J. J., EMSLIE, H., ALDERMAN, N. & BURGESS, P. (1998). The development of an ecologically valid<br />

test for assessing patients with dysexecutive syndrome. Neuropsychological Rehabilitation, 8(3), 213-228.<br />

WILSON, S. A., BECKER, L. A. & TINKER, R. H. (1997). Fifteen-month follow-up of eye movement desensitization and<br />

reprocessing (EMDR) treatment for posttraumatic stress disorder and psychological trauma. Journal of Consulting<br />

and Clinical Psychology, 65(6), 1047-1056.<br />

WING, J. K., BIRLEY, J. L. T., COOPER, J. E., GRAHAM, P. & ISAACS, A. (1967). Reliability of a procedure for measuring and<br />

classifying "Present Psychiatric State". British Journal of Psychiatry, 113(498), 499-515.<br />

WING, J. K., COOPER, J. E. & SARTORIUS, N. (1974). Measurement and classification of psychiatric symptoms – An<br />

instruction manual for the PSE and Catego program. Cambridge: Cambridge University Press.<br />

WISE, E. A. (2004). Methods for analyzing psychotherapy outcomes: A review of clinical significance, reliable change,<br />

and recommendations for future directions. Journal of Personality Assessment, 82(1), 50-59.<br />

WITTMANN, D. & KESHAVAN, M. (2007). Grief and mourning in schizophrenia. Psychiatry: Interpersonal and Biological<br />

Processes, 70(2), 154-166.<br />

WOHLWILL, J. F. (1957). The abstraction and conceptualization of form, color, and number. Journal of Experimental<br />

Psychology, 53(5), 304-309.<br />

WOJCIECHOWSKA, A., CECHNICKI, A. & WALCZEWSKI, K. (2002). Correlation between some features of social networks<br />

and treatment outcomes of schizophrenic patients three years after the first admission. A follow-up study. Archives<br />

of Psychiatry and Psychotherapy, 4(3), 37-46.<br />

WOODS, S. P., CHILDERS, M., ELLIS, R. J., GUAMAN, S., GRANT, I. & HEATON, R. K. (2006). A battery approach for<br />

measuring neuropsychological change. Archives of Clinical Neuropsychology, 21(1), 83-89.<br />

WOODS, Scott W. (2003). Chlorpromazine equivalent doses for the newer atypical antipsychotics. Journal of Clinical<br />

Psychiatry, 64(6), 663-667.<br />

WOONINGS, F. M. J., APPELO, M. T., KLUITER, H., SLOOFF, C. J. & VAN DEN BOSCH, R. J. (2003). Learning (potential) and<br />

social functioning in schizophrenia. Schizophrenia Research, 59(2-3), 287-296.<br />

WRIGHT, D. M. (1975). Impairment in abstract conceptualization in schizophrenia. Psychological Bulletin, 82(1), 120-<br />

127.<br />

WYGOTSKI, L. S. (2002 / 1934a). Denken <strong>und</strong> Sprechen. Weinheim: Beltz.<br />

WYGOTSKI, L. S. (1934b). Thought in schizophrenia. Archives of Neurology & Psychiatry, 31, 1063-1077.<br />

YANOS, P. T., ROE, D., MARKUS, K. & LYSAKER, P. H. (2008). Pathways between internalized stigma and outcomes related<br />

to recovery in schizophrenia spectrum disorders. Psychiatric Services, 59(12), 1437-1442.<br />

YEN, C. -F., HSIAO, R. C., CHEN, C. C., LIN, H. C., YEN, C. N., KO, C. H., YEN, J. Y. & CHEN, C.-S. (2009). The role of insight<br />

to alcohol use disorders in insight to schizophrenia. Comprehensive Psychiatry, 50(1), 58-62.<br />

YEN, C.-F., YEH, M.-L., CHEN, C.-S. & CHUNG, H.-H. (2002). Predictive value of insight for suicide, violence, hospitalization<br />

and social adjustment for outpatients with schizophrenia: A prospective study. Comprehensive Psychiatry,<br />

43(6), 443-447.<br />

YIP, S. W., SACCO, K. A., GEORGE, T. P. & POTENZA, M. N. (2009). Risk/reward decision-making in schizophrenia: A<br />

preliminary examination of the influence of tobacco smoking and relationship to Wisconsin Card Sorting Task<br />

performance. Schizophrenia Research, 110(1-3), 156-164.<br />

YOUNG, D. A., CAMPBELL, Z., ZAKZANIS, K. K. & WEINSTEIN, E. (2003). A comparison between an interview and a selfreport<br />

method of insight assessment in chronic schizophrenia. Schizophrenia Research, 63(1-2), 103-109.<br />

YOUNG, D. A., DAVILA, R. & SHER, H. (1993). Unawareness of illness and neuropsychological performance in chronic<br />

schizophrenia. Schizophrenia Research, 10(2), 117-124.<br />

YOUNG, D. A. & FREYSLINGER, M. G. (1995). Scaffolded instruction and the remediation of Wisconsin Card Sorting Test<br />

deficits in chronic schizophrenia. Schizophrenia Research, 16(3), 199-207.<br />

YOUNG, D. A., ZAKZANIS, K. K., BAILEY, C., DAVILA, R., GRIESE, J., SARTORY, G. & THOM, A. (1998). Further parameters of<br />

insight and neuropsychological deficit in schizophrenia and other chronic mental disease. Journal of Nervous and<br />

Mental Disease, 186(1), 44-50.


367<br />

Literatur<br />

YOUNG, D. A., ZAKZANIS, K. K., CAMPBELL, Z., FREYSLINGER, M. G. & MEICHENBAUM, D. H. (2002). Scaffolded instruction<br />

remediates Wisconsin Card Sorting Test deficits in schizophrenia: A comparison to other techniques. Neuropsychological<br />

Rehabilitation, 12(3), 257-287.<br />

ZAKZANIS, K. K. (2001). Statistics to tell the truth, the whole truth, and nothing but the truth: formulae, illustrative<br />

numerical examples, and heuristic interpretation of effect size analyses for neuropsychological researchers. Archives<br />

of Clinical Neuropsychology, 16, 653-667.<br />

ZEGERS, F. E. & HAFKENSCHEID, A. J. P. M. (1994). The Ultimate Reliable Change Index (URCI): An alternative to the<br />

Hageman & Arrindell approach. Universität Groningen: Heymans Bulletin (1154-EX).<br />

ZEIDNER, M. & ENDLER, N. S. (1996). (Hrsg.). Handbook of coping: Theory, research, applications. Oxford: John Wiley<br />

& Sons.<br />

ZELAZO, P. D., CARTER, A., REZNICK, J. S. & FRYE, D. (1997). Early development of executive function: A problem-solving<br />

framework. Review of General Psychology, 1(2), 198-226.<br />

ZIMMERMANN, P. & FIMM, B. (2002). Testbatterie zur Aufmerksamkeitsprüfung (2. Aufl.). Würselen: Psytest.<br />

ZNOJ, H. J. (2000). Konsistenzsicherung durch emotionale Regulationsprozesse: Entwicklung <strong>und</strong> kontextbezogene<br />

Validierung eines Beobachtungsinstrumentes <strong>und</strong> eines Fragebogens zur Theorie der emotionalen Kontrolle.<br />

Habilitationsschrift, Universität Bern, Bern.<br />

ZUBIN, J. (1950). Symposium in statistics for the clinician. Journal of Clinical Psychology, 6, 1-6.<br />

ZUBIN, J. & SPRING, B. (1977). Vulnerability: A new view of schizophrenia. Journal of Abnormal Psychology, 86(2), 103-<br />

126.<br />

ZWICK, W. R. & VELICER, W. F. (1986). Comparison of five rules for determining the number of components to retain.<br />

Psychological Bulletin, 99(3), 432-442.


Anhang<br />

A Tests auf Normalverteilung<br />

368<br />

Anhang<br />

Kolmogorov-Smirnov-Tests mit Signifikanzkorrektur nach Lilliefors. Auch aufgr<strong>und</strong> der<br />

großen Teststärken wurden alle Verteilungen auch visuell geprüft, die Entscheidung über<br />

Verfahren orientierte sich jeweils am Gesamturteil über Voraussetzungen.<br />

Studie 1<br />

Statistik (D) df p ≤<br />

Korrekte Sortierungen Durchgang 1 .159 110 .00<br />

Perseverative Fehler Durchgang 1 .185 110 .00<br />

Nonperseverative Fehler Durchgang 1 .167 110 .00<br />

Kategorien Durchgang 1 .223 110 .00<br />

Trials to complete first category Durchgang 1 .368 104 .00<br />

Failure to maintain set Durchgang 1 .436 110 .00<br />

Korrekte Sortierungen Durchgang 2 .187 110 .00<br />

Perseverative Fehler Durchgang 2 .239 110 .00<br />

Nonperseverative Fehler Durchgang 2 .168 110 .00<br />

Kategorien Durchgang 2 .213 110 .00<br />

Trials to complete first category Durchgang 2 .398 101 .00<br />

Failure to maintain set Durchgang 2 .397 110 .00<br />

Studie 2<br />

Alter .080 400 .00<br />

Erstmanifestationsalter .115 337 .00<br />

Erkrankungsdauer .184 335 .00<br />

Anzahl Hospitalisierungen .234 329 .00<br />

Ausbildungsjahre .203 400 .00<br />

Chlorpromazinäquivalente .144 238 .00<br />

Wortschatz-IQ .061 212 .05<br />

PANSS-Positivskala Summe .125 210 .00<br />

PANSS-Negativskala Summe .103 210 .00<br />

PANSS-G-Skala Summe .088 226 .00<br />

PANSS-Positivfaktor .141 210 .00<br />

PANSS-Negativfaktor .122 210 .00<br />

PANSS-Kognitionsfaktor .156 210 .00<br />

PANSS-Depressionsfaktor .172 210 .00<br />

AVLT Summe A1-A5 .057 262 .04<br />

Korrekte Sortierungen Prätest .090 400 .00


Perseverative Fehler Prätest .161 400 .00<br />

Nonperseverative Fehler Prätest .144 384 .00<br />

Failure to maintain set Prätest .399 313 .00<br />

Korrekte Sortierungen Posttest .210 400 .00<br />

Perseverative Fehler Posttest .270 400 .00<br />

Nonperseverative Fehler Posttest .145 294 .00<br />

Failure to maintain set Posttest .302 312 .00<br />

Studie 3 Statistik (D) df p ≤<br />

PANSS G12 .218 226 .00<br />

OSSTI .156 85 .00<br />

SAIE 01 .296 58 .00<br />

SAIE 02 .244 58 .00<br />

SAIE 03 .254 58 .00<br />

SAIE 04 .381 58 .00<br />

SAIE 05 .420 58 .00<br />

SAIE 06 .381 58 .00<br />

SAIE 07 Positivsymptomatik .167 36 .01<br />

SAIE07 Negativsymptomatik .221 47 .00<br />

SAIE 08 .334 57 .00<br />

SAIE A .413 56 .00<br />

SAIE B .274 56 .00<br />

ESI-FR .116 97 .03<br />

FKV F1 .088 84 .16<br />

FKV F2 .109 84 .02<br />

FKV F3 .088 84 .16<br />

FKV F4 .081 84 .20<br />

FKV F5 .109 84 .02<br />

FKV Summe aktives Coping .083 84 .20<br />

FKV Summe defensives Coping .080 84 .20<br />

CST-R SU .094 43 .20<br />

CST-R VR .138 43 .04<br />

CST-R FV .081 43 .20<br />

CST-R PP .088 43 .20<br />

CST-R Summe aktives Coping .095 43 .20<br />

CST-R Summe passives Coping .087 43 .20<br />

369<br />

Anhang


B Informationen für Projektteilnehmer<br />

Guten Tag,<br />

370<br />

Anhang<br />

herzlichen Dank für Ihr Interesse an einem wissenschaftlichen Projekt des Instituts für<br />

Psychologie der Universität Osnabrück. Wir würden uns gerne zu zwei bis drei Terminen<br />

mit Ihnen verabreden. Jedes Treffen dauert nicht länger als eine St<strong>und</strong>e.<br />

Was erwartet Sie? Was haben Sie davon?<br />

Sie bekommen die Gelegenheit, auf spielerische Art etwas über Ihre Aufmerksamkeit <strong>und</strong><br />

Ihre Lernfähigkeit zu erfahren. Wir werden dazu mit Ihnen eine Art Kartenspiel spielen,<br />

Ihnen einige Fragebögen vorlegen <strong>und</strong> ein ausführliches Gespräch mit Ihnen führen. Darin<br />

werden Sie nach Ihrem persönlichen seelisch-psychischen Befinden <strong>und</strong> der gegenwärtigen<br />

Lebens- <strong>und</strong> Behandlungssituation gefragt.<br />

Auf Ihren Wunsch hin erzählen wir Ihnen am Ende des letzten Termins mehr darüber,<br />

worum es bei unserem Projekt geht <strong>und</strong> wie die Ergebnisse waren. Als Psychologen<br />

unterliegen wir der Schweigepflicht: Ihre Teilnahme geschieht völlig anonym, d. h. Ihr<br />

Name wird in den Daten nicht auftauchen. Auch wird nichts von dem, was Sie uns während<br />

der Sitzungen erzählen, an Dritte weitergegeben (auch nicht Ihrem Behandlungspersonal).<br />

Durch Ihre Teilnahme würden Sie einen wichtigen Beitrag leisten, um unser Verständnis<br />

der menschlichen Psyche zu verbessern <strong>und</strong> damit auch bessere Hilfsangebote an Menschen<br />

in schwierigen Lebenssituationen machen zu können – ohne die vielen Menschen,<br />

die sich freiwillig in solchen wissenschaftlichen Projekten engagieren, würde es keinen<br />

Fortschritt in der Psychologie geben.<br />

Wo wird das Projekt stattfinden? Wie kommen Sie hin?<br />

Wir holen Sie persönlich ab <strong>und</strong> begleiten Sie zurück. Die Sitzungen finden entweder in<br />

einem Gebäude der Universität auf dem Gelände des LKHs Osnabrück statt (Gertrudenring)<br />

oder in einem Zimmer Ihrer Einrichtung. Der Termin wird persönlich mit Ihnen<br />

vereinbart.


C Einverständniserklärung<br />

371<br />

Anhang<br />

Ich habe die erhaltenen Informationen über die Studie gelesen <strong>und</strong> verstanden. Ich wurde<br />

ausreichend über Sinn <strong>und</strong> Zweck der Studie informiert <strong>und</strong> konnte alle mir wichtig<br />

erscheinenden Fragen stellen.<br />

Ich wurde darüber informiert, dass ich auf Wunsch nach Abschluss der Datenerhebung<br />

eine Rückmeldung <strong>und</strong> Antworten auf neu aufkommende Fragen erhalte. Mir ist bekannt,<br />

dass ich meine freiwillige Einwilligung in die Teilnahme jederzeit ohne Angabe von<br />

Gründen widerrufen kann, ohne dass mir daraus Nachteile entstehen.<br />

Ich erlaube den genannten Personen, zur Erhebung der für die Studie relevanten Daten<br />

in meine Krankenakte Einsicht nehmen zu dürfen. Ich wurde darüber informiert, dass alle<br />

erhobenen Daten streng vertraulich behandelt werden. Ich stimme zu, dass die erhobenen<br />

personenbezogenen Daten unter Verantwortung der Universität Osnabrück in anonymisierter<br />

Form zur Berechnung von Statistiken elektronisch weiterverarbeitet werden dürfen.<br />

Mein Name wird in den Daten nicht genannt <strong>und</strong> verbleibt auf einer Kodierliste, auf die nur<br />

der Projektleiter (Manuel Waldorf) Zugriff hat.<br />

Ich wurde darüber informiert, dass die Daten eventuell für wissenschaftliche Veröffentlichungen<br />

verwendet werden sollen. Ich bin mit der anonymisierten Verarbeitung <strong>und</strong><br />

Veröffentlichung der Daten einverstanden. Diese Einwilligung kann ich jederzeit ohne<br />

Angabe von Gründen widerrufen.<br />

Mit dieser Unterschrift erkläre ich mein Einverständnis zu den oben aufgeführten Punkten<br />

<strong>und</strong> stimme der Teilnahme an der Studie zu. Ich bestätige, dass ich diese schriftliche<br />

Versicherung zum Datenschutz als Kopie für meine Unterlagen erhalten habe.<br />

____________________ ____________________<br />

Ort, Datum Unterschrift


D Biographische <strong>und</strong> klinische Daten<br />

Name:<br />

Geschlecht: W M Geburtstag:<br />

Pbn-Chiffre:<br />

Datum der Testung:<br />

Untersuchungsleiter/in:<br />

372<br />

Anhang<br />

Startblock: A B WCST: an erster Stelle an zweiter Stelle<br />

Einrichtung, Station:<br />

Muttersprache: D andere:<br />

Farbsehschwäche? NEIN JA<br />

weitere Fehlsichtigkeit? NEIN JA, _________ Ja, korrigiert<br />

höchster Schulabschluss/ Schuljahre:<br />

höchster Berufsabschluss/ Ausbildungsjahre:<br />

Familienstand: ledig in Partnerschaft<br />

ICD-Diagnose laut Akte:<br />

Alter bei erster Hospitalisation:<br />

Anzahl bisheriger Hospitalisierungen:<br />

vollständige Medikation (Name / mg pro Tag; auch Depot; auch Antiparkinson,<br />

Antidepressiva, Sedativa):<br />

Raum für weitere Notizen:


E Fragebogen zur Behandlungseinschätzung (OSSTI)<br />

Chiffre:<br />

373<br />

Anhang<br />

Im Folgenden möchten wir gerne von Ihnen wissen, wie Sie Ihren Aufenthalt in dieser<br />

Einrichtung <strong>und</strong> die Zeit danach einschätzen. Es gibt keine richtigen oder falschen<br />

Antworten, die erste Antwort ist meist die richtige. Selbstverständlich werden Ihre<br />

Antworten streng vertraulich behandelt.<br />

01. Nach der Entlassung aus dem Krankenhaus/ dem Auszug aus dem Wohnheim<br />

benötige ich weiterhin ärztliche (psychiatrische) bzw. therapeutische Betreuung.<br />

trifft<br />

überhaupt<br />

nicht zu<br />

[0]<br />

trifft<br />

sehr wenig<br />

zu<br />

[1]<br />

trifft<br />

wenig<br />

zu<br />

[2]<br />

trifft<br />

teilweise<br />

zu<br />

[3]<br />

02. Ich bin ges<strong>und</strong> <strong>und</strong> habe keine psychischen Beschwerden.<br />

trifft<br />

überhaupt<br />

nicht zu<br />

[0]<br />

trifft<br />

sehr wenig<br />

zu<br />

[1]<br />

trifft<br />

wenig<br />

zu<br />

[2]<br />

trifft<br />

teilweise<br />

zu<br />

[3]<br />

trifft<br />

überwiegend<br />

zu<br />

[4]<br />

trifft<br />

überwiegend<br />

zu<br />

[4]<br />

trifft<br />

vollständig<br />

zu<br />

[5]<br />

trifft<br />

vollständig<br />

zu<br />

[5]<br />

03. Zur Bewältigung meiner psychischen Beschwerden ist es notwendig,<br />

dass ich in einem Krankenhaus behandelt werde/ in einem Wohnheim wohne.<br />

trifft<br />

überhaupt<br />

nicht zu<br />

[0]<br />

trifft<br />

sehr wenig<br />

zu<br />

[1]<br />

trifft<br />

wenig<br />

zu<br />

[2]<br />

trifft<br />

teilweise<br />

zu<br />

[3]<br />

trifft<br />

überwiegend<br />

zu<br />

[4]<br />

04. Es gibt Frühwarnzeichen für meine psychischen Beschwerden.<br />

trifft<br />

überhaupt<br />

nicht zu<br />

[0]<br />

trifft<br />

sehr wenig<br />

zu<br />

[1]<br />

trifft<br />

wenig<br />

zu<br />

[2]<br />

05. Ich befolge sehr genau den ärztlichen Rat.<br />

trifft<br />

überhaupt<br />

nicht zu<br />

[0]<br />

trifft<br />

sehr wenig<br />

zu<br />

[1]<br />

trifft<br />

wenig<br />

zu<br />

[2]<br />

trifft<br />

teilweise<br />

zu<br />

[3]<br />

trifft<br />

teilweise<br />

zu<br />

[3]<br />

trifft<br />

überwiegend<br />

zu<br />

[4]<br />

trifft<br />

überwiegend<br />

zu<br />

[4]<br />

trifft<br />

vollständig<br />

zu<br />

[5]<br />

trifft<br />

vollständig<br />

zu<br />

[5]<br />

trifft<br />

vollständig<br />

zu<br />

[5]


374<br />

Anhang<br />

06. Ich berichte meiner Familie, meinen Fre<strong>und</strong>en oder meinen Bekannten von<br />

meinen psychischen Beschwerden, um Missverständnisse zu vermeiden.<br />

trifft<br />

überhaupt<br />

nicht zu<br />

[0]<br />

trifft<br />

sehr wenig<br />

zu<br />

[1]<br />

trifft<br />

wenig<br />

zu<br />

[2]<br />

trifft<br />

teilweise<br />

zu<br />

[3]<br />

trifft<br />

überwiegend<br />

zu<br />

[4]<br />

trifft<br />

vollständig<br />

zu<br />

[5]<br />

07. Wenn ich in Zukunft psychische Beschwerden habe, werde ich professionelle<br />

Hilfe (z. B. Psychiater, anderer Facharzt, Therapeut) in Anspruch nehmen.<br />

trifft<br />

überhaupt<br />

nicht zu<br />

[0]<br />

trifft<br />

sehr wenig<br />

zu<br />

[1]<br />

trifft<br />

wenig<br />

zu<br />

[2]<br />

trifft<br />

teilweise<br />

zu<br />

[3]<br />

trifft<br />

überwiegend<br />

zu<br />

[4]<br />

08. Ich leide an psychischen Beschwerden <strong>und</strong> lasse mich deswegen hier<br />

behandeln.<br />

trifft<br />

überhaupt<br />

nicht zu<br />

[0]<br />

trifft<br />

sehr wenig<br />

zu<br />

[1]<br />

trifft<br />

wenig<br />

zu<br />

[2]<br />

trifft<br />

teilweise<br />

zu<br />

[3]<br />

trifft<br />

überwiegend<br />

zu<br />

[4]<br />

trifft<br />

vollständig<br />

zu<br />

[5]<br />

trifft<br />

vollständig<br />

zu<br />

[5]<br />

09. Ich werde nichts gegen meine psychischen Beschwerden unternehmen, weil<br />

Sie von alleine wieder abklingen.<br />

trifft<br />

überhaupt<br />

nicht zu<br />

[0]<br />

trifft<br />

sehr wenig<br />

zu<br />

[1]<br />

trifft<br />

wenig<br />

zu<br />

[2]<br />

trifft<br />

teilweise<br />

zu<br />

[3]<br />

10. Auch ohne Medikamente würde ich ges<strong>und</strong> bleiben.<br />

trifft<br />

überhaupt<br />

nicht zu<br />

[0]<br />

trifft<br />

sehr wenig<br />

zu<br />

[1]<br />

trifft<br />

wenig<br />

zu<br />

[2]<br />

trifft<br />

teilweise<br />

zu<br />

[3]<br />

trifft<br />

überwiegend<br />

zu<br />

[4]<br />

trifft<br />

überwiegend<br />

zu<br />

[4]<br />

Warum sind Sie zurzeit in dieser Einrichtung?<br />

_______________________________________________________<br />

_______________________________________________________<br />

______<br />

Sind Sie zurzeit erkrankt? [JA] [NEIN]<br />

Falls JA, wie lautet der Name Ihrer Erkrankung?<br />

trifft<br />

vollständig<br />

zu<br />

[5]<br />

trifft<br />

vollständig<br />

zu<br />

[5]


F FKV-Instruktion »Trait«<br />

375<br />

Anhang<br />

Im Folgenden geht es mir darum, etwas darüber zu erfahren, wie Sie im Allgemeinen mit<br />

Erkrankungen <strong>und</strong> ihren Folgen umgehen, was Sie üblicherweise im Zusammenhang mit<br />

Krankheiten gedacht, gefühlt <strong>und</strong> getan haben, <strong>und</strong> wie weit Ihnen dies geholfen hat, mit<br />

einer Erkrankung <strong>und</strong> ihren Folgen fertig zu werden.<br />

Ich weiß aus Gesprächen mit Patienten, dass es im Einzelfall sehr verschiedene<br />

Gefühle, Gedanken <strong>und</strong> Handlungen sind, die im Umgang mit Erkrankungen auftreten,<br />

d. h. dass Menschen sehr unterschiedlich auf schwerwiegende Ereignisse reagieren.<br />

Sie finden im folgenden Aussagen, wie sie von Patienten im Zusammenhang mit Erkrankungen<br />

gemacht wurden, <strong>und</strong> ich bitte Sie einzuschätzen, wieweit diese Aussagen auf Sie<br />

zutreffen <strong>und</strong> für Ihren Umgang mit einer Erkrankung <strong>und</strong> ihren Folgen typisch sind.<br />

modifizierte Version nach Muthny (1989, S. 23)


G Coping Strategies Task (CST): Instruktionen<br />

1. Erklären Sie dem Probanden:<br />

376<br />

Anhang<br />

»Ich möchte mit Ihnen herausfinden, was Sie bei einem stressigen Ereignis tun <strong>und</strong> fühlen. Ein<br />

stressiges Ereignis ist eines, das für Sie belastend ist, z. B. weil Sie sich darüber Sorgen machen<br />

oder weil es für Sie aufwändig oder schwierig ist, damit klarzukommen. Erstmal müssen wir dazu<br />

so ein für Sie gewöhnlich stressiges Ereignis finden – fällt Ihnen da vielleicht spontan etwas<br />

ein?«<br />

ggf. Beispiele: »Es geht z. B. um Erlebnisse wie Konflikte mit Ärzten oder der Pflege,<br />

um Schwierigkeiten, dem Zeitplan zu folgen, früh aufstehen zu müssen, keinen Ausgang<br />

zu bekommen, um Streits mit der Familie, eine Medikation nehmen zu müssen,<br />

die man nicht will <strong>und</strong> andere Belastungen.«<br />

2. Lassen Sie den Probanden das stressige Ereignis skalieren:<br />

»Bitte stellen Sie sich jetzt die Situation vor, denken Sie an die Details <strong>und</strong> daran, was Sie in der<br />

Situation getan <strong>und</strong> gefühlt haben. Ich bitte Sie nun, die Stresshaftigkeit dieser Situation auf<br />

einer Skala von 1 bis 100 zu bewerten, wobei 100 den schlimmstmöglichen Stress darstellt.«<br />

Situation <strong>und</strong> Skalenwert auf dem Auswertungsbogen notieren<br />

Skalenwert ≥ 50? NEIN: »Gut, nun versuchen Sie bitte, ein stressiges Erlebnis zu finden,<br />

dass mindestens einen Wert von 50 erreicht, also bei Ihnen mittleren Stress auslöst.<br />

Gibt es da etwas, das Ihnen einfällt?«<br />

3. Demonstrieren Sie die Aufgabe:<br />

„Ich habe hier einen Stapel Karten, auf denen typische Reaktionen stehen, die Menschen unter<br />

Stress zeigen könnten. Ich bitte Sie, für jede Karte einzuschätzen, wie gut die Reaktion dazu passt,<br />

wie Sie mit umgegangen sind. Sie sehen hier fünf Schachteln, die dafür<br />

stehen, wie häufig Sie in solchen Situationen die Reaktion auf der Karte zeigen. Bitte lesen Sie jede<br />

Karte sorgfältig durch. Vergegenwärtigen Sie sich das stressige Erlebnis <strong>und</strong> sortieren Sie dann die<br />

Karte in die passende Schachtel. Wenn Sie also z.B. finden, dass Sie so etwas nie tun, dann sortieren<br />

Sie sie in diese Schachtel, wenn Sie etwas normalerweise, also häufig tun in diese … Auch wenn die<br />

Karten Ihre persönlichen Reaktionen vielleicht nicht 100prozentig genau erfassen, bitte ich Sie<br />

darum, sie so gut zu sortieren wie möglich. Es gibt dabei keine richtigen oder falschen Antworten.<br />

Fragen Sie ruhig sofort nach bei Karten, die Sie nicht auf Anhieb verstehen. Wenn Sie jetzt keine<br />

Fragen haben, fangen Sie doch einfach mal an.«<br />

Schritte nach Durchführung der Sortierung:<br />

4. abschließendes Rating Kontrollierbarkeit (aus dem OBBI)<br />

»Vielen Dank. Ich bitte Sie nun, auf einer Skala von 1-100 einzuschätzen, wie groß die Chance ist/<br />

war, das belastende Ereignis positiv zu beeinflussen, wenn Sie das Ihnen Bestmögliche dafür tun –<br />

100 bedeutet, dass Sie das Ereignis aus eigener Kraft 100prozentig für Sie positiv beeinflussen<br />

können, 0, dass Sie nichts dafür tun können, dass es so läuft, wie Sie es sich wünschen.«<br />

5. abschließendes Rating subjektive Effizienz (aus dem OBBI)<br />

»Und nun schätzen Sie doch bitte genau so ein, wie zufrieden Sie mit dem Ergebnis Ihrer Bemührungen<br />

sind, das stressige Ereignis für Sie positiv zu beeinflussen. 100 bedeutet, dass sie mit dem<br />

Ausgang der Situation 100prozentig zufrieden sind, 0, dass Sie überhaupt nicht zufrieden sind.«


Coping Strategies Task (CST): Auswertungsbogen<br />

Pbn-Chiffre:__________________________ Datum: ________________<br />

Ereignis:__________________________________________________________<br />

Stress-Bewertung: ________ (1-100)<br />

Kontrollierbarkeit: ________ (1-100)<br />

Effizienz: ________ (1-100)<br />

377<br />

Anhang<br />

Nr. Item Wert<br />

01 Ich habe mit jemandem geredet, um mehr über das Problem herauszufinden. (SU) [0] [1] [2] [3] [4]<br />

02 Ich habe mich entspannt, wenn ich mich ärgerlich gefühlt habe. (VR) [0] [1] [2] [3] [4]<br />

03 Ich habe Hilfe von meinem Arzt bekommen. (SU) [0] [1] [2] [3] [4]<br />

04 Ich habe versucht, meine Gefühle für mich zu behalten. (VR) [0] [1] [2] [3] [4]<br />

05 Ich habe versucht, nicht daran zu denken. (FV) [0] [1] [2] [3] [4]<br />

06 Ich habe Hilfe von den Mitarbeitern oder einem Fre<strong>und</strong> bekommen. (SU) [0] [1] [2] [3] [4]<br />

07 Ich habe darüber nachgedacht, was der nächste Schritt zur Problemlösung sein könnte. (PL) [0] [1] [2] [3] [4]<br />

08 Ich habe mit jemandem geredet, der mir helfen könnte, das Problem zu lösen. (SU) [0] [1] [2] [3] [4]<br />

09 Ich habe mich für eine Lösung entschieden. (PL) [0] [1] [2] [3] [4]<br />

10 Ich habe versucht, mich besser zu fühlen, indem ich mehr geschlafen habe. (FV) [0] [1] [2] [3] [4]<br />

11 Es gab etwas was ich tun konnte, um die Situation zu verbessern, <strong>und</strong> ich habe es getan. (PL) [0] [1] [2] [3] [4]<br />

12 Ich habe mir Zeit genommen, über das Problem nachzudenken, bevor ich gehandelt habe. (VR) [0] [1] [2] [3] [4]<br />

13 Ich habe versucht, mich daran zu erinnern, was … in ähnlichen Situationen geholfen hat. (PL) [0] [1] [2] [3] [4]<br />

14 Ich habe versucht mich besser zu fühlen, indem ich geraucht habe. (FV) [0] [1] [2] [3] [4]<br />

15 Ich habe versucht herauszufinden, was das Problem war. (PL) [0] [1] [2] [3] [4]<br />

16 Ich habe einen Fre<strong>und</strong>, den ich respektiere, um Rat gefragt. (SU) [0] [1] [2] [3] [4]<br />

17 Ich habe Kontakt mit Personen vermieden. (FV) [0] [1] [2] [3] [4]<br />

18 Ich habe mir ein paar verschiedene Lösungen für das Problem ausgedacht. (PL) [0] [1] [2] [3] [4]<br />

19 Ich habe keinem von meinen bestehenden Problemen erzählt. (VR) [0] [1] [2] [3] [4]<br />

20 Ich habe mir selbst gesagt, ich könnte das Problem lösen. (PL) [0] [1] [2] [3] [4]<br />

21 Ich habe mich über andere Personen aufgeregt. (FV) [0] [1] [2] [3] [4]<br />

22 Ich habe versucht, mir durch meine Gefühle … nicht den Tag vermiesen zu lassen. (VR) [0] [1] [2] [3] [4]<br />

23 Ich habe versucht zu denken, bevor ich gesprochen habe. (VR) [0] [1] [2] [3] [4]<br />

24 Ich habe mit jemandem darüber geredet, wie ich mich gefühlt habe. (SU) [0] [1] [2] [3] [4]<br />

25 Ich habe so getan, als wäre nichts passiert. (FV) [0] [1] [2] [3] [4]<br />

26 Ich habe darüber nachgedacht, was ich tun könnte. (PL) [0] [1] [2] [3] [4]<br />

27 Ich habe gehofft, dass die Situation vorbeigeht. (FV) [0] [1] [2] [3] [4]<br />

28 Ich habe mit jemandem geredet, um mich besser zu fühlen. (SU) [0] [1] [2] [3] [4]<br />

29 Ich habe entschieden, was zu tun wäre um Dinge zu verbessern, <strong>und</strong> ich habe es getan. (PL) [0] [1] [2] [3] [4]<br />

30 Ich habe versucht mich besser zu fühlen, indem ich Alkohol getrunken habe. (FV) [0] [1] [2] [3] [4]<br />

31 Ich habe versucht, mich daran zu erinnern, was … in ähnlichen Situationen nicht geholfen hat. (PL) [0] [1] [2] [3] [4]<br />

32 Ich habe versucht eine Lösung zu finden, die weder mir noch anderen schadet. (PL) [0] [1] [2] [3] [4]<br />

33 Ich habe einen Verwandten, den ich respektiere, um Rat gefragt. (SU) [0] [1] [2] [3] [4]<br />

34 Ich habe versucht mich besser zu fühlen, indem ich Straßendrogen genommen habe. (FV) [0] [1] [2] [3] [4]


378<br />

Anhang<br />

35 Ich habe versucht, über eine Lösung des Problems nachzudenken. (VR) [0] [1] [2] [3] [4]<br />

36 Ich habe darüber nachgedacht, was ich sagen könnte. (VR) [0] [1] [2] [3] [4]<br />

37 Ich habe Hilfe von meinem Therapeuten bekommen. (SU) [0] [1] [2] [3] [4]<br />

38 Ich habe etwas Gemeines zu einer anderen Person gesagt. (VR) [0] [1] [2] [3] [4]<br />

39 Ich habe versucht, nicht über die Situation nachzudenken. (FV) [0] [1] [2] [3] [4]<br />

40 Ich habe mit jemandem, den ich respektiere, über meine Gedanken geredet (SU) [0] [1] [2] [3] [4]<br />

41 Ich habe versucht, mich besser zu fühlen, indem ich gegessen habe. (FV) [0] [1] [2] [3] [4]<br />

42 Ich habe Mitarbeiter um Hilfe gebeten. (PL) [0] [1] [2] [3] [4]<br />

43 Ich habe gehandelt, ohne vorher nachzudenken. (VR) [0] [1] [2] [3] [4]<br />

44 Ich habe Möbel kaputt gemacht. (VR) [0] [1] [2] [3] [4]<br />

45 Ich habe über mögliche Lösungen nachgedacht. (PL) [0] [1] [2] [3] [4]<br />

46 Ich habe versucht mich besser zu fühlen, indem ich mehr Fernsehen geschaut habe. (FV) [0] [1] [2] [3] [4]<br />

47 Ich habe Hilfe von Mitarbeitern bekommen. (SU) [0] [1] [2] [3] [4]<br />

48 Ich habe mir durch meine Probleme den Tag vermiesen lassen. (VR) [0] [1] [2] [3] [4]<br />

49 Ich habe meinen Kopf gegen die Wand geschlagen. (VR) [0] [1] [2] [3] [4]<br />

50 Ich habe mich selbst geschnitten. (FV) [0] [1] [2] [3] [4]<br />

51 Ich habe viel gegessen <strong>und</strong> mich dann absichtlich übergeben. (FV) [0] [1] [2] [3] [4]<br />

52 Ich habe gegen etwas geschlagen. (VR) [0] [1] [2] [3] [4]<br />

53 Ich habe eine Lösung in die Tat umgesetzt. (PL) [0] [1] [2] [3] [4]<br />

54 Ich habe mir selbst gesagt, wie das Problem zu lösen ist. (PL) [0] [1] [2] [3] [4]<br />

55 Ich habe versucht, Zeit mit Fre<strong>und</strong>en zu verbringen. (SU) [0] [1] [2] [3] [4]<br />

56 Ich habe ein Problem-Löse-Modell angewendet. (PL) [0] [1] [2] [3] [4]<br />

57 Ich habe versucht, mit jemandem über meine Gefühle zu reden …. (SU) [0] [1] [2] [3] [4]<br />

58 Ich habe einen Verwandten um Hilfe gebeten. (SU) [0] [1] [2] [3] [4]<br />

59 Ich habe jemanden angebrüllt. (VR) [0] [1] [2] [3] [4]<br />

60 Ich habe eine Tür zugeschlagen. (VR) [0] [1] [2] [3] [4]<br />

61 Ich habe eine Krankenschwester oder einen Arzt um Bedarfsmedikation gebeten. (FV) [0] [1] [2] [3] [4]<br />

62 Ich habe aufgehört zu essen. (FV) [0] [1] [2] [3] [4]<br />

63 Ich habe jemanden geschlagen. (VR) [0] [1] [2] [3] [4]<br />

64 Ich habe den Feueralarm betätigt. (VR) [0] [1] [2] [3] [4]<br />

65 Ich habe meine Fre<strong>und</strong>e um Rat gebeten. (SU) [0] [1] [2] [3] [4]<br />

66 Ich habe einen Fre<strong>und</strong> um Hilfe gebeten. (SU) [0] [1] [2] [3] [4]<br />

67 Ich habe meine Kleidung zerrissen. (VR) [0] [1] [2] [3] [4]


379<br />

Anhang<br />

Erklärung über die Eigenständigkeit der erbrachten wissenschaftlichen Leistung<br />

Ich erkläre hiermit, dass ich die vorliegende Arbeit ohne unzulässige Hilfe Dritter <strong>und</strong> ohne<br />

Benutzung anderer als der angegebenen Hilfsmittel angefertigt habe. Die aus anderen<br />

Quellen direkt oder indirekt übernommenen Daten <strong>und</strong> Konzepte sind unter Angabe der<br />

Quelle gekennzeichnet. Insbesondere habe ich hierfür nicht die entgeltliche Hilfe von<br />

Vermittlungs- bzw. Beratungsdiensten (Promotionsberater oder andere Personen) in<br />

Anspruch genommen. Niemand hat von mir unmittelbar oder mittelbar geldwerte Leistungen<br />

für Arbeiten erhalten, die im Zusammenhang mit dem Inhalt der vorgelegten Dissertation<br />

stehen.<br />

Die Arbeit wurde bisher weder im In- noch im Ausland in gleicher oder ähnlicher Form<br />

einer anderen Prüfungsbehörde vorgelegt.<br />

____________________ ____________________<br />

(Ort, Datum) (Unterschrift)

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!