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Krankheitseinsicht, dynamisch getestete Exekutivfunktionen und ...

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3.2 Geschichte des WCST<br />

26<br />

Wisconsin Card Sorting Test<br />

Der Wisconsin Card Sorting Test (WCST) ist vermutlich die bekannteste Operationalisierung<br />

exekutiver Funktionen bei Schizophrenie. Der WCST lässt sich auf theoretische <strong>und</strong><br />

testkonstruktive Vorarbeiten in der Tradition der Denkpsychologie der Würzburger Schule<br />

zurückführen (G. GOLDSTEIN, 2004; ELING, DERCKX & MAES, 2008): Bereits Narziß ACH<br />

(1871 - 1946) hatte eine erste Versuchsanordnung zur systematischen experimentellen<br />

Selbstbeobachtung des Kategorienlernens entwickelt. Obwohl der direkte Nachweis nicht<br />

zu führen ist, gilt es als wahrscheinlich, dass der Neurologe Kurt GOLDSTEIN (1878 - 1965)<br />

während seiner Zeit in Königsberg (1906 – 1914) mit ACH, dem dortigen Ordinarius für<br />

Philosophie (1907 - 1922), <strong>und</strong> seinen Ideen in Berührung kam. Ab 1916 begann GOLDSTEIN<br />

zusammen mit Adhémar GELB (1887 - 1936), dessen vorheriger Kontakt mit den Gestaltpsychologen<br />

Max WERTHEIMER (1880 - 1943) <strong>und</strong> Kurt KOFFKA (1886 - 1941) in Berlin<br />

ebenfalls erwähnenswert ist, an ihrem Frankfurter Institut zur Erforschung der Folgeerscheinungen<br />

von Hirnverletzungen seine bekannten neuropsychologischen Untersuchungen<br />

von verw<strong>und</strong>eten Soldaten. In ihrer Untersuchung des Patienten Th. (1924) verwendeten<br />

sie erstmals den Holmgren-Test auf Farbenblindheit als Sortiertest zur qualitativen<br />

Untersuchung der »abstrakten Haltung«. Zusammen mit ihrem Mitarbeiter Egon WEIGL<br />

(1901 - 1979) entwickelten sie weitere Ordnungstests mit Alltagsgegenständen <strong>und</strong> farbigen<br />

geometrischen Objekten (vgl. WEIGL, 1927).<br />

Nach GOLDSTEINs erzwungener Emigration 1933 wurden diese auf Englisch verfügbar<br />

(vgl. BOLLES & GOLDSTEIN, 1938; GOLDSTEIN & SCHEERER, 1941), ebenso wie ein Paradigma<br />

von Lew S. WYGOTSKI (1896 - 1934). Dieser hatte einen Kategorisierungstest (mit Klötzen in<br />

verschiedenen Farben <strong>und</strong> Abmessungen) u. a. zur Untersuchung des konzeptuellen<br />

Denkens bei Schizophrenie verwendet, der von HANFMANN <strong>und</strong> KASANIN (1937) beschrieben<br />

wurde. Die Arbeiten von GOLDSTEIN <strong>und</strong> WYGOTSKI wurden einige Jahre später<br />

rezipiert von David GRANT an der University of Wisconsin, der seine Studentin Esta BERG<br />

(1948) den »University of Wisconsin Card-Sorting Test« (GRANT & BERG, 1948, S. 404)<br />

entwickeln ließ, den sie als »WEIGL-type card-sorting problem« bezeichneten.<br />

Der WCST wurde als neuropsychologischer Test erstmals von FEY (1951) an Patienten<br />

mit Schizophrenie <strong>und</strong> von MILNER (1963) an Patienten mit Gehirnläsionen eingesetzt.<br />

Seine Popularität stieg jedoch erst nach der Normierung <strong>und</strong> Manualisierung in seiner<br />

heutigen Applikations- <strong>und</strong> Auswertungsform durch HEATON (1981; HEATON, CHELUNE,<br />

TALLEY, KAY & CURTISS, 1993) sprunghaft an. Mittlerweile exisitiert eine halbierte Kurzform<br />

(WCST-64: KONGS, THOMPSON, IVERSON & HEATON, 2000; vgl. GREVE, 2001) sowie<br />

verschiedene, eingeschränkt vergleichbare Computerversionen (s. FELDSTEIN et al., 1999)<br />

<strong>und</strong> eine ebenfalls häufig verwendete modifizierte Version (MCST) von NELSON (1976).<br />

Der WCST erfreut sich in der klinischen Neuropsychologie bis heute großer Beliebtheit:<br />

Bereits in der Umfrage von BUTLER, RETZLAFF <strong>und</strong> VANDERPLOEG (1991) war er der von<br />

Mitgliedern der International Neuropsychological Society (N = 250) am zweithäufigsten<br />

verwendete Test (73 %) nach der WAIS-R (Intelligenz) <strong>und</strong> der am häufigsten verwendete<br />

Test exekutiver Funktionen. Die neueste <strong>und</strong> größte Umfrage zum Thema (RABIN, BARR &<br />

BURTON, 2005; N = 747) zeigt zwar, dass das Interesse am WCST während der 90er Jahre<br />

nachgelassen zu haben scheint – er belegt jetzt nur noch Rang 7, führt aber weiterhin mit<br />

deutlichem Abstand die Rangliste der Verfahren zur Erfassung von <strong>Exekutivfunktionen</strong> an.<br />

Auch ist er ein populäres Forschungsinstrument: V0n 1989 bis 2000 wurde der Test nach<br />

GREVE (2001) in über 500 Studien verwendet, bis 2008 kamen nach eigener Sichtung noch<br />

einmal über 300 Originalarbeiten hinzu.

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