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Krankheitseinsicht, dynamisch getestete Exekutivfunktionen und ...

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<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

Das RS-Konzept liefert einen wesentlichen Begründungszusammenhang für den Einsatz<br />

von Offenheits- bzw. Desirabilitätsskalen im Bereich der <strong>Krankheitseinsicht</strong> bei Schizophrenie.<br />

Das gewählte Instrument scheint dabei angesichts der hohen konvergenten<br />

Validitäten eher von untergeordneter Bedeutung zu sein (s. TURVEY & SALOVEY, 1993;<br />

DERAKSHAN & EYSENCK, 1997a, Studie 2). Wesentlich ist, dass die Konstellation als analog<br />

zum RS-Paradigma aufgefasst werden kann: Der erkrankte Repressor befindet sich in<br />

einem Zustand, der beängstigend <strong>und</strong> beschämend (stigmatisierend) ist (BIRCHWOOD et al.,<br />

2007), jedoch nicht eingestanden wird. Zugleich zeigt die Person ein sozial erwünschtes<br />

Antwortverhalten, d. h. einen defensiven Umgang schon mit geringfügigen, alltäglichen<br />

Verfehlungen.<br />

Kurz erwähnt sei in diesem Zusammenhang eine auf SACKEIM <strong>und</strong> GUR (1978) <strong>und</strong><br />

PAULHUS (1984, 1986) zurückgehende Unterscheidung zwischen (1.) Selbstdarstellung<br />

(Fremdtäuschung: impression management), bei der durch Verneinung alltäglichen<br />

Fehlverhaltens der Eindruck von Tugendhaftigkeit erweckt werden soll (z. B. »Manchmal<br />

lüge ich, wenn ich muß«: MUSCH, BROCKHAUS & BRÖDER, 2002, S. 129), <strong>und</strong> (2.) aufwertender<br />

Selbsttäuschung (self-deception, self-deceptive enhancement), bei der sich eine<br />

Person selbst als unneurotisch, entscheidungs- <strong>und</strong> urteilssicher beurteilt. Die Operationalisierung<br />

dieses Aspekts (z. B. »Ich bin mir meiner Urteile sehr sicher«, ebd., S. 129) weisen<br />

Überlappungen mit der sog. Cognitive Insight auf, also der Neigung zu Überkonfidenz <strong>und</strong><br />

mangelnder Reflexivität (BECK et al., 2004), die als Faktor in der Entstehung von Wahngedanken<br />

angenommen wurde. Bekannt ist, dass traditionelle Desirabilitätsskalen<br />

sensitiver für Simulationsinstruktionen sind (MUSCH, BROCKHAUS & BRÖDER, 2002), hier<br />

also in der Tat eine einfache Form der Selbstdarstellung ihren Ausdruck finden könnte.<br />

Entsprechende zweidimensionale Desirabilitätsskalen (Balanced Inventory of Desirable<br />

Responding, BIDR bzw. Paulhus Deception Scales, PDS: s. PAULHUS, 1998) wurden erst ein<br />

Mal bei Schizophrenie eingesetzt (MOORE, CASSIDY, CARR & O'CALLAGHAN, 1999) <strong>und</strong><br />

erscheinen auf den ersten Blick interessant für die Untersuchung von Einsicht. Dennoch ist<br />

zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Verwendung klassischer Desirabilitätsskalen (d. h. solche<br />

der »Fremdtäuschung«) empfehlenswert:<br />

Erstens sind ihre theoretische Einbettung <strong>und</strong> externe Validität als deutlich besser<br />

einzuschätzen (z. B. FURNHAM et al., 1999, 2003). Die diskriminanten Validitäten der<br />

BIDR-Skalen konnten hingegen bislang nicht eindeutig belegt werden (LANYON & CARLE,<br />

2007). Zweitens liegen sie inhaltlich weit genug von den Merkmalsbereichen der Einsicht<br />

bzw. Wahnhaftigkeit entfernt, um auf diese rekurrierende, triviale Erklärungen von<br />

Zusammenhängen auszuschließen. Drittens sind einige Items des deutschen BIDR (MUSCH<br />

et al., 2002) kompliziert formuliert <strong>und</strong> weit entfernt von der Lebenswirklichkeit mancher<br />

Patienten mit Schizophrenie (z. B. »An meinen Fähigkeiten als Liebhaber habe ich schon<br />

gelegentlich gezweifelt«: S. 129). In einer ersten unveröffentlichten Studie der Osnabrücker<br />

Gruppe um WIEDL (BLANK, 2009) an 32 Patienten mit Schizophrenie ergaben sich entsprechend<br />

interne Konsistenzen der Subskalen von α < .50. Hier wäre eine Skala, die speziell<br />

für Schizophrenie-Patienten entwickelt <strong>und</strong> psychometrisch untersucht wurde, geeigneter<br />

(z. B. die Frankness-Skala des Eppendorfer Schizophrenie-Inventars: MAß, 2001).<br />

Für die Übertragung des RS-Konzepts auf die Erforschung der <strong>Krankheitseinsicht</strong> bei<br />

Schizophrenie wäre schließlich die Frage zu beantworten, unter welchen Umständen<br />

Verdrängung funktionieren kann, d. h. bei welchen Patienten überhaupt ein Zusammenhang<br />

von Defensivität <strong>und</strong> Einsicht zu erwarten ist. Diese Frage muss besonders im<br />

Hinblick auf den vielfach belegten inversen Zusammenhang von Einsicht <strong>und</strong> Positiv-

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