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Krankheitseinsicht, dynamisch getestete Exekutivfunktionen und ...

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<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

Zusammenhänge von Einsicht (BIS, G12) <strong>und</strong> Depressivität nur für die Akutphase der<br />

ersten sechs Wochen entdecken. CRUMLISH et al. (2005) stellten hingegen fest, dass die<br />

Bewusstheit einer psychischen Störung (BIS) sechs Monate nach Erstmanifestation einer<br />

schizophrenen Episode Depressivität <strong>und</strong> Suizidversuche nach vier Jahren vorhersagte (n =<br />

58). In der Diskussion von Krankheitsmodellen bei Schizophrenie wurde außerdem der<br />

Bef<strong>und</strong> von BIRCHWOOD et al., (2005) referiert, die längsschnittlich zwar keine signifikante<br />

Erhöhung der Einsicht (BIS) vor Einsetzen einer postpsychotischen Depression (PPD)<br />

fanden, allerdings ausgeprägtere Kognitionen bezüglich sozialer Erniedrigung, Verlust <strong>und</strong><br />

Schuld (Personal Beliefs about Illness Questionnaire, PBIQ). Während der PPD lagen<br />

zusätzlich eine erhöhte Bewusstheit der Erkrankung, der Symptome <strong>und</strong> Behandlungsbedürftigkeit<br />

sowie Schamgefühle vor.<br />

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass sich die toxischen Elemente der krankheitsbezogenen<br />

Bewertungen in den referierten neueren Arbeiten zu Einsicht, subjektiven<br />

Krankheitsmodellen <strong>und</strong> Stigmatisierung abzuzeichnen beginnen. Wie beschrieben,<br />

scheinen folgende Einschätzungen besonders depressogen zu wirken: (a) die Erwartung<br />

eines ungünstigen, rezidivierenden <strong>und</strong> unvorhersagbaren Verlaufs (hohe Chronifizierung,<br />

Zyklizität) <strong>und</strong> (b) von tiefgreifenden Konsequenzen für das Leben, insbesondere in den<br />

Bereichen Arbeit <strong>und</strong> soziale Beziehungen (LOBBAN et al., 2004, 2005; WATSON et al., 2006;<br />

LEWINE, 2005); (c) die subjektive Wahrnehmung von Diskriminierung <strong>und</strong> v. a. die<br />

Zustimmung zu negativen Stereotypen über Menschen mit psychischen Störungen<br />

(WARNER et al., 1989; RITSHER & PHELAN, 2004; LYSAKER, DAVIS et al., 2007; LYSAKER, ROE<br />

& YANOS, 2007; YANOS et al., 2008); <strong>und</strong> entsprechend (d) die subjektive soziale Degradierung<br />

durch die Krankheit (BIRCHWOOD et al., 2005, 2007).<br />

Bislang wenig berücksichtigt in diesem Wirkgefüge wurde die Rolle der Schizophrenie-<br />

Symptomatik. Es sei noch einmal daran erinnert, dass die Metaanalyse von MINTZ et al.<br />

(2003) einen akzentuierten Zusammenhang von Depressivität mit der Einsichts-Dimension<br />

der Symptombewusstheit herausarbeitete (r = .39).<br />

Dies wurde auch in zwei neueren Studien gef<strong>und</strong>en: Bei FREUDENREICH et al. (2004)<br />

korrelierte die Bewusstheit gestörten Erlebens <strong>und</strong> Verhaltens hochsignifikant mit Depressivität<br />

(HAMD: r = .31) <strong>und</strong> Angst (PANSS: r = .36). Dies wurde auch von SCHWARTZ-STAV<br />

et al. (2006) bestätigt, die schizophrene Adoleszenten (N = 32) mit <strong>und</strong> ohne postpsychotische<br />

Depression (PPD) verglichen <strong>und</strong> in der PPD-Gruppe zwar, möglicherweise wegen der<br />

geringen Teststärke, keine höhere allgemeine <strong>Krankheitseinsicht</strong> (SUMD; g = -0,54), aber<br />

eine deutlich höhere Bewusstheit der eigenen Schizophrenie-Symptomatik (g = -1,63)<br />

fanden. Diese korrelierte in der Gesamtgruppe außerordentlich hoch mit Hoffnungslosigkeit,<br />

Depression <strong>und</strong> Suizidalität (r = .63 bis .76; p < .001).<br />

Um diesen Zusammenhang zu verstehen <strong>und</strong> so die Lücke zwischen Einsicht <strong>und</strong> negativer<br />

Emotionalität zu schließen, soll erneut auf die wenigen Studien rekurriert werden, die<br />

Zusammenhänge zwischen Positivsymptomatik <strong>und</strong> Selbststigmatisierung aufgezeigt haben<br />

(LYSAKER, DAVIS et al., 2007; LYSAKER, ROE & YANOS, 2007). Es wurde dargelegt, dass eine<br />

bewusst als solche wahrgenommene Psychose-Symptomatik erstens eine tiefgreifende<br />

Verunsicherung mit sich bringen sollte <strong>und</strong> zweitens der Selbststigmatisierung durch die<br />

Aktivierung verinnerlichter Vorurteile gegenüber Menschen mit schweren psychischen<br />

Krankheiten Vorschub leisten könnte. Leider wurde der hier postulierte spezifische<br />

Zusammenhang zwischen der Bewusstheit für bestehende Positivsymptomatik als Einsichts-Facette,<br />

Selbststigmatisierung als Mediatorvariable <strong>und</strong> negativer Emotionalität<br />

bislang nicht überprüft.

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