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Krankheitseinsicht, dynamisch getestete Exekutivfunktionen und ...

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6.5 Das Konzept der <strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

124<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

Die unmittelbare subjektive Evidenz der Wirklichkeit nicht objektivierbarer Wahrnehmungen<br />

<strong>und</strong> Überzeugungen, der Mangel an distanzierender Reflexion, an Bewusstheit einer<br />

psychischen Störung, an »Einsicht« stellt traditionell ein konstitutives Merkmal »psychotischer«<br />

Zustände dar: »La folie est une infortune qui s’ignore elle-même« (BAILLARGER<br />

[1809-1890], zitiert nach PICK, 1882). <strong>Krankheitseinsicht</strong> wird gemeinsam mit dem<br />

Psychose-Begriff spätestens seit dem frühen 19. Jahrh<strong>und</strong>ert thematisiert (s. JANZARIK,<br />

2003; ROME, 1979; KERR & MCCLELLAND, 1991). Eine Übersicht über das Thema vermitteln<br />

die neueren Arbeiten von COOKE, PETERS, KUIPERS <strong>und</strong> KUMARI (2005), BÖKER (1999),<br />

MARKOVÁ (2005) sowie AMADOR <strong>und</strong> DAVID (2004).<br />

6.5.1 Historische Perspektiven<br />

Unter den frühen Schriften zum Thema <strong>Krankheitseinsicht</strong> nehmen PICKs »Ueber Krankheitsbewusstsein<br />

in psychischen Krankheiten« (1882), JASPERS’ »Allgemeine Psychopathologie«<br />

(1913, 1920), MAYER-GROSS’ »Über die Stellungnahme zur abgelaufenen<br />

akuten Psychose« (1920) <strong>und</strong> LEWIS’ (1934) »The Psychopathology of Insight« einen<br />

besonderen Rang ein, da in ihnen wesentliche Elemente gegenwärtiger Einsichts-Konzepte<br />

unsystematisch vorweggenommen werden – neben anderem enthalten sie bereits Hinweise<br />

auf eine Mehrdimensionalität <strong>und</strong> multifaktorielle Ätiologie der Uneinsichtigkeit.<br />

Die reichhaltigen Fallschilderungen dieser älteren Arbeiten zeugen davon, dass Psychiater<br />

der Prä-Antipsychotika-Ära durch die Notwendigkeit, im heutigen Sinne unmedizierte<br />

Patienten durch die Phasen akuter Psychose <strong>und</strong> Erholung zu begleiten, vielfältige<br />

Gelegenheiten zur Beobachtung unterschiedlicher Formen von »Einsicht« hatten. Ihre<br />

Erkenntnisse finden sich, häufig ohne ausgewiesene Rezeption, bei modernen Autoren<br />

wieder (z. B. THOMPSON, MCGORRY & HARRIGAN, 2001; MACPHERSON et al., 1996b;<br />

SARAVANAN, DAVID, BHUGRA, PRINCE & JACOB, 2005).<br />

»Ueber Krankheitsbewusstsein in psychischen Krankheiten«: Arnold PICK<br />

PICK (1882) beschrieb in einer akribischen medizinhistorischen Studie vielleicht als erster<br />

systematisch den Verzicht auf mangelndes Krankheitsbewusstsein, d. h. die »… Tatsache,<br />

dass der Kranke das Krankhafte seiner seelischen Vorgänge oder eines Theiles derselben<br />

mehr oder weniger klar selbst erkennt oder fühlt« (S. 519), als definitorisches Element<br />

psychischer Störungen. Er zitiert hierzu seinen akademischen Lehrer Carl Friedrich Otto<br />

WESTPHAL (1833-1890):<br />

Dass schon jetzt viel mehr Kranke, welche sich psychisch verändert fühlen, aus eigener<br />

Initiative die Hülfe des Arztes in Anspruch nehmen, ist gar keine Frage, <strong>und</strong> die Definition,<br />

welche wohl früher von Geisteskrankheit gegeben wurde, dass sie eine Krankheit<br />

sei, deren sich der Kranke nicht bewusst sei, wird ernstlich Niemand aufrecht halten<br />

wollen. Es ist vielmehr im höchsten Grade wahrscheinlich, dass mehr <strong>und</strong> mehr<br />

auch in Fällen, in welchen wir es jetzt kaum zu hoffen wagen, dieses eigene Bewusstsein<br />

des Krankwerdens sich geltend machen wird. (S. 518-519)<br />

Unter den Oberbegriff Krankheitsbewusstsein subsumiert PICK ein »Krankheitsgefühl«, das<br />

aus heutiger Sicht z. T. als Erleben von Basissymptomen bezeichnet würde (SÜLLWOLD &<br />

HUBER, 1986), <strong>und</strong> eine »<strong>Krankheitseinsicht</strong>«, die aus Erkenntnistätigkeit resultiert

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