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Krankheitseinsicht, dynamisch getestete Exekutivfunktionen und ...

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<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

werden als rein positivsymptomatische Patienten (z. B. bezüglich Störungsgefühl <strong>und</strong> der<br />

allgemeinen Akzeptanz einer »psychischen« Erkrankung). Für Symptombewusstheit gilt<br />

dies in besonderem Maße dann, wenn diese symptom-unspezifisch beurteilt wird.<br />

Drittens könnte, im Einklang mit der Hypothese des depressiven Realismus, Depressivität<br />

zu einer veridikaleren Einschätzung der eigenen Situation <strong>und</strong> (Fehl-)Leistungen führen<br />

– z. B. weil selbstwertdienliche Urteilsverzerrungen abnehmen, die Anwendung negativer<br />

kognitiver Selbst-Schemata zunimmt (vgl. ACKERMANN & DERUBEIS, 1991; TAYLOR &<br />

BROWN, 1988) oder analytische <strong>und</strong> diskrepanzsensitive kognitive Subsysteme gebahnt<br />

werden (KUHL, 2001).<br />

Erwartet würde in diesem Fall, dass das Auftreten depressiver Stimmung im Längsschnitt<br />

einer Erhöhung von Einsicht <strong>und</strong> Behandlungsbereitschaft vorausgeht, was in<br />

einigen wenigen Studien gef<strong>und</strong>en wurde. So stellten SMITH et al. (2004) fest, dass sich nur<br />

bei Patienten mit erhöhten Depressivitätswerten die retrospektive Bewusstheit von Positivsymptomen<br />

über einen Katamnesezeitraum von sechs Monaten verbesserte, während sie<br />

bei den übrigen sogar abnahm (vgl. auch LINCOLN et al., 2007, S. 1336-1337).<br />

Die Krankheitsverarbeitungs-Hypothese interpretiert schließlich negative Emotionalität<br />

als Resultat maladaptiver Coping-Prozesse: Depressivität ist demnach kein notwendiges<br />

Resultat der postpsychotischen Bewusstwerdung einer psychischen Störung, sondern wird<br />

mediiert von dysfunktionalen Bewertungen der eigenen Person, der Welt <strong>und</strong> der Zukunft,<br />

die aus dem subjektiven Krankheitsmodell (v. a. bezüglich der Dauer <strong>und</strong> Konsequenzen<br />

der Erkrankung: LOBBAN, BARROWCLOUGH & JONES, 2004; WATSON et al., 2006) <strong>und</strong> aus<br />

verinnerlichten negativen Stereotypen (Stigmata) abgeleitet werden (z. B. LYSAKER, DAVIS<br />

et al., 2007; WATSON et al., 2006).<br />

Erlebnissen von krankheitsbezogener Hoffnungs-, Wert- <strong>und</strong> Ausweglosigkeit scheint<br />

bei der Entwicklung postpsychotischer Depression (PPD) eine Schlüsselrolle zuzukommen<br />

(z. B. SCHWARTZ-STAV et al., 2006). Entsprechend wird im Cry-of-pain-Modell des Suizids<br />

bei Schizophrenie Hoffnungslosigkeit als bedeutendster Mediator der Selbsttötung<br />

thematisiert (BOLTON, GOODING, KAPUR, BARROWCLOUGH & TARRIER, 2007), was auch<br />

empirisch bestätigt werden konnte (KIM, JAYATHILAKE & MELTZER, 2003). Für eine zentrale<br />

Rolle evaluativer Kognitionen in der PPD spricht auch, dass präsuizidale Probanden v. a.<br />

kognitiv-affektive, nicht aber somatische Depressionssymptome zeigen (SCHWARTZ-STAV et<br />

al., 2006; DRAKE & COTTON, 1985).<br />

Einige Autoren (LEWIS, 2004; WITTMANN & KESHAVAN, 2007) betonen in diesem<br />

Zusammenhang allerdings die Bedeutung einer – nicht notwendigerweise maladaptiven –<br />

postpsychotischen Trauer um Verluste als Ausdruck des Prozesses der integrativen<br />

Krankheitsverarbeitung <strong>und</strong> der Identitätstransformation (vgl. auch MCGLASHAN, LEVY &<br />

CARPENTER, 1975). Eine Erkrankung mit Psychose-Symptomatik kann gravierende Verluste<br />

mit sich bringen: primäre Verluste der kognitiv-affektiven Funktionsfähigkeit <strong>und</strong> sek<strong>und</strong>äre<br />

Verluste an Autonomie der Lebensführung (WITTMANN & KESHAVAN, 2007). LEWIS<br />

(2004) unterscheidet zwei Aspekte der vermuteten Trauerreaktion: erstens das Betrauern<br />

des verlorenen Potenzials, also des Verfehlens angestrebter Lebensziele (vgl. LEWINE,<br />

2005); <strong>und</strong> zweitens das Betrauern der sinnstiftenden psychotischen Realität, in der dem<br />

Akteur eine übersteigerte Bedeutung zukam.<br />

Im Sinne der Defensivitäts-Hypothese wird erwartet, dass die Entwicklung von <strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

negativen emotionalen Reaktionen vorausgeht, was ebenfalls in einigen<br />

wenigen Arbeiten gezeigt wurde (z. B. DRAKE et al., 20004; CRUMLISH et al., 2005): DRAKE<br />

et al. (2004) folgten 185 Patienten mit Erstmanifestation einer Schizophrenie-Spektrums-<br />

Erkrankung über 18 Monate <strong>und</strong> konnten schwache quer- <strong>und</strong> längsschnittliche positive

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