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Krankheitseinsicht, dynamisch getestete Exekutivfunktionen und ...

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12.2.3.2 Einsicht <strong>und</strong> Depressivität<br />

317<br />

Diskussion<br />

Der Effekt von MINTZ et al. (2003) konnte bestätigt werden: Einsicht <strong>und</strong> Depressivität<br />

korrelieren in der Gesamtgruppe schwach zu r = .15 (p < .01). Bereits die genannte<br />

Metaanalyse hatte eine signifikante Heterogenität der einbezogenen Effekte gef<strong>und</strong>en, die<br />

nicht durch die betrachteten soziodemographischen <strong>und</strong> klinischen Variablen erklärt<br />

werden konnte. Aus der Sichtung der Literatur (Abschnitt 6.5.8) hatten sich jedoch<br />

Hinweise ergeben, dass eine bivariate Betrachtung der Komplexität des vermuteten<br />

Zusammenhangs nicht gerecht wird, sondern weiter gezielt nach Moderations- <strong>und</strong><br />

Mediationseffekten gesucht werden sollte. So fanden MINTZ et al. (2003) einen akzentuierten<br />

Effekt für die Einsichtsdimension der Symptombewusstheit. Auch lässt sich aus<br />

quantitativen Studien zu spezifischen Krankheitskognitionen bei Schizophrenie ableiten,<br />

dass nicht das Wissen um die Identität der Erkrankung an sich, sondern Konsequenz- <strong>und</strong><br />

Chronifizierungserwartungen sowie die Verinnerlichung negativer Stereotypen (»Selbststigmatisierung«)<br />

depressogen wirken (LOBBAN et al., 2004, 2005; WATSON et al., 2006;<br />

LEWINE, 2005; WARNER et al., 1989).<br />

Es wurde daher angenommen, dass Positivsymptomatik eine entscheidende Rolle als<br />

Moderatorvariable zukommt, da sie die Möglichkeit zur Symptombewusstheit eröffnet <strong>und</strong><br />

die genannten »toxischen« Krankheitskognitionen fördert. Zum ersten Mal wurde daher an<br />

einer hinreichend großen Stichprobe (N = 210) zunächst eine explorative Clusteranalyse<br />

anhand von Einsicht <strong>und</strong> Depressivität <strong>und</strong> anschließend eine Regressionsanalyse mit<br />

entsprechendem Interaktionsterm berechnet, um das Zusammenspiel von Einsicht <strong>und</strong><br />

Positivsymptomatik zu erhellen.<br />

Auf diese Weise konnte gezeigt werden, dass etwa ein Viertel der Stichprobe eine Konstellation<br />

aus erhöhter Positivsymptomatik, hoher Einsicht <strong>und</strong> hoher Depressivität aufwies<br />

(Cluster I). Positivsymptomatik bei gleichzeitiger Einsicht war also für einen substanziellen<br />

Teil der Stichprobe möglich, d. h. es besteht keine strenge Polarität.<br />

Ein weiteres Cluster (III), das ebenfalls ein Viertel der Fälle umfasst, zeigt zwar eine<br />

deutlich geringere negative Emotionalität (g = -2,8) <strong>und</strong> <strong>Krankheitseinsicht</strong> (g = -3,17), die<br />

Patienten dieses Clusters sind jedoch im Mittel ebenso positivsymptomatisch (g = 0,14).<br />

Dies lässt erste Zweifel an einer rein nosologischen Erklärung aufkommen, die eine<br />

Korrelation von Einsicht <strong>und</strong> Depressivität ausschließlich aus der Beimischung von Fällen<br />

eines benigner verlaufenden schizoaffektiven Prägnanztyps ableiten würde.<br />

Einsicht <strong>und</strong> ihre Interaktion mit Positivsymptomatik erklären nach Kontrolle des Geschlechts<br />

<strong>und</strong> der Positivsymptomatik etwa 10 % der Varianz der Depressivität (Gesamt-R 2<br />

= .20), was deutlich über den mittleren Effekt von MINTZ et al. (2003) hinausgeht (r = .18).<br />

Zugleich zeigt sich jedoch noch immer eine erklärungsbedürftige Residualvarianz.<br />

Die besondere klinisch-praktische Relevanz der Erkenntnis einer Akzentuierung des<br />

Zusammenhangs von <strong>Krankheitseinsicht</strong> <strong>und</strong> Depressivität in symptomatischen Stadien<br />

einer Schizophrenie-Erkrankung liegt in seinen Implikationen für den psychoedukativen<br />

<strong>und</strong> -therapeutischen Prozess mit betroffenen Patienten: Angesichts der eindeutig erhöhten<br />

Risikos dieser Gruppe für suizidale Handlungen, u. a. mediiert von Hoffnungslosigkeit (KIM<br />

et al., 2003; BOLTON et al., 2007), muss bei residualer Psychose-Symptomatik eine<br />

sorgfältige Planung <strong>und</strong> Abwägung therapeutischer <strong>und</strong> edukativer Maßnahmen mit dem<br />

Ziel einer Erhöhung von <strong>Krankheitseinsicht</strong> <strong>und</strong> eine engmaschige Überprüfung krankheits-,<br />

selbst-, <strong>und</strong> zukunftsbezogener Kognitionen erfolgen.<br />

Aus dem Bef<strong>und</strong> ergeben sich offene Fragen, die künftige Forschungsanstrengungen<br />

stimulieren könnten: Um zu prüfen, ob die vielfach berichtete Kovariation von Einsicht <strong>und</strong>

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