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Krankheitseinsicht, dynamisch getestete Exekutivfunktionen und ...

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12.2.3.3 Einsicht <strong>und</strong> <strong>Exekutivfunktionen</strong><br />

319<br />

Diskussion<br />

In ihrer rezenten Metaanalyse zum Zusammenhang zwischen kognitiven Funktionen <strong>und</strong><br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong> bei Schizophrenie hatten ALEMAN et al. (2006) einen mittleren Effekt<br />

von r = .25 (95 %-CI .14 - .36) für den Wisconsin Card Sorting Test berechnet. Studie 3 mit<br />

226 Patienten konnte dies für Einsicht <strong>und</strong> den statischen WCST-64 nicht bestätigen, dafür<br />

jedoch für den <strong>dynamisch</strong>en WCST, d. h. den Posttest (r = .18, p < .01).<br />

Gemessen am herkömmlichen Einteilungskriterium (COHEN, 1988) handelt es sich<br />

hierbei um einen schwachen Effekt. In diesem Zusammenhang sei jedoch daran erinnert,<br />

dass Einsicht in Kapitel 6 als Resultat einer Vielzahl von Einflussfaktoren beschrieben<br />

wurde, einige davon neurokognitiver, andere motivationaler <strong>und</strong> soziokultureller Natur.<br />

Eine kognitive Verursachung von Einsichtsdefiziten wurde vor dem Hintergr<strong>und</strong> des<br />

Modells von STARTUP (1996) nur für eine Subgruppe von Patienten angenommen, nämlich<br />

für die neurokognitiv beeinträchtigten Nichtlerner aus Studie 2. Tatsächlich unterscheiden<br />

sich Nichtlerner mit mittlerem Effekt von den anderen Typen (Highscorer, Lerner), die sich<br />

untereinander nicht unterscheiden. Die Ursache für den sich andeutenden Unterschied<br />

zwischen den Korrelationen von G12-Einsicht einerseits <strong>und</strong> Prä- <strong>und</strong> Posttest des<br />

WCSTdyn andererseits (p < .10) sind also jene Probanden, die vom Training profitieren.<br />

Dies wirft zwei Fragen auf: Warum haben US-amerikanische Studien eine Korrelation<br />

des statischen WCST <strong>und</strong> Einsicht gef<strong>und</strong>en (s. ALEMAN et al., 2006)? Und welche Veränderung<br />

der Konstruktvalidität ist es, die den WCSTdyn in der vorliegenden Arbeit höher<br />

mit <strong>Krankheitseinsicht</strong> zusammenhängen lässt?<br />

Zur Beantwortung der ersten Frage empfiehlt sich ein Blick auf die Stichprobencharakteristika<br />

der Studien, die einen Zusammenhang von WCST <strong>und</strong> Einsicht berichten. Hier ist<br />

auffällig, dass manche der von ALEMAN et al. (2006) berücksichtigten Studien an Stichproben<br />

von Patienten mit chronischen Verläufen durchgeführt wurden. So waren die Patienten<br />

von YOUNG et al. (1998) seit 17 (±7) Jahren krank, SMITH et al. (2000) geben zwar nicht die<br />

Erkrankungsdauer, jedoch eine mittlere Anzahl von Hospitalisierungen an, die mit 7,7<br />

(+3,5) höher <strong>und</strong> homogener ist als in Studie 3.<br />

Es besteht daher die Möglichkeit, dass aufgr<strong>und</strong> von Merkmalen des Versorgungs- oder<br />

Forschungssystems relativ mehr Nichtlerner gesammelt wurden als in Studie 3 (ca. 15 %).<br />

Dass eine Selektion von Nichtlernern möglich ist, zeigt bereits die so nicht replizierte<br />

Remediationsstudie von GOLDBERG et al. (1987). Die Möglichkeit, über die Komposition<br />

eines Samples praktisch beliebige Zusammenhänge zwischen Kognition <strong>und</strong> Einsicht<br />

herzustellen, thematisierte auch STARTUP (1996). Es muss also v. a. in kleineren Stichproben<br />

mit einer stark sampling-abhängigen Variation des Zusammenhangs von Einsicht<br />

<strong>und</strong> statischem WCST gerechnet werden, mit akzentuierten Zusammenhängen dort, wo<br />

Nichtlerner deutlich überrepräsentiert sind. Hierdurch können die Eignung des statischen<br />

WCST <strong>und</strong> der Beitrag so gemessener »exekutiver« Funktionen überschätzt werden.<br />

Mit diesen Ausführungen sei ein Appell für den Einsatz des WCSTdyn in der Einsichtsforschung<br />

verb<strong>und</strong>en, der außer einem höheren Zeitaufwand keinerlei Nachteile birgt. Zwar<br />

ließe sich so das ubiquitäre Problem der Stichprobenabhängigkeit der Ergebnisse nicht<br />

direkt lösen. Die vorgelegten Typenhäufigkeiten, die die bislang repräsentativsten Angaben<br />

zu den Verhältnissen in der Patientenpopulation darstellen dürften, sowie die zusätzlich<br />

über den Posttest gewonnene Information würden jedoch helfen, Stichproben besser<br />

einzuordnen <strong>und</strong> künftig (auch metaanalytisch) ein klareres Bild möglicher exekutiver<br />

Beiträge zur Einsichtsbildung zu zeichnen.

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