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Krankheitseinsicht, dynamisch getestete Exekutivfunktionen und ...

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<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

ursprünglich angenommen: Obwohl MCGLASHAN (1987) einen positiven Zusammenhang<br />

zwischen Integration <strong>und</strong> Outcome bei schwer psychisch erkrankten Personen über<br />

durchschnittlich 15 Jahre belegen konnte, war dieser gerade für Schizophrenie <strong>und</strong><br />

schizoaffektive Störungen am schwächsten ausgeprägt (r = .28 bzw. .20). Bei D’ANGELO <strong>und</strong><br />

WOLOWITZ (1986) fand sich kein Zusammenhang des Recovery-Stils mit der sozialen Angepasstheit<br />

des Verhaltens. Distanzierende Bewältigung scheint also für manche Menschen<br />

mit Schizophrenie durchaus zu funktionieren, was aus der kognitiv-transaktionalen<br />

Perspektive nachvollziehbar ist. STARTUP (2006) liefert zwei Kasuistiken für adaptives<br />

Versiegeln <strong>und</strong> den maladaptiven Versuch der Integration einer Psychose.<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong> hing bei DRAYTON et al. (1998) <strong>und</strong> TAIT et al. (2003) nicht mit dem<br />

Bewältigungsstil zusammen, was auf den ersten Blick verw<strong>und</strong>ern mag (vgl. auch STARTUP,<br />

2006). Dies mag teilweise auf die Operationalisierungen zurückgehen, da statt einer<br />

Fremdeinschätzung der Recovery Style Questionnaire von DRAYTON et al. (1989) verwendet<br />

wurde. Aber auch theoretisch muss sich eine solche Korrelation nicht in jedem Fall<br />

einstellen: Einsicht ist zwar eine notwendige, aber keine hinreichende Voraussetzung<br />

integrativer Bewältigung. Der Zusammenhang könnte z. B. von personalen Ressourcen<br />

moderiert werden (s. TAIT et al., 2004; vgl. HOBFOLL, 1989). Auch sollten sich differentielle<br />

Effekte des Bewältigungsstils für unterschiedliche Dimensionen von Einsicht einstellen, so<br />

dass deren Messung eine große Rolle spielt (z. B. sollten soziale Konsequenzen der<br />

Erkrankung <strong>und</strong> eine weitere Behandlungsnotwendigkeit beim Sealing over eher bestritten<br />

werden als die Erkrankung selbst). Und schließlich sollte die Rückwirkung der Versiegelung<br />

auf die Einsichtsmessung kontextabhängig sein (d. h. von Charakteristika der Testsituation<br />

<strong>und</strong> des Behandlungssettings beeinflusst werden).<br />

Auch wenn also kein direkter Beleg für einen Zusammenhang mit globalen Einsichtsdefiziten<br />

erbracht werden konnte, liefern die Forschung zum Sealing-over-Stil der Verarbeitung<br />

psychischer Erkrankungen (MCGLASHAN et al., 1975) <strong>und</strong> die Übertragung der Theorie<br />

der Ressourcenerhaltung auf dieses Gebiet (HOBFOLL, 1989) Hinweise für die Analyse<br />

non-kognitiver Bedingungen von Einsicht. So lässt sich erstens annehmen, dass sich in<br />

elaborierteren Formen von <strong>Krankheitseinsicht</strong> (d. h. Bewusstheit von Konsequenzen <strong>und</strong><br />

künftiger Behandlungsnotwendigkeit) teilweise eine »neugierige« Hinwendung zum Bewältigungsobjekt<br />

(MILLER, 1987) ausdrückt, wie sie für den integrativ bewältigenden Coping-<br />

Stil angenommen wurde (MCGLASHAN et al., 1975, 1977).<br />

Zweitens sollte sich <strong>Krankheitseinsicht</strong> eher bei Menschen einstellen, die reich an Ressourcen<br />

<strong>und</strong> entsprechenden Bewältigungsoptionen sind. Vor allem auf soziale Unterstützung<br />

<strong>und</strong> soziales Coping legen beide Konzepte ein besonderes Gewicht.<br />

6.5.14.2 Empirische Bef<strong>und</strong>e: Defensivität <strong>und</strong> Einsicht<br />

Schon frühe Bef<strong>und</strong>e der psychometrischen Schizophrenieforschung weisen auf eine hohe<br />

Defensivität von Patienten mit Schizophrenie-Diagnosen hin: So untersuchte HAU (1957)<br />

100 stationär aufgenommene Patienten des Landeskrankenhauses Göttingen mit dem<br />

Maudsley Medical Questionnaire (MMQ) <strong>und</strong> fand deutlich erhöhte Werte der Kontrollskala<br />

im Vergleich mit den Normen <strong>und</strong> einer Stichprobe ambulanter »Neurotiker« (g = 1,41<br />

[berechnet aus deskriptiver Statistik, s. Tab. 3, ebd., S. 674, <strong>und</strong> Tab. 6, ebd., S. 678]).<br />

HAVENER <strong>und</strong> IZARD (1962) stellten mit der Lügenskala eines Selbstkonzeptfragebogens<br />

(Tennessee Department of Mental Health Self-Concept Scale) ebenfalls fest, dass hospitalisierte<br />

Patienten mit paranoider Schizophrenie selbst-abwertenden Aussagen signifikant<br />

weniger zustimmten als Kontrollprobanden (d = 0,97).

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